| ←Heft 11 | Sonne der Wahrheit Februar 1923 |
Nächste→ |
| SONNE DER WAHRHEIT | ||
| Heft XII | FEBR. 1923 | |
| ORGAN DES DEUTSCHEN BAHAI-BUNDES STUTTGART | ||
Die Hauptpunkte der Bahailehre
1. Die gesamte Menschheit ist als Einheit anzusehen. Alle Vorurteile gegenüber anderen Menschen, Völkern und Rassen müssen beseitigt werden.
2. Alle Religionen müssen sich in einer höheren Einheit zusammenfinden. Ein Gott, eine Religion.
3. Durch einen festgegliederten, allumfassenden Völkerbund und ein internationales Schiedsgericht muß der universale, dauernde Weltfrieden gesichert werden.
4. Neben der Muttersprache soll in jedem Land der Erde eine Welt-Einheitssprache eingeführt und gelehrt werden.
5. Jeder Mensch hat dasselbe Anrecht auf die geistigen und materiellen Güter des Lebens.
6. Die Menschen haben die Pflicht, nach Wahrheit zu forschen. Zwischen wahrer Religion und Wissenschaft besteht kein Widerspruch.
7. Beide Geschlechter sollen die beste Erziehung und eine der Begabung entsprechende Ausbildung erhalten.
8. Mann und Frau haben überall die gleichen Rechte. Jede Art von Hörigkeit ist streng verboten.
9. Für jeden Menschen besteht die Pflicht zur Arbeit. Für Arbeitsunfähige und Erwerbslose tritt eine gesetzliche staatliche Fürsorge ein.
10. Die schlimmen Wirkungen des Kapitalismus werden durch ein neugeordnetes, weises Erbrecht und durch geeignete Sozialisierung beseitigt.
11. Für jedes Gemeindewesen, wie für den Staaten- und Völkerbund, wird eine Verwaltungsbehörde mit bestimmten Verordnungsrechten u. Fürsorgepflichten -— das sog. Haus der Gerechtigkeit — eingesetzt. Im übrigen hat der Bahai jeder staatlichen Obrigkeit zu gehorchen.
12. Die Bahailehre ist die Universal- und Einheitsreligion für die ganze Menschheit. Der Mittelpunkt des neuen Gottesbündnisses und der Erklärer der Lehre war Abdul Baha (Abbas Effendi), dem diese Stellung von seinem Vater Baha ’Ullah (Hussein Ali-Nuri) übertragen wurde. Vor seinem Hinscheiden hat Abdul Baha seinen Enkel Shoghi Effendi zum Hüter und Beschützer der Bahaisache bestimmt.
| SONNE DER WAHRHEIT ORGAN DES DEUTSCHEN BAHAI-BUNDES Herausgegeben vom Verlag des Deutschen Bahai-Bundes Stuttgart Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz - Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3 Preis d. Einzelheftes M. 100.–, Preis d. Jahrgangs im Abonnement, vierteljährl. M. 300.– |
| Heft 12 | Stuttgart, im Februar 1923 | 2. Jahrgang |
Inhalt: Segen durch Abdul Baha. -— Gebet von Abdul Baha. — Einige Regeln, um die physische Gesundheit zu erhalten und Krankheiten zu heilen. — Ein Brief Shoghi Effendis an die Bahai in Deutschland. - Aus einer Unterredung Abdul Bahas mit Marie Watson in Haifa 1921. — Abdul Baha in London 1911. - Aus Tablets von Abdul Baha, Bd. 1, S. 13. — Parolado de Abdul Baha al la teozofia societo en Parizo. - Klarigoj de la dekunu principoj en la instruoj de Baha’Ullah. — Aus einem Vortrag von Frau Schweizer-Zuffenhausen (11.1.23). — Allah’s Offenbarung an die Menschheit durch Mohammed. — Eingesandte Schriften.
... Die Nacht wird schwinden, und das Licht der geoffenbarten Zeichen wird leuchten; die Schleier werden sinken, und das Licht der Wirklichkeit wird von dem unsichtbaren Reiche El Abhas ausgehen. Dies sagen wir Euch, ehe es erfüllt ist. Wenn die Menschen sich gegen Euch stellen um Eurer Liebe willen zu mir, so seid nicht verwirrt und ängstlich; im Gegenteil, seid stark wie Felsen, denn diese Verfolgungen und Schmähungen der Menschen sind für Euch vorgesehen. Gesegnet ist die Seele, die unbeirrt auf ihrem Weg zu Gott vorwärtsschreitet!
Abdul Baha
(Aus Tablets v. Abdul Baha, Ba. I, S. 4.)
SEGEN DURCH ABDUL BAHA.
O du gnädiger Herr! Du hast die ganze Menschheit aus dem ersten Menschenpaar geschaffen. Du hast bestimmt, daß alle zu einer großen Familie gehören; in Deiner Gegenwart sind sie alle Deine Diener, und die ganze Menschheit steht im Schutz Deines Bundes. Alle sind gemeinsam an der Tafel Deiner Gnade versammelt, alle leuchten im Licht Deiner Versöhnung. O Gott! Du bist gut zu allen, Du hast für alle Vorbereitungen getroffen, Du beschützest sie alle, Du schenkst ihnen allen das Leben. Du hast allen Talente und Fähigkeit verliehen, alle sind in das Meer Deiner Gnade versenkt. O du gütiger Herr! Reinige sie alle, lasse sie in der Religion übereinstimmen, lasse alle in eine Nation zusammenfließen, damit sie sich gegenseitig als gleichwertig betrachten, als Bewohner eines Vaterlandes, einer Mutter-Erde. Lasse sie alle miteinander sich verbinden in vollkommener Freundschaft und Einigkeit. O Gott, hisse das Banner der Einheit der Menschheit! O Gott, schaffe den wahren und wirklichen Frieden. Verschmelze Du die Herzen miteinander! O Du gütiger Gott und Vater! Entzücke die Herzen durch Deine duftende Liebe. Erleuchte die Augen durch das Licht Deiner Führung, erfreue das Gehör aller mit der Melodie Deiner Worte und schütze uns alle unter dem Himmelsgewölbe Deiner Vorsehung! Du bist der Mächtige, der Kraftvolle! Du vergibst und übersiehst alle Unzulänglichkeit!
Gebet von Abdul Baha.
Er ist Gott!
„O du unvergleichlicher Gott! Mache unsere Herzen vertraut mit Deinen Geheimnissen und hilf, daß wir von allem Bekannten und Unbekannten losgelöst werden. Gib uns aus dem überfließenden Kelch Deiner Gnade zu trinken, die uns den Morgen der Einheit bringt und begeistere uns mit der Schönheit des Wortes: „Bin Ich nicht Euer Herr ?“
O Herr! Diese Diener sind eingenommen und begeistert für Dich. Wir Suchenden sind angezogen und gefesselt durch Deine Schönheit. Wir pilgern hin zu Deinem Paradies, suchen Deine Gnade und sind wie eine Herde von Gazellen auf der Weide.
O Herr! Wir sind Wanderer in der Wüste der Gottesferne und irren einsam im Tal der Hilflosigkeit. Sende Du uns den Boten und den Engel der Vorsehung, damit er uns führe und der Duft Deiner Verkündigung uns erreiche, daß das strahlende Licht Deiner Gnade "das Haus des Schmerzes“ — diese kummervolle Welt erhellen möge. Die Finsternis der Welt möge in das Sonnenlicht des Tages verwandelt und die dornige Einöde des Verlassenseins in einen Garten der Hoffnung umgestaltet werden.
Wahrlich, Du bist der Mächtige, der Sehende und der Hörende!"
O ihr Gottesgläubigen! Erfreut euch der allergrößten Gnade unseres Herrn! Seid glücklich, denn die Gnadengaben der frohen Botschaft des Gottesreiches sind ohne Grenzen. Bereitet euch vor auf das Herabkommen der Wolke der göttlichen Gnade. Auf euch seien die Gaben eures Herrn, des Ewigen! Oeffnet eure Herzen, vermehrt euren Eifer, entfaltet rastlose Tätigkeit und seid beglückt in eurer Seele, denn Gott hat euch unter Seinen Geschöpfen erwählt um Seiner Liebe willen.
Wahrlich Er ist gnadenvoll und milde gegen euch alle.
(gez.) Abdul Baha Abbas.
Einige Regeln, um die physische Gesundheit zu erhalten und Krankheiten zu heilen.
Aus einem Tablet, geschrieben von Baha’Ullah.
O Gott, Du Allwissender! Der Mund des Ewigen spricht das, was den Weisen in Ermangelung eines Arztes genügen wird.
O Menschenkinder, esset nicht, ausser wenn ihr hungrig seid. Trinket nicht, wenn ihr euch zum Schlafen zurückgezogen habt!
