| SONNE DER WAHRHEIT | ||
| Heft XI | JAN. 1923 | |
| ORGAN DES DEUTSCHEN BAHAI-BUNDES STUTTGART | ||
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Die Hauptpunkte der Bahailehre
1. Die gesamte Menschheit ist als Einheit anzusehen. Alle Vorurteile gegenüber anderen Menschen, Völkern und Rassen müssen beseitigt werden.
2. Alle Religionen müssen sich in einer höheren Einheit zusammenfinden. Ein Gott, eine Religion.
3. Durch einen festgegliederten, allumfassenden Völkerbund und ein internationales Schiedsgericht muß der universale, dauernde Weltfrieden gesichert werden.
4. Neben der Muttersprache soll in jedem Land der Erde eine Welt-Einheitssprache eingeführt und gelehrt werden.
5. Jeder Mensch hat dasselbe Anrecht auf die geistigen und materiellen Güter des Lebens.
6. Die Menschen haben die Pflicht, nach Wahrheit zu forschen. Zwischen wahrer Religion und Wissenschaft besteht kein Widerspruch.
7. Beide Geschlechter sollen die beste Erziehung und eine der Begabung entsprechende Ausbildung erhalten.
8. Mann und Frau haben überall die gleichen Rechte. Jede Art von Hörigkeit ist streng verboten.
9. Für jeden Menschen besteht die Pflicht zur Arbeit. Für Arbeitsunfähige und Erwerbslose tritt eine gesetzliche staatliche Fürsorge ein.
10. Die schlimmen Wirkungen des Kapitalismus werden durch ein neugeordnetes, weises Erbrecht und durch geeignete Sozialisierung beseitigt.
11. Für jedes Gemeindewesen, wie für den Staaten- und Völkerbund, wird eine Verwaltungsbehörde mit bestimmten Verordnungsrechten u. Fürsorgepflichten -— das sog. Haus der Gerechtigkeit — eingesetzt. Im übrigen hat der Bahai jeder staatlichen Obrigkeit zu gehorchen.
12. Die Bahailehre ist die Universal- und Einheitsreligion für die ganze Menschheit. Der Mittelpunkt des neuen Gottesbündnisses und der Erklärer der Lehre war Abdul Baha (Abbas Effendi), dem diese Stellung von seinem Vater Baha ’Ullah (Hussein Ali-Nuri) übertragen wurde. Vor seinem Hinscheiden hat Abdul Baha seinen Enkel Shoghi Effendi zum Hüter und Beschützer der Bahaisache bestimmt.
| SONNE DER WAHRHEIT ORGAN DES DEUTSCHEN BAHAI-BUNDES Herausgegeben vom Verlag des Deutschen Bahai-Bundes Stuttgart Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz - Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3 Preis des Einzelheftes M. 55.—, Preis des Jahrgangs im Abonnement, vierteljähr. M. 300.— |
| Heft 11 | Stuttgart, im Januar 1923 | 2. Jahrgang |
Inhalt: Telegramm aus Haifa. — Telegramm nach Haifa. — Worte von Baha ’Ullah. — Aus einer Unterredung Abdul Bahas mit Miss Marie Watson in Haifa 1921. — Brief vom „Größten Heiligen Blatt“. - Abdul Baha in London 1911. — Dekunu principoj en la instruoj de Baha ’Ullah klarigita per Abdul Baha. - Parolado de Abdul Baha al la teozofia societo en Parizo. — Lebenskunst. — Zum neuen Jahr. -
O Sohn der Herrlichkeit!
Beeile dich auf dem Weg zur Heiligkeit und tritt ein in den himmlischen Zustand des Vertrautseins mit Mir. Läutere dein Herz im Glanz des Geistes und sei bereit, den Ruf des Höchsten zu vernehmen!
Baha ’Ullah.
Christus lebt immer in dieser Welt, er ist nie aus ihr geschieden. — — — Seid dessen ganz gewiß, daß Christus immer unter Euch ist. Die geistige Schönheit, die wir heute um uns sehen, kommt vom Hauche Christi.
Abdul Baha.
Ich erkläre beim Ozean des göttlichen Wissens, daß ein Augenblick in diesen Tagen köstlicher ist als viele verflossene Jahrhunderte und Zeitalter; dies bezeugt euer Gott, der euch aus Gnade erwählt hat.
Sei entzündet durch das Feuer, das in der Welt brennt, damit durch dich jeder Einzelne — wer es auch sei auf dieser Erde - entflammt werde. Denke nicht, daß es ein verzehrendes Feuer ist, sondern ein Licht, und in seine Strahlen werden alle getaucht — wer es auch sei — in allen Ländern und Regionen.
Von welchem Nutzen ist ein Leben, über das der Tod herrscht, oder eine Zeit, die verrinnt, oder eine Gnade, die nur eine Zeit währt?
Entfacht in jeder Seele den Wunsch, auf die höchste Stufe zu gelangen. Der Mensch darf nicht darauf blicken, was in ihm selbst ist, sondern darauf, was in Gott ist. Es steht ihm nicht zu, auf das zu schauen, was ihm von Nutzen ist, sondern auf das, wodurch das Wort Goltes, dem gehorcht werden muß, verherrlicht wird.
Baha 'Ullah.
Telegramm aus Haifa.
Believers in Germany care Consul Schwarz 3 Alexanderstr. Stuttgart
United thus far with you in my thoughts and meditations I now gladiy add the further bond of active participation in a life long service at the threshold of Baha ’Ullah.
Shoghi.
Wann auch ferne bin ich mit Euch vereint in meinen Gedanken und Betrachtungen. Ich knüpfe erneut das Band tätiger Mitarbeit in lebenslangem Dienste an der hl. Schwelle Baha ’Ullahs.
Shoghi
Telegramm nach Haifa.
Shoghi Effendi Haifa.
Believers delightet promis faithful service.
Die Gläubigen sind hocherfreut, geloben treuen Dienst.
Schwarz
Worte von Baha ’Ullah.
(Aus „Bahai“, the spirit of the Age, Horace Holley.)
Ich schlief auf meinem Lager. Der Hauch meines Herrn, des Barmherzigen, wehte über mich hin und erweckte mich und befahl mir (Seine Lehre) zu verkünden zwischen Himmel und Erde. Dies kam nicht aus mir selbst, sondern von Gott, und dies bezeugen die Heerscharen der Reiche Seiner Macht und Seines Königreichs und die Bewohner der Sphären Seiner Herrlichkeit. Ich werde nicht ungeduldig über die Trübsale auf Deinem Weg, oder wegen der Anfechtungen, die wie Frühregen auf Deine grünen Auen fallen. Ich bin wie ein Docht für Seine Lampe, durch die Himmel und Erde erleuchtet ist. Sollte jemandes Besitz ihm heute verbleiben oder morgen ihm alles bedeuten, auch nur einen Augenblick? Kann man beim Anblick solcher, die unter Denkmälern ruhen — und in den Staub gesunken sind — die Gebeine eines Königs von den Knochen eines Sklaven unterscheiden? Nein, beim König aller Könige!... Wo ist die Glut ihrer Blicke, die Schärfe ihres Schauens, die Tiefe ihres Begreifens? Bei Gott, der Unterschied ist behoben, hier gilt nur, der Recht tut und mit Gerechtigkeit richtet... Wehe! Alle sind dahin und das Gebot Gottes gab sie dem Staub zurück. Eitel ist, was sie an Schätzen anhäuften, zerstreut ist, was sie sammelten und verschwunden ist, was sie verbargen. Nun siehst du nichts als ihre leeren Plätze, ihre eingestürzten Dächer, ihre entwurzelten Bäume, ihre neuen Gedanken, die doch veraltet sind. Den weisen Menschen wird wahrlich der Reichtum nicht abhalten, sein Ende zu bedenken, wie auch der kluge Mann sich vom Reichtum nicht abhalten lassen wird, sich Gott, dem Reichen, dem Erhabenen zuzuwenden...... Wo sind sie, durch deren Güte Reichtümer verschwendet wurden, durch deren Freigebigkeit der Ozean ausgeschöpft wurde?
Wehe! Sie sind hinabgestürzt in die
Abgründe und dem Geröll gleich geworden! Heute wird über sie kein
Laut vernommen noch irgend ein Wort
von ihnen gehört; nichts ist von ihnen
mehr bekannt, nicht einmal die leiseste
Erinnerung. Wollen die Menschen dies
bestreiten, obwohl sie es erkennen?
Wollen sie es leugnen, obwohl sie es wissen? Ich weiß nicht, in welches Tal sie
irrend wandern; sehen sie nicht, daß sie
scheiden, ohne wiederzukehren? Wie
lange wollen sie absteigen und aufsteigen, geistig emporkommen und niedergehen? Ist die Zeit noch nicht gekommen für die, die da glauben, für
ihre Herzen, daß sie demütig werden
im Gedanken an Gott?..... Ach!
Nichts reift aus, was nicht gesät ist, und
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nichts kann weggenommen werden, was
nicht angehäuft ist, außer es sei durch
die Gnade Gottes und durch Sein Mitleid.
.... Haben wir irgend gute Werke vollbracht, durch die unsere Mängel behoben werden oder die uns dem Herrn
alles Seins näher bringen? Wir bitten
Gott, mit uns zu verfahren nach Seiner
Gnade, nicht nach Seiner Gerechtigkeit,
uns zu denen zu machen, die sich zu Ihm
wenden und die nur allein Ihm gehören,
die frei sind von allem Weltlichen.
