SONNE DER WAHRHEIT | ||
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI | ||
HEFT 3 | 11. JAHRGANG | MAI 1931 |
Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i-Prinzipien[Bearbeiten]
1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.
Bahá’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die
Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“.
Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen
den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und
Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Bahá’u’lláh das Prinzip der Einheit der
Menschheit dar. Bahá’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie
alle im Meer der göttlichen Gnade.
2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.
In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.
3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.
Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.
4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.
Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.
5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.
Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.
6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.
Dies ist eine besondere Lehre Bahá’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.
7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.
Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.
8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.
Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.
9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.
Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.
10. Die soziale Frage muss gelöst werden.
Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Bahá’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.
11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.
Bahá’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weltsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.
12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.
Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.
Vor mehr als 50 Jahren befahl Bahá’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.
Bahá’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.
SONNE DER WAHRHEIT Organ der deutschen Bahá’i Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3 Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark |
Heft 3 | Stuttgart, im Mai 1931 Jamál — Schönheit 88 |
11. Jahrgang |
Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion
Inhalt: Zum Geburtstag 'Abdu'l-Bahá’s (23. Mai). — Das Heilige Buch der Gewißheit. — Aus dem Schatz der Erinnerungen an Abbas Effendi, ’Abdu’l-Bahá. Haifa 1910—11. — Chinesische Kultur und die Bahá’i-Bewegung. — Begegnung.
„Warum will der Mensch, das ungehorsame Kind Gottes, das ein Beispiel der Macht des geistigen Gesetzes sein sollte, sein Gesicht von den göttlichen Lehren abkehren und all sein Bestreben dem Krieg und der Zerstörung zuwenden? Ich hoffe, daß das göttliche Licht der Liebe seine Strahlen in diesem erleuchteten Jahrhundert über die ganze Erde ausgießen wird, daß es in das offene Herz und in den Verstand jedes Menschen eindringe. Möge das Licht der Sonne der Wahrheit die Politiker dazu führen, alle Vorurteile und allen Aberglauben abzuschütteln, damit sie unbeschwert den göttlichen Geboten folgen. Der Wille Gottes ist mächtig, des Menschen Politik aber ist schwach. Gott hat die Welt erschaffen und Er schenkt jedem Geschöpf Seine göttlichen Gaben.“
Aus 'Abdu'l-Bahá’s Ansprachen in Paris 1912
Ein Jugendbild 'Abdu'l-Bahá’s
Zum Geburtstag 'Abdu'l-Bahá’s (23. Mai 1844)[Bearbeiten]
Von Gott gesandt, die Menschheit zu erlösen,
hast segnend Du der Erde Leid getragen.
Hilf uns, wie Du, von Deinem heil’gen Wesen
erfüllt, der niedern Welt entsagen,
und laß uns still in Deinem Himmelslicht genesen.
A. Sch.
'Abdu'l-Bahá spricht zu uns:[Bearbeiten]
„Seid ihr euch dessen bewußt, was für eine Zeit es ist, in der ihr lebt? Habt ihr schon darüber nachgedacht, in welchem Zeitalter ihr lebt? Habt ihr nicht in der Heiligen Schrift gelesen, daß am Ende dieses Zeitalters der Tag anbrechen wird, der der Tag aller Tage ist?
Jetzt ist der Tag angebrochen, an dem der Herr der Heerscharen auf den Wolken der
Herrlichkeit vom Himmel herabkam. Dies ist der Tag, an dem die Bewohner der ganzen
Erde unter das schützende Wort Gottes treten werden. Dies ist der Tag, an dem sich
Ost und West umarmen werden wie zwei Liebende. Dies ist der Tag, an dem Kriege
[Seite 27]
und Streitigkeiten für immer abgetan sein werden, der Tag, an dem alle Völker ein
ewiges Bündnis der Freundschaft und der Versöhnung miteinander schließen werden.
Dieses Jahrhundert bringt die Erfüllung des verheißenen Zeitalters. Dieser Tag ist die Morgendämmerung, in der die Zeichen des herrlichen Schauens der altehrwürdigen Propheten sich erfüllen wird. Wir leben jetzt in der Zeit des Morgengrauens, binnen kurzem aber wird die Sonne strahlend aufgehen und in majestätischer Pracht den Zenit erreichen. Alsdann werdet ihr die Kraft der Sonne erkennen. Dann werdet ihr sehen, welch himmlische Erleuchtung sich offenbaren wird. Dann werdet ihr inne werden, daß dies die unendlichen Gnadenbeweise Gottes sind, die euch zuteil werden. Dann werdet ihr sehen, daß diese Welt eine andere geworden ist. Alsdann werdet ihr erkennen, daß Gottes Wort allgemein bekannt ist.
Seid versichert, daß diese Dunkelheit sich lichten wird und daß das undurchdringliche Gewölk, das jetzt den Horizont verdunkelt, wegziehen und die Sonne der Wirklichkeit in all ihrer Pracht leuchten wird. Ihre Strahlen werden die Eisberge des Hasses und der Meinungsverschiedenheiten, welche das wogende Meer der Menschheit in eine festgefrorene Unermeßlichkeit verwandelt haben, zergehen lassen. Die Untugenden der irdischen Welt werden verwandelt in hohe Eigenschaften und das Licht der Vollkommenheit wird in diesem göttlichen Reich scheinen.
Die Prinzipien Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláhs werden den Körper der ganzen Welt durchdringen wie der Geist den menschlichen Körper durchdringt, und die Liebe Gottes wird das Herz der fünf Erdteile erfüllen wie das Blut, das durch die Arterien des menschlichen Körpers strömt. Der Osten wird erleuchtet, der Westen durchgeistigt werden und die Menschen werden sich unter dem allumfassenden Zelt des Einheitsgedankens der Menschheit zusammenschließen.
Es schläft heute die übrige Welt noch, doch Gott sei gelobt, ihr seid erwacht! Jene sind sich dieser Tatsache noch nicht bewußt, ihr aber seid — Gott sei es gedankt — mit den Geheimnissen Gottes bekannt. Danket Gott, daß ihr jenen auf diesem Gebiet der Erkenntnis voraus seid. Ich hoffe, daß ein jedes von euch ein Pfeiler des Palastes der Einheit der Menschheit werde. Ich hoffe, daß ein jedes von euch ein leuchtender Stern werde, der allen, die den Gipfel der menschlichen Vollendung suchen, den Weg weisen kann.“
Das Heilige Buch der Gewißheit[Bearbeiten]
(Fortsetzung)
(Kitab-El-Iqan aus der Feder von Bahá’u’lláh)
Aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt von Dr. A. Mühlschlegel, Stuttgart
Gott hat uns diesen Beweis gegeben. Müssen wir nicht alle uns auf das Buch berufen,
um Gut von Böse, Irrtum von Führung zu unterscheiden? Nur zwei nennt Muhammed:
das Buch und die Nachfolger.
