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| SONNE DER WAHRHEIT | ||
| Heft VIII | OKT. 1923 | |
| ORGAN DES DEUTSCHEN BAHAI-BUNDES STUTTGART | ||
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Die Hauptpunkte der Bahailehre
1. Die gesamte Menschheit ist als Einheit anzusehen. Alle Vorurteile gegenüber anderen Menschen, Völkern und Rassen müssen beseitigt werden.
2. Alle Religionen müssen sich in einer höheren Einheit zusammenfinden. Ein Gott, eine Religion.
3. Durch einen festgegliederten, allumfassenden Völkerbund und ein internationales Schiedsgericht muß der universale, dauernde Weltfrieden gesichert werden.
4. Neben der Muttersprache soll in jedem Land der Erde eine Welt-Einheitssprache eingeführt und gelehrt werden.
5. Jeder Mensch hat dasselbe Anrecht auf die geistigen und materiellen Güter des Lebens.
6. Die Menschen haben die Pflicht, nach Wahrheit zu forschen. Zwischen wahrer Religion und Wissenschaft besteht kein Widerspruch.
7. Beide Geschlechter sollen die beste Erziehung und eine der Begabung entsprechende Ausbildung erhalten.
8. Mann und Frau haben überall die gleichen Rechte. Jede Art von Hörigkeit ist streng verboten.
9. Für jeden Menschen besteht die Pflicht zur Arbeit. Für Arbeitsunfähige und Erwerbslose tritt eine gesetzliche staatliche Fürsorge ein.
10. Die schlimmen Wirkungen des Kapitalismus werden durch ein neugeordnetes, weises Erbrecht und durch geeignete Sozialisierung beseitigt.
11. Für jedes Gemeindewesen, wie für den Staaten- und Völkerbund, wird eine Verwaltungsbehörde mit bestimmten Verordnungsrechten u. Fürsorgepflichten — das sog. Haus der Gerechtigkeit — eingesetzt. Im übrigen hat der Bahai jeder staatlichen Obrigkeit zu gehorchen.
12. Die Bahailehre ist die Universal- und Einheitsreligion für die ganze Menschheit. Der Mittelpunkt des neuen Gottesbündnisses und der Erklärer der Lehre war Abdul Baha (Abbas Effendi), dem diese Stellung von seinem Vater Baha ’Ullah (Hussein Ali-Nuri) übertragen wurde. Vor seinem Hinscheiden hat Abdul Baha seinen Enkel Shoghi Effendi zum Hüter und Beschützer der Bahaisache bestimmt.
| SONNE DER WAHRHEIT ORGAN DES DEUTSCHEN BAHAI-BUNDES Herausgegeben vom Verlag des Deutschen Bahai-Bundes Stuttgart Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz - Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3 Grundpreis im Abonnement, monatl. 30 Pf. (Berechnung ⅓ der Buchhändler-Schlüsselzahl). |
| Heft 8 | Stuttgart, im Oktober 1923 | 3. Jahrgang |
Inhalt: Seele, Vernunft und Geist. — Aus „'Abdu'l-Bahá in London“. — Bericht an die Freunde im Osten und Westen. — To the Friends in the East and West. — Die Lehre des Bab, wie dessen Anhänger,die Babi, sie darstellten. — Die Macht der Liebe. — Aldono. — Eingesandt. — Bericht. — Eingesandt aus Bad Mergentheim. — Notiz.
Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion.
Die Bahai-Botschaft ist ein Ruf zur Religions-Vereinigung und nicht eine Aufforderung zu einer neuen Religion; sie ist kein neuer Weg, der zur Seligkeit führt - da sei Gott davor. Es ist der alte Weg, der frei gemacht ist von den Einbildungen und den Vorurteilen der Menschen, der frei ist von den Uebeln des Streits und der Mißhelligkeiten, und der wieder zu einem geraden Weg für den aufrichtig Suchenden gemacht ist, daß er ihn mit voller Ueberzeugung betrete und erkenne, daß das Wort von Gott ein Wort ist, wenn auch die Träger desselben viele waren.
’Abdu’l-Bahá.
Wahrlich, für jede Manifestation der früheren Zyklen war eine gewisse Stufe der Existenz und ein besonderer Grad in der Entwicklung der Menschheit bestimmt. Aber der Offenbarer des größten Namens — möge mein Geist ein Opfer für Seine Geliebten sein — war der Ausdruck der Reife und Vollkommenheit in der Wesenheit des Menschengeschlechts und in der Welt der Existenz, so wie die Sonne der Mittelpunkt alles Lichts, die Quelle der Wärme aller Erleuchtung ist, die alle Vollkommenheit umfaßt, die geoffenbart ist in der ganzen Welt bis zu den leuchtenden Sternen. — Führe Dich so, daß Du einen reichen Anteil von dem geoffenbarten Licht empfangest. Wahrlich, ich sage Dir, wenn Du diese Stufe erreichst, so wirst Du alle Heiligen erblicken, ergeben und unterwürfig in dieser Stufe. Eile zum Leben ehe der Tod naht; lasse Frühling werden, ehe der Herbst anbricht; heile, bevor die Krankheit ganz ausbricht. Auf diese Weise wirst Du als ein geistiger Arzt alle Arten von Krankheiten heilen durch den Hauch des hl. Geistes in diesem glorreichen Jahrhundert und erleuchteten Zeitalter.
(’Abdu’l-Bahá 1902 an Mrs. J. D. B.)
Seele, Vernunft und Geist.
Auf die Bitte um Erklärung, was unter diesen Worten zu verstehen sei, antwortete ’Abdu’l-Bahá:
„Die Terminologie der alten Philosophen unterscheidet sich von derjenigen unserer Zeit. Es entwickelten sich später gewisse Bezeichnungen, durch welche wir diese Dinge in einem anderen Licht sehen. Nach der Ansicht einiger früheren Philosophen schliessen die Worte Seele, Vernunft und Geist das Lebensprinzip in sich ein. Sie bringen die verschiedenen Erscheinungen der einen absoluten Wirklichkeit zum Ausdruck. Es sind verschiedene Namen für das Wirken eines Wesens. Wir sagen z.B., ein Mensch, sieht, hört und spricht: Sehen, hören und sprechen sind nur die verschiedenen Funktionen ein und derselben Kraft, die den Menschen belebt, Einige philosophische Schulen gaben dem verschiedenen Wirken des einen Wesens verschiedene Bezeichnungen. Wenn z. B. manche von den Regungen des Bewußtseins sprechen, so nennen sie es Seele; wenn sie jene Kraft bezeichnen wollen, welche Entdeckungen und Forschungen macht, nennen sie dieselbe Vernunft, und wenn sie von dem die Schöpfung belebenden Wesen sprechen, nennen sie es Geist.
Die verschiedenen Begriffe der Bezeichnung Seele, Vernunft und Geist sind folgende: Unter „Seele" verstehen wir jene Kraft, welche den physischen Körper bewegt und ihn kontrolliert, sodaß dieser stets im Einklang mit dem Willen dieser Macht lebt und handelt. Die Seele, welche in der materiellen Welt lebt, ist verdüstert und unausgebildet, denn in der materiellen Welt herrscht ein Hang zum Kampf, zur Habgier, zum Laster und zu sonstigen Fehlern. Solange die Seele in diesem Zustand verbleibt und auf solchen Wegen wandelt, wird sie keine Höherentwicklung erlangen. Wenn sie aber Licht von der höheren Welt empfängt, dann verwandelt sich bei ihr Dunkelheit in Licht, Tyrannei in Gerechtigkeit, Unwissenheit in Wissen, Angriffslust in liebevolle Freundlichkeit. Dann gibt es keinen Kampf um die Existenz mehr und der Mensch wird frei von Selbstsucht; er wird sich frei machen von der materiellen Welt und es soweit bringen, daß er eine Verkörperung der Gerechtigkeit und der Tugenden wird. Er wird eine heilige Seele werden und als solche ein Mittel zur Erleuchtung der Menschheit und eine Zierde des Menschengeschlechts sein. Er wird seinen Mitmenschen ein solches Leben vorleben, durch das alle Nationen zu der Stufe der Vollkommenheit gelangen. Ein solcher Mensch verdient es, eine „heilige Seele" genannt zu werden.
Die Seele an sich vermag die Rätsel dieser Welt nicht zu lösen, aber die Vernunft ist der Seele überlegen. Die Vernunft ist eine Kraft, durch die der Mensch die Wirklichkeit aller Dinge zu erforschen vermag. Sie enthüllt seinem geistigen Auge die Geheimnisse der Existenz und führt ihn höher und immer höher, bis zur Stufe der Erhabenheit. Sie befreit den Menschen von den Fesseln des Selbsts und veranlasst ihn, zum reinen Himmel der Heiligkeit emporzusteigen.
Die höchste Macht des Menschen ist die des Geistes. Diese ist ein unmittelbarer Ausfluß des göttlichen Spenders. Sie ist der Glanz der Sonne der Wirklichkeit, die Ausstrahlung der himmlischen Welt. Kurz gesagt, sie ist das Wesen des Geistes, von dem Christus sprach, als er sagte: „Was vom Fleisch geboren wird, das ist Fleisch, und was vom Geist geboren wird, das ist Geist.“
Der Geist ist die Achse, um die sich das ewige Leben dreht. Er führt zu ewigem Ruhm; er ist es, der die Menschheit zur Glückseligkeit führt. Christus sagte: „Wer nicht diesen Geist empfängt, der ist tot. Laßt die Toten ihre Toten begraben.“ Und ein andermal sagt er: Ihr müßt mit dem Geist getauft werden. Der Geist ist das Lebensprinzip der Menschheit, die Ursache der ewigen Erleuchtung, er befähigt den Menschen, die Stufe der Vollkommenheit der göttlichen Welt zu erlangen.
Ich hoffe, daß jedes von Euch ein Empfänger dieses Geistes werde.
(Uebersetzt von W. Herrigel.)
Aus „Wirklichkeit“ Heft 1, Jahrg. 2.
Aus „’Abdu’l-Bahá in London“.
(Fortsetzung.)
Das reine Herz.
Als ’Abdu’l-Bahá um die Erklärung über ein reines Herz gefragt wurde, sagte Er:
„Das reine Herz ist das, das vollkommen losgelöst ist von Selbstsucht. Selbstlos sein heißt rein sein“.
