Sonne der Wahrheit/Jahrgang 11/Heft 6/Text

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SONNE

DER

WAHRHEIT
 
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI
 
HEFT 6 11. JAHRGANG AUGUST 1931
 


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Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i-Prinzipien[Bearbeiten]

1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.


Bahá’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Bahá’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Bahá’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.


2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.

In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.


3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.

Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.


4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.

Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.


5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.

Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.


6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.

Dies ist eine besondere Lehre Bahá’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.


7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.

Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.


8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.

Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.


9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.

Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.


10. Die soziale Frage muss gelöst werden.

Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Bahá’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.


11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.

Bahá’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weltsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.


12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.

Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.

Vor mehr als 50 Jahren befahl Bahá’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.

Bahá’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.


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SONNE DER WAHRHEIT
Organ der deutschen Bahá’i
Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3
Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark
Heft 6 Stuttgart, im August 1931
Kalimát — Vollkommenheit 88
11. Jahrgang

Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion


Inhalt: Das Heilige Buch der Gewißheit. — Aus dem Schatz der Erinnerungen an Abbas Effendi, ’Abdu’l- Bahá. — Eine zurzeit besonders wichtige Aufgabe der Bahá’i-Freunde. — Achtung und Langmut. — Aus einem Brief. — Das Reich Gottes unter den Völkern. — Bahá’u’lláh



Segensworte 'Abdu’l-Bahá’s[Bearbeiten]

„O gütiger Herr! Wahrlich diese Freunde sehnen sich nach Dir und verehren Deine Schönheit. Wahrlich, diese Freunde sind entzündet mit dem Feuer Deiner Liebe, sie sind beglückt, da Du mit ihnen bist. Sie haben sich Deinem Königreich zugewandt, sie suchen nur Dein Wohlgefallen, sie wünschen nichts als in Deinen Fußstapfen zu wandeln und nach Deinem Willen zu tun. Kein Tag geht dahin, an dem sie nicht Deiner gedenken; sie sind stets bereit, Dir zu dienen. O Gott, erleuchte diese Herzen, o Gott, lasse ihre Lippen frohe Worte sprechen. Gib, daß diese Seelen den höchsten Grad der Vergeistigung erreichen! O Herr gib, daß diese Seelen sich in höchstem Maße auszeichnen und mache sie zu Beispielen für Deine unschätzbaren Gaben! Lasse Deine Lichtstrahlen auf sie fallen und umhülle sie mit dem Hauch Deiner Vorsehung. Überschütte sie mit Deinen Gaben aus den Wolken Deiner Großmut, damit diese Seelen wie die Blumen Deines Rosengartens wachsen in frischem Grün und bei allen Menschen köstlichen Duft verbreiten.

O Herr, bestätige sie alle in Deinem Dienst und hilf ihnen, andere Seelen zu Dir zu führen. Erleuchte ihre Augen durch das Licht Deiner großen Zeichen, erfülle ihr Gehör mit dem Wohllaut Deiner Melodien und beglücke sie durch den Wohlduft aus Deinem Königreich. Verleihe diesen Seelen ewiges Leben, führe sie alle zum Allerheiligsten, der Einheit der Menschheit. Wahrlich, Du bist der Allmächtige! Wahrlich, Du bist der Machthabende! Wahrlich, Du bist der Geber aller guten Gaben!“


Gesprochen bei einem 19 Tage-Fest, 16. Oktober 1912 im Heim von Mrs. Goodall, Oakland (Kalifornien).


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Das Heilige Buch der Gewißheit[Bearbeiten]

(Fortsetzung)

(Kitab-El-Iqan aus der Feder von Bahá’u’lláh)

Aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt von Dr. A. Mühlschlegel, Stuttgart


Das Buch befähigt uns auch Böse und Gut zu erkennen. An diesem Prüfstein sind die Behauptungen eines jeden zu messen, um den Gerechten vom Gottlosen zu unterscheiden. „Wünsche den Tod, wenn du die Wahrheit sprichst“ (Kor. XI, 6.), sagt der Koran. Betrachte nun alle diese erhabenen Zeugen, die, auf das Buch sich stützend, Leben, Gut, Weib, Kinder und alles, was sie besaßen, geopfert haben, um zum höchsten Paradies emporzusteigen. Diese losgelösten Seelen, diese erhabenen Menschen, sind sie kein Beweis für diese strahlende Sache? Kann man dagegen jenen glauben, welche die Religion für Geld verleugnet haben, welche den ewigen Ursprung verlassen haben, um sich ihre Ehren zu retten? Man kannte sie wohl und wußte, daß sie nicht auf einen ihrer irdischen Besitztümer verzichten würden auf dem Pfade der Religion Gottes, weit entfernt gar ihr Leben oder ihre Güter zu opfern. Wie drückt der göttliche Prüfstein des Buches jenen so gut ihr Wahrzeichen auf! Die Menschen haben es dennoch nicht erfaßt und schlafen weiterhin in ihrer Lässigkeit, gierig nach den Gütern der Welt und nach irdischer Macht.

„O Menschensohn! Manch ein Tag ist dahingegangen, während du dich mit Liebhabereien und eiteln Einbildungen abgegeben hast. Wie lange willst du noch schlafen auf deinem Lager? Erhebe dein Haupt vom Schlafe, denn die Sonne ist schon zum Mittag gestiegen und will dich mit den Strahlen ihrer Schönheit überfluten.“ ("Verborgene Worte.") Uassalam!

Es ist richtig, daß jene Priester und jene Weisen, von denen wir gesprochen haben, die dem Beyan gefolgt sind, nicht den ganzen Körper der hohen Geistlichkeit darstellten. Denn es ist selten zu sehen, daß machtvolle und berühmte Menschen aus jener Zeit, die auf dem Throne des Gebotes und dem Diwan des Befehles saßen, Gottes Wege gegangen sind, sofern Er es nicht anders bestimmt hat. „Wie wenig Dankbare gibt es unter meinen Dienern!“ (Kor. XXXIV, 12.) Die Priester, die eine hohe Stellung bekleideten, haben im allgemeinen die Sache nicht angenommen, dagegen mit der ganzen Kraft ihres Hasses versucht, diese zu vernichten durch Maßnahmen, wie man sie bis dahin noch nie vernommen hat, und wie noch niemand sie je zuvor gesehen hatte. Der höchste Herr — mögen alle Seelen ein Opfer für Ihn sein — hatte dennoch den hohen Geistlichen in jeder Stadt geschrieben und einem jeden klar die Gründe dargelegt, die ihn zur Abkehr von Gott geführt hatten. „Zieht Nutzen aus diesem Beispiel, o ihr, die ihr mit Einsicht begabt seid.“ (Kor. LIX, 2.)

