Sonne der Wahrheit/Jahrgang 11/Heft 8/Text

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SONNE

DER

WAHRHEIT
 
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI
 
HEFT 8 11. JAHRGANG OKT. 1931
 


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Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i-Prinzipien[Bearbeiten]

1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.


Bahá’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Bahá’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Bahá’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.


2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.

In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.


3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.

Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.


4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.

Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.


5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.

Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.


6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.

Dies ist eine besondere Lehre Bahá’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.


7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.

Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.


8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.

Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.


9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.

Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.


10. Die soziale Frage muss gelöst werden.

Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Bahá’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.


11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.

Bahá’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weltsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.


12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.

Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.

Vor mehr als 50 Jahren befahl Bahá’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.

Bahá’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.


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SONNE DER WAHRHEIT
Organ der deutschen Bahá’i
Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3
Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark
Heft 8 Stuttgart, im Oktober 1931
’Ilm — (Erkenntnis) 88
11. Jahrgang

Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion


Inhalt: Das Heilige Buch der Gewißheit. — Aus dem Schatz der Erinnerungen an Abbas Effendi, ‘Abdu’l-Bahá. — Geistiges Bewußtsein. — Reïnkarnation. — „Tenrikyo“. — Bahá’i-Organisation. — Der Seele Heimweg



Gebet von ‘Abdu’l-Bahá[Bearbeiten]

„O Du himmlischer Vater!

Dein sind die Heerscharen des Königreichs und die Geistesengel. Wir sind unrürdige Seelen, Vögel mit gebrochenen Schwingen, doch mir sehnen uns, in die Unermeßlichkeit des Königreichs emporzusteigen. Wir sind schmachtende Fische und suchen das Meer des Lebenswassers. Wir sind Schmetterlinge der irdischen Welt, wir flattern zu der Lampe des höchsten Reiches. Wir sind unendlich schwach und elend, doch wir kämpfen gegen die Armeen der Welt. Deshalb, o Herr der Heerscharen, bestätige uns, daß die Armee des Lichts den Sieg erringe und die Legionen der Finsternis geschlagen werden. Sei mit uns im Dienst für das Königreich und mache uns vertraut mit den göttlichen Geheimnissen. Erquicke uns durch die frohen Botschaften der ewigen Herrschaft und gewähre uns, teilzuhaben am ewigen Leben. Mache uns beredt und verleihe unserem Auge Sehkraft, damit wir die Welt des Reiches Gottes erblicken und mit überzeugendem Wort Deine Schönheit und Deine Vollkommenheit lobpreisen! Wahrlich, Du bist der Großmütige, der Gütige!“

(Für die Bahá’i in Portland im Staat Oregon geoffenbart)


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Das Heilige Buch der Gewißheit[Bearbeiten]

(Fortsetzung)

(Kitab-El-Iqan aus der Feder von Bahá’u’lláh)

Aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt von Dr. A. Mühlschlegel, Stuttgart


Man findet im „Behar’ul-Anvar“, im „Havalem“, im „Yanbu“, daß Sadekh-Ibn-Muhammed gesagt hat: „Die Wissenschaft besteht aus siebenundzwanzig Buchstaben und alles, was die Propheten gebracht haben, ist in nur zwei Buchstaben zusammengefaßt, aus denen bis heute die gesamte Wissenschaft besteht. Erst wenn Kahim kommt, wird er die fünfundzwanzig anderen offenbaren.“ Wenn die Propheten von Adam bis Muhammed nur zwei Buchstaben unter den siebenundzwanzig, aus denen die Wissenschaft besteht, offenbart haben, und wenn es Kahim ist, welcher uns die übrigen bringen soll, so wirst du daraus die Bedeutung der Offenbarung Seiner Erhabenheit beurteilen können. Sie übertrifft die Bedeutung aller Propheten, sie übersteigt die Fassungskraft aller Auserwählten. Die Toren in ihrem schwachen Verstehen möchten gerne nachprüfen, was die Propheten, die Meister, die Auserwählten nicht gewußt haben, oder was sie, dem göttlichen Willen unterworfen, nicht offenbart haben. Wenn diese Dinge ihrem Urteil nicht passend erscheinen, begnügen sie sich damit, sie zu leugnen. „Glaubst du, daß die Mehrzahl unter ihnen hören und verstehen? Sie sind wie unvernünftige Tiere und noch schlimmer als solche, abseits geraten vom rechten Wege.“ (Kor. XXV, 46.)

Und wie erklären es die Hadiß, die wir vor Augen hatten, welche so deutlich auf die Tage Seiner Erhabenheit das Kommen einer neuen Ordnung der Dinge anzeigen, das so tiefen Zwiespalt unter den Völkern verursacht, daß die Priester und Gelehrten die Hinrichtung des Gottgesandten und seiner Jünger heischen werden? Im Khafi, in Fatmes Tablet, sagt Jaber auf Kahim bezogen: „Er wird die Vollkommenheit von Moses haben, die Herrlichkeit von Jesus, die Geduld von Hiob. Seine Schüler werden zu Lebzeiten verachtet sein und ihre Häupter werden als Geschenk verschickt werden, so wie man heute die Häupter der Türken und der Dailamiten verschickt. Sie werden niedergemetzelt und verbrannt werden. Sie werden mit Entsetzen und Schreckensgewalt verfolgt werden. Die Erde wird rot sein von ihrem Blute. Wehklagen und Seufzen wird das Los ihrer Frauen sein. In Wahrheit sind sie meine Auserwählten.“

Gibt es einen einzigen Buchstaben in diesem Hadiß, der nicht durch die Ereignisse bestätigt wurde? An wievielen Orten ist nicht das edle Blut der Jünger dahingeflossen? Wo ist das Land, das sie nicht zu Gefangenen gemacht hat? Wo ist eines, das nicht einige von ihnen verbrannt hat? Und doch hat keiner daran gedacht, daß, wenn der Verheißene, Kahim, in die Sphäre irgend einer alten Religion oder eines alten Gesetzes hätte gesandt werden müssen, die Hadiß nicht so viel Trübsal geweissagt hätten. Hätte es da eine solche Zerrissenheit unter den Völkern gegeben, die dahin geraten sind, es als eine Pflicht anzusehen, sich gegenseitig zu töten, und die letzten Endes glaubten, die Folterung dieser erhabenen Geister sei für sie das Mittel, die Höhen der Nähe zu erreichen?“

Im Rauzahie Khafi steht ebenso geschrieben betreffs Zaora: „Mohavie-Ben-Vahabh erzählt, daß Abi Abd’ullah ihn eines Tages frug, ob er "Zaora" kenne. Er antwortete: Möge ich ein Opfer für dich sein — man behauptet, dies sei Bagdad. — Nein, erwiderte er. Bist du nach Rei gegangen? — Ja. — Bist du auf den Viehmarkt gegangen? — Ja. — Hast du das schwarze Gebirge rechts der Straße gesehen? Das ist Zaora. Achtzig Söhne von... werden dort getötet werden und jeder von ihnen wäre doch wert, das Kalifat inne zu haben. — Wer wird sie töten? — Die Söhne Persiens.“ Kann man hier eine klarere Anspielung auf die schrecklichen Ereignisse der letzten Jahre in Persien haben und auf die Marter, die jedermann jetzt kennt?

