|
Die Bahá’i-Weltreligion
Der Glaube, der von Bahá’u’lláh begründet wurde, entstand in Persien um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Nach längerer Verbannung des Gründers, zuletzt nach der türkischen Strafkolonie von Akka, und späterhin nach Seinem Tod und Seiner Beisetzung in Akka, hat der Glaube sein endgültiges Zentrum im Heiligen Land gefunden und ist jetzt im Begriff, die Grundlagen seines Verwaltungszentrums für die ganze Welt in der Stadt Haifa aufzubauen.
Wenn man seinen Anspruch, wie er unmißverständlich durch seinen Begründer verfochten wurde, und die Art des Wachstums der Bahá’i-Gemeinde in allen Teilen der Welt betrachtet, so kann dieser Glaube nicht anders angesehen werden als eine Weltreligion, die dazu bestimmt ist, sich im Laufe der Zeiten in ein weltumfassendes Gemeinwesen zu entwickeln. Dessen Kommen muß das goldene Zeitalter der Menschheit ankündigen, das Zeitalter, das die Einheit des Menschengeschlechtes unerschütterlich begründet, seine Reife erreicht und seine Bestimmung durch die Geburt und das Errichten einer alles umfassenden Zivilisation erfüllen wird.
Neue Darlegung ewiger Wahrheiten
Obwohl dem schiitischen Islam entsprungen und in den ersten Entwicklungsphasen von den Anhängern des mohammedanischen und des christlichen Glaubens nur als eine obskure Sekte, ein asiatischer Kult oder ein Ableger der mohammedanischen Religion betrachtet, beweist dieser Glaube nunmehr in wachsendem Maße sein Anrecht auf eine andere Beurteilung als nur die eines weiteren religiösen Systems, das den sich bekämpfenden Glaubensbekenntnissen, die so viele Geschlechter lang die Menschheit zerspalten und ihre Wohlfahrt verwüstet haben, sich zugesellt hat. Vielmehr ist er eine neue Darlegung der ewigen Wahrheiten, die allen Religionen der Vergangenheit zugrunde liegen, und eine einigende Macht, die den Anhängern dieser Religion einen neuen geistigen Elan einflößt, eine neue Hoffnung und Liebe zur Menschheit und sie durch eine neue Vision befeuert, die der grundsätzlichen Einheit der religiösen Lehren, und vor ihren Augen die herrliche Berufung ausbreitet, die dem Menschengeschlecht winkt.
Die Anhänger dieses Glaubens stehen fest zu dem grundlegenden Prinzip, wie es von Bahá’u’lláh verkündet worden ist, daß religiöse Wahrheit nicht absolut, sondern relativ ist, daß Gottesoffenbarung ein fortdauerndes und fortschreitendes Geschehnis ist, daß alle großen Religionen der Welt göttlich in ihrem Ursprung sind, daß ihre Grundsätze zueinander in völligem Einklang stehen, daß ihre Ziele und Absichten eine und dieselben sind, daß ihre Lehren nur Widerspiegelungen der einen Wahrheit sind, daß ihr Wirken sich ergänzt, daß sie sich nur in unwesentlichen Teilen ihrer Lehren unterscheiden und daß ihre Sendungen aufeinanderfolgende geistige Entwicklungsstufen der Menschheit darstellen.
Zur Versöhnung der sich streitenden Bekenntnisse
Die Ziele Bahá’u’lláh’s, des Propheten dieses neuen und großen Zeitalters, in das die Menschheit eingetreten ist — denn Sein Kommen erfüllt die Prophezeiungen des Neuen und Alten Testamentes wie auch des Koran, die sich auf das Erscheinen des Verheißenen am Ende der Zeiten, am Tage des Gerichtes beziehen — sind nicht die Zerstörung, sondern die Erfüllung der Offenbarungen der Vergangenheit und viel mehr die Versöhnung als die Betonung der Gegensätze der sich streitenden Glaubensbekenntnisse, welche die heutige Menschheit noch zerreißen.
Er ist weit davon entfernt, die Stufe der Ihm vorausgegangenen Propheten herabsetzen oder ihre Lehren schmälern zu wollen. Vielmehr will Er die Grundwahrheiten, die in allen diesen Lehren beschlossen sind, in einer Weise aufs neue darlegen, wie sie den Nöten der Menschheit entsprechen und auf ihre Fassungskraft abgestimmt sind und auf die Fragen, Leiden und Verwirrungen der Zeit, in der wir leben, angewendet werden können.
Seine Sendung ist: zu verkünden, daß die Zeiten der Kindheit und Unreife des Menschengeschlechtes dahin sind, daß die Erschütterungen; der heutigen Stufe der Jugend langsam und schmerzvoll sie zur Stufe der Reife vorbereiten und das Nahen jener Zeit der Zeiten verkünden, da die Schwerter in Pflugscharen umgewandelt werden und das von Jesus Christus verheißene Reich begründet wird und der Friede auf diesem Planeten endgültig und dauernd gesichert ist. Auch stellt Bahá’u’lláh nicht den Anspruch auf Endgültigkeit Seiner eigenen Offenbarung, sondern erklärt vielmehr ausdrücklich, daß ein volleres Maß der Wahrheit, als Ihm von dem Allmächtigen für die Menschheit in einem so kritischen Zeitpunkt gestattet wurde, in den späteren Phasen der endlos weiterschreitenden Menschheitsentwicklung enthüllt werden muß.
Einheit des Menschengeschlechtes
Der Bahá’i-Glaube hält die Einheit Gottes hoch, anerkennt die Einheit Seiner Propheten und betont vor allem den Grundsatz der Einheit und Ganzheit aller Menschenrassen. Er verkündet, daß die Einigung der Menschen notwendig und unvermeidbar ist, hebt hervor, daß wir uns ihr schrittweise nähern und stellt die These auf, daß nichts anderes als der verwandelnde Geist Gottes, der durch Sein erwähltes Sprachrohr an
SONNE DER WAHRHEIT Zeitschrift für Weltreligion und Welteinheit |
Heft 1 Preis: DM 1.50 |
JANUAR 1953 Sultán - Herrschaft (109) |
20. Jahrgang |
- Leitgedanken: Einheit der Menschheit - Universaler Friede - Universale Religion
Inhalt: Ährenlese aus den Schriften von Bahá’u’lláh — Der verheißene Tag ist gekommen
An die Leser und Freunde unserer Zeitschrift!
Als wir im Mai 1949 mit Heft3 des 19. Jahrgangs der „Sonne der Wahrheit“ unser Organ wieder regelmäßig herausbrachten, hofften wir, daß im Erscheinen keine Unterbrechung mehr eintreten würde. Leider waren wir aber gezwungen, mit Heft 11/12 des 20. Jahrganges die Herausgabe unserer Zeitschrift vorläufig einzustellen. Inzwischen wurde immer wieder der Wunsch laut, die „Sonne der Wahrheit“ wieder erscheinen zu lassen, vor allem, weil mit ihr die immer noch beschränkte deutsche Bahá’i-Literatur mit Originaltexten von Bahá’u’lláh und 'Abdu'l-Bahá ergänzt werden kann. Das jetzige Bahá’i-Jubiläumsjahr zum Gedenken an die göttliche Berufung von Bahá’u’lláh während Seiner Einkerkerung im Teheraner Gefängnis Siyáh-Chal gibt hierzu besonderen Anlaß, weshalb wir uns entschlossen haben, unsere Zeitschrift wieder erscheinen zu lassen. Zunächst soll der Raum vornehmlich Texten aus den Schriften des Begründers der Bahá’i-Weltreligion, Bahá’u’lláh, und Worten von 'Abdu'l-Bahá bereitgestellt werden. Nachdem bis jetzt etwa die Hälfte des Buches „Ährenlese aus den Schriften von Bahá’u’lláh“ hier veröffentlicht wurde, soll der restliche Teil nun in größeren Fortsetzungen zum Abdruck kommen.
Wir geben der Hoffnung Ausdruck, daß sich der Leserkreis der „Sonne der Wahrheit“ in nächster Zeit im In- und Ausland erweitern wird, wodurch das regelmäßige Erscheinen gewährleistet wäre.
DER NATIONALE GEISTIGE RAT DER BAHA’I
IN DEUTSCHLAND UND ÖSTERREICH e.V.
- Schriftleitung und Verlagsabteilung
ÄHRENLESE AUS DEN SCHRIFTEN VON BAHA’U’LLAH[Bearbeiten]
Nach der englischen Übersetzung von Shoghi Effendi (New York, Bahá’i Publishing Committee 1935) ins Deutsche übertragen.
- (Fortsetzung)
Betrachte diese Märtyrer von unzweifelhafter Lauterkeit, deren Wahrhaftigkeit
der Text des Buches ausdrücklich bezeugt. Sie alle haben, wie du es bestätigtest,
ihr Leben, ihr Vermögen, ihre Frauen, ihre Kinder, ihr alles geopfert
und sind aufgestiegen zu den erhabensten Gemächern des Paradieses. Ist es billig,
das Zeugnis dieser losgelösten und erhabenen Wesen für die Wahrheit dieser
höchsten und herrlichen Offenbarung zurückzuweisen und dafür die Beschuldigungen
anzunehmen, die gegen dieses leuchtende Licht von jenen treulosen Menschen
erhoben wurden, welche für Gold ihren Glauben aufgaben und um der
Führerschaft willen Ihn verworfen haben, welcher der höchste Führer aller
Menschheit ist? Ist dies billig, obwohl doch ihr Wesen nun vor allen Menschen
enthüllt ist und diese sie erkannt haben als solche, die in keiner Weise auch nur
auf ein Jota oder Tüttelchen ihres zeitlichen Ansehens, wieviel weniger auf ihr
Leben, ihr Vermögen und dergleichen, um des heiligen Gottesglaubens willen
verzichten möchten?
XCII. Das Buch Gottes ist weit aufgeschlagen und Sein Wort lädt die Menschheit zu Ihm. Nicht mehr als eine bloße Handvoll hat sich indessen willens gefunden, Seiner Sache zu folgen oder zum Werkzeug ihrer Förderung zu werden. Diese wenigen wurden mit dem göttlichen Mittel versehen, das allein die Schlacken dieser Welt in lauterstes Gold verwandeln kann, und sind ermächtigt worden, das unfehlbare Heilmittel für alle die Menschenkinder befallenden Übel zu spenden. Kein Mensch kann ewiges Leben erlangen, es sei denn, er nehme die Wahrheit dieser unschätzbaren, dieser wundersamen und erhabenen Offenbarung an.
Neigt euer Ohr, o Freunde Gottes, der Stimme Dessen, dem die Welt unrecht tat, und haltet euch fest an das, was Seine Sache erhöht. Er, wahrlich, führt, wen immer Er beliebt, auf Seinen geraden Pfad. Dies ist eine Offenbarung, die den Schwachen Kraft verleiht und die Notleidenden mit Reichtum krönt.
In äußerster Freundlichkeit und im Geiste vollkommener Kameradschaft beratet euch miteinander und widmet die kostbaren Tage eures Lebens der Verbesserung der Welt und der Förderung der Sache Dessen, welcher der urewige und höchste Herr von allem ist. Er, wahrlich, befiehlt allen Menschen, was recht ist, und verbietet, was ihre Stufe herabsetzt.
XCIII. Wisse, daß jedes erschaffene Ding ein Zeichen der Offenbarung Gottes
ist. Ein jedes ist und bleibt immer seiner Fähigkeit entsprechend ein Pfand des
Allmächtigen. Insoweit Er, der höchste Herr über alles, wünschte, Seine Herrschaft
im Reich der Namen und Eigenschaften zu offenbaren, wurde alles Erschaffene durch
den Akt des göttlichen Willens zu einem Zeichen Seiner Herrlichkeit gemacht. So
durchdringend und allumfassend ist diese Offenbarung, daß im ganzen Weltall nirgends
etwas zu entdecken ist, das nicht Seinen Glanz widerspiegelte. Unter solchen
Umständen ist jede Betrachtung über Nähe und
[Seite 3]
Ferne wertlos... Würde die Hand göttlicher Macht alle erschaffenen Dinge dieser
hohen Gabe berauben, so würde das ganze All öde und wertlos werden.
Siehe, wie unermeßlich erhaben der Herr, dein Gott, über alles Erschaffene ist! Bezeuge die Hoheit Seiner Herrschaft, Seine Überlegenheit und höchste Macht. Wenn die Dinge, die durch Ihn - gepriesen sei Seine Herrlichkeit - erschaffen und dazu bestimmt sind, die Offenbarungen Seiner Namen und Eigenschaften zu sein, kraft der Gnade, mit der sie ausgestattet wurden, hoch über aller Nähe und Ferne stehen, wieviel erhabener muß dann jene göttliche Wesenheit sein, die sie ins Dasein rief?....
Denke nach über das, was der Dichter schrieb: „Wundere dich nicht darüber, wenn mein Herzensgeliebter mir näher ist als mein eigenes Selbst, wundere dich vielmehr darüber, daß ich Ihm dennoch trotz solcher Nähe so ferne bin“... Während der Dichter überlegte, was Gott geoffenbart hat: „Wir sind dem Menschen näher als seine Lebensader“, hat er, auf diesen Vers anspielend, folgendes festgestellt: Obgleich die Offenbarung meines Herzensgeliebten mein Sein so durchdrungen hat, daß Er mir näher ist als meine Lebensader, bin ich doch, bei all meiner Gewißheit über ihre Wirklichkeit und bei aller Erkenntnis meiner Stufe, so weit von Ihm entfernt. Damit meint er, daß sein Herz, der Sitz des Allbarmherzigen und der Thron, auf welchem der Glanz Seiner Offenbarung ruht, seines Schöpfers vergessen hat, daß es von Seinem Pfade abgeirrt ist, sich von Seiner Herrlichkeit abschloß und von dem Schmutze irdischer Wünsche befleckt ist.
Wir sollten in diesem Zusammenhang dessen eingedenk sein, daß der eine wahre Gott in sich selbst über Nähe und Ferne und über sie hinaus erhaben ist. Seine Wirklichkeit überschreitet solche Begrenzungen. Seine Verwandtschaft mit Seinen Geschöpfen kennt keine Grade. Daß einige nahe und andere ferne sind, ist auf die Manifestationen zu beziehen.
Daß das Herz der Thron ist, in dessen Mittelpunkt die Offenbarung Gottes, des Allbarmherzigen, ruht, ist durch die heiligen Aussprüche bewiesen, die Wir früher offenbart haben. Darunter ist dieser Spruch: „Erde und Himmel können Mich nicht fassen. Was Mich allein fassen kann, ist das Herz dessen, der an Mich glaubt und Meiner Sache treu ist.“ Wie oft ist das menschliche Herz, der Empfänger des Gotteslichtes und der Sitz der Offenbarung des Allbarmherzigen, abgeirrt von Ihm, der die Quelle jenes Lichtes und der Ursprung jener Offenbarung ist. Es ist der Eigensinn des Herzens, der es weit von Gott abzieht und es zum Fernsein von Ihm verdammt. Jene Herzen aber, die sich Seiner Gegenwart bewußt sind, sind Ihm nahe, und sie müssen als Seinem Throne Nahegerückte angesehen werden.
Bedenke ferner, wie oft der Mensch sich selber vergißt, während Gott durch Sein allumfassendes Wissen um Sein Geschöpf weiß und es fortdauernd mit dem offenbaren Glanz Seiner Herrlichkeit übergießt. Daher ist es offensichtlich, daß unter solchen Umständen Er ihm näher ist als sein eigenes Selbst. Er wird es in der Tat immer bleiben, denn während der eine wahre Gott alles kennt, alles wahrnimmt und alles in Sich begreift, ist der sterbliche Mensch zu irren geneigt und unkundig der Geheimnisse, die in ihm eingeschlossen liegen ...
Niemand möge sich einbilden, Unsere Versicherung, daß alle erschaffenen
[Seite 4]
Dinge die Zeichen der Offenbarung Gottes seien, wolle sagen — Gott behüte! — alle
Menschen, gut oder böse, fromm oder ungläubig, wären im Angesichte Gottes gleich.
Es besagt auch nicht, daß das göttliche Sein — gepriesen sei Sein Name und
erhaben Seine Herrlichkeit — unter irgendwelchen Umständen den Menschen
vergleichbar sei oder in irgendeiner Weise mit Seinen Geschöpfen verbunden
werden könnte. Dieser Fehler wurde von Toren gemacht, die, nachdem
sie in die Himmel ihrer bloßen Einbildungen aufstiegen, die göttliche Einheit
dahin auslegten, daß alle erschaffenen Dinge die Zeichen Gottes seien und daß
demzufolge nicht der geringste Unterschied zwischen ihnen bestehe. Einige
haben sie sogar übertroffen, indem sie behaupteten, diese Zeichen wären Gottes
ebenbürtige Gefährten. Gütiger Gott! Er, wahrlich, ist eins und unteilbar, eins
in Seinem Wesen, eins in Seinen Eigenschaften. Alles außer Ihm ist wie ein
Nichts, wenn es vor die strahlende Offenbarung von nur einem Seiner Namen
oder auch nur vor die leiseste Andeutung Seiner Herrlichkeit gebracht
wird — wieviel weniger ist es, wenn es Seinem Selbst gegenübergestellt wird!