Wahre Vergeistigung.
An einem andern Morgen sagte ’Abdu’l-Bahá plötzlich zu einer Gruppe von Suchenden:
„Gelobt sei Gott, dies Jahrhundert ist ein herrliches Jahrhundert, meine Liebe mehrt sich täglich; möchte diese Liebe eine Flamme entzünden, als eine Gabe und Gnade von Gott.
Wisset, ihr Einsichtsvollen, daß wahre Vergeistigung wie ein See voll klaren Wassers ist, der die Göttlichkeit widerspiegelt. Solcher Art war die Vergeistigung Jesu Christi. Es gibt auch noch eine andere Art, die wie eine Luftspiegelung ist und doch geistig zu sein scheint, es aber nicht ist. Das, was wirklich geistig ist, muß den Weg zu Gott erleuchten und muß sich in guten Taten zeigen. Wir können nicht an den göttlichen Ruf der Vergeistigten glauben, wenn keine Resultate daraus hervorgehen. Geist ist Wirklichkeit, und wenn unser Geist sich mit der großen Wirklichkeit zu verbinden sucht, so muß er wiederum Leben spenden. Die Juden waren in den Tagen Christi tot, da sie kein wahres Leben hatten, und Jesus Christus blies einen neuen Lebensgeist in sie ein. Bedenkt, was sich seitdem erfüllte!“
Wissen muß sich in der Handlungsweise zeigen.
Der Vertreter einer wohlbekannten Gesellschaft besuchte die Versammlungen ’Abdu’l-Bahás zum Zweck des Suchens nach der Wahrheit. ’Abdu’l-Bahá. sprach zu ihm:
„Ich weiß von Deiner Arbeit; ich halte viel davon. Ich kenne Deinen Wunsch, der Menschheit zu dienen und die Menschen einander näher zu bringen, aber ihr müßt euch hüten, daß es nicht bei einer Diskussion bleibt. Schaut um euch. Wie viele Komitees sind ins Leben gerufen worden und nachdem sie eine kurze Zeit bestanden, haben sie sich wieder aufgelöst. Komitees oder Gesellschaften können nicht Leben schaffen noch erhalten. Die Menschen kommen zusammen und reden, es ist aber allein das Wort Gottes, das in seiner Wirkung mächtig ist. Ich möchte euch einen Augenblick darauf hinweisen, ob ihr wohl Handel treiben würdet, ohne dadurch einen Gewinn zu haben! Seht auf die Jünger Christi. Ihre Kraft entsprang ihrer eifrigen Tätigkeit. Jede Bemühung muß Resultate zeitigen, sonst ist es keine ernstliche Bemühung. Ihr müßt zur Erleuchtung der Menschheit beitragen. Dies ist das untrügliche Merkmal und Zeichen. Jeder Fortschritt hängt von zwei Dingen ab, von Erkenntnis und Taten. Erst erwirb Dir Wissen, und wenn die Erkenntnis da ist, so setze sie in die Tat um. — Einst reiste ein Gelehrter hieher, um mich zu besuchen und meinen Segen zu empfangen. Er sagte, er kenne und verstehe die Bahai-Lehre. Als ich ihm sagte, daß er den Segen des hl. Geistes empfangen könne, wenn er sich in einem aufnahmefähigen Zustand befinde, antwortete er mir, daß er immer in einem solchen Zustand sei.
Ich frug ihn: „Was würdest Du tun, wenn ich mich plötzlich von Dir abwenden und Dich gehen hieße?“ Er wurde sofort entrüstet und lief ärgerlich im Zimmer auf und ab. Nach einer kleinen Weile ging ich zu ihm hin, nahm ihn beim Arm und sagte: „Aber du mußt Schlechtes mit Gutem vergelten. Ob ich Dich nun ehre oder zurückweise, solltest Du doch den Lehren folgen; du hast sie vorerst nur gelesen. Erinnere dich der Worte Jesu, der sagte: „Die ersten werden die letzten sein und die letzten die ersten“. Der Mann veränderte seine Stimmung, schüttelte mir die Hand und ging. Seitdem habe ich manche gute Tat von ihm gehört.
Als ’Abdu’l-Bahá mit ‚Prophet‘ angeredet wurde, antwortete Er:
Mein Name ist ’Abdu’l-Bahá, der Diener
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Gottes" (wörtlich Knecht der Herrlichkeit.*)
Ein Besuch beim Oberbürgermeister.
Auf den ausdrücklichen Wunsch des Lord-Mayor (Bürgermeisters) besuchte ihn ’Abdu’l-Bahá am frühen Morgen im Rathaus. Das Gespräch drehte sich im besondern um soziale Zustände der Großstädte und ’Abdu’l-Bahá sagte, daß London die best geleitetste Stadt sei, die er kenne. Er sagte: „Jeder Mensch, der auf der Straße geht, ist frei, als ob dies sein eigenes Reich wäre. Ein großes geistiges Licht ist in London. Man bemüht sich aufrichtig, gerecht zu sein und in diesem Land gilt gleiches Recht für Arm und Reich“. ’Abdu’l-Bahá zeigte großes Interesse dafür, daß für die Gefangenen viel Sorge verwendet wird, wenn sie das Gefängnis verlassen dürfen und sagte, daß dies Land sich glücklich schätzen dürfe, einen Magistrat zu haben, der väterlich für das Volk sargt.
Bevor ’Abdu’l-Bahá London verließ, besuchte Er ein Ostend-Hospital, um dort einen jungen Schriftsteller aufzusuchen, der schwerkrank war und sich so innig nach ’Abdu’l-Bahá sehnte.
Einige persönliche Eigenschaften.
Ein Charakterzug in ’Abdu’l-Bahá ist noch nicht berührt worden, ohne den man sich kein völliges Bild von Ihm machen kann. Die eindrucksvolle Würde, die Ihm eigen ist und ihn besonders auszeichnet, wird gelegentlich durch einen edlen Humor und feinen Witz beleuchtet, der nicht angreifend ist, aber tiefen Eindruck macht und entzückt.
Als an Seinem letzten Nachmittag in London Ihn ein Reporter besuchte, um Ihn über seine künftigen Absichten zu befragen, traf dieser ’Abdu’l-Bahá in einem Freundeskreise, die Ihm Lebewohl sagen wollten. Auf die Frage dieses Wißbegierigen sagte ’Abdu’l-Bahá in vollendetem Englisch, daß er beabsichtige, nach Paris und von da nach Alexandrien zu reisen. Der Berichterstatter war sichtlich erstaunt über Seine korrekte Aussprache. ’Abdu’l-Bahá schritt auf und ab in dem blumenduftenden Empfangszimmer, sein orientalisches Gewand stach fremd gegen seine moderne Umgebung ab und zur Freude der Anwesenden äußerte er einige gut ausgesprochene englische Worte und schloß lachend mit: „Ich spreche sehr schwierige englische Worte aus". Einige Minuten später mit der raschen Wandlung eines, der ernst und heiter sein kann, nahm er einen tiefen Ernst an.
Er hatte angeordnet, daß niemand abgewiesen werden soll, aber jemand, der zweimal Ihn umsonst aufgesucht hatte, schrieb einen herzzerreißenden Brief, aus dem hervorging, daß er sich als abgewiesen ansah. Dieses Schreiben wurde von einem persischen Dolmetscher übersetzt. ’Abdu’l-Bahá legte sofort seinen Mantel um, wandte sich der Türe zu und sagte mit dem Ausdruck unaussprechlicher Traurigkeit: "Einer meiner Freunde ist gefoltert worden und ich bin sehr traurig darüber. Ich gehe allein aus“, und mit diesen Worten schritt Er die Treppe hinab. Hierbei konnte man wiederum sehen, wie sehr ihm der Titel „Meister“ zusteht.
Ein weiterer Zug Seines Charakters, den keiner, der Ihn je gewarnt, vergessen kann, ist Seine Haltung Kindern gegenüber. Viele Ansprachen hielt Er, indem Er in Seinem Arm eines dieser Kleinen hielt. Immer mahnte er die Eltern mit folgenden Worten:
„Gebt diesem Kind eine gute Erziehung, strengt Euch an, daß es das Beste empfange, was Ihr aufbringen könnt, damit es befähigt werde, sich der Vorzüge dieses herrlichen Zeitalters zu erfreuen. Tut alles, was Ihr könnt, um seine geistige Entwicklung anzuregen!“
Jemand, der zu ’Abdu’l-Bahá zu gelangen begehrt, erkennt in Ihm eine väterliche Zuneigung, die aus Ihm spricht. Als jemand über seine eigene und der Liebe anderer zu ’Abdu’l-Bahá sprach, antwortete Er: „Ich weiß, daß Ihr mich liebt, ich sehe es, daß dem so ist. Ich will für Euch beten, daß Ihr getreu seid, und der Lehre dient und wahre Diener Baha’u’lláhs werdet. Trotzdem ich von Euch gehe, werde ich stets mit Euch allen sein“. Diese Worte wurden mit größter Liebe und vollem Verständnis für alle Lebensschwierigkeiten gesprochen. Während dieser kurzen Unterredung hielt ’Abdu’l-Bahá die Hand des Betreffenden und drückte sie und nahm zum Schluß dessen Kopf zwischen seine Hände und zog ihn freundlich zu sich heran und küßte den jungen Mann auf die Stirne, der fühlte, daß er einen Vater und einen Freund gefunden habe.
.*) Vergleiche: „Mein Name ist ’Abdu’l-Bahá. Meine Wirklichkeit ist ’Abdu’l-Bahá, und der Dienst für das ganze Menschengeschlecht ist meine andauernde Religiosität. ’Abdu’l-Bahá ist der Bannerträger des Weltfriedens. Er ist der Herold des Reiches Gottes, der das Volk erweckt im Osten und Westen. Er ist der Ruf zur Freundschaft, zur Wahrhaftigkeit und der Versöhnung, der alle Religionen neu belebt. Keinen Namen, keinen Titel wird er jemals tragen als den ’Abdu’l-Bahá. Dies ist meine Hoffnung, dies ist meine erhabene Stufe. O, ihr Freunde Gottes! ’Abdu’l-Bahá ist die Verkörperung des Dienstes, er ist nicht Christus. Er ist der Diener für die Menschheit und nicht ihr Oberhaupt. Erhebt die Menschen zur Stufe des Dienstes nach der Art ’Abdu’l-Bahás, und sagt nicht von ihm, daß er Christus sei.“ (Aus einem Brief an die Bahai in New-York Jan. 1. 1907.)