Möge dies dem Volke des Beyan zur Lehre dienen. Wenn „Er, den Gott offenbaren wird“, in der nächsten Wiederauferstehung erscheinen wird und die Priester ihm nicht nachfolgen, dann werde ihm nicht durch jene widersprochen, die die Erinnerung an die Priester zur Zeit des Báb heraufbeschwören würden. Jedoch wir wollen zu Gott flüchten, wenn die Menschen sich freiwillig Seiner Schönheit berauben.

Ja, unter den Gläubigen fanden sich einige demütige Priester, aber diese alle waren durch Gottes Barmherzigkeit losgelöst von den Gütern dieser Welt. „In Seiner Güte spendet Er, wem Er will.“

Es gibt einen anderen Beweis, der über allen Beweisen steht. Ich höre von der Festigkeit erzählen, die die ewige Schönheit in der Sache Gottes — der Báb — bewiesen hat, als er noch ein Jüngling war. Seine Offenbarung setzte alles Bestehende in Bewegung, die Gedanken eines jeden, hoch und niedrig, reich und arm, mächtig und verachtet, Könige und Untertanen. Niemand flößte ihm Furcht ein, vor niemandem machte er Halt. Kann so etwas sich ereignen ohne Gottes Befehl und Willen? Bei Gott, es lohnt sich ernstlich darüber nachzudenken. Wer würde, selbst mit dem Mut der ganzen Welt. es wagen, sich in solche Abenteuer zu stürzen, wenn er nicht Gottes Erlaubnis dazu hätte; wenn er nicht im Herzen Erbarmen, [Seite 63] in der Seele göttliche Güte empfinden würde? Wie kann man diese Festigkeit erklären? Darf man sagen, dies sei ein Narr, wie man von den alten Propheten einstens gesagt hatte? Oder war dies ein Streber, begierig Güter dieser Welt zu erwerben? Großer Gott! Zu Beginn seines ersten Buches, betitelt „Kayum-ul-Asma“, das sein größtes und erstes Werk zugleich ist, hat er sein Märtyrertum vorausgesagt. Er schreibt wörtlich: „O Du, letzte Offenbarung Gottes, ich opfere mich völlig für Dich und nehme auf mich die Leiden auf Deinem Wege. Mein einziger Wunsch ist, um Deiner Liebe willen getötet zu werden. Gott, der Allmächtige, der Ewige Beschützer, ist mein Ein und Alles!”

In seinem Buche, betitelt „Die Erklärung Hai’s“, erklärt er aufs neue seine Sehnsucht nach Märtyrertum: „Ich höre in meinem tiefsten Innern eine Stimme, die mich ruft und spricht: Opfere, was dir am liebsten ist, auf dem Wege Gottes, wie Hussein — der Segen Gottes ruhe auf ihm! — sich für Mich geopfert hat. Wenn nicht mein ganzer Geist sich diesem tiefgründigen Opfer zugewandt hätte, das sich schon auswirkt durch den Einzigen, in Dessen Händen meine Seele ruht, so könnten alle Könige der Erde nicht gegen mich an. Wieviel weniger ihre unwürdigen Untertanen, die von niemand geachtet werden!“ Dann fügt er hinzu: „So wird ein jeder die Art meiner Glut, meiner Wonne, meiner Sehnsucht erkennen, mich hinzuopfern auf dem Wege Gottes.“

Kann man behaupten, daß wer solche Gedanken äußert, nicht auf dem Wege wandle und anderes suche als Gottes Wohlgefallen? Diese Zeilen sind so durchweht von dem Geist der Loslösung, daß sie bei allen, die sie lesen, die Sehnsucht nach einem solchen Tode wachrufen sollten. Wie niedrig sind die Menschen geworden und wie undankbar gegen Gott! Sie folgen den leblosen Körpern jener, die unter ihrer Herrschaft alle Völker des Islam seufzen lassen. Dagegen schleudern sie Verleumdungen gegen diese Morgenröten der Heiligkeit.

Dies ist der Zustand der Ungläubigen, die sich von der Begegnung mit Gott am Tage der Wiederauferstehung abgewandt haben. Gott hat sie gestraft mit dem Feuer, das die Götzendiener erwartet, und hat in der anderen Welt eine Hölle für sie geschaffen, in der ihr Körper und ihr Geist brennen werden. Denn sie haben zu sagen gewagt, Gott sei machtlos und Seine Hand der Güte hätte sich verschlossen.

Die Festigkeit in der Sache ist also ein wohlgefügter Beweisgrund und eine erhabene Prüfung. Hat Muhammed nicht gesagt, daß es seine unerschütterliche Festigkeit gewesen sei, die ihn vorzeitig altern ließ? „Fahre fort nach Gottes Befehl!“ Betrachte nun diesen Baum der Sache Gottes, diesen ganz jungen Mann, den Báb! Welche Festigkeit hat er bewiesen! Ganze Völker haben sich vergebens bemüht, ihn niederzuringen. Je mehr Unglück sie auf diesen Baum von Tuba fallen ließen, um so mehr entflammte sich seine Glut, um so mehr flammte das Feuer der Liebe auf, wie ein jeder wahrnehmen konnte. Zuletzt gab er sein Leben dahin und eilte dem Höchsten Freunde entgegen.

Woran man ebenso die Gottgesandten erkennt, das ist ihr schließlicher Sieg, ihre machtvolle Herrschaft über alle Länder der Erde, eine Macht, die diese Schöpfer des Daseins aus ihrem Innersten spenden. Die ewige Schönheit erschien in Schiraz im Jahre 60 und enthüllte Sich dort ihrer Schleier. In kurzer Zeit wurden in jedem Lande die Zeichen des Sieges, der Macht und der Herrschergewalt dieses Wesens der Wesen, dieses Meeres der Meere offenbar. Überall gewann die Sache Anhänger dieser Sonne der Wesenseinheit. Wie viele edle und reine Herzen nahmen sich an ihm ein Beispiel! Wie viele Tropfen des Wissens ergossen sich von diesem Meere der Erleuchtung über das ganze Weltall! Und doch trachteten in jeder Stadt die Priester und der Adel darnach, ihn mit Haß in ihrer Ungerechtigkeit und Eifersucht zu bekämpfen. Wie viele Heilige, Wesen der Gerechtigkeit, wurden wie Verbrecher zum Tode geführt! Wie viele Geister, welche ihre Taten mit ihren Lehren in Übereinstimmung brachten, wurden unter den schrecklichsten Qualen getötet! Doch dies hinderte sie nicht, bis zu ihrem Ende ihre Mitmenschen zu mahnen, Gottes zu gedenken, bis sie schließlich in die Höhen der Entsagung und der Wiedervereinigung emporgestiegen.

(Fortsetzung folgt.)