Uebersetzt von Fr. A. Schwarz.
Aus einer Unterredung Abdul Bahas mit Miss Marie Watson in Haifa 1921.
Du bist ungerufen zu mir gekommen. Andere haben um die Erlaubnis, zu mir zu kommen, erst nachsuchen müssen. Ich habe dich auf diese Weise geehrt. Wie groß diese Gunst ist, wirst du und andere erst später erkennen. Sei Gott dafür dankbar! Ich werde immer für dich beten und dich nimmer vergessen.
Die Welt ist größtenteils fern von Gott. Bliebe sie sich selbst überlassen, so würde sie zugrunde gehen. Die Bahais haben das Heilmittel zur Genesung der Menschheit in Händen. Wenn sie es nicht anwenden, wird Gott ein „fremdes“ Volk hiezu erwecken, denn er hat wahrlich die Macht, dies zu tun. Wir dürfen nicht in Nachlässigkeit unsere Zeit mit der Besprechung nutzloser Dinge vergeuden, müssen vielmehr darüber nachsinnen, wie wir der hilfsbedürftigen Welt aufhelfen können. Es genügt nicht, wenn die Gläubigen einander persönlich lieben, eine allumfassende Liebe ist notwendig. Was nützt es, zu sagen: Ich liebe Gott? Den Baum erkennt man an seiner Frucht, ebenso wird Liebe durch Taten offenbar. Echte Liebe muß sich in der Handlungsweise äußern, sonst ist sie wertlos. Es fehlen dann die Früchte, und die Welt sucht solche bei ihnen, wie sie auch nach Fehlern der Freunde sucht — sogar mit dem Mikroskop. Der Mensch muß deshalb an sich arbeiten, damit er geistig erleuchtet und befähigt wird, zum höchsten Maß der Vollkommenheit zu gelangen.
Glaubst du, daß jedermann die Gunst genießt, hierher kommen zu dürfen? Dem ist nicht so. Was im Herzen ruht, wird hier stark. Daher ist es am besten, ganz frei von jedem Ehrgeiz hieherzukommen, mit reinem Herzen und reinen Absichten.
Ich pflanzte ein Samenkorn in deinen Geist; wenn dein Herz es aufnimmt, so wird es zu einem Baum und wird Früchte tragen. Dies sind die göttlichen Tugenden, wie Geduld, Liebe, Glaubensmut, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit - auch Gerechtigkeit gegen dich selbst. - Man muß lernen, schwarz von weiß, Licht von Schatten zu unterscheiden. Man sollte der Antwort des Geistes lauschen, um dadurch die Antwort auf schwierige Probleme zu erhalten. Du hast große Fähigkeiten, und es wird vieles von dir erwartet; deine Verantwortung ist deshalb auch groß gegen die Menschheit, die im allgemeinen im Meer des Materiellen versunken ist.
Wenn die Gehirnzellen tätig sind, so reagieren sie auf himmlische Schwingungen. Diese Zellen sind aber bei der Mehrheit der menschlichen Wesen latent (ruhend). Durch Dienst an Nebenmenschen, Gebet und Meditation erwachen sie. Dies ist der Zustand, in den die Jünger kamen, als sie mit Christus in Verbindung traten.
Die Zahl der erkennenden Seelen, welche die Wirklichkeit der göttlichen Lehren denkend erfassen, ist in allen Zeitaltern klein. Einigkeit verbindet das Herz der Freunde Gottes; sie zieht den Geist Gottes an. Empfängliche Seelen erlangen dann die Gnade der göttlichen Geheimnisse und werden zu Verbreitern des Lichts.
Disharmonie verhindert die Anziehung
der göttlichen Lebenskräfte und alle
gehen ihrer Wirkung verlustig. Dies ist
ein großer Verlust. Man muß sich daher
bemühen, diese Einigkeit zu verbreiten,
die für das Leben der Gläubigen wesentlich ist. Dann wird die Lehre im größten Wachstum sich entwickeln, und diese
Welt wird eine neue Welt werden. Dieser Zustand muß aber durch die Anstrengung der Menschen und die Verwirklichung des göttlichen Willens entstehen. Sei immer tätig in dieser großen
Arbeit, Trage die frohen Botschaften in
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die Welt, sei ein Freudebringer und
mache andere Menschen glücklich.
Denke und sprich niemals von unrechten Dingen. Sprich von der Liebe und Güte Gottes gegen seine Geschöpfe. Zeige den Menschen, was diese Liebe für dich vollbracht hat und wie sie entscheidend ist im Leben. Du bist ein lebendiges Zeugnis seiner Liebe. Sei glücklich, sei überglücklich und dankbar für diese Güte, die dir von der „Gesegneten Schönheit“ zuteil wurde. Ich verpflichte dich, mit aller Kraft dich anzustrengen und die Seelen auf die Wichtigkeit der Einigkeit unter den Freunden aufmerksam zu machen. Gott wird dir dabei helfen. Fürchte nicht die Kritik der Achtlosen. Sei stets im Dienst für das Königreich tätig! Dein Herz muß wie ein Kelch sein, der zum Ueberfließen mit der Gnade der Gesegneten Vollkommenheit gefüllt ist. Dies wünsche ich für dich. Ich bete, daß du überschüttet werdest mit der Fülle des hl. Geistes.
Einigkeit ist eine andere Sache als Uebereinstimmung. Die Einigkeit ist nicht durch Zwang herzustellen. Einigkeit kommt durch Unterwerfung des menschlichen Willens unter den Willen Gottes zustande. Die Einigkeit, die das Ergebnis einer inneren Ueberzeugung ist, ist ein dauernder Zustand. Die Uebereinstimmung, die das Resultat äusseren Zwanges ist, ist unbeständig. Dennoch muß stets die Minderheit der Mehrheit nachgeben, nicht weil die Majorität stets recht hätte — wir wissen, daß dem nicht so ist — sondern es ist nötig wegen des Zusammenhalts. Die wirkliche Einheit wird später kommen. Eine Einigung, die zwangmäßig vor sich geht, ist in Wahrheit Unbeständigkeit; dies ist ein unhaltbarer Zustand, wo er auch sei, ob in der Politik, in der Industrie, im täglichen Leben oder in der Religion. Disharmonie unter den Gläubigen ist ein Widerstreit der Ansichten; er betrifft Herz und Seele, und muß durch Liebe und Gerechtigkeit beigelegt werden. Nur so ist ein reiferes und volleres Verständnis zu ermöglichen. Dieser Zustand wird kommen, dieser Zustand wird sicher kommen!
Wenn die Seele Verbindung mit Gott gefunden hat, so wird sie die Empfängerin des ewigen Lichts und wird in einen Strahl der Lichtfülle der ewigen Sonne gewandelt. Wenn die Eigensucht untergeht im Meer der göttlichen Liebe, so haben die dunkeln Mächte keinen Einfluß mehr auf die Seele. Sie ist frei. Göttliche Erkenntnis ist ihr zuteil geworden und sie hat Weisheit erlangt. Diese Weisheit ist eine Gabe Gottes. Wer sie besitzt, ist ein von Gott berufener Wächter, und durch weise Anpassung macht er Fortschritte in der Sache Gottes, im Wachstum und in der Entwicklung des Gottesreiches unter der Menschheit.
Geistiges Schauen ist der göttliche Schlüssel, der die Tore der natürlichen Tatsachen aufschließt. Geistiges Schauen geschieht meistens von unten her, d.h, vom rein Menschlichen aus. An diesem Tag ist es möglich, daß sich beide Arten (geistiges Schauen und göttliche Erkenntnis) berühren, und daraus kommt wahre Reinheit der Herzen. Diese Vereinigung nach göttlichem Ratschlusse ist die „Frohe Botschaft“ für die Welt der Menschheit.
Alle Gläubigen in diesem Zyklus sind im gleichen Zustand, wenn sie den Offenbarer Gottes erkennen und seine Lehre annehmen. Dies ist die Taufe mit dem Wasser. Wenn der Mensch sich auf die zweite Stufe empor entwickelt, erlangt er den göttlichen Geist; dann spricht der Geist durch ihn, er ist inspiriert und kann alle Fragen beantworten, denn der Mensch antwortet dann nicht aus sich selbst heraus, sondern der heilige Geist erleuchtet und lehrt ihn, solange er nach dieser Quelle, nach dem Ozean der Wirklichkeit, sucht. Dies ist die Taufe des Geistes.
Die dritte Stufe ist die Taufe mit dem Feuer. Dann ist die Seele durch die Liebe Gottes entflammt und ist losgelöst von allen weltlichen Dingen und den rein intellektuellen Wahrnehmungen. Die Taufe durch das Feuer befreit die Seele von der Knechtschaft der fünf Sinne. Wenn diese geistige Wahrnehmung erreicht ist für unsere Seele in der sichtbaren Welt, dann ist sie nicht länger mehr in den Fesseln der tierischen Materie. Fortsetzung folgt.
Uebersetzt von Fr. A. Schwarz.
Brief vom „Größten Heiligen Blatt.“
Persische Kolonie Haifa-Palästina 24. Nov. 1922.
An Konsul Schwarz, Stuttgart.
Geistiger Mitarbeiter in der Liebe Baha ’Ullahs und Abdul Bahas!
Ihre lieben Zeilen vom 17.X.22 sind angelangt und ihr Inhalt erfreute alle Herzen der hiesigen Freunde in hohem Maße. Nach dem Hingang unseres hohen Meisters kann uns in der ganzen Welt nichts anderes trösten als die frohe Nachricht, daß die geliebten aufrichtigen Freunde den Wunsch unseres Herrn, den er uns ausdrücklich in seinem letzten Willen und Testament kundgibt, ausführen.