Der Abschied.
Am letzten Morgen vor ’Abdu’l-Bahás Abreise aus London kamen viele Freunde in den Cardogangarden und an die Bahn, um Ihm Lebewohl zu sagen. Eine eindrucksvolle und interessante Handlung wurde im Haus durch einen Zoroastrier (Arzt von Beruf) vollzogen, der ein sorgfältig abgefaßtes Telegramm an einige Parsen in Bombay abgeschickt hatte, das lautete: „Das Licht der Wahrheit ist abermals im Osten und im Westen aufgegangen durch ’Abdu’l-Bahá“. Durch einen Glaubensbruder beordert, hatte ein Anhänger einer der ältesten Religionen der Welt ihm geweihtes Oel gebracht, das einen sehr seltenen Duft hat, mit dem er das Haupt und die Brust ’Abdu’l-Bahás salbte und darnach allen Anwesenden die Hand reichte. Dann legte er um ’Abdu’l-Bahás Nacken und Schultern eine prachtvolle Guirlande von Rosenknospen und Lilien.
Der letzte Eindruck, den die Freunde auf der Viktoria-Station hatten, war der einer ehrwürdigen Gestalt, von deren Antlitz ein Blick voller Güte und wundervoller Zärtlichkeit auf diejenigen fiel, die Er nun verließ.
Aus einer Unterredung von ’Abdu’l-Bahá für die „Weekly Budget“.
23. September 1911.
Von den Erlebnissen seiner vierzigjährigen Gefangenschaft.
In Cadogan Gardens wohnt gegenwärtig ein geistig erleuchteter Orientale, dessen Ankunft in London die neueste Berührung des Ostens mit dem Westen bedeutet.
Die Lehre ’Abdu’l-Bahás hat schon den Zusammenschluß tausender von Engländern mit Orientalen aus allen Teilen des Ostens geschaffen. Auf der Basis wechselseitiger Hilfe und Freundschaft und einem Gottesdienst ohne Rücksicht auf die Konfession haben sie sich vereint mit einem Ernst und einer brüderlichen Liebe trotz gewisser zinischer Auslassungen von Schriftstellern und Philosophen.
Die längste Zeit seines Lebens hat ’Abdu’l-Bahá in einem orientalischen Gefängnis zugebracht, das er freudig ertrug, und das ihn von seinem Glauben nicht abwendig machen konnte. Eine seiner Grundlehren ist völlige Gleichberechtigung der Menschen ohne Ansehen äußerer Unterschiede, wie Geschlecht und Farbe. Er anerkennt keine Klassenbevorzugung. Für ihn ist nur der bevorzugt, der im Dienst und Geist brüderlicher Liebe steht. Für diese und ähnliche Lehren ist er 40 Jahre in der Gefängnisstadt Akka in Palästina eingekerkert gewesen. Als ich um eine Unterredung mit ihm nachsuchte, wurde mir gesagt, ich solle frühzeitig kommen. Ich kam nun schon um 9 Uhr zu einer Unterredung. Für ’Abdu’l-Bahá war dies schon beinahe Mittagszeit, da er schon um 4 Uhr aufsteht und schon den Besuch von 18 Menschen vor seinem Frühstück um 1/2 7 Uhr empfangen hatte. Vertreter vieler Sprachen und Nationalitäten erwarteten ihn im Empfangszimmer.
Wir setzten uns in einem Kreis um ’Abdu’l-Bahá, der frug, ob wir Fragen zu stellen hätten. Ich antwortete, daß mich der Verleger der Zeitung gesandt habe, um etwas aus seiner Gefangenenzeit zu erfragen, worauf ’Abdu’l-Bahá sogleich in einfacher und unpersönlicher Weise eine der bemerkenswertesten Begebenheiten, die man sich denken kann, erzählte.
Er sagte: „Als ich neun Jahre alt war, begleitete ich meinen Vater Baha’u’láh auf seiner Reise in die Verbannung nach Bagdad, mit ihm zogen 70 seiner Anhänger. Diese Art der Verbannung nach fortgesetzten Verfolgungen beabsichtigte, aus Persien das auszustoßen, was die geistlichen Autoritäten als gefahrbringende Religion erachteten. Baha’u’lláh mit seiner Familie und seinen Anhängern wurde verbannt und mußte von einem Ort zum andern ziehen. Als ich etwa 25 Jahre alt war, wurden wir von Konstantinopel nach Adrianopel unter militärischer Bewachung nach der Festung Akka verbracht, wo wir eingekerkert und streng bewacht wurden“.
Der erste Sommer.
„Wir hatten keine irgendwelche Verbindung mit
der Außenwelt. Jeder Laib Brot wurde von den
Wächtern aufgeschnitten, um nachzusehen, ob
nicht eine Botschaft darin verborgen sei. Alle,
die an die Bahai-Lehre glaubten, Kinder, Männer
und Frauen waren mit uns eingekerkert. In zwei
Zimmern waren 150 Personen von uns beisammen
und keines hatte die Erlaubnis, den Platz zu
verlassen, mit Ausnahme von vier Personen, die
alle Morgen in die 3 Bazare unter Bewachung
gingen. Der erste Sommer war schrecklich.
Akka ist eine fieberbehaftete Stadt. Es wurde
über sie gesagt, daß wenn ein Vogel über sie
wegflöge, er tot zur Erde falle. Die Ernährung
war mager und ungenügend, das Wasser kam aus
einem fieberinfizierten Brunnen und das Klima
und die Zustände waren derart, daß sogar die
Eingeborenen der Stadt krank wurden. Viele
Soldaten erkrankten und acht von den zehn
unserer Wächter starben. Während der intensiven Hitze befiel Malaria, Typhus und Dissentrie die Gefangenen, so daß Männer, Frauen und
Kinder zugleich krank wurden. Es waren keine
Aerzte da, keine Medizin, keine angemessene
Kost und keine Pflege irgend welcher Art.
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Ich kochte Suppe für die Leute und da ich
viel Uebung darin hatte, kochte ich sie gut!“ sagte ’Abdu’l-Bahá lachend.
Hier erklärte mir ein Perser, daß es durch ’Abdu’l-Bahás wundervolle Geduld, Hilfefreudigkeit und Ausdauer komme, daß er der „Meister“ genannt werde. Man erkannte leicht seine „Meisterschaft" in seiner völligen Lostrennung von Zeit und Ort, seiner absoluten Loslösung von allem, was selbst ein türkisches Gefängnis auferlegen kann.
Bessere Zustände.
„Nach zwei Jahren der strengsten Haft wurde mir die Erlaubnis zuteil: ein Haus zu suchen, in dem wir außerhalb der Gefängnismauern wohnen konnten, aber immer noch innerhalb der Festung. Viele Gläubige kamen aus Persien, um uns zu sehen, es wurde ihnen aber nicht gestattet. Neun Jahre verflossen. Manchmal ging es uns besser, manchesmal schlechter. Es hing vom Gouverneur ab, der, wenn er ein gütiger und milder Befehlshaber war, uns erlaubte, die Festung zu verlassen und den Gläubigen freigab, uns aufzusuchen; wenn aber der Gouverneur rücksichtslos war, so wurden besondere Hüter aufgestellt, und die Pilger, die zum Teil weither gekommen waren, wurden abgewiesen.
Ich hörte später von einem Perser, der in dieser schweren Zeit zu ’Abdu’l-Bahás Haushalt zählte, daß die türkische Regierung die Tatsache nicht glauben wollte, daß das Interesse der englischen und amerikanischen Besucher rein geistiger und nicht politischer Art sei. Oft wurde diesen Pilgern die Erlaubnis, ihn zu sehen, abgeschlagen, und oftmals wurde die weite Reise von Amerika nur mit einem Blick ’Abdu’l-Bahás von seinem Gefängnisfenster aus belohnt.
Die Regierung glaubte, daß das Grab des Bab, ein imposantes Gebäude auf dem Karmel, eine Festung sei, die mit amerikanischem Geld gebaut, im Geheimen bewaffnet und besetzt würde. Der Argwohn wuchs mit jeder neuen Ankunft, was sich in Aufstellung noch weiterer Spione und Wächter kundtat.
Abdul Hamid’s Untersuchungskommission.
„Ein Jahr, bevor Abdul Hamid entthront wurde, entsandte er ein außerordentlich bedrückendes, hinterlistiges und beleidigendes Untersuchungskomitee nach Akka. Der Vorsitzende war einer aus dem Stab des Gouverneurs, Arif Bey und mit ihm stritten sich drei Armee-Kommandeure um den Rang. Gleich nach seiner Ankunft gelang es Arif Bey, mich anzuklagen. Er suchte nach beweiskräftigen Mitteln, die ihn bevollmächtigen sollten, mich nach Fezan zu verschicken oder mich im Meer zu ertränken. Fezan ist eine Karawanenstation an der Grenze von Tripolis, wo es keine Häuser und kein Wasser gibt. Es ist eine Monatsreise auf dem Kamel von Akka aus. Das Komitee sandte zweimal nach mir und wollte hören, was ich zu meiner Verteidigung vorbringen könne, und zweimal ließ ich ihnen sagen: „Ich kenne eure Absicht, ich habe nichts zu sagen!“
Dies machte Arif Bey so wütend, daß er erklärte, er werde nach Konstantinopel zurückreisen und einen Befehl vom Sultan erwirken, nachdem man mich am Tore von Akka aufknüpfen werde. Er und seine Kommission schifften sich ein mit einem Bericht, der folgende Anklage enthielt: ’Abdu’l-Bahá will sich ein neues Reich schaffen, in dem er sich als König ausrufen lassen wird; ’Abdu’l-Bahá hält die Fahne einer neuen Religion hoch; ’Abdu’l-Bahá hat eine Festung in Haifa, einem Nachbarort, gebaut und kauft das umliegende Land auf.
(Fortsetzung folgt.)
