Sonne der Wahrheit/Jahrgang 16/Heft 12/Text

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SONNE

DER WAHRHEIT
 
 
Organ der Bahá’í
in Deutschland und
Öesterreich
Heft 12 16. Jahrgang Februar 1937



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Die Bahá’í-Lehre,[Bearbeiten]

die Lehre Bahá’u’lláhs erkennt in der Religion die höchste und reinste Quelle allen sittlichen Lebens.

Die Ausdrucksformen des religiösen Lebens des Einzelnen, ganzer Völker und Kulturkreise haben im Laufe der Geschichte entsprechend den jeweils anderen Verhältnissen und dem Wachstum des menschlichen Erkenntnisvermögens Wandlungen erfahren. Die äußeren Gesetze und Gebote aller Weltreligionen entsprachen immer den entwicklungsgeschichtlich gegebenen Erfordernissen in bezug auf den Einzelnen, die soziale Ordnung und das Verhältnis zwischen den Völkern. Alle Religionen beruhen aber auf einer gemeinsamen, geistigen Grundlage. „Diese Grundlage muß notwendigerweise die Wahrheit sein und kann nur eine Einheit, nicht eine Mehrheit bilden.“ ('Abdu'l-Bahá.) „Die Sonne der Wahrheit ist das Wort Gottes, von dem die Erziehung der Menschen im Reich der Gedanken abhängig ist.“ (Bahá’u’lláh.) Alle großen Religionsstifter waren Verkünder des Wortes Gottes entsprechend der Fassungskraft und Entwicklungsstufe der Menschen. Das Wesen der Religion liegt darin, im Bewußtwerden der Abhängigkeit des Menschen von der Wirklichkeit Gottes Seine Offenbarer anzuerkennen und nach Seinen durch sie übermittelten Geboten zu leben.

Die Bahá’i-Lehre bestätigt und vertieft den unverfälschten und unwandelbaren Sinn und Gehalt aller Religionen von neuem und zeigt darüber hinaus die kommende Weltordnung auf, welche die geistige Einheit der Menschheit zur Voraussetzung haben wird. Die in ihr zum Ausdruck kommende Weltanschauung steht mit den Errungenschaften der Wissenschaft ausdrücklich in Einklang.

Die Lehre Bahá’u’lláhs enthält geistige Grundsätze und Richtlinien für eine harmonische Gesellschafts-, Staats- und Wirtschaftsordnung. Sie beruhen auf dem Gedanken der natürlich gewachsenen, organischen Einheit jedes Volkes und der das Völkische übergreifenden geistigen Einheit der Menschheit. Den Interessen der Volksgemeinschaft sind die Sonderinteressen des Einzelnen unterzuordnen, denn nur die Gesamtwohlfahrt verbürgt auch das Wohl des Einzelnen.

Wie jede Religion, so wendet sich auch die Bahá’i-Lehre an die Herzensgesinnung des Menschen, um die religiösen Kräfte in den Dienst wahren Menschentums zu stellen. Sie erstrebt die Höherentwicklung der Menschheit mehr durch die Selbsterziehung des Einzelnen als durch äußerlich-organisatorische Maßnahmen. Der Bahá’i hat sich daher über seine ernst aufgefaßten staatsbürgerlichen Pflichten hinaus nicht in die Politik einzumischen, sondern sich zum Träger der Ordnung und des Friedens im menschlichen Gemeinschaftsleben zu erheben. Bahá’u’lláhs Worte sind: „Es ist euch zur Pflicht gemacht, euch allen gerechten Regenten ergeben zu zeigen und jedem gerechten König eure Treue zu beweisen. Dienet den Herrschern der Welt mit der höchsten Wahrhaftigkeit und Treue. Zeiget ihnen Gehorsam und seid ihre wohlwollenden Freunde. Mischt euch nicht ohne ihre Erlaubnis und Zulassung in politische Dinge ein, denn Untreue gegenüber dem Herrscher ist Untreue gegenüber Gott selbst.“

Bahá’u’lláh weist den Weg zu einer befriedeten, im Geiste geeinigten Menschheit. Ein alle Staaten umfassender Bund in ihrer Eigenart entwickelter und unabhängiger Völker auf der Grundlage der Gleichberechtigung, ausgestattet mit völkerrechtlichen Vollmachten und Vollstreckungsgewalten gegenüber Friedensstörern, soll die übernationalen Interessen aller Völker der Erde in völliger Unparteilichkeit und höchster Verantwortung wahrnehmen. Zwischenstaatliche Konflikte sind durch einen von allen Staaten beschickten Weltschiedsgerichtshof auf friedlichem Wege beizulegen.

Die geistige Wesensgleichheit aller Menschen und Völker erheischt einen organischen Aufbau der sozialen Weltordnung, in der jedem seine einzigartige, besondere Eingliederung und Aufgabe zugewiesen ist. Die geographischen, biologischen und geschichtlichen Gegebenheiten bedürfen im Gemeinschaftsleben der Völker immer einer besonderen Beachtung, ohne die sie umschließende Einheit im Reiche des Geistes aus den Augen zu verlieren.

Die Lehre Bahá’u’lláhs „ist in ihrem Ursprung göttlich, in ihren Zielen allumfassend, in ihrem Ausblick weit, in ihrer Methode wissenschaftlich, in ihren Grundsätzen menschendienend und von kraftvollem Einfluß auf die Herzen und Gemüter der Menschen“.


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SONNE DER WAHRHEIT
Organ der Bahá’í in Deutschland und Österreich
Verantwortlich für die Herausgabe: Dr. Eugen Schmidt, Stuttgart-W, Reinsburgerstraße 198
Schriftleitung: Dr. Adelbert Mühlschlegel, Dr. Eugen Schmidt, Alice Schwarz-Solivo
Verwaltung: Paul Gollmer Begründet von Alice Schwarz-Solivo
Preis vierteljährlich 1.80 Reichsmark
Heft 12 Stuttgart, im Februar 1937
Mulk — Oberherrschaft 93
16. Jahrgang

Inhalt: Bahá’u’lláh über die zu allen Zeiten gegenüber den Gottgesandten erhobene Beschuldigung der Unruhestiftung. — Nabíl’s Erzählung: Ṭáhirih’s Reise von Karbilá nach Khurásán. — Über die Sendung von Bahá’u’lláh. — Die Gottgesandten. — Die VII. Tagung der Bahá’í-Studenten in Paris vom 2. bis 3. Januar 1937. — Inhaltsübersicht des 16. Jahrganges 1936/37.



Es genügt nicht, den Weg zum Königreich Gottes zu erkennen, den himmlischen Pfad nur zu entdecken: du mußt auf ihm wandeln, bis du sein Ende erreichst.

‘Abdu’l-Bahá*)


*) Ebenda, XIII, S. 90.



Bahá’u’lláh über die zu allen Zeiten gegenüber den Gottgesandten erhobene Beschuldigung der Unruhestiftung[Bearbeiten]

Übersetzung aus L’Epître au Fils du Loup. Edition Honoré Champion, Paris, 1913, Seite 93 bis 99 und Seite 64 bis 68


... Wenn du1) aus Liebe zu Gott eine Weile über das nachdenkst, was sich früher oder später ereignet hat, dann wirst du dich von dem abwenden, was von dir stammt, um dem zu folgen, was von Gott kommt, und wirst zur Ursache der Erhöhung des göttlichen Wortes werden. Hat es vom Beginn der Welt bis heute ein Licht oder eine Offenbarung gegeben, die am Aufgangsort des göttlichen Willens erschienen ist und welche die Völker der Erde angenommen, deren Gebot sie gebilligt haben? Wie nennst du das, was sich abgespielt hat? Vom Siegel der Propheten2) — möge der Geist von allem anderen als Ihm sein Opfer sein! —, und vor Ihm, von Jesus bis zurück zur ersten Offenbarung waren sie alle in den Tagen ihres Erscheinens umgeben von Mißhelligkeiten schlimmster Art: die einen wurden als Narren behandelt, die anderen als Betrüger, und man hat Dinge wider sie vollbracht, deren Erwähnung meine Feder aufseufzen läßt. Bei Gott! Es widerfuhr ihnen, was alle Dinge jammern macht, und dabei befinden sich die meisten Menschen in offensichtlicher Unwissenheit! Ich bitte Gott, Er möge ihnen helfen, sich Ihm zuzukehren und sich dem Tore Seiner Huld zuzuwenden. Wahrlich, Er ist der Allmächtige über alle Dinge!

In diesem Augenblick läßt sich das Geräusch der allerhöchsten Feder vernehmen. Sie spricht zu mir: „Gib dem Shaykh die [Seite 178] Ratschläge bekannt, die du einem deiner Aghṣáne3) erteilt hast. Vielleicht wird ihn das sanfte Wehen der Erklärung anziehen und Gott, dem Herrn der Welten, näher bringen.“

„Sei4) freigebig im Reichtum und dankbar, wenn er dir fehlt, voll Achtung vor fremden Rechten; trage ein lächelndes Antlitz; für die Armen sei eine Schatzkammer, ein Ratgeber den Reichen; erhöre die, so dich um etwas bitten; sei treu in deinem Versprechen, rechtlich in deinen Unternehmungen, schweigsam in den Versammlungen, gerecht in deinem Urteil, bescheiden im Verkehr mit den Menschen; sei Leuchte in der Finsternis, Freude für den Bekümmerten, Meer für den Durstigen, Zuflucht für den Unglücklichen, Hilfe, Arm und Stütze für den Unterdrückten. Sei ehrenhaft in deinen Handlungen, dem Fremdling sei eine Heimat, dem Kranken Heilung, eine Feste für den, der um Schutz bittet, ein Gesicht für den Blinden, ein Weg für den Verirrten, die Schönheit für das Antlitz der Wahrheit, ein Schmuckstück für den Körper der Treue, ein Thron für die Wohnstatt der guten Sitten, eine Seele für den Körper der Welt, ein Banner für das Heer der Gerechtigkeit, ein Licht für den Horizont der Wohlfahrt, ein Tau für das Land des Guten, eine Barke für das Meer des Wissens, eine Sonne für den Himmel der Großmut, ein Diadem für das Haupt der Weisheit, ein weißer Punkt in der Stirn der Welt, eine Frucht für den Baum der Demut. Ich bitte Gott, Er möge dich vor der Hitze des Neids, vor der Kälte des Hasses bewahren: wahrlich, Er ist Der, Welcher uns nahe ist und uns hört.“

Also hat Meine Zunge zu einem Meiner Aghṣáne gesprochen; und Wir haben es zu wissen getan Meinen Freunden, welche die Vorurteile abgelegt und erfaßt haben, was befohlen wurde an dem Tage, da die Sonne der Gewißheit am Horizonte des Willens Gottes, des Herrn der Welten, emporstieg. An eben jenem Tage hat der Vogel der Erklärung im Namen seines Herrn, des Barmherzigen, auf den Ästen5) gesungen. Selig, wer auf den Flügeln der Sehnsucht Gott, dem König des Tages des Gerichts, entgegengeflogen ist!

