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SONNE DER WAHRHEIT | ||
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI | ||
HEFT 8 | IX. JAHRGANG | OKTOBER 1929 |
Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i - Prinzipien.
1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.
Baha’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Baha’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Baha’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.
2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.
In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.
3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.
Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.
4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.
Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.
5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.
Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.
6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.
Dies ist eine besondere Lehre Baha’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.
7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.
Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.
8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.
Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.
9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.
Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.
10. Die soziale Frage muss gelöst werden.
Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Baha’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.
11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.
Baha’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weitsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.
12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.
Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.
Vor mehr als 50 Jahren befahl Baha’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.
Baha’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.
SONNE DER WAHRHEIT Organ der deutschen Bahá’i Herausgegeben vom Verlag des deutschen Bahá’i-Bundes, Stuttgart Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz - Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3 Preis vierteljährlich 1,80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark. |
Heft 8 | Stuttgart, im Oktober 1929 ’Ilm — (Erkenntnis) |
9. Jahrgang. |
Inhalt: ’Abdu’l-Bahá’s Antworten auf verschiedene an Ihn gestellte Fragen. — Die geheimnisvollen Mächte der Kultur. — Das Lesen in den Händen 'Abdu'l-Bahá’s; — Aus 'Abdu'l-Bahá und das verheißene Zeitalter, von Ruth White. — Güte. — Neu-Persien und die Bahá-i. — Mitteilungen aus der Bahá'i-Welt.
Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion.
Worte von 'Abdu'l-Bahá.
Die Tore des Königreichs sind geöffnet, aber es ist Bereitwilligkeit vonnöten, um
einzutreten.
Der Ozean der Vorsehung wogt, wir aber müssen des Schwimmens kundig sein.
Die Schenkungen Gottes kommen vom Himmel der Gnade hernieder, aber Fähigkeit ist erforderlich, sie aufzunehmen.
Der Quell der Vorsehung sprudelt hervor, aber wir müssen darnach dürsten.
Wenn kein Durst vorhanden ist, wird selbst das heilsame Wasser nichts nützen.
Wenn eine Seele nicht hungert, so wird sie nach der köstlichen Speise von Gott nicht verlangen.
Wenn die Augen nicht geöffnet sind, so wird das Licht der Sonne nicht gesehen werden.
Wenn das Riechorgan nicht rein ist, können die Düfte des Rosengartens nicht wahrgenommen werden.
Wenn das Herz sich nicht sehnt, wird ihm die Gnade des Herrn nicht offenbar werden.
Deshalb müssen wir uns Tag und Nacht bemühen, unser Herz von den Schlacken frei zu machen, die Seele von jeder Fessel zu lösen, und frei zu werden von der Zwietracht der Menschheit. Dann werden die göttlichen Schenkungen in ihrer Fülle und Herrlichkeit sichtbar werden. Wenn wir nicht darnach streben, frei zu werden von den Mängeln übler Eigenschaften der menschlichen Natur, so werden wir an den Gnadengaben Gottes nicht teilhaben.
'Abdu'l-Bahás Antworten auf verschiedene an Ihn gestellte Fragen.
Aus dem Englischen übersetzt von W. Herrigel.
1. Aus Notizen von Aline Shane-Devin im Oktober 1907 in Akka.
Frage: Ist es recht, sich im Gebet an die Manifestation Gottes zu wenden?
Antwort: Es ist für den menschlichen Geist ebenso schwierig, das Wesen Gottes zu begreifen, wie es für die Uhr schwierig oder unmöglich ist, ihren Hersteller zu verstehen; aber durch die Manifestation Gottes wird es leichter, Seinen Geist zu erfassen, und Ihm näher zu kommen. Andernfalls müssen wir uns selbst eine geistige Vorstellung von Gott bilden, und diese kann möglicherweise eine falsche sein. Die einzige Probe, aus der wir ersehen können, ob diese Vorstellung eine wahre ist, liegt in dem Einfluß, den sie auf unser Leben hat. Macht sie uns gütig und liebevoll in unseren Beziehungen zu unseren Nebenmenschen, dann wissen wir, daß sie eine wahre ist. Mit andern Worten, diese Vorstellung von Gott muß in unserem Herzen eine Liebe zu Gott erzeugen, die sich in der Liebe für die Menschen auswirken soll.
Auf die Frage, ob es recht sei zu Ihm zu beten, schüttelte Er Sein Haupt energisch, machte eine verneinende Bewegung mit der Hand und erwiderte mit Nachdruck: "Nein! nicht zu mir, sondern zu der Herrlichkeit Gottes (Bahá’u’lláh), dessen Licht ich widerspiegele.“
Frage: Ist jede neugeborene Seele eine neue Schöpfung?
Antwort: Ja, jede Seele hat einen Anfang, aber einmal erschaffen, ist sie unsterblich.
Frage: Was ist der Unterschied zwischen Seele und Geist?
Antwort: Der Geist geht aus der Verbindung zwischen Körper und Seele hervor. Der Geist wird unsterblich, er trennt sich nicht von der Seele und bildet nach dem Tod des Körpers eine Art Aetherleib für die Seele. Es gibt einen menschlichen und einen göttlichen Geist; der letztere wird erlangt durch den Glauben an Gott und durch die Erkenntnis Gottes. Der menschliche Geist ist dem Körper überlegen und ringt mit diesem um die Oberherrschaft über die Seele. Wenn er Erfolg hat, wird die Seele himmlisch, erlangt aber der Körper die Herrschaft über die Seele, dann wird diese erniedrigt.
Frage: Welche Strafe erwartet diejenigen, die sich weigern, die Erkenntnis und das Licht Gottes anzunehmen?
Antwort: Ihre Bestrafung wird darin bestehen, daß sie der Erkenntnis Gottes, des Herrn beraubt sind.
Frage: Wird dieser Zustand ewig währen?
Antwort: Nein, denn Gottes Barmherzigkeit ist ohne Ende.
Frage: Wie können Menschen, die Gott nicht kennen, diese Unkenntnis als Bestrafung empfinden?
Antwort: Kein Mensch kann glücklich sein ohne Gott, obwohl er nicht zu erkennen vermag, warum er sich elend fühlt.
Frage: Entfernen sich die Verstorbenen gänzlich von dieser Erde und verlieren sie jegliche Erinnerung an diese und ebenso alles Interesse an den Hinterbliebenen und den Angelegenheiten dieser Welt?
Antwort: Nein, die Verstorbenen behalten sowohl die Erinnerung an diese Welt, als auch das Interesse an denen, die sie lieben.
Frage: Verkehren die abgeschiedenen Seelen mit den Lebenden?
Antwort: Ja, aber nicht durch Medien, noch in materieller Weise, sondern auf geistige Art.
Frage: Lehrt die Bahá’i-Offenbarung die Reïnkarnation?
Antwort: Nein, eine Seele, die einmal befreit ist von ihrem Körper, nimmt in dieser Welt niemals mehr physische Gestalt an.
2. Erklärung 'Abdu'l-Bahás bei einer anderen Gelegenheit des folgenden
13. Verses der „Verborgenen Worte“ aus dem arabischen Text.
„O Sohn des Geistes! Ich erschuf dich reich, warum machst du dich selbst arm?
Edel erschuf Ich dich, warum erniedrigst du dich selbst? Aus dem Wesen des
Wissens ließ Ich dich hervorgehen, warum suchst du einen andern als Mich? Aus
dem Ton der Liebe habe Ich dich
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geformt, warum trachtest du nach einem andern außer Mir? Blicke in dich, damit
du Mich in dir wohnend findest, kraftvoll, mächtig und selbstexistierend !“
Es gibt zwei Arten von Innewohnen. Die eine Art gleicht dem Wasser, das sich in einem irdenen Gefäß befindet. Auf obigen Vers angewandt ist dies eine falsche Annahme, weil beide, das Wasser und das Gefäß stofflich sind; das Wesen Gottes ist aber weder körperlich noch stofflich wie das Wasser. Es gibt aber eine andere Lehre, die richtig ist, und diese ist die Widerstrahlung der Sonne in einem klaren Spiegel. Die Bedeutung dieses Verses ist daher: Reinige dein Herz, daß es wird wie ein klarer Spiegel, dann wirst du Mich in dir wohnend finden, kraftvoll, mächtig und erhaben.
3. Besuch 'Abdu'l-Bahás bei Mr. Charles Tinsley (einem Farbigen) am 10.Oktober
1912 in San Francisco
'Abdu'l-Bahá: Wie geht es dir? Ich bin sehr erfreut, dich begrüßen zu können.
Mr. Tinsley: Ich bin wohl, bis auf mein gebrochenes Bein, das mich eine lange Zeit ans Bett fesselte. Jetzt bin ich ungeduldig, auf zu sein und doch nichts für die Sache tun zu können.