Uebers. von Fr. A. Sch.
Bericht an die Freunde im Osten und Westen. (Fortsetzung.)
So oft ich die Feder zur Hand nehme, um
meine persönlichen Eindrücke und Erinnerungen
zu Eurer Kenntnisnahme niederzuschreiben,
steht das Bild des geliebten Meisters in Seiner
ganzen Majestät vor mir. Es ist nicht auf Seine
Persönlichkeit sondern auf die heilige Lehre in
erster Linie zu blicken: „Die Lampe ist es nicht,
sondern das Licht, das ihr verehren sollt, ehret
das Licht, aus welcher Leuchte es euch auch
scheine“. waren Seine Worte. Wie Er keine
Titulatur für sich zuließ und Sich nur Diener oder
Knecht Gottes nannte, ebensowenig gestattete
Er eine Huldigung Seiner Persönlichkeit. — Meiner Familie war viel daran gelegen, eine Zusammenkunft 'Abdu'l-Bahás mit dem damals regierenden König Wilhelm II. von Württemberg
zu bewerkstelligen, was jedoch leider durch eine
unvorhergesehene Reise des Königs nicht zustande kam. Als wir 'Abdu'l-Bahá davon sprachen, kam mir der Gedanke, unseren Herrn zu
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bitten, die Wilhelma zu besuchen, welche
König Wilhelm I. von Württemberg in Cannstatt
bei Stuttgart durch die Architekten Zanth anno
1842--45 in maurischem Styl nach dem Modell der
Alhambra hatte erbauen lassen. In wundervollen
Parkanlagen mit Wasserwerken und besonders
schönen Gewächshäusern befindet sich das K. Landhaus; kleinere Bauten und Kioske schmücken die schönen Gärten und den wohlgepflegten Park. Am Nachmittag des 4. April 1913
frugen wir 'Abdu'l-Bahá, ob Er diesen Ort besichtigen möchte, da wir den Wunsch hatten,
Ihm eine heimatlich anmutende orientalische Umgebung zu zeigen. Es war ein wundervoller
sonniger Frühlingstag. Im Gefolge des geliebten Herrn waren Mirza ’Ahmad Sohrab, Sajed
Assadullah, Dr. Fisher, meine Tochter, mein
Sohn und ich. Der Meister wandte Sich
zuerst zu dem Verwalterhause und erklärte uns
daß die Besuche in diesem, — das außer
den Nebengelassen einen kleinen mit Polstern und Teppichen eingerichteten orientalischen Saal enthält, — warten, bis sie beim König
gemeldet sind. Dann schritt Er den Gewächshäusern zu, besuchte besonders die Palmenhäuser,
in den kleinen Springbrunnen des einen tauchte
Er die Hände und netzte Sein Angesicht und
lobte das kristallklare Naß.
Es ist nicht üblich, daß alltäglich die Tore des Hauptgebäudes den Besuchern offen stehen, so auch nicht an jenem Tag, als aber der Meister in Seinem orientalischen Gewand nahte und Seine Hand hob, eilte der Schloßwart mit tiefer Verbeugung dem Herrn die Tore weit zu öffnen. 'Abdu'l-Bahá zeigte viel Interesse an dem herrlich eingerichteten Schloß, las die arabischen Sprüche über den Türen und übersetzte diese für uns. Er sprach, daß Er sich überaus wohl und glücklich fühle. Auf die übrigen Besucher des Parks machte 'Abdu'l-Bahá einen so tiefen Eindruck, daß sie willenlos sich Ihm anschloßen und sich über Ihn erzählen lassen wollten. — In einem hochgelegenen kleinen Tempel nahm 'Abdu'l-Bahá Platz, winkte uns bei Ihm Platz zu nehmen und sprach über die Schönheit des vor Ihm liegenden Neckartals mit seinen lieblichen Anhöhen. Ich erzählte Ihm, daß auf dem „Rothenberg“ die Grabkapelle des Erbauers dieses Palastes sich befinde, daß der kleine Tenpel in dem wir uns befanden, sein Lieblingsaufenthalt gewesen sei und daß er oft nach jenem Rotenberg hinübergeschaut habe und sagte, wie schwer es für ihn sei, einst von hier — dorthin zu gehen. Wir erzählten 'Abdu'l-Bahá, daß bei seinem hiesigen Besuch Nassr eddin Schah hier gewohnt habe, was unsern Herrn veranlaßte, über die schwere Bedrückung zu reden, die dieser Despot seinerzeit über die Gläubigen brachte. Jener blieb fremd hier, 'Abdu'l-Bahá jedoch hatte eine Freundesschar um Sich, die Ihm mit Leib und Seele ergeben war. Er segnete dies Land und verhieß eine Entwicklung und Ausdehnung der Stadt und Industrie. Er sprach über die Wechselfälle des Lebens, und irdisches und himmlisches Leben und über den Sieg der Wahrheit. Er sprach über orientalische Lebensweise und über den Baustil, den Er dem französischen Baustil Ludwigs XVI. vorziehe und sagte, daß Er sich so heimisch wohl fühle wie noch nie, seitdem Er die heimatliche Erde verlassen habe.
Als die Dämmerung leise herabsank, brachte das Auto den geliebten Herrn in Sein Hotel zurück, sinnend und nachdenklich war Er bei der Heimfahrt, sprach wenig, lud uns zu einer Tasse Tee in Sein Zimmer, woselbst Ihn bereits Freunde erwarteten, da 'Abdu'l-Bahá versprochen hatte, am selben Abend zu einer großen Versammlung von Esperantisten zu reden. — —
Professor Christaller eröffnete den Abend mit einer herzlichen Begrüßung des hohen Gastes und dem Hinweis auf die Aehnlichkeit der Bestrebungen der Esperantisten mit den Bahai-Prinzipien; wie der heutige Abend die Notwendigkeit einer Einheitssprache aufs neue zeige, da so mancher mit dieser außergewöhnlich interessanten Persönlichkeit 'Abdu'l-Bahás sich gewiß gerne aussprechen würde. Darauf sprach 'Abdu'l-Bahá:
„In der Lehre Gottes gibt es nichts Höheres, als die Menschen in Einigkeit zusammen zu führen, denn Einigkeit und Harmonie unter den Menschen wird immer der Anlaß zu großem Fortschritt sein. Wenn wir die Menschheit betrachten, so finden wir, daß der Anlaß zur Vereinigung untereinander gar verschieden ist. Patriotismus mag ein Mittel sein, das die Menschen in engere Gemeinschaft bringt. Aber der Patriotismus allein genügt nicht, um Einigkeit der ganzen Menschheit zu bringen. Denn es ist aus früheren Zeiten bekannt, daß bei den verschiedenen Völkern vielfach Bürgerkriege ausgebrochen sind.
Eine andere Art der Einigkeit bringt die Rasseeinheit mit sich. Auch sie kann die Solidarität der Menschheit nicht allein verwirklichen, denn wir wissen aus der Vergangenheit, daß sich bei den verschiedenen Rassen innere Zwiespalte zeigten.
Eine weitere Art von Einigkeit kommt
durch die Sprachgemeinschaft zustande,
deren Wirkung weitreichender ist. Oft
war die Sprache der Anlaß, um verschiedene
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Nationalitäten und Rassen zu einigen; dies wurde besonders in den orientalischen Ländern wahrgenommen. Z. B.
waren die Aegypter eine Nation für sich; auch die Assyrer gründeten ein großes
Reich, und die Zivilisation von Chaldäa
bildete einen großen Teil der alten gebildeten Welt. Eine Sprache errang
endlich den Vorzug vor den andern und
einigte diese Völker, sodaß die Chaldäer-,
die Assyrer und Aegypter sogar ihre Benennung vergaßen und eins wurden. Wir
heißen sie heute Araber. Und warum so?
Weil Arabisch zur beherrschenden Sprache unter all diesen Völkern wurde.
Wenn wir heute einen Aegypter nach seiner Nationalität fragen, wird er sagen:
Ich bin ein Araber. Dasselbe ist der Fall
bei den Chaldäern und Assyrern, sie alle
würden antworten, sie seien Araber. Dies
beweist uns, daß die Sprache imstande
ist‚ die Völker zu einem Bund zusammenzuschließen.
Die Nationen der Gegenwart haben
viele Reibungspunkte und Konflikte unter
einander, der größte Teil all dieser Uneinigkeiten rührt sicher vom Mißverständnis zwischen den Sprachgebieten
her. Darauf beruht der Gedanke, alle
Völker in einer Sprache zu vereinigen.
Dies würde viel stärker wirken, als Patriotismus oder Rassengefühl. Deshalb hat
Baha’u’lláh, der im Orient auftrat, die
Einführung einer Weltsprache als
einen Teil Seiner Lehren festgestellt, damit eine solche internationale Hilfssprache zum stärksten Bindemittel zwischen den verschiedenen Nationen werde.
Die Mißverständnisse unter den Völkern
und Rassen werden dadurch aufgehoben.
Es gibt so viele Sprachen heute, daß,
wenn wir auch zehn Sprachen lernen, wir
immer wieder zu Völkern kommen, die
keine dieser Sprachen verstehen. Angenommen: Ein Deutscher lernt die deutsche Sprache; wenn er aber nach Frankreich geht, muß er französisch sprechen.
Will er nach England, so kommt er dort
mit Französisch nicht weiter. Wenn er
aber ein sprachgebildeter Mann ist, und
versteht diese drei Sprachen und will
nach Italien, so muß er italienisch lernen. Und wenn ein Mensch so genial sein
sollte, die Sprachen im Westen zu kennen, was hülfe ihm dies im Orient? Kurz
gesagt: wenn ein Mensch noch so genial sein sollte, alle Sprachen der ganzen
Welt zu sprechen und sein ganzes Leben
mit Sprachstudien zubrächte, was würde
es ihn nützen? Deshalb ist es die beste
und einfachste Lösung, eine Hilfssprache
zu schaffen, die bei allen Völkern Eingang finden soll. Dr. Zamenhof hat nun
diese Sprache gefunden. Wenn diese
Sprache einst in allen Schulen der Welt
eingeführt sein wird, so wird dies sicher
die Völker auf den höchsten Gipfel der
Verständigung führen. Dann hat jedermann nur zwei Sprachen zu erlernen: die
eine, als Heimatsprache, die andere, als
Hilfssprache für die ganze Welt. Mit der
Verbreitung der Hilfssprache über die
ganze Welt werden dann viele Mißverständnisse behoben, weil Mißverständnisse, wie gesagt, das meiste Unheil herbeiführen, denn die Ursache zu allen diesen Konflikten ist ja gerade das Fehlen
einer einheitlichen Sprache. Als weiteres
Beispiel: Ich bin hier mit Ihnen zusammen, und wie schwierig ist es, mich Ihnen
verständlich zu machen, ja es ist ganz unmöglich, Ihnen mein Innerstes zu öffnen.