Und was ist heute noch von den Nachfolgern übrig? Nur das Buch besteht noch, an dessen Anfang geschrieben steht: „A.L.M. Dieses Buch steht über allem Zweifel. Es ist die Führung derer, die den Herrn fürchten.“ (Kor. II, 1.)
In den verschiedenen Einzelbriefen, welche sich im Koran finden, ruht das Geheimnis der Wesensgleichheit verborgen. In diesen Perlmutterschalen sind die Perlen der Einheit verwahrt. Doch ist hier nicht an der Zeit dies zu erklären. In ihrer inneren Bedeutung beziehen sich diese Briefe auf Muhammed selbst und Gott hat gesprochen: „O Muhammed, dieses Buch, welches vom Himmel der Einheit herabgekommen ist, enthält nichts Zweifelhaftes und Verwirrendes. Es ist Führung für die Gerechten.“
So hat Gott den Koran zum Führer aller Völker der Erde gemacht und diese Unsichtbare
Einheit ist selbst Zeuge seines Wertes bis zum Jüngsten Tage. Kann man darauf
[Seite 28]
hin noch, wie es die Ungläubigen tun, in aller Form in Zweifel ziehen, was der Herr
selbst so vorbehaltlos bezeugt hat? Kann man sich abwenden, von dem, was die Menschen
das Wesen der Belehrung erlangen lassen soll, und nach anderem forschen?
Kann man durch nichtige Worte alles in Frage stellen und sagen: „Dieser Mann hat
anders gesprochen“, oder: „Das ist noch nicht eingetroffen? Wenn es für die Menschen
noch irgend etwas anderes, ebenso Wichtiges gäbe wie die göttlichen Bücher, so würde es
der Vers, den wir angeführt haben, sicher erwähnen.
Wir dürfen fernerhin nicht trachten dem unentrinnbaren Gebote Gottes zu entfliehen, und die in den Versen enthaltene Vorsehung zu meiden dadurch, daß wir uns weigern, den neuen heiligen Büchern zu glauben; denn verwerfen wir sie, so verwerfen wir den Koran. Darum glaubt einer, der nicht an den Forkan glaubt, auch nicht an die heiligen Bücher, die ihm vorausgegangen. Solches ist zwischen den Zeilen dieses Verses zu lesen. Wenn ich dir aber seinen tieferen Sinn erklären wollte, so würde Ich in Wahrheit nicht damit zu Ende gelangen und euren Wunsch übersättigen. Gott aber ist Zeuge Meiner Worte.
An anderem Orte findet man: „Wenn du Zweifel hegst an dem Buche, zu dem wir unseren Diener inspiriert haben, so schaffe ein Kapitel, das sich annähernd mit denen messen kann, welche dieses hier enthält, und nenne, sofern du es ehrlich meinst, deine Zeugen, die du neben Gott anrufst.“ (Kor. II, 21.) Wie hoch erhaben sind doch Gottes Worte und wie groß ist ihr Wert; denn der höchste Überzeugungsgrund, die allmächtige Kraft, der erfüllte Wille und der vollkommene Beweis sind in ihm enthalten. Und der König der Einheit, der diesen Beweis enthüllt hat, Er hat nicht aus zweiter Hand geschaffen, denn das göttliche ist den anderen Begründungen und Beweisen gegenüber das, was die Sonne den Sternen gegenüber ist. Für die Völker ist dies das hellste Licht des höchsten Wesens. Nichts kommt ihm an Güte gleich und nichts übertrifft es. Es ist die Schatzkammer der Geheimnisse der Einheit. Es ist der feste Faden, das unzerreißbare Seil, die unerschütterliche Handhabe und das unauslöschbare Licht. Die Fluten göttlicher Belehrung strömen von ihm herab und die ewige Weisheit thront in ihm. Es ist eine Flamme, die mit einem Male den Gläubigen mit dem Feuer der Liebe entzündet und den Ungläubigen in seiner Lässigkeit erstarren laßt.
O mein Freund, laßt uns Gottes Gebote nicht vernachlässigen. Begnügen wir uns mit Seinem Beweise und gehorchen wir; denn dieser Beweis ist stärker als ich in meiner Schwäche zu sagen vermöchte. „Und Gott sprach wahr. Er ist es, der uns auf den Weg führt. Er ist der Meister des Alls, Er ist allmächtig und barmherzig.“ Desgleichen findest du im Koran: „Dies sind Gottes Worte. Wir künden sie dir in voller Wahrheit. Woran also werden die Ungläubigen glauben, wenn sie Gott und Seine Zeichen verwerfen?“ (Kor. XLV, 5.) Würdest du die Bedeutung dieser Verse erfassen, so würdest du verstehen, daß es nie eine größere Offenbarung gegeben hat noch jemals geben wird denn die Propheten, noch irgend ein erhabeneres Beweismittel als die enthüllten Worte, wofern nicht Gott anders darüber bestimmt. Des weiteren spricht Er: „Fluch jedem Lügner und Verbrecher, der das Vorlesen der Belehrungen Gottes anhört und dennoch in seinem Hochmut sich verstockt, als ob er sie nicht vernehmen würde. Solchem verkünde grausame Strafe.“ (Kor. XLV, 6 und 7.)
Diese Verse würden genügen, wenn die Menschen sie aufmerksam lesen würden. Aber du siehst, daß heutzutage, wenn man mit lauter Stimme die heiligen Worte liest, keiner zuhört, als ob es sich um eine verächtliche Sache handle, während es noch nie etwas Erhabeneres gab und niemals geben wird. Sprich: O ihr Nachlässigen, ihr handelt wie eure Väter. Haben sie die Früchte des Baumes des Irrtums empfangen, so wird dies auch euch beschieden sein und bald werdet ihr euch in der Verdammnis wieder finden. „Das Feuer ist ihre Wohnstatt. Welch schreckliche Wohnstatt wartet der Bösen!“
An anderem Orte spricht Er: „Und wenn sie einige Seiner Lehren erlernen, kehren
[Seite 29]
sie sie in Spott um. Jener Menschen Los wird schreckliche Verdammnis
sein.“ (Kor. XLV, 8.)