Der Meister Abdul Baha schätzte die Idee eines Bahaikongresses sehr hoch. Wenn die Nachricht der Einberufung eines Kongresses ihm unterbreitet wurde, nahm er dieselbe immer lächelnd und mit großer Freude entgegen. Ich bin daher sehr glücklich zu hören, daß Sie Erfolg hatten in der Erfüllung dessen, was dem Geist unseres geliebten Meisters Freude bereitet.
Die unermüdliche Tätigkeit der deutschen Freunde ist eine Quelle des Glückes für die hiesigen Bahai, und wir beten für sie am heiligen Schrein, daß sie noch stärker entflamme, dann werden andere Länder ihrem Beispiel folgen. Dies ist der einzige Weg, den wir im Gehorsam gegen den Meister gehen können und wodurch wir die Segensfülle des göttl. Königreichs auf uns herabrufen.
Es macht mir große Freude, Ihnen mitteilen zu können, daß wir gute Nachrichten über die Gesundheit des geliebten Shoghi Effendi haben. Er gedenkt der Freunde und wir hoffen, ihn bald wieder hier zu sehen.
Alle Mitglieder der heiligen Familie gedenken Ihrer Gattin sowie der andern Dienerinnen des Herrn in Deutschland. Wir beten für sie alle, daß durch ihr Bemühen ein neues Licht über Euer Land durch göttliche Liebe ausgegossen werde. Wie gerne lauscht unser Ohr auf weitere beglückende Nachrichten von Euch. Gott segne Euch und Eure Tätigkeit auf seinem Wege!
(Gezeichnet mit dem Siegel des Größten Heiligen Blatts).
Abdul Baha in London 1911.
City Temple! Einführung.
Am 10. September, am ersten Sonntag nach Abdul Bahas Ankunft in England, sprach er von der Kanzel des „City Temple“ zu der an diesem Abend versammelten Gemeinde auf den besonderen Wunsch des Pastors Rev. R. J. Campell.
Obgleich Abdul Bahas Kommen nicht angekündigt wurde, war die Kirche bis zum letzten Platz besetzt. Kaum eines der Anwesenden wird je die ehrwürdige Gestalt in ihrer orientalischen Kleidung vergessen, die nun die Stufen zu der Kanzel hinanschritt, um eine Anrede an eine öffentliche Versammlung, zum erstenmal in seinem Leben zu halten. Daß dies gerade in einem christlichen Gotteshaus im Abendland sein mußte, hat seine eigene tiefe Bedeutung. Mr. Campell führte den Besuch mit einigen einfachen Worten ein, in deren Verlauf er sagte: „Wir, als Nachfolger des Herrn Jesu Christi, der jetzt und immer das Licht der Welt ist, sehen mit Sympathie und Hochachtung jede Bewegung des Geistes Gottes, die die Menschen an sich erfahren, und deshalb begrüßen wir Abdul Baha im Namen aller, die des Geistes unseres Herrn teilhaftig sind und in diesem Geist zu leben suchen. Die Bahai-Bewegung ist sehr nah dem Christentum verwandt, ich möchte sogar sagen, sie sei der Geist des Christentums.
Ehe Abdul Baha die Kirche verließ, schrieb er in eine alte Bibel, die durch Generationen von Predigern benützt wurde, folgende Worte in persischer Schrift, deren Uebersetzung beigefügt wurde, die lautet:
„Dies Buch ist das heilige Buch Gottes und ist geistig inspiriert. Es ist das Buch der Erlösung, das edle Evangelium. Es ist das Geheimnis des Königreichs und sein Licht. Es ist die göttliche Gnade, das Zeichen der Führung Gottes!“
Abdul Baha Abbas.
Ansprache von Abdul Baha im City Temple.
Sonntag, 10. Sept. 1911.
O Ihr edlen Freunde und Gottsucher ! Gelobt sei Gott!
Heute scheint das Licht der Wahrheit
über die Welt in voller Pracht; das
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Wehen aus dem himmlischen Garten
dringt durch alle Regionen; der Ruf zum
Königreich wird in allen Ländern vernommen und der Hauch des heiligen
Geistes wird in allen Herzen, die getreu sind, verspürt. — Der Geist Gottes
verleiht ewiges Leben. In diesem wundervollen Zeitalter ist der Osten erleuchtet, im Westen fühlen wir das Geisteswehen, und überall atmet die Seele die
heiligen Düfte. Das Meer der Einheit
der Menschheit erhebt seine Wogen in
voller Freude, denn es besteht wahrhaftige Verbindung zwischen Herz und
Seele der Menschen. Das Banner des
heiligen Geistes ist gehißt und die Menschen sehen es und sind von der Erkenntnis durchdrungen, daß dies ein
neuer Tag ist. Dies ist ein neuer Zyklus
für die menschliche Entwicklung. Alle
Teile der Welt sind erleuchtet, und die
Welt wird tatsächlich ein Garten und ein
Paradies werden. Jetzt ist die Stunde
der Vereinigung der Menschenkinder
aller Rassen und aller Klassen gekommen. Ihr seid befreit von allem
Aberglauben, der die Menschen in Unwissenheit erhielt und die Fundamente
der wahren Menschlichkeit zerstörte.
Die Gabe Gottes für dieses erleuchtete Zeitalter ist die Erkenntnis der Einheit der Menschheit und der fundamentalen Einheit der Religionen. Die Kriege zwischen den Völkern müssen aufhören und durch den Willen Gottes wird der „Größte Frieden“ kommen; die Welt wird als eine neue Welt erkannt werden, und alle Menschen werden wie Geschwister leben.
Der Instinkt für die Kriegführung hat sich in alter Zeit aus dem Kampf des Menschen mit den reißenden Tieren entwickelt. Dies ist nun nicht länger nötig; nein, es soll vielmehr gegenseitiges Zusammenarbeiten und geistiges Verständnis erkannt werden als das, was für die Menschheit das höchste Wohlergehen zeitigen wird. Heute ist noch viel Feindseligkeit als Resultat der Vorurteile vorhanden.
In den „Verborgenen Worten" sagt Baha ’Ullah: „Schätze Gerechtigkeit über alles“. Gott sei gelobt, daß in diesem Land die Standarte der Gerechtigkeit aufgerichtet ist, daß dieses Land unter dem Zeichen der Gerechtigkeit steht; große Bemühungen werden angestellt, um allen Seelen einen gleichwertigen, angemessenen Platz zu verschaffen. Dies ist der Wunsch jedes vornehm denkenden Menschen. Heute gilt diese Lehre für Ost und West, deshalb wird auch Ost und West einander verstehen und einander achten lernen, sich umarmen wie langgetrennte Liebende, die sich wiedergefunden haben.
Es gibt einen Gott, eine Menschheit, ein Fundament für alle Religionen. Laßt uns Gott dienen und alle seine großen Propheten und Boten preisen, die Seine Herrlichkeit und Seinen Ruhm offenbarten.
Der Segen des Allewigen sei mit Euch in all seiner Fülle, daß jede Seele nach ihrer Fähigkeit reichlich von Ihm empfange. Amen.
Diese Ansprache ist mit frdl. Genehmigung v. d. Christian Commonwealth vom 13. Sept. 1911 abgedruckt. Gehalten von Abdul Baha in Persisch von der Kanzel v. City Temple und daraufhin übersetzt und gelesen für die Gemeinde durch M.W. Tudor-Poll.
St. John’s Westminster (Abtei.)
Einführung.
Am 17. September sprach Abdul Baha auf die Bitte Seiner Ehrwürden des Archidiakonus der Westminster Abtei zu der Gemeinde von St. Johann der Heilige nach dem Abendgottesdienst. Mit wenigen warmen Worten charakteristisch für die Art des Archidiakonus Wilberforce führte er den hochgeachteten Boten aus dem Osten ein, der über Meere und Länder seine Mission des Friedens und der Einigkeit trug, für die er 40 Jahre Gefangenschaft und Verfolgung gelitten hat. Der Archidiakonus hatte den Bischofsstuhl für seinen Gast an den Kanzelstufen aufstellen lassen und las die Uebersetzung von Abdul Bahas Anrede neben ihm stehend vor. Die Gemeinde war tief ergriffen und kniete, dem Beispiel des Archidiakons folgend, nieder, um den Segen des „Dieners Gottes“, der mit erhobenen Armen dastand, zu empfangen — seine wunderbare Stimme hob und senkte sich in der tiefen Stille mit der Kraft seiner Anrufung. Als der Archidiakonus sagte: Wahrlich, es haben sich heute Abend der Osten und der Westen an dieser heiligen Stätte vereint. Der Hymnus „O Gott, unsere Hilfe von Alters her" wurde von der ganzen Gemeinde stehend gesungen, als Abdul Baha und der Archidiakonus das Seitenschiff und den Gang zur Sakristei Hand in Hand durchschritten.
Außerhalb der Kirche hielt die Heilsarmee ihre Versammlung ab und Abdul Baha war tief ergriffen beim Anblick der Männer, Frauen und Kinder, die abends an den Straßenecken zusammenkamen um zu beten und zu singen.
Rede Abdul Bahas in St. John’s Westminster-Abbey.
17. Sept. 1911.
O Ihr edlen Freunde! O Ihr Sucher nach dem Reich Gottes! Die Menschen in der ganzen Welt suchen Gott. Alles, was existiert, ist Gottes, aber die Wirklichkeit der Gottheit ist heilig und erhaben über alles Begreifen.