Würde diese internationale Hilfssprache
schon eingeführt sein, so wäre es mir
möglich, zu Ihnen ohne diese zwei Uebersetzer zu sprechen. — Es wird diese internationale Hilfssprache sicher die
Grundlage für den Zusammenschluß der
Völker werden, sie wird sogar einen großen Faktor bilden, um die Religionen zu
vereinigen. Im Orient leben viele Juden,
Christen und Mohammedaner, aber bis
heute entstand zwischen den christlichen Arabern und den mohammedanischen Arabern nie Krieg, weil sie sich
miteinander verständigen konnten, sie
können gegenseitig ihre Gedanken austauschen. Aber immer gab es Krieg zwischen den Türken, Bulgaren und Griechen, denn sie konnten bisher nicht zur
Zugrundelegung einer gemeinsamen
Sprache kommen. All diese Punkte sind
unwiderlegliche Beweise dafür, daß eine
internationale Hilfssprache die Menschheit einigen wird. Wenn ich Ihre Sprache
kennen würde, könnte ich alles ohne
Schwierigkeiten mit Ihnen besprechen.
Da nun aber diese internationale Hilfssprache noch nicht so allgemein eingeführt ist, so muß ich mich zweier Uebersetzer bedienen. Wie schwierig ist dies.
Wie schön und wie herrlich wäre es dagegen, wenn wir uns in einer Sprache
verständigen könnten, dann könnten Ost
und West sich vereinigen, wir würden uns
wie eine Nation fühlen. Laßt uns
[Seite 121]
folglich alle darnach streben, daß die Esperanto-Sprache weite Verbreitung finde,
damit sich eine wirkliche Verbrüderung
unter den Menschen herausbilden kann.
Jedes allgemein Nützliche kommt aus dem Göttlichen. Die Strahlen der Sonne scheinen jedem gleich; deshalb sind sie uns von Gott gesandt. Die Wohltaten des Regens kommen allen zugut, deshalb ist auch dies göttliche Gabe, die göttlichen Segnungen genießt jedermann, deshalb sind sie göttlich, darum kommt auch jedes Mittel, die Menschheit zu einigen, aus göttlicher Quelle. Somit können wir sagen, daß die universale Hilfssprache, das Esperanto, eine der Segnungen ist, die vom Göttlichen ausgehen, denn wir sehen ihre Wirkung. Wir haben zu arbeiten und uns anzustrengen, daß diese Sprache ein Teil des Lehrstoffs in allen Schulen werde. Wenn ich meine Gedanken in dieser Sprache ausdrücken könnte, so könnte ich Ihnen noch so vieles sagen, und dies würde uns leichter zusammenführen. Es ist heutzutage die absolute Pflicht für jedermann, daß er die Erlernung der allgemeinen Hilfssprache fördern hilft, denn diese Sprache wird das Mittel werden, das Banner des Universalen Friedens und der Brüderschaft in der Welt aufzurichten.“
Professor Christaller dankte ’Abdu’l-Bahá aufs herzlichste für Seine Worte und sagte, daß er sich mit großen Hoffnungen für die Entwicklung des Esperanto trage.
In mir war eine große Glückseligkeit und ein Freudengefühl, nach den herrlichen Stunden beim Meister und ein Lobpreis der unendlichen Liebe für Gott.
A. Sch.
To the Friends in the East and West.
(Continuation).
As often as I take up my pen to put down my personal impressions and experiences for the sake of my dear friends, the picture of our beloved Master in His whole Majesty is before my soul. It is most difficult to obey His commanding words and not to look upon His Personality, but rather upon His holy Teachings. On this subject His words were: „It is not the lamp you must adore, but the light in it; you may estimate the light in whichever lamp it may shine!“ As He never allowed himself to be called by any other names or title than „’Abdu’l-Bahá“ — the servant of God — in same manner He would not accept any salutations from peopie. My family was very anxious that ’Abdu’l-Bahá and Wilhelm II. King of Württemberg — the Sovereign at that time, should meet one another, but alas, an inexpected journey of the King prevented it. When we spoke about him to the Beloved, the idea came to my mind to ask our Lord, to pay a visit to the Wilhelma, a beautiful palace in Cannstatt, a suburb of Stuttgart, which King Wilhelm I. of Württemberg built (1842—51 by the architects Zanth) in Arabian style after the Alhambra. Different palaces and hothouses are situated in the midst of a wonderful park with all sorts of exotie trees and plants with ponds and avenues, which I thought, it would be nice for Him to see as being a homelike sight for Him. It was a beautiful day, full of sunshine, this 4th of April 1913, which was chosen for that excursion. Our Beloved started after a short rest after lunch in the motorcar, attended by Mirza Ahmad Sohrab, Sayed Assadrullah, Dr. Fisher, my daughter, my son and myself.
At first the Beloved directed His steps to the receptionhouse and demonstrated the object of it to us, which is, that the visitors have to wait here in a hall well furnished with carpets and divans, till they are called to the presence of the King. Then following the avenue, He went to the hothouses, especially to the palm-house. Into a little fountain which played there, He dipped His hands and moistened His face and praised the clear fresh water.
It is not usual, that the doors of the principle building are opened every afternoon for public visitors, neither was it the case on that day, but the keeper of this palace saw our Lord coming in His oriental dress, making a sign with His blessed Hand to open, he bowed deeply and opened the doors widely, begging our Master to enter the hall.
’Abdu’l-Bahá showed great interest in the beautiful halls, He read the arabic inscriptions on
the surport and translated the verses of wisdom. — He said that He felt very happy
and glad. The personality of the Lord made such
a deep impression upon the other visitors of
„Wilhelma" that they instinctively followed the
steps of our Lord through the park. Our Master sat down in a pavillon situated on a hill,
and made a sign with His hand for us to take a
seat beside Him and then spoke about the beauty of the valley of the Neckar. On the top of
the hill opposite called „Rothenberg" — King
Wilhelm I, the builder of this little oriental
[Seite 122]
paradise was laid to rest in a Mausoleum up
there — this temple where we were resting was
his favorite resting place, and that he often said,
how difficult for him to go from here to there
(i.e. to be buried on the Rothenberg). We told
’Abdu'l-Bahá that durirg a visit of Nassr eddin Shah
in Stuttgart he lived in that palace, and this caused our Beloved to relate about Abul Hamids despotism and injustice against the believers. This
man was a wordly King and remained a stranger
here and found no friends compared with ’Abdu’l-Bahá, Who came from prison — a spiritual
King — who gathered round Him a daily increasing group of friends devoted to Him with heart
and soul.
’Abdu’l-Bahá blessed that country and promised great development and extension of town and industry. He spoke of the alternate cases of life, the earthly and heavenly life and upon. the victory of truth, also about the custom of oriental life and architectural style which He more prefered than the style of Louis XIV. He said, that He never felt so much at home as here, since He left His home.
When after sunset the day slowly departed, He went back to the hotel in the motorcar, He was silent and meditative and we dared not disturb Him in His thoughts.
He most graciously invited us to tea, and following His kind invitation we found several friends in His reception-room who awaited His coming, because ’Abdu’l-Bahá had promised to speak to a great assembly of Esperantists. -
Shortly afterwards the Beloved started for that gathering. Professor Christaller, the head of the Esperanto-group welcomed ’Abdu’l-Bahá in the name of all present Esperantists and pointed out the mutual ideas the teaching of this revered great Personage has with Zamenhof the founder of Esperanto. He said how this meeting again proved the necessity of an international language, because many present would have been delighted to entertain with this honoured guest of the Orient without an interpreter. ’Abdu’l-Bahás words were:
„There is nothing greater in the Cause of God than to lead humankind to unity and concord, because harmony and concord, amongst men will in first place bring about progress to mankind. If we cast a glance upon mankind we find, that there are different kinds of unity for men: Patriotism is one of the means to bring men into unity with one another. But patriotism alone is not sufficent, because it is well known, that later on civil wars often broke out amongst the different nations. Another kind of unity is by examples of former times, that inner conflicts prevailed amongst the different races. A certain kind of union, is the union of languages, the effect of which is more widespread. It often happened, that languages became the means of uniting different Nationalities and races; this was especially the case in oriental countries. For instance: the Egyptians were a Nation for themselves. The Assyriens also founded a great kingdom. The civilisation of the Caldeans formed a great part of the ancient civilised world. One language finally gained the preference before others and united them all. Thus the Caldeans, Assyrians and Egyptians forgot their names and became one nation. To-day we call them Arabiens. And why this. Because the Arabic language became the dominent Ianguage amongst all these people. If we ask one Egyptian to-day what his nationality is, he will answer: „I am Arabian.“ The same would be the case with the Chaldeans and Assyrians. They will reply, that they are Arabians. This proves, that the same language is able to join people together to one solidarity.
The modern nations have so many frictions and conflicts amongst one another
and the greatest part of all those frictions is surely caused by misunderstanding of language. Upon this fact the idea is based to join all people through one language. This would have a much greater effect than patriotism and racical feeling. Therefore Baha’u’lláh, Who proclaimed Himself in the Orient, appointed
one general language as a principle of
His teachings, so that this international
language may become the strongest means of connection between nations. By
this means the misunderstandings
amongst people and races will be done
away with. There are so many languages
to-day, that if we also learn ten languages we may again and again meet
people, who don’t understand any of
them. For instance: a German learns the
German language, but if he goes to
France he has to speak French. If he goes
to England it is not sufficient to know
French. But if he is a learned man
and understands these three languages
and he likes to go to Italy, he has to
learn Italian. And if a man would be genious enough to know all western languages, what help would that be to him
[Seite 123]
in the East? In short, if a man
would be genious enough to know
all languages of the world, of what use
would this be to him? Therefore the
best solution is to establish a universal
language which will assimilate all people.