Bei der Gerechtigkeit Meines Namens, „der Allbarmherzige“! Die Feder des Höchsten zittert und bebt und ist tief erschüttert bei der Offenbarung dieser Worte. Wie winzig und unbedeutend ist der dahinschwindende Tropfen im Vergleich zu den Wellen und Wogen von Gottes grenzenlosem und ewigem Meer, und wie völlig unwürdig muß alles Flüchtige und Vergängliche erscheinen, wenn es der unerschaffenen, der unaussprechlichen Herrlichkeit des Ewigen gegenübergestellt wird! Wir erflehen Vergebung von Gott, dem Allmächtigen, für die, die solchen Glaubens sind und solche Worte äußern. Sprich: O Menschen! Wie kann ein dahineilender Gedanke sich mit dem Selbstbestehenden vergleichen lassen, und wie kann der Schöpfer mit Seinen Geschöpfen verglichen werden, die ja nur wie die Schrift aus Seiner Feder sind? Nein, Seine Schrift übertrifft ja alle Dinge und ist geheiligt und unermeßlich erhaben über alle Geschöpfe.
Betrachte weiter die Zeichen der Offenbarung Gottes in ihrer Beziehung zueinander. Kann die Sonne, die nur eines dieser Zeichen ist, der Dunkelheit gleichgesetzt werden? Der eine wahre Gott zeugt Mir dafür — kein Mensch kann solches glauben, es sei denn, er zähle zu denen, deren Herzen eng und deren Augen getäuscht sind. Sprich: Betrachtet euch selber. Eure Nägel und Augen sind beides Teile eures Körpers. Haltet ihr sie für einander gleichgeordnet und gleichwertig? Wenn ihr sagt: So ist es - so sprechet alsdann: Ihr habt in der Tat den Herrn, meinen Gott, den Allherrlichen, des Betrugs bezichtigt, da ihr die einen vernachlässigt und die anderen so zärtlich umhegt wie euer eigenes Leben.
Es ist in keiner Weise zulässig, die Grenzen des eigenen Ranges und der eigenen Stufe zu überschreiten. Die Unverletztheit jedes Ranges und jeder Stufe muß schlechterdings gewahrt bleiben. Damit ist gemeint, daß alles Erschaffene im Lichte der Stufe betrachtet werden sollte, die ihm einzunehmen verordnet wurde.
Als das Licht Meines Namens, „der Alldurchdringende“, seinen Glanz über
das All ergoß, wurde ein jedes erschaffene Ding nach einer bestimmten
Verordnung mit der Fähigkeit ausgestattet, einen besonderen Einfluß zu üben und mit
dem Besitz einer bestimmten Tugend begabt. Daran sollten wir denken. Betrachte
die Wirkung des Giftes. Obwohl es tödlich ist, besitzt es doch die Macht, unter
gewissen Bedingungen einen wohltuenden Einfluß zu üben. Die Kraft, die allem
[Seite 5]
Erschaffenen eingeflößt wurde, ist die unmittelbare Folge der Offenbarung dieses
gesegnetsten Namens. Verherrlicht sei Er, welcher der Schöpfer aller Namen und
Eigenschaften ist! Wirf den Baum, der verfault und verdorrt ist, ins Feuer und
verweile unter dem Schatten des grünen und schönen Baumes, und habe teil
an seiner Frucht.
Die Menschen, die in den Tagen der Manifestationen Gottes lebten, haben größtenteils solche unziemlichen Reden geführt. Diese sind ausführlich in den geoffenbarten Büchern und heiligen Schriften niedergelegt.
Wer in allem Erschaffenen das Zeichen der Offenbarung Dessen erkennt, der die Ewige Wahrheit ist, der ist einer, der wirklich an die Einheit Gottes glaubt, nicht aber der, welcher behauptet, das Geschöpf sei nicht vom Schöpfer zu unterscheiden.
Betrachte zum Beispiel die Offenbarung des Lichtes des Namens Gottes: „der Erzieher“. Sieh, wie die Beweise einer solchen Offenbarung deutlich in allen Dingen sind, wie die Besserung aller Wesen davon abhängt. Die Erziehung ist zweifacher Art. Die eine ist universal. Ihr Einfluß durchdringt alle Dinge und erhält sie. Aus diesem Grund hat Gott die Benennung „Herr aller Welten“ angenommen. Die andere ist auf diejenigen beschränkt, die unter dem Schatten dieses Namens gekommen sind und den Schutz dieser mächtigsten Offenbarung gesucht haben. Diejenigen jedoch, die versäumten, diesen Schutz zu suchen, haben sich selbst dieses Vorrechts beraubt und sind nicht fähig, aus der geistigen Versorgung, die durch die himmlische Gnade dieses größten Namens niedergesandt ward, Nutzen zu ziehen. Wie tief ist der Abgrund, der zwischen dem einen und dem andern aufgetan wurde! Wenn der Schleier gelüftet würde und die volle Herrlichkeit der Stufe jener, die sich Gott völlig zugewandt und in ihrer Liebe zu Ihm der Welt entsagt haben, enthüllt würde, so würde die gesamte Schöpfung wie vom Donner gerührt. Wer wirklich an die Einheit Gottes glaubt, wird, wie vorher erklärt wurde, im Gläubigen und Ungläubigen die Beweise der Offenbarung dieser beiden Namen erkennen. Würde diese Offenbarung zurückgezogen, so würde alles zugrunde gehen.
So betrachte auch die Offenbarung des Lichtes des Namens Gottes: „der Unvergleichliche“. Sieh, wie dieses Licht die gesamte Schöpfung umkleidet hat, wie jedes Ding das Zeichen Seiner Einheit enthüllt und die Wirklichkeit Dessen bezeugt, der die Ewige Wahrheit ist, Seine höchste Herrschaft verkündet, Seine Einzigkeit und Seine Macht. Diese Offenbarung ist ein Beweis Seines Erbarmens, das alles Erschaffene umfaßt. Diejenigen jedoch, die Ihm Gefährten zugesellten, achten nicht auf eine solche Offenbarung und sind des Glaubens beraubt, durch den sie sich Ihm nähern und mit Ihm vereinigt werden könnten. Bezeuge, wie die verschiedenen Völker und Geschlechter der Erde Zeugnis ablegen für Seine Einheit und Seine Einzigkeit erkennen. Ohne das Zeichen der Einheit Gottes in ihnen würden sie die Wahrheit jener Worte „Es gibt keinen Gott als Gott“ niemals anerkannt haben. Und siehe dennoch, wie tief sie geirrt haben, und wie sie von Seinem Pfade abgewichen sind. Insoweit sie es versäumten, den höchsten Offenbarer zu erkennen, werden sie nicht mehr unter jene gezählt, die als wahrhaft an die Einheit Gottes Glaubende betrachtet werden dürfen.
Dieses Zeichen der Offenbarung des göttlichen Seins in jenen, die Ihm Gefährten
[Seite 6]
zugesellt haben, mag in gewisser Hinsicht nur als Widerschein des Glanzes
angesehen werden, von dem die Gläubigen erleuchtet sind. Diese Wahrheit aber
kann niemand erfassen außer den Menschen, die mit Verständnis begabt sind.
Diejenigen, welche die Einheit Gottes wirklich erkannt haben, sollten als die
ersten Offenbarungen dieses Namens betrachtet werden. Sie sind es, die den Wein
göttlicher Einheit aus dem Kelch, den die Hand Gottes ihnen darbot, getrunken,
und die Ihm ihr Angesicht zugewandt haben. Wie weit ist die Spanne, die diese
geheiligten Wesen von jenen Menschen trennt, die Gott so ferne sind! ...
Gott gebe, daß du mit durchdringendem Blick in allen Dingen das Zeichen der Offenbarung des urewigen Königs wahrnehmest und erkennest, wie erhaben und geheiligt über die ganze Schöpfung jenes hehre und höchst heilige Sein ist. Das ist in Wahrheit die eigentliche Wurzel und das Wesen des Glaubens an die Einheit und Einzigkeit Gottes. „Gott war allein. Es war keiner außer Ihm.“ Er ist heute, was Er immer gewesen ist. Es ist kein Gott außer Ihm, dem Einen, dem Unvergleichlichen, dem Allmächtigen, dem Erhabensten, dem Größten.
XCIV. Und nun zu deinem Hinweis auf das Vorhandensein zweier Götter. Hüte dich, hüte dich, daß du nicht verführt werdest, dem Herrn, deinem Gott, Genossen zuzugesellen. Er ist einzig und allein und ist es seit Ewigkeit her gewesen, ohne Gefährten oder Ebenbürtigen, ewig in der Vergangenheit, ewig in der Zukunft, gesondert von allen Dingen, immerwährend, unveränderlich und selbstbestehend. Er hat keinen Gefährten für Sich in Seinem Reiche bestimmt, keinen Berater, Ihn zu beraten, keinen, der Ihm gleichgestellt wäre, keinen, der Seiner Herrlichkeit gleichkommen könnte. Das bezeugt jedes Atom des Alls und bezeugen darüber hinaus die Bewohner der Reiche der Höhe, sie, welche die erhabensten Sitze einnehmen, und deren Namen vor dem Throne der Herrlichkeit Erwähnung finden.
Bestätige in deinem innersten Herzen dieses Zeugnis, das Gott selbst für Sich selbst verkündet hat, daß kein Gott ist außer Ihm, und daß alle außer Ihm auf Sein Geheiß erschaffen, mit Seiner Erlaubnis gebildet wurden, Seinem Gesetz untertan sind, vor den herrlichen Beweisen Seiner Einzigkeit einem vergessenen Ding gleichen und wie ein Nichts sind, wenn sie von Angesicht zu Angesicht den mächtigen Offenbarungen Seiner Einheit gegenüberstehen.
Er ist in Wahrheit durch die Ewigkeit hin einzig in Seinem Wesen, einzig in
Seinen Eigenschaften, einzig in Seinen Werken gewesen. Jeder Vergleich ist nur
auf Seine Geschöpfe anwendbar und alle Vorstellungen von einer Verbindung
sind Vorstellungen, die lediglich die betreffen, welche Ihm dienen. Unermeßlich
erhaben ist Sein Wesen über die Darstellungen Seiner Geschöpfe. Er allein
nimmt den Sitz höchster Majestät, erhabenster und unzugänglicher Herrlichkeit
ein. Die Vögel der Menschenherzen — wie hoch sie sich auch immer aufschwingen
mögen — können niemals hoffen, die Höhen Seines unerkennbaren Wesens
zu erreichen. Er ist es, der die Gesamtheit der Schöpfung ins Dasein gerufen, der
auf Sein Geheiß alles Erschaffene hervortreten ließ. Soll dann das Ding, das
vermöge des Wortes geboren wurde, das Seine Feder geoffenbart und der Finger
Seines Willens geleitet hat, als Sein Gefährte oder als eine Verkörperung Seines
Selbstes angesehen werden? Fern sei es von Seiner Herrlichkeit, daß die [Seite 7]
menschliche Feder oder Zunge an Sein Geheimnis rühre, und daß das menschliche Herz
Sein Wesen begreife. Alle außer Ihm stehen arm und verlassen an Seiner Tür,
alle sind sie ohnmächtig vor der Größe Seiner Macht, alle sind sie nur Sklaven
in Seinem Königreich. Er ist reich genug, um aller Geschöpfe zu entraten.
Das zwischen dem Anbetenden und dem Angebeteten, zwischen dem Geschöpf und dem Schöpfer geknüpfte Band der Dienstbarkeit sollte an sich als ein Beweis Seiner gnädigen Gewogenheit gegenüber den Menschen und nicht als Merkmal eines Vorzuges angesehen werden, den sie besitzen mögen. Das bezeugt jeder wahre und einsichtige Gläubige.
XCV. Wisse, daß nach dem, was dein Herr, der Herr aller Menschen, in Seinem Buche verordnet hat, die Gunstbeweise, die Er der Menschheit gewährte, immer grenzenlos in ihrem Umfang waren und es immer bleiben werden. Zuerst und zuvörderst unter diesen Gunstbeweisen, die der Allmächtige dem Menschen erteilt hat, steht die Gabe des Verstandes. Seine Absicht bei der Verleihung einer solchen Gabe ist keine andere als die, Sein Geschöpf zu befähigen, den einen wahren Gott — erhaben sei Seine Herrlichkeit - zu kennen und zu erkennen. Diese Gabe gibt dem Menschen die Macht, die Wahrheit in allen Dingen zu unterscheiden. Sie führt ihn zu dem, was recht ist, und hilft ihm, die Geheimnisse der Schöpfung entdecken. Die nächste in der Reihe ist die Kraft des Sehens, das Hauptwerkzeug, durch das sein Verstand wirken kann. Die Sinne des Gehörs, des Gefühls und dergleichen sind gleichfalls unter die Gaben zu zählen, mit denen der menschliche Körper ausgestattet wurde. Unermeßlich erhaben ist der Allmächtige, der diese Kräfte erschaffen und sie im Körper des Menschen geoffenbart hat.
Jede dieser Gaben ist ein unzweifelhafter Beweis für die Majestät, die Macht, die Überlegenheit, das allumfassende Wissen des einen, wahren Gottes — erhaben sei Seine Herrlichkeit. Betrachte den Tastsinn. Bezeuge, wie seine Kraft sich über den gesamten menschlichen Körper verbreitet. Während die Fähigkeiten des Sehens und Hörens je auf einen besonderen Mittelpunkt beschränkt sind, umfaßt der Tastsinn die ganze menschliche Gestalt. Verherrlicht sei Seine Macht, gepriesen sei Seine Herrschaft!
Diese Gaben ruhen im Menschen selber. Das, was über alle anderen Gaben hinausragt, in seiner Natur unzerstörbar ist und Gott selbst zugehört, ist die Gabe göttlicher Offenbarung. Jede Wohltat, die der Schöpfer dem Menschen erweist, sei sie stofflich oder geistig, ist dieser untergeordnet. Sie ist ihrem Wesen nach das Brot, das vom Himmel herabkommt und wird es immer bleiben. Sie ist Gottes erhabenstes Zeugnis, der deutlichste Beweis Seiner Wahrheit, das Zeichen Seiner vollendeten Güte, das Merkmal Seiner allumfassenden Barmherzigkeit, der Beweis Seiner liebenden Vorsehung, das Sinnbild Seiner vollkommensten Gnade. Wer Seine Manifestation an diesem Tage erkannt hat, hat wahrlich an dieser höchsten Gabe Gottes teil.
Danke deinem Herrn, daß Er dir ein so großes Geschenk verlieh. Erhebe deine Stimme und sprich: Aller Ruhm sei Dir, o Du Verlangen jedes verstehenden Herzens!
XCVI. Die Feder des Höchsten ruft unaufhörlich, und wie wenige sind es
dennoch, die ihr Ohr ihrer Stimme geneigt haben! Die Bewohner des Reiches
[Seite 8]
der Namen haben sich eifrig mit dem bunten Kleid der Welt beschäftigt, dessen
nicht gedenkend, daß jeder Mensch, der Augen zu sehen und Ohren zu hören
hat, nur zu leicht erkennt, wie vergänglich seine Farben sind.
Ein neues Leben durchflutet in diesem Zeitalter alle Völker der Erde, und dennoch hat keiner dessen Ursache entdeckt und dessen Beweggrund erkannt.
Betrachte die Menschen des Westens. Bezeuge, wie sie in ihrer Jagd nach dem, was eitel und niedrig ist, zahllose Leben für seine Begründung und Förderung geopfert haben und sie immer noch opfern. Das Volk Persiens andererseits ist, wenn auch der Verwahrungsort einer klaren und strahlenden Offenbarung, die in der Herrlichkeit ihrer Erhabenheit und ihres Ruhms die ganze Erde umfaßt hat, entmutigt und in tiefe Stumpfheit gesunken.
O Freunde! Seid nicht gleichgültig gegenüber den Tugenden, mit denen ihr ausgestattet wurdet, noch nachlässig gegen eure hohe Bestimmung. Laßt eure Bemühungen nicht durch die bloßen Einbildungen, die gewisse Herzen schufen, zugrunde gehen. Ihr seid die Sterne des Himmels des Begreifens, der frische Wind, der beim Morgengrauen weht, die sanftflutenden Wasser, von denen das wahre Leben aller Menschen abhängen muß, die Buchstaben, die auf Seiner heiligen Rolle verzeichnet sind. Bemüht euch in äußerster Einigkeit und im Geiste vollkommener Kameradschaft, damit ihr fähig werdet, das zu vollbringen, was sich für diesen Tag Gottes geziemt. Wahrlich, Ich sage, Streit und Uneinigkeit und was immer des Menschen Sinn verabscheut, sind seiner Stufe völlig unwürdig. Vereinigt eure Kräfte in der Verbreitung des Glaubens Gottes. Wer auch immer eines so hohen Rufes würdig ist, der möge sich erheben und denselben fördern. Wer nicht dazu imstande ist, der hat die Pflicht, jemanden an seiner Stelle zu bestimmen, um diese Offenbarung zu verkünden, deren Kraft die Grundlagen der mächtigsten Gefüge zum Zittern brachte, die jeden Berg zu Staub zermalmte und jede Seele wie vom Donner gerührt werden ließ. Würde die Größe dieses Tages in ihrer Fülle geoffenbart, so würde jeder Mensch auf eine Myriade Leben verzichten in seiner Sehnsucht, an seiner großen Herrlichkeit, und sei es auch nur einen Augenblick lang, teilzuhaben — wieviel mehr noch auf diese Welt und ihre vergänglichen Schätze!