Wieso haben diese Wesen, dieser Auswurf der Menschheit, die Hadiß nicht erfaßt, die doch so klar waren wie die Sonne am Mittag, und sich Gott nicht unterworfen? Sie [Seite 87] haben sich im Gegenteil von Ihm abgewandt, und die Hölle zur Wohnstätte sich erwählt. An all dem tragen die Priester und die Gelehrten Schuld. Dies ließ auch Sadekh-Ibn-Muhammed sagen: „Die Gelehrten jener Zeit waren die schlimmsten Geschöpfe der Erde und sie waren es, die alle Verwirrungen erregten.“

Ich verlange von den Priestern und Gelehrten des Beyan, daß sie niemals ihren Spuren folgen mögen und nicht dem göttlichen Wesen, der reinen Ewigkeit, der vollkommenen Offenbarung zu der Zeit, da sie kommen wird, antun werden, was man in unseren Tagen getan hat; daß sie diesen Wesen des Wissens und der Weisheit keinen Widerstand leisten und sich nicht an ihren eigenen Verstand halten und an ihre vorgefaßten Gedanken.

(Schluß folgt.)



Aus dem Schatz der Erinnerungen an Abbas Effendi, 'Abdu'l-Bahá. Haifa 1906 - 11[Bearbeiten]

Elfter Brief von Frau Dr. J. F. an Frau A. Schwarz, Stuttgart, Forts. des zehnten Briefes betr. Prophetie


Miß Stevens: „Verehrter Meister, mit Ihrer gütigen Erlaubnis möchte ich die kritische Frage stellen: Wie wäre es denkbar, daß wir, moderne Christen, ein so schwer verständliches Buch wie das Kitab el Aqdas des Propheten Bahá’u’lláh, nicht zu reden von dem noch viel unübersichtlicheren Buch Bajan des Propheten Báb, als Richtschnur für Handel und Wandel unsrer Generation annehmen könnten? Sind jedoch diese zwei Bücher für Leben und Streben des modernen Menschen unwichtig, so fällt auch der prophetische Ausspruch ihrer Verfasser für uns Abendländer dahin!“

Der Meister: „O Tochter des Abendlandes, Wir schätzen deine Offenheit, Wir kennen deine Bedenken, Wir klären dich, du Sucherin der Wahrheit, gerne auf. So höre denn: Die zwei heiligen Bücher der Báb- und der Bahá’i-Lehre sind in Arabisch, der heiligen Sprache der göttlichen Offenbarung, geschrieben. Jede Übersetzung in eine profane Sprache erschwert ihr Verständnis. Die göttliche Vollkommenheit Bahá’u’lláh hat deswegen verfügt, daß diese Bücher — übrigens ist das heilige Buch Kitab el Aqdas nur die Vollendung des Bajan — erst dann in andre Sprachen übersetzt werden sollen, wenn die betreffenden Völker die Bahá’i-Lehre angenommen haben werden. Das Alte und Neue Testament — gesegnet sei ihr Inhalt — sind ursprünglich in hebräischer und aramäischer Sprache abgefaßt, welche semitische Sprachen, sozusagen auch heilige Sprachen, wie das Arabische sind. Alle Übersetzungen in profane Sprachen sind mangelhaft geblieben, erschweren das tiefere Verständnis des göttlichen Inhaltes. Wenn wir aber aus dem Alten Testament — gepriesen sei der heilige Mann Moses — nur die zehn Gebote vom Sinai verstehen und befolgen, so hat dies heilige Buch an uns seinen Dienst getan, und wenn wir aus dem Neuen Testament unseres Herrn Christus (Lord Christ in Englisch), dem Lob und Preis in Ewigkeit geziemt, nur die Seligpreisungen und das Vaterunser verstehen, behalten und befolgen, so haben wir für diese Zeitlichkeit und die Ewigkeit genug Honig aus den granitnen Felsen göttlicher Werte gesogen! Und wenn wir von Seiner Heiligkeit dem Báb nichts gelesen hätten und nichts wüßten als Sein Verbot des Religionskrieges und der Religionsfeindschaft, daß wir nicht handeln sollen, sondern Gott den Herrn handeln lassen (Siehe Gandhis Lehre.) (gegen Blutrache gedacht?), wenn wir nur bedächten, Seinem Gebot entsprechend, auf den Boden der Bruderliebe, der Menschheitsverbrüderung jede Kulturtat aufzubauen, so wäre dies genug Heil und Segen für uns. Schon Sein streng monotheistisches Glaubensbekenntnis: „Es gibt nur Einen Gott und nichts außer Ihm“, sagt uns alles. Sind nicht die Babimärtyrer, Männer, Frauen und Kinder, 1852 in Teheran singend und fröhlich in den Tod geeilt mit den Versen: „Wahrlich, wir kommen von dem Einen Gott und zu dem [Seite 88] Einen Gott kehren wir zurück!“ Und wenn wir von dem heiligen Buch Kitab el Aqdas nichts behalten als die zehn Gebote Seiner gesegneten ‚Vollkommenheit Bahá’u’lláh, so haben wir ein ewiges Gut erlangt. Und welches sind die zehn Gebote?

1. Die Menschheit ist eine unteilbare, unauflösliche Einheit.

2. Alle Religionen sind in der höchsten Einheit der Bahá’i-Lehre zu verbinden (wörtlich eins zu machen). Es gilt ein Hirt und eine Herde zu bilden.

3. Der Weltfriede ist zu sichern durch das übernationale Haus der Gerechtigkeit (Völkerbund).

4. Sorget für eine Welteinheitssprache und Einheitsschrift.

5. Gebt Knaben und Mädchen die beste Erziehung und Schulung. Religion und Wissenschaft, Kunst und Technik sind für jeden Menschen da.

6. Gebt jedem Menschen gleiches Arbeitsrecht und gleiche Arbeitspflicht. Sorget für Arbeitsunfähige, Erwerbslose, Witwen und Waisen, Kranke und Elende.

7. Gleiche Rechte und Pflichten für Mann und Weib.

8. Verbot jeder Art von Hörigkeit, jeder Art von Bettel.

9. Privateigentum darf nicht zu überragender Macht anwachsen, laßt die richtigen Erbgesetze dies verhindern.

10. Grund und Boden soll nicht verschachert und verwuchert werden, jeder Mensch hat Anrecht auf die mütterliche Erde. Sorgt für gerechte Bodenverteilung und Erbpacht.