'Abdu'l-Bahá: Du mußt nicht traurig sein. Dieser Unglücksfall wird dich geistig stärker machen. Sei nicht betrübt! Hab’ frischen Mut! Gelobt sei Gott! Du bist mir sehr lieb. Ich will dir eine Geschichte erzählen:
Ein weiser Regent wollte einen seiner Untertanen für ein hohes Amt bestimmen. Um ihn hierfür zu erziehen, brachte er ihn ins Gefängnis und veranlaßte, daß er viel zu leiden hatte. Dieser Mann war sehr erstaunt über diese Behandlung, denn er hatte erwartet, sehr begünstigt zu werden. Der Regent ließ ihn aus dem Gefängnis holen und befahl, ihm Stockstreiche zu geben. Dies versetzte den Mann in noch größeres Erstaunen, denn er glaubte, der Regent liebe ihn. Hernach ließ ihn der Regent an den Galgen hängen, bis er beinahe tot war.
Nachdem sich der Mann wieder erholt hatte, fragte er den Regenten: „Wenn du mich lieb hast, warum hast du mir dies alles angetan?" Der Regent erwiderte: „Ich möchte dich zum Premier-Minister machen. Nachdem du dies alles erlitten hast, bist du viel tauglicher für dieses Amt. Ich wollte nur, daß du dies alles an dir selbst erfährst. Wenn du strafen mußt, dann weißt du jetzt wie es tut, solches über sich ergehen lassen zu müssen. Ich liebe dich, deshalb wünsche ich, daß du vollkommen wirst.“
'Abdu'l-Bahá wandte Sich an Mr. Tinsley und sagte: „Das Gleiche ist bei dir der Fall. Nach dieser Heimsuchung wirst du die Reife erlangen. Gott legt uns zuweilen viele Leiden auf und sorgt dafür, daß mancherlei Mißgeschicke über uns kommen, damit wir in Seiner Sache stark werden mögen. Du wirst bald wieder hergestellt sein und hernach stärker werden, denn je zuvor. Du wirst für Gott arbeiten und die Botschaft unter vielen deiner Mitmenschen dieses Landes verbreiten.
Die geheimnisvollen Mächte der Kultur.
In persischer Sprache von einem hervorragenden Bahá’i-Philosophen geschrieben und von Johanna Dawoud ins Englische übersetzt, deutsch von A. Schwarz. (Fortsetzung von Heft 6, August-Ausgabe.)
Was denkt ihr nun? Führt diese äußerliche Kultur ohne wahre innere Kultur zu
allgemeinem Frieden und zur Wohlfahrt, und ist sie imstande, der göttlichen
Bestätigung und Billigung gerecht zu werden? Oder führt sie zu Zerrüttung der höchsten
Prinzipien der Menschheit und zur Zerstörung der Grundlage des Glücks und des
Wohlergehens?
Im Jahre 1870—71 christlicher Zeitrechnung, während der Krieg zwischen Deutschland
und Frankreich wütete, sind bekanntlich annähernd 600 000 Menschen getötet
und verwundet worden. Wie viele Familien wurden gänzlich ruiniert. Wie viele Städte,
die am Abend noch in schönster Blüte und Entfaltung standen, waren am andern Morgen
dem Erdboden gleichgemacht! Wie viele kleine Kinder wurden zu Waisen und wie
viele andere verloren ihre Pflege-Eltern und Beschützer! Wie viele betagten Väter
und Mütter mußten es erleben, daß ihre männlichen Nachkommen sterbend im Staub
in ihrem Blut lagen. Wie viele Frauen
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verwitweten, und standen, ihres Gatten beraubt, ohne Hilfe allein in der Welt!
Wer erinnert sich z. B. nicht der Brände, die viele große und prachtvolle Gebäude auf Frankreichs Boden in Asche legten, der Zerstörung von Bibliotheken und der Feuersbrunst in militärischen Lazaretten mit all den Kranken und unschuldigen Insaßen? Und weiter der schrecklichen Begebnisse, die sich während der „Commune‘“ in Paris zutrugen und des schrecklichen Schicksals, das über viele kam, die sich dieser entgegensetzten? Wer erinnert sich nicht des jahrelangen Streits und der Feindseligkeiten zwischen dem Haupte der Römisch-Katholischen Kirche und der deutschen Regierung unter Bismarck? Und der Zerstörung der Städte und Häuser während des Blutvergießens im Carlisten-Krieg in Spanien?
Es gibt, kurz gesagt, nur zu viele Katastrophen dieser Art, die angeführt werden könnten, um den Mangel bei den Völkern Europas in Bezug auf moralische Kultur zu beweisen.
Der Verfasser hat nicht den Wunsch, Betrachtungen anzustellen, und auf nähere Einzelheiten einzugehen, doch es ist ohne weiteres klar, daß kein denkender, einsichtsvoller Mensch einen Zustand der Dinge, in dem Besagtes vorkommt, billigen kann. Wie konnte es diesen Völkern und Nationen möglich sein, unter diesen so schrecklichen Begebenheiten, völlig entgegen allen friedlichen und humanen Ideen, sich eine vollkommene und wahre Kultur anzumaßen, insbesondere da als einziges Resultat einer solchen Inhumanität nur eine Eroberung und eine zeitbegrenzte Herrschaft herauskommt, dieses Ziel und seine Folgen nicht dauernd und anhaltend, und daher des Studiums und der Erörterung geistvoller Männer nicht würdig ist?
In vergangenen Zeiten eroberte Deutschland Landesteile von Frankreich, und wiederum errichtete Frankreich seine Herrschaft über gewisse Landesteile Deutschlands.
Ist es gerecht, daß jene 600 000 armen Menschen, Geschöpfe Gottes, zeitlichen Erfolgs und äußerlichen Interessen wegen geopfert wurden? Im Namen Gottes, nein! Selbst ein Kind kann.das Unrecht und die Ungerechtigkeit begreifen, die solche Maßnahmen zeitigen.
Wenn aber das Herz, beeinflußt von irdischen Wünschen, Tausende von Schleiern über das Auge wirft, so werden die Augen und das Urteilsvermögen erblinden. Dann tritt Haß ein, der Verstand wird verdunkelt, und hundert Schleier, vom Herzen kommend, verhüllen den Blick. Ja, die wahre Kultur wird ihr Banner inmitten der Welt entfalten, wenn edle Regenten mit hohem Ehrgeiz, die hellen Sonnen der Welt, mit humanistischer Begeisterung für das Wohl und das Glück der Menschheit mit festentschlossenem Herzen und kühnem Mut vorangehen und eine Konferenz über die Frage des universalen Friedens in die Wege leiten.*) Wenn daran festgehalten wird und die Mittel der Bekräftigung der Ansicht gefunden sind, so sollen sie eine Union der Staaten aller Welt schaffen und einen endgültigen Handelsvertrag schließen und strikte Allianz zwischen ihnen zur Bedingung machen, die nicht zu umgehen ist. Wenn die ganze Menschheit durch ihre Repräsentanten beraten und zur Zusammenarbeit aufgefordert würde, so würde dieser Vertrag, der in Wahrheit ein Vertrag für universalen Frieden sein wird, als geheiligt und bindend von allen Völkern der Erde betrachtet werden. Es wäre die Pflicht der vereinigten Mächte der Welt, darauf zu sehen, daß dieser umfassende Vertrag Gültigkeit und Dauer behielte.
*) Schon 11 Jahre später wurde die erste universale Friedens-Konferenz im Haag abgehalten, der eine weitere im Jahre 1908 folgte, bei der mehrere Schiedsgerichtsverträge zwischen verschiedenen Staaten abgeschlossen wurden.
In einem solchen universalen Vertrag müßten das Bereich, die Grenzgebiete und
Landesgrenzen jeglichen Staates und die Handhabung der Gesetze jeder Regierung
festgelegt werden. Alle Abkommen, Staatsangelegenheiten und Abmachungen zwischen
den verschiedenen Regierungen sollten richtig formuliert vorgebracht werden. Ueber
den Umfang der Kriegsrüstung jeder Regierung sollte ebenso ein endgültiges Abkommen
getroffen werden, denn, wenn ein Staat Neigung zur Kriegsvorbereitung zeigen sollte,
so würde dies einen Alarm bilden für andere Staaten. Jedenfalls sollte die Basis
dieser mächtigen Allianz so festgelegt sein, daß‚ wenn späterhin einer der Staaten einen
Paragraphen verletzen sollte, die übrigen Nationen sich gegen diesen erheben und
einen starken Druck auf ihn ausüben würden.
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Ja, die ganze Menschheit würde ihre Kräfte vereinigen, um jene Nation in Schach
zu halten.