Die Bilder der Gottheit, die wir uns vorstellen, sind das Produkt unserer Phantasie, sie existieren im Bereich unserer Einbildung. Sie sind nicht der Wahrheit entsprechend, die Wahrheit in ihrer Größe kann nicht in Worte gekleidet werden.
Die Göttlichkeit kann nicht verstanden werden, weil sie über allem Fassungsvermögen steht. Der Mensch, der eine wirkliche Existenz hat, ist in Gott eingeschlossen, daher ist die menschliche Erkenntnis der Gottheit nur Stückwerk. Die Gottheit ist schöpferische Kraft und wirkliche Existenz und nicht irgend eine Repräsentation derselben. Die Gottheit selbst umfaßt alles und kann nicht umfaßt werden.
Wenn auch das Mineral-, Pflanzen- und Tierreich samt dem Menschen wirkliche Existenz besitzen, so hat doch das Mineralreich keinen Begriff vom Pflanzenreich. Es ist unfähig, es zu verstehen.
Dasselbe ist der Fall beim Pflanzenreich. Welchen Fortschritt es auch erreiche, und wie hoch es sich auch entwickle, so wird es doch niemals das Tierreich begreifen und verstehen. Es ist, wenn man so sagen will, ohne Kenntnis davon; es hat kein Gehör, kein Gesicht, kein Verständnis.
Dasselbe ist im Tierreich der Fall. Wie sehr es sich auch in seinem eigenen Bereich entwickeln mag, wie sehr veredelt sein Empfindungsvermögen auch werden mag, so wird es doch nie eine wirkliche Kenntnis von der Welt des Menschen oder seiner speziellen intellektuellen Fähigkeit haben.
Das Tier kann nicht die Kugelgestalt der Erde begreifen, noch ihre Bewegung im Welten-Raum, noch die zentrale Stellung der Sonne, noch die elektrische Kraft, noch kann es sich etwas wie den alldurchdringenden Aether vorstellen.
Wenngleich das Mineral, das Pflanzenreich, das Tierreich und der Mensch selbst wirkliche Wesen sind, so können sie doch die Wesenheit und die Natur der ihnen überlegenen Grade nicht verstehen. Folglich kann auch das zeitlich in die Erscheinung Tretende den Herrn der Heerscharen nie erfassen!
Es ist klar, daß dies einfach unmöglich ist.
Die Wesenheit Gottes aber, die Sonne der Wahrheit, scheint über alle Horizonte und sendet ihre Strahlen über alle Dinge hin. Jedes Geschöpf ist Empfänger eines Teils dieser Kraft, und der Mensch, der die Vollkommenheit des Mineral-, Pflanzen- und Tierreichs sowohl als seine eigenen ihn auszeichnenden Eigenschaften besitzt, ist das edelste der erschaffenen Lebewesen. Es steht geschrieben, daß er zum Ebenbild Gottes erschaffen wurde. Geheimnisse, die verborgen waren, entdeckt er, und Verborgenes, das verhüllt war, bringt er ans Tageslicht. Durch Wissenschaften und Künste bringt er verborgene Kräfte in das Bereich der sichtbaren Welt. Der Mensch entdeckt die verborgenen Gesetze in der Schöpfung und tritt in Verbindung mit ihnen.
Schließlich ist der vollendete Mensch, der Prophet, der verklärte Mensch, der die Reinheit und Klarheit eines vollkommenen Spiegels besitzt und der die Sonne der Wahrheit wiederspiegelt. Von solch einem Propheten und Boten Gottes können wir sagen, daß das Licht der Göttlichkeit mit himmlischer Vollkommenheit in ihm wohnt.
Wenn wir sagen, daß die Sonne im Spiegel sichtbar ist, so meinen wir damit nicht, daß die Sonne selbst herabkam aus den heiligen Höhen des Firmaments und in den Spiegel eingetreten sei! Dies ist ganz unmöglich. Die göttliche Wesenheit wird erkannt in den Gottgesandten, und ihr Licht und Glanz ist sichtbar in größter Herrlichkeit.
Deshalb sind die Menschen stets gelehrt und geleitet worden durch die
Propheten Gottes. Die Propheten Gottes sind die Vermittler Gottes. Alle Propheten und Sendboten sind von dem
Einen heiligen Geist ausgegangen und
sind die Träger der Botschaft Gottes,
dem Zeitalter angemessen, in dem sie
auftreten. Das eine, gleiche Licht ist in
ihnen und sie sind alle eins. Aber der
Ewige verkörpert sich nicht, wird nicht
sichtbar, noch kann das Sichtbare ewige
Dauer erlangen.
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Paulus, der große Apostel, sagte: "Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich es stückweise. Dann aber werde ich erkennen, gleich wie ich erkannt bin.“
Gott, du Vergebender! O du himmlischer Erzieher! Diese Versammlung schmückt sich mit der Anrufung Deines heiligen Namens. Deine Kinder wenden ihr Antlitz Deinem Königreich zu, ihre Herzen sind glücklich und ihre Seelen erhoben.
Barmherziger Gott! Hilf uns, daß wir unsere Mängel und Fehler bereuen! Nimm uns in Dein himmlisches Reich auf und gib uns ein bleibendes Heim, wo kein Irrtum mehr sein wird. Gewähre uns Frieden, schenke uns Weisheit und öffne uns die Tore Deines Himmels.
Du bist der Geber von allem! Du bist der Verzeihende! Du bist der Barmherzige!
Abdul Baha in der Theosophischen Gesellschaft.
Am 30. September 1911 besuchte Abdul Baha die Theosophische Gesellschaft in ihrem Hauptquartier auf den ausdrücklichen Wunsch ihrer Präsidentin Mrs. Annie Besant. Nach der übersichtlichen Darstellung der Geschichte der Bewegung und der sympathischen Begrüßungsansprache von Mrs. A. P. Sinnet stand Abdul Baha auf und hielt an die große Versammlung eine Ansprache über die wichtigsten Prinzipien der Bahailehre. Er unterstützte dabei aufs wärmste den Eifer der Gesellschaft in ihrem Suchen nach Wahrheit.
Anrede von Abdul Baha im Hauptsitz der Theosoph. Gesellschaft.
30. Sept. 1911.
Hochgeehrte Versammlung! O ihr Freunde der Wahrheit! Das natürliche Wesen des Feuers ist, zu brennen, das natürliche Wesen der Elektrizität ist, zu leuchten, die der Sonne verliehene Eigenschaft ist, zu scheinen und die der Erde verliehene Gabe ist die Kraft des Wachstums.
Zwischen dem Ding an sich und seinen Eigenschaften gibt es keine Trennung. Es ist ein Gesetz der Natur, daß alle Dinge auf der Erde wechseln und Veränderungen unterworfen sind. Auch die Jahreszeiten zeigen einen Wechsel. Dem Frühling folgt der Sommer und jedem Herbst folgt der Winter. Auf jeden Tag folgt eine Nacht und auf jeden Abend ein neuer Morgen. Es besteht eine Konsequenz und Regelmäßigkeit.
So leuchtete nun, als Haß und Feindschaft, Kampf und Blutvergießen und große Herzenskälte die Welt beherrschte und die Dunkelheit über die Nationen siegte, Baha ’Ullah wie ein heller Stern am Horizont Persiens auf. Als ein grosses Licht der Führung spendete er himmlische Strahlen und verkündigte die neue Lehre.
Er verkündigte die höchsten menschlichen Eigenschaften, er offenbarte die geistigen Kräfte und setzte sie in die Tat um.
Erstens verlangte er nachdrücklich das Suchen nach Wahrheit. Dies ist von größter Wichtigkeit, denn die Menschen lassen sich nur zu leicht durch Traditionen leiten. Deshalb stellen sie sich in Gegensatz zu einander und haben Wortstreitigkeiten. Aber die Offenbarung der Wahrheit deckt den Irrtum auf und wird zur Ursache der Einheit des Glaubens, denn es gibt nur eine Wahrheit, nicht mehrere. Dies ist unmöglich.
Zweitens: Baha ’Ullah lehrte die Einheitlichkeit der Menschen, d. h. alle Menschenkinder stehen unter der Gnade des großen Gottes. Sie sind die Kinder eines Gottes, sie werden von ihm erhalten. Er hat die Würde der Menschheit auf das Haupt eines jeden Menschen gesetzt. Daher müssen sich alle Nationen und Völker als Brüder ansehen. Sie stammen alle von Adam. Sie sind die Zweige, Blätter, Blüten und Früchte eines Baumes. Sie sind Perlen einer See. Aber die Menschenkinder müssen erzogen und zivilisiert werden; sie benötigen wie Spiegel des Schliffs, bis sie licht werden und strahlen.
Mann und Frau sollen gleich erzogen und in ihrer Stellung gleich geachtet werden. Es war rassischer, politischer, religiöser und Klassenhaß durch den die Menschheit gesunken ist.
Drittens: Baha ’Ullah lehrt, daß
die Religion die Hauptgrundlage für
die Liebe und Einigkeit und der
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Anlaß zur Einigung sei. Wenn eine Religion zu Streit und Uneinigkeit führt, so
wäre sie besser nicht vorhanden. Es ist
dann immer noch besser, ohne eine
solche Religion zu sein, als in ihr zu
leben.