Gott weiß, und die Gemeinschaft der Gläubigen kann bestätigen, daß ich immer in den größten Gefahren gelebt habe, Andernfalls, wäre es nicht um der Prüfungen auf dem Wege Gottes willen, würde mein zeitliches Dasein mir keine Freude bereiten und mein Leben hätte keinerlei Reiz. Es ist kein Geheimnis für jene, die mit Einsicht begabt sind, und für jene, die ihren Blick auf dieses allerhöchste Erscheinen6) richten, daß ich beinahe mein ganzes Leben lang einem Sklaven glich, der unter einem Schwerte sitzt, das an einem einzigen Faden hängt, und der nicht weiß, wann es niederfallen wird, ob jetzt oder erst später. Bei alldem dankte ich Gott, dem Herrn der Welten! Und die Zunge des Geheimnisses sprach Tag und Nacht dieses Gebet: „Sei gepriesen, o mein Gott! Wäre es nicht an den Prüfungen auf Deinem Wege, wie zeigte sich dann die Stufe derer, die Dich lieben? Wenn nicht durch das Leid in Deiner Liebe, wie würde dann der Zustand derer gefestigt, die sich glühend nach Dir sehnen? Bei Deiner Herrlichkeit! Ihrer Augen Tränen sind die Lust derer, die Dich lieben; ihres Herzens Seufzer sind die Gefährten Deiner Jünger; ihrer Leber Stücke sind das Mahl derer, die sich Dir nahen! Wie süß ist schreckliches Gift auf Deinem Wege, wie wertvoll der Pfeil des Feindes für die Erhöhung Deines Wortes! O mein Gott und mein Herr! Laß mich in Deiner Sache trinken, was Du gewollt hast, und für mich in Deiner Liebe das herniederkommen, was Du bestimmt hast. Bei Deiner Herrlichkeit! Ich wünsche nur, was Du wünschest, und liebe nur, was Du liebst; ich vertraue mich Dir in allen Lagen. Wahrlich, Du bist der Unabhängige, der Allerhöchste! Ich bitte Dich, o mein Gott, zur Unterstützung dieser Offenbarung das Erscheinen dessen zu bewirken, der Deines Namens und Deiner Macht würdig ist, auf daß er Dich unter Deinen Geschöpfen erwähne, die Banner des Sieges in Deinem Königreiche schwinge und sich mit Deinen guten Sitten und Deinen Geboten schmücke. Es gibt keinen anderen Gott als Dich, den Beschützer, Den, Der kraft Seiner Selbst besteht.“ Jetzt wird immerfort der feierliche Ruf der Religion laut, der da die [Seite 179] Worte kündet: „O Erdengemeinschaft! Bei Gott! Ich bin die Religion Gottes unter euch: hütet euch, Mich zu verwerfen! Gott hat Mich in einem Lichte erscheinen lassen, das umhüllt, was im Himmel und auf Erden ist. O Völker! Verhaltet euch rechtlich gegenüber Meiner Offenbarung, Meiner Enthüllung, Meiner Erleuchtung, und zählt nicht zu den Unterdrückern!“

O Shaykh! Der Unterdrückte7) bittet Gott — Ihm sei Lob und Preis! —, Er möge dich zu jenem machen, der das Tor der Rechtlichkeit öffnet, und möge durch dich die Sache in der Menschenwelt zum Erscheinen bringen. Wahrlich, Er ist der Starke, der Mächtige, der Freigebige! O Shaykh! Bitte Gott, daß Er Gehör, Gesicht und Herz der Welt heilige und sie vor den selbstsüchtigen Leidenschaften beschirme, denn die Ichsucht stellt eine schreckliche Krankheit dar für den Menschen, die ihn der Erkenntnis Gottes beraubt und der Strahlenpracht der Sonne der Gewißheit nicht teilhaftig werden läßt! Ich erbitte und erhoffe von der göttlichen Güte und Barmherzigkeit, daß dieses stärkste Hindernis beseitigt werden möge. Wahrlich, Er ist der Fähige, der Siegreiche, der Allmächtige!

Soeben erhebt sich von der Rechten des lichterfüllten Palastes der feierliche Ruf: „Gott! Es gibt keinen anderen Gott als Ihn, den Beherrscher, den Weisen! Gib dem Shaykh den Rest des Lawḥ-i-Borhán8) bekannt, damit es ihn zum Horizont der Offenbarung des barmherzigen Herrn hinziehe; vielleicht macht er sich dann auf, die Sache mit starken Zeichen und höchsten Belegen zu unterstützen, und kündet unter den Menschen, was die Zunge des Beweises9) kündet: ‚Das Königreich ist Gottes, des Herrn der Welten!‘ “

Lies das Buch der Gewißheit wie auch das, was der Barmherzige für den Kaiser von Paris und Seinesgleichen geoffenbart hat, damit du erfahrest, was Er vordem bestimmt hat, und dich überzeugen mögest, daß es Uns nicht nach Unordnung verlangt hat auf der Erde, nachdem sie eingerichtet war. Wahrlich, Wir ermahnen die Menschen aufrichtig zur Liebe Gottes. Wer da will, nehme sie an, und wer will, wende sich von ihr ab. Wahrlich, Unser Herr, der Barmherzige, ist der Unabhängige, der Gepriesene! O Sektenschar! An diesem Tage wird euch nichts helfen, kein Name, außer Jenem, Den Gott zur Offenbarung Seines Befehls und zum Aufgang Seiner Schönheitsnamen gemacht hat für die, welche im Königreiche der Schöpfung sind. Gesegnet, wer den Wohlgeruch des Barmherzigen entdeckt hat und zu denen zählt, die fest sind! Heute werden weder eure Wissenschaften, noch eure Künste, noch eure Schätze, noch euer Ruhm euch reich machen: werft all das hinter euch, indem ihr euch dem Größten Namen10) zuwendet, durch den die Psalmen und die Blätter11) und dieses offenbare Buch ausgezeichnet sind. O Völker! Laßt ab von dem, was ihr mit der Feder der Einbildungen und des Aberglaubens zusammengetragen habt: Gott hat am Horizont der Gewißheit die Sonne des Wissens aufgehen lassen! ...

... Eben jene Beschuldigung des Verwirrungstiftens erhoben einst die Ägypter gegen den Sprecher Gottes12). Lies, was der Barmherzige im Furqán13) geoffenbart hat. Er spricht — Ihm sei Lob und Preis! —: „Wahrlich, Wir haben Moses mit Unseren Beweisen und offensichtlicher Macht zu Pharao, Hamán14) und Qarun15) gesandt, und sie haben Ihn einen trugvollen Zauberer geheißen! Und als Er wahrhaftig in Unserem Auftrage zu ihnen kam, da sprachen sie: ‚Tötet die Söhne derer, die an ihn geglaubt haben; ihre Frauen aber kerkert ein!‘ Verschwörungen von Ungläubigen aber geschehen nur im Irrtum. Und Pharao sprach: ‚Laßt es zu, daß ich Moses töte, damit er von seinem Gotte abläßt, denn ich fürchte, er möchte eure Religion ändern oder Zwietracht schaffen auf Erden.‘ Moses aber antwortete: ‚Wahrlich, ich nehme meine Zuflucht zu meinem Herrn und dem eurigen vor jedem Hoffärtigen, der nicht an den Tag der Rechenschaft glaubt.‘ “ [Seite 180]

Immer ist der Friedensstifter der Welt als Aufwiegler betrachtet worden und hat man Ihm zur Last gelegt, was aller Welt zu Ohren kam. Jedesmal, wenn das Gestirn der Offenbarung am Horizonte des Himmels des göttlichen Willens aufging, hat die Menge es sich angelegen sein lassen, dasselbe zu verleugnen, zu quälen, sich ihm zu widersetzen, es auf tausenderlei Art zu verleumden, und man hat so die Menschen des gütigen Gesetzes des Königs der Schöpfung beraubt. So haben auch in unseren Tagen Menschen, die mich weder gesehen noch kennengelernt haben, behauptet und behaupten, was ihr gehört habt und noch hört. Sprich: „O Völker! Heute ist die Sonne der Erklärung am Horizonte des Himmels der Gunst erschienen, und das Licht der Offenbarung des Sprechers vom Sinaï, des Hauptes der Religionen, leuchtet und strahlt; heiliget und reiniget euere Herzen, euere Seelen, euer Hör- und Sehvermögen mit dem Kawthar16) der Erklärung des Barmherzigen, sodann wendet euch Gott zu!“ Bei Gott! Im Bereich aller Dinge vernehmt ihr die feierliche Kunde: „Ja, der Wahre ist gekommen!“ Selig die Gerechten, und wehe den Widersetzlichen!

Unter anderem hat man bezüglich des heiligen Baumes17) behauptet, was jeder mit Scharfblick begabte Gelehrte und jeder verständige Gebildete verwirft. Du hast sicherlich den Vers zu Gesicht bekommen und gelesen, der in Bezug auf Moses geoffenbart ward. Er18) — gepriesen sei Er und verherrlicht! — berichtet: „Er sprach: ‚Haben wir dich nicht aufgezogen und erzogen, da du ein Kind warst, und hast du nicht mehrere Jahre deines Lebens bei uns verbracht? Und dennoch hast du begangen, was du getan hast19), und zählst unter die Ungläubigen!‘ — Er20) gab zur Antwort: ‚Ich tat es, als ich unter den Verirrten war; und ich floh vor euch, da ich euch fürchtete. Dann hat mein Herr mir einen Befehl erteilt und hat mich zu einem der Gesandten gemacht.“

Und anderswo sagt Er21) — Ihm sei Lob und Preis! —: „Und er22) betrat die Stadt, ohne daß die Bewohner etwas davon wußten; und in der Stadt traf er auf zwei Männer, die auf Leben und Tod miteinander stritten; der eine zählte zu seinen Freunden, der andere zu seinen Feinden; und der, welcher sein Freund war, bat ihn um Hilfe gegen den Anderen. Und Moses schlug auf ihn ein und entschied dadurch gegen ihn. Aber er sprach: ‚Dies ist ein Werk Satans; wahrlich, er ist der offenbare trugvolle Feind! Herr, ich habe mich versündigt, verzeih mir.‘ Und Er vergab ihm. Wahrlich, Er ist der Verzeihende und der Barmherzige! — Moses sprach: ‚Herr, angesichts Deiner Nachsicht will ich Übeltätern nie mehr Beistand leisten.‘ Am Morgen stand er dann auf in der Stadt, in Furcht und Hoffnung zugleich. Und ebenda rief ihn der, dem er tags zuvor beigestanden hatte, für sich zu Hilfe. Moses sprach zu ihm: ‚Du bist offensichtlich auf einem Irrweg.‘ Als er sich aber (trotzdem) dessen bemächtigen wollte, der ihr gemeinsamer Feind war, da sagte dieser zu ihm: ‚Willst du mich töten, o Moses, wie du gestern abend einen getötet hast? Willst du nur ein Unterdrücker sein auf der Erde und nicht unter die Friedensstifter zählen?‘ “