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Aus dem Schatz der Erinnerungen an Abbas Effendi, 'Abdu'l-Bahá. Haifa 1906 - 11[Bearbeiten]

Neunter Brief von Frau Dr. J. F. an Frau A. Schwarz, Stuttgart


Noch einige Aussprüche Abbas Effendis ‘Abdu’l-Bahás


Ort: Grab des Báb. Carmelabhang.

Zeit: Sommerabend, August 1909.

Thema: Das „auserwählte Volk Gottes“ (Israel).

Personen: Außer dem Meister mehrere persische und arabische Bahá’i, ein Amerikaner, Jude (Tourist), eine Engländerin (Touristin), eine Deutsche und ein Dragoman für Persisch-Arabisch-Englisch.

Frage: Der Amerikaner wendet sich an den Meister: „Verehrter Lehrer, was lehrt der Prophet der Bahá’i-Religion bezüglich der Zukunft Israels, wird Israel das Auserwählte Volk bleiben — bleiben bis zum Ende aller Zeiten?”

Antwort: Der Meister erklärt: „Das Wort „auserwählt“ (chosen in Englisch) wird leicht als gleichbedeutend mit „bevorzugt“, „verwöhnt“, „auserlesen“, „vor andern“ angesehen. Gerade das Volk Israel hat es kaum je in seiner ganzen Bedeutung erfaßt, was „auserwählt” heißt. Wir müssen da fragen: Von wem auserwählt?, wofür, zu was auserwählt?; liegt darin etwas „Unwiderrufliches“? Studieren wir die Bibel, das Heilige Buch der Juden und Christen, so wird uns die Leuchte der Erkenntnis aufgehen. Von wem sind die Juden auserwählt worden? Wir sind darüber einig — von Gott, dem Allmächtigen! Zu was, wofür sind sie auserwählt: zum Dienst — zum Opferdienst, und weil Dienst und Opfer gleichbedeutend mit Leiden ist, so lautet die Antwort: Gott, der Allerhöchste hat das Volk Israel zum Dienst und zum Leiden auserwählt. Soll der Dienst und das Opfer für Gott den Allmächtigen sich auswirken, so muß Dienst und Opfer und Leiden dem Bruder, dem Nächsten gelten. Gottesdienst bedeutet Dienst am Mitmenschen. Darin liegt der einzige Sinn des Wortes Gottesdienst. Wie oft hat aber die große Masse des jüdischen Volkes das „Auserwähltsein“ ausgelegt als eine Berufung zum Herrschen, zum Machtgenuß, zur Selbstverherrlichung, und Gott, der Barmherzige, sandte immer wieder Propheten zur Belehrung, zur Leitung, zur Wegbereitung, um endlich zu seiner Zeit im hochgelobten Christus-Messias Seine göttlich-irdische Manifestation für Juden und Nichtjuden zu offenbaren. Und die Christen? Ist heute die Predigt zur Demut, zur Opferbereitschaft, zum Dienst am Nächsten, zur Leidens- und Mitleidenswilligkeit überflüssig geworden? Hat nicht die Gesegnete Vollkommenheit, Bahá’u’lláh, das Panier der Liebe, der Einheit, der Wahrheit von neuem aufgeworfen? Schließt die Liebe nicht Opfer und Dienst und Demut in sich? Ist nicht das Zauberwort Einheit gleichbedeutend mit Einigkeit und Friede? Und die lodernde Flamme der Wahrheit, wird sie nicht gespeist von Liebe und Friede? Wie weit sind nicht Christen, Juden, Moslems und Heiden noch entfernt, im Lichte der göttlich-irdischen Manifestationen zu wandeln, ihren Worten zu lauschen und darnach zu handeln! Und wenn ein Erwählter oder ein auserwähltes Volk nicht tauglich bleibt, wenn er, es im Dienst, Opfer und im Leiden versagt, wenn der Auserwählte sich zentrifugal von Gott dem Herrn entfernt, wenn er sein begehrliches Ich auf den Thron der Anbetung erhebt, so wird aus dem Erwählten, aus dem Berufenen, aus dem auserwählten Volk ein Verworfener, ein Verstoßener, ein entgleistes, ausgestoßenes, von Gott und allen guten Engeln verlassenes Volk. Aus dem erlesenen Jünger Christi wurde ein verworfener Judas Ischariot.

Noch hat Israel die Binde der Blindheit, die Ohrenbinde der Taubheit um seine Sinne, noch ist es in seiner Gesamtheit ein wütender, uneinsichtiger Saulus. Israel ist groß in seiner Ichheit, in seiner Selbstverblendung, in seiner egozentrischen Richtung, aber wenn wir den heiligen Büchern (Bibel, Koran) glauben, so kann aus dem Saulus eines Tages ein Paulus werden und die Berufung zum auserwählten Volk wird sich [Seite 65] ganz verwirklichen, doch die Zeit, die Stunde weiß nur Gott der Allerhöchste.

Es gab und gibt Gottesgelehrte, welche das Volk Israel als auserwähltes Volk betrachten, weil es im höchsten Grade von Gott dem Herrn zum Träger Seiner Offenbarung auserlesen worden ist. Denkt man darüber nach, so möchten wir wohl fragen: Weshalb hat der Allmächtige gerade dieses kleine, unscheinbare, semitische Volk zum Ort und Werkzeug Seiner Offenbarung gemacht? Sind nicht drei der größten göttlichen Manifestationen: Moses, Christus und Muhammed aus dem semitischen Schoß entsprungen? Die Antwort muß lauten: Der Allmächtige ist der souveräne Töpfer, der in absoluter Freiheit die Gefäße der Ehre und Unehre formt, der mit ewigem Maßstab jedem Gefäß die passende Form, den rechten Inhalt und die Größe oder Kleinheit der Verantwortung beilegt. Er ist Schöpfer, Erhalter, Verwalter und Richter zugleich. Sein Gericht überdauert drei bis vier menschliche Generationen, Seine Gnade aber belichtet tausend Generationen! Beugen wir uns Seiner unermeßlichen Weisheit, Seiner unausdenkbaren Gnade, Ihm befehlen wir das auserwählte Volk Israel, Ihm befehlen wir uns und die ganze Menschheit. Allah maschud (Gott ist gegenwärtig)!”

Der Meister entfernt sich zur einsamen Meditation in dem inneren Gemach des Mausoleums, die übrige Gesellschaft macht sich auf den Heimweg.