Lasset euch in allen euren Taten von Weisheit leiten und haltet treu daran fest. So es Gott will, werdet ihr alle gestärkt werden, das auszuführen, was Gottes Wille ist, und wird euch gnädiglich geholfen werden, den Rang zu würdigen, der solchen Seiner Geliebten verliehen wurde, die sich erhoben, Ihm zu dienen und Seinen Namen zu verherrlichen. Auf ihnen sei die Herrlichkeit Gottes, die Herrlichkeit von allem, was in den Himmeln, und allem, was auf Erden ist, und die Herrlichkeit der Bewohner des erhabensten Paradieses, des Himmels der Himmel.
XCVII. Denke an die Zweifel, welche diejenigen, die Gott Gefährten zugesellten,
in die Herzen der Menschen dieses Landes senkten. „Wird es je möglich
sein“, so fragen sie, „daß Kupfer in Gold verwandelt werde?“ Sprich: Ja, bei
meinem Herrn, es ist möglich. Das Geheimnis hierfür liegt jedoch in Unserem
Wissen verborgen. Wir werden es enthüllen, wem Wir wollen. Wer Unsere
Macht bezweifelt, frage den Herrn, seinen Gott, daß Er ihm das Geheimnis
offenbare und ihn von seiner Wahrheit überzeuge. Daß Kupfer in Gold gewandelt
[Seite 9]
werden kann, ist an sich ein genügender Beweis dafür, daß Gold in gleicher
Weise in Kupfer verwandelt werden kann - so sie zu denen gehören, die diese
Wahrheit begreifen können. Jedes Mineral kann dazu gebracht werden, die
Dichte, den Aufbau und den Gehalt eines jeden anderen Minerals zu erlangen.
Das Wissen hierüber ist mit Uns in dem Verborgenen Buche.
XCVIII. Sprich: O ihr Führer der Religionen! Messet das Buch Gottes nicht an solchen Maßen und Wissenschaften, wie sie unter euch geläufig sind, denn das Buch selbst ist die untrügliche Waage, die unter den Menschen aufgestellt ward. Auf dieser höchst vollkommenen Waage muß gewogen werden, was immer die Völker und Geschlechter der Erde besitzen, während das Maß ihres Gewichtes nach ihrer eigenen Maßeinheit geprüft werden sollte — o daß ihr es doch wüßtet!
Das Auge Meiner liebenden Güte weint bitterlich über euch, weil ihr verfehltet, den Einen zu erkennen, nach dem ihr Tag und Nacht gerufen habt, des Abends und am Morgen. Schreitet, o Menschen, mit blütenweißem Angesicht und strahlendem Herzen vorwärts zu dem glückseligen, rotleuchtenden Ort, da der Sadratu’l-Muntahá ausruft: „Wahrlich, es ist kein Gott außer Mir, dem allmächtigen Beschirmer, dem Selbstbestehenden!“
O ihr Religionsführer! Wo ist unter euch der Mensch, der mit Mir an Sehvermögen und Einsicht wetteifern könnte? Wo ist der zu finden, der den Anspruch zu erheben wagte, Mir an Sprache und Weisheit zu gleichen? Nein, bei Meinem Herrn, dem Allbarmherzigen! Alles auf Erden wird vergehen, dieses aber ist das Angesicht eures Herrn, des Allmächtigen, des Vielgeliebten.
Wir haben verordnet, o Menschen, das höchste und letzte Ziel aller Gelehrsamkeit sei die Erkenntnis Seiner, der das Ziel alles Wissens ist, und siehe, wie ihr dennoch eurer Gelehrsamkeit gestattet habt, euch gleich einem Schleier von Ihm abzuschließen, dem Tagesanbruch dieses Lichtes, durch den ein jedes verborgene Ding geoffenbart wurde. Könntet ihr doch den Quell entdecken, aus dem der Glanz dieser Sprache strömt, ihr würdet die Völker der Welt und alles, was sie besitzen, verwerfen und euch diesem gesegnetsten Sitz der Herrlichkeit nähern.
Sprich: Dies, wahrlich, ist der Himmel, in dem das Mutterbuch verwahrt wird — o könntet ihr es doch verstehen! Er ist es, der den Felsen jubelnd widerhallen ließ und den Brennenden Busch auf dem über dem Heiligen Land ragenden Berg seine Stimme erheben und verkünden hieß: „Das Reich ist Gottes, des allerhöchsten Herrn, des Allmachtvollen, des Liebenden!“
Wir sind in keine Schule gegangen, noch haben Wir irgend eine eurer gelehrten Abhandlungen gelesen. Neigt euer Ohr den Worten dieses Ungelehrten, mit denen Er euch vor Gott, den Immerbleibenden, ruft. Besser ist dies für euch als alle Schätze der Erde. O könntet ihr es doch begreifen!
XCIX. Die Lebenskraft des Glaubens der Menschen an Gott ist in allen Ländern
im Aussterben begriffen. Nichts Geringeres als Seine heilsame Arznei kann
sie jemals wiederherstellen. Das ätzende Gift der Gottlosigkeit frißt sich in das
Lebensmark der menschlichen Gesellschaft ein. Was anderes als der Lebenstrank
Seiner mächtigen Offenbarung kann diese reinigen und wiederbeleben?
Liegt es in menschlicher Macht, o Hakim, in den Grundelementen irgendeines
[Seite 10]
der winzigen und unteilbaren Teilchen des Urstoffs eine so vollkommene
Umwandlung hervorzurufen, wie die, ihn in lauterstes Gold zu wandeln? So
verwickelt und schwierig dies auch erscheinen mag, so sind Wir doch zur Erfüllung
einer noch viel größeren Aufgabe, nämlich die satanische Kraft in himmlische
Macht zu kehren, ermächtigt worden. Die einer solchen Umwandlung fähige
Kraft übersteigt selbst die Macht des Lebenstrankes. Das Wort Gottes allein
kann die Auszeichnung für sich in Anspruch nehmen, mit der für eine so große
und weittragende Wandlung notwendigen Fähigkeit ausgestattet zu sein.
C. Die Stimme des göttlichen Herolds, die vom Throne Gottes erschallt, verkündet: O ihr Meine Geliebten! Leidet es nicht, daß der Saum Meines heiligen Gewandes von den Dingen dieser Welt beschmutzt und besudelt werde und folgt nicht dem Antrieb eurer üblen und lasterhaften Begierden. Die Sonne göttlicher Offenbarung, die in der Fülle ihrer Herrlichkeit am Himmel dieses Gefängnisses scheint, ist Mein Zeuge. Die, deren Herzen Ihm, dem Ziel der Anbetung der ganzen Schöpfung zugewandt sind, müssen — das kann nicht anders sein - in diesen Tagen über alles Erschaffene, das sichtbare und das unsichtbare, geheiligt sein und darüber hinausragen. Wenn sie sich erheben, um Meine Sache zu lehren, müssen sie sich durch den Odem aus Ihm, dem Unbezwungenen, aufrütteln lassen und Meine Sache über die Erde verbreiten mit hoher Entschlossenheit, mit Sinnen, die Ihn völlig zum Mittelpunkt nehmen, mit Herzen, die vollkommen gelöst und unabhängig von allen Dingen schlagen, und mit Seelen, die über die Welt und ihre Nichtigkeit geheiligt sind. Es geziemt ihnen, als beste Versorgung für ihre Reise das Vertrauen zu Gott zu wählen und sich mit der Liebe ihres Herrn, des Erhabensten, des Allherrlichen, zu kleiden. Wenn sie das tun, werden ihre Worte Einfluß auf ihre Hörer haben.
Wie tief, wie ungeheuer tief ist der Abgrund, der Uns von denen trennt, die an diesem Tag mit ihren üblen Leidenschaften beschäftigt sind und ihre Hoffnungen auf die Dinge der Erde und ihre vergängliche Herrlichkeit gesetzt haben! Manches Mal ist der Hof des Allbarmherzigen dem äußern Schein nach so von allen Reichtümern dieser Welt entblößt gewesen, daß die, welche in enger Vereinigung mit Ihm gelebt haben, schrecklichen Mangel litten. Trotz ihrer Leiden ist die Feder des Höchsten zu keiner Zeit gewillt gewesen, auf die Dinge von dieser Welt und auf deren Schätze zu verweisen oder auch nur die leiseste Anspielung auf sie zu machen. Und wenn zu irgend einer Zeit Ihm irgend ein Geschenk dargebracht wurde, so ward dies Geschenk als ein Zeichen Seiner Gnade angenommen für den, der es darbot. Sollte es Uns gefallen, Uns alle Schätze der Erde zu Unserem eigenen Gebrauch anzueignen, so ist niemandem das Recht gegeben, Unsere Autorität in Frage zu stellen oder Unser Recht anzufechten. Man kann sich jedoch unmöglich eine gemeinere Handlung vorstellen als die, im Namen des einen, wahren Gottes die Reichtümer, die Menschen besitzen, zu begehren.
Es ist deine Pflicht und die Pflicht der Anhänger Dessen, der die Ewige Wahrheit ist, alle Menschen zu alldem zu laden, was sie von jeglicher Verhaftung mit den Dingen dieser Erde heiligt und sie von ihren Besudelungen reinigt, damit alle jene den süßen Duft des Kleides des Allherrlichen verspüren, die Ihn lieben.
Diejenigen jedoch, die Reichtümer besitzen, müssen den Armen die größte
[Seite 11]
Aufmerksamkeit schenken, denn groß ist die Ehre, die Gott für jene Armen
bestimmt hat, die standhaft in der Geduld sind. Bei Meinem Leben! Es gibt
keine Ehre — außer dem, was Gott zu verleihen belieben mag -, die sich mit
dieser Ehre vergleichen kann. Groß ist der Segen, der die Armen erwartet, die
geduldig ausharren und ihre Leiden verbergen, und wohl den Reichen, die ihre
Reichtümer den Bedürftigen schenken und jene höher schätzen als sich selbst.
Gebe Gott, daß die Armen sich anstrengen und danach streben, sich die Mittel zum Lebensunterhalt zu verdienen. Dies ist eine Pflicht, die in dieser größten Offenbarung jedem vorgeschrieben wurde und im Angesicht Gottes als eine schöne Tat geachtet wird. Wer diese Pflicht übt, dem wird die Hilfe des Unsichtbaren ganz sicherlich zur Seite stehen. Er kann durch Seine Gnade reich machen, wen immer Ihm beliebt. Er, wahrlich, hat Macht über alle Dinge...
Sage, o ‘Alí, den Geliebten Gottes, daß Gerechtigkeit die grundlegendste der menschlichen Tugenden ist. Die Bewertung aller Dinge muß durchaus davon abhängen. Denke eine Weile über die Leiden und Trübsale nach, die dieser Gefangene erduldet hat. Ich bin Meiner Lebtage in der Gewalt Meiner Feinde gewesen und habe jeden Tag auf dem Pfade der Liebe Gottes neue Drangsal erduldet. Ich habe geduldig ausgeharrt, bis der Ruhm der Sache Gottes über die Erde verbreitet war. Wenn sich nun jemand erheben und, getrieben von bloßen Einbildungen, die sein Herz ersonnen hat, offen oder im geheimen trachten sollte, die Saat der Zwietracht unter den Menschen zu säen — könnte man von einem solchen Menschen sagen, daß er gerecht handelte? Nein, bei Ihm, dessen Macht sich über alle Dinge erstreckt! Bei Meinem Leben! Mein Herz seufzt und Meine Augen weinen schmerzlich um die Sache Gottes und um die, die nicht verstehen, was sie sagen, und sich vorstellen, was sie nicht begreifen können.
Es geziemt allen Menschen, an diesem Tag sich fest an den Allergrößten Namen zu halten und die Einheit der ganzen Menschheit zu errichten. Es gibt keinen Ort, wohin man fliehen, keine Zuflucht, die jemand ergreifen könnte, außer Ihm. Wenn ein Mensch sich verleiten lassen sollte, solche Worte zu äußern, die die Menschen von den Ufern von Gottes grenzenlosem Meere abbringen und sie veranlassen, ihr Herz auf irgend etwas anderes zu richten als auf dieses herrliche und offenbare Sein, das eine menschlicher Begrenzung unterworfene Gestalt angenommen hat, so wird ein solcher Mensch, wie hoch auch die von ihm bekleidete Stellung sein mag, von der ganzen Schöpfung als einer erklärt werden, der sich selbst der süßen Düfte des Allbarmherzigen beraubt hat.
Sprich: Übt Gerechtigkeit in eurem Urteil, o ihr Menschen mit verstehendem
Herzen! Wer ungerecht in seinem Urteil ist, der entbehrt der besonderen Merkmale,
die des Menschen Stufe auszeichnen. Er, der die Ewige Wahrheit ist, weiß
wohl, was das Herz des Menschen verborgen hält. Seine große Langmut hat
Seine Geschöpfe kühn gemacht, denn nicht eher, als bis die festgesetzte Zeit
gekommen ist, wird Er einen Schleier lüften. Seine alles überragende Barmherzigkeit
hat die Heftigkeit Seines Zorns zurückgehalten und die meisten Menschen wähnen
lassen, daß der eine, wahre Gott der Dinge nicht achte, die sie
insgeheim begangen haben. Bei Ihm, dem Allwissenden, dem Allunterrichteten!
Der Spiegel Seiner Erkenntnis strahlt mit vollendeter Deutlichkeit, Genauigkeit
und Treue die Taten aller Menschen zurück. Sprich: Preis sei Dir, o Verberger
[Seite 12]
der Sünden der Schwachen und Hilflosen! Verherrlicht sei Dein Name, o Du,
der Du den Nachlässigen vergibst, die sich an Dir versündigen!
Wir haben den Menschen verboten, nach den Einbildungen ihres Herzens zu wandeln, damit sie befähigt werden, Ihn zu erkennen, den höchsten Ursprung und Gegenstand aller Erkenntnis, und anerkennen mögen, was immer Ihm zu offenbaren gefallen mag. Bezeuge, wie sie sich in ihre leeren Einbildungen und bloßen Vorstellungen verstrickt haben. Bei Meinem Leben! Sie sind die Opfer dessen, was ihre eigenen Herzen ersannen, und dennoch merken sie das nicht. Leer und nutzlos ist die Rede ihrer Lippen, und dennoch begreifen sie das nicht.
Wir flehen zu Gott, Er möge allen Menschen gnädig Seine Gunst gewähren und sie zur Erkenntnis Seiner und ihrer selbst gelangen lassen. Bei Meinem Leben! Wer Ihn erkannt hat, soll in die Unendlichkeit Seiner Liebe aufsteigen und gelöst werden von der Welt und allem, was in ihr ist. Nichts auf Erden soll ihn von seinem Wege ablenken, wie viel weniger die, welche, getrieben von ihren bloßen Vorstellungen, jene Dinge reden, die Gott verboten hat.
Sprich: Dies ist der Tag, an dem jedes Ohr schlechterdings auf Seine Stimme merken muß. Hört auf den Ruf dieses Unterdrückten und verherrlicht den Namen des einen, wahren Gottes. Ziert euch mit dem Schmuck Seines Gedenkens und erleuchtet euer Herz mit dem Lichte Seiner Liebe. Das ist der Schlüssel, der die Herzen der Menschen öffnet, das Mittel, das die Seelen aller Wesen glänzend machen soll. Wer unbeachtet läßt, was aus der Hand des Willens Gottes geflossen ist, lebt in offenbarem Irrtum. Freundschaft und Redlichkeit im Betragen sind, im Gegensatz zu Zwietracht und Bosheit, die Kennzeichen wahren Glaubens.
Verkünde den Menschen, was Er, der die Wahrheit spricht und der Träger des Pfandes Gottes ist, dir zu beachten befohlen hat. Meine Herrlichkeit sei mit dir, o du, der du Meinen Namen anrufst, dessen Augen auf Meinen Hof gerichtet sind und dessen Zunge das Lob deines Herrn, des Wohltätigen, ausspricht!
CI. Die Absicht, die der Offenbarung eines jeden himmlischen Buches, nein, vielmehr jedem göttlich geoffenbarten Vers zugrunde liegt, ist, alle Menschen mit Gerechtigkeit und Einsicht zu begaben, damit Frieden und Ruhe fest unter ihnen begründet werden. Was immer Sicherheit in die Herzen der Menschen flößt, was immer ihre Stufe erhöht oder ihre Zufriedenheit fördert, ist vor dem Antlitz Gottes annehmbar. Wie erhaben ist die Stufe, die der Mensch erlangen kann, wenn er sich nur aus eigenem Willen dazu entschließt, seine hohe Bestimmung zu erfüllen! Zu welchen Tiefen der Erniedrigung aber kann er andererseits herabsinken, zu Tiefen, die die niedrigsten der Geschöpfe niemals erreichten! Ergreift, o Freunde, die Gelegenheit, die dieser Tag euch bietet, und beraubt euch nicht selbst der großmütigen Ausgießung Seiner Gnade. Ich flehe zu Gott, daß Er gnädig einen jeden von euch befähige, sich an diesem gesegneten Tag mit dem Schmuck reiner und heiliger Taten zu zieren. Er, wahrlich, tut, was immer Er will.
CII. Gebet dem Gehör, o Menschen, was Ich in Wahrheit euch sage. Der eine,
wahre Gott — erhaben sei Seine Herrlichkeit - hat immer die Herzen der Menschen
als Seinen eigenen, Seinen ausschließlichen Besitz angesehen und wird sie
immerfort so ansehen. Alles andere, ob zu Land oder zur See, sei es Reichtum,
[Seite 13]
sei es Ruhm, hat Er den Königen und Herrschern der Erde gegeben. Von Anfang
an, der keinen Anfang hat, wurde das Banner, das die Worte verkündet
„Er tut, was immer Er will“, in all seinem Glanz vor Seiner Manifestation entfaltet.