Körperbewegung ist gut, wenn der Magen leer ist; sie kräftigt die Muskeln. Wenn der Magen voll ist, ist sie schädlich.
Vernachlässiget die medizinische Behandlung nicht, wenn sie nötig ist; unterlasset sie aber, wenn sich der Körper in gesundem Zustande befindet.
Nehmet keine Nahrung zu euch, solange der Verdauungsprozeß nicht vollendet ist. Schlucket nicht, bevor die Speise nicht gründlich gekaut ist.
Behandelt die Krankheit vor allem
durch Diät und enthaltet euch zuerst der
Medizin. Wenn ihr das, was zur Heilung
des Leidens nötig ist, in einem einzigen
Kräutlein finden könnt, dann gebraucht
keine zusammengesetzte Medizin. Höret
auf, Medizin zu nehmen, wenn die Gesundheit wieder hergestellt ist und nehmet sie nur dann, wenn sie nötig ist.
Wenn zwei gerade entgegengesetzte
Speisen auf den Tisch kommen, dann
mischet sie nicht. Gebt euch mit
einer von ihnen zufrieden. Esset zuerst die flüssige Speise, bevor ihr die
feste zu euch nehmt. — Speise zu
sich zu nehmen, bevor das, was man
[Seite 179]
vorher gegessen hat, verdaut ist, ist gefährlich.
Was schwer zu kauen ist, ist von dem „Weisen“ zu essen verboten. Solches befiehlt auch die „Erhabene Feder“.
Wenn ihr gegessen habt, dann gehet ein wenig, damit sich die Speise setze.
Ein leichtes Mahl am Morgen ist für den Körper Lebenskraft.
Vermeidet alle schädlichen Gewohnheiten, denn sie verursachen Unglückseligkeit in der Welt.
Forschet nach den Ursachen der Krankheit.
Uebersetzt von W. Herrigel.
Ein Brief Shoghi Effendis an die Bahai in Deutschland.
Haifa (Palästina), 17. Dez. 1922.
Ihr Gesegneten und Geliebten Abdul Bahas!
Daß es mir nicht möglich war, der traurigen Umstände halber, auf die ich keinen Einfluß hatte, in enger und dauernder Verbindung mit Euch, den geliebten Kindern Abdul Bahas, zu stehen, seit dem er aus dieser Welt geschieden ist, ist für mich der Anlaß großer Betrübnis und tiefen und schmerzlichen Bedauerns. Wenn ich mich seit dem Morgengrauen des neuen Tages, der für mich anbrach, auch nur im mindesten abgeneigt oder nicht dazu disponiert gefühlt hätte, in persönliche Verbindung mit einem jeden von Euch zu treten oder wenn ich mich gleichgültig der Sache gegenüber gestellt hätte, die Eurem Herzen so nahe steht und so teuer ist, so würde ich wirklich an jedem Gefühl der Liebe und Freundschaft, das einen jeden von Euch anspornt zum Dienst an Seiner hl. Schwelle, Verrat geübt haben. Es war mehr meine körperliche Erschöpfung, mein tiefes Leidempfinden, der überwältigende Gedanke an meine eigene Stellung und Verantwortung und die außerordentliche Last der Arbeit, die mich zu einem so langen Stillschweigen veranlaßten, das den Anschein erwecken konnte, als ob ich die tapferen und mutigen Verehrer des Meisters in Eurem Land vergessen hätte. -
Der Gedanke, der mich unter anderem aufrichtete und beruhigte in den Stunden stiller Zurückgezogenheit war die Erkenntnis, die mich nie verließ, daß der Meister in den deutschen Freunden gewiß loyale und dankbare Kinder hat, die die zärtliche Liebe und väterliche Sorge, die er für sie hegte, mit Ergebenheit und treuem Dienst lohnen, und zwar so ernstlich und dauernd, daß sie sich der vielen Segnungen würdig erweisen, die ihnen in der Vergangenheit zuteil wurden. Die Nachricht von Eurer vergeistigten Zusammenkunft, in der der große Plan des Meisters, wie er in seinem Testament dargelegt ist, verkündet wurde, habe ich mit eigenen Augen gelesen, wie auch die Mitteilung von der Einsetzung und Tätigkeit des Nationalrats, von der wirkungsvollen Harmonie, von der Erweiterung Eurer Tätigkeit, der Vermehrung Eurer Korrespondenz und der großmütigen, sofortigen Hilfe, die Ihr in bezug auf die Schwierigkeiten, die sich im hl. Lande zeigten, uns zuteil werden ließet und nicht zuletzt von dem Geist bereitwilliger Ergebenheit und stets wachsenden Eifers, der alle erfüllt. — —- -— Dies sind wohltuende Gedanken, die die verwaisten Frauen der Familie des hl. Haushalts erquicken und die vielen hiesigen und auswärtigen Freunde ermutigen, die der gesegneten Zeit entgegensehen, welche der Meister seinen Freunden in Deutschland verhieß.
Mit erneuter Kraft und erquicktem Geist ins hl. Land zurückgekehrt, werde
ich mit Hilfe des Meisters nicht
[Seite 180]
ermangeln, meinen Teil dazu beizutragen, Euch
zu befähigen, die glorreiche Standarte
Bahas durch das Herz und bis an die
Grenzen Deutschlands dem Tag entgegenzutragen, an dem der Geist des
Glaubens und des Friedens die Welt erfüllen und die Nacht der Zwietracht nicht
mehr sein wird, wie dies Baha ’Ullah in Seiner Lehre: verkündigt hat.
An den drei hl. Grabstätten gedenke ich Eurer Arbeit und Eurer Liebe für Seine Lehre und bin und verbleibe Euer Bruder und Mitarbeiter in Seinem Dienst.
(gez.) Shoghi.
Uebersetzt von Fr. A. Schwarz.
Aus einer Unterredung Abdul Bahas mit Marie Watson in Haifa 1921.
Fortsetzung.
Der Geist kann den Körper kontrollieren und führen durch die Materie, und tut es auch; die Materie aber hat ihre eigenen Gesetze, arbeitet nach der ihr vorgeschriebenen Weise und fordert ihre besonderen Rechte. „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist!“ läßt sich auch auf sie anwenden. Wer diese Wahrheit nicht begreifen kann, ist nicht im Besitz vollen Wissens. Halbe Wahrheiten führen irre und schaffen eine falsche Psychologie, und die Folgen sind schwer zu beseitigen, denn die Seele kann oder will alsdann nicht Wahrheit vom Irrtum unterscheiden.
Um die Einheit des Lebens zu verstehen, muß man das Universum als Einheit begreifen, als ein Ganzes, (nicht nur als Teil eines Kreises), mit einer positiven und einer negativen Seite, das den Menschen mit seinen Einschränkungen einschließt. Von diesen Schranken wird im allgemeinen als vom Schicksal gesprochen. Der Mensch lernt aber durch die Erfahrung, daß die Beschränkungen ihn nicht mehr aufhalten, wenn die Seele verfeinert wird und die positive, geistige Seite, die edlen, schöpferischen Kräfte sich entfalten. Die Entwicklung des Geistes hebt den Menschen empor aus den Sklavenketten in die ewig sich weitende Freiheit und befreit ihn aus der Beschränkung seines durch die Natur bedingten materiellen Zustandes.
„Heute ist die Zeit, die über allen Zeiten steht, der Tag, an dem das geistige Auge der Menschheit für die Einheit und Wirklichkeit des Lebens geöffnet ist. Wenn Wahrheit in den Geist einströmt, dehnt sich der Geist in Dimensionen aus im Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit des Menschen. Hoch über allem menschlichen Denken steht in der Welt der Wirklichkeit „das Schicksal“, das auch als Vergeltung angesehen wird, die das Hohe stürzt, das Niedere emporhebt, das Gerechtigkeit vom Menschen fordert und immer, sei es früher oder später eintritt, wenn der Gerechtigkeit nicht Raum gegeben wird; denn der Gedanke muß mit den ewigen Gesetzen in Harmonie sein. Dies alles ist wissend im menschlichen Denken begründet. Wenn ein Gegensatz zur fundamentalen Wesenheit der Gedanken entsteht, so entflieht die Heiligkeit, die Einsicht und Erkenntnis verleiht. Das Herz hat seine eigenen Argumente, mit denen die des Intellekts nicht verwandt sind; das Herz weiß es besser als alle Argumente des Verstandes, als alle Tatsachen oder feinerdachten Theorien; zuletzt wird der Intellekt sich ergeben, denn das Herz weiß es besser.