Wenn ein so bedeutendes Heilmittel am kranken Körper der Menschheit Anwendung finden würde, so wäre dies gewiß das Mittel zu dauernder und anhaltender Heilung ihrer Erkrankung durch Erziehung zu einheitlicher Mäßigung. Bedenket, daß unter solchen Lebensbedingungen keine Regierung oder Königreich es nötig hätte, Kriegsmaterial herzustellen und anzuhäufen, oder ängstlich über die Erfindungen neuer Waffen zu wachen, die nur zur Beunruhigung und zur Vernichtung der Menschheit dienen. Im Gegenteil, es würde nur weniger Soldaten bedürfen, um die Sicherheit des Staates zu gewährleisten, um die Böswilligen und die Rebellen in Schach zu halten und um öffentliche Revolte zu verhüten. Mehr als diese kleine Sicherheitstruppe würde nicht nötig sein. Erstens würden durch solche Maßnahmen alle Bewohner eines Staates davon befreit, die Last der ungeheuer großen Ausgaben für eine Armee zu tragen. Zweitens würden viele Menschen, die jetzt ihr Dasein der Erfindung neuer Instrumente zur Kriegsführung widmen, fernerhin nicht mehr ihre Zeit mit einer Arbeit vergeuden, die nur die Grausamkeit und den Blutdurst anreizt, was wider das universale Ideal der Menschlichkeit geht; sie würden vielmehr ihre natürliche Begabung in den Dienst des allgemeinen Wohls stellen und zum Frieden und zum Heil der Menschheit beitragen. Alle Regenten der Welt würden dann auf friedevollem Thron regieren, im Glanz vollkommener Kultur, und alle Nationen und Völker würden in Frieden und Wohlbehagen sich befinden.
Gewisse Menschen, die Humanität und ihre hohen Ansprüche für das allgemeine Wohl nicht kennen, halten solch einen herrlichen Zustand des Lebens für sehr schwierig, ja beinahe für unmöglich. Dem ist aber nicht so. Denn — bei der Gnade Gottes, bei der Zeugenschaft der Geliebten, bei denen, die dem Throne des Schöpfers nahe sind, bei dem unvergleichlich hohen Ehrgeiz derer, die vollkommen sind und bei den Gedanken und Ansichten der klügsten Männer dieses Zeitalters, — es gab niemals und gibt auch heute nichts, was unwahrscheinlich und unmöglich in diesem Leben ist. Was notwendig ist, das ist feste Entschlossenheit und glühende Begeisterung. Wie viele Dinge sind in vergangenen Zeiten als unmöglich angesehen worden und zwar derart, daß der Intellekt sie kaum faßte und die heute als ganz einfach und leicht erachtet werden! Warum sollte denn diese große und wichtige Frage des universalen Friedens, die wahrlich die Sonne unter all den Gestirnen der Kultur ist, die der Anlaß zur Ehre, zur Befreiung und zum Heil aller dient, zu verwirklichen unmöglich sein?
Es ist bekannt‚ daß die Ehre und die Größe des Menschen sich nicht auf Blutvergießen, auf Zerstörung von Städten und Königreichen auf Vernichtung und dem Dezimieren von Armeen und Völkern aufbaut. Im Gegenteil, die Ursache der Hochherzigkeit und des Gedeihens ruht auf der Wahrung der Gerechtigkeit, auf der Sympathie zu seinen Mitmenschen, vom Höchsten bis zum Niedrigsten, auf dem Aufbau des Reichs, der Städte und Dörfer, der Umgebung und des Landes und auf Freiheit und Ruhe der Diener Gottes, sowie im Legen der Fundamente der Prinzipien des Fortschritts, in der Ausbreitung des allgemeinen Wohls, und in der Vergrößerung des Reichtums und der allgemeinen Wohlfahrt. Denket darüber nach, wieviele weltbeherrschende Könige auf Thronen als Eroberer saßen, z. B. Halakoo Khan, Ameer Taimoor Koorkan, der den großen Kontinent Asien unterwarf. Alexander von Mazedonien, Napoleon I, dessen Tyrannenhand sich über drei der fünf Kontinente erstreckte. Und welche Vorteile haben diese großen Eroberungen gebracht? Wurde ein Reich errichtet oder ein glückbringender Vorteil erzielt? Entstand dadurch eine dauernde Dynastie? Oder bedeutete dies das Ende der Regierung einer bestimmten Dynastie? Das einzige Resultat, das durch die welterobernden Operationen von Halakoo und Dschengis sich zeigte, war Krieg von allen Seiten, und daß Asien unter den Flammen der schrecklichsten Brände in einen Aschenhaufen verwandelt wurde. Ameer Taimoor gewann durch seine Eroberungszüge keinen Nutzen, sondern zerstreute nur die Menschen auf seinem Weg und zerstörte die Grundlagen der Humanität.
Das einzige Resultat der großen Eroberung Alexanders von Mazedonien war der
Sturz seines Sohnes von seinem Thron als Regent, und das Uebergeben seines Reichs
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in die Hände Cassanders, Selenou’s, Ptolemy’s und Lysimactu’s.
Napoleon I errang durch seine Siege über die Könige Europas keinen Nutzen, aber er zerstörte wohlkonstituierte Königreiche und wohlgepflegte Landschaften, er zertrat das Leben von Hunderttausenden von Menschen, terrorisierte und verschüchterte den ganzen europäischen Kontinent, und beendete sein Dasein in einer jammervollen Gefangenschaft. Dies waren die Resultate, die diese Könige mit ihren ungeheuren Eroberungen hinterließen. Vergleichet damit aufmerksam als Kontrast hiezu, die Wohltaten und die lobenswerten Tugenden der Hochherzigkeit und die große Würde des gütigen und rechtschaffenen Regenten Nuschirwan*) des Gerechten. Zu jener Zeit, als er, der Inbegriff der Gerechtigkeit, seinen Thron bestieg, war die persische Regierung in ihren Fundamenten durch jahrelange Mißherrschaft und Unterdrückung erschüttert. Aber durch seine gottbegnadete Weisheit, errichtete er eine Regierung der Gleichheit, hob die Maßnahmen der Grausamkeit und Ungerechtigkeit auf, und vereinte das zerstreute Volk in Persien unter die schützenden Fittiche seiner Regentenschaft.
*) Der Sassanitten König der i. J. 531-578 regierte. Er gilt sprichwörtlich im Orient und besonders in Persien als der vorbildliche Verwalter der Gerechtigkeit.
In kurzer Zeit wurde durch seinen lebenspendenden Einfluß, durch seine Sorgfalt
und Hingabe das verfallene und trostlose persische Reich neu belebt und erhob
sich zu einer der glücklichsten Nationen. Er ergänzte und festigte die geschwächte
Regierungsmacht. Der Ruhm seiner Gerechtigkeit drang in alle sieben Regionen der
Welt, und die größte Anzahl der Bevölkerung der Erde wurde aus dem Tiefstand
größter Armut und Erniedrigung zum Zenit des Ansehens und der Entwicklung geführt.
Obgleich er dem Volk der Magi**) angehörte, äußerte der Mittelpunkt der Schöpfung, Mohammed, die Sonne der Wahrheit, vom Himmel der Prophezeiung folgende gesegnete Worte über ihn: „Ich wurde unter dem gerechten König geboren.“ Und er freute sich dessen, daß er in den Tagen seiner Regierung zur Welt kam. Ist nun dieser verherrlichte Monarch seiner Friedensliebe und seiner Gerechtigkeit halber nicht höher geachtet als andere um des Blutvergießens willen beim Verwüsten der Welt? Bedenket, wie hervorragend er sich in der Welt auszeichnet, seitdem der Ruf seiner Größe auf Erden unsterblich ist und er sich somit des herrlichen, ewigen Lebens erfreut.
**) Gabres oder Parson, die als Götzenanbeter von den früheren Muselmannen angesehen waren.
Wenn wir auf eine Erklärung über die Ursache der Unsterblichkeit großer Männer
eingehen wollten, so würde diese kurze Abhandlung unnötig verlängert. Da es noch
nicht erwiesen ist, ob das Lesen dieses Buches ein allgemeiner Nutzen für die Denkweise
des persischen Volkes sein wird, ziehe ich vor, dieses kurz zu halten und nur auf
Fragen einzugehen, die unmittelbar seinen Intellekt und seinen Geist berühren. Wenn
diese kurze Abhandlung gute Resultate zeitigt, werde ich später, so Gott der Allmächtige
es will, ein Werk schreiben über die wesentliche Grundlage der göttlichen
Philosophie im Himmlischen Königreich und einige größere Werke verfassen
zur allgemeinen Erbauung.