Dr. Zamenhof has found this language. If
once this language were established in
all schools of the world surely it would
guide people to the highest apex of the
world. Then everybody would have to
learn but two languages, first his language and secondly the universel language. With the spreading of the universal language in all the world, many
misunderstandings will be removed, because misunderstandings are — as formerly said — the greatest danger and
the cause of all misunderstandings is
want of a universal language. For expl.:
I am here in your midst and how difficult
is it to make myself understood to you,
and it is quite impossible for me to show
my inward feelings.
If the international language had already been introduced, I would be able to speak to you without interpreters. Surely this international language will become the foundation for reunion of all people in tne world. It will even become a great power to unite the religions. In the Orient there are many Jews, Christians and Mohammedans. Up to this day there has been no war between christians, mohammedans and Arabiens, because they were able to understand eachother and speak clearly together. But there has always been war between Turks, Bulgarians and Greeks because they never could attain the basis of a common language. All these points evidently go to prove, that the international language will unite people. If I understood your language, I would be able to speak to you without difficulty, but because that international language is not yet usual we are in need of two interpreters. How difficult this is. How beautiful would it be if we could confer in one language, then the East and the West could unite, we would feel ourselves as one Nation. Let us all strive, that the Esperanto language may become wide spread, that real fellowship may be created amongst us. Everything useful in the universe is a divine gift. The rays of the sun, shine alike for each individual, therefore it is divine. The benefit of rain is for all, therefore it is divine. The heavenly blessings are enjoyed by everyone, therefore they are divine. This is why every means to unite people comes from a divine source. Thus we can say that Esperanto — this universal language is one of the effects which emanate from Divinity, because we see its effect. We must work and strive that this language may become a matter of instruction in all schools. If we could express my thoughts in this language, we could speak much to you, and this would bring us nearer to eachother. To-day it is absolutiy the duty of every one to promote the universal language, because this language will become the means to hiss the flag of universal peace and brotherhood through the whole world.“
Professor Christaller was greatly pleased and thanked ’Abdu’l-Bahá for His lecture and also expressed his hope of a good development of Esperanto in the future.
After the happy hours in the Presence of ’Abdu’l-Bahá to day, there was a blissfulness and happiness in any heart and a glorification for all the love God shows to us.
(to be continued)
A.Sch.
Die Lehre des Bab, wie dessen Anhänger, die Babi, sie darstellten.
Die arabische Eroberung (642 n.Chr.) fegte nicht nur die alte Dynastie der Sasaniden hinweg, sondern verdrängte mit Feuer und Schwert auch die alte persische Religion des Zarathustra (Zoroaster).
Der Islam, welchen die arabischen Eroberer als Staatsreligion den Persern aufnötigten, trug zu sehr semitisches Gepräge, um nicht dem innersten Wesen des persischen Indogermanen (d. h. Arier) zu widerstreben!
Bald nach dem Tode des Propheten Mohammed hatte sich die große Spaltung in Sunniten
und Schiiten vollzogen. Man hat die Lehre
der Sunniten mit dem Katholizismus und diejenige der Schiiten mit dem Protestantismus verglichen. Das paßt nur insofern, als die Schiiten eine heterodoxe Sekte darstellen,
welche im Gegensatz zu den orthodoxen Sunniten die Gedankenfreiheit verlangen.
Die Perser neigen als Arier nämlich sowohl zur
Gedankenfreiheit als auch zur Verinnerlichung, zur Mystik, und diese hat
immer etwas fanatisches. So wurde Persien
[Seite 124]
dem semitischdogmatischen Islam zum
Trotz, schon frühe zum Treibhaus der verschiedensten religionsphilosophischen
Systeme. Es sei nur an die Sekten der Sufis, der Ismaeliten, der Sheykhis erinnert, die
sich alle aus der Sekte der Schiiten im Laufe der
Jahrhunderte herausentwickelten. Die jüngste
Lehre ist diejenige der Babis. Zu allen Zeiten
erhielt sich bei den Schiiten der Glaube an die
Wiederkunft des Mahdi, des letzten der
12 Imame, welche sie als die unmittelbaren Nachfolger Mohammeds verehren und damit an die
Aufrichtung eines irdischen Gottesreichs glauben.
Als im Anfang des 19. Jahrhunderts der Scheich Achmed Achsai zu Kerbela, dem berühmtesten Wallfahrtsorte der Schiiten, die nahe bevorstehende Wiederkunft des Mahdi predigte, scharten sich daher bald zahlreiche Anhänger um ihn, welche mit ihm auf die nahe Aufrichtung des irdischen Gottesreiches des kommenden Mahdi warteten. Unter diesen Gläubigen des Achmed Achsai war ein gewisser Seid Kasim aus Rescht, welcher sich durch besondere Frömmigkeit und Gottes-Gelehrsamkeit auszeichnete. Bevor der Prophet Achmed starb, ernannte er diesen seinen Schüler Seid Kasim zu seinem Erben und Nachfolger, welcher unermüdlich die frohe Botschaft von dem bald wiederkehrenden Mahdi und der nahen Aufrichtung des irdischen Gottesreichs allem Volke verkünden sollte. Unter Seids Schülern tat sich der junge Mirza Ali Mohammed (der früh verwaiste Sohn eines Tuchhändlers aus Schiras) hervor. In dem „Pilgerbuch“, das er als frühreifer Jüngling verfaßte, bezeichnete er es als seinen sehnlichsten Wunsch, die „Wiederkunft des Mahdi" zu erleben! Nach dem bald darauf erfolgten Tode seines Meisters Seid Kasim verkündigte er „allem Volke“, daß er Mirza Ali Mohammed, der unmittelbare Vorläufer und Wegbereiter des ersehnten Wiederherstellers des Gottesreichs sei. Er bezeichnete sich demgemäß als Bab oder Türe zu den Geheimnissen Gottes.
Die überwältigende Persönlichkeit des Bab ließ ihm überall Anhänger, Gläubige, Jünger u. Sendlinge erstehen. Ganz Persien wurde von dieser geistigen Bewegung ergriffen. Der Umstand, daß gerade 1000 Mondjahre verflossen waren, seit der letzte Imam geheimnisvoll verschwunden war, machte alle rechtgläubigen Schiiten empfänglich für die Lehre des Bab, welcher von den Gläubigen als der letzte Imam angesehen wurde, der dem Mahdi und seinem irdischen Gottesreich vorangehen soll. Der Bab legte alle göttlichen Geheimnisse, Prophezeiungen und Offenbarungen in seinen Schriften nieder, welche unter dem Titel „Bajan“, d.h. deutliche Erklärung gesammelt und herausgegeben wurden. Der Bajan ist also die Bibel, d.h. das hl. Buch der Babis.
Das weitere Schicksal des Bab ist bekannt: Vom Herbst 1845 (46—47 ausgenommen) bis Sommer 1850 eingekerkert als „Erz-Ketzer“ — erlitt er in Täbris standhaft und würdevoll den Märtyrertod (9. Juli 1850). Seit 1868 ruhen die Gebeine dieses Propheten in einem stimmungsvollen Mausoleum (Grabgebäude) westlich am Karmelabhang oberhalb der deutschen Kolonie Haifa und Palästina.
Kurze Inhaltsangabe der Lehre des Bab:
Ueber Gott und die Welt lehrte Bab wie die schiitischen Mystiker und Philosophen:
1. Das Endliche (der Mensch) vermag das Unendliche (Gott) nicht zu erfassen. Deshalb kamen der Reihe nach die Propheten und Lehrer als Offenbarungen (Manifestationen) des einen göttlichen Willens,
2. Der göttliche Wille hat die Welt geschaffen, um einen Betätigungs-Gegenstand1 (Arbeitsfeld) zu haben und die Menschen, damit sie ihn, die Gottheit, darin suchen, finden unde erkennen und damit zu Dienern Gottes werden.
3. So oft es die Erziehung der Menschen erforderte, sandte Gott einen Propheten: Abraham, Moses, Zoroaster, Buddha, Christus, Mohammed. — Alle diese Offenbarungen (Manifestationen) werden überholt durch den kommenden Mahdi, die neue und letzte Manifestation, der alle Offenbarungen (Religionen) zusammenfassen wird (Baha’u’llah). Der „Bajan" wird abgeschlossen durch die neue Manifestation und ist die Krone aller heiligen Bücher, die er überholt.
4. Paradies und Hölle werden im geistigen Sinne gedeutet und ausgelegt.
5. Nach dem Bajan dient man Gott mit brüderlicher Liebe und Selbstaufopferung. — Gebete, Wallfahrten, Waschungen, Askese — kurz alle äußeren Formeln sind zeitliche, vergängliche Symbole, Glaubenskrücken — sekundäre Glaubenszeichen; das Primäre ist die Tat der Liebe zu Gott und dem Nächsten, welche allein den richtigen „Dienst Gottes“ darstellt und alle Menschen eint, während die äußeren Glaubensformen nur Zwietracht in die Menschheit bringen.
6. Das religiöse, wirtschaftlich und politische
Zentrum jeder Babi-Gemeinde soll das Haus
der Gerechtigkeit sein, welches auf
Nächstenliebe und gerechte Fürsorge aufgebaut ist.
[Seite 125]
7. Alle berauschenden Mittel sind verboten, wie Opium, Alkohol und Tabak.
8. Es besteht Arbeitspflicht für jedermann, kein gesunder, erwachsener Mensch darf berufslos leben. (Gewerbsmäßiger Bettel ist also verboten).
9. Sklaverei jeder Art ist verboten.
10. Die Monogamie ist in der Regel obligatorisch.
11. Die Ehescheidung soll möglichst vermieden werden.
12. Jedes Kind muß sorgfältig erzogen und geschult werden.
13. Beide Geschlechter sind in allem und jedem gleichberechtigt.
Was im Bajan über die 13 Punkte hinausgeht, stammt nicht von Bab, dem Wegbereiter des Mahdi, sondern von dem Mahdi (Manifestation) selbst (Baha’u'lláh).