Nun bedarf es heiliger und klarer Einsicht und Schau, damit du dich an die Gerechtigkeit und Rechtlichkeit hältst: selbst ein Moses hat sein Vergehen, seine Verirrung, seine Sünde wohl eingesehen und Gott — gepriesen sei Seine Herrlichkeit! — um Verzeihung gebeten. O Shaykh! Zu jeder Zeit ist Gott — gepriesen sei Seine Herrlichkeit! — Seinen wirklichen Offenbarern sichtbarlich erschienen mit dem Banner des „Er tut, was Er will, und Er befiehlt, was Ihm gut dünkt.“ Niemand hat das Recht, nach dem Warum oder Wie zu fragen; wer aber darnach frägt, der wendet sich wahrlich von Gott, dem Herrn der Herren, ab! Solches trat in den Tagen der Offenbarungen für alle klar zutage. Daher kommt es, daß man auch hinsichtlich Meiner Verleumdungen ausgestreut hat, deren Unrichtigkeit die Völker der Annäherung und die Aufrichtigen bestätigen. Bei Gott! Um diese Verachtung war es stets etwas Geheiligtes! Obgleich man sich aber jetzt vereinigt hat in dem Wunsche, mich mit nichtswürdigen Verleumdungen zu beschmutzen, liegt das Wissen bei Gott und nicht bei ihnen! Ihn, Der [Seite 181] mit der Kraft und der Macht Gottes sich gegen alle Sekten der Welt gewandt und jeden Einzelnen zum allerhöchsten Horizonte gerufen hat, Ihn hat man verleugnet und im Gegensatz dazu jenen angehangen, die, allein auf ihre Sicherung bedacht, sich stets hinter Schleiern und Verhängen verborgen haben! Auch heute noch beschäftigen sich diese Menschen allesamt mit Lügen und Verleumden, und nie sind sie auf anderes ausgegangen, als darauf, dem Zweifel Eingang in die Herzen zu verschaffen. Gleich von dem Augenblicke ab, da einer die Hauptstadt23) verläßt, um in dieses Land zu kommen, verkünden sie mit Sturzbach- und Gewittertosen, er sei nach Verlust seiner Ehre nach ‘Akká gegangen. Ein Mann von Wissen, Ansehen und Tugend hat sich in frommer Absicht auf das Ende seiner Tage nach dem Heiligen Lande begeben; daraufhin schrieb man ihm Dinge zur Last, die den Aufrichtigen und Erwählten Ausrufe entlockten. ...


1) Der Empfänger des Briefes, Shaykhi Muḥammad Taqí.

2) Muhammad.

3) Wörtlich übersetzt „Äste“; gemeint ist einer seiner leiblichen Söhne, nämlich der jüngste, Mírzá Badí’u’lláh.

4) Hier beginnt die Wiedergabe der Ratschläge.

5) Aghṣán.

6) Bahá’u’lláh.

7) Bahá’u’lláh.

8) Tablet des Beweises.

9) Borhán.

10) Die größte Offenbarung Gottes, Bahá’u’lláh.

11) Gemeint sind die heiligen Schriften aller Religionen. .

12) Moses.

13) Gleichbedeutend mit Qur’án, dem Buche Muḥammad’s. Siehe dort Sure 40, 24 ff.

14) Minister Pharaos.

15) Der Korah der Bibel, der gegen Moses eine Verschwörung anzettelte und mit seinen Genossen vom Erdboden verschlungen wurde.

16) Exoterische Bedeutung: Fluß im Paradies.

17) Gemeint ist hier Moses.

18) Der Offenbarer dieses Verses, vermutlich Muḥammad.

19) Nämlich einen Totschlag.

20) Moses.

21) Muḥammadim Qur’án, Sure 28 14 ff.

22) Moses.

23) Ṭihrán, Hauptstadt von Persien (Iran).



Nabíl’s Erzählung[Bearbeiten]

Übersetzung aus „The Dawn-Breakers“, Nabíl’s Narrative of the early days of the Bahá’í Revelation, New York 1932


Aus Kapitel XV: Ṭáhirih’s Reise von Karbilá nach Khurásán.

(Fortsetzung)


Es gelang ihr, die hochgeachtete Witwe des Siyyid Kázim für die Sache zu gewinnen. Diese war in Shíráz geboren und war die erste Frau von Karbilá, welche die Wahrheit erkannte. Sie wurde Ṭáhirih treu ergeben.

Unter den Männern, die in Karbilá durch Ṭáhirih’s Bemühungen mit Leidenschaft die Sache des Báb aufgriffen, war ein gewisser Shaykh Ṣáliḥ, ein Araber und Einwohner der Stadt. Er war der erste, dessen Blut auf dem Pfade des Glaubens in Ṭihrán floß. Mit seiner und anderer Auserlesener Hilfe konnte die begeisterte Ṭáhirih eine große Zahl der persischen und arabischen Einwohner des ‘Iráq für den Glauben des Báb gewinnen.

Der Ruf des Báb, der ursprünglich an Seine Jünger in Persien gerichtet war, wurde auch bald an die Anhänger Seines Glaubens im ‘Iráq weitergeleitet. Ṭáhirih entsprach ihm auf das herrlichste. Ihrem Beispiel folgten eine große Zahl ihrer treuen Bewunderer, die alle ihre Bereitwilligkeit kundgaben, nach Khurásán mitzureisen. Die ‘Ulamá von Karbilá versuchten jedoch, sie von ihrem Unternehmen abzubringen. Sofort erkannte Ṭáhirih den Grund, der jene zu solchen Ratschlägen veranlaßte, und, ihrer bösen Absichten gewahr, richtete sie an jeden dieser Sophisten eine ausführliche Denkschrift, worin sie ihre Beweggründe klarlegte und die Heuchelei der anderen aufdeckte,

Von Karbilá begab sie sich nach Baghdád. Eine ansehnliche Abordnung, die sich aus den fähigsten Führern der Gemeinden der Schiiten, der Sunniten, der Christen und der Juden in dieser Stadt zusammensetzte, suchte sie auf und bemühte sich, sie von der Torheit ihres Tuns zu überzeugen. Es gelang ihr aber, ihren Protest zu beschwichtigen, und sie setzte mit der Kraft ihrer Beweise in hohes Erstaunen. Enttäuscht und verwirrt zogen sie sich zurück, ihrer eigenen Unfähigkeit zu tiefst bewußt.

Die ‘Ulamá von Kirmánsháh empfingen sie ehrerbietig und begegneten ihr mit mancherlei Zeichen ihrer Achtung und Bewunderung. In Hamadán dagegen waren die kirchlichen Führer der Stadt in ihrer Haltung gegen sie uneins. Einige gedachten insgeheim, das Volk herauszufordern und ihr Ansehen zu untergraben; andere dagegen fühlten sich bewogen, öffentlich ihre Vorzüge zu preisen und ihrem Mut Beifall zu zollen. „Es geziemt uns“, so erklärten diese Freunde von ihren Rednerpulten aus, „ihrem edlen Beispiel nachzustreben und sie höflichst zu bitten, uns die Geheimnisse des Qur’án zu enthüllen, und die Rätsel des heiligen Buches zu lösen. Denn unser bestes Wissen ist nur ein Tropfen, im Vergleich zu der Unermeßlichkeit ihrer Erkenntnis.“ Währenddessen wurde Ṭáhirih in Hamadán von denen besucht, die ihr Vater, Ḥájí Mullá Ṣáliḥ von Qazvín entsandt hatte, um [Seite 182] sie in seinem Namen zu begrüßen, zugleich mit der dringenden Bitte, ihre Heimatstadt wieder zu besuchen und sich länger unter ihnen aufzuhalten. Sie stimmte nur mit Widerstreben zu. Bevor sie weiterreiste, befahl sie ihren Reisebegleitern vom ‘Iráq, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Nur zwei der Reisegefährten blieben bei ihr — Shaykh Ṣáliḥ und Mullá Ibráhím-i-Gulpáyigáni, die beide den Kelch des Märtyrertums tranken, der Erstere in Ṭihrán, der Andere in Qazvín. Von ihren eigenen Verwandten reisten mit ihr den ganzen Weg von Karbilá bis Qazvín: Mírzá Muḥammad ‘Alí, einer der Buchstaben des Lebendigen und zugleich ihr Schwager, und Siyyid ‘Abdu’l-Hádi, der mit ihrer Tochter verlobt war.

Bei der Ankunft in ihres Vaters Haus, sandte ihr Vetter, der hochmütige, falsche Mullá Muḥammad, der Sohn Mullá Taqí's, der sich nächst seinem Vater und seinem Onkel der hervorragendste aller Mujtahid’s von Persien dünkte, einige Damen seiner Familie, um Ṭáhirih zu überreden, ihren Wohnsitz von ihres Vaters Hause nach dem seinigen zu verlegen. „Saget meinem anmaßenden und dreisten Verwandten“, war ihre kühne Antwort zu den Botinnen, „wenn dein Wunsch, mir ein treuer Gefährte und Mitarbeiter zu sein, aufrichtig wäre, so würdest du dich beeilt haben, mich in Karbilá zu treffen, und würdest meine Sänfte den ganzen Weg nach Qazvín zu Fuß begleitet haben. Ich hätte dich während der Reise aus deinem Schlaf der Achtlosigkeit gerissen und dir den Weg zur Wahrheit gezeigt. Doch dies tatest du nicht. Drei Jahre sind ins Land gegangen, seitdem wir uns trennten. Weder in dieser noch in der nächsten Welt kann ich jemals mit dir zusammen gehen. Ich habe dich für immer aus meinem Leben gestrichen!“

Diese harte und unnachgiebige Antwort brachten Mullá Muḥammad und seinen Vater zu einem Wutausbruch. Sie erklärten sie alsbald für eine Ketzerin und gaben Tag und Nacht keine Ruhe, ihre Stellung zu untergraben und ihren Ruhm zu besudeln. Ṭáhirih verteidigte sich kühn, indem sie unbeirrt die Verworfenheit der Charaktere dieser Männer bloßstellte. Ihr Vater, ein friedliebender, edelgesinnter Mann, bedauerte diesen erbitterten Wortkampf und versuchte Versöhnung und Einklang zwischen beiden Seiten herzustellen, was ihm aber nicht gelang.