O meine Tochter, selbst wenn du Arabisch, diese heilige Sprache gut lesen und verstehen könntest, so wäre es nicht leicht, alle die tiefen Gedanken aus den heiligen Schriften unsrer dreifach gesegneten Propheten zu erforschen und sie zu überdenken. Aber hat nicht der Heilige Gottes, unser Herr (Lord) Jesus Christus gesagt: „Du sollst lieben Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüte — und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst — in diesen zwei Geboten hanget das ganze Gesetz und die Propheten.“ Also, meine liebe Tochter, zum gerechten Leben und seligen Rückkehr in Gott, bedürfen wir nicht der genauen Kenntnis der heiligen Bücher unsrer Propheten. Es ist in jeder Offenbarung der göttlichen Manifestationen genug Greifbares, Verständliches, Lebensnotwendiges, daß einer, der guten Willens ist, darin Stab und Stütze, Licht im Dunkel, Leuchte in der Dämmerung findet! Steht nicht im Alten Testament — gesegnet sei sein Wort — in einem Psalm Davids: „Dein Wort sei meines Fußes Leuchte!“ Merke dir, o meine Tochter: Ein neuer Prophet wird nur gesandt, wenn die Entwicklung des Menschengeschlechtes es erfordert. Schon die gesegnete Vollkommenheit Bahá’u’lláh hat in bezug auf die heiligen Bücher Pentateuch, Evangelium (Inschil) Koran, Bajan und Kitab el Aqdas gesagt: „Eine Offenbarung ist ganz oder teilweise veraltet, wenn sie nicht länger allen Bedürfnissen entspricht.“ Und an einer andern Stelle lehrt uns derselbe Prophet: „Jede folgende Offenbarung fußt irgendwie auf den voraufgegangenen und ist in irgend einem Punkt vollständiger als die vorige.“ Wahrlich, o meine Tochter, ich sage dir: alle die großen Religionen sind wie Durchgangsphasen, erzieherische Brücken zur letzten, zur Einheitsreligion. Unsre Einheitsreligion wurde uns nicht geschenkt, um die vorhergehenden Religionen aufzulösen, zu vernichten, sondern um sie zu ergänzen, zu erfüllen und zu einer höhern Einheit zu verschmelzen. Du kennst das Gleichnis, welches besagt: Gott der Herr thront in einem vielseitigen Tempel, jede Seite hat ihr Tor, und die Menschen, die Gläubigen der verschiedensten Glaubensbekenntnisse ziehen auf vielen verschiedenen Wegen zu diesem Tempel, und wo immer sie meinen, durch ihre Türe, die allein richtige, hineinzutreten, finden sie Gott den Herrn in gerader Richtung in der Mitte auf Seinem Thron! Wahrlich, die göttliche Offenbarung in Seinen Manifestationen ist nicht an chronologische Punkte der Weltgeschichte an Ort und Zeit gebunden; ein wahrer Prophet hat nicht nur die Wiedergeburt seines abgewichenen Volkes zu betreiben, er hat „Neues Leben“ zu zeugen. Wohl entspringt ein Prophet — leiblich, materiell gesprochen — dem Schoße eines bestimmten Volkes; aber die Emanation seines prophetischen Geistes strahlt über die bewohnte Welt hinaus und ist nicht nur geeignet und bestimmt, die eigenen Volksgenossen [Seite 89] zu erfassen und zu beleben, sondern darüber hinaus „zeitlos“ zu wirken. Sind z. B. durch Christi Geist nur die Christen (gute und schlechte) durch die Jahrtausende beeinflußt? Nein, auch alle anderen Religionsanhänger, wie Buddhisten, Heiden, nicht zu reden von Juden und Moslems. Christi Geist durchdringt die bewohnte Erde und selbst, wenn ein ferner Heide noch nie etwas von dem Heiligen Gottes gehört hätte, so wird er eines Tages, eines Ortes von der christlichen Kultur, von der christlichen Zivilisation berührt. Auch der Geist der gesegneten Vollkommenheit Bahá’u’lláh zeugt bereits in den fernsten Weltgegenden Gläubige, und dies Jahrhundert wird nicht zu Ende gehen, ohne eine Wolke von Zeugen in aller Welt zu hinterlassen. Allahá o Abhá!“

Der Meister zieht sich zurück; die Anwesenden sind entlassen.




Geistiges Bewußtsein[Bearbeiten]

Von Dr.H. Großmann-Weinheim

Das, was allen physischen Erscheinungen für den Menschen Leben verleiht, ist nicht der Sinneseindruck, der von ihnen geweckt wird, sondern die Art, wie dieser Sinneseindruck den Menschen zum Bewußtsein kommt. Wenn beispielsweise zehn Menschen ein und denselben Vorgang — etwa ein Automobil, das einen Radfahrer anfährt — sehen, so wird hinterher jeder der zehn Menschen eine andere Darstellung des Vorfalls geben, obwohl doch die physische Sinnesbeeindruckung, die bei dem Vorgang erfolgt ist, für alle zehn Augenzeugen die gleiche war. Aber die Beeindruckungen sind bei allen verschieden vom Bewußtsein verarbeitet worden, daher die abweichenden Erinnerungen. Diese Tatsache, die von der modernen Wissenschaft sorgfältig erforscht ist, hat schon lange die Philosophen beschäftigt und verschiedene von ihnen dazu geführt, das Eigentliche der Erscheinungswelt nicht im physischen an sich, sondern im menschlichen Bewußtsein zu erkennen.

Die Bahá’i-Lehre lehrt uns, das eigentlich Seiende im Geistigen zu sehen. Wir müssen uns daher bemühen, nach und nach unser physisches Bewußtsein durch ein geistiges Bewußtsein zu ersetzen. Auf diese Weise werden wir dort, wo wir bisher nur physische Vorgänge und Zusammenhänge erfaßten, geistige Vorgänge und Zusammenhänge aufnehmen und in eine neue Welt hineingeboren werden. Die Welt des nur physischmateriell bewußten Menschen ist die physische Materie, die Welt des geistig bewußten Menschen dagegen die geistige Wirklichkeit. Ein Kennzeichen der physischen Welt ist ihre Unvollkommenheit, daher wird sich der nur physisch bewußte Mensch nie über Unvollkommenheiten erheben können, während für den geistig bewußten Menschen die Unvollkommenheiten und Mängel, alles Negative, das Wirklichkeitssein verlieren, d.h. ihm nicht mehr Zum-Bewußtsein-Kommen. So verstehen wir auch Bahá’u’lláhs Anweisung: „Hör nichts Schlechtes und sieh nichts Übles ... .“, und ‘Abdu’l-Bahás Wort: „Immer auf das Gute zu blicken und nicht auf das Schlechte. Wenn ein Mensch zehn gute und eine schlechte Eigenschaft hat, auf die zehn guten zu blicken und die eine schlechte zu übersehen. Und wenn ein Mensch zehn schlechte und eine gute Eigenschaft hat, auf die eine gute Eigenschaft zu blicken und die zehn schlechten zu übersehen.“ Es handelt sich bei diesen beiden Worten keineswegs nur um ethische Weisheiten, nicht nur um Ausdrücke des Geistes der Liebe, sondern um eine tiefe geistige Erkenntnis. Sie zeigen gewissermaßen den Weg von der Welt des physischen Bewußtseins zu der Welt des geistigen Bewußtseins. Sie entsprechen dem Worte Bahá’u’lláhs: „Schließe ein Auge und öffne das andere. Schließe das eine für die Welt und alles was darinnen ist und öffne das andere für die geheiligte Schönheit des Geliebten.“ (Verborgene Worte S. 28, 12.)