Was die Menschheit an diesem Tage benötigt, ist Gehorsam gegen die,
die an der Macht sind, und treues Festhalten am Seile der Weisheit. Die für den
unmittelbaren Schutz, die Ruhe und Sicherheit der menschlichen Rasse wesentlichen
Mittel sind den Händen der Führer der menschlichen Gesellschaft anvertraut und
liegen in ihrem Griff. Das ist der Wunsch Gottes und Seine Verordnung... Wir
hegen die Hoffnung, daß einer der Könige der Erde sich um Gottes
willen für den Sieg dieses schlecht behandelten, dieses unterdrückten Volkes
erheben wird. Ein solcher König wird ewig gepriesen und verherrlicht werden.
Gott hat diesem Volk zur Pflicht gemacht, demjenigen beizustehen, der ihm
beisteht, seinem besten Wohle zu dienen und ihm seine Untertanentreue zu
beweisen. Wer Mir folgt, muß unter allen Umständen bestrebt sein, das Wohlergehen
dessen zu fördern, der sich für den Sieg Meiner Sache erhebt, und zu jeder
Zeit seine Ergebenheit und Aufrichtigkeit ihm gegenüber dartun. Glücklich der
Mensch, der auf Meinen Rat hört und ihn befolgt! Wehe dem, der verfehlt,
Meinen Wunsch zu erfüllen!
CIII. Gott hat durch Seine Zunge, welche die Wahrheit spricht, in allen Seinen Sendschreiben diese Worte bezeugt: „Ich bin Der, der im Abhá-Reich der Herrlichkeit wohnt.“
Bei der Gerechtigkeit Gottes! Er schaut von den Höhen dieser erhabenen, dieser heiligen, dieser mächtigen und höchsten Stufe alle Dinge, hört alle Dinge und verkündet zu dieser Stunde: Gesegnet bist du, o Javád, da du erreichtest, was kein Mensch vor dir erreichte. Ich schwöre bei Ihm, der Ewigen Wahrheit: Durch dich wurden die Augen der Bewohner des erhabenen Paradieses erfreut. Das Volk indessen ist völlig achtlos. Würden Wir deine Stufe enthüllen, so würden die Herzen der Menschen heftig erregt und ihre Schritte wankend werden. Die Verkörperungen der Hoffart, sie würden, zum Schweigen gebracht, zu Boden sinken und sich mit den Fingern der Nachlässigkeit die Ohren schließen aus Furcht zu hören.
Gräme dich nicht über die, welche sich mit den Dingen dieser Welt beschäftigt und das Gedenken Gottes, des Größten, vergessen haben. Bei Ihm, der Ewigen Wahrheit, der Tag nähert sich, da der grimmige Zorn des Allmächtigen sie erfaßt haben wird! Er, wahrlich, ist der Allmächtige, der Allüberwinder, der Machtvollste. Er wird die Erde von dem Schmutz ihrer Verderbtheit reinigen und sie solchen unter Seinen Dienern zum Erbe geben, die Ihm nahe sind.
Sprich: O Menschen! Staub füllt euren Mund und Asche macht eure Augen blind, denn ihr habt den göttlichen Joseph um den erbärmlichsten Preis verschachert. O um das Elend, das auf euch lastet, auf euch, die ihr weit vom rechten Wege abirrt! Habt ihr euch in euren Herzen eingebildet, daß ihr die Macht besitzt, Ihn und Seine Sache zu überflügeln? Weit gefehlt! Das bezeugt Er selber, der Allmachtvolle, der Erhabenste, der Größte.
Bald wird der Sturm Seiner Züchtigung euch schlagen und der Staub der
Hölle euch einhüllen. Jene Menschen, die die Nichtigkeiten und den Zierat der
Erde anhäuften und sich dann verächtlich von Gott abwandten, sie haben beide
[Seite 14]
Welten, diese und die kommende, verloren. Binnen kurzem wird Gott mit der
Hand der Macht sie ihrer Besitztümer entblößen und sie des Gewandes Seiner
Güte entkleiden. Dessen werden sie bald Zeuge sein. Auch du sollst es bezeugen.
Sprich: O Menschen! Laßt euch von diesem Leben und seiner Falschheit nicht irreleiten, denn die Welt und alles, was in ihr ist, liegt fest in der Hand Seines Willens. Er schenkt Seine Gunst, wem Er will, und entzieht sie, wem Er will. Er tut, was immer Ihm beliebt. Würde die Welt in Seinen Augen irgendeinen Wert besessen haben, so würde Er gewiß Seinen Feinden, und sei es auch nur in der Ausdehnung eines Senfkorns, niemals erlaubt haben, sie zu besitzen. Er hat euch jedoch in ihre Angelegenheiten verstrickt als Vergeltung für das, was eure Hände in Seiner Sache gewirkt haben. Das ist in der Tat eine Züchtigung, die ihr euch aus freiem Willen zugezogen habt — könntet ihr es doch begreifen. Erfreut ihr euch der Dinge, die im Angesichte Gottes verächtlich und wertlos sind, der Dinge, mit denen Er die Herzen der Zweifler prüft?
CIV. O ihr Kinder der Welt! Wisset wahrlich, daß unvorhergesehenes Elend euch verfolgt und schmerzliche Vergeltung eurer harrt. Glaubt nicht, daß die Handlungen, die ihr begingt, vor Meinem Angesicht erloschen sind. Bei Meiner Schönheit! All euer Tun hat Meine Feder in offener Schrift auf Tafeln von Chrysolith gegraben.
CV. O ihr Könige der Erde! Er, der allerhöchste Herr, ist nun gekommen. Das Reich ist Gottes, des allmächtigen Beschützers, des Selbstbestehenden. Betet niemanden außer Gott an und erhebt mit strahlendem Herzen euer Angesicht zu eurem Herrn, dem Herrn aller Namen. Dies ist eine Offenbarung, der nichts, was ihr auch besitzen mögt, verglichen werden kann — wenn ihr es doch wüßtet!
Wir sehen, wie ihr euch über das freut, was ihr für andere anhäuftet und euch von den Welten ausschließt, die nichts außer Meinem verwahrten Tablet aufzuzählen vermag. Die Schätze, die ihr aufgespeichert habt, haben euch weit von eurem Endziel entfernt. Dieses Übel geschieht euch recht — könntet ihr es nur verstehen! Waschet alle irdische Besudelung von eurem Herzen ab und eilt, das Reich eures Herrn zu betreten, des Schöpfers von Erde und Himmel, der die Welt erzittern und alle ihre Bewohner wehklagen ließ außer denen, die allem entsagten und dem folgen, was die Verborgene Tafel verordnet hat.
Dies ist der Tag, an dem Er, der mit Gott verkehrte, das Licht des Urewigen der Tage erreichte und die reinen Wasser der Wiedervereinigung aus dem Kelche schlürfte, der die Meere anschwellen ließ. Sprich: Bei dem einen wahren Gott! Der Sinai bewegt sich um den Tagesanbruch der Offenbarung, während von den Höhen des Königreichs die Stimme des Geistes Gottes verkündet: „Regt euch, ihr Stolzen der Erde, und eilet zu Ihm!“ Der Karmel hat sich an diesem Tag in sehnsuchtsvoller Anbetung beeilt, Seinen Hof zu erreichen, während aus dem Herzen Zions der Schrei ertönt: „Die Verheißung ist erfüllt. Das, was in der heiligen Schrift Gottes, des Erhabensten, des Allmächtigen, des Meistgeliebten, verkündet wurde, ist geoffenbart worden.“
O Könige der Erde! Das Größte Gesetz wurde an diesem Orte, dem Schauplatz
höchsten Glanzes, geoffenbart. Durch den Willen des höchsten Verordners,
Dessen, der die letzte Stunde ankündigte, durch den der Mond gespalten und
[Seite 15]
jeder unabänderliche Ratschluß erklärt wurde, ist jedes verborgene Ding ans
Licht gekommen.
Ihr seid nur Vasallen, o ihr Könige der Erde! Er, der König der Könige, ist in Seine wunderbare Herrlichkeit gekleidet erschienen und ruft euch zu Sich, dem Helfer in Gefahr, dem Selbstbestehenden. Hütet euch, daß der Stolz euch nicht abhalte, die Quelle der Offenbarung zu erkennen, daß die Dinge dieser Welt euch nicht wie Schleier von Ihm trennen, dem Schöpfer des Himmels! Erhebt euch und dient Ihm, dem Verlangen der Völker, der euch durch ein Wort von Sich erschaffen und verordnet hat, daß ihr für alle Zeit die Sinnbilder Seiner Herrschaft seiet.
Bei der Gerechtigkeit Gottes! Wir wünschen nicht, die Hand auf eure Königreiche zu legen. Unsere Aufgabe ist es, die Herzen der Menschen zu erfassen und zu besitzen. Auf sie sind die Augen Bahás gerichtet. Das bezeugt das Reich der Namen -— könntet ihr es doch verstehen! Wer seinem Herrn folgt, wird der Welt und allem, was in ihr ist, entsagen. Wieviel größer muß daher die Loslösung Dessen sein, der eine so erhabene Stufe einnimmt! Verlaßt eure Paläste und beeilt euch, Zutritt zu Seinem Reich zu erhalten. Das, wahrlich, wird euch in dieser und in der nächsten Welt nützen. Der Herr des Reiches der Höhe bezeugt es. Würdet ihr es nur erkennen!
Wie groß ist der Segen, welcher den König erwartet, der sich erhebt, um Meiner Sache in Meinem Reich zu helfen, der sich von allem außer Mir loslöst! Ein solcher König wird unter die Gefährten der roten Arche gezählt, der Arche, die Gott für das Volk Bahás bereitet hat. Alle müssen seinen Namen verherrlichen, seine Stufe achten und ihm helfen, die Städte zu öffnen mit dem Schlüssel Meines Namens: „der allmächtige Beschützer aller Bewohner der sichtbaren und unsichtbaren Reiche“. Ein solcher König ist das wahre Auge der Menschheit, die leuchtende Zier auf der Stirne der Schöpfung, der Brunnquell des Segens für die ganze Welt. Gib, o Volk Bahás, dein Bestes, nein, dein Leben zu seinem Beistand hin!
CVI. Der allwissende Arzt hält Seinen Finger am Pulse der Menschheit. Er erkennt die Krankheit und verschreibt das Heilmittel in Seiner nie irrenden Weisheit. Jedes Zeitalter hat sein eigenes Problem, jede Seele ihre besondere Sehnsucht. Das Heilmittel, das die Welt in ihren gegenwärtigen Nöten braucht, kann nicht das gleiche sein, das ein späteres Zeitalter erfordern mag. Beschäftigt euch eifrigst mit den Nöten des Zeitalters, in dem ihr lebt, und legt den Schwerpunkt eurer Überlegung auf seine Bedürfnisse und Forderungen.
Wir können wohl erkennen, wie die ganze menschliche Rasse von großen, von unberechenbaren Nöten umgeben ist. Wir sehen sie auf ihrem Krankenbett dahinsiechen, schmerzlich geprüft und ernüchtert. Die, welche von Eigendünkel trunken sind, haben sich zwischen sie und den göttlichen und unfehlbaren Arzt gestellt. Bezeuge, wie sie alle Menschen, sie selbst mit eingeschlossen, in das Netzwerk ihrer Listen verstrickt haben. Sie können weder die Ursache der Krankheit erkennen noch kennen sie irgendein Heilmittel. Sie haben sich vorgestellt, das Aufrechte sei krumm, und sich eingebildet, ihr Freund sei ihr Feind.
Neigt euer Ohr dem süßen Liede dieses Gefangenen. Stehet auf und erhebt
eure Stimme, damit vielleicht die, welche fest schlafen, erwachen mögen. Sprich:
[Seite 16]
O ihr, die ihr wie tot seid! Die Hand göttlicher Freigebigkeit reicht euch das
Wasser des Lebens. Beeilt euch und trinket in Fülle. Wer an diesem Tag
wiedergeboren wurde, soll niemals sterben; wer tot bleibt, soll niemals
leben.
CVII. Er, der euer Herr ist, der Allbarmherzige, hegt in Seinem Herzen das Verlangen, die ganze menschliche Rasse als eine Seele und einen Körper anzusehen. Beeile dich, deinen Anteil an Gottes Gnade und Barmherzigkeit an diesem Tag, der alle vergangenen Tage in den Schatten stellt, zu gewinnen. Wie groß ist die Glückseligkeit, die jenen Menschen erwartet, der in dem Wunsche, die Dinge Gottes zu empfangen, alles aufgibt, was er besitzt! Ein solcher Mensch, das bezeugen Wir, gehört zu den Gesegneten Gottes.
CVIII. Wir haben eine festgesetzte Zeit für euch, o Völker! Wenn ihr verfehlt, euch zu jener bestimmten Stunde Gott zuzuwenden, wird Er euch wahrlich gewaltsam erfassen und wird schreckliche Not von allen Seiten über euch kommen lassen. Wie streng ist in der Tat die Strafe, mit der euer Herr euch alsdann strafen wird!
CIX. O Kamál! Die Höhen, die der sterbliche Mensch durch Gottes gnädigste Gewogenheit an diesem Tag erreichen kann, sind bis heute seinem Blick noch nicht enthüllt. Die Welt des Seins hat die Aufnahmefähigkeit für eine solche Offenbarung noch niemals besessen und besitzt sie auch jetzt noch nicht. Der Tag ist jedoch nahe, da die Möglichkeiten einer so großen Gunst kraft Seines Befehls den Menschen kundgetan werden. Und wenn auch die Kräfte der Nationen sich gegen Ihn aufstellen, wenn auch die Könige der Erde sich verbünden, um Seine Sache zu untergraben, so wird Seine Macht dennoch unerschüttert stehen. Er, wahrlich, spricht die Wahrheit und ruft die ganze Menschheit auf den Weg zu Sich, dem Unvergleichlichen, dem Allwissenden,
Alle Menschen wurden erschaffen, um eine immer fortschreitende Zivilisation vorwärtszuführen. Der Allmächtige bezeugt Mir: wie die Tiere auf dem Felde zu handeln, ist des Menschen unwürdig. Die Tugenden, die seiner Würde anstehen, sind Geduld, Erbarmen, Mitleid und liebevolle Güte für alle Menschen und Geschlechter der Erde. Sprich: O Freunde! Trinkt in Fülle aus diesem kristallklaren Strom, der dahinflutet durch die himmlische Gnade Dessen, welcher der Herr der Namen ist. Laßt andere in Meinem Namen an seinen Wassern teilhaben, damit die Führer der Menschen in jedem Lande die Absicht völlig erkennen mögen, um deretwillen die Ewige Wahrheit geoffenbart worden ist, und den Grund, aus dem sie selber erschaffen wurden.
CX. Das große Sein spricht: O ihr Menschenkinder! Die grundlegende Absicht,
die den Glauben Gottes und Seine Religion beseelt, ist, die Belange der
menschlichen Rasse zu schützen, ihre Einheit zu fördern und den Geist der Liebe
und Kameradschaft unter den Menschen zu pflegen. Lasset sie nicht zu einem Quell
der Uneinigkeit und des Mißklangs, des Hasses und der Feindschaft werden. Dies
ist der rechte Pfad, die festgelegte und unverrückbare Grundlage. Was immer
sich auf dieser Grundlage erhebt, kann durch die Wechselfälle der Welt niemals
in seiner Kraft geschwächt werden, noch können die Umwälzungen zahlloser
Jahrhunderte seinen Bau untergraben. Unsere Hoffnung ist, daß die religiösen
Führer der Welt und ihre Herrscher sich vereint für die Neugestaltung dieses
Zeitalters und die Wiederherstellung seines Besitzes erheben mögen. Lasset sie,
[Seite 17]
nachdem sie über seine Nöte nachgedacht haben, zusammen beratschlagen und
in bedachter und voller Überlegung einer kranken und schwer heimgesuchten
Welt das Heilmittel darreichen, das sie erheischt.... Es geziemt denen, die an
der Macht sind, Mäßigkeit in allen Dingen zu üben. Wer immer die Grenzen der
Mäßigkeit überschreitet, wird aufhören, einen wohltätigen Einfluß zu üben.
Betrachte zum Beispiel solche Dinge wie Freiheit, Zivilisation und dergleichen
mehr. Wie günstig verständige Menschen sie auch immer anschauen mögen, so
werden sie doch, im Übermaß geübt, einen verderblichen Einfluß auf die Menschen
üben ... So Gott will, werden die Völker der Welt als Ergebnis der hohen
Bemühungen ihrer Herrscher und der Weisen und Gelehrten unter den Menschen
dahin geführt werden, ihr wahres Wohl zu erkennen. Wie lange wird die
Menschheit in ihrem Eigensinn verharren? Wie lange wird Ungerechtigkeit
fortbestehen? Wie lange sollen Chaos und Verwirrung unter den Menschen
herrschen? Wie lange wird Uneinigkeit das Antlitz der Gesellschaft zerwühlen?
Die Winde der Verzweiflung blasen, ach, aus jeder Richtung, und der Hader, der
die menschliche Rasse zerspaltet und peinigt, nimmt täglich zu. Die Zeichen
drohender Krämpfe und Zuckungen und eines nahen Chaos sind heute zu erkennen,
wo die herrschende Ordnung bejammernswert unvollkommen erscheint. Ich flehe
zu Gott - erhaben sei Seine Herrlichkeit -, daß er die Völker der Welt gnädig
erwecke, ihnen gewähre, daß das Ende ihres Verhaltens gewinnbringend für sie
sei und ihnen helfe, das zu vollbringen, was ihrer Stufe geziemt.