Der unerbittliche Tot hat wieder Ernte gehalten und aus unseren Reihen eine
aufrichtig ergebene Anhängerin ’Bahá’u’llahs und treue Dienerin ’Abdu’l-Bahás
hinweggeführt.
Frau Ännie von Marchtaler
geborene Lienhardt
ist am 11. Mai einer rasch verlaufenden Lungenentzündung erlegen und an ihrem 51. Geburtstag zur Erde getragen worden.
Ihre tiefe Veranlagung und ihre gläubige Seele befähigte sie in hohem Maße — als sie 1913 in Berührung mit ’Abdu’l-Bahá kam —, Seine heilige Lehre aufzunehmen und Ihm mit Begeisterung zu dienen. Sie durfte auch die Gnade unseres Meisters erfahren durch ein herrliches Tablet, das er an sie richtete.
In so manchen schweren Tagen ihres Lebens gab ihr der Glaube an die Vorsehung und Gnade Gottes, die Kraft der Ergebung. Viel zu früh ist diese zarte Seele, in der die Sehnsucht nach den lichten Höhen so groß war, von uns gegangen, möge ihr Sehnen überreiche Erfüllung erfahren.
Stuttgart, im Mai 1931.
A. Sch.
Eine Redensart der Spötter und der Ungläubigen war auszurufen: „Macht uns noch
ein Wunder vor und schafft uns noch einen Beweis!“ Oder auch: „Laß doch auf unser
Haupt ein Stück Himmel fallen!“ (Kor. XXVI, 187.), oder: „Wenn der Koran die Wahrheit
ist, so lasse doch vom Himmel Steine auf unsere Häupter regnen.“ (Kor. VIIL, 32.) Ebenso
verschmähten die Juden zur Zeit Moses das himmlische Gastmahl um der gewöhnlichen Speise
von Zwiebel und Knoblauch willen. Sie wollten in ihrem unreinen Denken die offenbarten
Worte abändern.
Heute sehen wir, daß das geistige Mahl vom Himmel göttlicher Barmherzigkeit herabgekommen ist und aus den Wolken der Güte Gottes, daß die befruchtenden Meere ihre Wogen an die Küsten des Paradieses branden lassen auf den Befehl des Schöpfers. Und dennoch scharen sich die Menschen um ihre Priester wie Hunde um ein Aas und alle begnügen sich mit einem schalen Becher abgestandenen Wassers.
Großer Gott! Wie können die Menschen noch einen Beweis verlangen, wo doch die Fahne des „Er, der bewiesen ist“, entrollt ist! Wie können sie noch an ihrem eiteln Wissen festhalten nach dem Erscheinen der Manifestationen? Das hieße, von der Sonne den Beweis ihres Lichtes verlangen oder vom Aprilregen den Beweis, ob er wohltätig wirkt. Der Beweis der Sonne ist eben ihr Licht, das über die ganze Erde strahlt, und der Aprilregen zeigt sich eben dadurch, daß sein wohltätiges Wirken die Erde mit neuem Gewande bekleidet. Es ist wahr, daß der Blinde von der Sonne nur ihren Brand verspürt, und daß den kahlen Fels nicht die Wohltat des Frühlingsregens berührt. Es ist nicht zu verwundern, daß sie vom Koran nur die Hülle kennen. Empfindet der Blinde von der Sonne anderes noch als ihre Glut? Im Koran findet man: „Wenn man ihnen unsere klaren Verse verkündet, was sagen sie dann? Sie sagen: Laßt doch unsere Väter vom Tode zurückkehren, wenn ihr die Wahrheit sagtet.“ (Kor. XLV, 24.) Was für jämmerliche Gründe setzten sie diesen barmherzigen Wesen entgegen! Wie spotteten sie über die göttlichen Worte, von denen doch ein einziger Buchstabe so erhaben ist wie die ganze Schöpfung und allein genügt, durch den Geist des Glaubens die Toten zum Leben zu rufen, zur Freude und zum Willen zur Buße! Sie sagten: „Erwecket unsere Väter vom Tode!“ so groß war ihr Irren und ihr Hochmut.
(Fortsetzung folgt)
Aus dem Schatz der Erinnerungen an Abbas Effendi, 'Abdu'l-Bahá. Haifa 1906 - 11[Bearbeiten]
Sechster Brief von Frau Dr. J. F. an Frau A. Schwarz, Stuttgart
Erklärungen von Abbas Effendi ‘Abdu’l-Bahá bezüglich der Geschichte des
Mausoleums des Báb am Karmelabhang und der diesbezüglichen Zukunftspläne.
Ort: Im Garten des Mausoleums.
Zeit: 4 Mai (Freitag) 1910.
Personen: Außer dem Meister sind noch einige persische Bahá’i, Miß St., Miß N. (Missionarin) und eine deutsche Dame zugegen. Einer der Bahá’i spricht Englisch und übersetzt die in Arabischer Sprache gegebenen Erklärungen von Abbas Effendi ins Englische.
Frage, Miß St.: „Das Mausoleum des Propheten Báb hat den schönsten Platz des Karmelabhangs. Man frägt sich unwillkürlich: Wie war es für den verbannten und gefangenen Propheten Bahá’u’lláh möglich, von Akka aus, diesen einzigartig schönen Platz für die sterblichen Überreste des Babi-Heiligen rechtzeitig zu erwerben?“
Antwort des Meisters: „Meine Gäste kennen wohl die ruhmreiche Geschichte der göttlichen Geduld und der sehnsüchtigen Todesfreudigkeit seiner Heiligkeit des Propheten Báb. Als die von Gott dem Herrn bestimmte Zeit anbrach, war Seine Heiligkeit bereit, die Schleier seines Namens (d. h. sein Sein, sein Leben) dahinzugeben und sich mit der ewigen, unwandelbaren Gottheit zu vereinigen. Das geschah in Täbriz, im Mai 1850 (europäisches Datum). Es gelang dem gesegneten Suleyman Khan, dem würdigen Jünger Seiner Heiligkeit, die sterblichen Überreste der göttlichen Manifestation und dessen Teilhaber an der Himmelfahrt, des unvergeßlichen Aka Muhammed Ali, von den Behörden zu erhalten. In weiße Seide gehüllt — nach Bahá’i-Brauch — wurden die heiligen Leiber der göttlichen Märtyrer in einen würdigen Sarg gelegt und durch treue Freunde nach Teheran gebracht — in nächtlichen Eilmärschen. An der Hamadanstraße, unweit des Städtchens Ribátkarin, wurde ein Weli (Schrein) errichtet. Diese Imam-zade (Mausoleum) war während achtzehn Jahren das heimliche Ziel vieler Babi-Pilgerfahrten. Die Gesegnete Vollkommenheit Bahá’u’lláh wurde im Jahre 1867 gewürdigt und beauftragt von Gott dem Herrn, sich, den Gläubigen und Ungläubigen, als der verheißene Madhi und Messias offen zu erklären. Damit erwuchs dem „Vorsteher der Zeit (ka’im al-zaman)“ die heilige Pflicht, die sterblichen Überreste des Erdenkleides seiner Heiligkeit des Báb in Seinen Besitz zu bringen. Nach der gesegneten Himmelfahrt der göttlichen Manifestation Bahá’u’lláhs führte ich als der bestimmte Kanal der weiteren Offenbarung das mir gegebene Gebot aus und kaufte am Karmelabhang über Haifa das nötige Land, um das bleibende Mausoleum, d. h. die bestimmte Imam-zade für den Vorläufer und Verkündiger Báb zu errichten.