Wenn wir einem Menschen begegnen, so können wir uns seiner Gestalt, seiner Vorzüge und Gebrechen bewußt werden, und aus diesem Bewußtsein heraus machen wir uns ein Bild von dem Menschen, das [Seite 90] bestimmend ist für unser Verhalten dem Menschen gegenüber. Wie oft werden wir so Abneigung gegen einen Menschen fassen, werden wir vorsichtig und ablehnend gegen einen Menschen nur deshalb sein, weil er eine unebenmäßige Gestalt oder eine harte rauhe Stimme hat. Ebenso ist es mit gewissen Eigenschaften, die materieller Natur sind, wie Eitelkeit, Unfreundlichkeit u. a. Dies alles sollte nicht so in unser Bewußtsein eindringen, daß es das Bild des Menschen ausmacht und unsere Einstellung ihm gegenüber bestimmt. Statt dessen sollte unser geistiges Bewußtsein die verborgenen Anlagen und Tugenden entdecken und vor allem den Betreffenden als ein Glied der großen Schöpfung Gottes empfinden lernen, dem wir die Liebe Gottes entgegenbringen müssen. „Wenn ihr jemanden“, sagt ‘Abdu’l-Bahá, "wegen seiner persönlichen Eigenschaften liebt, so ist diese Liebe tierische Liebe. Wenn ihr die Tugenden im menschlichen Sein liebt, so ist dies eine andere Art der menschlichen Liebe, aber auch diese Liebe hat ein Ende, und es ist möglich, daß sie sich schließlich sogar in Haß verwandelt. Aber geistige Liebe, die Liebe Gottes, ist eine Gunst Gottes, die niemals aufhört. Wenn wir sie nicht kennen, werden wir niemals alle lieben.“ Diese Liebe von Mensch zu Mensch, von Geschöpf zu Geschöpf um der Liebe zu Gott willen, das ist das große Ergebnis des geistigen Bewußtseins. So ist das geistige Bewußtsein, das die Bahá’i-Lehre von uns fordert, zugleich das Bewußtsein der Liebe, die wir erstreben sollen.



Reïnkarnation[Bearbeiten]

Von Paul Häcker-Stuttgart

Es wird so vieles über Wiedergeburt gesprochen und so viel falsches gesagt. Und so erhebt sich zunächst die Frage: Was ist Reïnkarnation?

Unser ganzes Leben, das Leben des Universums ist ein ewiges Kommen und Gehen und steht im Mittelpunkt des Weltganzen. Aus ihm ergibt sich ein immer wiederkehrender Ab- und Aufstieg, richtiger gesagt: ein unaufhörliches Wachsen und Reifen aus dem Mutterschoß des ganzen Alls, der die Keime zu jeglicher Entfaltung in seinen Tiefen verborgen hält. Daraus ergibt sich eigentlich schon die Synthese für einen ungeheuren Entwicklungsgedanken, der sich bis in die letzten Tiefen des Lebens hinein trägt, aber hinter den Sinn des Ganzen nie zu schauen vermag, weil das Letzte und Tiefste dem menschlichen Fassungsvermögen verborgen bleibt. Alles was aus der Welt der Sinne in das übersinnliche Walten hineinreicht, untersteht dem Wiedergeburtsgedanken, der das gesamte Leben bis ins kleinste hinein erfüllt. Doch dieser Reïnkarnationsgedanke reicht nicht nur in die Welt der Metaphysik, sondern vollzieht sich im Grunde jeden Tag, bei jedem Einzelnen und greift in einem ewigen „Stirb und Werde“ in das tägliche Sein in umwandelnder Gestalt. Der indische und mit ihm der theosophische Reïnkarnationsgedanke reicht ausschließlich in das tief okkulte Problem hinein. Vielleicht ist aber dieser Gedanke gerade hier falsch verstanden und bedeutet letzten Endes gar nichts anderes als das eben angedeutete, das auch Goethe bis in sein ureigenes Leben als Maßstab für das Leben fand und anlegte. Sterben wir an unserm Ich täglich, dann durchlaufen wir auch täglich, ja stündlich den einen Gedanken, uns zu reïnkarnisieren,d.h. jeden Tag zu verwandeln in dem Sinne, geistig, seelisch und körperlich wiedergeboren zu werden, daß wir fähig werden uns in das Leben, des andern zu verlieren, kurzum dem abzusterben, was uns hindert, den bewußten Zugang zu Gott zu beschreiten. Es wäre ein großes Mißverständnis, wollte man den Reïnkarnationsgedanken nur mit dem Tode verbinden, der schließlich wieder zu neuem Leben führt, vielleicht noch einmal den Kreislauf dieses Planeten durchmißt. Vielmehr im täglichen sich schenken und verschenken liegt dieser Gedanke in seiner ganzen Tiefe und Tragweite [Seite 91] ausgebreitet. Hier den Pol der Wiedergeburt finden ist diesem vollauf würdig und wird ihm auch gerecht.

Was nützt den Menschen die Vertröstung auf ein umwandelndes Gleiten durch die Tiefen des Lebens erst nach dem Tode! Beginnt nicht vielmehr der Gedanke zur Wiederkehr schon in diesem Leben und muß diesem Dasein vertraut sein wie die allernotwendigsten Lebensbedingungen! Wer frisch und mutig in den Tag hineingreift und nimmt, was er ihm bringt, der vermag sich auch immer umzugestalten nach dem letzten und endlichen Ziele hin, das jedem noch verborgen in dunkler Zukunft liegt. Es hat keinen Sinn, sich mit Jenseitigem abzumühen, das kommt von selbst und wie es die gütige Vorsehung in weiter Schau dargestellt hat. Das Leben heute steht im Mittelpunkt unserer Betrachtungen und dem müssen wir vor allen Dingen gerecht werden. Dann kommt der andere Gedanke, jener, der sich bis an das Ende der Entwicklung trägt und sich solange verwandelt, bis er in letzter Reïnkarnation den Weg in das endlich unendliche Sein geht. Wie das sein wird, das kann, wie schon gesagt, niemand deuten und begreiflich machen, das muß eben in tiefstem Sinne erahnt und geglaubt werden. Der Verstand und das Wissen allein führen nicht hinter den Vorhang der Schöpfung, sie zergrübeln vielmehr was in gläubiger Schau werden will, die vielleicht im tiefsten Grunde um das Letzte weiß.