Dieser Zustand der Spannung hielt an, bis ein gewisser Mullá 'Abdu’lláh, ein Einwohner von Shíráz und ein großer Verehrer von Shaykh Aḥmad und Siyyid Káẓim, in Qazvín eintraf, zu Beginn des Monats Ramaḍán i. J. 1263 d. H.1). Im Anschluß an seine Prüfungen, die er in Ṭihrán in Anwesenheit des Ṣáḥib-Díván erlitten hatte, erzählte dieser Mullá 'Abdu’lláh folgendes: ‚Ich bin noch kein überzeugter Bábi gewesen. Als ich in Qazvín ankam, war ich schon auf meinem Weg nach Máh-Kú, um den Báb zu besuchen und Seine Sache zu erforschen. Bei meiner Ankunft in Qazvín sah ich, daß die Stadt in großem Aufruhr war. Als ich am Marktplatz vorbei kam, sah ich eine Menge Raufbolde, die einem Mann seine Kopfbedeckung und seine Schuhe heruntergerissen hatten. Sie hatten ihm seinen Turban um den Hals geschlungen und führten ihn daran durch die Straßen. Eine wütende Horde bedrohte, schlug und beschimpfte ihn. Als ich frug, was hier vorgehe, erhielt ich zur Antwort: ‚Seine unverzeihliche Schuld besteht darin, daß er es wagte, öffentlich die Tugenden von Shaykh Aḥmad und Siyyid Káẓim zu preisen. Daraufhin hat ihn Ḥájí Mullá Taqí, der Ḥujjatu’l-Islam, als Ketzer erklärt und seine Verstoßung aus der Stadt befohlen.‘

Ich war von der mir gewordenen Erklärung sehr betreten. Wie könnte ein Shaykhi, so sagte ich mir, als Ketzer angesehen und mit einer so schweren Strafe belegt werden? Begierig von Mullá Taqí selbst den wahren Sachverhalt zu erfahren, ging ich in seine Schule und frug, weshalb er soeben solch ein Urteil gegen jenen gefällt hätte. ‚Ja‘, antwortete er grob, ‚den Gott, den der verstorbene Shaykh Aḥmad-i-Baḥrayní anbetete, ist ein Gott, an den ich nicht glauben kann. Ihn und seine Anhänger betrachte ich als den verkörperten Irrtum.‘ Ich hätte ihn gerne in diesem Augenblick, angesichts seiner versammelten Schüler ins Gesicht geschlagen, hielt mich aber zurück und gelobte mir, daß, so es Gottes Wille sei, ich ihm meinen Speer in den Mund stoßen würde, daß er niemals mehr eine solche Gotteslästerung aussprechen könne.“ [Seite 183]

Ich ließ. ihn stehen und ging wieder auf den Marktplatz, wo ich mir einen Degen und eine Speerspitze von größter Schärfe und bester Form kaufte. Ich verbarg beide an meiner Brust, bereit den gefaßten Entschluß auszuführen. Ich wartete auf eine günstige Gelegenheit, als ich eines Abends die Moschee betrat, wo er gewöhnlich das Gebet der Gemeinde leitete. Ich wartete bis zur Dämmerung, als ich eine alte Frau die Moschee betreten sah, die einen kleinen Teppich bei sich hatte, den sie auf dem Boden des Mihráb2) ausbreitete. Kurz darauf trat Mullá Taqí allein in die Moschee, schritt bis an das Mihráb heran und betete. Vorsichtig und leise schlich ich ihm nach und stellte mich hinter ihn. Er warf sich zu Boden, da stürzte ich mich auf ihn, riß meine Speerspitze heraus und stieß sie ihm in das Genick. Er schrie laut auf. Ich warf ihn auf den Rücken, zog meinen Degen und stieß ihn ihm bis an das Heft in den Mund. Mit der gleichen Waffe stieß ich ihn mehrmals in die Brust und in die Seite und ließ ihn in seinem Blut auf dem Mihráb liegen.

Ich stieg nun auf das Dach der Moschee und beobachtete das Rasen und den Aufruhr der Volksmenge. Menschen in Scharen drangen ein, legten ihn auf eine Tragbahre und brachten ihn in sein Haus. Da sie den Mörder nicht feststellen konnten, fröhnte das Volk bei dieser Gelegenheit seinen niedersten Instinkten. Sie fielen sich gegenseitig an, und beschuldigten sich in der Gegenwart des Statthalters leidenschaftlich des Mordes. Da ich herausfand, daß viele unschuldige Menschen schwer beschuldigt und in das Gefängnis verbracht wurden, forderte die Stimme meines Gewissens, meine Tat zu gestehen. Demzufolge suchte ich den Statthalter auf und sagte ihm: ‚Wenn ich euch den Mörder ausliefere, würdet ihr mir dann versprechen, die unschuldig gefangenen Leute aus dem Kerker, in dem sie schmachten, zu befreien?‘ Sowie ich seine Versicherung darüber erhalten hatte, bekannte ich mich als Täter. Anfänglich wollte er mir keinen Glauben schenken. Auf meine Bitte rief er die alte Frau herbei, die den Teppich auf dem Mihráb ausgebreitet hatte, lehnte aber den Beweis ihrer Zeugenschaft ab. Schließlich wurde ich an das Sterbelager von Mullá Taqí geführt. Als er mich sah, erkannte er mich. In seiner Erregung wies er mit dem Finger auf mich, als den Täter. Er bedeutete, daß ich ihn verlassen möchte. Bald darauf starb er. Ich wurde sofort, als des Mordes schuldig ins Gefängnis geworfen. Der Statthalter hielt aber sein Wort nicht und verweigerte die Freilassung der Gefangenen.“

(Fortsetzung folgt.)


1) 13. August bis 12. September 1847 n. Ch.

2) Der Platz in der Moschee, an dem der Imám betet, das Gesicht nach Mekka gewandt.



Über die Sendung von Bahá’u’lláh[Bearbeiten]

Von Alice Schwarz-Solivo

Die in Stuttgart im Kunstgebäude anläßlich der Gedenkfeier für Bahá’u’lláh am 12. November 1936 gehaltene Ansprache bringen wir nachstehend zum Abdruck.

Alle Propheten, die Gott berief, um der Menschheit Führung und Erleuchtung zu bringen, schufen einen neuen Kulturkreis für Jahrtausende. In grauen Zeiten bei einer ganz allmählichen geistigen Entwicklung einzelner Völker, konnte ein Gottesbote, obgleich er in seiner Erkenntnis, in seinem Schauen, in seiner Erleuchtung vollkommen war, doch nur so viel seiner Eingebungen offenbaren, als die Entwicklungsstufe seiner Zeitgenossen begreifen und gebrauchen konnte.

Immer weiter schritt Erkenntnis und Wissen, so daß von der göttlichen Weisheit allmählich höhere Offenbarungen enthüllt werden konnten. In den beiden Grundgesetzen jedoch — der Ehrfurcht vor Gott und der Liebe zum Nächsten — blieben sich alle Gottgesandten gleich und diese ehernen Grundlagen der Religion werden auch nie und nimmer verändert werden. Die weltlichen Gesetze dagegen paßten sich dem Fortschritt der Zeit an.

In einem aber waren sich die unabhängigen und die abhängigen Propheten weiterhin einig: in der Verkündigung einer Zeit, in der die Menschheit „im Reich des Vaters“ in Frieden und Einvernehmen leben werde und sich alle bis dahin bekämpfenden und feindlich [Seite 184] gegenüberstehenden Religionen in friedlicher Übereinstimmung finden werden. „Wenn aber die Zeit kommen wird, weiß niemand, denn allein der Vater im Himmel“, so sprach Christus.

An der Schwelle dieser großen Zeit stehen wir heute und Gottes unaussprechliche Liebe erwies uns diese Gnade. Was Unzähligen in weiten Zeiträumen als höchstes Sehnen galt — ein solch einzigartiges Weltgeschehen erleben zu dürfen, das fällt uns in den Schoß. Schon deshalb allein müssen alle, deren Herz und Seele sich für die große Wahrheit öffneten, ihr Leben, ihre ganze Kraft in den Dienst der neuen Führung Gottes stellen, denn Viele sind berufen, aber Wenige sind auserwählt. Es liegt an uns, ob wir mit reinem Herzen, selbstlos, in tiefster Ehrfurcht und Dankbarkeit zu Gott, Ihm unser Herz schenken und keinen anderen Wunsch besitzen, als Seiner heiligen Sache dienstbar zu sein.

Um reinen Herzens zu werden, müssen wir Gott täglich bitten, daß Er uns in Gnaden annehme und vorbereite für Seinen Dienst. Nicht dadurch, daß es uns im irdischen Dasein wohlergeht und unser Weg durchs Leben leicht ist, kann dies geschehen, sondern durch Prüfungen auf unsere Treue, wie wir dem Schicksal begegnen; nur dadurch können wir reifen und unseren Glauben und unsere Treue beweisen. Und was ist all unser irdisches Schicksal, das wir zu tragen haben, gemessen an den übermenschlichen Prüfungen und Kränkungen, welche die Gottesboten von den Menschen — die sie zu erlösen kamen — zu erdulden hatten! Wenn wir Alltagsmenschen es gut mit anderen meinen und mißverstanden, enttäuscht und unterschätzt werden — wie weh tut das, oder: ein Erfinder oder Entdecker wird, wie uns die Geschichte genugsam beweist, wegen des Neuen, das er bringt und von dem er weiß, daß es gut ist, verhöhnt und verspottet — wie winzig erscheint das neben dem Schmerz, den das Herz eines Erlösers der Menschheit aus geistigen Fesseln befallen muß, wenn er sieht, wie blind die Menschen um ihn sind, wie tot ihre Seele ist, daß sie an den Gütern höchsten Heils stumpf vorübergehen, ja dagegen eifern und in fanatischem Festklammern an überlebtem Aberglauben und erstarrter Überlieferung und nicht zuletzt aus egozentrischer Einstellung des größten Segens verlustig gehen.

Nicht an Überlieferungen sollen wir uns klammern, nach eigener Sehnsucht der Seele sollen wir suchen und wir werden finden!

Manch einer mag sich wohl gefragt. haben, wie er sich zu Christus in Seinen Tagen gestellt haben würde, ob Ihn sein Herz wohl erkannt, Ihm seine Seele zugeflogen wäre — Ihm, dem heute hunderte von Millionen dem Namen nach angehören und sich Christen nennen?

Später, wenn die großen Massen die Wichtigkeit und den Wert einer so hohen Lehre begriffen haben, ist es leicht, den geebneten Weg zu gehen. Aber den Mut zu haben mit die ersten Spatenstiche zu tun und die Körner zur Saat in die Erde zu senken, ist schwerer, aber unendlich größer, beglückender, wenn auch die Aufgabe tief verantwortungsvoll ist.

Wir alle sind berufen zu dieser Verantwortlichkeit, denn heute steht das Morgenrot „des Tages Gottes“ am Himmel; die Sonne stieg am Horizont des Ostens empor und belebt die Welt aufs neue, sie sendet ihre segnenden Strahlen über die Welt hin bis ins fernste Tal und läßt grünen, blühen und reifen unter ihrem leuchtenden Licht. Noch nie hat Gott eine solche Fülle der Menschheit geschenkt wie durch Seinen Erkorenen an diesem Tag, der die Herrlichkeit Gottes widerstrahlt — durch Bahá’u’lláh. Und dennoch sagt Er uns: „Hätte ich euch angetroffen, wie ihr nach den Lehren Christi sein könntet, so hätte ich euch ein Meer an Offenbarungen gebracht und nun kann ich euch nur einen Tropfen reichen!“ Also ist der Menschheit für ferne Zeiten noch unausdenkbare Herrlichkeit vorbehalten!

Der heutige geheiligte Tag ist für die Bahá’í-Welt im besonderen dazu bestimmt, sich in die hohe Sendung Bahá’u’lláh’s zu vertiefen und uns darüber klar zu werden, welche weittragende Bedeutung Sein Kommen auf die Erde hat: Gottes Wille, Sein Wort ist geoffenbart in Ihm, dem, von aller Ewigkeit her Berufenen. — Er hat gesprochen, den Weg gezeigt, den die Menschen zu ihrer künftigen Höherentwicklung und Erleuchtung nehmen müssen; Bahá’u’lláh ist der größte Erzieher der Welt, der berufene Arzt, die leidende Menschheit zu heilen. Von Ihm gehen geistige Ströme über die ganze Erde [Seite 185] hin und schaffen alles neu an diesem Tag Gottes. Ja, Gott verlieh Bahá’u’lláh die Macht, die bestehenden Zustände der Erde zu ändern, die Menschen mit einem neuen Geist zu erfüllen; Gott verlieh Ihm die Macht über alle Regionen, denn Sein Wort ist gültig und Seine Gebote wirken sich zwangsläufig aus.