Das Licht dieser neuen Erkenntnis - des neuen Himmels — kann nie wieder
getrübt werden. Die neue Welt wird einst
nicht mehr eingeengt sein durch die alten
Vorurteile und Schranken. Die Wahrheit ist das Licht, vor dem alle Vorurteile und Einbildungen weichen müssen;
sie werden aufgezehrt werden vom Feuer der Liebe Gottes. -- —
[Seite 181]
Die Herrlichkeit Gottes ist dem Menschen in dieser persönlichen Willensäusserung bekannt, und die Verantwortung ist ihm auferlegt als Gottes besondere Gabe an diesem Tag der Volljährigkeit. Die befreite Seele sieht mit dem Auge des vollkommenen Glaubens, denn sie weiß, welche großen Reichtümer ihr harren, um sie zu befähigen, den Sieg über jede Schwierigkeit und Prüfung davonzutragen. Der Mensch muß dessen gedenken, daß die Welt wie eine Werkstätte ist, und nicht eine Kunstausstellung der vollkommenen Kräfte. Dies ist nicht die Stufe der Vollkommenheit, sondern die Erde ist der Schmelztiegel, um den Charakter zu veredeln und zu bilden.“
Beigefügte Worte aus der Sammlung von Manuskripten.
„Siehe dir ein Vorurteil an, wie es lawinengleich anwächst. Erst sagen einige Leute etwas Schlechtes über einen Menschen, obgleich es sehr fraglich ist, ob überhaupt etwas Wahres daran ist. Das Gerücht wächst, wird bekannt, der Kreis weitet sich, es wird darüber hin- und hergeredet, Disharmonie und Spaltungen werden daraus. Welche Menge Zeit geht damit verloren, die besser zu aufbauender Arbeit angewandt worden wäre".
Abdul Baha sprach hierauf über Aufrichtigkeit: „Ueberall sind Entwicklungsstufen, bis der Mensch frei ist vom Egoismus, er kann von gewissen Dingen fest überzeugt sein, die sich in Wirklichkeit nicht so verhalten.“ — Dann redete er über Prüfungen: „Es gibt vielerlei Arten von Prüfungen, die seelische Not hervorrufen. Die Prüfungen sind auch nicht als Strafe gesandt, sondern in Wirklichkeit, um die Seele selbst zu enthüllen. Prüfungen zeigen sowohl die Stärke als die Schwächen des Menschen und tragen dazu bei, die letzteren zu beseitigen.
Die Seele wird durch Leiden sich ihrer Kraft bewußt, frühere Schwäche wird überwunden, neue Erkenntnis erwacht in der Seele, sie gewahrt ihr Wachstum, und so wird Selbstbeherrschung und Verantwortungsgefühl ihr geschenkt als Gottes besondere Gnade an diesem Tag der Reife.
Abdul Baha zu Mrs. Watson
(aus der Manuskripten-Sammlung).
„Du mußt wie eine leicht dahinziehende Wolke sein. Sie zieht dahin und niemand vermag sie aufzuhalten. Ich bete für dich, daß du wie eine solche Wolke werdest. Laß nichts dich hemmen. Sprich stets von der Liebe Gottes. Lehre die Menschen, was die Liebe Gottes ist. Bringe ihnen die frohen Botschaften. Laß dich durch nichts abhalten; laß nichts deinen Geist berühren, was nicht im Einklang steht mit den Lehren der „Gesegneten Schönheit“. Arbeite viel im Dienst des Königreichs. Laß dich durch unangenehme Dinge nicht abstoßen. Es muß sein, als seiest du so weit entfernt von diesen, wie diese Wolken von uns entfernt sind. Das Wichtigste ist, die Lehren zu verbreiten, Liebe und Mitgefühl zu hegen, gütig gegen alle zu sein, nicht die Gefühle anderer zu verletzen. Wenn ihr mit gewissen Menschen nicht gerne zusammenkommt, so zwingt euch niemand dazu. Wir können sie sich selbst überlassen und uns so sehr mit aufbauender Arbeit befassen, daß keine Zeit verbleibt, über kleinliche Dinge nachzudenken. Wir dürfen unsere Zeit nicht vergeuden, indem wir über Unwesentliches reden. Auch du mußt es so machen. Vergiß alles Unerfreuliche aus der Vergangenheit, sprich nur von der Aufbauarbeit, von der Liebe, von der Güte und Gnade Gottes. Suche andere glücklich zu machen!“
Uebersetzt von Fr. A. Schwarz,
Abdul Baha in London 1911.
Fortsetzung.
Eine Botschaft von Abdul Baha,
niedergeschrieben für die Christl. Commonwealth, veröffentlicht am 20.9.11.
Gott sendet die Propheten zur Erziehung und zum Fortschritt des Menschengeschlechts. Alle diese Gottgesandten haben die Menschheit emporgehoben. Sie dienen der ganzen Welt durch die göttliche Gnade. Der sichere Beweis, daß sie von Gott gesandt sind, ist ihr erzieherischer und fortschrittlicher Einfluß auf die Menschen. Die Juden waren auf einem geistigen Tiefstand angelangt und befanden sich in sklavischem Zustand unter Pharao, als Moses auftrat und sie auf eine hohe Stufe der Zivilisation emporhob, bis unter der Regierung Salomos Wissenschaft und Künste in höchster Blüte standen, so daß selbst griechische Philosophen die salomonischen Lehren studierten. Dadurch ist die göttliche Sendung Moses als Prophet erwiesen.
Nach einiger Zeit verloren sie ihr Land und wurden Untertanen der Römer und Griechen; dann stieg Jesus Christus als leuchtender Stern am Horizont des jüdischen Landes auf und brachte der Welt neues Licht, woraufhin bei allen Religionen, Glaubensrichtungen und Nationen die Lehre von der Liebe und Einigkeit bekannt wurde. Es gibt keinen stärkeren Beweis als diesen, daß Jesus Christus das „Wort Gottes“ war.
Dasselbe geschah bei den Arabern, die, gänzlich unkultiviert, durch die persische und griechische Herrschaft unterdrückt waren. Als das Licht durch Mohammed aufstieg, wurde ganz Arabien emporgehoben. Diese unterdrückten Völker wurden erleuchtet und kultiviert, und zwar in einem solchen Maße, daß andere Nationen die arabische Zivilisation aufnahmen. Dies ist der Beweis für Mohammeds göttliche Sendung.
Die Lehre aller Propheten ist dieselbe, es ist ein Glaube, ein göttliches Licht, das durch sie in die Welt strahlt. Nun sollten unter dem Zeichen der Einheit alle Menschen aus allen Glaubensrichtungen sich von Vorurteilen frei machen, Freunde werden und an alle Propheten glauben. Wie die Christen an Moses glauben, so sollten die Juden Jesus Christus anerkennen. Wie die Mohammedaner an Christus glauben und die Christen an Moses, so sollten auch die Juden und Christen — Mohammed annehmen. Dann würde aller Streit endigen und alle Welt würde sich vereinigen. Baha ’Ullah kam zur Erfüllung dieses hohen Ideals in die Welt. Er hat diese drei Religionen in eine zusammengeschlossen. Er hat das Zeichen der Glaubenseinheit als die Würde der Menschheit inmitten der Welt aufgerichtet. Heute müssen wir uns um diese Fahne scharen und mit Herz und Seele darnach streben, die Einigung der Menschheit herbeizuführen.
Rede bei dem Einigkeitsfest im Hause v. Miss E. S. Rosenberg.
8. Sept 1911.
Gott sei gedankt, daß eine solche Versammlung von solcher Reinheit und Festigkeit in London gehalten werden kann. Das Herz dieser Anwesenden ist rein und dem Gottesreich zugewandt. Ich hoffe, daß alles, was in den hl. Büchern Gottes steht und festgesetzt ist, sich in Euch verwirkliche. Die Boten Gottes sind die höchsten und hervorragendsten Lehrer. Wenn Dunkelheit sich auf die Erde senkt und sich die Ansichten teilen und Gleichgültigkeit Platz greift, so sendet Gott einen seiner heiligen Boten.
Moses kam in einer Zeit der Finsternis, als Unwissenheit und Irrtum unter
[Seite 183]
den Völkern überhand genommen hatte
und sie Gott ferne waren. Moses war ein
Lehrer von Gott gesandt, er brachte die
Lehre der Heiligung und der Erziehung
für die Israeliten. Er hob das Volk aus
seiner Erniedrigung und führte es zu hohem Ansehen. Er lehrte sie Wissenschaften und Künste, erzog sie zur Zivilisation und entfaltete ihre menschlichen Tugenden. Nach einer gewissen Zeit verlor
sich das von Gott Empfangene allmählich,
der Weg wurde frei zur Wiederkehr
schlechter Eigenschaften, und die Welt
wurde von Tyrannei bedrückt.