Wer Reïnkarnation bloß in dem Sinne betrachten lernt, daß sie sich erst entfalten kann, wenn der Tod zu einem neuen Dasein ruft, der weiß noch nicht, was hinter diesem Einzigartigen verborgen liegt, — der kennt sich selber noch nicht, sonst müßte er erkennen und klar sehen, daß jeder Tag eine Wiedergeburt ist zu einem neuen Kreislauf im täglichen Sinne.

Es gibt keine Verwandlung und Umgestaltung, die erst im Dort beginnt, sie muß schon hier vorhanden sein, sonst gleitet der Fuß aus in der Nacht durch das brandende Chaos der Zeit auf dem Weg zur lichtklaren Ewigkeit.

Wer mutig den letzten Reïnkarnationsgedanken erfaßt, um ihn in dieses Leben hereinzutragen, der ist auf dem Weg in ein neues sich wandelndes Sein und geht Hand in Hand mit den alten Religionen, die nichts anderes wissen, als das bewußt werden lassen; diesen tiefen Lebensgedanken in unser Leben hereinzustellen als helles, lichtes Ziel für die werdende Unendlichkeit. Der trägt aber auch den Gedanken des Christentums und der Bahá’i-Religion in sich zur Wirklichkeit gestaltenden Tat, die nichts anderes will, als dem eigenen Ich täglich abzusterben.



„Tenrikyo“[Bearbeiten]

Tenrikyo-Kwai, die Kirche der Lehre von der himmlischen Vernunft

(siehe Heft VII, Seite 81)


Das Bekenntnis der Gläubigen.

1. Gott ist der Schöpfer des Alls.

2. Gott ist allmächtig: nichts kann geschaffen, nichts verändert werden, es sei denn durch seine Macht.

3. Gott ist allwissend: er weiß alle Dinge, sie mögen noch so klein sein.

4. Gott ist wie Wasser in seiner Reinheit und Flüssigkeit: sintemal Wasser in die Tiefe der Erde dringt und sich über den ganzen Himmel ausbreitet und allen Schmutz abwäscht.

5. Drum müssen die Menschen wie Wasser sein, in dem sie Gott nachahmen.

6. Gott ist in der Welt, insonderheit in unserem Herzen.

7. Bereue, bereue, denn Reue reinigt unsre Herzen von allem Schmutz.

8. Selig sind, die ihre Sünden bereuen, denn sie werden bald gerettet werden.

9. Gott wird niemand retten, der ihn nicht bittet, denn solch ein Mensch weiß nichts von seinen Sünden.

10. Sei dem Kaiser ergeben und dem Staat [Seite 92] gehorsam, das ist die heilige Pflicht unserer Gläubigen.

11. Vor Gott, der der Vater der Menschen ist, sind alle Menschen Brüder; alle Brüder sind gleich und ohne Klassen-(Unterschiede).

12. Männer und Frauen müssen stets in Eintracht leben, weil Gott sie dazu geschaffen hat, nach dem Abbild von Himmel und Erde, deren Verbindung der Anfang der Welt war.

13. Da unsere Meisterin eine Botin Gottes war, ist sie die wahre Führerin, die uns zum Heil leitet, und wir wollen ihr folgen.

14. Die Kirche ist die Vereinigung der Gläubigen, nicht das Gebäude selbst.

15. Die bloße (formelle) Verehrung ist Gotteslästerung.

16. Du mußt dich für andere opfern, sonst kannst du das ewige Leben nicht erlangen.

17. Gokuraku ist verborgen in dieser Welt, es wird offenbar, sobald des Menschen Herz rein wird.

18. Klage dich selbst an, nicht andere.

19. Treibe ernstlich Mission, doch soll der Glaube der Menschen freier Wille sein.

20. Sei unschuldig vor Gott wie ein Kind.

21. Greife nicht die anderen Religionen an.

Ebenfalls entnommen aus dem Jahrbuch der Ostasien-Mission für das Jahr 1928.

Wie viele Anklänge finden wir hier an die Lehre Bahá’u’lláhs. Sein Geist erweckt ein Echo in der ganzen Welt.



Bahá'i-Organisation[Bearbeiten]

Ihre Grundlage im geoffenbarten Wort

Star of the West 1923, Vol. 137 Nr. 12, 1923, Vol. 13, Nr. 12 Übersetzt von der geistigen Arbeitsgemeinschaft Zuffenhausen


Organisation in der Bahá’i-Bewegung steht auf der sicheren Grundlage des Wortes Gottes.

Wenn sich heute freisinnige Menschen gegen dieses Gebot empören, so denken sie sicherlich, daß diese Organisation sie zu Sklaven mache, doch ist eine Organisation Lebensbedürfnis und notwendiger denn je zuvor.

Bahá’u’lláh berührt die höchsten Wahrheiten, wenn Er sagt: „Unter den Menschen sind manche, welche Ruhm suchen aus dem Wunsche nach Freiheit. Wisse, daß das Tier das Sinnbild der Freiheit und die Offenbarung ihrer selbst ist; daher geziemt es sich für den Menschen, sich selbst unter die Gesetze zu stellen, die ihn gegen seine eigene Unwissenheit, gegen Schaden und Betrug schützen. Freiheit ist begrenzt durch die Willfährigkeit den Geboten Gottes gegenüber. Wenn ihr erkennt, was Fr für euch geoffenbart hat vom Himmel der Eingebung, werdet ihr euch selbst in vollkommener und vollster Freiheit sehen.“

„Gott hat geboten, daß in jeder Stadt ein Haus der Gerechtigkeit errichtet werde, in dem die Menschen sich vereinigen in Übereinstimmung mit der Zahl Bahá’s (wenn sie diese Zahl übersteigen, dann in größerer Anzahl). Sie sollten sich selbst vor Augen halten, daß sie in Gottes Gegenwart sind und das Unsichtbare sehen. Sie sollen göttliche Beauftragte in der unbeständigen Welt sein, die Vertreter Gottes für die auf Erden, und in der Liebe Gottes die Interessen Seiner Diener wahren, als wären es ihre eigenen.“

‘Abdu’l-Bahá sagt in „Verschiedene beantwortete Fragen“: „Wenn die Gesetze des heiligsten Buches in Kraft treten, werden Streit und Kämpfe ein letztes Urteil in unabhängiger Gerechtigkeit finden durch ein allgemeines Schiedsgericht der Völker und Königreiche und die etwaigen Schwierigkeiten werden verschwinden. Die fünf Erdteile der Welt werden einen Erdteil bilden, die zahllosen Völker werden ein Volk werden und der Wohnort der Menschheit wird eine Gemeinschaft sein!“

Es folgen andere Ausführungen aus den Schriften 'Abdu'l-Bahás: „Absolute Gleichheit unter den Menschen ist eine Unmöglichkeit. Es ist nötig, daß verschiedene Organisationen Ordnung in diese Unordnung bringen. Absolute Gleichheit ist nur ein Traum und unausführbar. Wenn absolute Gleichheit bestünde, würde die ganze [Seite 93] Weltordnung zerstört. In der Menschheit gibt es immer einen Unterschied in den Stufen. — Darum müssen auch Stufen in der Organisation sein.“