Bahá’u’lláh löst wirtschaftliche und rechtliche Probleme, Er spricht zu uns über Arbeit für Alle, über freiwilliges Teilen, über Vermächtnis und neue Erbschaftsgesetze, über Erziehung im allgemeinen und über Charaktererziehung. Er erläßt eine dringliche Mahnung über den Einfluß der Presse, die ein Spiegel der Wahrheit sein soll, über Gehorsam und Dienst. Betätigung auf den Gebieten der Kunst und Wissenschaft, der Industrie und der Gewerbe ist in der Bahá’í-Religion als Gottesdienst anzusehen. — Das Gebet ist unerläßliche Pflicht, denn es ist die Sprache der Liebe zu Gott. Der Beruf soll uns nicht Lebensunterhalt, sondern Lebensinhalt sein. Er sieht die Freiheit der Meere vor, eine einheitliche Währung, Er spricht über Ehe und Moral, über Hygiene und Ernährung; über das Amt des Lehrens; über Regenten und die Einordnung der Untertanen und ihre Zurückhaltung vor Einmischung in politische Fragen, ohne dazu berufen zu sein. Er fordert Mäßigung in allen Angelegenheiten und verbietet die Kritik. Unter den hauptsächlich betonten Grundsätzen finden wir das selbständige Forschen nach Wahrheit. Religion muß mit Wissenschaft und Vernunft in Einklang stehen und Religion muß zu Eintracht und Übereinstimmung der Menschen untereinander führen.

Nur eine Glaubenslehre vermag einen Zusammenschluß in eine höhere Erkenntnis — in eine Einheit — zu schaffen, die tolerant genug ist, die Wahrheit und Berechtigung eines anderen Glaubens anzuerkennen, die Gründer derselben — als vom gleichen Geist Gottes in ihrer Zeit erfüllt — als berechtigt zu ehren.

Die schwere, die brennende Frage der sozialen Gerechtigkeit wird von Bahá’u’lláh eingehend erläutert, eine Angelegenheit, die für die ganze Welt von großer Bedeutung ist. Die Wege zu einem dauernden Weltfrieden sind durch Ihn gewiesen mit einem „Haus der Gerechtigkeit“, das den Völkern den Frieden sichert, völkische Hoheitsrechte, die nationale Ehre und nationales Eigentum weise ordnet, und in dem Meinungsverschiedenheiten gerechte Schlichtung erfahren und alle Lebensinteressen entschieden werden, damit der Friede der Länder und Kontinente gewährleistet wird. Bei Bahá’u’lláh hat jeder Mensch ein Anrecht auf Friede, Freiheit, Freude und Arbeit. Die geistige Einheit des Menschengeschlechts sichert dem Einzelnen wie der Gesamtheit den Frieden. Der Friede gewährt Freiheit. Die Freiheit bringt Freude, die Freude fördert die Arbeit.

Bahá’u’lláh’s Lehre umfaßt mehr als Ethik, Religion und Philosophie, sie ist ideale und praktische Lebenswahrheit. Philosophie heißt Streben nach Klarheit und Wahrheit über das Wie und Warum alles Seins, über Gott und Mensch, über den Sinn des Lebens. — So führt er uns zum Ziel des ersehnten Traumlandes, das zur Wirklichkeit werden wird.

Bahá’u’lláh lehrt uns die Einheit in ihrer Vielgestaltigkeit. Über trennende Grenzen hinweg besteht die Wirksamkeit des einigenden Schöpfungsgedankens des Menschengeschlechts durch eine Liebe, die Gott neu im Menschenherzen erweckt. In der Vielfältigkeit und Eigenart der Völker liegt ihr Reiz und ihre Schönheit; dies soll auch niemals aufgehoben werden. Das Wort Einheit bezieht sich vielmehr auf grundlegende, notwendig werdende Gebote einer neuen Weltordnung, die uns die Zukunft bringen wird, mit einer einigenden Religion, die auf alten Fundamenten ruhend, sich zur überkonfessionellen Tatreligion gestalten wird, deren Geist einer zukünftigen Menschheit entspricht; eines einheitlichen Rechtes und der Gerechtigkeit, die in der Welt einen einheitlichen Charakter tragen: und den einheitlichen wirtschaftlichen Zusammenschluß mit sich bringen wird.

Die große Umwälzung, die das Auftreten eines neuen Gottgesandten mit sich bringt und die das Gesicht der Welt umgestaltet, bedingt eine Umstellung des ganzen Lebensbewußtseins. Die Umstellung aber äußert sich vor allem im Religiösen, positiv oder negativ, denn die Religion ist nichts anderes als der Ausdruck des Lebensgefühls, auf die Welt des Immatriellen bezogen.

Die Zeit ist erfüllt, wir stehen an der Schwelle großer Zukunft; niemals hat sich das [Seite 186] Rad des Schicksals der Völker rascher gedreht als in diesem Jahrhundert.

Bahá’u’lláh sagt, daß an diesem „Tag Gottes“ die Säulen erzittern werden, auf denen herkömmliche und überlieferte Ansichten und Bräuche beruhen, daß diejenigen, die aus den neuen Quellen schöpfen, Erleuchtung finden und den Herrn lobpreisen werden ohn’ Unterlaß.

Diese Quellen sind uns erschlossen, denn es ist alles das, was Bahá’u’lláh im Namen Gottes den Menschen zu sagen beauftragt war, uns zugänglich gemacht. — Nicht wie zu alten Zeiten, bei gleich weittragenden Begebnissen des Auftretens eines Gottgesandten — sind uns nur mündliche Überlieferungen erhalten, aus denen im Lauf der Zeiten anderes geworden ist als einst die reine Lehre war, sondern es sind uns unabschätzbare, wertvolle Güter für alle Zeiten bewahrt in den heiligen Schriften Bahá’u’lláh’s. Seine große Aufgabe, von Gott eingegeben, ist, die Menschen zu einer höheren Sphäre ihrer Erkenntnis, ihres Pflichtbewußtseins dem Mitmenschen gegenüber und näher zu Gott zu führen.

Wenn einmal Bahá’u’lláh in weiten Kreisen verstanden und Seine Sendung erkannt sein wird — und die Zeit ist nicht ferne — dann wird der erste Lichtstrahl eines großen Glücks den Menschen ins Herz fallen, denn alles Alte, leblos Erstarrte und Geistarme wird von ihnen abgestreift werden und sie werden zu einem neuen Leben erwachen.

Bahá’u’lláh erweckt uns mit Seinem neubelebenden Geist zu einer Religiosität, die uns zwingt, unser ganzes Tun und Lassen nach dieser zu gestalten, unser Gewissen und die Kontrolle über Gedanken und Tun lebendig zu erhalten. Mit einem Wort: Er schafft neue Wesen aus uns und wird im Verlauf der Entwicklung die ganze Menschheit wandeln und zu höherer Erkenntnis sowohl ihres Daseins als auch ihrer Verantwortlichkeit gegen Gott und sich selbst gegenüber führen, damit sie anderen Sinnes durch die Schule des Lebens gehen wird, die uns als Vorbereitung und als Frist für eine weitaus höhere Entwicklungsmöglichkeit in den Reichen über uns geschenkt ist.

Auf Gerechtigkeit, auf Wahrheit und Verantwortung baut Bahá’u’lláh die neue Welt auf. Die Entwicklung der Welt, die Erziehung der Völker, die Ruhe und Sicherheit aller Länder beruhen auf göttlicher Verordnung, auf den Gesetzen des Gottgesandten, der unfehlbar ist.

In Tausenden und Abertausenden von Herzen lebt ein ungestilltes Verlangen nach ungreifbarem Gut, das Lied unserer Seele klingt immer in Sehnsucht aus, die nur unser Schöpfer erfüllen kann. Es sind neben den Achtlosen so unzählbar viele Suchende, die entweder durch ihr Schicksal oder durch glückliche Erbanlage, die sie ihren Vorfahren verdanken, dahin geführt. Wer von jenen auf Erfahrungsbeweise blicken darf, der wird sein ganzes rückhaltloses Vertrauen in Gott setzen und freudig den Weg suchen und finden, den Bahá’u’lláh, der Gottgesandte für unsere Zukunft gewiesen hat.

Wir können uns keine Märtyrerkrone erwerben wie unsere Vorkämpfer im ersten Jahrzehnt nach der Verkündigung des Báb, der Bahá’u’lláh voranging und der sich trotz seiner gleichfalls gottverliehenen Größe nur als Wegbereiter für den weit Größeren nach ihm betrachtete. Wer das geistige Gut Bahá’u’lláh’s in seiner Seele trägt, wird bestrebt sein, ein Leben zu leben, das für die Ewigkeit ist; er wird suchen, den Nächsten zu lieben, mehr als sich selbst, denn er wird in ihm das Göttliche ehren, das in ihn durch den Schöpfer gelegt ist. Durch sein Beispiel wird er dann vielen den Weg weisen zu ihrer eigenen Glückseligkeit. Wer aber in die Ewigkeit eintreten darf, der erschaut, wie tausendfache Vergangenheit sich in Ehrfurcht neigt vor diesem Träger des Logos.

„Freuet euch, freuet euch, frohe Botschaft künde ich euch“, so schrieb einst ‘Abdu’l-Bahá an die Stuttgarter Bahá’í zu Anfang eines Seiner bedeutungsvollen Sendschreibens — ja, das Wissen um dieses Große beglückt wie nichts auf der Welt, denn es führt zu Gott.

Uns Deutschen liegt es im Blut, gründlich und ernsthaft zu forschen. Wie nachdrücklich wird z. B. auf dem Gebiet nach dem Ursprung der ewigen Gesetzmäßigkeit der Vererbung bis in die nicht mehr durch die stärkste Linse erkennbare Urzelle geforscht. Wie unermüdlich sind die Forschungen, dem Geheimnis des Lebens und des Todes nahe zu kommen. Wie viele Wunder in der Natur sind uns heute wissenschaftlich erklärt und in lebenspraktische Bahnen geleitet. Auf diesen Gebieten wird immer tiefer geschürft bis zu [Seite 187] dem Punkt, da die Ehrfurcht vor dem Allmächtigen dem menschlichen Verstand Einhalt gebietet. Da beginnt der Bereich des Gottgesandten, der uns kündet, was uns Gott schenken will — nicht um unseres Verdienstes willen, sondern aus unermeßlicher Güte und Liebe. An seiner Hand können wir die Wahrheit aller Wahrheit ergründen.