Immerhin steht fest, daß in diesem Leben die großen Mächte der Welt nicht fähig sind, den siegreichen Angriffen der Armeen der Gerechtigkeit zu widerstehen und die uneinnehmbarste Festung, die auf den besten Grundmauern basiert, ihnen nicht standhalten kann. Alle Geschöpfe sollten gehorsam und willig sich darein fügen, in den durch das scharfe Schwert „Gerechtigkeit“ errungenen Siegen, überwunden zu werden, und die Bollwerke der Welt, besiegt durch ihren Angriff, würden alsdann zu den höchsten Höhen des Gedeihens erhoben und erfüllt von glücklichen Menschen werden.
(Fortsetzung folgt.)
Das Lesen in den Händen 'Abdu'l-Bahás.
Von C.W. Child. (Nachdruck aus der „International Psychic Gazette“.)
Vom Augenblick an, da der Meister in England landete, war ich darnach bestrebt, einen
Abdruck Seiner Hände zu bekommen, um Ihn meiner reichhaltigen Sammlung von Berühmtheiten
einzuverleiben. Dank der gütigen Vermittlung von Miß Scatcherd, wurde mein Wunsch am zweiten
Tag des neuen Jahres erfüllt. Der ehrwürdige Apostel und Lehrer stellte bereitwillig Seine Hände
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Die rechte Hand Die linke Hand
Die verkleinerten, eigenhändig unterzeichneten Handabdrücke des Meisters 'Abdu'l-Bahá.
(Die Abdrücke sind von W.C. Child genommen worden.)
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zu meiner Verfügung und gab mir jede mögliche Hilfe. Er zeigte ein großes Interesse und war
überaus liebenswürdig und geduldig.
Das erste, was mir an Seinen Händen auffiel, war ihr gesundes, frisches Aussehen. Sie schienen Ruhe und Vergeistigung auszuströmen. Obgleich schmal und klein, so sind sie dennoch wunderbar entwickelt und charakterisiert durch ihre Zartheit, Biegsamkeit, Feinheit des Gewebes und durch den prächtigen Schwung der wohlgestalteten Daumen. Diese Kennzeichen sprechen beredt von Idealismus und Inspiration, Liebe und großer Begabung für Studium, Weltbürgertum und Vielseitigkeit, ungewöhnlicher Veredelung, großer Empfänglichkeit und Feinfühligkeit sowohl als echt menschlichem Mitgefühl und Menschenfreundlichkeit.
Der Besitzer solcher edler und wunderschöner Hände konnte sich nicht irgendwo dem Leben und seiner Verantwortungspflicht entziehen, sondern er wurde unwiderstehlich und nachdrücklich dazu gedrängt, einen vollen, tätigen und realen Anteil an der Linderung der Leiden und Nöte der Menschheit auf sich zu nehmen. Gleichzeitig mußte er immer lehren, den Menschen überzeugen und erleuchten, wie er am wirksamsten die Krankheiten und Mißverhältnisse des Lebens besiegen und ein strahlendes, glückliches und nützliches Wesen werden kann, tauglich für des Meisters Dienst.
Die Wichtigkeit des Daumens.
Wollen wir vor allem die Daumen vergleichen und analysieren. Diese unterscheiden sich geringfügig; der Daumen der rechten Hand ist biegsamer. Wie ich an anderer Stelle erklärt habe, kann die Wichtigkeit und der eigentliche Wert des Daumens nie stark genug betont werden. Er zeigt getreulich des Menschen Fähigkeit, Selbstkontrolle zu üben und die Umstände zu meistern, seine Geschicklichkeit zu herrschen, Vernunft und das Schmieden des Schicksals nach seinem eigenen Willen. Die Daumen sind außergewöhnlich lang, glänzend proportioniert und bezeugen den Besitz eines starken, gesunden und meisterlichen Willens, der seinen Besitzer aussondert als ein Gesetz für sich selbst und als den Alleinherrscher über das eigene Schicksal.
Die größere Festigkeit des linken Daumens mag ein Merkmal Seiner vielgeübten großen Zähigkeit und Entschlossenheit sein, bis zu den inneren geistigen Kräften, die erweckt und zu tätigem und festem Dienst berufen waren. Er zeigt auch Treue zu Grundsätzen und Kenntnis in der Selbstentfaltung des Menschen, dies sicherlich mehr in sanfter, überzeugender, toleranter und sympathischer . Art, wodurch ja Sendung und Zweck Seines Lebens erfolgreich und vollkommen erfüllt sein mag.
Im rechten Daumen haben wir die Andeutung des gütigen und zärtlichen Hinweisens für das Wohlergehen der Menschheit und die Entschlossenheit, niemals an dem guten Kern zu zweifeln, der in jedem Wesen schlummert und die einen alles erobernden Ruf an die Menschheit und nur an diese erschallen läßt. Er offenbart den bestimmten doch gütigen Menschen, der immer an die treue Erledigung seiner Myriaden von Pflichten gebunden ist, und an die Vervollkommnung seines eigenen Lebens. Im unermüdlichen und ergebenen Dienst ruht sein Glück und seine Belohnung.
Das Zeugnis der Finger.
Ein achtsames Studium Seiner Finger ergibt die interessantesten und lehrreichsten Aufklärungen. Sie verkörpern den Geist oder das geistige Ich. Es ist ziemlich vereinzelt, daß der zweite Fingerknochen in jedem Fall länger ist; das erste oder Nagelglied, von dem ich erwartet hätte, daß es länger als die übrigen wäre, ist das kürzeste außer dem des vierten oder kleinen Fingers.
Wie ich schon erklärt habe, ließ die ausgesprochene Veredlung, Zartheit, Rosafärbung und Biegbarkeit der Hand, zusammen mit der Länge und Biegung der Kopflinie, mich ein sehr langes erstes oder Nagelglied erwarten. Warum nun offenbar dieser Widerspruch? Nun, es besteht kein Widerspruch; denn je mehr wir die Natur studieren, desto mehr läßt sie uns die verschiedenen Symbole bewundern, deren sie sich bedient und womit sie sich in ihrer eigenen Weise ausdrückt. Die hier angenommene Methode ist sowohl erfindungsreich wie erleuchtend, sie bestätigt die Wahrheit, daß „die, welche suchen, finden werden“. Es ist 'Abdu'l-Bahá nicht gegeben, gänzlich in einer Welt Seiner eigenen Schöpfung zu leben und Sich ganz und gar den Launen und der Romantik des eigenen Geistes hinzugeben.
Eher das Gegenteil ist der Fall: Seine Rolle ist die des praktischen Mystikers — ein sichtlicher
Widerspruch — und diese erhabene und einzig dastehende Stärke verlangt auch eine außergewöhnliche
Art sich auszudrücken. Da dem so ist, bemerke man das Ebenmaß des zweiten Fingerglieds und die
Verjüngung des dritten oder untersten. Hier haben wir ein treffendes Zeugnis von Reichtum
weltlicher Weisheit und gesundem Verstande ohne Verlangen nach Erwerb materieller Dinge. Deshalb
bekundet das erste, kurze Fingerglied Intuition und Inspiration, noch mehr, als
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große intellektuelle Kraft, während die bemerkenswerte Entwicklung des zweiten den praktischen,
klugen Nützlichkeitsmenschen und Berater offenbart, der dem Leben gegenüber wahr ist und
weiß, wie er große Wahrheiten in einer Welt von Menschen, die sich ganz dem Mammon und
der Selbsterhöhung hingibt, gebrauchen kann. Die Verschmälerung des dritten Gliedes im
Zusammenhang mit dem starken majestätischen zweiten oder Mittelfinger, und die schräge Kopflinie,
zeugt von Abneigung gegen Konvention, Liebe zur Einsamkeit und seltener Fähigkeit, geistige Dinge zu
durchdringen und zu verstehen.
Ich habe gezeigt, daß 'Abdu'l-Bahá einen unbesiegbaren Willen besitzt, wie es durch Seine Daumen veranschaulicht ist. Die Beachtung der Haltung, der Stellung und Form Seines ersten oder Zeigefingers, lassen unmittelbar den inbrünstigen religiösen Führer erkennen und einen Mann von ungewöhnlichem Zauber und Lauterkeit des Herzens. Die Beobachtung des dritten — Ringfingers — mit seiner breiten Fingerspitze und dem kürzeren Gelenk gibt ein Bild seltener künstlerischer Talente, Schönheitsliebe und Sonnenscheins und eines stillen ehrfürchtigen Naturforschers, der Eitelkeit nicht kennt. Der besondere Ansatz und die Bildung des vierten oder kleinen Fingers redet von Wunsch nach Ruhe, Abneigung sich hervorzudrängen, großer Geduld und von einem Menschen, der ein bedächtiger, ernster und gedankenvoller Redner ist, der seine Worte gut abwägt und sie mit größter Sorgfalt und Genauigkeit wählt. Es wird hier nie irgend eine Verranntheit noch ein Versuch vorkommen, irgendwie mit der Sprache zu tändeln, die er als das größte Segensgeschenk der Menschheit schätzt. Alles muß einfach und rein sein und „gleichsam unter dem Auge des großen Auftraggebers vollbracht werden“.