„Die allumfassenden Grundsätze, welche die Grundlage der Religion Gottes sind, sind festgelegt, aber das Festlegen der bis ins Kleinste zu bestimmenden Gesetze, wie die Unterabteilungen und Verzweigungen, ist dem Hause der Gerechtigkeit übertragen. Eine Weisheit liegt darin, da die Welt nie lange Zeit in derselben Form sich bewegt. Das Haus der Gerechtigkeit wird die Gesetze den Bedürfnissen und Erfordernissen der Zeit anpassen, Seine Glieder werden nicht Einrichtungen treffen nach eigenem Gutdünken und Gedenken. Das größte Haus der Gerechtigkeit beschließt Gesetze und Statuten durch die Macht der Eingebung und Bestätigung des heiligen Geistes und steht im Schutze Gottes.“

Vor ungefähr fünfzig Jahren gebot Bahá’u’lláh den Menschen im Buch Aqdas den allgemeinen Frieden zu errichten. Er lud alle Nationen ein zu der göttlichen Tafel des „Internationalen Schiedsgerichtshofs“, damit die Grenzfragen, die Frage der internationalen Ehre und Wohlfahrt und der Lebensinteressen zwischen den Nationen durch einen gerechten Schiedsgerichtshof entschieden werden. Keine Nation darf sich weigern, die Entscheidung anzunehmen. Wenn irgend welche Streitigkeiten zwischen zwei Völkern sich erheben, müssen diese vor diesen internationalen Gerichtshof getragen, von ihm geschlichtet und entschieden werden, wie das Urteil durch den Richter zwischen zwei Personen entscheidet. Wenn zu irgend einer Zeit eine Nation solch einen Vertrag bricht, müssen alle anderen Nationen sich erheben und diese Auflehnung niederschlagen.“

„Betrachte wieder Organisation und Auflösung, Existenz und Nichtexistenz. Jedes Wesen ist zusammengesetzt aus vielen verschiedenen Bestandteilen. Die Existenz eines jeden Dinges ist der Ausdruck der Organisation. Das heißt durch die göttliche Schöpfung ist ein Ding durch Organisation von gewissen elementaren Ereignissen hervorgebracht. Alle bestehenden Wesen sind von dieser Art. Aber wenn ein Fehler in dieser Zusammensetzung erscheint und Auflösung einsetzt, so trennen sich die Teile und jenes Ding zerfällt und wird zur Nichtexistenz. Diese Vernichtung der Dinge ist ein Ausdruck ihrer Auflösung und Zerstörung. Die chemische Verwandtschaft und die Organisation der Elemente machen die Existenz möglich.“ („Star of the West“, Vol. 6, S. 68.)

„Viele Versammlungen werden organisiert werden, deren Mitglieder verschiedene Nationen, Stämme und Völker repräsentieren. Das geschieht durch die Wirkung des Wortes Gottes. Wenn alle Mächte der Welt zusammenkämen, sie könnten nicht eine Versammlung gleich dieser Versammlungen organisieren.“ („Star of the West“, Vol. 6, S. 71.)

„Der allgemeine Schiedsgerichtshof ist die einzige Körperschaft, die alle diese Unannehmlichkeiten und Streite auflöst, die sich zwischen den Nationen der Welt erheben. Außerordentliche Anstrengung muß gemacht werden von den zivilisierten Regierungen, solch eine einflußreiche internationale Organisation zu schaffen, durch die alle ihre Streitigkeiten entschieden werden. Könnte ein besserer Plan durch Menschen ersonnen werden? („Star of the West“, Vol. 5, S. 165.)

„Alle Regierungen der Welt müßten sich vereinigen und eine Versammlung organisieren.“ („Star of the West“, Vol. 7, S. 82.)

„O ihr Himmlischen! Organisiert geistige Versammlungen! Legt die Grundlagen der Einheit und Übereinstimmung in der Welt. Zerstöret den Herd des Streites und Krieges auf der Oberfläche der Erde. Bauet den Tempel der Einheit, der Harmonie und des herzlichen Einvernehmens. Öffnet eure Augen! Schauet und blicket nach der andern Welt! Das Königreich des Friedens, der Erlösung, der Rechtschaffenheit und der Versöhnung wird in der unsichtbaren Welt gefunden und es wird stufenweise offenbar und sichtbar werden durch die Macht des Gotteswortes.“ („Star of the West“, Vol. 5, S. 129.)

„Ich wünsche, daß ihr euch organisiert wie eine Schar Tauben des Himmels, deren Zustand und Wesen jedem andern ein Sinnbild jener Einigkeit ist, die unter allen menschlichen Wesen herrschen sollte, denn menschliche Wesen sollen willig die Führung des heiligen Geistes annehmen.“ („Star of the West“, Vol. 3, Nr. 4, S. 29.)

[Seite 94] „Einer der großen Lehrsätze von Bahá’u’lláh bezieht sich auf den internationalen Frieden. Er gründete und lehrte dieses Prinzip schon vor fünfzig Jahren im Orient. Er verkündete allgemeinen Frieden unter den Nationen. Er forderte die Menschen auf, den allgemeinen Frieden in den verschiedenen Religionen zu gründen. Er organisierte Frieden unter vielen Rassen, Gemeinschaften und Sekten. Zu jener Zeit schrieb Er Episteln an alle Gesetzgeber und Könige der Welt und forderte sie auf, mit Ihm zu arbeiten in der Verbreitung dieser Grundsätze. Er sagte ihnen, daß die Menschheit zu keiner Ordnung und Ruhe komme, es sei denn durch den allgemeinen Frieden. Er trat für diese Grundsätze in Persien ein.“ („Star of the West“, Vol. 6, S. 81.)

In einem Tablet an die Delegierten des ersten Bahá’i-Tempel-Vereinigungs-Kongresses im Jahr 1909 schrieb 'Abdu'l-Bahá:

„Von jetzt an beginnt die Organisation, von jetzt an ist jede Angelegenheit betreffend das Königreich Gottes von höchster Wichtigkeit. Eine der wichtigsten Angelegenheiten ist die Gründung des Mashriqu’l-Adhkar, obgleich beschränkte Geister seine Wichtigkeit nicht begreifen können, nein, vielleicht bilden sie sich ein, dies sei ein Tempel gleich anderen Tempeln. Sie sagen sich, jedes Volk hat hunderttausend gigantische Tempel, welche Wirkungen haben diese hervorgebracht, daß jetzt dieser eine Mashriqu’l-Adhkar, d. h. die Offenbarungen der Zeichen, eine Quelle des Lichts verursacht und beweist. Aber sie übersehen die Tatsache, daß die Erbauung dieses Mashriqu’l-Adhkar der Anfang der Organisation des Königreiches ist.“