Eine zurzeit besonders wichtige Aufgabe der Bahá’i-Freunde[Bearbeiten]

Von Theodor Lang, München


Bei Ausbruch des großen Krieges im Jahre 1914 mag es auch andern so gegangen sein wie mir, daß sich ihnen, mit Selbstvorwürfen verbunden, der Gedanke aufdrängte, dem Übel hätte vielleicht gesteuert werden können, wenn die Friedensbestrebungen eine tatkräftigere Förderung erfahren hätten. Es war mir damals, als ob ein gewaltiges Trauerspiel für Deutschland und die Welt seinen Anfang nähme und das, obwohl ich der Bahá’i-Lehre noch ziemlich ferne stand, wie sicher viele unserer Volksgenossen, keine klare Vorstellung und tiefere Empfindung von der schrecklichen Seite eines Massenkampfes wie des bevorstehenden hatte und einen für das eigene Land unglücklichen Ausgang schon in Anbetracht der einmütigen Begeisterung weiter Kreise, die leider keinem höheren Ziele galt, kaum in den Bereich der Möglichkeit zog. Im tiefsten Grunde meiner Seele vernahm ich immer und immer wieder die erhabenen Klänge des großen Einleitungschores der Bachschen Matthäuspassion (Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen usw.), eines Werkes, das mir gerade in jenem Jahre näher bekannt geworden war: diesen Ausdruck tiefsten Schmerzes über das Leiden Christi bezog ich jetzt auf ein Leiden, das, wie ahnendes Empfinden mir sagte, nicht nur das eigene Volk, sondern einen großen Teil der Welt heimsuchen sollte. Hielt ich doch bereits dazumal den Krieg für ein Übel und den allgemeinen Weltfrieden für ein der Menschheit würdiges Ziel, das sie in näherer oder fernerer Zukunft auch erreichen werde. Und während des ach so lange andauernden Völkerkampfes beseelten mich Wunsch und Hoffnung, daß es der letzte seiner Art sei, daß die in ihm und durch ihn gewonnenen trüben und grausamen Erfahrungen Völker und Staaten dazu führten, künftighin ihre Streitigkeiten auf anderem Wege zu schlichten.

Später der Bahá’i-Lehre näher getreten, erkannte ich, welch große Bedeutung sie dem allgemeinen Frieden in der Welt einräumt, eine Bedeutung, die ja ohne weiteres verständlich ist, wenn man bedenkt, daß nach der gleichen Lehre die ganze Menschheit eine Einheit bildet, die Bahá’u’lláh so schön kennzeichnete durch die Worte: Ihr seid alle die Blätter eines Zweiges und die Früchte [Seite 66]


Durch die Presse geht die Trauerkunde von dem Tode des 82 Jahre alten hochangesehenen und weltbekannten Philosophen, Forschers und Pioniers auf psychotherapeutischem Gebiet

Professor August Forel.

Alle Artikel, die über ihn in den Tageszeitungen erscheinen, die seinen rastlosen Forschergeist, seine schriftstellerische Tätigkeit auf so vielen Gebieten, seine große, von ihm geschaffene Bibliothek über wissenschaftliche Fragen und seine Forschung über das Wesen und die Art der Ameise, der er ganz besondere Liebe entgegen brachte, veröffentlichen — sie alle wissen nicht zu erzählen, daß er der Bahá’i-Lehre nahe stand. Tief berührt von den Prinzipien Bahá’u’lláhs trat er in Verbindung mit ‘Abdu’l-Bahá und hat seinerzeit ein wertvolles Tablet erhalten, das ein Geschenk an die Welt bedeutet1). In Forel selbst lebten manche der großen Gedanken, die Bahá’u’lláh so nachdrücklich der Menschheit empfiehlt. Aus manch einem in unserem Organ veröffentlichten Artikel geht seine Bahá’i-Weltanschauung hervor und mit mancher Idee ist Forel ein Vorkämpfer für ein neues Menschentum geworden. Nun sind die Schleier von seinen Augen genommen und die letzte Wahrheit ist ihm enthüllt.

1) Veröffentlicht in „S. d. W.“, Jahrgang III, Heft 7, September 1923.



eines Baumes. Nach dieser Auffassung können also Kriege zwischen einzelnen Gliedern dieser Einheit, Staaten, Völkern, Glaubensgemeinschaften, ebenso wenig sittlich zulässig sein wie in geordneten Staatswesen unserer Tage blutige Kämpfe einzelner Bürgergruppen: die heilige Lehre ächtet den Krieg, während die noch in unsere Zeit hereinreichende, früher allgemein verbreitete Anschauung ihn für ein gestattetes Mittel der Staatsleitung erklärt. ‘Abdu’l-Bahá hat denn auch in Seiner Erläuterung der Bahá’i-Grundsätze Errichtung des Weltfriedens als die heutzutage wichtigste Angelegenheit bezeichnet und in diesem Zusammenhang von einer schreienden Notwendigkeit unserer Zeit gesprochen. Und können wir nicht zu unserer Freude feststellen, daß gegenwärtig diese Gedanken in weiten Kreisen der Menschheit und an einflußreichen Stellen Eingang fanden und daß man Einrichtungen schuf und Aufgaben sich stellte, die die Erhaltung des Weltfriedens zum Ziel und Inhalt haben? Mag der Völkerbund, schon weil ihm eine ganze Reihe von Völkern und dabei große und bedeutsame nicht angehören, noch ein recht unvollkommenes Bild der geeinten Menschheit darstellen, mag es noch sehr zweifelhaft sein, inwieweit die Staaten in Streitfällen den Weltgerichtshof anrufen, mag es immerhin möglich sein, daß das oder jenes Volk den Kellogg-Pakt nicht für anwendbar hält, mag die Abrüstung nur in sehr ungenügendem Maße zur Durchführung kommen, alle diese Schöpfungen, Verträge, Pläne bestehen und sind ein Beweis dafür, wie tief bereits der Welteinheits- und der Weltfriedensgedanke der Bahá’i-Lehre in der gegenwärtigen Menschheit Wurzel geschlagen haben. Man könnte auch an die in der letzten Zeit häufigen, teils schon zur Ausführung gelangten, teils noch geplanten gegenseitigen Besuche und Besprechungen von Staatsmännern großer Völker denken. Doch möchte ich sie weniger ins Feld führen, da sie einerseits mehr oder minder aus der Not geboren, anderseits wegen der jeweiligen Beschränkung auf nur zwei Völker und ihrer [Seite 67]


Bahá’i Arbeitsgemeinschaft Wien

Unser liebes Mitglied der Geistigen Arbeitsgemeinschaft

Fräulein Roghi Khamsy

ist am 2. Juli 1931 gegen Mitternacht im Alter von 28 Jahren nach schwerem, geduldig ertragenen Leiden in das Abhá Königreich eingegangen.

Sie war eine Perserin, Bahá’i von Geburt an und hat mit manchen guten Ratschlägen zum Gedeihen und Fortschritt der Bahá’i-Arbeit in Wien beigetragen. Sie hat unzähligen Menschen aus den vornehmsten Kreisen die frohe Botschaft gebracht. Selbst während ihrer Krankheit war sie stets bereit, der heiligen Sache zu dienen und diese zu verbreiten.