Wiederum wurde das Licht der Wirklichkeit und der Hauch des heiligen Geistes erkannt. Die Wolke der Gnade sank herab, das Licht der Führung schien auf Erden. Die Welt legte ein neues Gewand an, die Menschen wandelten sich, die Einheit der Menschheit wurde verkündigt. Diese große Gedankeneinheit veränderte die Menschheit und schuf eine neue Welt. Und wieder nach einiger Zeit ward alles von den Menschen vergessen. Die göttliche Lehre beeinflußte ihr Leben nicht weiterhin. Seine Prophezeiungen und Gebote wurden nicht mehr beachtet und wurden schließlich in ihren Herzen ausgelöscht, und Bedrückung und Achtlosigkeit beherrschte sie wieder.
Dann trat Baha ’Ullah auf und erneute wieder die Grundlage des Glaubens. Er brachte die Gotteslehre und ihre Anwendung wie zur Zeit Christi zurück. Er löschte den Durst der Dürstenden und rüttelte die Achtlosen auf, er erweckte das Interesse der Gleichgültigen für die göttlichen Geheimnisse. Er erklärte die Einheit der Menschheit und verbreitete die Lehre der Gleichberechtigung aller Menschen.
Daher solltet Ihr Euch alle bemühen mit Herz und Seele, die Menschen durch Güte zu gewinnen, damit diese große Einheit zustande komme, daß einfältige Vorurteile schwinden und damit alle zur Einheit gelangen.
Zwiegespräch mit Mrs. Thornburg-Cropper.
13. Sept. 1911.
Abdul Baha sagte: Gelobt sei Gott, dies ist ein freudiges Begegnen. Ihr seid sehr erleuchtet, sehr vergeistigt.
Ein persischer Dichter hat geschrieben: „Das himmlische Universum ist so geschaffen, daß die irdische Welt die himmlische widerspiegelt“ d.h. was es auch sei, das im Himmel existiert, wird auf diese irdische Welt herabgestrahlt. Gott sei nun gedankt, daß dieses Beisammensein ein Bild der Begegnung mit den himmlischen Heerscharen ist; es ist, als ob wir einen Spiegel zur Hand genommen und hineingeblickt hätten. Diese Widerspiegelung der himmlischen Heerscharen erkennen wir als Liebe.
Wie unter den erhabenen Heerscharen himmlische Liebe wohnt, so strahlt sie auch in dieser Versammlung. Die erhabene Engelschar ist erfüllt mit dem Verlangen nach Gott, — und Ihm sei gedankt — dieser Wunsch ist auch hier lebendig. Deshalb ist es richtig, wenn wir so sagen wollen, daß diese Versammlung eine himmlische ist. Und warum dies? Weil wir kein anderes Verlangen tragen als nach dem, was von Gott kommt. Wir haben kein anderes Sehnen außer dem Verlangen nach der Gemeinschaft mit Gott.
Es gibt Menschen auf Erden, die ihre
Mitmenschen zu überflügeln suchen, andere, die nur in Ruhe und Behaglichkeit
zu leben wünschen; wieder andere erstreben eine hohe Stellung und große
Berühmtheit — Gott sei gedankt, daß
unser Wunsch nur auf rein Geistiges
und auf die Vereinigung mit Gott gerichtet ist. Alle, die wir hier vereinigt
sind, haben den Wunsch, das Banner der
Einheit Gottes zu entfalten, das Licht
Gottes zu verbreiten und die Herzen der
Menschen dem Gottesreich zuzuführen.
Ich danke Gott dafür, daß Er uns dies
große Werk tun heißt.
[Seite 184]
Ich bete für Euch alle, daß Ihr Gotteskämpfer werdet, daß Ihr überall die Einheit Gottes verkündet, den Osten und Westen erleuchtet und in allen Herzen die Liebe zu Gott entflammt. Dies ist mein höchster Wunsch und ich bete zu Gott, daß dies auch Euer Wunsch sei.
Ich bin sehr glücklich, bei Euch zu sein. Das englische Königtum, die Regierung und das Volk sind mir sehr sympathisch.
Ihr müßt Gott danken, daß Ihr so viel Freiheit in diesem Land genießt; ihr wißt nicht, wie sehr die Freiheit im Osten beschränkt ist. Wenn jemand in dieses Land kommt, muß er sich wohl fühlen.
Ich wünsche Euch allen den göttlichen Schutz. Ich sage Euch allen Lebewohl!
Anrede von Abdul Baha bei dem Einigkeitsfest von Misses Jack and Herrick.
22. Sept. 1911.
Heute ist kaltes und schlechtes Wetter, aber da ich mich nach Euch sehnte, kam ich dennoch hierher. Für einen Menschen, der liebt, bedeutet eine Anstrengung eine Erholung. Er wird jeden Weg zurück legen, um die Freunde zu sehen.
Gott sei gedankt, ich finde Euch vergeistigt und beruhigt. Ich gebe Euch das Gebot, Euch Gott zuzuwenden. Gelobt sei Gott, daß Ihr Ihm nahe seid. Die nichtigen Dinge dieser Erde haben Euch nicht gehemmt, nach der Welt des Geistes zu streben. Wenn Ihr in Harmonie mit dieser Welt steht, so sehnt Ihr Euch nicht nach Vergänglichem; Ihr hegt den Wunsch nach Ewigem und das Gottesreich steht Euch offen. Ich hoffe, daß die Lehre Gottes sich über die ganze Welt verbreitet und alle Menschen einigt.
Zur Zeit Christi kam eine Lichtwelle vom Osten zum Westen, die die Menschen unter ein himmlisches Banner stellte und sie mit göttlicher Erkenntnis erleuchtete. Das Abendland wurde durch das Licht Christi erleuchtet. Ich bete nachdrücklich darum, daß das Licht in diesem vorangeschrittenen Zeitalter die Welt so erleuchte, daß Alle unter das Banner der Einheit eilen und geistige Erziehung genießen. Dann werden die Probleme, die Zwistigkeiten unter den Menschen hervorrufen, verschwinden, denn wahrlich, sie bestehen nicht. Ihr seid alle die Wogen eines Ozeans, Spiegel, die dasselbe Bild zurückstrahlen.
Gegenwärtig sind die Staaten Europas in Frieden, und Bildung ist allgemein verbreitet. Das Licht der Freiheit erheilt das ganze Abendland und die Absicht der Regierungen ist, für Wahrheit und Gerechtigkeit in den europäischen Ländern einzutreten. Aber stets ist das geistige Licht aus dem Osten gekommen. In diesem Zeitalter ist das Licht matt, die Religion zur Formsache und zur Zeremonie geworden, und die Sehnsucht nach der Liebe Gottes ist erloschen. In den Zeiten großer geistiger Dunkelheit ist ein Licht im Osten aufgegangen und nun sind wiederum die Strahlen der Gotteslehre zu Euch gelangt. Wie Bildung und Fortschritt vom Westen nach dem Osten gelangt, so nimmt das geistige Licht seinen Weg vom Osten zum Westen.
Ich hoffe, daß die Abendländer durch dies Licht Gottes erleuchtet werden, daß sein Reich kommt, daß sie ewiges Leben erben, daß der Geist Gottes sich wie eine Flamme unter ihnen verbreitet und daß sie mit dem Wasser des Lebens getauft und neu geboren werden. Dies ist mein Wunsch; ich hoffe, daß er Euch dies gnädig verleihe und Ihr glücklich werdet.
So wie Ihr auf geistigem und materiellem Gebiet Fortschritte macht, so möge Euch auch das Licht Gottes zu teil werden.
Gott behüte Euch alle!
[Seite 185]
Die Ankunft in London.
Am Abend seiner Ankunft in London, am Montag den 3. September 1911, sagte Abdul Baha:
Der Himmel hat diesen Tag gesegnet. Es wurde gesagt, daß London eine Stätte werden solle für eine weite Verbreitung des Glaubens. Ich war erschöpft, als ich mich einschiffte, doch als ich London erreichte und die Freunde sah, verschwand meine Müdigkeit. Eure große Liebe erquickte mich. Ich bin sehr erfreut über die englischen Freunde.
Die Gefühle, die zwischen den Orientalen und den Abendländern herrschen, werden verändert durch das Licht der Lehre Baha ’Ullahs. Früher war es üblich, daß wenn ein Abendländer aus dem Glas eines Orientalen trank, dieses als verunreinigt galt und zerbrochen wurde. Heute nun, wenn ein abendländischer Bahai mit einem orientalischen Bahai zu Tische sitzt, werden die Schüsseln und Teller, die er benützte, beiseite gestellt und zu seinem Gedächtnis aufbewahrt.
Abdul Baha erzählte folgende historische Tatsache von wundervoller Bruderliebe: Eines Tags
kam ein Soldat in das Haus eines Bahai und
verlangte, daß kraft einer Vollmacht einer seiner Gäste zur Hinrichtung herausgegeben werde.