Viertens: Die Religion und die Wissenschaft sind eng mit einander verknüpft und nicht zu trennen. Es sind dies die beiden Schwingen, mit denen die Menschheit sich erheben muß. Eine Schwinge reicht nicht aus. Jede Religion, die nicht mit der Wissenschaft in Einklang steht, ist nur eine Tradition ohne inneren Wert. — Deshalb ist auch die Wissenschaft, die Erziehung und die Zivilisation äußerst wichtig für das wahre religiöse Leben.
Fünftens: Die Wahrheit der göttlichen Religion ist einzig in ihrer Art, denn die Wahrheit ist nur eine und kann nicht in der Mehrheit gedacht werden. Alle Propheten sind in ihrer Botschaft einig und unwandelbar. Sie sind wie die Sonne, die in verschiedenen Jahreszeiten an verschiedenen Orten des Horizontes aufgeht. Deshalb verhießen die alten Propheten einen solchen, der nach ihnen komme, und jeder folgende anerkannte den vorangegangenen.
Sechstens: Gleichheit und Verbrüderung muß unter allen Menschen verwirklicht werden. Dies fordert die Gerechtigkeit. Die allgemeinen Rechte der Menschheit müssen beschützt und bewahrt werden. Allen Menschen muß das gleiche Recht widerfahren. Dies ist das anererbte Naturrecht für die Menschheit.
Siebentens:: Die Zustände unter den Menschen sollen derart werden, daß Armut schwindet und sich jeder nach Stand und Rang wohlbefinde. Wenn vornehme und solche von hoher Stellung in angenehmer Lebenslage sind, so sollte es auch den Armen möglich sein, das tägliche Brot zu verdienen und nicht in äusserster Not leben zu müssen.
Achtens: Baha ’Ullah erklärte das Kommen des größten Friedens. Alle Nationen und Völker werden unter das Zelt des großen Friedens und der Harmonie treten, d.h. es wird durch allgemeine Wahl ein großer Weltschiedsgerichtshof errichtet werden, um allen Zwist und Streit unter den Mächten friedlich beizulegen, damit aus Streit nicht mehr Krieg entstehe.
Neuntens: Baha ’Ullah lehrte, daß die Herzen die Segnungen des heiligen Geistes in sich aufnehmen sollen, so daß geistige Zivilisation entsteht. Denn materielle Zivilisation genügt nicht, das Verlangen der Menschheit zu stillen und führt nicht zu ihrer Glückseligkeit. Materielle Zivilisation ist dem Körper vergleichbar und geistige Zivilisation ist der Seele gleich. Der Körper ohne Seele ist leblos. Dies ist ein kurzer Ueberblick über die Lehren Baha ’Ullahs. Um diese der Welt zu bringen, erlitt Baha ’Ullah große Trübsale und erduldete schweres Leid. Er war in ständiger Verbannung und erlitt schwere Verfolgung. Aber aus dem Gefängnis (von Akka) machte er einen geistigen Palast, und aus der Dunkelheit seines Gefängnisses sandte er ein großes Licht in alle Welt hinaus.
Es ist der innige Wunsch der Bahais, diese Lehre in allgemeine Betätigung umzusetzen und mit Herz und Seele darnach zu streben, selbst ihr Leben dafür zu opfern, bis endlich das himmlische Licht die ganze Welt der Menschen erleuchtet.
Ich bin so glücklich, daß es mir vergönnt war, mit Euch in dieser Versammlung zu sprechen. Ich habe die Wahrheit in ihrer ganzen Tiefe erkannt und hoffe, daß auch Ihr sie erkennen werdet.
Ich bete für Euch alle, daß Ihr bei Euren Bestrebungen Erfolg habt und daß Ihr der Gnade Gottes teilhaftig werdet.
Abschiedsempfang.
Einführungsrede Abdul Bahas.
Am Abend des Michaelstags wurde ein grosser Empfang zu seiner Abschiedsfeier in der Halle der Passmore Eduards-Ansiedelung veranstaltet. Der Saal war bis auf den äußersten Platz besetzt mit den Vertretern von allerlei Konfessionen, von denen manche aus großer Entfernung herbei kamen.
Auf der Rednertribüne waren um Abdul Baha Männer von den verschiedensten Richtungen und Ansichten versammelt, die ihre Anerkennung mit der Arbeit und Mission ihres hohen Besuchs ausdrücken wollten. Professor Michael E. Sadler übernahm den Vorsitz.
Die Versammlung begann mit dem gemeinsam
gesprochenen Vaterunser, ihm folgte ein Gebet
für Einheit von Baha ’Ullah und ein Gebet aus
dem 5. Jahrhundert, das dem Popen Gelasius
zugeschrieben wird. Professor Sadler sprach
dann Worte, die von den Anwesenden niemals
vergessen werden können und führte einen
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Ausspruch aus einem universalen Gebet an, das Abdul Baha durch einen ernsten Bahai vor einem
Jahr in Aegypten vorgelegt und von ihm vollendet wurde. Es ist ein Gebet, das von Menschen aller Glaubensrichtungen im Osten und Westen nach seinem Wunsch gebetet werden soll.
Auf den Vorsitzenden folgte Sir Richard Staply, Mr. Eric Hammond, Mr. Claude Montefiore, Mrs. Stannard aus Aegypten u.a.m. Als Abdul Baha die Halle verließ, scharten die Armen aus der Nachbarschaft sich zusammen, um ihn zu sehen und ein kleines, lahmes Mädchen an Krücken, auf dessen Gesicht ein sehnsüchtiges Verlangen lag, wurde im besonderen zu ihm geführt.
Abschiedsversammlung für Abdul Baha.
(Abgedruckt mit gütiger Erlaubnis aus der „Christian Commonwealth“ v. 4. Okt.)
Auf eine Einladung von Mrs. Thornbourgh Cropper kamen etwa 460 angesehene Persönlichkeiten in der Halle des Passmore Edward’s Settlement am Tavistock-Platz am letzten Freitag Abend zusammen, um am Abend vor seiner Abreise nach Paris Abdul Baha Abbas Lebewohl zu sagen. Er kam in London am Montag Abend, den 4. September an und hat einen glücklichen und arbeitsreichen Monat in unserer Mitte zugebracht. Außer einem kurzen Besuch in Bristol in letzter Woche blieb er in Cadogan Gardens Nr. 97 wohnen. Seine Zeit war hauptsächlich ausgefüllt mit Besuchen von Personen, die ihn sprechen wollten. Es waren nicht nur solche, deren Namen hier wohlbekannt sind, es kamen auch viele weit her zugereist, um ihn zu sehen.
Ein wundervoller Geist herrschte am Freitag Abend unter den Anwesenden. Die Atmosphäre war sehr verschieden von der einer gewöhnlichen Versammlung oder einer religiösen Vereinigung. Jedermann wurde bereichert durch den hohen geistigen Ton unten stehender Ansprache. Die berührten Punkte drehten sich alle um Verbrüderung, Einheit und Frieden. Während ein Bericht über die Ansprachen nur einen unvollständigen Begriff des dadurch entstandenen Eindrucks geben würde, muß gesagt werden, daß sie so tief empfunden, so aufrichtig, so schön im Ausdruck waren, daß sie alle wert wären, wiedergegeben zu werden. Unter anderen schrieb Ameer Ali Syeld, daß er überaus bedaure, nicht der Versammlung beiwohnen zu können und Archidiakonus Wilberforce sandte die herzlichsten Grüße.
Nach dem Vaterunser und Gebeten um Einigkeit von Baha ’Ullah und Gelasius (V. Jahrhundert) sprach Professor Michael Sadler folgendes:
Rede von Prof. Michael Sadler.
Wir haben uns hier versammelt, um Abdul Baha Lebewohl zu sagen und Gott für sein Beispiel und seine Lehren zu danken und für die Macht seiner Gebete, die Licht in die wirren Gedanken bringen, Hoffnung anstelle von Furcht, Glauben anstatt des Zweifels setzen und in die bekümmerten Herzen die Liebe pflanzte, die Selbstsucht und Furcht besiegt. Uns, die wir ihm in ergebener Weise unsere Anhänglichkeit und Treue bezeugen, bringt er die Botschaft der Einheit, der Sympathie und des Friedens. Er bittet uns alle, ernst und treu zu sein in dem Glauben, zu dem wir berufen sind und vor allem den Geist höher zu schätzen als die Form. Mit ihm verbeugen wir uns vor dem „Verborgenen Namen“, vor dem, was ewiges, inneres Leben ist. Er bittet uns in furchtloser Ergebenheit, unserem eigenen Glauben zu dienen, aber mit größerem Eifer nach Einigkeit, Verbrüderung und Liebe zu streben, damit wir uns vergeistigen und verinnerlichen und immer tiefer in den Geist eindringen, der über Rassen, Klassen und allen Zeiten steht.
Professor Sadler schloß mit einem wundervollen Gebet von James Martinau.
Mr. Eric Hammond sagte, daß die Bahai-Bewegung für die Einheit eintrete: „Ein Gott, ein Volk!“ Millionen von Seelen offenbaren die göttliche Einheit, eine solch vollendete Einheit, daß kein Unterschied der Farbe noch des Glaubens es zuläßt, einen Unterschied zwischen einer Offenbarung Gottes und der anderen zu machen und die so allumfassend ist, daß sie den ärmsten und elendesten Menschen nicht ausschließt. Einigkeit, Güte, Verbrüderung führen empor zur geeinigten Welt. Er schloß mit den Worten Baha ’Ullahs, daß die göttliche Sache für alle Menschen da ist und sich weder auf den Osten noch auf den Westen beschränkt.