Dieser Schlag trifft unsere Geistige Arbeitsgemeinschaft und alle Freunde um so härter, als dies das zweite Mitglied ist, das wir verlieren, da ihr Vater, Herr Reza Khamsy, ihr erst vor kurzer Zeit in das Gottesreich vorangegangen ist.

Wir aber setzen unser Vertrauen felsenfest in Gott! Alláh’u’Abhá!



geringen Durchsichtigkeit für die Außenwelt nicht ganz ohne Gefahr zu sein scheinen. Alle erfreulichen Erscheinungen dieser Art dürfen aber uns Bahá’i-Anhänger nicht dazu führen, lässiger zu werden in unserm Eifer für die hohen Ziele der Welteinheit und des Weltfriedens, nicht nur weil, wie angedeutet, das Bestehende noch längst nicht vollkommen, sondern auch weil gerade wieder in den letzten Monaten und Jahren sich Anzeichen bemerkbar machen, daß Völker und Menschen den vorhandenen Friedenssicherungen kein rechtes Vertrauen entgegenbringen und daß starke Kräfte am Werke sind, die nach früherer Art Gewalt vor Recht stellen.

Hat man seit dem großen Völkermorden vor anderthalb Jahrzehnten wohl je wieder so viel von neuem Weltkrieg gesprochen wie gegenwärtig? Die einen sagen ihn bestimmt voraus, deuten ihn geheimnisvoll an, warnen vor ihm, andere erhoffen von ihm Besserung der Lage, ja mögen ihn deshalb herbeiwünschen. Als Warner tritt z. B. auch General Ludendorff auf in seiner bekannten Schrift: Weltkrieg droht auf deutschem Boden; nichts weniger freilich als ein Friedensfreund geworden, erhebt er seine Warnung vielmehr wegen der furchtbaren Gefahren, die nach seiner Annahme ein solcher Krieg Deutschland bringt. Man spricht aber nicht nur viel vom Krieg, man geht auch, da Menschen und Völker zu wenig Vertrauen zueinander und in die bestehenden Friedenssicherungen haben, nur zögernd an Abrüstungen heran, und wo solche erzwungen sind, ist eben wegen des Zwanges auf der Seite derer, die ihm unterliegen, vielfach Erbitterung festzustellen, auf der Gegenseite aber die Furcht nicht gewichen. Ergeben sich Unstimmigkeiten und Gegensätze zwischen Völkern und Staaten, so werden sie oft stark übertrieben und als unüberbrückbar hingestellt; den Standpunkt des Gegners sucht man nicht im mindesten zu begreifen. Man hat bisweilen geradezu den Eindruck, als ob man an die doch vorhandenen Vermittlungsmöglichkeiten und Ausgleichsgrundsätze in Streitfällen nicht mehr dächte und nur gewaltsame Lösungen wie in früheren Zeiten wüßte. Kommt es aber zum Spruch einer zur Entscheidung berufenen Stelle, so nimmt man ihr Urteil nicht mit ruhiger Überlegung entgegen, verdächtigt sie vielmehr der Begünstigung der andern Seite, wenn sie nicht ganz die eigene Auffassung zum Ausdruck [Seite 68] gebracht hat. Weiterhin kommen in vielen Gemeinwesen heutzutage Gruppen ans Ruder oder gewinnen an Macht, die ihrer ganzen Haltung nach kriegerischen Entwicklungen mindestens nicht abgeneigt wären. Zu beachten bleibt auch, daß seit einigen Jahren besonders viele Bücher auf den Markt geworfen wurden, die sich auf den letzten großen Krieg beziehen, und da sie nicht alle in friedensfreundlihem Sinn geschrieben sind, trägt sicher ein Teil dazu bei, daß gerade in die Seele unserer Jugend, die an die Schrecken der Kriegszeit keine oder keine klare und eindringliche Erinnerung mehr bewahrt, kriegerischer Geist und kriegerische Neigungen verpflanzt werden, eine Wirkung, die man auch durch andere Mittel mancherseits geradezu anstrebt. Wenn ferner die Kundschaftertätigkeit nicht bloß in Erzählungen und Berichten unserer Tage einen breiten Raum einzunehmen scheint als vordem, sondern offenbar auch tatsächlich wieder mehr ausgeübt wird, anderseits aber Vorkommnisse dieser Art in manchen Tagesblättern über Gebühr aufgebauscht werden, so möchte auch dies bedenklich stimmen. Ich glaube also mit Recht zu behaupten, daß gegenwärtig der Weltfriede wieder stärker bedroht ist, zumal da die schlimme Lage, unter der zur Zeit so viele Menschen leiden, wie im Leben des einzelnen so auch im Völkerleben leicht Verzweiflungsentschlüsse fassen läßt.

Um so wichtiger ist aber die Aufgabe, die uns Bahái-Anhängern daraus erwächst, mit allen unsern Kräften und auf jede uns mögliche Art unserem Ziel, der Erhaltung des allgemeinen Weltfriedens, zu dienen. Seien wir nicht mut- und hoffnungslos deswegen, weil vielleicht nur wenige oder gar keine Freunde Stellen einnehmen, an denen sie auf die Geschicke der Völker und Menschen unmittelbar einwirken können! Ich bin der Überzeugung, daß jede ehrlich und kraftvoll vertretene Meinung an sich schon eine Macht bildet und Einfluß übt. Dieser verstärkt sich, je mehr der einzelne seine Erkenntnis und sein Streben auch auf seine Umwelt zu übertragen bemüht ist. Und dazu bietet sich jedem Gelegenheit, die auszunützen wir zumal in diesen Zeitläuften als heilige Pflicht empfinden sollten. Wir dürfen es uns nicht verdrießen lassen in unserem engern und weitern Kreis unermüdlich, doch ohne aufdringlich zu werden, in Wort und Schrift wie für unsere sonstigen, so jetzt insbesondere für das Hochziel des allgemeinen Weltfriedens uns einzusetzen, auch wenn wir auf schärfste Gegnerschaft stoßen, Spott und Hohn zu erdulden haben und unsere Bemühungen oftmals vergebens zu sein scheinen. Wir werden, meine ich, so doch etwas erreichen: Freunde und Gesinnungsverwandte stützen und stärken, Andersdenkende freilich nicht gleich umstimmen, aber vielleicht zu Besinnung und Nachdenken veranlassen und so schließlich unseren Anschauungen näher bringen. Namentlich sollten wir auch darauf bedacht sein, das Ansehen und den Einfluß der bestehenden Friedenseinrichtungen, vor allem des Völkerbundes, ungeachtet der ihnen noch anhaftenden Unvollkommenheiten zu fördern und einseitigen oder irrtümlichen Auffassungen in dieser Richtung entgegenzutreten. Wenn wir so die Beziehungen der Völker gleichsam von einer höhern Warte aus betrachten, auch dem Standpunkt der andern gerecht zu werden suchen und in diesem Sinn auf unsere Mitmenschen einzuwirken bemüht sind, zeigen wir uns mit nichten dem eigenen Volke untreu, nützen ihm vielmehr auf die denkbar beste Art. Unsere Bestrebungen fallen hier mit denen der Friedensgesellschaften und ähnlicher Vereinigungen zusammen, die durch Beitritt oder sonst zu unterstützen naturgemäß nur ersprießlich sein kann. Daß endlich unsere staatsbürgerliche Betätigung nicht im Widerspruch mit dem Bahá’i-Ziel des allgemeinen Weltfriedens stehen darf, ist selbstverständlich.