Wie meine Gäste sehen, enthält das Mausoleum neben dem Hauptraum des heiligen Schreins zwei Nebenräume, die dem Andenken der ersten Einheit, nämlich Seiner Heiligkeit des Báb und seiner achtzehn Trabanten (Jünger) geweiht sind.
Wenn Gott der Herr mir Gnade schenkt, so werde ich von meinen deutschen Nachbarn noch mehr Land erwerben, so daß ich von der breiten, schönen Landstraße der deutschen Kolonie aus eine marmorene Freitreppe zu unserem Heiligtum hinaufbauen kann.“ — Pause.
Frage: „Meister, was hat der Prophet Báb selbst und die göttliche Manifestation Bahá’u’lláh über die Pflege von Heiligen-Gräbern und Wallfahrten dorthin bestimmt?“
Antwort: „Seine Heiligkeit der Báb hat im Bajan, Seinem heiligen Buche, verfügt:
‚Gebt die Heiligtümer der persischen und arabischen Länder auf (die schiitischen Grabmäler
der Perser und Mekka, Medina der Araber) und übertragt das, was sie an [Seite 31]
Wahrheit (Bedeutung) in sich tragen auf den Einzigen der Einheit des Punktes (Báb = erste
Einheit) und auf die achtzehn Buchstaben des Lebendigen (achtzehn Jünger der ersten
Einheit der Gottheit des Lebendigen). Wenn ihr Schutz suchet bei diesen Heiligtümern,
so müßt ihr von allen Verfolgern verschont bleiben (siehe das biblische Asylrecht!).
Verherrlicht und schmückt solche Heiligtümer, so gut ihr es vermögt. Kommt auch zu
meinem Hause (wohl Geburtshaus). Das ist das Haus, das Gott der Herr bestimmt hat. Siehe
mein Haus! Verkauft es nicht, noch was dazugehört; je mehr Euch die Macht im Lande
zuwächst, desto mehr schmückt es! Wahrlich, das heilige Haus ist das, worinnen ich,
durch den heiligen Geist, den „Man juz hiruhu’llah“ erzeugen werde, es wird alsdann
auch Sein Geburtshaus werden. Stoßet die Türe dieses Hauses auf, denn Eure Wallfahrt
hat den tieferen Zweck, euch mit dem bleibenden Herrn des Hauses bekannt zu
machen. Vermöge der innern Wissenschaft (der innern Sehergabe) vernehmet den innern
Sinn, die eigentliche Bedeutung dessen, was vom Unsichtbaren her im Sichtbaren in die
Erscheinung tritt.‘
Es ist auch so geworden, das Haus Seiner Heiligkeit des Báb in Schiraz in der Glasbläserstraße (kuche i schische garan) ist heute noch, nach neunzig Jahren (Báb geboren 9. Oktober 1820) wohl erhalten und wird viel von den Leuten des Bajan besucht (Babi).
Aber die Gesegnete Vollkommenheit Bahá’u’lláh hat, auf göttliche Inspiration hin, das Heiligtum der ersten Einheit des Báb nicht bei seiner Geburtsstätte, sondern über seiner Grabstätte, durch mich errichten lassen, denn die persische Obrigkeit, die doch auch in der Verbannung unsere Obrigkeit geblieben ist, hätte niemals — in jenen Jahren (1892) — ein öffentliches Heiligtum zum Zwecke der Wallfahrt und der Erbauung in der Rosenstadt Schiraz errichten lassen und geduldet. Auch heute noch läßt die persische Obrigkeit öffentliche Wallfahrten weder zum Geburtshaus der ersten Einheit (Báb) noch zur Geburtsstätte der Gesegneten Vollkommenheit Bahá’u’lláh in Teheran zu — solche Wallfahrten können die Gläubigen nur heimlich, einzeln und unter dem Schutze des Ketman (arabisch: takija) vollführen. Noch ist das Ketman für die Babi und Bahá’i gleichermaßen ein notwendiges Übel, wenigstens in Persien, dem Lande der aufgegangenen Sonne! (Ketman = Schweigepflicht = Verleugnung seines Glaubensbekenntnisses!)
Die Gesegnete Vollkommenheit Bahá’u’lláh hat in Seinem „Buch“ Kitab el aqdas Seine
Geburtsstadt Teheran gesegnet und verheißen, daß Seine Nachkommen im zweiten und
dritten Glied in Teheran die Errichtung einer persischen Volksvertretung erleben werden.
Es gibt und gab Gegner der Sache der Bahá’i-Lehre, welche auch hier einen Gegensatz
zwischen der Lehre der ersten Einheit, welche die Geburtsstätten der Propheten
zu Heiligtümern machen will und der Lehre des „Kaim al Zaman“ (Bahá’u’lláh),
welche die Grabstätten zu Wallfahrtsorten bestimmte, herausfinden wollen.