CXI. O ihr einander bekämpfenden Völker und Geschlechter der Erde! Wendet euer Angesicht der Einheit zu und lasset den Glanz ihres Lichtes auf euch scheinen. Tut euch zusammen und beschließt um der Sache Gottes willen all das auszurotten, was die Quelle des Streites unter euch ist. Alsdann wird der Schimmer der großen Weltleuchte die ganze Erde umhüllen und ihre Bewohner werden die Bürger einer Stadt werden und einen und denselben Thron einnehmen. Dieser Unterdrückte hat seit den frühen Tagen Seines Lebens keinen andern Wunsch als diesen gehegt und wird auch künftig keinen andern Wunsch als diesen nähren. Es steht außer jedem Zweifel, daß die Völker der Welt, welcher Rasse oder Religion sie auch angehören mögen, ihre Eingebung aus einer himmlischen Quelle herleiten und die Geschöpfe eines Gottes sind. Die Verschiedenheit der Ordnungen, in denen sie leben, muß den wechselnden Anforderungen und Bedürfnissen des Zeitalters zugeschrieben werden, in denen sie geoffenbart wurden. Sie alle, außer einigen wenigen, die das Ergebnis menschlicher Verderbtheit sind, wurden von Gott verordnet und sind ein Abglanz Seines Willens und Seiner Absicht. Erhebt euch und, umgürtet mit der Kraft des Glaubens, reißet die Götter eurer eitlen Einbildungen, die Zwietracht unter euch säten, in Stücke. Haltet euch an das, was euch zusammenführt und einigt. Dies, wahrlich, ist das erhabenste Wort, welches das Mutterbuch auf euch herabgesandt und euch geoffenbart hat. Das bezeugt die Zunge der Größe aus ihrer Wohnung der Herrlichkeit.
CXII. Sehet den Aufruhr, welcher die Erde manches lange Jahr hindurch
heimgesucht, und die Bestürzung, die ihre Bewohner ergriffen hat. Sie
ist entweder durch Kriege verwüstet oder von plötzlichen und unvorhergesehenen
Trübsalen gepeinigt worden. Obwohl die Welt in Elend und Qual gehüllt ist,
[Seite 18]
hat dennoch kein Mensch innegehalten und darüber nachgedacht, was die Ursache
hierfür sein könnte. Wann immer der wahre Ratgeber ein Wort der Warnung
äußerte, klagten sie Ihn, ach, alle der Unheilstiftung an und wiesen Seinen
Anspruch zurück. Wie irreführend, wie verwirrend ist ein solches Verhalten! Es
werden sich keine zwei Menschen finden, von denen man sagen könnte, daß sie
äußerlich und innerlich einig wären. Die Zeichen des Zwiespaltes und der Bosheit
sind überall sichtbar, obwohl alle zur Harmonie und Einigkeit erschaffen wurden.
Das große Sein spricht: O ihr Vielgeliebten! Das Zelt der Einigkeit ist
errichtet worden. Betrachtet einander darum nicht als Fremde. Ihr seid die
Früchte eines Baumes und die Blätter eines Zweiges. Wir hegen die Hoffnung,
daß das Licht der Gerechtigkeit über der Welt scheinen und sie von jeder
Tyrannei heiligen möge. Wenn die Herrscher und Könige der Erde, die Sinnbilder
der Macht Gottes - erhaben sei Seine Herrlichkeit — sich erheben und beschließen,
sich dem zu weihen, was immer das höchste Wohl der ganzen Menschheit fördert,
wird das Reich der Herrlichkeit sicherlich unter den Menschenkindern errichtet
werden und der Glanz seines Lichtes die ganze Erde umhüllen. Das große Sein
spricht: Das Gebäude der Beständigkeit und Ordnung der Welt wurde auf den
Zwillingssäulen von Belohnung und Bestrafung aufgebaut und wird weiterhin
von ihnen getragen werden... In einem anderen Abschnitt hat Er geschrieben:
Hüte dich, o Schar der Herrscher dieser Welt! Es gibt keine Kraft auf
Erden, die an sieghafter Macht der Kraft der Gerechtigkeit und Weisheit
gleichkäme ... Gesegnet ist der König, der daherschreitet, das Banner der
Weisheit vor sich entfaltend und die Heere der Gerechtigkeit hinter sich
scharend. Er ist wahrlich der Schmuck, der die Stirne des Friedens und
das Antlitz der Sicherheit ziert. Es steht außer jedem Zweifel, daß das
Angesicht der Erde vollkommen verwandelt würde, wenn die Sonne der
Gerechtigkeit, die von den Wolken der Tyrannei verdunkelt wurde, ihr
Licht über die Menschen ergösse.
CXIII. Bist du dir bewußt, o Minister des Sháh in der Stadt (Konstantinopel), daß Ich in Meiner Gewalt das endgültige Schicksal der Sache Gottes habe? Glaubst du, Meine Gefangenschaft oder die Schmach, die Ich erdulden mußte, oder selbst Mein Tod und Meine gänzliche Vernichtung könnten ihren Lauf verändern? Erbärmlich ist, was du in deinem Herzen ersonnen hast. Du gehörst wahrlich zu jenen, die den bloßen Einbildungen ihres Herzens folgen. Es ist kein Gott außer Ihm. Er hat die Macht, Seine Sache zu offenbaren und Sein Zeugnis zu erhöhen und zu errichten, was immer Sein Wille ist, und es dann zu einer so hervorragenden Stellung zu erheben, daß weder deine Hände noch die Hände derer, die sich von Ihm abgewandt haben, es je berühren und ihm schaden können.
Glaubst du, du habest die Macht, Seinen Willen zu durchkreuzen, Ihn daran
zu hindern, Sein Gericht zu vollziehen und Ihn davon abzuhalten, Seine Herrschaft
zu üben? Stellst du dir vor, daß irgend etwas in den Himmeln oder auf
der Erde Seinem Glauben widerstehen könnte? Nein, bei Ihm, der die Ewige
Wahrheit ist! Nichts, was auch immer es sei in der ganzen Schöpfung, kann
Seine Absicht vereiteln. Wirf daher die bloße Einbildung, der du folgst, von dir,
denn bloße Einbildung kann niemals die Stelle der Wahrheit einnehmen. Zähle
zu denen, die wahrhaft bereuten und zurückkehrten zu Gott, dem Gott, der dich
[Seite 19]
erschaffen, der dich ernährt und zu einem Verwalter gemacht hat unter denen,
die sich zu deinem Glauben bekennen.
Wisse ferner, daß Er es ist, der durch Seinen eigenen Befehl alles erschaffen hat, was in den Himmeln ist, und alles, was auf Erden ist. Wie kann daher das Ding, das auf Sein Geheiß erschaffen wurde, sich über Ihn erheben? Hoch erhaben ist Gott über das, was du dir unter Ihm vorstellst, du Volk der Bosheit! Wenn diese Sache von Gott ist, kann kein Mensch sie besiegen, und wenn sie nicht von Gott ist, werden die Priester unter euch und die, welche ihren lasterhaften Begierden folgen, und solche, die sich gegen Ihn empörten, zweifellos hinreichen, um sie zu überwältigen.
Ist dir nicht bekannt, was ein Mann aus der Familie Pharaos, ein Gläubiger, in alten Zeiten sagte, und was Gott zu Seinem Gesandten sprach, den Er vor allen menschlichen Wesen auserwählte und mit Seiner Botschaft betraute und zur Quelle Seines Erbarmens für alle machte, die auf Erden wohnen? Er sagte und Er wahrlich spricht die Wahrheit -: „Wollt ihr einen Menschen erschlagen, weil er spricht: mein Herr ist Gott, — wenn er schon mit den Beweisen seiner Sendung zu euch kommt? Und wenn er ein Lügner ist, wird seine Lüge auf ihn zurückfallen, wenn er aber ein Mann der Wahrheit ist, wird ein Teil zumindest von dem, was er androht, über euch kommen.“ Das ist es, was Gott Seinem Vielgeliebten in Seinem unfehlbaren Buche geoffenbart hat.
Und dennoch habt ihr versäumt, euer Ohr Seinem Gebot zu neigen, habt Sein Gesetz mißachtet, habt Seinen Rat, wie er in Seinem Buch verzeichnet ist, verworfen und zu denen gezählt, die weit von Ihm abgeirrt sind. Wie viele sind ihrer, die jedes Jahr und jeden Monat um euretwillen zu Tode kamen! Wie mannigfach ist das Unrecht, das ihr begingt, ein Unrecht, wie es das Auge der Schöpfung noch niemals gesehen, wie kein Geschichtsschreiber es jemals verzeichnet hat. Wie zahllos sind die Kinder und Säuglinge, die zu Waisen gemacht wurden, und die Väter, die um eurer Grausamkeit willen ihre Söhne verloren, o ihr Ungerechten! Wie oft ist eine Schwester vor Gram vergangen und hat getrauert um ihren Bruder und wie oft hat ein Weib geklagt um seinen Gatten und einzigen Erhalter!
Eure Schlechtigkeit wuchs und wuchs, bis ihr Ihn erschlugt, der nie Seinen
Blick vom Angesichte Gottes, des Erhabensten, des Größten, entfernt hat. Hättet
ihr Ihn doch getötet, wie Menschen einander zu töten pflegen! Ihr indessen
erschlugt Ihn unter Umständen, wie kein Mensch sie jemals erlebt hat. Der Himmel
hat Ihn tief beklagt, und die Seelen derer, die Gott nahe sind, haben um
Seines Leides willen gejammert. War Er nicht ein Sproß aus dem uralten Haus
eures Propheten? War nicht Sein Ruf als direkter Nachkomme des Gottgesandten
unter euch verbreitet? Warum verhängtet ihr dann über Ihn, was kein
Mensch, wie weit ihr auch immer zurückschauen mögt, je über einen andern
verhängt hat? Bei Gott — das Auge der Schöpfung hat nie euresgleichen gesehen!
Ihr erschlagt Ihn, der ein Sproß aus dem Hause eures Propheten ist, und freut
euch und sitzt mit Wohlbehagen auf euren Ehrenplätzen. Ihr sprecht eure
Verwünschungen gegen die aus, die vor euch waren und begangen haben, was ihr
begangen habt, und bleibt euren Ungeheuerlichkeiten gegenüber vollkommen
achtlos.
[Seite 20]
Seid gerecht in eurem Urteil! Haben sie, die ihr verdammt, auf die ihr Unheil herabbeschwört, anders gehandelt, als ihr es tut? Haben sie nicht den Nachkommen ihres Propheten erschlagen, wie ihr den Nachkommen eures eigenen erschlugt? Ist eure Handlungsweise nicht der ihrigen ähnlich? Aus welchem Grund erhebt ihr dann den Anspruch, anders zu sein als sie, o ihr, die ihr Zwietracht unter den Menschen sät?
Und als ihr Ihm das Leben nahmt, erhob sich einer Seiner Anhänger, um Seinen Tod zu rächen. Die Menschen kannten ihn nicht und der Anschlag, den er ersonnen hatte, wurde von keinem beachtet. Schließlich hat er begangen, was vorausbestimmt war. Es geziemt euch daher für das, was ihr begangen habt, niemand anderen als euch selbst zu tadeln - wenn ihr nur gerecht urteilen würdet. Wer auf der ganzen Erde hat getan, was ihr getan habt? Niemand - bei Ihm, dem Herrn aller Welten!
Alle Herrscher und Könige der Erde ehren und verehren die Nachkommen ihrer Propheten und Heiligen. Könntet ihr es doch erkennen! Ihr aber seid verantwortlich für Taten, wie kein Mensch zu keiner Zeit sie je vollbracht hat. Eure Missetaten haben jedes verständige Herz in Kummer aufgelöst, und dennoch bliebt ihr in eure Nachlässigkeit versunken und habt die Schlechtigkeit eurer Handlungen nicht zu erkennen vermocht.
Ihr verharrtet in eurem Eigensinn, bis ihr euch gegen Uns erhobt, obgleich Wir nichts begangen hatten, was eure Feindseligkeit rechtfertigte. Fürchtet ihr denn Gott nicht, der euch erschaffen und gebildet hat, der euch eure Kraft erlangen ließ und euch mit denen vereinte, die sich Ihm unterwarfen (den Moslems)? Wie lange noch wollt ihr in eurem Eigensinn verharren? Wie lange noch wollt ihr euch weigern, nachzudenken? Wie lange soll es noch dauern, bis ihr euren Schlaf abschüttelt und ihr aus eurer Nachlässigkeit erwacht? Wie lange noch wollt ihr die Wahrheit mißachten?
Denket im Herzen darüber nach. Habt ihr durch euer Verhalten und die Dinge, die eure Hände getan haben, das Feuer Gottes zum Erlöschen bringen und das Licht Seiner Offenbarung auslöschen können - ein Licht, das mit seinem Glanz diejenigen umhüllt hat, die im wogenden Meer der Unsterblichkeit untergetaucht sind, und das die Seelen solcher angezogen hat, die wahrhaft an Seine Einheit glauben und dieselbe hochhalten? Wißt ihr nicht, daß die Hand Gottes über euren Händen ist, daß Sein unwiderruflicher Befehl all euer Sinnen übersteigt, daß Er erhaben ist über Seine Diener, daß Er und Seine Absicht das gleiche sind, daß Er tut, was Er wünscht, daß Er nicht befragt werden soll um das, was immer Er will, daß Er verordnet, was Ihm gefällt, daß Er der Machtvollste ist, der Allmächtige? Wenn ihr glaubt, dieses sei die Wahrheit, warum wollt ihr dann nicht aufhören, Unruhe zu stiften? Warum wollt ihr nicht in Frieden mit euch selber sein?
Ihr begeht jeden Tag eine neue Ungerechtigkeit und behandelt Mich, wie ihr
Mich in vergangenen Zeitaltern behandelt habt, obschon Ich niemals versuchte,
Mich in eure Angelegenheiten zu mischen. Zu keiner Zeit habe Ich Mich euch
widersetzt noch Mich gegen eure Gesetze aufgelehnt. Sehet, wie ihr Mich
schließlich zum Gefangenen in diesem entlegenen Land gemacht habt! Wisset,
wahrlich, daß all das, was eure Hände oder die Hände der Ungläubigen getan haben,
[Seite 21]
niemals — wie es auch vor alters nie geschah - die Sache Gottes ändern und Seine
Wege abwandeln wird.
Achte auf Meine Warnung, o Volk Persiens! Wenn Ich durch deine Hand getötet werde, wird Gott gewiß einen anderen erwecken, der den durch Meinen Tod freigewordenen Platz ausfüllen wird, denn so hat Gott seit altersher gehandelt, und ihr werdet in Gottes Art zu walten keinen Wandel finden. Versuchst du, das Licht Gottes, das auf Seine Erde scheint, zu löschen? Gott ist dem abhold, was du begehrst. Er wird Sein Licht zum Leuchten bringen, wenn du es auch in der Verborgenheit deines Herzens verabscheust.
Halte ein Weilchen inne und denke nach, o Minister, und sei gerecht in deinem Urteil. Was haben Wir begangen, das dir ein Recht gegeben hätte, Uns bei den Ministern des Königs zu schmähen, deiner Lust zu folgen, die Wahrheit zu verdrehen und deine Verleumdungen gegen Uns auszusprechen? Wir sind einander nie begegnet außer damals, da Ich dich in deines Vaters Hause traf in jenen Tagen, als das Gedächtnis des Märtyrertodes des Imám Husayn gefeiert wurde. Bei diesem Anlaß hatte niemand eine Möglichkeit, andere durch Unterhaltung oder Rede mit seinen Ansichten und seiner Meinung bekannt zu machen. Du wirst die Wahrheit Meiner Worte bezeugen, wenn du zu den Wahrhaftigen gehörst. Ich habe auch sonst keine Versammlungen besucht, in denen du Meine Gesinnung hättest erfahren können oder in denen irgend ein anderer dies vermocht hätte. Warum fälltest du dann deinen Spruch gegen Mich, wo du doch Mein Zeugnis nicht von Meinen eigenen Lippen hörtest? Hast du nicht gehört, was Gott — erhaben sei Seine Herrlichkeit - gesprochen hat?: „Sag nicht zu jedem, der dir mit einem Gruß begegnet, ‚Du bist kein Gläubiger.“ „Verstoße jene nicht, die am Morgen und am Abend zu ihrem Herrn rufen und Ihn anflehen, Sein Antlitz schauen zu dürfen.“ Du hast wahrlich vergessen, was das Buch Gottes vorschreibt, und hältst dich selber für einen Gläubigen!
Trotz allem, was du tatest, hege Ich — Gott ist Mein Zeuge — keinen Groll gegen dich, noch gegen irgend jemand sonst, obwohl du und andere Uns so schweren Schaden zufügen, wie keiner, der an die Einheit Gottes glaubt, ihn tragen kann. Meine Sache ist in keines andern Hand als in Gottes Hand, und Ich vertraue keinem außer Ihm. Binnen kurzem werden eure Tage dahingehen, wie die Tage jener dahingehen, die sich jetzt in offensichtlichem Stolz vor ihrem Nächsten brüsten. Bald werdet ihr in der Gegenwart Gottes versammelt und nach euren Taten befragt werden, und es wird euch vergolten werden für das, was eure Hände getan haben, und elend ist die Wohnstatt der Bösen.