Nun wissen wir freilich nicht, ob es im Weltenplan beschlossen liegt, daß uns die Schrecknisse und Greuel eines Krieges künftig erspart bleiben. Aber Förderung des allgemeinen Weltfriedens ist heilige Bahá’i-Pflicht, ganz ohne Rücksicht auf den äußern Erfolg. Nie und nimmer darf es geschehen, daß, wenn wirklich Kriege unabwendbar für uns in Zukunft ausbrächen, wir uns sagen müßten: Unsere Schuld ist's, daß es dazu kam.


[Seite 69]


Achtung und Langmut[Bearbeiten]

Von Dr. H.Großmann-Weinheim


Die außerordentliche Toleranz der Bahá'i-Lehre ist eine ihrer zartesten Gaben an die Menschen, zugleich aber einer ihrer schwersten Prüfsteine. Sie ist das Geschenk für den reifen Menschen und der Ausdruck ihres unvergleichlichen geistigen Hochstandes. Für den reifen Menschen deshalb, weil nur er die Kraft aufbringt, auch dort die Feinheiten sittlichen Handelns, wie sie die Bahá’i-Lehre gibt, zu beachten und zu verwirklichen, wo ihm aus Toleranz kein ausdrückliches Muß vorgeschrieben ist.

Aber Toleranz kann eine zweifältige sein, nämlich einmal Achtung vor anderer begründeter Überzeugung und zum andern Langmut gegenüber Schwäche und Mangel an Überwindungskraft. So ist es Toleranz der ersten Art, wenn die Lehre uns vorschreibt, jeder aufrichtig vorgebrachten und vertretenen Meinung mit Achtung zu begegnen und nicht zu streiten. Wenn dagegen z. B. ‘Abdu’l-Bahá den Genuß von Alkohol nicht ausdrücklich verbietet, obgleich er sich unzweideutig über dessen Schädlichkeit ausspricht, so ist diese Art von Toleranz Langmut gegenüber der menschlichen Schwäche, die sich so schwer aufraffen kann, von der alten Gewohnheit zu lassen.

Langmut und achtungsvolle Toleranz sehen einander äußerlich außerordentlich ähnlich, und das ist der Prüfstein. Unsere Bequemlichkeit wird nur allzuleicht dazu neigen, die Motive zu verwechseln und auch dort Achtung für die Begründung der Toleranz annehmen wollen, wo es sich in der Tat um Langmut handelt. Gewiß soll der Bahá’i andern gegenüber, die noch nicht das nötige Verständnis für den Wert der Anweisungen Bahá’u’lláhs und ‘Abdu’l-Bahás besitzen, tolerant sein, und in diesen Fällen mögen wir unerörtert lassen, warum die Lehre tolerant ist, ob aus Achtung oder Langmut. Wer sich aber Bahá’i und Jünger Bahá’u’lláhs nennt, sollte für sich keine Toleranz beanspruchen, sondern streng mit sich sein. Es sollte ihm höchster Ansporn sein, seine Reife für die Toleranz zu beweisen, indem er nicht vom breiten Weg für sich Gebrauch macht, sondern den schmalen Weg der Selbstüberwindung geht. Das alte Wort vom Weg zur Hölle, der mit guten Vorsätzen gepflastert ist, ist nur allzu wahr, und mißbrauchte Langmut ist gleichbedeutend mit Ungehorsam und ein Hemmnis für unser geistiges Wachstum. Solange ich mir der Langmut nicht bewußt werde, wird mein Verhalten nicht Mißbrauch sein, wenn ich aber erst angefangen habe, mich zu fragen, ob ich etwas noch darf oder nicht, so habe ich bereits begonnen, mir der Langmut bewußt zu werden, und dann bin ich ungehorsam, wenn ich mich nicht zur Überwindung entschließe. Dann ist es auch gleicherweise ungehorsam, ob ich nun z. B. nur ein Glas Wein täglich oder vier trinke, oder eine Zigarette oder vierzig rauche. Der Leib ist ein Tempel des Geistes. Für diese hohe Aufgabe müssen wir ihn rein erhalten, denn wenn wir unsere Gesundheit mit Alkohol und Tabak untergraben oder auch nur etwas schädigen, so wird dadurch die Erfüllung unserer geistigen Pflichten — selbst wenn es auch nur etwas ist — beeinträchtigt werden.

Aber es soll hier nicht nur von Alkohol und Tabak die Rede sein. Achtung und Langmut wohnen auf allen Gebieten eng beisammen. Die Langmut gestattet uns, Menschen, deren Verkehr uns Überwindung und Anstrengung kostet, zu meiden. Dies ist der breite Weg. Aber der schmale Weg ist, sich zu überwinden und nach und nach zu lernen, auch ihnen das rechte Vertrauen und die rechte Liebe entgegen zu bringen. Auch unfreundliche Gedanken sind Taten und behindern die Harmonie. Erst müssen wir lernen, freundlich gegen alle Menschen zu handeln — aber das allein genügt nicht. Dann müssen wir lernen auch freundlich über alle Menschen zu denken, um schließlich völlig ausgefüllt zu werden mit der allesumfassenden „Liebe Gottes“.

Doch die Lehre ist nicht nur tolerant. Sie kann es schon deshalb nicht nur sein, weil nicht alle Menschen reif für die Toleranz sind. Die Unselbständigen, die Schwachen und Unmündigen müssen geführt werden. [Seite 70] Darum kennt die Sprache Bahá’u’lláhs und 'Abdu'l-Bahás auch sehr wohl Worte von großer Strenge. Bahá’u’lláh sagt:

„Der Erzieher der Welt ist die Gerechtigkeit, denn sie besteht aus zwei Pfeilern, genannt: Belohnung und Strafe. Diese zwei Pfeiler sind zwei Brunnen des Lebens für die Menschheit.“ (13. Frohe Botschaft.)

Die Bahá’i-Lehre ist also keineswegs eine „religiöse und nationale Knochenerweichung“, wie einer ihrer Gegner in einem Buch behauptet hat, ohne sie zu studieren. Wir Bahá’i tun gut daran, uns dies vor Augen zu halten. Bahá’i-Lehre ist Tat, Kraft, Überwindung!