Der bemerkenswerte Unterschied in Bildung und Entwicklung beider Hände zeigt ein glänzendes Beispiel des Einsamen und Sehers, verbunden mit dem des genialen, sympathischen und menschenfreundlichen Lehrers und Freundes, welchem Pflicht ein Vorrecht und Selbstaufopferung für den Höchsten, Weihe und Freude ist.
Das Zeugnis der Berge.
Ich will jetzt die Berge vornehmen und sie vergleichen, An beiden Händen sind sie bemerkenswert voll, der Mars- und der Venusberg am stärksten. Das gibt nun einen hervorragenden Einblick in die wirkliche Charakterveranlagung. Letzterer kündet Sympathie, Güte, Liebe zu Harmonie und Musik, Furchtlosigkeit und einen nie und nimmer rastenden Geist. In Verbindung mit dem schönen Viereck (weiter, ebener Raum zwischen Herz- und Kopflinie) redet der Berg von einem, der den Mut der Ueberzeugung hat, standhaft, weitblickend ist und ein sieghaftes Temperament besitzt, das Zweifel und Mißgriffe ausschließt und einen verständnisvollen Geist verleiht. Das ist außerdem auch verkörpert durch die klare, tiefe, sich verjüngende Kopflinie, die zudem noch den Dichter und Mystiker offenbart.
Ich möchte hier darauf hinweisen, daß ein gutes Viereck, das nicht besonders stark liniert und nur schwach gefärbt ist, als untrügerisches Anzeichen von Aufrichtigkeit und Ursprünglichkeit auf edlen Charakter und vorurteilsloses Denken hinweist.
Die Berge Jupiter, Saturn, Apollo und Merkur haben an den Eigenschaften ihrer entsprechenden Finger teil und diese haben wir ja schon berührt. Es bleibt uns jetzt noch der Mondberg zu untersuchen. Dieser ist, wie wir sehen, ganz im Einklang mit den andern, zeigt eine regelmäßige Entwicklung und bedeutet also gesunde Vorstellungskraft, Scharfsinn und — mit andern Zeichen zusammen — Talent für musikalische Kompositionen. Die starke und ebenmäßige Entwicklung der Berge zeugt von unermüdlichem, unnachgiebigem Bemühen, den Idealen und der Pflege und Entwicklung der natürlichen Gaben gemäß zu leben.
Die Sprache der Linien.
Wir kommen jetzt zu den eigentlichen Zeichen. Nehmen wir zuerst die Herzlinie. Sie nimmt ihren Weg quer durch die Hand unweit der Finger. Ihre ausnehmende Länge, die schönen Verzweigungen, Tiefe und Klarheit enthüllen eine liebenswürdige, selbstlose, begeisternde Natur. Die parallel verlaufende Kopflinie ist durch ihre Tiefe, Klarheit und sanfte Neigung ebenfalls bemerkenswert. Eine solche Kopflinie verkündet, daß ihr Herr seiner natürlichen Richtung durch alle Zufälle hindurch folgen muß, gar nicht achtend auf Gewinn oder Verlust. Die Lebenslinie ist nicht besonders stark, und sie zeigt, daß die Gesundheit weitgehend von ihm selbst abhängt. Die verschiedenen feinen Linien unter dem kleinen Finger zeugen von Heilkraft und offenbaren, verbunden mit dem vollen Venusberg und dem ausgezeichneten Viereck, den natürlichen Heiler.
Die vielen aufsteigenden Linien der Handfläche veranschaulichen ein sehr erfolgreiches, nützliches
Leben, während die zahlreichen Kreuzlinien Hindernisse und Beschwernisse angeben, infolge
ungünstiger Umgebung und Mangel an Ausdehnungsmöglichkeit. So wird unfehlbar erwiesen,
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daß das Arbeiten und Kämpfen dieser Persönlichkeit mit den Verhältnissen ohne Ruhe und Rast
ist.
Die Zeichen der linken Hand sind noch viel günstiger als die der rechten und bestätigen ausdrücklich, was ich soeben gesagt habe.
Nehmen wir diese wundervollen Hände als großes Ganzes, so offenbaren sie eine seltene, hochherzige Persönlichkeit, unerschütterliche Hingabe an die Forderungen und Ansprüche der Menschheit und somit unbedingtes Vertrauen und Gehorsam der göttlichen Erscheinung und Macht gegenüber
Der Wert der Handabdrücke.
Wäre es möglich gewesen, einen Abdruck von 'Abdu'l-Bahá’s Händen häufig in Zeitabständen Sein Leben hindurch zu nehmen, so hätten wir ein untrügliches Denkmal von nacheinander hereingebrochenen Hindernissen und gewonnenen Siegen gehabt; denn Seine Handlinien, besonders rechts, haben zweifellos viele Veränderungen durchgemacht. Mr. W. T. Stead betont bei seinem Eintrag in mein Autogrammbuch am 27. Februar 1911 diesen Punkt nachdrücklich folgendermaßen: „Wenn jedermann seine Hand an jedem Geburtstag durch einen Handkundigen hätte abdrucken lassen, so würde er eine wertvolle Reihe von Dokumenten für seinen Biographen vorbereitet haben.
Anmerkung: Bahá’i wird es interessieren, daß Miß Scatcherd’s lebendige, scharfsinnige und sympathische Skizze 'Abdu'l-Bahá’s ebenfalls in einer gleichartigen Broschüre veröffentlicht worden ist.
Lebensgroße Vervielfältigungen der Copyright - Handabdrücke des Meisters auf Kunstdruckpapier zum Einrahmen geeignet, sind auch hergestellt und werden mit Mr. Child’s Deutung von 'Abdu'l-Bahá’s Händen und der obengenannten Broschüre sorgfäliig in Pappe gegen Postanweisung von 1L 6d versandt. Bestellungen auf diese Broschüren und Großabdrucke möge man senden an The Selkirk Press, 5 Bridewell Place, London E.C.
(Übersetzt von Frau A. Schwarz und Adalbert Mühlschlegel.)
Die Siege des Herrn in aller Welt.
Singet dem Herrn ein neues Lied; denn Er tut Wunder.
Er sieget mit Seiner Rechten und mit Seinem heiligen Arm.
Der Herr läßt Sein Heil verkündigen;
vor den Völkern läßt Er Seine Gerechtigkeit offenbaren...
Er gedenket an Seine Gnade und Wahrheit dem Hause Israel;
aller Welt Enden sehen das Heil unseres Gottes.
Jauchzet dem Herrn, alle Welt; singet, rühmet und lobet!
Lobet den Herrn mit Harfen, mit Harfen und Psalmen!
Mit Trompeten und Posaunen jauchzet vor dem Herrn, dem Könige!
Das Meer brause und was drinnen ist, der Erdboden und die darauf wohnen.
Die Wasserströme frohlocken, und alle Berge seien fröhlich vor dem Herrn.
Denn Er kommt, das Erdreich zu richten.
Er wird den Erdboden richten mit Gerechtigkeit und die Völker mit Recht.
Psalm 98.
Aus 'Abdu'l-Bahá und das verheißene Zeitalter, von Ruth White.
Deutsch von H. Küstner. (Fortsetzung von Heft 6, August-Ausgabe.)
Unterordnung unseres Willens unter den höheren heiligen Willen wurde immer von den Manifestationen Gottes gelehrt. Die Außerachtlassung sowohl wie die falsche Anwendung davon durch die römisch-katholische Kirche führte zur Reformation und zur protestantischen Kirche. In der protestantischen Kirche schlug der Pendel nach der andern Seite aus, und man fiel ins andere Extrem. Denn als man abergläubische Verordnungen abschaffte, schaffte man auch arglos viel Geist ab und schuf eigenwillige Individualisten.
Es ist ein Gesetz, daß das Höchste, zu dem ein Reich (Geistesebene) gelangen kann, ist, in sich
selbst abzusterben, um in das nächst höhere Reich
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geboren zu werden. Wenn das Mineral sein mineralisches Leben festhalten würde, statt stufenweise
zu sterben und als Mineral in den höheren Zustand der pflanzlichen Existenz aufgesogen zu
werden, und sich weigern würde, sich in das Pflanzenleben hinüberzuentwickeln, und wenn die
Pflanze sich weigerte, sich ins Tierleben hinüberzubilden, würde, wie wir sehen können, das
niedere Reich in jedem Falle unendlich verlieren. Die niederen Reiche können sich nicht wehren,
sie sind Gefangene der Natur. Uns aber ist ein freier Wille gegeben; ehe wir jedoch nicht
ebenfalls unserem menschlichen Willen absterben, können wir nicht in den umfassenden Willen
geboren werden. Daraus erhellt, daß Versuche zu sozialen Reformen im Sinne des materialistischen
Standpunkts gehaltlos sind. Denn das tausendjährige Reich gehört zum höheren Reich. Die größte
Tat ist, zu diesem Reich zu gelangen.