Zu bemerken wäre noch, daß die Lehre des Bab von den rechtgläubigen Mohammedanern, (den arabisch-türkischen Sunniten sowohl wie von den persisch-indischen Schiiten) aufs heftigste bekämpft wurde, weil nach ihrer fälschlichen Auffassung „Muhamed der Prophet des einigen Gottes ist; er kann keine gleichwertigen Vorläufer — noch solche Nachfolger haben! Abraham, Moses, Christus sind nicht Propheten im Sinne des Koran, sondern nur Heilige, an Rang dem Propheten Muhamed weit nachstehend. Daß also Baha’u’lláh den Propheten Muhammed, der Bajan den Koran übertreffen, oder ihm auch nur gleichgestellt werden könnte, ist Blasphemie (Gotteslästerung) und Erz-Ketzerei und nach dem muhamedanischen Gesetz gleich todeswürdig in ihren Augen.
Damit erklären sich die religiös-politischen Verfolgungen der Babi und Bahai in den muhamedanischen Ländern, soweit eine muhamedanische Regierung bestand.
Die Macht der Liebe.
In Akka lebte ein Mann, der ’Abdu’l-Bahá so sehr haßte, daß er Ihm den Rücken zukehrte, wenn er Ihm auf der Straße begegnete, da er befürchtete, sein Haß könnte sich vermindern, wenn er Ihn anschaue. Eines Tages trafen sie jedoch in einer engen Gasse zusammen, sodaß dieser Feind gezwungen war, ’Abdu’l-Bahá von Angesicht zu Angesicht zu sehen. ’Abdu’l-Bahá berührte mit Seiner Hand die Schulter des Mannes und sagte:
„Warte einen Augenblick, daß ich zu dir spreche. So groß auch dein Haß gegen mich ist, so ist er doch nicht so groß wie meine Liebe zu dir“.
Der Mann war bestürzt, erwachte aus seinem Irrtum und verspürte nun die unbezwingliche Macht der Liebe.
Baha’u’lláh und ’Abdu’l-Bahá waren fähig, durch diese Macht tausende von Seelen umzuwandeln, die heute Boten des Königreichs Gottes sind.
Eine Frau kam zu ’Abdu’l-Bahá, erhielt Seine Lehren und Seinen Segen und bat um eine besondere Lebensaufgabe. ’Abdu’l-Bahá sagte:
„Verkündige das Gesetz der Liebe. Lebe im Einklang mit der Liebe, in Gegenseitigkeit und Zusammenarbeit“.
Sie antwortete: „Ich möchte etwas besonderes tun, allen Bahais wird gesagt, daß sie so leben sollen“.
’Abdu’l-Bahá antwortete:
„Gut, komme morgen früh, bevor du abreisest und ich will dir deine besondere Aufgabe stellen!“
Die Frau war den ganzen Tag über glücklich und voll Erwartung. Andern Tags sagte ’Abdul-Bahá zu ihr:
„Ich werde dir meinen Sohn geben, daß du ihn körperlich, seelisch und geistig erziehst!“
Sie war erstaunt und doch glücklich dadurch. Aber ihre Ueberraschung verwandelte sich in Zweifel, als sie daran dachte, daß ’Abdu’l-Bahá keinen Sohn habe. Was konnte Er wohl damit gemeint haben? ’Abdu’l-Bahá frug: „Kennst du diesen meinen Sohn?“
Dann sagte Er weiter zu ihr, daß in ihrer Stadt ein Mann lebte, der ihr schlimmster Feind gewesen sei. Er war nun gestorben und hatte einen Sohn hinterlassen, der niemand hatte, der sich seiner angenommen hätte; dies sei nun ihre Aufgabe. Als sie dies vernahm, war sie überwältigt. Sie war geistig neugeboren. Sie weinte und sagte: „Mein Meister, jetzt weiß ich, was die Bahai-Lehre bedeutet“.
(Star of the West Bd. 14 III).
Aldono.
Rilate al tapitro 44 eble estas interese aldoni, kion Abdul. Baha, koncerne la socialan demandon, respondis je demandoj
de Mrs. Campell kaj Dr. Guy la 23.
de Julio 1912 en hotelo Viktoria en
Boston. "
[Seite 126]
Abdul Baha parolis:
Baha’o’llah serioze admonis la Bahaianojn, okupi sin ne per tia politiko, kiu kalizas malfacilajojn kaj ribelojn, sed nur interesigi por nura politiko. En Persujo nuntempe la Bahai-anoj ne partoprenas la tumultojn, kiuj finas en ribelo ktp.; sed alillanke la anoj devas politiki en Susta maniero, En Persujo e© estas ministroj, kiuj estas Bahai-anoj, ekzemple la ministro por instruado. Estas ankoraü multaj aliaj Bahaiano], kiuj partoprenas la politikon, sed neniam ribelojn. Ekzemple, kianı la amerikanoj ribelus, por denove ekstarigi despotan registaron, tiam estas malpermesate al la Bahai-anoj partopreni.
La Bahai-afero enhavas demandojn pri ekonomiaj kaj socialaj statoj; sed ili devas esti en la limo de la legoj. La Bahai-spiıito penas, ekstarigi pli bonajn ekonomiajn kaj socialajn statojn, sed por tio atingi, ni devas obei la leßojn. Ni ricevos socialajn legojn, por ke la postuloj de socialistoj estas plenumataj laüle&e kaj ne per potenco kaj strikoj, La registaro disponos pri Äitiuj eloj, $i ekstarigos justan le$donon kaj socialpolitikon, por ke la tuta homaro $oju pri la bonstato. Sen leßoj tiaj postuloj ne sukcesas, kaj la bonstato de la homaro ne povas esti efektivigata sen ili. Estas ne bone, sc la homoj prikonsilas tiujn problemojn, ni povas diri, ke ni havas pli gravajn problemojn. La fundamentoj de sovialaj statoj estas spiritaj, ni laboras per la mondo de I’koro kaj spirito. Tion sufice klarigas la Bahai-instruoj kaj ne konsiderante ilin estas neeble, estigi pli bonajn statojn. La Bahai-anoj estigos plibonigojn, sed ne per ribeloj kaj periortoj, Estas ne batalo, sed perfekta bonstato. Koncize dirita, la koroj devas esti kunigitaj tiom kaj la amo devas regi tiom, ke ri@uloj volonte kaj libervole helpas kaj subtenas altgrade
malriöulojn. Kiam ili tiamaniere helpos, tiam estos bone, Car tio okazos por la afero de Dio. La riöuloj de urbo ekzemple diros: Estas ne dece, estas ne permesate, ke ni posedas abundajn rilafojn, dum en nia urbo samtempe regas terura mizero. Kaj ili fordonos volonte de ilia trohavo. Ili konservos nur tiom por si mem, kiom ili bezonos por oportuna vivo.
Vi devas peni, planti amon en la korojn de la homoj. Kiam tiu &i amo en la koroj de la homoj lumas kiel tiu &i lumo (li montris je elektra lampo) tiam $i ekbruligos ankaü aliajn korojn; kaj kiam la amo de Dio estas plantita en la korojn de la homoj, tiam ankaü (io alia estos efektivigata. Tio estas la fundamento. Atentu $in bone! Memoru, ke vi liam devas esti la .kaüzo de l’gajno de koroj por tiu &i granda afero. Malkasu &iam veran socialpolitikon kontraüe de la homoj. Pruvu al ili, kio estas amo kai afableco; montru al ili, kio signifas fordonaci kaj helpi al mizeruloj.
Baha’o’llah disvastigis la instıuon de „universala paco* jam antaü 60 jaroj, kiam la homoj &in ankoraü ne konsideris. Nun, postkiam la instruo disvastigis, ili diras: „Bone, ni ankaü deziras pacon.“ Tio okazas nun, postkiam longa tempo estas pasinta, ke Baha’o’llah profetis pacon. Tiel longe, kiel Baha’o’llah estis malliberigata, li sendis leterojn al &iuj reßoj kaj regantoj kaj petis ilin, kunhelpi por universala paco. Tiuj &i leteroj estis jam publikataj antaü 60 jaroj.
La plej grava por vi estas agi en interkonsento kun la instruoj de Baha’o’llah, Ciuj liaj libroj devas esti tradukotaj. Nun la tempo estas por vi veninta, ke vi devas vivi laü la instruoj de Baha’o’llah. Viaj faroj estas la plej bona traduko.
Socialaj problemoj ne gajnos la korojn de la homoj. Nur amo, kiu venas de Dio, plenumos tion.
Eingesandt.
Hamburg. In der ersten Juliwoche ist Frau Emilie Kraiss durch den Tod aus dem Kreise der Hamburger Bahaifreunde geschieden. Sie war zu Ende vorigen Jahres aus Geislingen zu uns gekommen. Den Keim der Krankheit hatte sie bereits im Winter in sich aufgenommen, der langsam ihren Körper aufzehrte. Aber obgleich ihr Körper schwächer und schwächer wurde, hat sie das Licht Abhas bis zum Ende hell in sich bewahrt. Wenn wir auch mit ihren Angehörigen ihre Gestalt, die uns vertraut geworden war, vermissen, so freuen wir uns doch, daß sie nun von ihrem Leiden befreit ist. Sie hat das Kleid ihres physischen Körpers abgestreift, das ihr zu eng geworden war, ihr Geist aber blieb unter uns und wird auch weiter dem Lichte zueilen, das er sucht.
Dr. Hermann Großmann.