Der Herr des Hauses trat an die Stelle seines
Gastes und starb für ihn.
Der Magnet Eurer Liebe zog mich in
dies Land. Ich hoffe, daß das göttliche
Licht hier scheine und der himmlische
Stern Baha ’Ullahs Euch stärke, damit
Ihr zur Ursache der Einheit der Menschheit werdet und Ihr dazu behilflich
seid, daß die Dunkelheit des Aberglaubens und der Vorurteile verschwinde
und alle Religionen und Nationen vereint
werden. Dies ist ein leuchtendes Zeitalter. Die Augen sind jetzt geöffnet
für die Schönheit des Einheitsgedankens,
für liebevolle, brüderliche Vereinigung.
Die Macht der Vorurteile wird schwinden und die Sonne der Einheit wird
scheinen. Wir können Liebe und Einigkeit nicht verwirklichen, wenn wir
bloß darüber sprechen. Die Kenntnis davon allein genügt nicht. Reichtum, Wissenschaft, Bildung sind gut, wie wir wissen, aber wir müssen uns bemühen und
darnach trachten, die Wissenschaft zur
Blüte zu bringen.
Die Erkenntnis ist die erste, der Entschluß die zweite und die Tat die dritte Stufe. Um ein Gebäude aufzurichten, muß man zuerst einen Plan entwerfen, dann die Mittel besitzen, und hierauf den Bau beginnen. Eine Vereinigung kann gebildet werden, dies ist gut — aber Versammlungen und Unterredungen genügen nicht. In Aegypten finden solche Versammlungen statt, aber es ist ein bloßes Reden ohne tatsächliche Verwirklichung. Diese Versammlungen hier in London sind gut, die Auffassung und die Absicht ist gut; wie ist aber ein Erfolg ohne Tätigkeit möglich? Heutigen Tages ist die einigende Kraft der erhabene Geist Baha ’Ullahs. Er offenbarte diesen Geist der Einheit. Baha ’Ullah vereinigt den Osten und Westen. „Laß vor deinen Augen die Weltgeschichte vorüberziehen, du wirst keinen finden, der vor ihm diesen Gedanken so betonte.“
Ueber Unterschiede.
Gott schuf die Welt als Einheit — die Grenzen sind durch die Menschen gesteckt worden. Gott hat das Land nicht verteilt, aber jeder Mann hat sein Heim und seinen Besitz, Pferde und Hunde teilen ihr Gebiet nicht ab. Ueber dies sagt Baha ’Ullah: „Des Menschen Ruhm besteht nicht darin, daß er sein Land liebt, sondern daß er die Menschen liebt.“ Alle bilden eine Familie, ein Geschlecht, alle sind Menschen. Die Landesgrenzen sollten nicht die Trennung der Menschen bewirken.
Eine der größten Ursachen zur Trennung ist die Hautfarbe. Seht, welche
Macht dieses Vorurteil gegen die Farbe
z.B. in Amerika ausübt. Seht, wie sie
sich gegenseitig hassen. Tiere hassen
sich nicht wegen ihrer Farbe. Wahrlich,
der Mensch, der so viel höher steht als
[Seite 186]
das Tier, sollte sich nicht unter dieses
stellen. Denke hierüber nach. Welche
Unwissenheit besteht doch! Weiße Tauben streiten nicht mit grauen Tauben
ihrer Farbe wegen, aber weiße Männer
kämpfen mit schwarzen. Dieses Rassen-Vorurteil ist eines der schlimmsten von
allen.
Im Alten Testament ist gesagt, daß Gott den Menschen nach Seinem eigenen Bilde schuf. Im Koran steht geschrieben: „Es gibt keinen Unterschied unter den Geschöpfen Gottes!“ Denke wohl darüber nach: Gott erschuf alle, sorgt für alle, und alle stehen unter seinem Schutz. Gottes Weisheit ist höher als unsere Weisheit. Wie könnten wir Gottes Weisheit erfassen?
Ueber Religion.
Den meisten Menschen, die nicht die Botschaft dieser Lehre vernommen haben, erscheint die Religion als eine äußerliche Form, als ein Mittel zum Lebensunterhalt oder als eine ehrfurchtgebietende Einrichtung. Es gibt Priester, die aus keinem anderen Grund ihren Beruf ausüben, als dadurch eine Lebensstellung zu haben. Sie selbst glauben nicht an die Religion, die sie lehren.
Würden diese Männer ihr Leben für ihren Glauben hingeben? Verlange von einem solchen Christen, er möge Christus verleugnen, um sein Leben dadurch zu retten, und er wird es unverzüglich tun.
Verlange von einem Bahai, einen der großen Propheten zu verleugnen, seinen Glauben an Moses, Mohammed oder Christus zu leugnen, so wird er dir sagen: Lieber will ich sterben. Solch ein Mohammedaner-Bahai ist ein besserer Christ als viele Namenchristen.
Ein Bahai verleugnet keine Religion; er anerkennt die Wahrheit in allen Religionen und würde sterben, um sie hochzuhalten. Er liebt alle Menschen wie seine Geschwister, aus welcher Klasse, aus welcher Rasse oder Nation, von welchem Glauben oder welcher Farbe sie auch seien, ob gut oder schlecht, ob reich oder arm, schön oder häßlich.
Er begeht keine Gewalttat; wenn er geschlagen wird, gibt er den Schlag nicht zurück. Er nennt nichts schlecht, indem er dem Beispiel Baha ’Ullahs folgt. Als Förderer der Temperenz trinkt er weder Wein noch Spirituosen. Baha ’Ullah sagte, daß es für den gesunden Menschen nicht gut ist, etwas zu sich zu nehmen, das seine Gesundheit und seine Sinne schwächt.
Die Religion Gottes hat zwei Seiten in dieser Welt. Die geistige (wahre) und die formale (äußerliche). Die formale Seite wechselt, wie sich die Menschen von Jahrhundert zu Jahrhundert (oder von Zeitabschnitt zu Zeitabschnitt) ändern. Die geistige Seite, die die Wirklichkeit ist, ändert sich nie. Die Propheten und die Manifestierten Gottes bringen immer dieselbe Lehre; zu Anfang halten sich ihre Anhänger an die Wahrheit, aber nach einer gewissen Zeit entstellen sie dieselbe. Die Wahrheit wird dann durch Menschenwerk in äusserliche Formen und Gesetze verzerrt. Ein dichter Schleier wird über die Wirklichkeit und Wahrheit gezogen.
Dieselbe Botschaft, die Moses und Jesus den Menschen brachten, bringt auch Baha ’Ullah.
Zu allen Zeiten sendet Gott ein großes Licht zu uns, wodurch wir neues Leben empfangen, aber die Wahrheit, die jede Manifestation bringt, ist die gleiche. Die Wahrheit ändert sich nie, aber die geistige Erkenntnis der Menschen ändert sich. Sie wird unfähig und verwirrt und erschwert durch die hinzutretenden äusseren Formen.
Die Wahrheit der Religion ist leicht verständlich, obgleich die äußeren Formen, in denen sie sich ausdrückt, oft den
[Seite 187]
Verstand verwirren. Mit dem geistigen
Wachstum erkennt der Mensch die Torheit des äußeren, menschlichen Beiwerkes und verschmäht es.
Deshalb verlassen viele die Kirchen, denn letztere legen auf das Aeußerliche oft zu großen Nachdruck.
Uebers. v. Fr. A. Schwarz. (Forts. folgt.)
Aus Tablets von Abdul Baha, Ba. I, S. 13.
Der weise Mensch freut sich in den Tagen der Trübsal, sein Herz weitet sich zur Zeit, da heftige Stürme toben, sein Auge leuchtet, wenn er die Regenschauer und brausenden Stürme erlebt, durch welche Bäume entwurzelt werden, denn er sieht das Resultat und das Ende (dieser Prüfungen), die Blätter, Blüten und Früchte bringen. Der unwissende und kurzsichtige Mensch aber ist bestürzt, wenn er einen Sturm nahen sieht und traurig, wenn Regengüsse niederstürzen; er ängstigt sich beim Donnerschlag und bebt beim Rollen der Wogen, die an das Ufer schlagen.
Abdul Baha Abbas.
Parolado de Abdul Baha al la teozofia societo en Parizo.
XI. La poienco de la Sankta Spirito, kiu sole estigas la spiritan evoluon,
Spirita evoluo povas nur estigata per la spiro de la Sankta Spirito. La materia mondo povas multe progresi, Si povas sin belege ornami; se la animo ne estas en $i, fi estas tamen nenio alia ol morta korpo. La animo vivigas la korpon; la korpo sole ne havas signifon. Sen la benado; de la Sankta Spirito la materia korpo estus malkapabla kaj malagema.