Die Manifestationen Gottes sind die Mittler, die die Macht haben, die Menschen vom Tode des Menschengeistes in das Leben des universalen Geistes zu versetzen. Aber die einzige Bedingung dafür ist, dem menschlichen Eigenwillen abzusterben, wie der Same in sich selbst abstirbt, um als Baum zu leben. Gleichgültig, wieviele Prinzipien einer Religion, einer Reformrichtung oder einer Geistesgemeinschaft aufgeprägt werden; sie geben die ursprünglich gelehrten Prinzipien preis, da ihre grundlegenden Lehren in der entgegengesetzten Richtung liegen. Selbst wenn die Gründer und Anhänger der Geistesrichtungen fähig wären, die Ethik einer Religion in die Tat umzusetzen, würde dies nicht genügen. Es gibt etwas in der Religion, das durch keine Geistesrichtung und Reformbestrebung vermittelt werden kann, denn derselbe Vergleich paßt in gleicher Stärke auf der geistigen Ebene wie auf der physischen. Präsident Wilson entnahm der Bahá’ireligion 12 seiner 14 Punkte und gab sie der Welt gegenüber als seine eigenen aus. 'Abdu'l-Bahá sagte, daß wenn er die Quelle seiner Pläne anerkannt hätte, er damit durchgedrungen wäre. Dies paßt auch auf die Gründer von Kulten und Reformrichtungen. Sie mögen von der Religion Teile ihrer Lehren oder gar das Ganze nehmen, und es der Welt als Eigenes und unter einem neuen Namen geben, sie werden doch in gleichem Maße unfähig sein, ihre Anhänger mit dem lebendigen Odem des Heiligen Geistes zu beleben, wie der Wissenschaftler unfähig ist, Leben in seinem Laboratorium zu erzeugen. Denn wie bereits dargelegt, sind die Manifestationen Gottes die Dynamos (Krafterzeuger), und ehe wir uns nicht geistig an sie anschließen, wann immer sie erscheinen, sind wir geistig so tot, wie ein Stück Draht in elektrischem Sinne es ist, ehe es mit dem Dynamo in Verbindung gebracht wird.
Das Folgende stammt aus einem Brief von 'Abdu'l-Bahá und bezieht sich auf den Kongreß, der im Haag im Jahre 1907 gehalten wurde. Es ist ein gutes Beispiel dafür, was es bedeutet, den Eigenwillen zu reformieren zu suchen:
„Zur Sache des universalen Friedens hast du geschrieben, daß binnen kurzem der Kongreß im Haag eröffnet wird und eine Diskussion über den universalen Frieden stattfindet.
Dieses Problem kann nicht durch Kongresse im Haag gelöst werden, deren Mitglieder Diplomaten sind; nein, der so innigst ersehnte universale Friede wird sein Angesicht in allen Regionen entschleiern vermöge der durchdringenden Kraft des Wortes Gottes. Bei dem Haager Kongreß liegt die Sache wie folgt: Die Weinhändler berufen eine Versammlung ein, um die Uebel des Weins zu erörtern und die Welt vom Weintrinken zu befreien; ihr Beruf ist aber, Wein zu verkaufen.
Nationen, die entweder beständig auf Welteroberung sinnen, auf die Ausdehnung ihrer Herrschaft, oder die gar mit ihren Mitmenschen im Kriege liegen, senden Minister und Vertreter zum Kongreß im Haag, um das Problem des universalen Friedens zu erörtern und gesetzliche Regeln für die Verhinderung des Krieges zu schaffen!“
(Fortsetzung folgt.)
Güte.
Aus den Reden von Buddha. („Der Weg zur Erlösung“).
„Alles, meine Freunde, was wir hienieden tun können, um unser künftiges Los zu bessern, verschwindet an Wert neben der Güte, der herzerlösenden. Die Güte, die herzerlösende, nimmt alles andere in sich auf und leuchtet, glänzt und strahlt, gleichwie aller Sternenschein verschwindet neben dem Schein des Mondes, der jenen in sich aufnimmt und leuchtet, glänzt und strahlt.“
„Selbst, meine Freunde, wenn Räuber und Mörder mit einer doppelt gezähnten Säge euch ein
Glied nach dem andern abtrennten und ihr ergrimmtet darob in eurem Gemüte, so würdet ihr
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nicht meine Weisung erfüllen. Auch in diesem Fall, meine Freunde, müßt ihr euch also üben.
Nicht soll unser Gemüt voll Unmut werden, kein böses Wort wollen wir ausstoßen, freundlich und
mitleidig wollen wir bleiben, gütig gesinnt, ohne heimlichen Haß, und diesen Menschen wollen wir
mit gütiger Gesinnung durchdringen; von ihm ausgehend wollen wir die ganze Welt mit gütiger
Gesinnung durchdringen, mit umfassender, grosser, unermeßlicher, friedfertiger, freundlicher
Gesinnung. So, meine Freunde, müßt ihr euch üben.“
„Wer vollbewußt unermeßliche Güte pflegt, eingedenk der Hinfälligkeit alles Sterblichen, dem lösen sich die irdischen Fesseln.“
Neu-Persien und die Bahái.
Von A. Diebold, Stuttgart.
Die letzten Aufstände in Persien gegen das Regime des Schah Riza Khan haben den Blick der westlichen Welt auf jenes Land gerichtet, das, dem Beispiel der Türkei folgend, in den letzten Jahren einen ungeheuren Aufschwung genommen hat. So sehr auch die um die orthodoxe Geistlichkeit gescharten Kreise sich den Neuerungen entgegenstemmen, so schreitet doch das Reformwerk Riza Khan’s rüstig vorwärts. Durch Ausnützung europäischer technischer Methoden versteht es dieser weitblickende Mann, sein Werk zu stützen und zu festigen. Eine straff organisierte Armee sorgt für die Autorität der Regierung. Flugzeug, Auto und Räder verbinden die großen Gebiete des Reiches eng mit der Regierungszentrale und ermöglichen eine rasche Durchführung obrigkeitlicher Anordnungen und eine strenge Ueberwachung der Vorgänge in den einzelnen Landesteilen. Alle Bestrebungen der an Macht immer noch nicht zu unterschätzenden Geistlichkeit, sich gegen die Entwicklung zu stemmen, indem sie die breite, unwissende Masse des Volkes aufwiegelt, verlieren von Jahr zu Jahr in so zunehmendem Maß ihre Kraft, daß es nur noch eine Frage verhältnismäßig kurzer Zeit sein wird, bis die moderne Richtung in Persien die unbeschränkte Oberhand gewonnen haben wird. Den schwindenden Einfluß hat sich die Geistlichkeit selbst zuzuschreiben. Ihr Machthunger hat den Bogen überspannt. Eigensucht und Eigennutz, Unterdrückung und Ausbeutung des Volkes hat im Volk, und gerade unter den Besten allmählich eine Stimmung erzeugt, die nur noch mit Murren die Herrschaft der Geistlichkeit erträgt. Diese Unzufriedenheit mit den alten Zuständen wird noch genährt durch das Beispiel, das die Bahá’i Persiens in aller Stille geben.
Seit Schah Riza Khan das Regiment in die Hand nahm, begannen sich die Verhältnisse für
die Bahá’i zu bessern. Die grausamen Verfolgungen, denen sie fortwährend ausgesetzt waren
liessen nach, da die Regierung diesen Auswüchsen blindesten Hasses steuerte und den Bahá’i den
Schutz angedeihen ließ, den sie als gerechte Regierung jedem Staatsbürger schuldet. Diese
Einstellung der Regierung den Bahá’i gegenüber ist nicht zuletzt dem Umstand zuzuschreiben, daß
Schah Riza Khan vor seinem Eintritt in die Armee als Diener eines Bahá’i den wirklichen Inhalt der
Bahá’i-Lehre kannte und die gehässigsten Verleumdungen und Entstellungen, die hauptsächlich
von der Geistlichkeit über diese Bewegung verbreitet werden, von der Wahrheit zu unterscheiden
vermag. Mehr noch mag aber den Bahá’i dadurch der Schutz der Regierung gesichert worden
sein, daß die Reformbestrebungen Riza Khan’s bei den Bahá’i auf fruchtbarsten Boden fallen.