Das ist ein Irrtum und ein Unrecht. Das heilige Buch des Bajan vom Báb ist ein
Provisorium, welches die Gesegnete Vollkommenheit, Bahá’u’lláh, teils ergänzen
und teils ersetzen sollte, nach des Propheten Báb eigener Anweisung,
welcher schriftlich bestimmt hat, daß der „Man juz hiruhu’llah“ die acht ausstehenden
von den neunzehn Kapiteln des Bajan offenbaren soll und wird. Es sind immer
die Feinde der guten Sache, welche zwischen den göttlichen Manifestationen die
scheinbaren Widersprüche heraussuchen und daraus eine Spaltung, ein Schisma zwischen
den Jüngern hervorzurufen sich bemühen. Jede Erneuerung der Religion einer Zeitepoche
wird zur Religionsstiftung. Die neue Religion und Prophetie unserer Zeitspanne
hat im Báb, Seiner Heiligkeit, den Vorläufer, und in der Gesegneten Vollkommenheit
Bahá’u’lláh den Vollender gefunden. Als der auserwählte und ernannte Nachfolger
der Gesegneten Vollkommenheit Bahá’u’lláhs hat meine Wenigkeit den Beruf, die von
Ihm, dem „Ka’im al Zaman“ gestiftete Religion, d. h. die Bahá’i-Lehre auszubreiten
und zu befestigen. Das Tor der Offenbarung ist mit der Himmelfahrt der göttlichen
Manifestation Bahá’u’lláh noch nicht völlig geschlossen und der gottbestimmte
Nachfolger, meine Wenigkeit, darf hinfort ihr Kanal
[Seite 32]
sein. Das Licht, der helle Schein, den uns die Gesegnete Vollkommenheit Bahá’u’lláh
ausstrahlte, ist noch nicht erloschen in der Nacht der Verbergung, sondern nimmt noch
an Klarheit zu, bis der ganze Erdball die frohe Botschaft der Einheit, Brüderlichkeit
und des Weltfriedens sich angeeignet hat. Zeit und Stunde weiß nur Gott der Herr!“
— Pause.
Neue Frage: „Wird das internationale oder das lokale Haus der Gerechtigkeit einst die Verwaltung der Wallfahrtsorte, des Mausoleums des Báb und des Propheten Bahá’u’lláh übernehmen, wenn auch Deine Augen, o Meister, sich auf dieser Erde geschlossen haben werden?“
Meister: „Die Pflege der Grabstätten der Heiligen gilt im ganzen Orient, von Nordafrika (Pyramiden) bis nach Japan als eine heilige und allerschönste Pflicht bei allen Völkern, bei allen Religionen und in allen Zeitaltern. Es gibt daher ein allgemeines und ungeschriebenes Gesetz in ganz Asien, wonach der direkte männliche Nachkomme eines Propheten oder eines Heiligen oder eines Märtyrers das erste Anrecht hat auf das Wächteramt, auf die Pflege und Verwaltung einer solchen Grabstätte. Nach meiner Heimfahrt in das ‚Land der transzedenten Wirklichkeit‘ (Malekut Allah) käme vor allem mein ältester Enkel in Betracht als Wächter und Pfleger der heiligen Grabstätten. Es wäre denkbar, daß auch mein Halbbruder und Widersacher (Muham. Ali) solche Ansprüche erheben könnte. Darüber hat aber nicht ein letzter Wille zu entscheiden, sondern die jeweilige Landesbehörde, in diesem Falle die Türken oder, Gott weiß es allein, wer die Nachfolger der Türken eines Tages sein werden! Ich bin darüber ruhig und sicher, daß keine Landesbehörde über einen uralten, ehrwürdigen Gebrauch hinweg schreiten würde. Wahrlich, so lange es einen direkten oder indirekten männlichen Nachkommen der heiligen Vollkommenheit Bahá’u’lláhs geben wird, sind die zwei Grabstätten und einst noch die meinige — in den besten Händen!
Sollte aber Gott der Herr eines Tages die Gesegnete Linie unserer Nachkommen abbrechen lassen, so wird das internationale Haus der Gerechtigkeit zusammen mit dem lokalen einen geeigneten Hüter, Pfleger, Wächter und Verwalter für die drei Wallfahrtsstätten bestellen und die Rosen von Schiraz und die Lilien von Teheran werden für immer zum Andenken an den Vorläufer, Vollender und Ausbreiter der Bahá’i-Lehre blühen und duften, als lebendige Offenbarungen der Schönheit und Herrlichkeit Gottes. Allah o Abhá.“
Die Anwesenden sind entlassen.
Chinesische Kultur und die Bahá’i-Bewegung[Bearbeiten]
(Schluß)
Von Martha L. Root
Aus dem Englischen übersetzt von der Bahá’i-Arbeitsgemeinschaft in Schwerin (Mecklenburg)
„Eine Analyse der chinesischen Kultur zeigt, daß die Philosophen des Reichs des Ostens,
wenn sie in Unruhe sind, tief ihre Seelen ‚aufwühlen‘. Diese Bahá’i-Bewegung ist ein
neuer Weg zum ‚Aufwühlen‘, und die Lehren verschaffen denen Hilfe, die suchen. China
und in der Tat die ganze Welt verlangen nach Licht. Daher haben die Menschen solch
ein Interesse an diesen Bahá’i-Prinzipien und den Büchern, die diese klarlegen. Hier
ist eine Notwendigkeit, hier ist eine Möglichkeit, hier ist eine Erfüllung. Dies ist eine
neue Botschaft von großem Wert. Sie macht frei und belebt. Sie macht die Religion
dynamisch, um die Weltprobleme zu lösen. Für alle diese Dinge besteht eine Notwendigkeit,
und die tief denkenden Menschen Chinas erkennen alle dies große Bedürfnis, denn
wir können zu den alten, stereotypen, halb abgestorbenen Glaubensbekenntnissen nicht
mehr zurückkehren. Diese Bahá’i-Botschaft bringt neue Ideen; die Welt kann sich gegen
dieselbe nicht auflehnen. Die älteren Religionen mögen dagegen kämpfen bis sie sich
tot laufen. Sie können nie zu dem Ziel gelangen, diese Lehre anzunehmen. Die Welt
[Seite 33]
mag tiefer und tiefer herabsinken, bis sie ganz am Boden liegt und dann wird sie wieder
hoch kommen. Die chinesische Geschichte zeigt das gleiche Geschehen. Nach einer
Reihe von Jahren des Leidens erscheint ein Herrscher oder Lehrer und dann gibt es
einen Jahrhunderte langen Aufstieg. Dann kommt ein Rückfall, aber in diesen modernen
Zeiten kann China eine Reformation nicht hervorbringen. Konfuzius selbst lehrte,
daß ungefähr alle fünfhundert Jahre ein großer Lehrer oder Reformator kommen
werde.