So viele Menschen haben ein hartes Los und viele Heimsuchungen treten an sie heran, vergeblich fragen sie nach einem „Warum“. Finden sie aber hin zu Gott, dann sagen sie eines Tages aus tiefem Herzensgrund auch Dank für das erlittene Leid, denn auch das Leid klopft als dunkler Bote an unsere Tür und kehrt zu Gottes Thron zurück mit dem Bescheid, wie wir es aufgenommen haben. Ist unsere Sehnsucht: „Näher mein Gott zu Dir“ erfüllt, so kann uns kein Leid mehr zutiefst treffen, denn dann finden wir auch im bittersten Kelch die Süße des Heimholens und der Führung Gottes, wir erkennen sodann, daß wir durch Prüfungen gereift sind.

Bahá’u’lláh sagt: „Von welchem Nutzen ist ein Leben, über das der Tod herrscht oder eine Zeit, die verrinnt oder eine Gnade, die nur eine Zeit währt? Ich erkläre bei der Unermeßlichkeit des göttlichen Wissens, daß ein Augenblick in diesen Tagen köstlicher ist als viele verflossene Jahrhunderte und Zyklen. Dies bezeugt euch euer Gott, der euch aus lauter Gnade erwählt hat!“

Was wir heute an Schriften Bahá’u’lláh’s1) besitzen, ist nur ein Bruchteil des unendlich wertvollen Materials, das Er der Welt geschenkt hat; die Fülle der Offenbarungen, die Ihm wurden, war so gewaltig und alle Gebiete des Geistes und der Materie umfassend, daß keine Fragen unberührt blieben.

Nicht ohne tiefste Ergriffenheit vermögen wir den geschichtlichen Tatsachen der Verbannung und Einkerkerung Bahá’u’lláh’s zu folgen, die uns ein Bild um die Zeit von 1844 bis zu Seinem Heimgang im Jahre 1892 entrollen, die einen Tiefstand des einst kulturell so hochstehenden Persiens zeigt. Unduldsamkeit, Fanatismus und priesterlicher Eigendünkel standen der hochheiligen Lehre bitter feindlich entgegen. Die immer wieder aufflammenden Verfolgungen hatten den gottberufenen Reformator des Islám, den Herold Bahá’u’lláh’s, Siyyid El Báb, zum Märtyrertod geführt und im Verlauf der Jahre zahlreiche ihrer besten Männer gefordert. Mit Feuer und Schwert suchten die Fanatiker das Licht zu verlöschen, das sie in ihrer Blindheit nicht als Gnade Gottes erkannten, was es in Wirklichkeit war. Die ganze Welt vereint, hätte aber nicht vermocht, die heilige Flamme zu ersticken, die in den Herzen der Jünger brannte und die, groß im Sterben, Zeugnis ablegten für ihren Glauben. Jene haben mit ihrem Blut die Erde getränkt, auf der die Saat ihres heiligen Glaubens erblühen sollte.

Gottes Gabe war mit dem Kommen des Báb und Bahá’u’lláh’s als den beiden Manifestationen Seiner Herrlichkeit noch nicht beendet. Er schenkte uns auch ‘Abdu’l-Bahá, der eine einzigartige Erscheinung in der geistigen Offenbarung aller Zeiten ist. Er wird mit Recht „das Geheimnis Gottes” genannt. Sein Name: „Diener Gottes“ ist Sein Ehrenkleid. Seine absolute Hingabe an Gottes Geheiß für diese neue Zeit erforderte ein Leben des aufopferungsvollsten Dienstes bis ans Ende. Zu den lebenswichtigen Dokumenten Bahá’u’lláh’s hat uns ‘Abdu’l-Bahá — Sein Sohn — den Er zum Mittelpunkt des neuen Bundes bestimmte, die ausführlichsten Erläuterungen gegeben, hat sie eingehendst ausgestaltet und anwendbar gemacht. — Wenn Er auch niemals den Anspruch erhob, eine ähnliche Stufe wie Bahá’u’lláh einzunehmen, ja dies mit Entschiedenheit zurückwies, so ist Er doch eine Gestalt, wie sie in den Annalen der geistig Erleuchteten niemals berichtet wurde. Wer ‘Abdu’l-Bahá jemals im Leben begegnete, kann niemals mehr den tiefen Eindruck vergessen, den Seine Persönlichkeit hervorrief, noch die Wandlung, die sich in seiner Seele vollzog durch die überirdische Liebe und Weisheit, die von Ihm ausging. Auch Er ist, die Menschheit segnend, von dieser Welt gegangen und ist doch mitten unter uns.

Auf einen Hütergrundsatz, demzufolge ‘Abdu’l-Bahá Seinen Enkel Shoghi Effendi als Beschützer der heiligen Gotteslehre einsetzte, war schon von Bahá’u’lláh in Seinen Schriften weislich hingewiesen. Dieses verantwortungsvolle Amt stellt Tag um Tag größere Anforderungen an den Hüter, der göttlich inspiriert, seines Amtes waltet.

Dieses Hütertum wird sich zur Reinerhaltung der heiligen Gotteslehre für viele [Seite 188] Jahrhunderte oder Jahrtausende fortsetzen, bis der Herr, Der nach Seinem Willen wirkt, der Welt wieder Seine Botschaft sendet. Um uns sehen wir allerorts das Weben und Wirken des neugeschenkten Geistes; unbewußt haben ihn alle zu verspüren und zu erfüllen, bewußt ihn aber aufzunehmen und sich von ihm führen zu lassen, ist ein großes Geschenk, das zu ungeahnter Entwicklung führt. Wie viele Menschen, wie viele Tausende gehen ihren Weg ohne Bewußtsein, ohne Erkenntnis der heiligen Pflicht, Gott und den Menschen selbstlos zu dienen; sie gehen an ihrer Zeit vorüber wie im Traum, für sie bedeutet es nichts als der Weg zum Tod. Für die Wissenden bedeutet der Tod den Beginn eines noch unfaßbar hohen Geisteslebens, zu dem dieses irdische Dasein eine Schulung und Gnadenfrist ist.

Wenn aber die Zeit des Erkennens gekommen ist, dann lebt der Eine hinein in den Anderen und immer tiefer fügt sich Masche an Masche zu dem Netz der Vollkommenheit, zu dem Ganzen — der Einheit in ihrer Vielgestaltigkeit.

Alsdann wird die Größe Bahá’u’lláh’s allen Augen sichtbar und aus den Herzen, die Altäre zu Gottes Lob sein werden, steigen Gebete und Lobpreis einer glücklicheren, Gott näher gekommenen Menschheit empor und von Stern zu Stern in unermeßlich weiten Fernen wird der Lobpreis sein Echo finden.


1) In europäischen Sprachen.



Die Gottgesandten[Bearbeiten]

Von Karl Klitzing, Ostseebad Graal (Mecklenburg)

Der Mensch besitzt eine doppelte Wesenheit. Nach seiner körperlichen Beschaffenheit ist er mit der Mutter Erde verbunden, die ihn mit den Stoffen versorgt, die für seinen Körperbau erforderlich sind. Nach seinem geistigen Wesen ragt er in das Reich seines Göttlichen Vaters hinein, aus dem er mit Energien versorgt wird, um die Attribute dieses Reiches auszudrücken oder — wie die Bibel sagt — das Abbild seines himmlischen Schöpfers darzustellen. Auf dies bestehende Gesetz weist Christus hin, indem Er sagt: „Es stehet geschrieben: Der Mensch lebet nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes gehet.“

Der Gottgesandte ist das Sprachrohr Gottes, die heilige Wirklichkeit Seines Wortes. Darum konnte Christus sagen: „Die Worte, die Ich zu euch rede, die rede Ich nicht von Mir Selbst. Der Vater aber, Der in Mir wohnet, Derselbige tut die Werke1).“

Die Geschichte zeigt uns, daß Gott immer in großen Zeitabschnitten Einen zum Offenbarer Seines Wortes erwählte, um der Menschheit Seinen göttlichen Willen kundzutun. Der Erwählte war weder mit irdischer Macht, noch mit Ehren und Würden ausgestattet, sondern den Entbehrungen und Unterdrückungen ausgesetzt.

Christus wurde in einem Stalle geboren und konnte von Sich sagen: „Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester, aber des Menschen Sohn hat nicht, da er sein Haupt hin lege2).“ Und doch richtete Er durch die Macht Seines heiligen Geistes auf Erden eine Sache auf, vor der die Herrscherkronen sich neigten, während Seine Feinde gedemütigt wurden. Er sah das Schicksal Seiner Widersacher voraus, indem Er erklärte: „Jerusalem, Jerusalem, das du tötest die Propheten und steinigest, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe Ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt. Siehe, euer Haus soll euch wüst gelassen werden3).“ Die Erfüllung dieser Prophezeiung ist aus der Geschichte bekannt. Der Imperator Cäsar Vespasianus Augustus übertrug die Niederwerfung des judäischen Aufstandes seinem Sohne Titus. Das jüdische Volk verteidigte sich mit einer Hartnäckigkeit, die von einem religiösen Fanatismus unterstützt wurde. Im September 70 gelang es Titus, die Hauptstadt Jerusalem einzunehmen, die trotz dem Hunger und dem Schwert der Feinde lange Widerstand geleistet hatte. Die Juden glaubten noch bis zum letzten Augenblick, daß der Tempel Jehovas nicht fallen könnte, und daß [Seite 189] ein Wunder zu ihrer Rettung eintreten würde. Der Sieger verfuhr mit dem Besiegten nach der Hartnäckigkeit seines Widerstandes. Hunderttausende waren während des Krieges und der Belagerung umgekommen. Viele wurden hingerichtet, andere töteten sich selbst. Eine Menge Gefangener wurde verkauft oder für die Tierkämpfe, Gladiatorenspiele oder Zwangsarbeiten verwandt. Die Stadt Jerusalem und ihr Tempel wurden dem Erdboden gleichgemacht. Aber schon waren die Glaubensboten am Werk, die Saat für jene Weltreligion auszustreuen, deren Stifter die Verheißung gegeben hatte, daß „die Sanftmütigen das Erdreich besitzen würden“.