Ist es doch gerade die Bahái-Lehre, die ihre Anhänger herausreißt aus
der Trägheit, aus Aberglaube und Fanatismus, (Dinge, welche die Entwicklung
Persiens aufgehalten, ja seinen Niedergang bis zur baldigen Bedeutungslosigkeit in den letzten
Jahrzehnten bewirkt haben); sind es doch die Bahá’i, die schon seit mehr als einem halben
Jahrhundert eben jene Kulturbestrebungen auf ihrem Programm haben, die die Regierung in hartem
Kampf gegen das träge Volk und die widerspenstige Geistlichkeit durchsetzen will. Unter der
freundlich gesinnten Regierung konnten nun die Bahá’i in letzter Zeit ihre ganze Kraft, die sie
bisher im Kampf gegen Verfolgungen und Gehässigkeiten unnütz vergeuden mußten, der Verwirklichung
ihrer Lehre widmen. In welch’ überraschendem Maß sie, dank ihres unermüdlichen Eifers, gewaltige
Fortschritte erzielen, haben uns die Briefe des Hüters der heiligen Sache, Shoghi Effendi,
erfahren lassen. Sie strengen sich ausserordentlich an, Bildung, Gerechtigkeit, Toleranz und
Arbeitsamkeit zu verbreiten, lauter Eigenschaften, die Persien ganz besonders nötig
hat. Ihr selbstloser Eifer und ihre Erfolge finden allseitig Beachtung, steigern das Ansehen
der Bahá’i. Nichtbahá’i stehen nicht an, ihre Kinder in die Bahá’i-Schulen zu schicken, die
in hohem Ansehen stehen. Nichtbahá’i, an der Korruption
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und Ungerechtigkeit ihrer geistlichen Richter verzweifelnd, unterbreiten nicht selten ihre
Angelegenheiten den Geistigen Arbeitsgemeinschaften ihres Wohnorts. Das Ansehen der Bahá’i
steigt allgemein in einer Weise, daß sich selbst Geistliche offen zu der Bewegung bekennen
und aktiv für sie tätig sind. Das Fördernde in der Bahá’i-Bewegung in Persien ist, daß sich
gerade die gebildeten und intelligenten Kreise in großer Zahl zu ihr bekennen, sie mit der ganzen
Kraft innerster Ueberzeugung stützen, fördern und ihren Geist in die maßgebenden Kreise hineintragen,
die bewußt oder unbewußt dadurch befruchtet werden. Man kann ruhig sagen,
daß in Persien von den Bahá’i ein Strom geistiger Erneuerung ausgeht, der sich wie
fruchtbarer Tau auf das Land niedersenkt und die brachliegenden Kräfte
weckt. Schon der Orientalist E. G. Brown hat in seinem Werk „The Persian Revolution 1905
bis 09 (Cambridge 1910) Note 16: „Attitude of Bahá’is towards Persian Politics“ auf die
Tatsache hingewiesen, daß der „Babismus“ die
Kulturbewegung in Persien heraufgeführt hat.
So kann man in der Tat sagen, daß die Vorgänge in Persien nur richtig verstanden werden können, wenn man das wirkliche Wesen der Bahá’i-Bewegung kennt. Trotz aller Vorurteile, dringt in Persien in neuerer Zeit, dank der hervorragenden Früchte, die durch den Eifer ihrer Anhänger offenkundig werden, die Wahrheit über die Bahá’i-Bewegung mit solcher Gewalt durch das Gewölk der Verleumdungen und Entstellungen, daß man sogar in Europa mehr und mehr auf diese Sache horcht und sie als das kulturfördernde Element in Persien erkennt. Es ist beachtenswert, was Egon Lengeling, ein junger Frankfurter, der längere Zeit die Zustände in Persien zu studieren Gelegenheit hatte — über die Rolle schreibt, die der Bahá’i-Bewegung bei der Neugestaltung Persiens zukommt [in der Frankfurter Zeitung u. a.]: „Die Feststellung solcher Symptome bringt uns dem Verständnis der modernen Problematik Persiens ebenso wenig näher, als diese Gegensätze mehr denn nur einfache Antagonismen sind. In ihnen wirkt sich trotz aller Passivität im allgemeinen ein originales, schöpferisches Moment aus, das, ohne die Entwicklung der Dinge letzten Endes zu beherrschen, doch unmöglich dabei wegzudenken ist.
Hierhin gehört vor allem der Bábismus (Vorläufer der Bahá’i-Bewegung); eine auf persischem Boden entstandene, in ihren Anfängen vom Westen unbeeinflußte Bewegung religiöser Verinnerlichung, Toleranz und Vorurteilslosigkeit, ein aus dem Innern des Volkes kommender Protest gegen die geistige Drosselung durch den ungebildeten, orthodoxen Klerus. Der Führer wird hingerichtet, die Anhänger zunächst grausam verfolgt — aber sie setzen sich in gewissem Umfang durch, und indem ihre Bewegung einerseits sogar in ihrer Fortbildung dem Baháismus, über die Grenzen Persiens hinaus geht und sich damit besonders deutlich als ein aus sich heraus Werte schaffendes und auf eine Synthese westlichen und östlichen Kulturgutes hinzielendes Streben kennzeichnet, wirkt sie sich andererseits auch politisch aus: Kenner sprechen von einer verhältnismäßig großen Verbreitung der Sekte, die insgeheim selbst unter Geistlichen Anhänger haben soll, so daß das Maß ihrer Hilfe bei dem Einzug der modernen Ideen größer sein dürfte, als man seither annahm; jedenfalls vermochte sie viele Vorbedingungen für eine gewisse geistige Revolution zu schaffen.“
Lengeling zeigt damit eine gute Beobachtungsgabe und tiefes Verstehen der Vorgänge in
Persien, und es ist ganz besonders beachtlich, daß er auch auf die politische Auswirkung der
Bahá’i-Bestrebungen hinweist. Denn, wenn sich auch die Bahá’i grundsätzlich und gemäß der
strengen Anweisungen ihres Stifters Bahá’u’lláh und ihres Führers 'Abdu'l-Bahá
niemals aktiv in die Politik einmischen,*) so ist es doch
klar und unvermeidlich, daß die Bahá’i-Bewegung sich trotz aller Passivität auf das
politische Leben auswirken muß und zwar umso stärker, als sie an
Bedeutung und Umfang zunimmt und die Bewohner eines Landes vom Geiste dieser Sache
erfaßt und verwandelt werden. Da in Persien ein nicht zu unterschätzender Teil der Bevölkerung
vom Bahá’i-Geiste durchdrungen ist und mehr oder weniger aktiv für die Bahá’i-Sache eintritt,
so ist es kein Wunder, daß ein kluger und weitblickender Regent wie Riza Khan diesem Umstand
in seiner Politik Rechnung trug und den wilden Hetzen und Verfolgungen, denen die Bahá’i bisher
ausgesetzt waren, ein Ziel gesetzt hat, umso mehr, als die Arbeit der Bahá’i mit seinen
Reformbestrebungen gleichläuft und so dem Land ungeheuren Nutzen bringt. Daß Riza Khan und seine
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Umgebung auf dem richtigen Weg ist, indem er die Bahá’i-Bewegung in seinen Schutz nimmt und
sie ungehindert sich entfalten läßt, beweist der Fortschritt, den Persien auf diese Weise macht.
Und wenn die persische Regierung sich noch mehr als bisher der Bahá’i-Sache annimmt und
ihre Prinzipien zur Richtschnur ihrer Politik macht, so wird die Zeit nicht mehr allzufern sein,
da die Prophezeiungen Bahá’u’lláhs und 'Abdu'l-Bahás über Persien in Erfüllung gehen werden
und dieses Land, das dem Untergang nahe war, zu einer Blüte kommen wird, die aller Welt Augen
auf sich zieht und auf die Bahá’i-Sache als die treibende Kraft in der Entwicklung Persiens.
*) Daß dies der Fall ist, bestätigen auch Gegner der Baháisache, wie Dr. Römer in seinem Buch „Die Babi-Bahái“ (Quellverlag Stuttgart.)
Mitteilungen aus der Bahá’i-Welt.
Aus allen Teilen der Welt laufen regelmäßig Berichte an den Geistigen Nationalrat in Deutschland über die Tätigkeit der verschiedenen Bahá’i-Zentren ein, woraus folgender kurzer Auszug entnommen ist.
JAPAN.