Die Bahá’i-Lehre aber bringt Universalität und sorgt für die Lösungen der Erziehungs-, der Wirtschafts- und sozialen Frage für diese neue Epoche. Nicht allein China, sondern die ganze Welt braucht diese Lehren. China braucht sie besonders, weil seine Führer nach dem Lichte suchen!“
„Wie wird das chinesische Volk diese Lehren aufnehmen? So frage ich mich zuweilen selbst“, fuhr er fort. „Unter den östlichen Völkern gibt es einige, die die Religion viel ernster nehmen als der Westen oder China es tut. Die Menschen des nahen Osten und viele in Zentralasien machen ihr ganzes Leben lang ‚Religion‘. Sie sind auf ihre ‚Religion‘ verpicht. Meine Frage ist: Wird das chinesische Volk diese Bahá’i-Bewegung so eifrig aufnehmen, wie die Völker des nahen Osten? Gemäß der Geschichte der Vergangenheit haben die Chinesen die Religion selten besonders eifrig aufgenommen, bis sie durch die Regierung oder durch einen Herrscher dazu gedrängt wurden. Wenn man den modernen Geist der heutigen Machthaber in China beurteilt, so haben sie so viele und modernen westlichen Gedanken aufgenommen, daß die gegenwärtige Regierung und ihre Führer bis jetzt nicht auf eine religiöse Bewegung geachtet haben, um zur Lösung der Angelegenheiten Chinas beizutragen. Sie haben keine so schnelle Verbesserung in der Führung der Staatsangelegenheiten herbeizuführen vermocht, wie sie gehofft hatten, und so dürften die ernsteren Denker und Führer, die bemüht sind, tiefer in der menschlichen Seele zu lesen und die nach einem führenden Geist von oben Ausschau halten, den Wert dieser neuen Botschaft Bahá’u’lláhs schätzen und verstehen; um so mehr, als diese neue Bewegung nicht nur die Bedürfnisse der gegenwärtigen Zeit erfüllt, sondern geistige Ideen für die Zukunft der Menschheit bringt. Für seine Fortentwicklung mag das chinesische Volk hierin ein Licht erblicken.“
Dr. Tsao hat seine freundliche Mithilfe zugesagt bei der Herausgabe der chinesischen Übersetzung von „Bahá’u’lláh und das Neue Zeitalter“ — ein Buch für den Westen, geschrieben von Dr. J. E. Esslemont, das die Geschichte und die Lehre der Bahá’i-Bewegung enthält.
„Es ist eine bekannte Tatsache, die sich wie ein roter Faden durch die lange Geschichte Chinas hinzieht“, sagte Mr. Yeh Kung-Cho, ehemaliger Minister der Verwaltungen, „daß das allgemeine Ideal Chinas der Weltfrieden ist. Viele Literatur, die den Krieg verurteilt, ist von Chinas Denkern geschrieben worden. Es unterhält keine schlimmen Aufreizungen gegen irgendein anderes Reich, und so wird es, wenn sein Haus in Ordnung gebracht ist, zur Mitarbeit in der Welt mit materiellen und humanen Mitteln, zufolge seines früheren, überlieferten Geistes und seiner heutigen Moral bereitstehen.“
Dr. C. T. Wang, den Minister der auswärtigen Angelegenheiten, suchte ich in
seinem Amtsgebäude in der Hauptstadt Nanking auf, und als ich ihn über Chinas
Absicht hinsichtlich des Weltfriedens befragte, antwortete er: „Wir sind nie eine
angreifende Macht gewesen, dies ist seit viertausend Jahren eine geschichtliche Tatsache.
Wir sind für kulturelle und friedliche Entwickelung eingetreten. Die mongolische Rasse
kämpfte, aber nicht die chinesische. Wenn wir etwas Gutes haben, lassen wir die Welt,
wenn sie es wünscht, daran teilhaben, aber wir haben unsere Sitten und Gesetze anderen
Völkern nie aufgezwungen. Wir eroberten nie Japan und hatten auch nie die
Absicht hierzu, aber die Japaner nahmen unsere Schrift, Sprache und Kultur an.“ Als
ich zum Vergleich von der französischen Revolution sprach, daß diese in jenem Lande,
so klein wie es ist, ausbrach, während Chinas viele Millionen einhundert Jahre in Ruhe
verblieben, sagte er: „Die Zeiten sind jetzt andere. Es wird für China keine hundert
[Seite 34]
Jahre währen, um in seinen Gebieten die Ruhe wiederherzustellen.“
Dr. Paul Linebarger, gesetzlicher Berater der Nationalregierung Chinas, besuchte mich in meinem Hotel in Nanking. Er sagte, daß er achtzehn Jahre lang mit dem verstorbenen Dr. Sun Yat-sen zusammengearbeitet hätte, und daß das große Ziel des letzteren der universale Friede wäre. Dr. Linebarger, der in der Woche, während welcher ich in Nanking war, von der Nationalen Zentral-Universität den Grad eines Doktors der Rechte erhalten hatte, eine Auszeichnung, die nur noch einem anderen Gelehrten, entweder einem Chinesen oder Ausländer, von dieser jungen Universität verliehen worden ist, sagte zu mir: „Die Bahá’i sind in China höchst willkommen. Wir sehen es sehr gerne, daß Sie die Bahá’i-Lehren hier einführen.“ Der Minister für Erziehungswesen, Dr. Molin Chiang, der im Jahre 1912 an der Universität Kaliforniens studierte und den philosophischen Doktorgrad an der Columbia-Universität erwarb, hat sich immer im Erziehungswesen hervorgetan. Er sagte, daß es seit der Revolution im Jahre 1911 verschiedene Male zwei Regierungen gegeben habe, aber das Erziehungswesen nie vernachlässigt worden sei. Während dieser ganzen Zeit konnten Vorschriften über das Erziehungswesen nach jeder Provinz gesandt werden. Ich fragte Dr. Chiang über den Religionsunterricht in den Schulen, da gegenwärtig eine große Uneinigkeit unter den ausländischen Missionaren besteht. Er antwortete: „So weit es sich um die öffentlichen Schulen handelt, gibt es in diesen Schulen keinen Religionsunterricht. Es ist dasselbe wie in Amerika. Wir gehen einen Schritt weiter und schließen die privaten Schulen mit ein, ganz abgesehen davon, von wem sie gegründet sind, sei es durch private Persönlichkeiten, Gesellschaften oder Missionsunternehmungen. In den Vorschulen, die der Mittelschule vorangehen, soll kein religiöser Unterricht gegeben werden. Jedoch über die Mittelschule hinaus, und dies bedeutet: in den Normalschulen, Hochschulen und Universitäten, wo die Studenten alt genug sind, um selbst zu denken, ist der Religionsunterricht freigestellt. Die Lehrer können sich gewaltsam keine Zuhörerschaft verschaffen. Die Missionare sind zu drastisch, aber unser Programm ist viel gemäßigter als in manchen anderen Ländern.“
Ich gab Dr. Chiang Bücher über die Bahá’i-Prinzipien, und wir sprachen über Bahá’u’lláhs
Lehren und darüber, wie die neue universale Erziehung sein sollte. Alle großen
Pädagogen sind an diesen Lehren interessiert, was beweist, sagt Dr. Tsao, daß die
Lehren von Bahá’u’lláh eine neue Lösung für das Erziehungswesen und die wirtschaftliche
und soziale Wohlfahrt der Menschheit darstellen. Diese Lösungen sind in früheren
Religionen nicht zum Ausdruck gebracht worden. Die großen Universitäten Chinas
werden ebenso wie die westlichen Universitäten die Vorlesungen über diese
Prinzipien zulassen. Die internationalen Klubs sorgten für mehrere Vorträge. Die
Schreiberin dieses sprach am 6. Oktober zu tausend jungen Männern in der Nationalen
Zentral-Universität in Nanking über „Internationale Erziehung für das Neue Zeitalter“, eine
Vorlesung, die sich auf Bahá’u’lláhs Plan für die neue universale Erziehung begründete.