Bei Gott, würdest du erkennen, was du tatest, du würdest wahrlich tief über
dich wehklagen und würdest schutzsuchend zu Gott fliehen und vor Gram vergehen
und trauern all die Tage deines Lebens, bis Gott dir vergeben haben würde, denn
Er, wahrlich, ist der Großmütigste, der Allgütige. Du aber wirst bis
zur Stunde deines Todes in deiner Nachlässigkeit verharren, denn du hast dich
aus ganzem Herzen, aus deiner Seele und deinem innersten Sein heraus mit den
Nichtigkeiten der Welt befaßt. Du wirst nach deinem Hinscheiden entdecken,
was Wir dir geoffenbart haben, und wirst alle deine Handlungen in dem Buche
aufgezeichnet finden, in dem die Taten aller, die auf Erden wohnen, sei ihr
Gewicht nun größer oder geringer als das eines Atoms, verzeichnet sind. Achte
[Seite 22]
daher auf Meinen Rat und lausche mit hörendem Herzen Meiner Rede und sei
nicht unbekümmert um Meine Worte und zähle nicht zu denen, die Meine Wahrheit
verwerfen. Rühme dich nicht dessen, was dir gegeben wurde. Halte dir vor
Augen, was im Buche Gottes, des Helfers in Gefahr, des Allherrlichen,
geoffenbart wurde: „Und als sie ihre Warnungen vergessen hatten, öffneten Wir
ihnen die Tore zu allen Dingen“, wie Wir dir und deinesgleichen die Tore zu
dieser Welt und ihrem Schmucke öffneten. Darum warte auf das, was im letzten Teil
dieses heiligen Verses verheißen wurde, denn dies ist eine Verheißung von Ihm,
der der Allmächtige, der Allweise ist - eine Verheißung, die sich nicht als unwahr
erweisen wird.
Ich kenne den Weg nicht, den ihr erwählt habt und beschreitet, o Versammlung der Mir übel Wollenden! Wir laden euch vor Gott, Wir erinnern euch an Seinen Tag, Wir verkünden euch die Botschaften eurer Wiedervereinigung mit Ihm, Wir ziehen euch nahe an Seinen Hof und senden Gaben Seiner wunderbaren Weisheit auf euch nieder, und dennoch, siehe, wie ihr Uns verwerft, wie ihr Uns durch das, was eure Lügenmäuler geäußert haben, wie einen Ungläubigen verdammt, wie ihr eure Anschläge auf Uns ausheckt. Und wenn Wir euch dartun, was Gott Uns in Seiner freigebigen Gewogenheit verliehen hat, so sagt ihr: „Das ist einfach Zauberei!“ Die gleichen Worte sprachen die Geschlechter, die vor euch waren, und die waren, was ihr seid. Wenn ihr es doch wahrnähmet! Ihr habt euch dadurch der Freigebigkeit Gottes und Seiner Gnade beraubt und werdet sie niemals erlangen bis zu dem Tage, da Gott zwischen Uns und euch gerichtet haben wird; und Er, wahrlich, ist der beste der Richter.
Einige unter euch haben gesagt: „Er ist es, der beansprucht hat, Gott zu sein.“ Bei Gott! Das ist eine grobe Verleumdung. Ich bin nur ein Diener Gottes, der an Ihn und Seine Zeichen geglaubt hat, an Seine Propheten und an Seine Engel. Meine Zunge und Mein Herz und Mein inneres und Mein äußeres Sein bezeugen, daß kein Gott außer Ihm ist, daß alle andern auf Seinen Befehl erschaffen und durch das Wirken Seines Willens gebildet wurden. Es ist kein Gott außer Ihm, dem Schöpfer, dem Erwecker der Toten, dem Belebenden, dem Schlagenden. Ich bin Der, Der weithin von den Gunstbeweisen spricht, mit denen Gott in Seiner Güte Mich begünstigt hat. Wenn dieses Meine Übertretung ist, dann bin Ich wahrlich der erste der Übertreter. Ich und Meine Verwandtschaft sind eurer Gnade ausgeliefert. Tut, wie es euch gefällt, und zählt nicht zu denen, die zögern, damit Ich zu Gott, Meinem Herrn, zurückkehren und den Ort erreichen möge, an dem Ich euer Antlitz nicht mehr schauen kann. Das ist in der Tat Mein größter Wunsch, Meine heißeste Sehnsucht. Gott ist wahrlich über Meinen Zustand hinreichend unterrichtet und ist wachsam.
Denke daran, daß du vor dem Blicke Gottes stehst, o Minister! Wenn du Ihn
auch nicht siehst, wahrlich, so sieht Er dich deutlich. Beobachte und richte
Unsere Sache gerecht. Was haben Wir begangen, das dich veranlaßt haben
könnte, dich gegen Uns zu erheben und Uns bei den Menschen zu schmähen?
Zähltest du doch zu denen, die gerecht sind! Wir verließen Tihrán auf Befehl
des Königs und mit seiner Erlaubnis verlegten Wir Unsern Wohnsitz nach
dem ‘Iráq. Wenn Ich Mich gegen ihn vergangen habe, warum gab er Mich dann
wieder frei? Und wenn Ich des Vergehens nicht schuldig war, warum peinigtet
[Seite 23]
ihr Uns dann mit Leiden, wie niemand unter denen, die sich zu eurem Glauben
bekennen, sie erduldet hat? War irgend eine Meiner Handlungen nach Meiner
Ankunft im ‘Iráq solcherart, daß sie die Autorität der Regierung untergraben
hätte? Von wem kann gesagt werden, daß er in Unserem Verhalten irgend etwas
Tadelnswertes entdeckt habe? Frage selbst seine Bewohner danach, damit du
unter denen seiest, die die Wahrheit erkennen.
Elf Jahre lang lebten Wir in jenem Land, bis zu der Ankunft des Gesandten, der deine Regierung vertrat und dessen Namen zu erwähnen Unsere Feder nicht geneigt ist, der dem Wein ergeben war, seinen Lüsten folgte, Schlechtigkeiten beging, der bestochen war und den ‘Iráq bestach. Die meisten unter den Einwohnern von Baghdád würden dir das bezeugen, wenn du sie danach fragtest und du zu denen gehörtest, die die Wahrheit suchen. Er war es, der unrechtmäßig das Gut seiner Mitmenschen an sich nahm, der alle Gebote Gottes verließ und alles tat, was Gott verboten hat. Schließlich erhob er sich, seinen Begierden folgend, gegen Uns und wandelte auf den Wegen der Ungerechten. Er klagte Uns in seinem Briefe an dich an und du glaubtest ihm und folgtest seinem Wege, ohne irgend einen Beweisgrund oder klare Beweismittel von ihm zu verlangen. Du fragtest nach keiner Erklärung, noch versuchtest du, die Angelegenheit zu erforschen, geschweige denn zu prüfen, damit die Wahrheit von der Lüge in deinen Augen unterschieden werde und du zu klarer Einsicht gelangtest. Frage jene Minister, die zu der Zeit im ‘Iráq waren, sowie den Gouverneur der Stadt (Baghdád) und ihren hohen Rat und finde selbst heraus, was für ein Mensch er war, damit dir die Wahrheit geoffenbart werde, und du zu den Wohlunterrichteten zählest.
Gott ist Unser Zeuge! Wir haben unter keinen Umständen weder ihm noch anderen Widerstand geleistet. Wir haben unter allen Bedingungen die Gebote Gottes beobachtet und waren niemals unter denen, die Unheil stifteten. Das bezeugt er selbst. Seine Absicht war, Uns zu erfassen und uns nach Persien zurückzuschicken, um dadurch seinen Ruf und sein Ansehen zu vergrößern. Du hast dasselbe Verbrechen begangen und aus genau dem gleichen Grunde. Ihr steht in den Augen Gottes, des höchsten Herrn von allem, des Allwissenden, auf gleicher Stufe.
Es ist nicht Unsere Absicht, diese Worte an dich zu richten, um die Bürde Unseres Elends zu erleichtern, noch um dich zu veranlassen, irgend jemanden um Fürsprache für Uns zu bitten. Nein, bei Ihm, dem Herrn aller Welten! Wir haben die ganze Angelegenheit vor dich gebracht, damit du, falls du vielleicht erkennen solltest, was du getan hast, davon absiehst, anderen das Leid zuzufügen, das du Uns zufügtest, und zu denen zählest, die wirklich vor Gott bereuten, der dich und alle Dinge erschuf, und damit du in Zukunft einsichtig handelst. Das wäre besser für dich als alles, was du besitzest, besser als dein Ministeramt, dessen Tage gezählt sind.
Hüte dich, daß du nicht dazu verleitet werdest, Ungerechtigkeiten zu übersehen.
Richte dein Herz fest auf die Gerechtigkeit und wandle die Sache Gottes
nicht ab und zähle du zu denen, deren Augen auf das gerichtet sind, was in
Seinem Buch geoffenbart wurde. Folge unter keiner Bedingung den Eingebungen
deiner üblen Wünsche. Befolge das Gesetz Gottes, deines Herrn, des
[Seite 24]
Wohltätigen, des Urewigen. Du wirst gewiß zum Staube zurückkehren und wirst
vergehen, wie alle Dinge, an denen du Freude hast. Dies ist, was die Zunge der
Wahrheit und Herrlichkeit gesprochen hat.
Gedenkest du nicht der Warnung Gottes, die Er in vergangenen Zeiten ergehen ließ?, o daß du zu denen gehörest, die Seiner Warnung achten! Er sagte - und Er wahrlich spricht die Wahrheit -: „Aus ihr (der Erde) haben Wir euch erschaffen und zu ihr werden Wir euch wieder machen, und aus ihr werden Wir euch ein zweites Mal hervorbringen.“ Das ist, was Gott allen, die auf Erden wohnen, hoch und niedrig, verordnet hat. Dem, der aus Staub erschaffen wurde, der zu ihm zurückkehren und wieder aus ihm hervorgebracht werden wird, geziemt es daher nicht, sich stolz vor Gott und Seinen Geliebten zu brüsten, sie hochmütig zu verspotten und voll Verachtung und Anmaßung zu sein. Nein, vielmehr geziemt es dir und denen, die so sind wie du, euch jenen zu unterwerfen, die die Manifestationen der Einheit Gottes sind, und euch demütig vor den Gläubigen zu beugen, die um Gottes willen allem entsagten und die sich von den Dingen lösten, welche die Aufmerksamkeit der Menschen an sich ziehen und dieselben ablenken vom Pfade Gottes, des Allherrlichen, des Allgepriesenen. Darum senden Wir auf euch hernieder, was euch fördern soll und was sie fördern soll, die ihre ganze Zuversicht und ihr Vertrauen in ihren Herrn gesetzt haben.
CXIV. Lausche, o König (Sultán ‘Abdul’l-‘Azíz), der Rede Dessen, der die Wahrheit spricht, Dessen, der nicht von dir verlangt, daß du Ihn entlohnest mit dem, was Gott dir zu schenken beliebte, Dessen, der unbeirrbar auf dem geraden Pfade wandelt. Er ist es, Der dich vor Gott, deinen Herrn, lädt, dich auf die rechte Bahn verweist, auf den Weg, der zu wirklichem Glück führt, damit du vielleicht zu denen gehörest, die wohlgelitten sind.
Hüte dich, o König, daß du nicht solche Minister um dich sammelst, die dem Verlangen einer bösen Neigung folgen, die fortgeworfen haben, was ihren Händen anvertraut war, und offenkundig das ihnen geschenkte Vertrauen verraten haben. Sei freigebig gegen andere, wie Gott freigebig gegen dich war, und überlaß das Wohl deines Volkes nicht der Gnade von Ministern wie diese. Lege die Gottesfurcht nicht beiseite und zähle zu denen, die rechtschaffen handeln. Sammle Minister um dich, bei denen du den Wohlgeruch des Glaubens und der Gerechtigkeit verspürst, und pflege Rat mit ihnen und wähle immer, was in deinen Augen das beste ist, und sei unter denen, die edelmütig handeln.
Wisse wahrlich, daß, wer nicht an Gott glaubt, weder vertrauenswürdig noch wahrhaftig ist. Das ist in der Tat die Wahrheit, die unbestrittene Wahrheit. Wer treulos an Gott handelt, wird auch treulos an seinem König handeln. Nichts kann einen solchen Menschen vom Bösen abhalten, nichts kann ihn daran hindern, seinen Nächsten zu verraten, nichts kann ihn bestimmen, aufrecht zu wandeln.
Hüte dich, daß du die Zügel der Angelegenheiten deines Staates nicht den
Händen anderer überlassest, und laß dein Vertrauen nicht auf Ministern ruhen,
die deines Vertrauens unwürdig sind, und zähle nicht zu denen, die in
Nachlässigkeit dahinleben. Weiche denen aus, deren Herzen dir abgewandt sind, und
setze dein Vertrauen nicht in sie und vertraue ihnen deine Angelegenheiten und
[Seite 25]
die Angelegenheiten derer nicht an, die sich zu deinem Glauben bekennen. Hüte
dich, daß du dem Wolf nicht gestattest, der Hirte der Herde Gottes zu werden,
und überlasse das Schicksal Seiner Geliebten nicht der Gnade der Bösen. Erwarte
nicht, daß die, welche die Gesetze Gottes übertreten, vertrauenswürdig und
aufrichtig in dem Glauben sein werden, zu dem sie sich bekennen. Meide sie und
wache streng über dich selber, damit ihre Listen und ihr Übelwollen dir nicht
schaden. Wende dich von ihnen ab und richte deinen Blick auf Gott, deinen
Herrn, den Allherrlichen, den Freigebigsten. Gott wird wahrlich mit dem sein,
der sich Ihm ganz hingibt, und denjenigen, der sein ganzes Vertrauen in Gott
setzt, wird Gott gewißlich behüten vor allem, was ihm schaden könnte, und ihn
vor der Schlechtigkeit jedes üblen Ränkeschmieds beschirmen.
Solltest du dein Ohr Meiner Rede neigen und Meinen Rat befolgen, so würde Gott dich zu einer so hohen Stellung erheben, daß auf der ganzen Erde keines Menschen Anschlag dich jemals erreichen und schädigen könnte. Folge, o König, mit deinem innersten Herzen und deinem ganzen Sein den Geboten Gottes und wandle nicht auf den Wegen des Unterdrückers. Ergreife die Zügel der Angelegenheiten deines Volkes und halte sie sicher in der Hand deiner Macht und prüfe in eigener Gestalt was immer es angeht. Laß nichts dir entgehen, denn darin liegt das höchste Gut.
Danke Gott, daß Er dich von der ganzen Welt erwählte und dich zum König über die gemacht hat, die deinen Glauben bekennen. Es geziemt dir wohl, die wunderbaren Gunstbeweise zu würdigen, mit denen Gott dich bevorzugt hat, und fortwährend Seinen Namen zu erhöhen. Du kannst Ihn am besten verherrlichen, wenn du Seine Geliebten liebst und Seine Diener vor dem Übelwollen der Treulosen schirmst und schützest, damit niemand sie länger unterdrücke. Du solltest dich ferner erheben, um das Gesetz Gottes unter ihnen zu errichten, auf daß du zu denen zählest, die sicher in Seinem Gesetz stehen.
Solltest du Ströme der Gerechtigkeit mit ihren Wassern deine Untertanen umfluten lassen, so würde Gott dir gewißlich mit den Heerscharen des Unsichtbaren und des Sichtbaren helfen und dich in deinen Angelegenheiten stärken. Kein Gott ist da außer Ihm. Die ganze Schöpfung und ihr Reich sind Sein. Zu Ihm kehren die Werke der Gläubigen zurück.
Verlaß dich nicht auf deine Schätze. Setze dein ganzes Vertrauen in die Gnade Gottes, deines Herrn. Laß Ihn deine Zuversicht sein in allem, was du tust, und zähle zu denen, die sich in Seinen Willen ergeben haben. Lasse Ihn deinen Helfer sein und dich bereichern mit Seinen Schätzen, denn bei Ihm sind die Schatzkammern der Himmel und der Erde. Er schenkt sie, wem Er will, und vorenthält sie, wem Er will. Es ist kein Gott außer Ihm, dem Allbesitzenden, dem Allgepriesenen. Alle sind nur Almosenempfänger am Tor Seines Erbarmens. Alle sind hilflos vor der Offenbarung Seiner Herrschaft und flehen um die Beweise Seiner Gunst.
Überschreite die Grenzen der Mäßigung nicht und verfahre gerecht mit denen,
die dir dienen. Spende ihnen ihren Nöten entsprechend und nicht in einem Ausmaß,
das sie befähigt, Reichtümer für sich anzuhäufen, ihr Äußeres zu schmücken, ihr
Heim zu verschönern, Dinge zu erwerben, die von keinerlei Nutzen für
sie sind, und daß sie zu den Verschwendern zählen. Handle an ihnen mit
[Seite 26]
unwandelbarer Gerechtigkeit, so daß keiner unter ihnen weder Mangel leide noch
durch Überfluß übersättigt werde. Das ist nur offenbare Gerechtigkeit.
Gestatte den Verworfenen nicht, über die Edlen und Ehrenwerten zu herrschen und sie zu beherrschen, und lasse es nicht zu, daß die Hochgesinnten der Gnade der Gemeinen und Nichtswürdigen ausgeliefert werden, — denn das ist es, was Wir bei Unserer Ankunft in der Stadt (Konstantinopel) beobachtet haben, und das bezeugen Wir. Wir fanden unter ihren Bewohnern einige, die Vermögen im Überfluß besaßen und inmitten eines übermäßigen Reichtums lebten, während andere sich in bitterer Not und niederster Armut befanden. Das geziemt deiner Herrschaft nicht und ist deines Ranges unwürdig.