Jen en mallongaj vortoj kelkaj el la principoj de la instruoj de Baha’ Uilah. Decas por ni &iuj, ami la veron. Ni Ziutempe kaj en &iu lando ser&u la veron, kaj ni atentigu, ke ni ne preferu la personecon. Ni rigardu la lumon, kie ajn Si estas, kaj ni zorgu pri tio, ke ni kapablißos, ekkoni la veron; fi levißu, kie ajn gi estas. Ni en spiru la bonodoron de la rozoj meze de dornoj, kiuj ilin Cirkaüas; ni trinku la fluantan akvon de iu pura fonto.
Depost mia alveno en Parizo estis al mi granda $ojo, kunveni kun tiaj Parizanoj kiel vi. Dank’ al Dio, vi estas inteligentaj kaj senantaüjußaj; vi sopiras la konatißon kun la vero, Viaj koroj estas plenaj je amo por la homaro kaj ekzercas laüforte pri la aferoj de l’ amo por la proksimulo kaj en disvastigo de la unueco. Tio estas la lefafo, kiun Baha’ Ullah deziras.
Pro tio mi estas felia Ceesti, kaj mi pre$as por vi, ke vi fariu iloj por la disvastigo de spiriteco, kaj ke vi ricevu la benadojn de Dio. -Vi jam havas mirindan materian civilizacion, kaj vi ricevos en sama maniero ankaü spiritan civilizacion.
Sinjoro Blek dankis al Abdul Baha, kaj
li rediris:
[Seite 188]
„Mi estas al vi tre danka por viaj afablaj vortoj kaj via humaneco kiun vi jus esprimis. Mi esperas, ke niaj spiritaj movadoj disvastißos iom post iom en la tuta
mondo. Tiam la unueco de !’ homaro stari gos sian tendon en la mezpunkto de la mondo.“
Klarigoj de la dekunu principoj en la instruoj de Baha’Ullah.
I. principo.
La serCado al vero.
Kiam homo volas sukcesi en sia ser&ado al vero, tiam antaü io li devas fermi siajn okulojn kontraü la tradicia superstiCo. La judoj havas tiun supersticon, la anoj de Budha kaj Zoroaster ne estas liberaj de $i, same ankaü:ne la kristanoj. Ciuj religioj enhavas Aradiciojn kaj dogmojn. Ili rigardas sin kiel la solaj gardantoj de la vero kaj opinias, ke Ciu alia religio estas kunmetita- el eraroj. lli mem estas pravaj, la aliaj malpravaj. La judoj opinias, ke ili sole posedas la veron kaj kondamnas &iujn aliajn religiojn. La kristanoj asertas, ke ilia religio estas la sole vera kaj Ciuj aliaj estas malveraj. La samajn opiniojn havas ankaü la budhanoj kaj mohamedanoj; &iuj limigas sin mem. Se Ciuj kondamnas unu la alian, Cu ni povas serli veron? Ciuj kontraüparolas unu la alian, &iuj ne povas esti veraj. Kiam &iuj ano) de la apartaj religioj pretendas, ke ilia religig estas la sole vera, tiam ii vualigas siajn okulojn rilate al vero en aliaj religio, Ekzemple, se judo plenumas la eksterajn kutimojn de la religio de Israel, tiam li ne permesas al si konfesi, ke vero estas ankaü en iu alia religio; laü lia opinio {io bona estas nur en havanta en lia propra religio.
Pro tio ni devas nin liberigi de la eksteraj formoj kaj kutimoj de la religio. Ni devas pripensi, ke tiuj fomoj kaj kutimoj — kiom ajrı belaj ili estas — estas kvazaü nur vestajo], kiuj vestas la varman koron kaj la vi. vajn membrojn de dia vero. Se ni volas esplori la veron el la kvintesenco de Äuj religioj, tiam ni devas liberigi nin de tradiciaj antaljufoj. Se ano de Zoroaster kredas, ke la suno estas Dio, &u lia kredo povas esti unuigata kun alia religioj? Cu la idolanoj, kredantaj al siaj diversaj idoloj, povas kompreni la unuecon de Dio?
Se ni volas progresi en nia serlesplorado al vero, estas klare, ke ni devas nin liberigi de &iu superstiCo. Se &iuj serlantoj priatentus tiun principon, ilı baldaü havus klaran opinion pri la vero.
Se kvin personoj unuigas, por esplori la
veron, ili devas komenci liberigi sin de &iuj
propraj apartaj imagoj kaj $isnunaj ideo;.
Malka$ita sentema animo estas la leio. Se
ni estas plenigitaj de nia propra personeco
ne estas loko en ni por la vero. La fakto,
ke ni opinias, ke ni sole estas pravaj kaj
aliaj malpravaj, estas la plej granda malhelpajo sur la vojo de I’ unueco. Unueco
estas necesa por la esploro de la verv;
estas nur unu vero.
Ni &iam denove ripetas, ke ni devas nin liberigi de Ziuj propraj antaüjugoj. Se ni ne diferencigas inter dogmoj, superstilo kaj antaüjußoj unuflanke kaj la vero alillanke, ni ne sukcesos. Se ni serioze ion esploras, ni serlas lie pro tio. Tiun Öi principon ni devas ankaü uzi en nia esploro al vero.
La scienco devas esti akceptata. Umu vero ne povas kontraüparoli la alian. La lumo estas bona, egale en kia ajn lanıpo gi lumas. Rozo estas bela, egale kie ajn gi floras. Stelo havas la samajn belajn radiojn, egale, &u fi brilas en oriento aü en okcidento. Liberigu vin de antaüjugoj, tiam vi amas la sunon de la vero, egale, sur kiu ajn punkto de la horizonto $i levigas. La lumo de I’ dia vero brilis per Jesuo Kristo, sed vi ja devas konfesi, ke $i jam brilis per Moses kaj Budha.
La serioza ser&anto trovos la veron. La veron serli estas, ke ni devas forigi tion, kion ni antale estas lernintaj, lion, kio malhelpas niajn pa$ojn sur la vojo de I’ vero, Se estas necese, ni ne devas Sancelifi, denove komenci je nia edukado. Nine devas permesi, ke nia prefero por iu ajn religio aü por iu ajn persono blindigas niajn okulojn tiom, ke ni estas katenataj per superstico. Kiam ni estas liberigitaj de Ciuj katenoj kaj serCos per malkaSsita animo, tiam ni atingos certe niajn celojn,
„Sercu la veron, $i liberigas vin.“ Tiamaniere ni rigardos la veron en &iuj religioj, Car fi estäs trovebla en Ciuj. Estas nur unu verol
Allah’s Offenbarung an die Menschheit durch Mohammed.
„Wahrlich, schon Mose haben wir das Buch der Offenbarung gegeben und nach ihm noch weitere Boten gesandt. Und Jesus, dem Sohn der Marjam, haben wir die Kennzeichen verliehen und mit dem hl. Geist gestärkt. Und seid ihr nicht jedesmal, wenn Boten euch etwas brachten, was euch nicht zusagte, hochmütig gewesen und habt die einen Lügner genannt und die andern getötet?“
Aus einem Vortrag von Frau Schweizer-Zuffenhausen (11. 1. 23).
In den letzten Tagen wurden einige Fragen über die Bahai-Lehren an mich gerichtet, deren Beantwortung ich nun als Unterlage zu meinem heutigen Vortrage nehmen will.
Entwicklung, Zivilisation, Kultur, Erziehung sind Worte, die wir heute fortwährend hören, und doch sieht die Welt oder das Leben, wenn man sie oberflächlich betrachtet, gar nicht nach Kultur aus. Das fortwährende Auftauchen derartiger Worte zeigt uns aber, daß trotz alledem ein Wille da sein muß, ein treibendes Etwas, das die Menschen nicht ruhen und rasten läßt und sie immer wieder antreibt, zu suchen, ernstlich zu suchen nach einem neuen Erzieher, einem neuen Gesetzgeber. Ich war im Sommer 1921 in Wien bei einem Frauenweltkongress und da zog sich wie ein roter Faden durch alle Beratungen die Sehnsucht nach einem neuen Gesetzgeber. Mich machte diese Sehnsucht unendlich glücklich, denn ich durfte zu den Frauen ja von einem solchen neuen Erzieher und Gesetzgeber sprechen.
Die Erzieher der Vergangenheit waren immer hervorragende Persönlichkeiten, die unerschütterlich fest standen gegen eine Welt der Seichtheit, Oberflächlichkeit, ja man kann sagen Verworfenheit. Ich erinnere nur an Namen wie Abraham, Mose, Christus, Mohammed, Baha 'Ullah und Abdul Baha. Die goldene Erziehungsregel läßt sich in die Worte zusammenfassen:
„Alles, was ihr wollet, daß euch die Leute tun sollen, das tut ihr ihnen.“ Von dieser „goldenen Regel“ kann gesagt werden, daß sie seit lange existiert und daß sie ein Teil aller göttlichen Religionen ist. 1600 Jahre vor der Geburt Christi lautete schon eine ägyptische Grabschrift: „Er suchte für andere das Gute, das er für sich selbst wünschte, laßt ihn weiter wandeln".