Der Kanzler sagte in seinem Brief: „Sie sind herzlich eingeladen, uns einen Vortrag
zu halten.“ Nach der Vorlesung in der Hongkonger Universität, die gut besucht war und
eine begeisterte Aufnahme fand, trat ein hübsches Mädchen von neunzehn Jahren an
mich heran und fragte, was sie tun könnte, um diese Bahá’i-Sache in Singapore, ihrer
Heimatstadt, zu fördern. Man sagte mir, daß sie eines der begabtesten Mädchen an der
Universität ist, und daß sie alles, was sie in ihrem Leben unternimmt, infolge ihrer
außergewöhnlichen Veranlagung zustande bringt. Es besteht in China durchaus kein
Vorurteil. Die Chinesen sind bereit, die Wahrheit zu erforschen. Der Direktor des
Broadcasting in Kanton sagte, daß sich die Chinesen für diese universalen Prinzipien
sehr interessieren würden. Drei Vorlesungen wurden durch Radio gehalten, und die
„Canton Municipal Daily News“ brachten in ihrer Ausgabe vom 23. September 1930 zwei
volle Seiten über die Lehre mit einer Photographie 'Abdu'l-Bahás im besonderen
Beilageteil. Auf diesen beiden Seiten waren 1. ein Bericht über den Besuch in Kanton,
2. ein Werbevortrag über die „Neue universale
[Seite 35]
Erziehung, 3. „Esperanto als eine universale Hilfssprache“ und 4. der Werbevortrag:
„Was ist die Bahá’i-Bewegung?
Der Werbevortrag in Hongkong wurde am folgenden Morgen von sechs Zeitungen ganz gebracht.
Der Westen könnte anderseits mit Nutzen die grundlegliche Basis der chinesischen Kultur prüfen und sich selbst fragen, ob die großen Zivilisationen Chinas nicht Elemente enthalten, die zu einer internationalen Zusammenarbeit beitragen können. China hat das Steigen und Fallen vieler Dynastien gesehen, China hat seine Entdecker und Erfinder, Männer der schönen Künste, Philosophen, Dichter und Gelehrte hervorgebracht, während wir im Abendlande noch Wilde auf den Ebenen waren. Und das Bedeutendste von allem: China hat den großen Weisen und Propheten Konfuzius, geboren im Jahre 551 v. Chr., der die Zentrallehre verkündete: in Gedanken aufrichtig zu sein sowie das Herz zu veredeln, die Persönlichkeiten auszubilden, den Staat gut zu ordnen und die Welt in Ruhe zu halten. Er lehrte auch, daß alle Menschen in den vier Himmelsrichtungen Brüder sind.
Über die Schule der Physiokratie sagt ein Schriftsteller: „Die ganze Lehre von Konfuzius zielte darauf hin, der menschlichen Natur jenen ersten Strahl, jene erste Schönheit, die sie vom Himmel empfangen hat und die durch Unwissenheit und Leidenschaft verdunkelt worden ist, wiederzubringen. Er ermahnte daher seine Landsleute, dem Herrn des Himmels zu gehorchen, Ihn zu ehren und zu fürchten, ihre Nachbarn wie sich selbst zu lieben, ihre allzumenschlichen Veranlagungen zu überwinden, die Leidenschaft nie zum Maßstab der Handlung zu machen, sondern dieselbe vielmehr der Vernunft zu unterwerfen und nicht irgend etwas gegen die Vernunft zu tun, zu denken oder zu sagen.“
Der wesentliche Teil bleibt noch zu tun, um dadurch das Aussehen der Erde zu verändern. Dies war die Aufgabe von Konfuzius, die Menschen zu dem ursprünglichen, göttlichen Zustande der Natur zurückzubringen. Was sich für China mit dem Abfall von der Lehre von Konfuzius ereignet hat, ist ähnlich über den Westen gekommen, dadurch, daß er vernachlässigt hat, die Lehren Jesu Christi zu leben. Diese großen Propheten und Manifestationen — zu denen Bahá’u’lláh zählt — kommen in großen Zeitabschnitten auf diese Erde, um „die Religion zu erneuern“. Ihre Lehren haben die große, schöpferische Macht, die Herzen der Menschen zu verändern und sie aufwärts zu führen.
Als mir diese Gedanken um sechs Uhr morgens durch den Kopf gingen, sah ich gleichsam als Symbol, was die Bahá’i-Lehre für China sein kann. Von dem hohen Fenster sah ich die dunklen Wolken über China, über den See und über den Yangtse Fluß hinziehen. Es sieht aus, als ob ein Tag der „Nacht“ und der Niedergeschlagenheit anbrechen würde, aber etwas ereignet sich hinter dieser flutenden Finsternis: ein mächtiger Lichtkreis hebt sich hinter den zusammengeballten Wolken und langsam aber stetig ziehen diese weg oder zerfließen wie durch Zauber in lichte Schönheit. Die herrliche Sonne geht in strahlendem Glanze auf! Was kann den Strahlen von solch einem Licht widerstehen! Alle Dunkelheit schwindet, und es wird nicht mehr an sie gedacht werden, So erscheint Bahá’u’lláh diesen Denkern Chinas, die am frühen Morgen auf eine neue Epoche warten, die nun mit den ersten Strahlen der Sonne der Wahrheit anbricht!
(Aus „The Bahá’e Weekly“ vom 29. Januar 1931, Seite 5 bis 7.)