Mrs. Alice Buckton sagte, daß eine neue Frühlingszeit für die Welt angebrochen ist und daß von dieser Versammlung, in der die verschiedensten Vertreter von Ideen und Werken der Liebe zugegen seien, über die ganze Welt hin ein Einfluß ausgehen werde, der die Einigkeit und Brüderlichkeit hochhalte. Die vollständige Gleichberechtigung ist einer der Hauptpunkte der Bahailehre.
Sire Richard Stapley führte aus, daß die Einigkeit nicht in der äußeren Ausübung der Formen zu denken sei, sondern im inneren Geist.
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In Persien ist ein solch starker Antrieb für
wahre Vereinigung, daß es wie ein Vorwurf für
die christlichen Länder wirkt.
Mr. Claude Montefiore, ein Jude, freute sich über das Wachstum der Idee der Einigung und betrachtete die Versammlung als eine Vorbedeutung für bessere kommende Zeiten und in gewissem Sinn als Erfüllung eines Gedankens, der einst von einem ausgesprochen wurde, der als ein Märtyrer des römisch-katholischen Glaubens (Sire Thomas More) gilt und der großen Kirche der Utopianer, in welcher sich alle Glaubensrichtungen zusammenfanden, die einen Gottesdienst ausübten, der die große Einheit ausdrückte und unter denen besondere Glaubenstreue zu finden war.
Mrs. Stannard sprach davon, was diese Versammlung und die geäußerten Gedanken und Gefühle für den Osten bedeuteten, insbesondere für die Frauen, deren Lebensbedingungen für den Westen so schwer verständlich sind.
Tammadon-ul-Molk bezeugte, die einigende Wirkung der Bahaibewegung in Persien und sprach von dem merkwürdigen Weg, wie sie in Amerika und anderen Ländern verbreitet wurde.
Dann stund Abdul Baha auf, um seine Abschiedsworte zu sprechen, eine eindrucksvolle Gestalt, angegriffen aussehend, aber die Augen voller Leben. Etwa 15 Minuten sprach er in seiner sanften, melodischen persischen Sprache zu den Versammelten. Die Hände zum Himmel erhoben, schloß er mit einem Gebet.
Abschiedsworte Abdul Bahas.
O ihr edlen Freunde und Sucher des Gottesreichs! Vor etwa 60 Jahren, in einer Zeit, als das Kriegsfeuer unter den Nationen in der Welt aufloderte und das Blutvergießen als eine Ehre für die Menschen erachtet wurde, zu einer Zeit, als das Blut von Tausenden die Erde färbte, als Kinder vaterlos wurden, als Väter ihre Söhne verloren und die Mütter in Tränen zerflossen, als die Dunkelheit des Rassenhasses und der Feindseligkeit die Menschen einzuhüllen und das göttliche Licht auszulöschen schien und das Wehen des Geistes Gottes abgeschnitten zu sein schien, stieg Baha ’Ullah am Horizont Persiens auf, inspiriert von der Botschaft des Friedens und der Verbrüderung der Menschen.
Er brachte das Licht der Führung für die Welt; er entzündete das Feuer der Liebe und offenbarte die große Wirklichkeit des wahrhaft Geliebten (Gottes). Er wollte die Grundlage religiöser und rassischer Vorurteile und politischer Rivalität zerstören. Er verglich die Welt der Menschheit mit einem Baum und alle Nationen mit den Zweigen und die einzelnen Menschen mit den Blättern, Knospen und Früchten. Seine Mission war, den törichten Fanatismus in universale Liebe zu wandeln, unter seinen Nachfolgern die Basis für die Einheit der Menschheit zu schaffen und die Gleichheit der Menschen praktisch durchzuführen. Er erklärte, daß alle Menschen unter der Gnade und Barmherzigkeit Gottes gleich seien. Dann würden die Tore des Himmelreichs weit geöffnet und das Licht eines neuen Himmels auf Erden den sehenden Augen verkündigt.
Aber den größten Teil seines Lebens brachte Baha ’Ullah in größtem Leid und unter grausamer Unterdrückung zu. In Persien wurde er ins Gefängnis geworfen, in Ketten gelegt und lebte beständig in Todesgefahr. Er wurde verhöhnt, sogar gepeitscht.
Als er etwa 30 Jahre alt war, wurde er nach Bagdad verbannt, von da nach Konstantinopel, dann nach Adrianopel und zuletzt in das Gefängnis nach Akka gebracht.
Aber selbst in Ketten und aus seiner Gefängniszelle verbreitete er mit Erfolg die Lehre und hißte das Banner der Einheit der Menschheit. Nun — Gott sei gelobt — sehen wir das Licht der Liebe in Ost und West leuchten, und das Zelt der Brüderschaft ist aufgerichtet inmitten aller Völker, um alle Herzen und Seelen zusammenzuführen.
Der Ruf zum Königreich ist erklungen und die Ankündigung des universalen Friedens hat das Weltgewissen erweckt. Ich hoffe, daß durch eifrige Bestrebung derer, die reinen Herzens sind, die Finsternis des Hasses und der Zwistigkeiten vollständig beseitigt wird und das Licht der Liebe und Einigkeit hell aufleuchtet.
Diese Welt soll eine neue Welt, die Materie der Spiegel des Göttlichen werden; menschliche Herzen sollen sich finden und einander umfangen. Die ganze Welt soll der Menschen Heimatland sein und die verschiedenen Rassen als ein Geschlecht betrachtet werden. Dann werden Streitigkeiten verschwinden und der göttliche Geliebte wird auf dieser Erde offenbar werden.
Wie der Osten und Westen erleuchtet ist von einer Sonne, so werden die
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Menschen aller Rassen, Nationen und
Glaubensbekenntnisse angesehen werden als Diener eines Gottes. Die ganze
Erde ist eine Heimat, und alle Völker
— wüßten sie es doch! — sind eingetaucht in dieselbe göttliche Gnade. Gott
hat alle erschaffen und erhält alle. Er
führt und leitet sie alle unter dem Schutz
seiner Gnade. Wir müssen das Beispiel
nachahmen, das Gott uns selbst gibt und
allen Streit und Zank aufgeben.
Gelobt sei Gott! Die Zeichen der Freundschaft zeigen sich und ein Beweis dafür ist unser heutiges Zusammensein in London, wo ich mit äußerster Aufmerksamkeit, Güte und Liebe empfangen wurde und wofür ich tief dankbar und glücklich bin. Niemals werde ich die Zeit vergessen, die ich hier verbrachte,
Vierzig Jahre war ich in türkischer Gefangenschaft. Dann — im Jahr 1908 — stießen die Jungtürken durch das „Komitee für Einigung und Fortschritt“ die Tore der Gewaltherrschaft ein und setzten alle Gefangenen frei, darunter auch mich. Ich bete, daß Segen auf aller Eurer Arbeit für Einigung und Fortschritt sei!
Es werden künftig unwahre Berichte über Baha ’Ullah in Umlauf gesetzt werden, um die Verbreitung der Wahrheit aufzuhalten. Ich sage Euch dies, daß Ihr wacht und bereit seid. Ich scheide von Euch mit dem Gebet, daß alle Schönheit des Königreichs Euer eigen werde. Mit tiefem Bedauern über unsere Trennung sage ich Euch Lebewohl!
Die Uebersetzung der Abschiedsrede wurde von Professor Sadler verlesen. Abdul Baha schloß die Versammlung, indem er seinen Segen in rhythmisch gehaltener Weise spendete.*) — — — Fortsetzung folgt.
Uebersetzt von Fr. A. Schwarz.
Dekunu principoj en la instruoj de Baha’Ullah klarigita per Abdul Baha.
1. principo: „La esplorado de la vero.“
2. principo: „La unueco de la homaro.“
3. principo: „Religio devas esti la kaüzo de amo kaj amikeco.“
4. principo: „Unuigo dereligio kajscienco.“ ._Principo: „Forigo de antaüjugoj.“ 6. principo: „Egaligo de ekzistrimedoj.“
at
Parolado de Abdul Baha al
Abdul Baha parolis: Depost mia alveno
en Parizo mi ofte aüdis pri la teozofia societo, kaj mi scias, ke $iaj anoj estas honorindaj kaj respektindaj personoj. Vi estas inteligentaj kaj pripensantaj homoj kun spiritaj idealoj, kaj la restado inter vi estas por mi granda £ojo.
Ni danku Dion, kit hodiali vespere kunvenigis nin; estas al mi granda £ojo, Car mi vidas, ke vi estas serCantoj de la vero, Vine estas katenigitaj per la &enoj de antaüjußoj, kaj via plej arda deziro estas konatigi kun la vero. Oni povas kompari la veron kun la suno. La suno estas la Iumanta Cielkorpo, kiu forpelas &iujn ombrojn; en sama maniero la vero disigas la ombron de niaj imagoj. Kiel la suno donas vivon al la korpoj de la homoj, same la vero vivi
- ) Die bei den. Persern übliche Art des Gebets.
7, principo: „Egaleco de I’ homoj antaü
la le8o.“
8. principo: „Universala paco.“
9. prineipo: „Inter religio kaj politiko ne . estas kontraüeco.“
10. principo: „La sama rajtigo por viroj kaj virinoj ankaü rilate al eduko kaj instruo.“
11. principo: „La potenco de la Sankta Spirito,
la teozofia societo en Parizo.
gas iliajn animojn. La vero estas suno, kiu levigas sur diversaj punktoj de la horizonto.