Ein Jahrhundert später — 3400 Jahre vor der
gegenwärtigen Zeit — als die Hindu-Königreiche
dem Ganges entlang aufgerichtet wurden, wurde
geschrieben: „Die wahre Geschäftsregel ist, bei
Sachen anderer so zu handeln und sie so zu
schützen, wie ihr es bei euren eigenen tut“.
Vor 2500 Jahren, 600 Jahre v. Chr, und 150 Jahre
vor Plato schrieb Lao Tsee: „Vergeltet Unrecht
mit Güte! Gegen diejenigen, die nicht gut sind,
will ich gut sein, um sie gut zu machen“. Und
ein griechischer Weiser kam den Worten Christi
noch näher mit dem Spruch: „Tue deinem Nebenmenschen nichts, was du ihm übelnehmen
würdest, wenn er es dir tun würde!“ Auch
die Bücher und Pergamentrollen der hebräischen
Gesetzeslehrer enthalten diese Lehre. — In
einem alten, von der Zeit befleckten Pergamente, von dem man glaubt, daß es vor 2500
Jahren geschrieben wurde, steht: „Alles, was
du wünschest, daß dir dein Nebenmensch nicht
tun soll, das tue auch ihm nicht“. Um dies zu
bekräftigen, fügte ein späterer Lehrer
[Seite 190]
(um 600 v. Chr.) unmittelbar hinzu: „Dies ist das ganze
Gesetz. Das übrige ist nur Erklärung von demselben". — Ein Rat von Konfuzius lautet ähnlich dem unseres Sprichworts: „Was du nicht
willst, daß man dir tu, das füg’ auch keinem
andern zu“. -- In den am frühesten bekannten
Schriften von Pta Hotrep in Aegypten (3500 v.
Chr.) ist folgende Vorschrift zu finden: „Wenn
du unter den Menschen bist, so mache für
dich selbst Liebe zum Anfang und zum Ende
des Herzens“. Im Gesetz Moses heisst es:
„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich
selbst“. — Auf dem ersten buddhistischen Konzil, das im Jahre 477 v. Chr. in Rajariha gehalten wurde, verschärften die Schreiber noch
die Vorschrift der ägyptischen Priester, indem sie
schrieben: „Einer sollte für den andern die
Glückseligkeit suchen, die er für sich selbst
wünscht“. Und Christus erklärte selbst, daß die
„Goldene Regel“ das Gesetz und die Propheten
sei. Es ist tatsächlich, daß kein Land, das zu
irgend einer Zeit mehr oder weniger Anspruch
auf wahre Zivilisation gemacht hat, solche grundlegenden ethischen Lehren einer Moral-Philosophen ganz verworfen hat. — Als Alexander
von Mazedonien im Jahre 334 v. Chr. in Persien
einmarschierte, fand er die gebräuchlichste von
all diesen verborgenen, ähnlich lautenden Formeln vor: „Handle, wie du wünschest, behandelt zu werden‘ — so lauten die zoroastrischen
Vorschriften. — Mohammed gab ihr noch einen
anderen Ausdruck, denn der Koran lehrt: „Laßt
keinen von euch seinen Bruder in einer Weise
behandeln, daß es ihm selbst mißfiele, wenn
er so behandelt würde“. — In unserer Zeit
ist noch eine andere Vorschrift von Baha ’Ullah
hinzugefügt worden: „O Sohn des Menschen,
würdest du Barmherzigkeit üben, dann würdest
du nicht auf deine eigenen Interessen sondern
auf die der Menschheit sehen; würdest du gerecht sein, so würdest, du für andere das wählen, was du für dich selbst wählst“.
Ich könnte noch weitere derartige Aussprüche heranziehen; es sind hier nur die durch geschichtliche, schriftliche und mündliche Ueberlieferung am besten bekannten genannt.
Was haben alle diese großen Lehrer gebracht, die immer zu einem Volk kamen, das auf einer tiefen Kulturstufe stand? Was haben sie gelehrt? Sie haben die Menschen gelehrt, sich selbst zu erziehen, sich selbst zu überwinden. Sie haben Gesetze gebracht, die auch die wirtschaftliche Lage eines Volkes zu heben im stande sind. Denken wir nur an die Gesetze Moses. Was haben diese Gesetze aus den verachteten Sklaven, den Knechten der Pharaonen, gemacht? Halten wir uns vor Augen die Macht und das Ansehen Israels zur Zeit des Salomo! — Mohammed brachte die Gesetze Moses, durchdrungen vom Geiste Christi. Darum wird auch von ihm und seinen Anhängern gesprochen als von Menschen, die keine neuen Gesetze und Lehren brachten. Auf welch tiefer Kulturstufe waren die wilden Nomandenstämme Arabiens und wie hoch sind sie in der Folgezeit gestanden! Man denke nur an die Glanzzeit der mohammedanischen Reiche im Mittelalter. Die Absicht dieser Erzieher war immer, das Volk auf eine höhere Kulturstufe zu bringen. Sie waren immer durchdrungen vom Feuer der Begeisterung. Sie haben Licht und Freude in die armen Menschenherzen getragen.
Licht und Freude ist es, was uns heute fehlt! Wir suchen törichterweise die Freude in der äußeren Welt, anstatt in uns. Wenn wir uns von den Sorgen des Alltags befreien — wir machen sie dadurch nicht leichter, wenn wir griesgrämig sind — wenn wir uns in die Schriften dieser Männer versenken, dann kommt jauchzende Freude über uns, und wir achten die tägliche Not gering. Das ist der erste Schritt zur Ueberwindung des Selbstes. Wir können dadurch anderen Freude geben. Wir öffnen die Augen für unsere Mitmenschen, helfen, wo wir können, und das ist rechte Nächstenliebe, wahrer Gottesdienst, denn Menschendienst ist Gottesdienst! Diese Selbstüberwindung, diese Liebe der Tat, ist sie nicht die Befolgung des Wortes: „Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das andere alles zufallen"?
Eine der ersten Forderungen in den Lehren des großen Erziehers des heutigen Zeitalters, Baha ’Ullah, ist auch das selbständige Suchen und Forschen nach Wahrheit, das tiefe innerliche Suchen nach dem Licht: Ein Mensch, der unnachsichtlich nach der Wahrheit forscht, wird unbedingt vorurteilslos. Solange wir irgend welche Vorurteile haben, können wir nicht zu der Wahrheit gelangen. Nur ein aufrichtiger Mensch ist dazu imstande. Die Lauen und Unaufrichtigen gehen nicht in das Allerheiligste, wo alle Schleier gelüftet werden. Zuerst muß man sich selbst erkennen, dann kann man weiterforschen. Solange man noch nicht über Lob oder Tadel der Welt steht, ist es nicht möglich, die Höhen des Forschens zu beschreiten. Der Gemütszustand des Forschenden muß dem eines Verdurstenden gleichen, eines Dürstenden nach dem Wasser des Lebens, einem Irrenden oder Verirrten in der Wüste und Wildnis, bis er die Stimme der Gottheit aus dem Strauche hört. Jeder Mensch muß diesen Weg allein gehen. Erst wenn er, wie einst Jakob, gerungen hat mit dem Engel: „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn", erst dann kann er ein Israel, ein Gottesüberwinder werden, erst dann kann er die höchste Stufe der Geistigkeit erklimmen.
Eingesandte Schriften.