Begegnung[Bearbeiten]
Von Paul Häcker, Stuttgart
Der Tod und das Leben gehen leise und heimlich um. In dunkler, sternenloser Nacht
bin ich meinem Bruder, dem Tod, begegnet. Er trat an mein Lager. Er legte seine
eiskalte Hand auf meine Stirne. Er wollte mir zeigen, daß man dem Tod ruhig begegnen
[Seite 36]
kann ohne zu erschrecken. Sein Kommen war wie die Umwandlung und Neugestaltung
eines sich nach innen vertiefenden Lebens. Und wie von selber führte er die
Seele in ein Reich, in das nur der zu schauen vermag, der dem Tod in seiner
umwandelnden Art begegnet ist.
Und seine Begegnung lehrt: Das Leben lieben und gestalten, bis zu dem Moment, wo die Geburt zu einem neuen Dasein reif geworden ist im großen allgütigen Mutterschoß des Lebens, der nur die Um- und Neugestaltung des grenzenlosen Alls in seinen Urkeimen verborgen hält zur Geburt in ein verwandeltes Sein.
Vor dem Tod kennt der Mensch nur ein entsetztes Grauen. Niemand vermag sich mit ihm zu befreunden. Und doch ist jeder Tag gewissermaßen ein ununterbrochenes „Stirb und Werde“, ein Kreislauf in dem: Allem abzusterben was in das kleinliche menschliche Ich hineingreift mit selbstsüchtigen Gedanken. Und wenn im Innern des Menschen der Kreislauf von Kommen und Gehen sich ausgeglichen hat in der Polarisierung des gesamten Menschendasein, dann haben sich der Tod und das Leben miteinander verschwistert in einem unzertrennlichen Gedanken: Daß alles eins ist — und Tod und Leben ineinandergreifen wie die Räder einer Uhr um die Zeit des Lebens abzumessen im weltüberwindendem Sinne, der zur Neugestaltung und Umwandlung Weg und Ziel ins grenzenlose zeigt und andeutet.
So ist mir der Tod mitten im Leben begegnet und in meine Einsamkeit hereingewachsen. Auch mir fehlte der Sinn für das ganze umgestaltende Leben. Er aber deutete des Lebens wechselvolles Spiel. Tod ist nicht aufhören, sondern Fort- und Neugestalten des endelosen Lebensgedankens in ein Sein, das niemand deuten und zeigen kann, das aber tief im Menschen durch sein ganzes Leben hindurchzieht als leise Sehnsucht nach den Sternen, die so unerreichbar durch die Weiten des grenzenlosen Alls gleiten zu immer neuem Werden und Vergehen. Aber in dieser Sehnsucht keimt ein Wissen und Ahnen, daß des Lebens wechselvolles Spiel sich im Tode umdeutet zur Geburt eines neuen Kreislaufs, den aber niemand ermessen und ausdenken kann, denn er liegt hinter dem Fassungsvermögen des menschlichen Geistes, und was sich hier im Verborgenen abspielt, kann nur hineindeuten in ein immerwährendes Werden, das nie und nimmer zu Ende kommen wird und der Tod nichts anders ist als ein neues Gleiten in neues verwandeltes Sein.
Und wie oft wir diesen Kreislauf schon durchschritten haben, vermag niemand in feste, gestaltende Formen zu bringen, denn hinter dem Ganzen liegt das tiefe Geheimnis allen Werdens, das niemand sagen und deuten kann, weil sich alles in stiller Verborgenheit abspielt, wie sich jeder Gedanke dem andern unbewußt in der Stille geheimnisvolle Kreise um das andere und sich selber spinnt, so daß dem Mensch oft selber ein Staunen und Wundern überkommt, das ihn letzten Endes etwas von dem ahnen läßt, was sich immer in der Stille vollziehen und entwickeln muß.
So reiht sich im Leben Geheimnis an Geheimnis an. Und wer einmal dem Tod begegnet ist in seiner umgestaltenden Form, der sieht das Leben wachsen und werden aus einem Keim in den andern, und sich aus Blüten zur Frucht entfalten, die hinübergreift in ein ewiges Kommen und Gehen in den Sinn der Ewigkeit und Unvergänglichkeit hinein.
Tod und Leben ist eines im andern. Was heute stirbt ist morgen schon im Werden einer neuen Entwicklung, die vielleicht dem Leben an sich, das im großen Weltganzen unermüdlich waltet und ist, den Pfad in das endliche Sein zeigt und bahnt zur Auslösung der Sehnsucht und zur Gestaltung des ahnenden Lebensspieles in das bewußte Tun am Weltganzen, um mitzuschwingen in freier Entfaltung des Geistes und der Seele in das bewußt göttliche hinein, das überall tätig und wirksam ist.
In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an das Bahá’i-Bureau Stuttgart, Alexanderstr. 3, Nebengebäude, zu richten.
Geschichte und Bedeutung der Bahá’i-Lehre[Bearbeiten]
Die Bahá’i-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.
Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahá’i-Bewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahá’i-Religion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahá’i (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahá’i der Welt.
Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahá’i, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China usw. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.
In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).
Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Iqhan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.
Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.
Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, Seite 66.)
Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart
Fernsprecher Nr. 26168 / Postscheckkonto 25419 Stuttgart / Alexanderstr. 3, Nebengebäude
In unserem Verlag sind erschienen:
Bücher:
Verborgene Worte von Bahá’u’lláh. Worte der Weisheit und Gebete . . . 1.--
Bahá’u’lláh, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. In Halbleinen gebunden . . . . . 2.50
in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.--
'Abdu'l-Bahá Abbas, Ansprachen in Paris über die Bahá’i-Lehre . . . . . . 3.--
Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, von Mirza Abul Fazl. . . . . 3.50
'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.--
Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase. Kartoniert M. 4.--, in Halbleinen gebunden . . . . 4.60
Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.50
Beantwortete Fragen 'Abdu'l-Bahá Abbas', gesammelt von L. Clifford Barney . . . . 5.--
Broschüren:
Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit. Von Dr. jur. H. Dreyfus . . . -.50
Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás, ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") . . . -.50
Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey . . . . —.50
Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahá’i-Lehre von Dr. Hermann Grossmann, Weinheim (Bergstrasse) . . . . —.20
Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Grossmann, Weinheim (Bergstrasse) . . . . —.20
Sonne der Wahrheit, Jahrgang 3 - 9 in Halbleinen gebunden je . . . . 9.--
Der Versand erfolgt gegen Nachnahme oder gegen Voreinsendung des Betrages.