„Halte meine Gebote aus Liebe zu mir und entsage deinen weltlichen Wünschen, wenn du mein Wohlgefallen suchst.“ (Bahá’u’lláh.)



Aus einem Brief[Bearbeiten]

Von Otto Heldreich


... Ja, Du hast recht, das ist immer bedrückend, wenn man wahrnimmt, wie die Menschen an die letzten Fragen mit denselben Werkzeugen herangehen, sie zu sezieren, die sie gegenüber den Erscheinungen der sichtbaren Welt anwenden und anwenden müssen. Und wie oft trifft man Menschen, bei denen man lange glaubt, daß sie die dort erforderlichen Werkzeuge zu handhaben verstehen, und plötzlich zeigt sich doch, oft an einer winzigen Kleinigkeit, daß alles nur Schein ist.

Du schreibst: „Solche Beobachtungen führen mich nach meinem inneren Empfinden immer an eine gefährliche Klippe, an deren Untersuchung ich mich nur ungern herantraue, nämlich an die Durchdenkung der Frage: Gibt es einen Punkt, an welchem die Achtung des sonst durchaus achtbaren Menschen aufhören darf, ohne daß man sich selbst den Vorwurf der Überheblichkeit machen müßte?“ ...

So fragen heißt: Des „primären Denkens“ fähig sein, des Denkens, das einzig und allein mit Aussicht auf Erfolg an jene Fragen herangehen darf, das sich selbst ständig unter der Lupe hat, des Denkens, das garnicht im Gehirn vor sich geht, sondern in einer Art geistigen Fühlerorgans, das in jedem Menschen, vom Buschneger bis zur „Philosophengröße“ latent ruht, — es kommt nur darauf an, ob er von ihm Gebrauch macht oder nicht —, des Denkens, das man nicht auf Hochschulen erlernen kann, wo es im Gegenteil meist vollends ganz verkümmert, des Denkens, dessen Wachstum keine Anhäufung von Wissensstoff, noch Steigerung der Gehirnfähigkeiten bedeutet, wenn auch diese als Begleiterscheinungen auftreten mögen, sondern ein immer umfassenderes, stärkeres und verfeinerteres Teilhaben an der unbegrenzten Macht des Geistes, am allerprimärsten Denken, am Schöpfungsdenken. Es handelt sich um ein Denken, das analog zu dem eben Gesagten immer gleichsam von einer höheren Emanation seiner selbst Ausschau halten und seine Füße, die sekundäre Gedankenfabrikation, auf ihre Schritte hin überwachen muß, ein Denken, das auf die schwersten Fragen stets die „einfachsten“ Antworten hat, die aber auch nur derjenige wieder versteht, der sie auf den jungfräulichen Boden eben wieder seiner primären Denkfähigkeit fallen läßt, jenes Denken, das eine präzise Antwort auf die letzten Fragen als immer anfechtbar möglichst vermeidet und zum Gleichnis greift, das ferner mit jenen Ohren zusammenarbeitet, von denen es heißt: „Wer sie hat zu hören, der höre“, das Denken schließlich, für dessen Erlernung das Leid der materiellen Welt der beste Lehrmeister und Ansporn ist.

Noch nicht versteht man die gewaltige wissenschaftliche Errungenschaft der Relativitätstheorie auch auf die Gedankenwelt, die mit zur Materie gehört, zu übertragen und bis in ihre letzten Konsequenzen zu verfolgen: es könnten sonst die „Anschauungen“ allesamt nicht mehr so dominierend weiterbestehen, wie sie es tun, jede umgeben von einem ungeheuren Wall gegenüber der [Seite 71] anderen, vom Wall der Verblendung, vom Wall der Unfähigkeit, sich selbst kritisch zu beleuchten, bzw. die Resultate daraus herzhaft zu verwerten.

Sogar also trotz Einstein! Trotzdem nun auch noch ein Gedankentitan mit Zahlen nachgewiesen hat, was der Geistmensch Johannes schlicht, aber eben in dieser Schlichtheit grandios ausgedrückt hat mit jenen paar Worten: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und Gott war das Wort“, mit denen er schon das kosmische Dreieck der Relativität gezeichnet hat, aus dessen Mittelpunkt, nicht aus dessen Kanten und Ecken, das Auge Gottes hervorstrahlt.

Und nun weiter: Irgend welche Form von Verachtung, Nicht-mehr- Achtung ist für den Tieferblickenden nicht diskutabel: man weiß nicht, wann eines Menschen „Stunde geschlagen hat“ und ob nicht sein „Denken“, selbst infolge eines geringfügigen Anlasses, sich von der bisher offensichtlich „niederen“ Stufe plötzlich erhebt, vielleicht so gewaltig, daß es weit über das eigene zu stehen kommt, so daß man sehr beschämt dastünde. Dies ganz primitiv ausgedrückt. Mit anderen Worten: Es ist immer und stets für möglich zu erachten, daß beim Nebenmenschen, bei dem der Kontaktfunke zum primären Denken noch nicht übergesprungen ist, wie es bei einem selbst schon der Fall sein mag, die andern notwendigen Gegebenheiten schon viel stärker ausgebildet sind, so daß der Funke, wenn er einmal überzuspringen anfängt, viel stärkere Ausmaße aufweist, aufweisen kann, wie der eigene. Das Wesentliche ist natürlich der Funke und seine Vollendung, weshalb in vielen Fällen der Abstand im Denken so sehr groß erscheint und auch sein mag, aber — das ist gerade der Punkt, wo beim Erkennenden, wenn auch ein „Überlegenheitsgefühl“, so doch aus diesem heraus nie und nimmer Verachtung platzgreifen kann, vielmehr das notwendigerweise einspringt, was man mit Liebe bezeichnet, Liebe im eigentlichen, wenig gekannten Sinn, die Diagonale des Kräfteparallelogramms aus der einen Komponente: Schmerz über die eigene Unzulänglichkeit, Unfähigkeit, überzeugen zu können, mit anderen Worten, selbst noch nicht genügend Strahlungskraft zu besitzen, um den andern einfach mitzureißen, dessen Funken an seiner eigenen Funkenkette, an seinem eigenen Flammenbogen, an seinem eigenen Lichtkern zur Entzündung zu bringen wofür es nach oben keine Grenze gibt und aus der anderen Komponente, der Erkenntnis, nie ausgewirkt zu haben, nie genügend wirken zu können in der Richtung der uns obliegenden kosmischen Pflicht, dem göttlichen Prinzip, wann und wo und wie es möglich ist, gegen die Gewalten der niederen Existenz, wozu auch das erdgebundene Denken rechnet, zum Siege zu verhelfen.

Man darf eben auch an die Lösung dieser Frage, die Du stellst, schlechterdings nicht mit dem gewohnheitsmäßigen Denken des kleinen ich, das aus dem Gegensatz lebt, herantreten, sondern mit dem des großen Ich, das auch alle Gegensätze noch umschließt.