Lasse dir Meinen Rat angenehm sein und strebe danach, unparteiisch unter den Menschen zu herrschen, damit Gott deinen Namen erhöhe und den Ruf deiner Gerechtigkeit in aller Welt verbreite. Hüte dich, daß du deine Minister nicht groß werden lässest auf Kosten deiner Untertanen. Fürchte die Seufzer der Armen und der Aufrechten im Herzen, die bei jedem Tagesanbruch ihre Lage beklagen, und sei ihnen ein liebreicher Herrscher. Sie, wahrlich, sind deine Schätze auf Erden. Es geziemt dir daher, deine Schätze vor den Angriffen derer zu bewahren, die danach trachten, dich zu berauben. Untersuche eingehend ihre Angelegenheiten und erforsche jedes Jahr, nein, jeden Monat, ihre Lage und zähle nicht zu denen, die ihrer Pflicht nicht achten.
Halte dir Gottes nie irrende Waage vor Augen und wäge wie einer, der in Seiner Gegenwart steht, deine Handlungen jeden Tag, jeden Augenblick deines Lebens auf dieser Waage ab. Ziehe dich selbst zur Verantwortung, ehe du zur Rechenschaft gezogen wirst an dem Tag, da kein Mensch die Kraft haben wird still zu stehen, aus Furcht vor Gott, - an dem Tag, da die Herzen der Achtlosen erzittern werden.
Es geziemt jedem König, so freigebig zu sein wie die Sonne, die das Wachstum aller Wesen fördert und jedem seinen Anteil gibt, deren Wohltaten ihr nicht innewohnen, sondern die von Ihm bestimmt sind, dem Machtvollsten, dem Allmächtigen. Der König sollte so freispendend, so großzügig in seinem Erbarmen sein, wie die Wolken, deren Schauer der Freigebigkeit sich über jedes Land auf Befehl Dessen ergießen, welcher der Höchste Verordner, der Allwissende ist.
Sieh dich vor, daß du deine Staatsangelegenheiten nicht völlig den Händen anderer anvertrauest. Niemand kann deine Amtstätigkeit besser ausüben als du selbst. Deshalb erklären Wir dir Unsere Worte der Weisheit und senden auf dich hernieder, was dich befähigen kann, von der linken Hand der Unterdrückung in die rechte Hand der Gerechtigkeit hinüberzuwechseln und dich dem leuchtenden Meer Seiner Gunst zu nähern. Das ist der Weg, den die Könige, die vor dir waren, gegangen sind, diejenigen, die gerecht an ihren Untertanen gehandelt haben und auf den Pfaden unwandelbarer Gerechtigkeit gewandelt sind.
Du bist Gottes Schatten auf Erden. Strebe daher danach, in einer Weise zu
handeln, wie es einer so hervorragenden, einer so erhabenen Stufe zukommt.
Wenn du davon abstehst, das zu befolgen, was Wir auf dich herabkommen ließen
und dich lehrten, wirst du dir wahrlich an jener großen und unschätzbaren
Ehre Schaden tun. Kehre daher um und halte dich völlig an Gott und reinige
dein Herz von der Welt und allen ihren Nichtigkeiten und dulde es nicht, daß
[Seite 27]
die Liebe irgendeines Fremdlings hineinkomme und darin wohne. Ehe du dein
Herz nicht von jeglicher Spur einer solchen Liebe läuterst, kann der Glanz des
Lichtes Gottes seinen Strahlenschimmer nicht über es ausgießen, denn niemandem
hat Gott mehr als ein Herz gegeben. Das, wahrlich, wurde angeordnet und
niedergeschrieben in Seinem uralten Buch. Und da das menschliche Herz, wie
es von Gott gebildet wurde, eines und unteilbar ist, geziemt es dir, dich
vorzusehen, damit seine Zuneigung auch eine und unteilbar sei. Halte dich darum mit
der ganzen Zuneigung deines Herzens an Seine Liebe und ziehe es zurück von
der Liebe irgendeines anderen außer Ihm, damit Er dir helfe, dich in das Meer
Seiner Einigkeit zu versenken, und dich befähige, eine wahre Stütze Seiner
Einheit zu werden. Gott ist Mein Zeuge — Ich offenbarte dir diese Worte in der
einzigen Absicht, dich von den vergänglichen Dingen der Erde zu heiligen und dir
zu helfen, das Reich ewigwährender Herrlichkeit zu betreten, auf daß du mit
der Erlaubnis Gottes unter denen seiest, die darin bleiben und herrschen.
Ich schwöre bei Gott, o König, es ist nicht Mein Wunsch, Meine Klage bei dir gegen die, die Mich verfolgen, zu erheben. Ich trage Meinen Schmerz und Meinen Gram nur Gott vor, der Mich und sie erschaffen hat, der Unsere Lage wohl kennt und der über allen Dingen wacht. Mein Wunsch ist, sie vor den Folgen ihrer Taten zu warnen, damit sie vielleicht davon abstehen, andere zu behandeln, wie sie Mich behandelt haben, und sie zu denen gehören, die auf Meine Warnung achten.
Die Heimsuchungen, die Uns ergriffen haben, die Entbehrungen, die Wir erleiden, die mannigfachen Übel, von denen Wir umgeben sind, werden alle vorübergehen, wie die Freuden vorübergehen werden, mit denen sie sich ergötzen, und der Überfluß, den sie genießen. Das ist die Wahrheit, die kein Mensch auf Erden verwerfen kann. Die Tage, da Wir gezwungen waren, im Staube zu leben, werden bald zu Ende sein, wie die Tage, da sie die Ehrenplätze einnahmen. Gott wird wahrlich mit Genauigkeit zwischen Uns und ihnen richten, und Er ist wirklich der beste der Richter.
Wir danken Gott für alles, was Uns befallen hat, und Wir ertragen geduldig, was Er in der Vergangenheit verordnete oder in Zukunft verordnen wird. In Ihn habe Ich Meine Zuversicht gesetzt, und in Seine Hände habe Ich Meine Sache befohlen. Er wird wahrlich alle belohnen, die in Geduld ausharren und ihr Vertrauen in Ihn setzen. Sein ist die Schöpfung und ihr Reich. Er erhebt, wen Er will, und Er erniedrigt, wen Er will. Er soll nicht nach Seinem Tun befragt werden. Er, wahrlich, ist der Allherrliche, der Allmächtige.
Lasse dein Ohr, o König, auf die Worte merken, die Wir an dich gerichtet
haben. Heiße den Unterdrücker von seiner Tyrannei ablassen und sondere die,
welche Ungerechtigkeiten begehen, von denen ab, die deinen Glauben bekennen.
Bei der Gerechtigkeit Gottes — die Heimsuchungen, die Wir erlitten haben,
sind solche, daß keine Feder, die sie wiedergibt, anders als von Schmerz
überwältigt sein kann. Keiner von denen, die wirklich glauben und die Einheit Gottes
aufrechterhalten, kann die Last ihres Berichtes ertragen. So groß waren Unsere
Leiden, daß selbst die Augen Unserer Feinde und darüber hinaus die eines jeden
scharfsinnigen Menschen über Uns geweint haben. Und allen diesen Prüfungen
sind Wir unterworfen worden trotz Unserer Schritte dir nahezukommen, und
[Seite 28]
obwohl Wir dem Volke befahlen, in deinen Schatten zu treten, auf daß du ein
Bollwerk für die werdest, die an die Einheit Gottes glauben und sie hochhalten.
Habe Ich, o König, dir jemals nicht gehorcht? Habe Ich zu irgendeiner Zeit irgendeines deiner Gesetze übertreten? Kann irgendeiner deiner Minister, die dich im ‘Iráq vertraten, einen Beweis erbringen, der Meine Untreue gegen dich feststellen könnte? Nein, bei Ihm, dem Herrn aller Welten! Auch nicht einen kurzen Augenblick lang lehnten Wir Uns gegen dich auf oder gegen irgendeinen deiner Minister. Niemals, so Gott will, werden Wir Uns gegen dich empören, obgleich Wir schwereren Prüfungen ausgesetzt sind, als Wir sie jemals in der Vergangenheit erlitten haben.
Am Tag und in der Nacht, am Abend und am Morgen beten Wir zu Gott um deinetwillen, damit Er dir gnädig helfe, Ihm zu gehorchen und Seine Gebote zu halten, damit Er dich schirme vor der Menge der Bösen. Tue daher, wie es dir gefällt, und behandle Uns, wie es deiner Stufe ansteht und deiner Herrschaft geziemt. Vergiß das Gesetz Gottes nicht bei allem, was immer du jetzt oder in kommenden Tagen zu vollbringen wünschest. Sprich: Preis sei Gott, dem Herrn aller Welten!
CXV. Die Feder der Offenbarung, o Dhabíh, hat in den meisten der göttlich geoffenbarten Sendschreiben diese Worte verzeichnet: Wir haben alle Geliebten Gottes ermahnt, sich zu hüten, damit der Saum Unseres heiligen Gewandes nicht vom Kot gesetzeswidriger Taten beschmiert und vom Staub tadelnswerten Benehmens beschmutzt werde. Wir haben sie außerdem ermahnt, ihren Blick auf all das zu richten, was in Unseren Sendschreiben geoffenbart worden ist. Hätte ihr inneres Ohr auf die göttlichen Ratschläge geachtet, die aus der Morgendämmerung der Feder des Allbarmherzigen hervorbrachen, und hätte es auf Seine Stimme gehört, so würden die meisten Menschen auf Erden heute mit dem Schmucke Seiner Führung geziert sein. Was vorherbestimmt war, hat sich indessen ereignet.
Wieder einmal offenbart die Zunge des Urewigen, in diesem Größten Gefängnis gefangen, jene Worte, die auf dieser schneeweißen Pergamentrolle verzeichnet sind: O ihr Geliebten des einen wahren Gottes! Tretet über die enge Begrenztheit eurer bösen und verdorbenen Wünsche hinaus und schreitet voran in die weite Unendlichkeit des Reiches Gottes und verweilt auf den Auen der Heiligkeit und Loslösung, damit der Wohlgeruch eurer Taten die ganze Menschheit zu dem Weltmeer von Gottes nieverblassender Herrlichkeit geleite. Stehet davon ab, euch mit den Angelegenheiten dieser Welt und allem, was dazugehört, zu befassen, oder euch in die Tätigkeit jener zu mischen, die ihre äußeren Führer sind.
(Fortsetzung folgt)
DER VERHEISSENE TAG IST GEKOMMEN[Bearbeiten]
Von Shoghi Effendi
(Fortsetzung)
Dieses große Unheil der Vergeltung, wofür die höchsten Führer der Welt,
weltliche sowohl wie geistliche, wie von Bahá’u’lláh bezeugt, in erster
Linie verantwortlich sind, sollte nicht, wenn wir es richtig einschätzen wollen,
einzig als eine Bestrafung betrachtet werden, die Gott einer Welt zuerteilt,
die hundert Jahre lang auf ihrer Weigerung, die Wahrheit der ihr durch
den höchsten Gottgesandten an diesem Tage zugetragenen Erlösungsbotschaft
anzunehmen, beharrt hat. Es sollte auch, wenn freilich nur in zweiter Linie,
im Lichte einer Vergeltung für die Verdorbenheit des Menschengeschlechtes im
allgemeinen angesehen werden, dafür, daß es sich abtreiben ließ von
jenen Grundsätzen, die allezeit allein Leben und Fortschritt der Menschheit
beherrschen müssen und schützen können. Die Menschheit hat es leider mit
wachsendem Beharren vorgezogen, anstatt den Geist Gottes, wie Er in Seiner
Religion an diesem Tage verkörpert ist, zu erkennen und anzubeten, jene
falschen Götzenbilder, Unwahrheiten und Halbwahrheiten zu verehren, die
ihre Religionen verdunkeln, ihr geistiges Leben verderben, ihre politischen
Einrichtungen erschüttern, ihr soziales Gewebe zernagen und ihren
wirtschaftlichen Bau zerrütten.
Die Völker der Erde haben einen Glauben, welcher zugleich das Wesen, die Verheißung, der Versöhner und der Einiger aller Religionen ist, nicht nur übersehen und - einige von ihnen — sogar angegriffen, sondern sie sind von ihren eigenen Religionen abgeirrt und haben auf ihre umgestürzten Altäre andere Götter gesetzt, die nicht nur dem Geiste, sondern auch den überlieferten Formen ihres alten Glaubens völlig fremd sind.
„Das Antlitz der Welt“, so klagt Bahá’u’lláh, „hat sich verändert. Der Weg Gottes und die Religion Gottes haben aufgehört, in den Augen der Menschen noch irgend einen Wert zu haben.“ „Die Lebenskraft des Menschenglaubens an Gott“, so hat er ebenfalls geschrieben, „liegt in jedem Lande im Sterben. ... Das Nagen der Gottlosigkeit frißt sich in die edlen Teile der menschlichen Gesellschaft ein.“ „Religion“, so bekräftigt Er, „ist wahrlich das Hauptwerkzeug zur Errichtung von Ordnung in der Welt und von Ruhe unter den Völkern... Je größer der Niedergang der Religion, um so schlimmer ist der Eigensinn der Gottlosen. Dies kann am Ende nur zu Chaos und Verwirrung führen.“ Und wiederum: „Religion ist ein strahlendes Licht und ein uneinnehmbares Bollwerk für Schutz und Wohlfahrt der Völker der Welt.“ „Da der Körper des Menschen“, hat Er in einem anderen Zusammenhang geschrieben, „ein Gewand benötigt, sich zu bekleiden, so muß der Körper der Menschheit notwendigerweise mit dem Mantel der Gerechtigkeit und Weisheit geschmückt werden. Sein Kleid ist die ihm von Gott gewährte Offenbarung.“
... Die so ungesunden, so verderblichen Theorien und Methoden, die
den Staat vergöttern und die Nation über die Menschheit erheben, welche
die Schwesterrassen auf der Welt einer einzigen Rasse unterzuordnen suchen,
welche nach Schwarz und Weiß absondern und welche das Übergewicht
einer bevorzugten Rasse über alle anderen zulassen, das sind die finsteren,
[Seite 30]
falschen, verschrobenen Lehrsätze, für welche jeder Mensch oder jedes Volk,
das an sie glaubt oder nach ihnen handelt, früher oder später den Zorn und
die Züchtigung Gottes sich zuziehen muß.
„Bewegungen“, ist die von 'Abdu'l-Bahá erklungene Warnung, „neuerdings geboren und weltumfassend in ihrem Bereich, werden ihre äußersten Anstrengungen für den Fortschritt ihrer Pläne machen. Die Bewegung der Linken wird große Bedeutung gewinnen. Ihr Einfluß wird sich ausbreiten.“
Im krassen Unterschied zu diesen kriegserzeugenden, welterschütternden Lehrsätzen und unversöhnlich ihnen entgegengesetzt stehen die heilenden, rettenden, inhaltschweren, von Bahá’u’lláh, dem göttlichen Organisator und Erlöser der ganzen Menschenrasse verkündeten Wahrheiten — Wahrheiten, die als die beseelende Kraft und als der Echtheitsstempel Seiner Offenbarung betrachtet werden müssen: „Die Welt ist nur ein Land und die Menschheit ihre Bürger.“ „Lasset den Menschen nicht sich rühmen, daß er sein Land liebe, lasset ihn eher sich dessen rühmen, daß er seine Gattung liebe.“ Und wiederum: „Ihr seid die Früchte eines Baumes und die Blätter eines Zweiges.“ „Richtet Gemüt und Willen auf die Erziehung der Völker und Geschlechter der Erde, daß vielleicht... alle Menschen die Stützen einer Ordnung und die Bewohner einer Stadt werden mögen. Ihr wohnet in einer Welt und seid erschaffen worden durch das Walten eines Willens.“ „Hütet euch, daß nicht die Begierden des Fleisches und einer verdorbenen Neigung Zwiespalt unter euch hervorrufen. Seid wie die Finger einer Hand, wie die Glieder eines Körpers.“ Und noch einmal: „Alle die Schößlinge der Welt sind aus einem Baum erschienen und alle Tropfen aus einem Ozean, und alle Wesen verdanken ihr Dasein einem Wesen.“ Und weiterhin: „Wahrlich, der ist ein Mensch, der heutzutage dem Dienst am ganzen Menschengeschlecht sich widmet.“
Die geschwächten Pfeiler der Religion
Nicht nur der Unglaube und seine gräßliche Brut, der dreifache Fluch,
der die Seelen der Menschheit an diesem Tage bedrückt, müssen für die
Krankheiten, die sie so tragisch befallen, verantwortlich gemacht werden,
sondern andere Übel und Laster, welche meistenteils die unmittelbaren
Folgen der „Schwächung der Pfeiler der Religion“ sind, müssen ebenfalls als
mitwirkende Umstände zu der mannigfaltigen Schuld angesehen werden, deren
Einzelmenschen und Völker überführt sind. Die Zeichen moralischen
Verfalls als Folge der Entthronung der Religion und der Thronbesteigung
dieser widerrechtlichen Götzen sind zu zahlreich und zu offenbar, um nicht
selbst von einem oberflächlichen Beobachter des Zustandes der Gesellschaft
von heute bemerkt zu werden. Die Verbreitung von Gesetzlosigkeit, Trunksucht,
Spielwut und Verbrechen, die zügellose Sucht nach Vergnügen, Reichtum und
anderen Eitelkeiten, die Laxheit der Moral, die sich in der verantwortungslosen
Haltung der Ehe gegenüber, in der Schwächung der elterlichen Aufsicht, in der
Hochflut von Ehescheidungen, im Sinken des Maßstabes von Literatur und Presse
und in der Verteidigung von Theorien, welche die glatte Verleugnung von
Reinheit, Moral und Keuschheit sind, äußert, — alle diese Beweise moralischen
[Seite 31]
Verfalls, die in den Osten wie in den Westen eindringen, jede Gesellschaftsschicht
durchsetzen und ihr Gift in deren Glieder beiderlei Geschlechts,
jung wie alt, einträufeln, schwärzen noch weiter die Liste, worin die
mannigfaltigen Übertretungen einer nicht bereuenden Menschheit
eingeschrieben sind.