Muḥammad kam als Waise in das Haus Seines Onkels Abu Talib, der zwar selbst arm war und seine Kinderschar nur mit Mühe ernähren konnte, sich aber mit arabischem Familiensinn des armen Knaben annahm. Muḥammad mußte als Kind die Schafe und Ziegen in der öden Umgebung Mekkas hüten, und als Er herangewachsen war, Sich als Kameltreiber bei den Karawanen reicher mekkanischer Handelsherren verdingen. Als Muḥammad anfangs der Zwanziger war, wurde Er von der wohlhabenden mekkanischen Kaufmannswitwe Khadijíh bei ihren Handelskarawanen angenommen, die Ihm die Hand zur Ehe reichte. Khadijíh schenkte Ihm mehrere Kinder, und schien Muḥammad ein glückliches Dasein zu führen, als Er plötzlich — etwa 40 Jahre alt — aus dem Stilleben heraustrat, um das Sprachrohr des Wortes Gottes zu sein. Nach der geschichtlichen Überlieferung vernahm Muḥammad die ersten Worte von dem „Herrn, dem Erhabensten, der die Menschheit durch eine schriftliche Offenbarung lehrte, was sie nicht wußte“, unter einer starken Erregung, die sich erst legte, als Er nach mehreren Monaten eine zweite Offenbarung empfing, die den Ausgangspunkt für Seine Prophetenschaft bildete, und durch die Er zum Ermahner der Menschheit, zum Verherrlicher Seines Herrn, zum Begründer strenger Reinheitsgesetze und des sozialen Ausgleiches wurde. Der Weg, den Muḥammad fortan zu gehen hatte, war — wie der von Christus — „mühselig und beladen“. Im 2. Buch Mose, Kapitel 3 und 4, lesen wir die Berufung von Mose, der ein Hirte war, zum Verkünder des göttlichen Wortes für die damalige Zeit. Mose war diese Berufung nicht angenehm und sprach: „Ach, mein Herr, ich bin je und je nicht wohl beredt gewesen, auch nicht seit der Zeit, da Du mit Deinem Knecht geredet hast, denn ich habe eine schwere Sprache und eine schwere Zunge4).“ Auch Muḥammad soll — nach der geschichtlichen Überlieferung — von Natur aus nur schüchtern gewesen sein und lange nicht den Mut besessen haben, vor die stolzen Koraischiten zu treten. 'Abdu'l-Bahá erklärt: „... Muḥammad erschien in der Wüste Hedschas auf der arabischen Halbinsel, die eine einsame, unfruchtbare, sandige und zum Teil unbewohnte Wüste ist. Die Bewohner sind Nomaden mit den Sitten und Gebräuchen der Wüstenbewohner. Sie sind gänzlich ohne Erziehung und ohne Wissen. Muḥammad selbst war ungelehrt, und der Qur’án wurde ursprünglich auf Schulterblätter von Schafen oder auf Palmblätter geschrieben. Diese Einzelheiten zeigen uns den Zustand des Volkes, zu dem Muḥammad gesandt wurde... In einem solchen Lande und mitten unter solchen barbarischen Volksstämmen schrieb ein ungelehrter Mann ein Buch und erklärte darin in einem vollendeten und fließenden Stil die göttlichen Eigenschaften und Vortrefflichkeiten, das Prophetentum der Botschafter Gottes, die göttlichen Gesetze und einige wissenschaftliche Tatsachen ...5).“

Christus sprach zu Seinen Jüngern: „Ich habe euch noch viel zu sagen, aber ihr könnet’s jetzt nicht tragen. Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten. Denn er wird nicht von ihm selber reden, sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen. Derselbige wird Mich verklären, denn von dem Meinen wird er’s nehmen und euch verkündigen6).“

Wer ist dieser Geist der Wahrheit, der uns „die Wahrheit erkennen lassen und uns frei machen“ wird? Ist dieser Geist der Wahrheit bereits in dieser irdischen Welt sichtbar geworden, oder haben wir ihn noch zu erwarten? Als Christus sprach: „Ich bin das Brot des Lebens7)“, war es für die Menschen der damaligen Zeit sehr schwer, die Bedeutung dieser Worte zu verstehen und die geistige [Seite 190] Wesenheit, die hinter der Wolke Seines irdischen Leibes verborgen war, zu erkennen. Christus sagte: „Bittet, so wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan8).“

‘Abdu’l-Bahá sagt: „Wer ernstlich nach Wahrheit strebt, sollte sich in einem Zustande befinden, wie die nach dem Wasser des Lebens dürstende Seele, wie der dem Meere zustrebende Fisch, wie der nach dem wahren Arzt und nach göttlicher Heilung verlangende Kranke, wie die in der Wüste irrende, nach dem rechten Wege suchende Karawane, wie das vom Sturm verschlagene, das rettende Ufer suchende Schiff9).“ Wenn wir von diesem Verlangen erfüllt sind, können wir uns aufmachen, um die freudige Gewißheit zu erlangen, daß sich der von Christus verheißene Geist der Wahrheit in der Persönlichkeit von Bahá’u’lláh offenbart hat.

Bahá’u’lláh war der Gefangene zweier Herrscher. Er wurde aus Seinem Heimatlande verbannt, da Er nicht länger mit diesem Lande in Verbindung stehen sollte. Zuletzt kam Er in die Strafkolonie von ‘Akka, damit die Menschen erkennen, daß Er ein Verdächhtiger war, und damit Er und Seine Anhänger in dem schlechten Klima umkommen sollten.

Trotz aller Schwierigkeiten und Bedrückungen befand Bahá’u’lláh Sich immer in einem erhabenen Zustande. Er zog Seine Stärke aus göttlichen Kräften, durch die Er alle ermutigte. ... Er ertrug alle Prüfungen und Schrecken, damit in der Welt der Menschheit ein himmlischer Abglanz sichtbar werden, damit in der Welt der Menschheit der Größte Friede eine Wirklichkeit werden möge, damit gewisse Seelen als die wahren Engel des Himmels erscheinen, damit himmlische Sitten unter den Menschen zum Ausdruck kommen, damit die Menschheit im ganzen oder die einzelnen Menschen erzogen werden, damit die köstlichen, unschätzbaren göttlichen Eigenschaften in dem menschlichen Tempel zur vollsten Entwicklung gelangen mögen, damit der Mensch das Abbild Gottes werden möge, wie es in der Bibel erklärt worden ist10).“

Wem es je vergönnt gewesen ist, in Bahjí zu weilen, wo Bahá’u’lláh die letzten Tage Seines Lebens zubrachte, an dem Orte, der wie ein Heiligtum in einem Paradiese aus einer Welt der Unruhe und der Unbeständigkeit hervorragt, wer sich je in weihevoller Versunkenheit in dem Raume, in dem Bahá’u’lláh Seine letzten Tage beschloß, und an der Schwelle des Ortes, unter welchem der irdische Leib Bahá’u’lláh’s ruht, aufhalten durfte, wird wahrlich den machtvollen Geist spüren, der diese heiligen Stätten umgibt, und wird glauben, den Ort gefunden zu haben, an dem sich die Himmelsleiter befindet, die die irdische und himmlische Welt miteinander verbindet, um gleich Jakob auszurufen: „Herr, ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn!“


1) Ev. Joh. 14, 10.

2) Ev. Matth. 8, 20.

3) Ev. Matth. 23, 37 und 38.

4) 2. Mose 4, 10.

5) „Beantwortete Fragen“, Seite 27 und 28.

6) Ev. Joh. 16, 12—14.

7) Ev. Joh. 6, 48.

8) Ev. Matth. 7, 7.

9) „Beantwortete Fragen“, Seite 49.

10) Auszug aus einer Ansprache von 'Abdu'l-Bahá, gehalten in New York am 18. April 1912.



Die VII. Tagung der Bahá’í-Studenten[Bearbeiten]

in Paris, vom 2.bis 3. Januar 1937


Schon seit Jahren fanden um die Weihnachtszeit Tagungen in Paris statt, die zusammen mit den dort ansässigen Bahá’í von den persischen Studenten in dieser Stadt veranstaltet waren. Shoghi Effendi brachte wiederholt brieflich zum Ausdruck, wie sehr er diese Bemühungen schätzt. So schrieb er zuletzt unter anderem durch H. Rabbani: »... Der Hüter möchte Sie verpflichten, alle nur möglichen Anstrengungen zu machen, damit Ihre Tagung wahrhaft alle Bahá’í-Studenten Europas vertreten könne, und sich so zu einem wahren Mittel für das Weiterschreiten der Verbindung, der Brüderlichkeit und der Zusammenarbeit unter Ihnen entwickeln möge...“

Im Unterschied zu den bisherigen sechs Tagungen war die soeben stattgefundene siebte durch einen zahlreicheren und internationaleren Besuch gekennzeichnet. Es waren diesmal etwa 40 Bahá’í und Bahá’í-Interessenten anwesend, darunter aber nur etwa ein Drittel persische Studenten und junge Doktoren aus Paris. Das zweite Drittel bestand aus den in [Seite 191] Paris wohnenden Bahá’í und Freunden unseres Glaubens, das dritte Drittel aus Besuchen von auswärts. Aus Lyon waren drei Bahá’í-Freunde (darunter auch der uns schon bekannte F. Zabih), aus England und Amerika etwa sechs (darunter Me. Orlova und einige junge Engländerinnen) und aus Deutschland ein Bahá’í gekommen.

Der Geistige Rat der Bahá’í in Paris und die persischen Studenten hatten die Tagung, deren Vorsitz der junge persische Doktor M. Hakim führte, liebevoll vorbereitet. An den beiden Nachmittagen des 2. und 3. Januars fanden bei Mrs. Scott, in einem geschmackvoll eingerichteten Atelier, ziemlich in der Mitte der Seinestadt gelegen, die erfolgreichen Zusammenkünfte statt.

Am ersten Tage sprachen nach der Eröffnung der Tagung einige der auswärtigen Bahá’í-Freunde. Sodann hielt Mlle. Yrady ein interessantes und klares Referat über „Die Rolle der Frau im Bahá’í-Tum“1). Die anschließende geistvolle Aussprache setzte sich nach Schluß der ersten Versammlung im kleineren Kreis in einem benachbarten Restaurant noch bis spät in den Abend hinein fort.

Am zweiten Tage traf ich mich mit vielen Bahá’í-Studenten zum Mittagessen in dem neuen modern ausgestatteten Studentenheim der Rockefeller-Stiftung, das jetzt Hunderte von Studenten aus der Romantik des Montparnasse-Viertels entführt hat. Am zweiten Nachmittag, wieder bei Mrs. Scott, sprach zunächst Miss Auldridge aus London über „Die Verbindungen innerhalb der Bahá’í-Gemeinschaft“, wobei sie mit Recht für eine engere Zusammenarbeit der Bahá’í-Jugend aller Länder eintrat. Dr. Bakhenayesch, ein junger persischer Bahá’í-Freund, hielt sodann einen sehr klugen und übersichtlichen Vortrag über das Thema: „Wie kann man dem Bahá’í-Plan in dem gegenwärtigen Chaos zum Durchbruch verhelfen?“ So sehr wir in der verwirrenden Fülle zeitgenössischer Bewegungen da und dort so vieles finden, was beinahe oder ganz den Bahá’í-Prinzipien gleichgerichtet ist, so kann doch nur das genaue Studium der Worte, das Erleben des Geistes und das Leben unseres Glaubens, durch den Einzelnen sowohl wie durch die Gemeinschaft, dem Bahá’í-Tum Sieg und der krankenden Menschheit Heilung bringen. — Ich selbst berichtete über die Tätigkeit der Bahá’í in Deutschland und überbrachte ihre herzlichen Grüße. Am Abend waren noch viele Freunde in kleineren Gruppen beisammen und gaben und empfingen mancherlei Anregungen.

Über dieser Tagung hatte fühlbar ein guter Geist gewaltet. Man kann den Wert solchen Zusammenseins nicht allein in dem bemessen, was als greifbares Ergebnis vor Augen bleibt. Vielleicht liegt seine Bedeutung noch mehr darin, daß sich Menschen so ganz verschiedener Art, Sprache und Nation unter einem großen Ziele zusammenfinden und die Verschiedenheit ihres Denkens und Fühlens in schöpferischer Gemeinschaft dem großen Ganzen unterordnen. Und dies ist inmitten des Chaos von Vorurteilen, Mißverständnissen und Haß in der heutigen Zeit einer der vielen Schritte auf dem steilen Weg in ein glücklicheres Zeitalter.