Wo bleibt nach dem vorhin Gesagten noch Raum für Überhebung? Deine Angst, so „lobenswert“ sie ist, kannst Du also ruhig begraben: die Betätigung der Liebe im kosmischen Sinne wird Dich des Angsthabenmüssens im allgemeinen wie in der besonderen Richtung entheben.

Damit trittst Du gleichzeitig aus der den Durchschnittsmenschen, auch allermeist in seinem Erkenntnissuchen ausmachenden Passivität in die Aktivität des Menschen des Schöpfungsplanes oder, wenn Du es so haben willst, des Gottessohnes, des Menschen „wie er sein sollte“, des Vollmenschen oder was es der Benennungen noch mehr gibt, die aber alle allein nicht alles treffen: Aktivität, die nie und nimmer auf „Überzeugungen“, „Anschauungen“, „Gehirnschaltungseffekten“ fußt, sondern in Fortzeugung geboren wird aus der Sehnsucht, die Liebe in die Welt hineintragen zu helfen, sie hineinzutragen, wie wenn es dabei auf Dich allein ankäme: dann hast Du teil am großen Ich. Die schmerzliche Erkenntnis, welch stümperhafte Hilfsstellung man allenfalls dabei einnimmt, kommt bald genug.

Ich meine jene hohe Aktivität, in welche nur der hineingeraten kann, der fähig ist, seine „Überzeugungen“ allesamt und zu jeder Zeit hinzugeben und selbst in Frage zu stellen, ohne gleichzeitig aus allen Himmeln zu fallen und die, genau betrachtet, in reines [Seite 72] Dienen ausläuft, in jenes Dienen, das den Fürstenmenschen ausmacht, ihn als solchen kennzeichnet, das entspringt aus der Einsicht des eigenen Unwerts, der Ehrfurcht vor allem Seienden und dem Verantwortungsgefühl hinsichtlich alles dessen, was nicht so ist, wie es sein sollte, ob es nun auf dem „eigenen“ Acker wächst und nicht wächst oder auf „fremden“: für das große Ich gibt es kein „fremd“, es sicht alle Unzulänglichkeiten am „eigenen Körper“.

Und damit habe ich nun, wie ich eben: gewahr werde, auch Stellung genommen zu den restlichen Gedankengängen in Deinem Schreiben: „Bei allem ‚heißen Bemühen‘, im Rahmen der eigenen Kräfte Erkenntnis zu suchen, scheint mir nichts gefährlicher zu sein, als der Hang des Menschen nach alleinseligmachender Überzeugung, der nimmer dazu geeignet ist, in einen besseren Zustand hineinzuführen, als wie wir ihn im Pharisäertum der ‚Patentierten’ verurteilen“ .



Das Reich Gottes unter den Völkern[Bearbeiten]

Psalm 96.

„Singet dem Herrn ein neues Lied; singet dem Herrn, alle Welt!

Singet dem Herrn und lobet Seinen Namen; verkündigt Sein Heil von Tag zu Tag!

Erzählt unter den Heiden Seine Ehre, unter allen Völkern Seine Wunder!

Denn der Herr ist groß und hoch zu loben, wunderbarlich über alle Götter!

Denn alle Götter der Völker sind Götzen; aber der Herr hat den Himmel gemacht.

Es steht herrlich und prächtig vor Ihm und geht gewaltig und löblich zu Seinem Heiligtum.

Ihr Völker bringet her dem Herrn bringet her dem Herrn Ehre und Macht! Bringet her dem Herrn die Ehre Seines Namens; bringet Geschenke und kommt in Seine Vorhöfe!

Betet an den Herrn in heiligem Schmuck; es fürchte Ihn alle Welt! Sagt unter den Heiden, daß der Herr König sei und habe Sein Reich, soweit die Welt geht, bereitet, daß es bleiben soll; und richtet die Völker recht.

Der Himmel freue sich, und die Erde sei fröhlich; das Meer brause und was drinnen ist;

des Feld sei fröhlich und alles, was drauf ist! und lasse rühmen alle Bäume im Walde

vor dem Herrn; denn Er kommt, denn Er kommt, zu richten das Erdreich. Es wird den Erdboden richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit Seiner Wahrheit.“



Bahá’u’lláh[Bearbeiten]

Von M.L.Fack


Es scheint ein Licht in der dunklen Nacht,

das hat Bahá’u’lláh wiedergebracht.

Es führt ein Weg aus der Erde Bann,

den ging Bahá’u’lláh führend voran.

Erlösung gibt es für alle Not

im Leben schon, nicht erst im Tod.


Er sprach das Wort, das Ihm Gott befahl,

und lebt’ es in unserem Erdental.

Was alle Erlöser geoffenbart,

in Bahá’u’lláh erfüllet ward.

Es brachte der Menschheit Bruderschaft

durch Seiner erlösenden Liebe Kraft.


Und wieder sprach der Herr: Es werde

ein neuer Himmel, und neu die Erde.




In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an das Bahá’i-Bureau Stuttgart, Alexanderstr. 3, Nebengebäude, zu richten.


[Seite 73]


Geschichte und Bedeutung der Bahá’i-Lehre[Bearbeiten]

Die Bahá’i-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.

Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahá’i-Bewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahá’i-Religion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahá’i (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahá’i der Welt.

Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahá’i, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China usw. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.

In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).

Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Iqhan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.

Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.

Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, Seite 66.)


[Seite 74]


Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart

Fernsprecher Nr. 26168 / Postscheckkonto 25419 Stuttgart / Alexanderstr. 3, Nebengebäude

In unserem Verlag sind erschienen:


Bücher:

Verborgene Worte von Bahá’u’lláh. Worte der Weisheit und Gebete . . . 1.--

Bahá’u’lláh, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. In Halbleinen gebunden . . . . . 2.50

in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.--

'Abdu'l-Bahá Abbas, Ansprachen in Paris über die Bahá’i-Lehre . . . . . . 3.--

Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, von Mirza Abul Fazl. . . . . 3.50

'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.--

Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase. Kartoniert M. 4.--, in Halbleinen gebunden . . . . 4.60

Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.50

Beantwortete Fragen 'Abdu'l-Bahá Abbas', gesammelt von L. Clifford Barney . . . . 5.--


Broschüren:

Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit. Von Dr. jur. H. Dreyfus . . . -.50

Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás, ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") . . . -.50

Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey . . . . —.50

Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahá’i-Lehre von Dr. Hermann Grossmann, Weinheim (Bergstrasse) . . . . —.20

Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Grossmann, Weinheim (Bergstrasse) . . . . —.20

Sonne der Wahrheit, Jahrgang 3 - 9 in Halbleinen gebunden je . . . . 9.--

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