Der Hüter der Sache, Shoghi Effendi, versicherte wieder die Notwendigkeit der Organisation in Seiner erleuchteten Epistel an die amerikanischen Freunde vom 5. März 1922 und führte das folgende aus den Schriften ‘Abdu’l-Bahás an:

„Es liegt jedem ob, nicht einen Schritt ohne den Rat der geistigen Versammlung zu tun. Sie müssen durchaus mit Herz und Seele ihren Geboten gehorchen und ihr untertan sein, daß die Dinge gut geordnet und gut vorbereitet werden. Andernfalls wird jede Person unabhängig handeln nach ihrer eigenen Meinung und wird ihrem eigenen Wunsch folgen und der Bewegung schaden.“

Heute sind die Versammlungen des Rats von größter Wichtigkeit und sind eine direkte Lebensnotwendigkeit. Gehorsam ihm gegenüber ist wesentlich und vorbildlich. Die Mitglieder desselben müssen miteinander beraten in einer Weise, daß keine Veranlassung zu einem Gekränktsein oder zu Unfrieden entstehen kann. Dies kann erreicht werden, wenn jedes Mitglied mit unbedingter Freiheit seine eigene Meinung ausdrückt und seine Beweggründe festlegt. Sollte ihm einer entgegnen, so darf man sich auf keinen Fall verletzt fühlen, denn erst wenn die Dinge restlos erörtert sind, kann der rechte Weg sichtbar werden. Der schimmernde Funke der Wahrheit leuchtet nur auf nach dem Meinungsaustausch der verschiedenen Ansichten. Wenn nach jeder Erörterung eine Entscheidung ohne Feindseligkeit zustande kommt, ist es recht und gut. Wenn aber, was der Herr verbietet, Meinungsverschiedenheiten auftreten sollten, so muß die Mehrheit der Stimmen entscheiden!“

Die Grundlage der Organisation in der göttlichen Lehre ist mit Nachdruck niedergelegt in den obenerwähnten Auszügen aus den heiligen und schöpferischen Worten und vielen anderen, die angeführt werden. Eindrucksvoll ist nicht nur die häufige Wiederkehr des Ausdrucks Organisation, sondern auch die Größe und der Zweck jener göttlichen Weisheit der jetzigen Pläne und Bestätigungen. Organisation wird zu einem Lebenselement in der neuen Schöpfung. Wie die Offenbarung Bahá’u’lláhs alles ans Licht bringt, was nützlich ist zur Entwicklung und dem Fortschritt der Menschheit, so wird durch die Kraft der Organisation Reife und Vollendung erreicht.

Es ist bekannt, daß manche Mißverständnisse über die Notwendigkeit der Organisation innerhalb der Bewegung bestehen. Sie sind erwachsen aus einem weit und breit bekannten Ausspruch von ‘Abdu’l-Bahá, daß die Bahá’i-Bewegung nie könnte organisiert werden. Der wahre Sachverhalt ist, wie von 'Abdu'l-Bahá berichtigt ist, daß die Bahá’i-Bewegung nicht starr organisiert werden kann, sie kann nicht begrenzt werden zu einer Organisation. Im Zusammenhang zu [Seite 95] dieser Stelle sagt Er: „Es ist der Geist des Zeitalters, das Wesen aller höchsten Ideale dieses Jahrhunderts.“

‘Abdu’l-Bahá wurde im Jahre 1920 in Haifa (Syrien) von einigen amerikanischen Pilgern folgendes gefragt: „Ist es richtig oder nicht, wenn man sagt, daß die Bahá’i-Bewegung nicht organisiert werden könne?“

'Abdu'l-Bahá erwiderte: „Wie ist es möglich, daß sie nicht organisiert werden sollte? Wenn in einem Haushalt keine Organisation vorhanden ist, kommt es zu einer trostlosen Verwirrung. Also was braucht die Welt notwendiger? Es ist damit gemeint, daß diese Organisation nicht starr sein darf. In alten Zeiten war sie starr. In der Tora waren alle politischen Angelegenheiten starr festgelegt, aber in dieser Lehre sind sie es nicht. In dieser Bewegung besteht politische Freiheit, d. h. zu jeder Zeit steht dem Haus der Gerechtigkeit frei, im Einklang mit dem, was schicklich beurteilt ist, zu entscheiden. Dies ist eine kurze Erklärung dieser Angelegenheit.“

Da die Einheit aus allen göttlichen Äußerungen spricht, kann der aufnahmefähige Geist eine Harmonie in die Zustände bringen, zumal da auch viele andere Worte Bahá’u’lláhs und des Mittelpunktes des Bundes dieser Organisationen Erwähnung tun.

Es muß zum Ausdruck gelangen, daß die geheimnisvolle Macht der Bahá’i-Lehre, ihre heiligen Ideale, ihre erhabene Weisheit, ihre das gewöhnliche Maß übersteigende Liebe, ihre himmlischen Lehren von einer Welt jenseits der Menschen sind, wie auch ihre Macht zu organisieren. Das Herabkommen des heiligen Geistes ist reine absolute Güte, erhaben über aller Menschen Kraft, deren Leitung oder Beaufsichtigung. Aber diese göttliche Intelligenz, diese leuchtende, jetzt geoffenbarte Sonne bestrahlt die Menschen, führt sie und gibt ihnen Verordnungen. Organisation in der Bahá’i-Lehre ist nicht menschliche Schwäche und nichtige Anstrengung wie man in vergangenen Jahrhunderten die Angelegenheiten Gottes organisierte und beaufsichtigte. Auf jene Weise vermehren sich die Schleier der Trennung und verhüllen die eigene Einsicht. Es ist vielmehr klar im göttlichen Plan geoffenbart, daß die Vermittlung Gottes die Führung und Beaufsichtigung der menschlichen Angelegenheiten ist. Die Menschen erlangen die wirkliche Organisation durch Gehorsam gegen den Erhabenen dieser Tage und Ergebenheit Seiner Schönheit gegenüber.

Die Ernennung von Shoghi Effendi als Hüter der Lehre durch ‘Abdu’l-Bahá, die Verfügung für das allgemeine Haus der Gerechtigkeit und andere lebendige Gesetze der Organisation wahren höchst beredte ihre eindrucksvolle Hoheit. Das hohe Ziel der Verordnung und des Dienstes, zu dem Shoghi Effendi jetzt aufrichtige Seelen einlädt, verlangt noch weiters Sicheinfügen in die Bahá’i-Organisation.