Kelkafoje la suno ekaperas meze de !’ horizonto, en somero $i levigas pli norde, en vintro pli sude; sed estas Ciam la sama suno, ankaü se la direktoj de gia levigo
'estas diversaj. Sammaniere estas nur unu
vero, ankaü se $iaj manifestacioj estas diversaj. Iujhomoj havas malfermitajn okulojn,
per kivj ili vidas. Tiaj personoj $Satas la
sunon de la vero, egale, sur kiu horizonto
$i levigas, Kiam la suno forlasas la vintran Cielon por aperi sur la somera £ielo,
ili tamen scias Sin trovi. Sed ekzistas ankaü aliaj personoj, kiuj nur Satas la lokon,
sur kiu la suno laste levigis, kaj kiam $i
en sia majesto ekaperas aliloke, tiam ili ri
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gardas nur la iaman lokon de la sunlevigo.
Ho ve! Tiuj &i personoj malprofitas la benon de la suno. Tiuj, kiuj vere la sunon
mem Sutas, turnos siajn vizafojn alla suno,
egale, sur kiu ajn loko $i levigas.
Ni devas ami la sunon mem, sed ne nur $ian levigejon. En sama maniero tiuj homoj, ties koroj estas inspirataj, Satas la veron, egale sur.kiu ajn horizonto Si aperas. |li ne estas ligitaj per la personeco, sed ili sekvas alla vero kaj kapablas, $in ekkoni, egale. de kie ajn $i devenas. Estas la sama vero, kiu helpas progresi la homaron kaj kiu vivigas Cıujn kreitajn estajojn, Car $i estas la arbo de I’ vivo.
Baha’Ullah donas klarigon de la vero en siaj instruoj, kaj mi nun mallonge parolos pri tio, Car mi scias, ke vi’ estas kapablaj $ın kompreni.
La unua principo de la instruoj de Baha’ Ullah estas:
l. La esplorado de la vero.
La homo devas forigi Ciujn antaüjugojn kaj sin liberigi de la sekvoj de siaj propraj imagoj, por ke li povu sercesplori sengene la verecon: La vero estas en Ciuj relıgioj la sama, kaj per $i povas esti efektivigata la unueco en la mondo. Ciuj popoloj havas komunan, fundamentan kredon. Pri tio ili estas unuopiniaj, ke la vero ne povas esti dividata kaj ke la diversajoj, Sajne ekzistantaj inter la nacioj, nur devenas de iliaj antaüjugoj. Se la homoj nur klopodus elserci la veron, ili baldaü trovus, ke ni estas unuopiniaj.
ll. La unueco de I’ homaro.
La unu, Cioamanta Dio donas sian favoron al la tuta homaro; Ciuj estas servistoj ‚de Ciopovulo, kaj lia boneco, lia kompato kaj lia amplena afableco estas ver$ataj super &ıuj liaj kreitafoj. La nobleco de la homaro estas la heredo de £iu individuo.
Ciuj homoj estas folioj kaj fruktoj de la sama arbo, ili Ciuj estas branloj de Il’ arbo de Adam; Üiuj havas la saman devenon. La sama pluvo refreßigis ilin, la sama sunvarmo kreskigis ilin, kaj la murmuro de la sama vento Cirkaüis ilin. La nuraj diferencoj, kiuj ekzistas kaj ilin disigas estas la jenaj: Estas infanoj, kiuj bezonas kondu‚kadon, estas nesciantoj, kiuj devas esti instruataj kaj malsanuloj, kiuj bezonas flegon kaj kuracon. La tuta homaro estas Cirkaüata de favoro kaj kompato de Dio. La sanktaj skribajoj instruas, ke antaü Dio Ciuj ho moj estas egalaj, ke li ne diferencigas lali la rango de la personoj.
ill. La religio devas esti la kauzo de ’ amo kai amikeco.
La religio devas unuigi Ciujn korojn kaj kaüzi, ke militoj kaj disputajoj maiaperas sur la tero; $i devas naski la spiritecon kaj alporti lumon kaj vivon en Ciun koron. $e la religio estus la kaüzo de malsimpatio, malamo kaj disigoj, estus nur bona ago, sin retiri de tia relıgio. Estas klare, ke la celo de sanigilo estas la kuracado; sed kiam tia medikamento malplibonigas la malsanon, tiam estas pli bone, fin ne uzi. Religio, kiu ne kaüzas amon Kaj unuecon, ne estas religio. Ciuj profetoj estis kuracistoj por la anımoj. Ali donis receptojn por la kuracado de I’ homaro; neniu kuraciste ordonas medikamenton, kaüzantan malsanon,
IV. La unuigo de religio kai scienco.
Religio kaj scienco estas kvazaü du Hlugiloj. Niimagas alni la religion kiel la unu, kaj la scienco kiel la alian ilugilon. Kiam birdo volas ilugi, tiam li bezonas du Älugilojn; nur unu ne havus valoron por $i. Religio, kiu kontraüstaras la sciencon, estas nescio, kaj nescio estas la malo de scio. Keligio, kiu nur konsistas el ritoj, ceremonioj kaj antaüjugoj, ne estas vero. Ni serioze klopodu, tarıı la ilo por la unuigo de religio kaj scienco.
Ali, la bofilo de Mohamed, diris: „Tio, kio konsentas kun la scienco, aıkaü harmonias kun la religio. Tion, kion ne povas kompreni la inteligento de I’ homo, ne devas akcepti la religio. Scienco kaj religio iras manon en mano, kaj religio, kiu ne estas konforma al la scienco, ne estas la
vero,
V. La antaujugoj de la religio, de la rasoj kajsektoj detruas la fundamentojn
de F homaro.
Ciuj disigoj, &iu malamo, &iuj militoj kaj
&iu sangverSado estas kaüzitaj per antaüju80). Oni devas rigardi la tutan mondon
kiel unu landon, &iujn naciojn kiel uuu
nacion, Citijn homojn, kvazaüi apartenantajn
alunuraso. La diversaj religioj, rasoj kaj
nacioj estas disigoj, faritaj de homoj. Tiuj
ci disigoj estas nur neceso en la pensado
de P homoj, Car antaü Dio nekestas perso],
araboj, francoj, nek angloj kaj germanoj,
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(UBEBEBBE DEE EEE nenne
Dio estas la Dio por &iuj, lia tuta kreado
estas kreado sen diferenco. Ni devas obei
Dion kaj klopodi, forigi Ciujn antaüjugojn,
por ke la paco surtere efektivigu.
VI. Sama Sanco por Ciuj, por havigi la necesajn rimedojn por la ekzisto.
Ciu homa estajo estas rajtigita vivi, &iu havas rajton je Sirmo kaj certa bonfarto, Kiam rica homo vivas Cirkaüite de lukso kaj plej grandaj oportunajoj, tiam la malriZulo devas posedi la necesajn bezonojn por
VI. Universala paco.
Per la popoloj kaj registaroj @iunaciaj devas esti elektata tribunalo arbitracia, en kiu kunvenas en unueco anoj de {iu lando kaj membroj de iu registraro. Ciuj disputoj devas esti alportataj antaü tiun ci altan tribunalon; $ia tasko estas malhelpi la militon,
IX. La religio ne devas sin okupi pri politikaj problemo;j.
La religio okupas sin pri la ajoj de la
spirito, la politiko pri la ajoj de I’ mondo.
sia vivo. Neniu devas suferi malsaton, ankaü &iu devas havi sufice da vestajoj; la unu ne devas vivi en superfiluo, dum alia ne posedas la plej necesajn rimedojn por la ekzisto.
Ni provu per £iu forto, estanta nia dispono, estigi pli felicajn statojn, por ke ankaü ne unu homo suferu malhavon.
Vi. La egaleco de la homoj antau la lego.
La leßo devas regi, kaj ne la persono, tiam la mondo farigos, loko de la beleco, kaj la vera frateco estos efektivigata. Kiam la homoj estos atingintaj solidarecon, tiam ili ankaü estas trovintaj la veron,
Lebenskunst.
Nur wenige versteh’n die Kunst zu leben;
Zu sehen, was sich zeigt, so, wie’s erscheint;
Zu hören, was uns Gott durch Menschen lehrt;
Mit Lust zu tun, was Gott in seinem Namen,
An seiner Statt uns Gutes wirken heißt;
Zu dulden, was uns Gott zum Heil der Brüder
Von ihrer Last zu tragen gibt, dann zu genießen,
Was seine Hand durch tausend Händ’ uns reicht;
Zu wissen das, was keinen Glauben fordert;
Zu glauben das, was nur geglaubt sein will;
Zu lassen das, was Nachreu uns erzeugt,
Und das zu flieh'n, was unsern Geist entedelt.
Wer das versteht, versteht die Kunst zu leben.
O laß sie uns, die Kunst der Künste lernen,
Unsterblich dann ist unser sterblich Leben!
Lavater.
La religio estas la mondo de ideoj, dum la kampo de la politiko estas en la eksteraj statoj de I’ mondo.
La tasko de la pastraro estas, eduki la popolon, $in instrui, por ke $i progresu spirite. Pri politikaj proble.noj la pastraro ne okupu sin.
X. La edukado kai instruado de la \ virinoj.
Viroj kaj virinoj havas egalajn rajtojn sur la tero; la virino estas tre grava elemento tiel en la religio kiel en la ekstera vivo. Kiom longtempe oni malhelpas la virinojn, atingi la plej altajn kapablojn, tiom longtempe la viroj ne komprenas $uste taksi la kapablopovon, atingeblan por la virina sekso.
daürigota,
Zum neuen Jahr.