„Deutschland steht entweder vor einem neuen Anfang oder vor dem Untergang“. Dieses Wort Paul de Lagardes, in dem sich Optimismus und Pessimismus begegnen, kann man heute vielfach hören, wenn über unsere politschen, wirtschaftlichen, sittlichen und religiösen Zustände gesprochen wird; und je nach der Weltanschauung, der Geistesrichtung und politischen Einstellung bejaht der eine den ersten, der andere den zweiten Teil des Satzes. Wer recht hat, ist schwer zu sagen. Wir wissen nur, daß wir uns zur Zeit in einer schweren Krisis befinden, die zur Gesundung, aber auch zum schlimmen Ende führen kann. Doch nicht bloß wir, auch die übrigen Völker stehen an einem Wendepunkt, vor einer Entscheidung über ihr künftiges Schicksal und ihre Weltbedeutung. Die Gestaltung des Völkergeschickes in der Zukunft wird abhängen von den Fragen: Soll auch ferner das Wort gelten: „Macht geht vor Recht“, oder soll das Prinzip des Rechts und der Gerechtigkeit in den Beziehungen der Völker zur Geltung kommen? Soll der Klassen-, Volks- und Rassenegoismus auch künftig über den altruistischen Gedanken siegen? Werden die finsteren Mächte des Hasses, der Rache und der Zwietracht den göttlichen Kräften der Liebe, des Friedens und der Einigkeit weichen? Vorerst hat es noch den Anschein, als ob das böse Prinzip, die dunklen Mächte in den materiellen und geistigen Kämpfen der Völker triumphieren würden, daß das, was der Krieg nicht ausrichten konnte, nun der „Friede“ zuwege bringen müsse. Es kommt nun ganz darauf an, wie sich in Zukunft die Menschen im einzelnen und die Völker im ganzen zu diesem Kampfe stellen. Zwei Richtungen, verschieden in politischer und ethischer Gesinnung stehen sich gegenüber: die eine, „das atomisch-mechanische Prinzip des triebhaften Tiermenschen" — mit der bekannten Forderung: „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ — vertretend, die andere, das „geistig-ethische Prinzip“ hochhaltend, das Liebe gegen Haß, Sanftmut gegen Gewalt, Gut gegen Bös setzt. Jede dieser Richtungen glaubt, ihr Weg führe zum Ziel. Für den Bahai steht von vornherein fest, auf welche Seite er sich zu stellen hat: für ihn gilt das Gesetz der Liebe in allen Lebenslagen und in allen Lebensbeziehungen. Diesen Geist der Liebe und des Friedens atmen auch die beiden Schriften von Raimund Eberhard , Landgerichtsrat in Schwerin:
1. Von der Vaterlandsliebe und vom deutschen Wesen. (Verlag „Friede durch Recht", Ludwigsburg).
2. Das deutsche Herz. Gedichte. (Verlag E. Herberger, Schwerin.
Solche Schriften zu lesen und sie auf Herz und Gemüt wirken zu lassen, ist immerhin wohltuend. Wie ganz anders stünde es in der Welt, wenn einmal die Menschen, namentlich aber die leitenden Staatsmänner aller Länder, nicht mehr von den Macht-, Haß- und Rachegedanken sich leiten ließen, sondern den Gedanken der Liebe, des Friedens, der Gerechtigkeit und der Solidarität Raum geben würden. Der Feindseligkeit mit Liebe zu begegnen ist nicht Schwäche, sondern höchste sittliche Kraft, der der größte Enderfolg verheißen ist, denn „die Sanftmütigen werden das Erdreich besitzen“ (Matth. 5,5).
Einsteins Relativitätstheorie und Ostwalds Farbenlehre haben in den letzten Jahren Wissenschaftler und Laien viel beschäftigt, Verteidiger und Gegner auf den Plan gerufen. Gegen Einstein haben eine Reihe von namhaften Physikern, Mathematikern u. Philosophen Stellung genommen und seine Theorie als „eine im Grund verfehlte und logisch unhaltbare Fiktion“ abgelehnt. Gegen die neue Farbenlehre wendet sich namentlich Dr. H. Ziegler in Zürich, der alle Farben als „lineare Wirkungen des ewigen Lichts im Raum“ auffaßt. Seine Farbenlehre ist der Ausfluß seiner Erkenntnis von der „Dreieinigkeit des Urlichts, des Urraums und der Urzeit“. Das Studium der Farben führte Ziegler zur „Farbenkugel“ und damit zur Entdeckung der „universellen Weltformel“. Wir müssen uns leider versagen, hier auf die interessanten und originellen Gedankengänge Zieglers bei der Entwicklung seiner „Weltformel“ einzugehen. Wer Näheres darüber erfahren möchte, dem empfehlen wir das Studium seiner Schriften: „Die universelle Weltformel“ und „Die Umwälzung in den Grundanschauungen der Naturwissenschaft“, sowie das Schriftchen: „Relativitätstheorie und Ostwalds Farbenlehre an der Leipziger Zentenarfeier" (Ein Vergleich mit Zieglers Urlichtlehre von J. E. G. Hirzel). Für Anhänger der Bahailehre, zu deren Prinzipien auch die „Einheit von Religion und Wissenschaft" gehört, sind besonders noch von Wert die vier Vorträge Dr. Zieglers über „Die wahre Einheit von Religion und Wissenschaft“, Sämtliche Schriften sind erhältlich im Weltformel-Verlag Zürich, Talstraße 29. J.
MITTEILUNG VOM VERLAG.
Durch weitere Verteuerung aller Materialien und des Drucks unserer Zeitschrift sind wir genötigt, den Abonnementspreis ab I. Januar 1923 auf Mk. 300.— für das laufende Vierteljahr festzusetzen.
Ferner teilen wir mit, daß die Broschüre „Das Hinscheiden Abdul Bahas“ erschienen ist und zum Preis von Mk. 155.— bezogen werden kann.
VERLAG DES DEUTSCHEN BAHAIBUNDES
Hölderlinstraße 35.
Verlag des Deutschen Bahai-Bundes Stuttgart
Fernsnrecher 7675 — -- Postscheckkonto 25419 Stuttgart — — Hölderlinstrasse 35
In unserem Verlag sind erschienen:
1. Die Geschichte der Bahai-Bewegung, von S. S. Deutsch von Wilhelm Herrigel. Dritte Ausgabe . . . 100.--
2. Bahai-Perlen, Deutsch von Wilhelm Herrigel . . . . 100.--
3. Ehe Abraham war, war Ich, v. Thornton Chase. Deutsch v. W.Herrigel . . . . 100.--
4. Das heilige Tablet, ein Sendschreiben Baha’o’llahs an die Christenheit. Deutsch von Wilhelm Herrigel . . 100.--
5. Die Universale Weltreligion. Ein Blick in die Bahai-Lehre von Alice T, Schwarz . . . . 150.--
6. Die Offenbarung Baha’o’llahs, von J.D. Brittingham. Deutsch von Wilhelm. Herrigel . . . 150.--
7. Verborgene Worte von Baha o’Ilah. Deutsch v. A. Braun u. E. Ruoff . . . 200.--
8. Baha’o lab, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. Deutsch von Wilhelm Herrigel, in Halbleinen gebunden . . . 800.--
in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 1000.--
9. Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrehte und die einzelne Persönlichkeit, von Dr. jur. H. Dreyfus, Deutsch von Wilhelm Herrigel. Neue Auflage . . . 150.--
10. Die Bahaibewegung im allgemeinen und ihre großen Wirkungen in Indien, von Wilhelm Herrigel . . . 150.--
11. Eine Botschaft an die Juden, von Abdul Baha Abbas. Deutsch von Wilhelm Herrigel . . . 100.--
12. Abdul Baha Abbas, Ansprachen über die Bahailehre. Deutsch von Wilhelm Herrigel,
in Halbleinen gebunden . . . . . 1200.--
in feinstem Ganzleinen gebunden. . . . . 1500.--
13. Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahaireligion, von Mirza Abul Fazl. Deutsch von W. Herrigel,
in Halbleinen geb. . . . . 2000.--
In Ganzleinen gebunden . . . . 2500.--
14. Abdul Baha Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Dhelps.
Deutsch von Wilhelm Herrigel, in Ganzleinen gebunden . . . . 1500.--
15. Das Hinscheiden Abdul Bahas, ("The Passing of Abdul Baha") Deutsch von Alice T. Schwarz . . .155.--
Der Versand erfolgt gegen Nachnahme oder gegen Voreinsendung des Betrages.
Anfragen, Beiträge und alle die Schriftleitung betreffende Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstraße 3 zu senden :-: Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an den Verlag des Deutschen Bahaibundes Stuttgart, Hölderlinstraße 35 zu richten.
Druck: Wilhelm Heppeler, Stuttgart.
Geschichte und Bedeutung der Bahailehre.
Die Bahai-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.
Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahaibewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahaireligion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Baha’o’llahs, Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Baha’o’llahs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahai (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Baha’o’llah vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi (Abdul Baha) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahai der Welt.
Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahai, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China etc. Dies kommt daher, daß Baha’o’llah den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.
In Baha’o’llah sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. In der Bahaireligion gibt es keine Priesterschaft und keine religiösen Zeremonien. Ihr einziges Dogma ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Baha’o’llah),
Die Hauptschriften Baha’o’llahs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt. Niemand ist mit der Macht betraut, Sündenbekenntnisse entgegenzunehmen oder Absolution zu erteilen.
Die Priester der bestehenden Religionen sollen den Zölibat (Ehelosigkeit) aufgeben, durch ihr Beispiel predigen und sich im praktischen Leben unter das Volk mischen. Monogamie (die Einehe) ist allgemein gefordert, Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Baha’o’llah eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Baha’o’llah.
Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von Abdul Baha erstrebt wird. (Vgl. Naveau Larousse, illustre supplement, p. 66.)