Eines der wichtigsten Merkmale der Bahá’i-Organisation ist ihre Beweglichkeit und allgemeine Anpassungsfähigkeit an die gegenwärtige Zeit und an künftige Zeiten und Zeitabschnitte in der Welt. Es ist nichts ausgeschlossen. Die Mitarbeit wird mit der Wahrheit, dem Schönen und Guten inspiriert sowohl äußerlich wie innerhalb ihrer Ordnung. Denn darum sind heute, wie ‘Abdu’l-Bahá gesagt hat, Seelen in allen Regionen vorbereitet. Eine dieser findet irgendwie ein fortschrittliches Volk, das die Schleier der religiösen Frömmelei und der Rassenvorurteile zerrissen hat. Das göttliche Gebot fordert heute Freude und Harmonie im Verkehr mit den Menschen aller Religionen. Es lädt ein zu Freundschaft mit den Starken, gebietet Hilfe den Armen, den Schwachen und den Unterdrückten. Es heißt jede aufrichtige Seele willkommen, die Fortschritte sucht, ist jedoch zugleich die mächtige Festung der Abwehr gegen die Aufständischen und Bestochenen, weil, wie Bahá’u’lláh sagt: „Die Gemeinschaft mit den Gottlosen verändert das Licht des Lebens in das Feuer der Gewissensbisse.“

Diese Organisation der göttlichen Lehren wird der Körper dieses göttlichen Gebäudes. Doch darf sie nie in feste Formen und äußerliche Überlieferungen kristallisiert werden; die Unfähigkeit, die heute die rein menschlichen Organisationen haben, sind ergebnislos im allgemeinen Dienst.

Eine Organisation, der unwichtige Dinge ferne liegen, wird lebendig und wesentlich zum Wachstum der Bahá’i-Bewegung [Seite 96] beitragen. Die Abteilung und Einreihung des Dienstes, verordnet durch den göttlichen Plan der Einheit, wird immer größere Wirkung ausüben.

Organisation erscheint in allem, was Gott erschaffen hat. Von dem kleinen Atom, das sich unter der molekularen Anziehung bewegt, bis zu den kolossalen Sonnen, die ihr Gleichgewicht in ihrer ewigen und majestätischen Bahn behalten, bewegt sich jedes Ding im Einklang mit dem Gesetz und der Ordnung. Sogar der Körper des Menschen ist organisiert. Schmerz, Leiden und Zerstörung sind die Folgen, die er trägt für Widersetzlichkeit. Sollte die Intelligenz, die das Weltall organisiert, das Königreich Gottes, nichtorganisiert dem Menschen überlassen bleiben?

(Schluß folgt)



Der Seele Heimweg[Bearbeiten]

Von Paul Häcker-Stuttgart

Weit ist die Seele von ihrem Ursprung fortgegangen. In weite Fernen verlor sie sich. In dunkles Rückerinnern ging sie leise und still. Was einst gewesen, kann sie nur noch deuten und erfühlen in grenzenloser Schau, die sich ins weite All hineingestaltet und dort den Heimweg sucht und finden will.

Leise, ganz leise aber geht der Weg zuerst zurück in die Anfänge alles Seins. Aber niemals mehr läßt sich das Gewesene wirklich ergründen; vielleicht liegen Ewigkeiten dazwischen — wer weiß wie viele. Wer vermag zu ermessen, was sich in den Urgründen des Seins abspielt, das ja ins Unfaßbare tastet und im Unverlierbaren sich finden will! — Nur was die Seele selber in stillen Stunden heimlich und leise von sich gibt, wenn sie ins Vergangene zurück Wege und Brücken baut und in sich selber den Kreislauf des Lebens ergründen will, rührt an ein zeitenloses Ermessen. Was sie erschaut, ist ja nichts anderes als ein Erahnen dessen, was überall verborgen mitschwingen will und sich auslösen möchte im letzten Lebenssinne. — Aber tief im Verborgenen klingt das uralte Lied der Sehnsucht, das Lied vom Heimweh mit! — Einst muß es eine Heimat gegeben haben, die irgend einmal verloren ging. Etwas muß in den Tiefen der Seele gewesen sein und ist es heute noch, das sucht und sucht und aus der Verirrung heimfinden will in das ureigene Sein der Seele. Keines vermag bis in die tiefsten Tiefen zu tasten. Alles ist nur Heimweh nach dem verlorenen Einst. Alles ist ein Versinken in einer Erinnerung, die in grauer Vorzeit einmal Weg und Ziel gefunden hat und auf unaufgeklärte Weise im Nichts versank.

Doch der Seele Heimweg kann beschritten werden. Es gibt einen Pfad, der wieder nach der Heimat abzweigt. Wie sich das gottnahe Sein verloren, so wird es wieder riesengroß in uns erstehen und über uns hinausragen in das kommende Werden der Ewigkeit. Sind wir wieder in uns und Gott heimisch geworden, dann findet die Seele in die Heimat zurück und das heiße Fernweh hört auf und verliert sich vollkommen in den Bezirken des Ewigen.

Jede stille Stunde, die der Selbstbesinnung geweiht ist, ist eine Heimkehrstunde, ein Pfad in das verlorene Sein der Seele. Und wenn dann ein kleines Lied im Herzen wundersam erklingen will, dann weiß die Seele, daß sie in ihr eigenes Bereich hinüberschwingen darf und heimfinden in die große Seele, die alles in sich einschließt und beschlossen hat seit undenkbaren Zeiten. Dann aber braucht man nicht mehr nach den Heimwehgründen zu tasten, sie sind gelöst in dem sie eins geworden mit Gott, der alles von Anfang an in Seinen Schöpfungsplan eingeschlossen hat, wie es gehen soll und gehen wird und wie jede Seele heimfinden darf in den weiten Bereich der Unendlichkeit.


In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an das Bahá’i-Bureau Stuttgart, Alexanderstr. 3, Nebengebäude, zu richten.


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Geschichte und Bedeutung der Bahá’i-Lehre[Bearbeiten]

Die Bahá’i-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.

Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahá’i-Bewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahá’i-Religion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahá’i (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahá’i der Welt.

Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahá’i, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China usw. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.

In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).

Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Iqhan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.

Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.

Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, Seite 66.)


[Seite 98]


Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart

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In unserem Verlag sind erschienen:


Bücher:

Verborgene Worte von Bahá’u’lláh. Worte der Weisheit und Gebete . . . 1.--

Bahá’u’lláh, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. In Halbleinen gebunden . . . . . 2.50

in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.--

'Abdu'l-Bahá Abbas, Ansprachen in Paris über die Bahá’i-Lehre . . . . . . 3.--

Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, von Mirza Abul Fazl. . . . . 3.50

'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.--

Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase. Kartoniert M. 4.--, in Halbleinen gebunden . . . . 4.60

Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.50

Beantwortete Fragen 'Abdu'l-Bahá Abbas', gesammelt von L. Clifford Barney . . . . 5.--


Broschüren:

Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit. Von Dr. jur. H. Dreyfus . . . -.50

Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás, ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") . . . -.50

Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey . . . . —.50

Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahá’i-Lehre von Dr. Hermann Grossmann, Weinheim (Bergstrasse) . . . . —.20

Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Grossmann, Weinheim (Bergstrasse) . . . . —.20

Sonne der Wahrheit, Jahrgang 3 - 9 in Halbleinen gebunden je . . . . 9.--

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