Dr. Adelbert Mühlschlegel.


1) Wird in Übersetzung in der nächsten Nummer wörtlich erscheinen.



Sechste Bahá’í-Sommerwoche in Eßlingen a.N.[Bearbeiten]

Unsere diesjährige Sommerwoche ist für die Zeit vom 21.—29, August 1937 (Anreisetag 21. 8.) vorgesehen. Anmeldungen erbittet der Verwaltungsausschuß der Bahá’í-Sommerwoche Eßlingen. Adresse: Anna Köstlin, Eßlingen a. N., Wehrneckarstraße 1, spätestens bis zum 15. Juli 1937. Näheres über Programm folgt noch. Wir empfehlen baldige Anmeldung. Auskünfte wegen Quartier, Verpflegung, Kosten usw. erteilt gerne der genannte Verwaltungsausschuß.



Berichtigung: Im Heft 11, S. 163, 2. Spalte, achtletzte Zeile, muß es statt „Josefs“ Jesu heißen.


In der „Sonne der Wahrheit“ finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Alle auf den Inhalt der Zeitschrift bezüglichen Anfragen, ferner schriftliche Beiträge wie auch alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften sind an Dr. Eugen Schmidt, Stuttgart W, Reinsburgstraße 198, zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sind an die Verlagsabteilung des Nationalen Geistigen Rats der Bahá’í in Deutschland und Österreich e. V., Stuttgart, Alexanderstr. 3 (Nebengebäude) zu richten. — Alle Zahlungen sind zu leisten an den Nationalen Geistigen Rat der Bahá’í in Deutschland und Österreich e. V., Stuttgart, Alexanderstraße 3 (dessen Postscheckkonto Nr. 19340 Amt Stuttgart). — Alle Rechte vorbehalten. Copyright by Verlagsabteilung des Nationalen Geistigen Rats der Bahá’í in Deutschland und Österreich e. V., Stuttgart. — Druck von J. Fink, Hofbuchdruckerei, Stuttgart.


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Inhaltsübersicht des 16. Jahrganges 1936/37[Bearbeiten]

Bahá’u’lláh

Worte der Weisheit . . . . . 1, 65

Gebet beim Betreten oder Verlassen einer Stadt . . . . . 97

Entnommen aus dieser Zeitschrift, Jahrg. X, XIII, XV:

Worte über das Leben der Seele und das des Körpers . . . . . 113
Worte über gottgefälliges Handeln . . . . . 161
Worte über die Pflicht des heutigen Tages . . . . . 145

Entnommen aus „Gleanings from the writings of Bahá’u’lláh, New York 1935:

Mahnruf . . . . . 49
Worte über Seine Sendung . . . . . 160
Der Sucher Gottes . . . . . 161

Entnommen aus „World Order“ ; 1935 (1) und 1936 (2—4):

Die göttliche Frühlingszeit . . . . . 1
Das Wesen der Seele . . . . . 17
Der Glanz Seiner Herrlichkeit . . . . . 33
Die Welten Gottes . . . . . 113

Entnommen aus L’Epître au Fils du Loup, Paris 1913:

Erfüllte Prophezeiungen . . . . . 49, 65, 81, 97, 123
Über die zu allen Zeiten gegenüber den Gottgesandten erhobene Beschuldigung der Unruhestiftung . . 177


‘Alí Muḥammad El Báb

Worte über Erlösung aus Schwierigkeiten . . . . . 129


'Abdu'l-Bahá

Entnommen aus „Göttliche Lebenskunst“, 1., 4., 5. Kapitel:

Worte über Befreiung vom Irdischen . . . . . 33
Worte über Seelenhaltung . . . . . 17
Worte über den himmlischen Pfad . . . . . 177
Worte über Liebe . . . . . 81

Entnommen aus „The Bahá’í Magazine“, 1935:

Was ist Musik? . . . . . 20

Zur Verfügung gestellt von Miß Alexander, Tokio:

Tablets an Japan . . . . . 164


Bahá’í-Geschichte

Nabíl’s Erzählung. Aus „The Dawn-Breakers“, Nabíl’s Narrative of the early days of the Bahá’í Revelation, New York 1932: Zusammenfassungen aus:

9. Kapitel: Der Aufenthalt des Báb in Shíráz nach Seiner Pilgerreise . . . . . 4, 20
10. Kapitel: Der Aufenthalt des Báb in Iṣfáhán . . . . . 36
11. Kapitel: Der Aufenthalt des Báb in Káshán . . . . . 53
12. Kapitel: Die Reise des Báb von Káshán an nach Tabríz . . . . . 68, 84
13. Kapitel: Die Einkerkerung des Báb in der Burg Máh-Kú . . . . . 100, 121, 129
14. Kapitel: Mullá Ḥussayn's Reise nach Mázindarán . . . . . 145
15. Kapitel: Ṭáhirih’s Reise von Karbilá nach Khurásán . . . . . 171, 181


Aufsätze und Zitate

Zeitenwende. Von Alice Schwarz-Solivo . . . . . 6

Ein Tempel des Lichts. Einführung und Zusammenstellung von Elsa Maria Grossmann, Neckargemünd (Schluß) . . 9

Die Geschichte des Islám. Von Zia M. Bagdadi. Entnommen aus „World Order“, 1935/36 . . . . . 13, 30, 46, 62

Über das Sprechen von Gott. Von Otto Geldreich . . . . . 23

Ein Weltglaube. Studien in den Lehren Bahá’u’lláh’s. Entnommen aus „World Order“, 1935/36:

I. Die Quelle der Religion. Von Horace Holley . . . . . 28, 43
II. Die Fortdauer der Religion. Von Stanwood Cobb . . . . . 56
III. Die Einheit der Propheten. Von Ruhi Afnán . . . . . 75
IV. Kulturperioden. Von N. F. Ward . . . . . 91
V. Das geistige Wesen des Menschen. Von Mamie L. Seto . . . . . 102
VI. Die Einheit der Menschheit. Von Hussein Rabbani . . . . . 116
VII. Die Erfüllung der Religion. Von Bertha Hyde Kirkpatrick . . . . . 146

Von Christus bis Bahá’u’lláh. Von Dr. Hermann Grossmann, Neckargemünd . . . . . 40

Lichtblicke des Glaubens. Von Anna Grossmann, Neckargemünd . . . . . 70

Vom Schicksal und freien Willen. Von Hede Schubert, Vaihingen . . . . . 94 107

Wiederkunft. Von Karl Klitzing, Graal . . . . . 125

Gottes unaufhörliche Gnade. Von Erna Schmidt . . . . . 153

Das geistige und das menschliche Leben. Von Gita Orlova, New York . . . . . 172

Über die Sendung von Bahá’u’lláh. Von Alice Schwarz-Solivo . . . . . 183

Die Gottgesandten. Von Karl Klitzing, Graal . . . . . 188

Lagarde über wahren Monotheismus . . . . . 128


Bekanntmachungen und Berichte

5. Bahá’í-Sommerwoche (1936) b. Eßlingen a. N.

Einladung . . . . . 16
Anmeldung . . . . . 48
Bericht über Verlauf . . . . . 140

14. Bahá’í-Nationaltagung am 25. und 26. April 1936 in Stuttgart betr. . . . . . 32

Besuch in der Bahá’í-Sommerschule Louhelen Ranch bei Flint, Mich. Von Gertrud Schurgast, Cincinnati, Ohio . . 143

Zwei heilige Grabstätten. Von Dr. A. Mühlschlegel . . . . . 55

Erinnerungen an 'Abdu'l-Bahá. Von Inez M. Greeven . . . . . 87

Zur Umschrift orientalischer Namen. Von Dr. A. Mühlschlegel . . . . . 110

Weltkongreß der Religionen in London vom 3.—18. Juli 1936. Von Helen Bishop und Florence E. Pinchon. Entnommen aus „World Order“ 1936 . . . . . 154

Unsere Reise nach Haifa. Von Alice Schwarz-Solivvo . . . . . 131 151

Die VII. Tagung der Bahá’í-Studenten in Paris vom 2.- 3. Januar 1937 . . . . . 190

Verdoppelung des Umfanges dieser Zeitschrift . . . . . 16


[Seite 193]


Der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in Deutschland und Oesterreich e. V., Stuttgart

Fernsprecher Nr. 261 68 / Postscheckkonto Stuttgart Nr. 193 40 / Alexanderstr. 3, Nebengebäude


Von unserer Verlagsabteilung können bezogen werden:


(Der Versand erfolgt gegen Nachnahme oder gegen Voreinsendung des Betrages zuzüglich Porto)


Bahá’u’lláh

Verborgene Worte.. Worte der Weisheit und Gebete. Geschrieben während seiner Verbannung in Bagdad 1857/58 . . . kart. —.80

gebunden 1.--

Frohe Botschaften. Worte des Paradieses, Tablet Tarasat (Schmuck), Tablet Taschalliat (Lichtstrahlen), Tablet Ischrakat (Glanz). Mahnrufe und Anweisungen an die Völker der Erde . . gebunden 2.00

Ganzleinen 2.50

Buch der Gewißheit oder Kitábu’l-Iqán. Eine Auseinandersetzung mit theologischen Fragen verschiedener Religionen, geschrieben in Bagdad um 1862. Ist fortsetzungsweise in den beiden Jahrgängen X und XI unserer Zeitschrift „Sonne der Wahrheit“ enthalten.

Jahrgang gebunden je 3.--


'Abdu'l-Bahá Abbas

Ansprachen in Paris. ‘Abdu’l-Bahá spricht hier über zahlreiche Fragen, nach deren Klärung die Völker der Erde suchen.

gebunden 2.--

Beantwortete Fragen. Erklärungen zu christlichen und islamischen Fragen, Behandlung allgemeiner weltanschaulicher Probleme . . . . . . Ganzleinen 2.50

Sendschreiben an die Haager Friedenskonferenz 1919 . . . . . -.20

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Die Weltreligion Kurze Charakterisierung des Bahá’í-Glaubens. Shoghi Effendi . . . -.10


Sonstiges

Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, Einführung in die Gedankenwelt der Bahá’i-Lehre von einem orientalischen Gelehrten. Von Mirza Abul Fazl . . . . . gebunden 2.--

Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter. ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont. Ganzleinen 2.50

'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. . . . . .gebunden 2.--

Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase. . . . . . . kart. 2.--

Am Morgen einer neuen Zeit. Untersuchung der geistigen Ursachen der Weltkrise und Beleuchtung der letzthin einzigen Möglichkeit ihrer Überwindung durch die Bahá’i-Lehre. Von Dr. Hermann Großmann . . . . . kart. 1.80

Ganzleinen 2.50

Lebensgestaltung. Das Leben und ich. Das Leben und mein Nächster. Das Leben und Gott. Kursberichte der Eßlinger Bahá’í-Sommerwoche 1933 . . . -.30

Die Bahá’i-Weltanschauung. Eine kurze Einführung. Von Pauline Hartmann . . . . —.20

Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") . . . -.30

Sonne der Wahrheit. Bahá'i-Monatszeitschrift.

Jahrgang III - XI gebunden je 3.--
Jahrgang XII - XV gebunden je 6.--