Die Menschheit ist heute an einer Wende ihrer Entwicklung angelangt. Die geistige Welt der letzten Jahrzehnte, der einseitige Materialismus und Intellektualismus ist dem Untergang verfallen, eine neue Geistigkeit, gestützt auf das innere Schauen und Erleben, bricht sich Bahn (Intuitionalismus und Okkultismus). Wir schauen in ein Gewirr von Problemen, mit denen sich das 20. Jahrhundert wird beschäftigen müssen. Fragen materieller und geistiger Art sollen und wollen gelöst werden, wenn es mit der Menschheit äußerlich und innerlich aufwärts gehen soll. Uns interessieren vor allem die religiösen, ethischen und Weltanschauungsfragen unserer Zeit, weil wir wissen, daß die Besserung von innen nach außen geht. Wir sind gleichsam eingewoben in ein riesenhaftes Netzwerk, vor dem der Haltlose erschrickt oder sich immer mehr hineinverstrickt. Er sieht Unordnung, ja ein Chaos im kleinen wie im großen, einen Niedergang des sittlichen Bewußtseins, wie er in der deutschen Nation wohl nur während und nach dem 30jährigen Krieg in ähnlicher Weise zu finden war und wie er sich überhaupt nur nach schweren Kriegs- und Revolutionszeiten einzustellen pflegt.
Wer aber in Gott und seinem geoffenbarten Wort seinen Standort hat, wer die Tiefe und Erhabenheit jener einfachen Weltanschauung erkannt hat, in deren Mitte der Glaube, d. h. das feste Gottvertrauen steht, der sieht von da aus alles in wunderbarem Gefüge nach einem bestimmten Plan sich ordnen, sieht die verworrenen Fäden sich hinziehen zu dem großen Ziel der Menschheitsentwicklung, das uns Baha ’Ullah vor Augen stellt. Er fühlt gewissermaßen von den sichtbaren Linien aus die unsichtbaren Fortsetzungen, er ist sich dessen gewiß, daß in der Zukunft sich noch alles einen und runden wird. In dieser Stimmung überkommt ihn eine fast melodische Stimmung der Harmonie; er schaut verklärend auch in die Wirrnisse des Tages, ihm sind diese Tagesfragen nicht das Ein und Alles, ihn können die mancherlei Sorgen des Alltags wohl manchmal müde machen, aber nicht völlig niederdrücken oder verärgern.
Statt der Leidenschaftlichkeit, die der Gottferne — andere ansteckend — in sich vielfach herumträgt, zeigt sich bei ihm ein ruhiger und wohltuender Klang im öffentlichen Gedankenaustausch. Es ist Sonne im Wesen dieses Geklärten, denn er holt sich das Licht vom Urquell alles Lichts, er ist ein wahrer Bahai, ein Lichtkind. Das ist’s, wonach wir alle streben müssen, wir sollen vor allen Dingen etwas sein, und das werden wir, indem wir gleichsam den Anschluß an Gott festschrauben, so daß der Strom, der von uns aus in die Welt geht, eigentlich nur durch uns hindurchgeht, seine Kraftquelle aber im göttlichen Lichte hat. So wird man kein schwärmerisch-abstrakter Kosmopolit noch ein Heißsporn von Nationalist, überhaupt kein einseitiger Parteimann sein. Ueber den Parteien stehend, die Zeit miterlebend, verliert man den Mut nicht und ist sich dessen bewußt, daß wir eine große Läuterungszeit durchmachen.
Man ist im Kern seines Menschentums zum Leben erwacht, geklärt, im Gleichgewicht mit sich und mit Gott, eine Weit für sich, ein wohl entfaltetes, durchgöttlichtes, höheres Ich, man ist zum wahren, höheren Menschentum, zur voll ausgereiften Persönlichkeit hindurchgedrungen. Das Tun kommt dann von selber. „Wir werden etwas sein und sind etwas Starkes und Schönes ganz von selbst, falls Wachstumskraft in uns wirkt,“ sagt Fr. Lienhard („Neue Ideen"). In bescheidenen Grenzen können wir uns alle zu Edelblumen in dem Garten Gottes, von dem Abdul Baha so viel spricht, entfalten. Und mit großen, guten Menschen wandernd — wie einst ein Dante oder Goethe durch Himmel und Hölle und Paradies zog mitten in den schwersten Wirren des irdischen Vaterlandes — können wir in allen Unruhen und Drangsalen dieser Zeit für uns und unsere Mitmenschen einen Weg bahnen in das Lichtland, das wir alle ersehnen und dem wir auch im neuen Jahr einen Schritt näher zu kommen hoffen. Das gebe Gott!
J.
Nachdem die Veröffentlichungen aus „Zehn Tage im Lichte Akkas“ abgeschlossen sind, werden wir in den nächsten Heften unserer Zeitschrift Abschnitte aus einer Schrift zum Abdruck bringen, die in Englisch unter dem Titel: „Abdul Baha in London“ herauskam und neu von der Schriftleiterin ins Deutsche übersetzt wurde. Obgleich der Mund des geliebten Meisters für immer geschlossen ist, soll er doch nicht aufhören zu uns zu reden in den Worten, die er einst an Einzelne oder an ganze Versammlungen richtete.
Auch alles, was Abdul Baha bei seinem Besuch in Stuttgart gesprochen, soll jetzt gesammelt werden, und wir bitten alle, die mit ihm damals zusammenkamen, seine Worte, namentlich soweit sie von allgemeiner Bedeutung sind, niederschreiben und uns gefl. einsenden zu wollen.
Die Schriftleitung.
MITTEILUNG VOM VERLAG.
Durch weitere Verteuerung aller Materialien und des Drucks unserer Zeitschrift sind wir genötigt, den Abonnementspreis ab l. Januar 1923 auf Mk. 300.— für das laufende Vierteljahr festzusetzen.
Ferner teilen wir mit, daß die Broschüre „Das Hinscheiden Abdul Bahas" erschienen ist und zum Preis von Mk. 55.— bezogen werden kann.
VERLAG DES DEUTSCHEN BAHAIBUNDES Hölderlinstraße 35.
Verlag des Deutschen Bahai-Bundes Stuttgart
Fernsprecher 7675 — -— Postscheckkonto 25419 Stuttgart — — Hölderlinstrasse 33
In unserem Verlag sind erschienen:
1. Die Geschichte der Bahai-Bewegung, von S. S. Deutsch von Wilhelm Herrigel. Dritte Ausgabe . . . 20.--
2. Bahai-Perlen, Deutsch von Wilhelm Herrigel . . . . 25.--
3. Ehe Abraham war, war Ich, v. Thornton Chase. Deutsch v. W.Herrigel . . . .20.--
4. Das heilige Tablet, ein Sendschreiben Baha’o’llahs an die Christenheit. Deutsch von Wilhelm Herrigel . . 20.--
5. Die Universale Weltreligion. Ein Blick in die Bahai-Lehre von Alice T, Schwarz . . . . 50.--
6. Die Offenbarung Baha’o’llahs, von J.D. Brittingham. Deutsch von Wilhelm. Herrigel . . . 50.--
7. Verborgene Worte von Baha o’Ilah. Deutsch v. A. Braun u. E. Ruoff . . . 50.--
8. Baha’o lab, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. Deutsch von Wilhelm Herrigel, in Halbleinen gebunden . . . 220.--
in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 250.--
9. Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrehte und die einzelne Persönlichkeit, von Dr. jur. H. Dreyfus, Deutsch von Wilhelm Herrigel. Neue Auflage . . . 50.--
10. Die Bahaibewegung im allgemeinen und ihre großen Wirkungen in Indien, von Wilhelm Herrigel . . . 50.--
11. Eine Botschaft an die Juden, von Abdul Baha Abbas. Deutsch von Wilhelm Herrigel . . . 20.--
12. Abdul Baha Abbas, Ansprachen über die Bahailehre. Deutsch von Wilhelm Herrigel,
in Halbleinen gebunden . . . . . 270.--
in feinstem Ganzleinen gebunden. . . . . 300.--
13. Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahaireligion, von Mirza Abul Fazl. Deutsch von W. Herrigel,
in Halbleinen geb. . . . . 570.--
In Ganzleinen gebunden . . . . 600.--
14. Abdul Baha Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Dhelps.
Deutsch von Wilhelm Herrigel, in Ganzleinen gebunden . . . . 500.--
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Druck: Wilhelm Heppeler, Stuttgart.
Geschichte und Bedeutung der Bahailehre.
Die Bahai-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.
Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahaibewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahaireligion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Baha’o’llahs, Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Baha’o’llahs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahai (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Baha’o’llah vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi (Abdul Baha) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahai der Welt.
Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahai, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China etc. Dies kommt daher, daß Baha’o’llah den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.
In Baha’o’llah sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. In der Bahaireligion gibt es keine Priesterschaft und keine religiösen Zeremonien. Ihr einziges Dogma ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Baha’o’llah),
Die Hauptschriften Baha’o’llahs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt. Niemand ist mit der Macht betraut, Sündenbekenntnisse entgegenzunehmen oder Absolution zu erteilen.
Die Priester der bestehenden Religionen sollen den Zölibat (Ehelosigkeit) aufgeben, durch ihr Beispiel predigen und sich im praktischen Leben unter das Volk mischen. Monogamie (die Einehe) ist allgemein gefordert, Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Baha’o’llah eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Baha’o’llah.
Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von Abdul Baha erstrebt wird. (Vgl. Naveau Larousse, illustre supplement, p. 66.)
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