Leipzig. Am 4. September 1923 sprach Herr
W. Herrigel hier im ev. Vereinshaus über: „Die
[Seite 127]
philosophische Grundlage der Bahailehre, insbesondere die Lehre von der Seele, deren Ursprung und Fortleben nach dem Tode“. Durch eine kurze sachliche Einleitung wurden die Gäste
in die Bahailehre im allgemeinen eingeführt. Der
Vortrag legte klares Zeugnis davon ab, daß der
Vortragende mit der heiligen Sache verwachsen
ist und die Hoffnung, daß der hier ausgestreute
göttliche Samen reiche Frucht tragen werde, ist
wohl berechtigt. Der Kreis der sich offen zu
der Bahailehre Bekennenden hat sich vergrößert
und die alten Freunde haben sich fester aneinander angeschlossen. An diesem, sowie auch
am nächsten Abend, an welchem sich die Bahais
in der Wohnung der Familie Scholz zahlreich
einfanden, wurde Freund Herrigel der herzlichste
Dank gesagt und zugleich das Versprechen gegeben, sich zu befleißigen, um mit allen Kräften
für die heilige Sache zu arbeiten. Es wurde ferner auf die außerordentliche Wichtigkeit wiederholter Besuche von Freunden hingewiesen und die
Hoffnung zum Ausdruck gebracht, daß der Verkehr zwischen Stuttgart und Leipzig sich reger
gestalten möchte. Jedenfalls hat der Besuch
unseres Herrn Herrigel die alten Freunde zur
Arbeit in der heiligen Lehre angeregt und neue
Freunde dafür erwärmt. Diese Ueberzeugung,
die er mit sich nahm, sowie die, daß wir alle
seiner in aufrichtiger Liebe gedenken, möge ihm
zur weiteren segensreichen Arbeit im Reiche
El Abhas stärken.
A. Benke.
Bericht. Daß die einzelnen Ortsgruppen sich herzlich über Bahai-Besuche freuen, geht aus einem Brief von Herrn Pöllinger aus Wien hervor, der von dem Besuch von Fr. Maria Schweizer und Frl. Anna Köstlin berichtet. Am 8. August kamen diese beiden Freundinnen in Wien an und trafen im Hause einer Bahai im Kreis von Bahais und Interessenten für die heilige Lehre zusammen. Die Versammlung begann mit der Verlesung von „Verborgenen Worten“, woran sich Fragen und Beantwortungen über die Schöpfungsgeschichte, das Fortleben der Seele und soziale Entwicklung anschloßen. Frl. Köstlin erzählte im besonderen von ihrer Kinderschule in Eßlingen und berichtete über die indischen Kinderschulen der orientalischen Bahais. Die Anwesenden waren durchaus befriedigt von dem Gehörten und herzlich erfreut über das Beisammensein mit den Besuchen. Am andern Abend fand die reguläre wöchentliche Zusammenkunft statt im Hause liebevoller Menschen, die der heiligen Sache manchen Dienst erwiesen haben. Wenn auch viele Wiener Bahai sich zur Zeit in der Sommerfrische befanden, so bot doch der Besuch der beiden Bahai aus Württemberg den Anwesenden viel Anregung und Neubelebung. Außer den Privatbesuchen gingen Fr. Schweizer und Frl. Köstlin, angeregt durch Frau Hofrat Popper in das Greisenasyl sowie in das Blindeninstitut, woselbst sie gleichfalls über die heilige Lehre sprachen. Es ist der Wunsch der Wiener Bahais, daß sich dieser Besuch bald wiederholen möge.
Eingesandt aus Bad Mergentheim. Am 2. ds. Monats fand hier im Parkhaus ein Vortrag über „Die Bahailehre und ihre Notwendigkeit in unserer Zeit“ von Frau Alice Schwarz, Stuttgart, statt; durch persönliche Einladung sowie einen kleinen Anschlag im Kurhaus fanden sich 24 Personen zusammen, die mit großer Aufmerksamkeit den Worten der Rednerin folgten. Frau Alice Schwarz entwarf ein Bild von der Entwicklung der Bahailehre, insbesondere von den drei Führern: dem Bab, Baha’u’lláh und ’Abdu’l-Bahá; sie zeigte, wie sich gerade durch die Verfolgung und Verschickung dieser Männer in ferne Länder die Lehre weiter verbreitete, bis endlich durch die großen Reisen ’Abdu’l-Bahás die Bahai-Lehre auf der ganzen Welt bekannt wurde; sie wies darauf hin, welch starken Eindruck eben diese reine Führerpersönlichkeit mit ihrer demütigen Liebe und ihrem durchdringenden, prophetischen Geist auf die Menschen machte. Die Lehre der Bahai gipfelt — möchte man sagen — in dem Wort Liebe; diese Liebe macht nicht Halt vor den Grenzen von Volk, Rasse oder Konfession, sondern möchte vielmehr einen Zusammenschluß aller Menschen herbeiführen; sie will den Einzelnen nicht seiner Kirche entfremden, predigt aber aufs stärkste die Toleranz und betont vor allem: ‚Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert." Die Bahailehre ist darum äußerst sozial. Die Rednerin wies darauf hin, wie gerade unserer Zeit, da Haß und Selbstsucht regieren, eine solche Lehre und innere Erneuerung not tut; ihre von tiefer innerer Bewegung und Ueberzeugung getragenen Worte hinterließen einen nachhaltigen Eindruck. Die Zuhörer bekundeten lebhaftes Interesse, so daß man annehmen kann, daß auch diese Versammlung im kleinen Kreise der Ausbreitung der Bahailehre dienstbar war.
Ilse Dürr, Schwäb.-Hall,
z. Zt. Bad Mergentheim.
Notiz.
Um die „Berichte an die Freunde im Osten und Westen“ über den Aufenthalt ’Abdu’l-Bahás in Stuttgart möglichst vollkommen gestalten zu können, werden Alle, die mit Ihm in Berührung kamen, herzlich gebeten, ihre Erinnerungen und Aufzeichnungen freundlichst zur Verfügung der Schriftleitung stellen zu wollen.
Mitteilung vom Verlag.
Um unsern Freunden so weit als möglich entgegen zu kommen, haben wir die Schlüsselzahl, mit der der Grundpreis unserer Schriften zu multiplizieren ist, auf die Hälfte der jeweiligen Buchhändlerschlüsselzahl festgesetzt. Da diese heute 1100 Millionen beträgt, so stellt sich der Bezugspreis der Sonne der Wahrheit für Oktober bei sofortiger Bezahlung auf 165 Millionen (550 000 000 mal 30 Pf.). Das Fortbestehen unserer geliebten Zeitschrift hängt bei dieser billigen Berechnung von der sofortigen Bezahlung der Bezugsgelder ab. Wir bitten daher unsere verehrl. Leser, uns diesen Betrag, sowie etwaige rückständige Beträge, die ebenfalls nach obiger Schlüsselzahl zu errechnen sind, sofort einsenden zu wollen. Falls sich die Schlüsselzahl im Buchhandel weiter erhöht, müssen wir später eingehende Bezugsgelder nach der erhöhten Schlüsselzahl berechnen. Auswärtige Leser zahlen den Betrag am billigsten auf unser Postscheckkonto Nr. 254 19 Stuttgart ein.
Verlag des Deutschen Bahai-Bundes Stuttgart
Fernsprecher S. A. 23996 — — Postscheckkonto 25419 Stuttgart — — Hölderlinstrasse 33
In unserem Verlag sind erschienen:
1. Die Geschichte der Bahai-Bewegung, von S. S. Deutsch von Wilhelm Herrigel. Dritte Ausgabe . . . -.20
2. Bahai-Perlen, Deutsch von Wilhelm Herrigel . . . . -.20
3. Ehe Abraham war, war Ich, v. Thornton Chase. Deutsch v. W.Herrigel . . . . -.10
4. Das heilige Tablet, ein Sendschreiben Baha’o’llahs an die Christenheit. Deutsch von Wilhelm Herrigel . . -.10
5. Die Universale Weltreligion. Ein Blick in die Bahai-Lehre von Alice T, Schwarz . . . . -.50
6. Die Offenbarung Baha’u’llahs, von J.D. Brittingham. Deutsch von Wilhelm. Herrigel . . . -.50
7. Verborgene Worte von Baha o’llah. Deutsch v. A. Braun u. E. Ruoff . . . 1.--
8. Baha’u’llah, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. Deutsch von Wilhelm Herrigel, in Halbleinen gebunden . . . 2.--
in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 2.50
9. Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrehte und die einzelne Persönlichkeit, von Dr. jur. H. Dreyfus, Deutsch von Wilhelm Herrigel. Neue Auflage . . . -.50
10. Die Bahaibewegung im allgemeinen und ihre großen Wirkungen in Indien, von Wilhelm Herrigel . . . . -.50
11. Eine Botschaft an die Juden, von Abdul Baha Abbas. Deutsch von Wilhelm Herrigel . . . -.15
12. Abdul Baha Abbas, Ansprachen über die Bahailehre. Deutsch von Wilhelm Herrigel,
in Halbleinen gebunden . . . . . 2.50
in feinstem Ganzleinen gebunden. . . . . 3.--
13. Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahaireligion, von Mirza Abul Fazl. Deutsch von W. Herrigel,
in Halbleinen geb. . . . . 4.--
In Ganzleinen gebunden . . . . 4.50
14. Abdul Baha Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps.
Deutsch von Wilhelm Herrigel, in Ganzleinen gebunden . . . . 3.50
15. Das Hinscheiden Abdul Bahas, ("The Passing of Abdul Baha") Deutsch von Alice T. Schwarz . . . -.50
16. Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey. "Deutsch von Wilhelm Herrigel —.50
17. Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahailehre von Dr. Hermann Grossmann . . —.20
Der heutige Teuerungszuschlag beträgt den 550 000 000 fachen Betrag obigen Grundpreises.
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Druck: Wilhelm Heppeler, Stuttgart.
Geschichte und Bedeutung der Bahailehre.
Die Bahai-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.
Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahaibewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahaireligion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Baha ’Ullahs, Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Baha ’Ullahs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahai (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Baha ’Ullah vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi (Abdul Baha) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahai der Welt.
Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahai, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China etc. Dies kommt daher, daß Baha ’Ullah den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.
In Baha ’Ullah sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. In der Bahaireligion gibt es keine Priesterschaft und keine religiösen Zeremonien. Ihr einziges Dogma ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Baha ’Ullah),
Die Hauptschriften Baha ’Ullahs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt. Niemand ist mit der Macht betraut, Sündenbekenntnisse entgegenzunehmen oder Absolution zu erteilen.
Die Priester der bestehenden Religionen sollen den Zölibat (Ehelosigkeit) aufgeben, durch ihr Beispiel predigen und sich im praktischen Leben unter das Volk mischen. Monogamie (die Einehe) ist allgemein gefordert, Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Baha ’Ullah eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Baha ’Ullah.
Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von Abdul Baha erstrebt wird. (Vgl. Naveau Larousse, illustre supplement, p. 66.)
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