Was Wunder, daß Bahá’u’lláh, der göttliche Arzt, erklärt hatte: „An diesem Tage haben die Neigungen der Menschen sich gewandelt und ihre Fassungskraft hat sich geändert. Die widrigen Winde der Welt und ihre Farben haben eine Kälte hervorgerufen und des Menschen Nüstern der süßen Düfte der Offenbarung beraubt.“
Bis zum Rande voll und bitter fürwahr ist der Kelch der Menschheit, die versäumt hat, der Aufforderung Gottes zu entsprechen, wie sie durch Seinen höchsten Gesandten ihr verkündet ward, welche die Lampe des Glaubens an ihren Schöpfer verdunkelt, die Ihm zustehende Ergebenheit in so großem Maße auf die Götter ihrer eigenen Erfindung übertragen und sich mit den Übeln und Lastern, die eine solche Übertragung notwendigerweise erzeugen muß, befleckt hat.
Liebe Freunde! In diesem Lichte sollten wir, die Anhänger Bahá’u’lláh’s, diese Heimsuchung Gottes betrachten, die in den abschließenden Jahren des ersten Jahrhunderts des Bahá’i-Zeitalters die Allgemeinheit des Menschengeschlechtes betroffen und ihre Angelegenheiten in so heillose Verwirrung gestürzt hat. Wegen dieser doppelten Schuld, wegen der Dinge, die sie getan, und derer, die sie unterlassen hat, wegen ihrer Missetaten ebenso wie wegen ihres verhängnisvollen, krassen Versagens in Erfüllung ihrer klaren und unmißverständlichen Pflicht gegen Gott, Seinen Gesandten und Seinen Glauben, hält dieses schmerzliche Gottesgericht, was immer seine unmittelbaren politischen und wirtschaftlichen Ursachen sein mögen, sie mit diamanthartem Griff umspannt.
Gott jedoch — wie es schon ganz am Beginn dieser Seiten dargetan worden ist — straft nicht nur die Übeltaten Seiner Kinder. Er züchtigt, weil Er gerecht ist, und Er läutert, weil Er liebt. Nachdem Er sie gezüchtigt hat, kann Er in Seiner großen Barmherzigkeit sie nicht ihrem Schicksal überlassen. Gerade durch den Akt der Züchtigung bereitet Er sie zu der Sendung vor, für die Er sie erschaffen hat. „Meine Trübsal ist Meine Vorsehung‘“, so hat Er ihnen durch den Mund Bahá’u’lláh’s versichert. „Äußerlich ist sie Feuer und Rache, aber innerlich ist sie Licht und Barmherzigkeit.“
Die Flammen, die Seine göttliche Gerechtigkeit entfacht hat, säubern
eine noch nicht wiedergeborene Menschheit und verschmelzen ihre Uneinigkeit,
ihre widerstreitenden Elemente wie kein anderes Walten und Wirken
sie säubern und verschmelzen kann. Es ist nicht nur ein vergeltendes und
zerstörendes Feuer, sondern auch ein erzieherisches und schöpferisches
Geschehen, dessen Ziel die Rettung des ganzen Planeten durch Einigung ist.
Geheimnisvoll, langsam und unwiderstehlich erfüllt Gott Seine Absicht,
wenngleich der Anblick, dem unsere Augen an diesem Tage begegnen, das
Schauspiel einer Welt sein mag, die hoffnungslos in ihre eigenen Netze
verwickelt, der Stimme, die sie ein Jahrhundert lang zu Gott gerufen, gar
nicht achtet, den Sirenenstimmen aber, die sie in den wüsten Abgrund locken
wollen, erbärmlich hörig ist.
[Seite 32]
Gottes Plan
Gottes Plan ist kein anderer, als auf Wegen, die Er allein bereiten kann und deren volle Bedeutung Er allein ergründen kann, das große, das goldene Zeitalter einer lang zerspaltenen, lange betrübten Menschheit einzuleiten. Ihr gegenwärtiger Zustand, ja auch ihre unmittelbare Zukunft, ist finster, schmerzlich finster. Die fernere Zukunft aber ist strahlend, herrlich strahlend - so strahlend, daß kein Auge es sich vorstellen kann.
„Die Winde der Verzweiflung“, schreibt Bahá’u’lláh, wie Er die unmittelbaren Verhängnisse der Menschheit überblickt, „blasen, ach, von allen Seiten, und der Hader, der das Menschengeschlecht spaltet und quält, wächst täglich. Jetzt können die Zeichen nahe drohender Erschütterungen und des Chaos erkannt werden; denn die herrschende Ordnung erscheint beklagenswert mangelhaft.“ „So wird ihr Zustand sein“, hat Er in anderem Zusammenhang erklärt, „daß, ihn jetzt zu enthüllen, nicht passend und ziemlich wäre.“ „Diese fruchtlosen Streitigkeiten“, hat Er andererseits bei Betrachtung der Zukunft der Menschheit im Verlaufe Seiner denkwürdigen Unterredung mit dem persischen Orientalisten Edward G. Browne mit Nachdruck geweissagt, „diese verderblichen Kriege sollen vergehen, und der ‚größte Friede‘ soll kommen... Diese Streitigkeiten, dieses Blutvergießen und diese Zwietracht müssen aufhören und alle Menschen wie eine Art und eine Familie sein.“ „Bald“, weissagt Er, „wird die Ordnung des heutigen Tages aufgerollt und eine neue an ihrer Statt ausgebreitet werden.“ „Nach einer Zeit“, hat Er ebenfalls geschrieben, „werden alle Regierungen auf Erden sich wandeln. Unterdrückung wird die Welt umhüllen. Und im Gefolge einer allgemeinen Erschütterung wird die Sonne der Gerechtigkeit vom Horizonte des unsichtbaren Reiches aufgehen.“ „Die ganze Erde“, so hat Er überdies dargelegt, „ist jetzt in einem Zustand der Trächtigkeit. Der Tag naht heran, da sie die edelsten Früchte abwerfen wird, da ihr die erhabensten Bäume, die entzückendsten Blüten, die himmlischsten Segnungen entsprossen sind.“ „Alle Nationen und Rassen“, hat ‘Abdu’l-Bahá gleicherweise geschrieben, ... „werden eine einzige Nation werden. Der Widerstreit der Religionen und Sekten, die Feindseligkeit der Rassen und Völker und die Zwistigkeiten unter den Nationen werden ausgemerzt werden. Alle Menschen werden einer Religion anhängen, einen gemeinsamen Glauben haben und werden zu einer Rasse vermischt und ein einziges Volk werden. Alle werden in einem gemeinsamen Vaterland wohnen, welches der Planet selbst ist.“
(Fortsetzung folgt)
Herausgeber: Der Nationale Geistige Rat der Bahá’i in Deutschland und Österreich e.V., Stuttgart. Hauptschriftleiter: Dr. Eugen Schmidt, Stuttgart. — In der „Sonne der Wahrheit“ finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Alle auf den Inhalt der Zeitschrift bezüglichen Anfragen, ferner schriftliche Beiträge, Besprechungsexemplare wie auch alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften sind an Dr. Eugen Schmidt, Stuttgart N, Menzelstraße 24, zu senden. — Abonnementsbestellungen sowie Zahlungen sind an den Nationalen Geistigen Rat der Bahá’í in Deutschland und Österreich e.V., Verlagsabteilung, Frankfurt a.M., Westendstraße 24, Postscheckkonto Frankfurt a.M. Nr. 1181 28, zu richten.
Gedruckt von J. Fink, Stuttgart N
[Seite 33]
diesem Tage wirkt, letzten Endes diesen Zustand herbeizuführen fähig ist. Noch mehr: Der
Bahá’i-Glaube legt seinen Anhängern vor allem die Pflicht des ungehemmten Suchens nach
Wahrheit auf, verwirft alle Arten von Vorurteil und Aberglauben und erklärt, daß der Zweck
der Religion die Förderung von Freundschaft und Eintracht sei; er verkündet in wesentlichen Fragen
ihr Zusammengehen mit der Wissenschaft und erkennt sie als die größte Kraft der Befriedigung
und des geregelten Fortschrittes der Menschheit. Er hält ohne Zweideutigkeit den Grundsatz
gleicher Rechte, gleicher Möglichkeiten und Vorrechte für Männer und Frauen hoch, besteht auf
guter Erziehung als Pflicht, tilgt die Extreme von Armut und Reichtum aus, schafft die Einrichtungen
eines Priesterstandes ab, verbietet Sklaverei, Askese, Bettelei und Mönchtum und schreibt
Einehe vor, mißbilligt Scheidung, betont die Notwendigkeit festen Gehorsams zur Regierung,
erhöht jede Arbeit, die im Geiste des Dienens getan wird, auf den Rang des Gottesdienstes, drängt
auf die Schaffung oder Auswahl einer Welthilfssprache und gibt einen Umriß für die Einrichtungen,
welche den Weltfrieden begründen und dauerhaft machen sollen.
Der Herold
Der Bahá’i-Glaube kreist um drei Hauptgestalten, deren erste ein Jüngling aus Schiras namens Mirzá ‘Ali Muhammád war, bekannt als der Báb (das Tor). Er erhob im Mai 1844, im Alter von 25 Jahren den Anspruch, der Herold Dessen zu sein, der nach den Heiligen Schriften früherer Offenbarungen den Einen, der größer ist als Er selbst, verkünden und den Weg für Sein Kommen bereiten soll. Seine Sendung sei, nach eben diesen Schriften, eine Ära des Friedens und der Gerechtigkeit einzuleiten, die als die Vollendung aller früheren Sendungen begrüßt würde, um einen neuen Zyklus in der Religionsgeschichte der Menschheit einzuleiten. Rasch setzte strenge Verfolgung ein, die von den organisierten Mächten der Kirche und des Staates Seines Geburtslandes ausging und schließlich zu Seiner Gefangenschaft, Verbannung und zu Seiner Hinrichtung im Juli 1850 in Täbris führten. Nicht weniger als 20000 Seiner Anhänger wurden in so barbarischer Grausamkeit hingemordet, daß sie das warme Mitgefühl und die unbegrenzte Bewunderung abendländischer Schriftsteller, Diplomaten, Reisender und Gelehrter hervorrief.
Bahá’u’lláh
Mirzá Husayn - ‘Ali, genannt Bahá’u’lláh (die Herrlichkeit Gottes), aus der Provinz Mázindarán stammend, dessen Kommen der Báb verkündet hatte, wurde von diesen gleichen Mächten der Dummheit und des Fanatismus angegriffen, in Teheran eingekerkert, 1852 aus Seinem Heimatland nach Bagdad verbannt und von dort nach Konstantinopel und Adrianopel und schließlich in die Gefängnisstadt Akka, wo Er nicht weniger als 24 Jahre noch gefangengehalten wurde. Unweit davon starb Er im Jahre 1892. In der Zeit seiner Verbannung, vor allem in Adrianopel und in Akka, gab Er den Gesetzen und Vorschriften Seiner Sendung Ausdruck und erklärte in mehr als hundert Bänden die Grundsätze Seines Glaubens, verkündete Seine Botschaft den Königen und Herrschern des Ostens und des Westens, Christen sowohl wie Mohammedanern.
‘Abdu’l-Bahá
Sein ältester Sohn, ‘Abbás Effendi, bekannt als ‘Abdu’l-Bahá (Diener Bahá’s), war von Bahá’u’lláh zu dessen gesetzlichem Nachfolger und bevollmächtigtem Ausleger Seiner Lehren ernannt worden. Er war seit Seiner frühesten Kindheit Seinem Vater eng verbunden und teilte dessen Verbannung und Leiden. Er blieb ein Gefangener bis 1908, wo Er in Auswirkung der jungtürkischen Revolution aus der Haft entlassen wurde. Nunmehr verlegte Er Seinen Wohnsitz nach Haifa, schiffte sich dann bald zu einer drei Jahre langen Reise nach Ägypten, Europa und Nordamerika ein, in deren Verlauf Er vor einer zahlreichen Hörerschaft die Lehren Seines Vaters auslegte und das Nahen der Katastrophe voraussagte, die bald darauf die Menschheit überfallen sollte. Er kehrte nach Hause zurück am Vorabend des ersten Weltkrieges, in dessen Verlauf Er dauernd Gefahren ausgesetzt war bis zur Befreiung Palästinas.
1921 verließ Er diese Welt. Er wurde in dem auf dem Berge Karmel errichteten Grabmal beigesetzt, das nach dem Gebot Bahá’u’lláh’s für die sterblichen Reste des Báb errichtet war.
Die Verwaltungsordnung
Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahá’s bedeutete das Ende des heroischen Zeitalters des Bahá’i-Glaubens und bezeichnete zugleich den Beginn des gestaltgebenden Zeitalters, das den schrittweisen Aufstieg der Verwaltungsordnung des Glaubens schaffen soll. Ihre Errichtung war von dem Báb vorhergesagt, ihre Gesetze wurden von Bahá’u’lláh geoffenbart, ihre Umrisse wurden von 'Abdu'l-Bahá in Seinem Willen und Testament vorgezeichnet.
Die Verwaltungsordnung des Glaubens von Bahá’u’lláh ist dazu bestimmt, sich zu einem
Bahá’i-Weltgemeinwesen zu entwickeln. Sie hat schon die Angriffe überdauert, die solche
furchtbaren Feinde wie die Könige der Kadscharen-Dynastie, die Kalifen des Islam, die führenden
Geistlichen Ägyptens und das Naziregime in Deutschland gegen ihre Einrichtungen gerichtet
hatten, und hat ihre Zweige in alle Teile der Erde ausgedehnt, von Island bis zum äußersten
Chile. Sie hat in ihren Bereichen die Vertreter von nicht weniger als 31 Rassen, darunter
Christen verschiedener Bekenntnisse, Muselmänner der
[Seite 34]
sunnitischen und schiitischen Sekten, Juden, Hindu, Sikhs, Zoroastrer und Buddhisten. Sie hat
durch ihre festgesetzten Organe Bahá’i-Schriften in 48 Sprachen veröffentlicht und verbreitet.
Diese Verwaltungsordnung ist, im Unterschied von den anderen Systemen, die sich nach dem Tode der Gründer in den verschiedenen Religionen entwickelt haben, göttlich in ihrem Ursprung, beruht mit Gewißheit auf den Gesetzen, Vorschriften, Verordnungen und Einrichtungen, die vom Begründer des Glaubens selbst ausdrücklich niedergelegt und unzweideutig festgesetzt sind und waltet in fester Übereinstimmung mit den Auslegungen der bevollmächtigten Ausleger der heiligen Texte.
Der Glaube, dem diese Ordnung dient, den sie schützt und fördert, ist, das sollte in diesem Zusammenhang wohl bemerkt werden, in seinem Wesen übernatürlich, übernational, gänzlich unpolitisch, parteilos und jedem System oder jeder Schule von Ideen, die irgendeine besondere Rasse, Klasse oder Nation über die andere zu stellen sucht, völlig entgegengesetzt. Er ist frei von jeglicher Form von Kirchentum, hat weder Priesterstand noch Riten und wird allein durch freiwillige Gaben seiner erklärten Anhänger getragen.
Wenn auch die Bekenner des Bahá’i-Glaubens ihren Regierungen treu ergeben sind, in Liebe ihrem Vaterland verbunden und darauf bedacht, zu allen Zeiten dessen Wohl zu fördern, so werden sie doch, weil sie die Menschheit als eine Einheit betrachten und deren Lebensinteressen tief verpflichtet sind, ohne Zögern jedes Einzelwohl, sei es persönlich, örtlich oder national, dem übergeordneten Wohl der Menschheit als Ganzes unterordnen; denn sie wissen gar wohl, daß in einer Welt der gegenseitigen Abhängigkeit der Völker und Nationen der Vorteil des Teiles am besten durch den Vorteil des Ganzen erreicht werden kann, und daß kein Dauererfolg durch eines der zugehörigen Teile erreicht werden kann, wenn das Allgemeinwohl des Ganzen hintangestellt wird.
- Shoghi Effendi
Die zwölf Grundsätze der Bahá’i-Weltreligion
1. Die gesamte Menschheit muß als Einheit betrachtet werden.
2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.
3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.
4. Die Religion muß die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.
5. Die Religion muß mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.
6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.
7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.
8. Der Weltfrieden muß verwirklicht werden.
9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung erfahren.
10. Die sozialen Fragen müssen gelöst werden.
11. Es muß eine Einheitssprache und eine Einheitsschrift eingeführt werden.
12. Es muß ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.