Tokio. Am 9. Juni fanden sich auf Einladung von Herrn und Frau Fukui-Kikusaburo, in ihrem schönen großen Garten etwa 200 Personen, darunter 120 Ausländer, Engländer, Franzosen, Finnen, Chinesen, Koreaner, Polen, Inder, Philippiner, Russen, Amerikaner und Deutsche zu einem Vortrag zusammen, den Dr. Masujima-Rokuiciro, ein bekannter Jurist, über die Bahá’i-Lehre hielt und in dem er Worte aus dem Buch von Dr. Esslemont anführte. Der Vortrag machte großen Eindruck und rief eine sichtliche Bewegung unter den anwesenden internationalen Teilnehmern hervor.
Die „Revue Diplomatique“, eine der bedeutendsten Halbmonats-Zeitschriften, brachte in ihrer Nummer 589 vom 15. Juni 1929 einen Artikel von Susumu-Aibara, Sekretär des Völkerbundbüros in Tokio unter dem Titel „Bahá’i-Lehre und Weltfrieden“.
Agnes Alexander ist außerordentlich für den Fortschritt der Bahá’i-Bewegung tätig. Junge Leute beiderlei Geschlechts, insbesondere Esperantisten und Blinde kommen in größerer Zahl bei ihr zusammen, um über die heilige Sache zu sprechen.
(Bericht von Susumu Aibara, Tokio).
Via „Graf Zeppelin“ traf eine Postkarte aus Tokio mit englischem Text folgenden Inhalts an die „Sonne der Wahrheit“ ein: Allah’o’Abhá
„Alles, was im Himmel und auf Erden ist, kündet den Namen Gottes und Seine Eigenschaften.“ Bahá’u’lláh.
„Das Aeußere ist der Ausdruck des Inneren; die Erde ist der Spiegel des Himmelreiches. Die materielle Welt entspricht der Geistigen Welt!“ 'Abdu'l-Bahá.
„Die Himmel rühmen des Ewigen Ehre und das Firmament verkündet Seiner Hände Werk.“ Psalm 19.
„Die ersten Bahá’i-Grüße durch die Flugpost über zwei Ozeane hinweg sendet aus Tokio nach Deutschland Euere Bahá’i-Schwester
Agnes B. Alexander, 31. Nichome, Injimicho Kudan, Tokio.“
AEGYPTEN.
Die Geistige Arbeitsgemeinschaft in Kairo teilt uns mit, daß ihr letztes Rizwan-Fest so stark besucht war, daß die Kongreßhalle die Teilnehmer kaum fassen konnte. Das Interesse für die große Lehre Bahá’u’lláhs und die Begeisterung der Teilnehmer steigerte sich mehr und mehr. Der Kongreß hinterließ bei einem jeden einen starken Eindruck.
Das Büro in Kairo, dessen Adresse P. O. Box 13 Daher, ist, heißt durchreisende Freunde herzlich willkommen und ist bereit, diese bei den verschiedenen Gruppen Aegyptens einzuführen. Die Aegyptischen Bahá’i-Freunde erbitten sich, Literatur in allen Sprachen über die Heilige Lehre für ihre Bibliothek. Sie berichten von einem Besuch von Mister Mountford, Mills, der im Auftrag von Shoghi Effendi mit den Aegyptischen Behörden in Verhandlung getreten ist, damit der Ausbreitung der Bahá’i-Bewegung keine Hindernisse in den Weg gelegt werden. Seine Bemühungen hatten einen gewissen Erfolg, obwohl nur geringe Konzessionen gemacht wurden. Trotzdem wird ein künftiger Sieg nicht ausbleiben.
AUSTRALIEN.
Die Geistige Arbeitsgemeinschaft in Melbourn berichtet von ihrer laufenden Tätigkeit, die unterstützt wird durch die regelmäßigen Besuche von Mister und Mss. Dunn, den Pionieren der Bahá’i-Lehre in Australien.
PERSIEN.
Teheran ist der Sitz des Nationalrats, woselbst die Angelegenheiten der Geistigen Arbeitsgemeinschaft verwaltet werden, die in engster Verbindung und Berichterstattung mit ersterem stehen. Ihr Verhältnis zueinander ist wie Vater und Sohn.
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Die arabische Zeitung „Arabic World“ in Bagdad, ein vielgelesenes Blatt hat kürzlich einen
Artikel über den „Schutz und das Recht des Kindes“ veröffentlicht, worin der Verfasser, ein
Nicht-Bahá’i, Bahá’u’lláh’s Worte anführt: „Es ist jedem Vater und jeder Mutter zur Pflicht
gemacht, Sohn und Tochter in wissenschaftlichen Zweigen und anderen bildenden Fächern, die im
Tablet Bahá’u’lláh’s niedergelegt sind, erziehen zu lassen. Wenn jemand versäumt, was ihm hier
zur Pflicht gemacht ist, so liegt es der Verwaltung ob, von ihm den Betrag zur Erziehung seines
Kindes zu fordern, wenn er diesen aufzubringen vermag. Andererseits ist es Angelegenheit des
Hauses der Gerechtigkeit, für Obdach und Erziehung der Armen und Bedürftigen zu sorgen.“ Das
fortschrittliche Komitee für Frauen hat einen Bericht an den Nationalrat geschickt, worin über
die Lehrtätigkeit des Komitees für die Ausbreitung der Sache berichtet wird. Es war dieses Jahr dem
Frauen-Komitee möglich, sieben Lehrversammlungen abzuhalten, denen eine große Anzahl Frauen
beiwohnten.
Ein Buch über die Esperanto-Sprache ist durch Bahman Shidani herausgekommen, das durch das Bahá’i-Veröffentlichungs-Komitee in Theran zu beziehen ist.
ASERBEIDSCHAN.
Aus dem laufenden Bericht der Geistigen Arbeitsgemeinschaft in Tabriz geht hervor, daß Mirza Tarazullah Samandari, ein bekannter Bahá’i-Lehrer, viele Städte und Ortschaften der Provinz Aserbeidschan’s besuchte. In Ardebil, einer Stadt Aserbeidschan’s hat sich eine große Zahl der Einwohner zur Bahá’i-Sache erklärt. Samandari ist noch in jener Provinz und arbeitet weiter.
Die Freunde in Mamaghan und Shishevan, die so viel Leid und Trübsal von Seiten der fanatischen Moslems zu erdulden hatten, und denen so viel soziale Rechte und Vorzüge entzogen worden sind, sind jetzt von dieser Unterdrückung befreit durch die wirksamen Maßnahmen der Regierungsbeamten‚ die sich in diese Angelegenheit mischten und einige von diesen Unruhestiftern verbannten.
GILAN.
Der Bericht von dem Veröffentlichungs-Komitee in Rescht spricht von der Lehrtätigkeit daselbst. Eine öffentliche Versammlung findet dort jeden Donnerstag Abend statt in der „Hazirat-ul-Quds", die stark besucht ist. Bei den Versammlungen wird die Botschaft verkündet, Vorträge gehalten und Gebete gesungen. Daselbst befindet sich auch eine Bücherei, durch die alle Freunde die gesamte Literatur leihweise bekommen können.
Die Freunde beabsichtigen einen Klub für die Jugend zu organisieren.
In Lahijan und Langaroud, zwei Städte in Gilan, sind Bahá’i-Gruppen gebildet worden, die eifrig bemüht sind, ihrer geistigen Verpflichtung nachzukommen. In Langaroud sind dank der Bemühungen Mohammed Kan Partovi’s die Freunde daran, ein Gebäude zu errichten, das sie zum Zentrum der Bahá’i-Organisation bestimmen wollen.
KASCHAN.
Das Bahá’i-Veröffentlichungskomitee in Kaschan hat einen Bericht geschickt über die Lehrtätigkeit durch Sejed Abbas Alavi, einem Bahá’i-Lehrer, der daselbst und in der Umgebung Vorträge über Bahá’i-Lehre hält.
ISFAHAN.
Der Bericht daher lautet sehr ermutigend. Es sind in mehr als 40 Städten und Dörfern über die Bahái-Lehre Vorträge gehalten worden durch Mirza Abdullah. Er hatte auch Gelegenheit, mit einer großen Zahl Interessenten persönlich zu sprechen und hat an verschiedenen Plätzen Geistige Arbeitsgemeinschaften ins Leben gerufen. Das Bahá’i-Veröffentlichungs-Komitee in Isfahan gibt jetzt eine Bahá’i-Zeitung unter dem Namen „Payam hai Badi“ (Neue Botschaft) heraus. Die Zeitung enthält willkommene Veröffentlichungen und bringt wertvolle Artikel sowie Einführungen in die Bahá’i-Lehre.
Die Mutter des verstorbenen Mirza Jaghoub, des Märtyrers, hat kürzlich in Isfahan zu seinem Gedenken eine Bahá’i-Versammlung abgehalten.
In einem Dorf namens Khoulajan haben die fanatischen Moslems, getrieben von Eifersucht und Animosität, einen Anschlag auf das Leben zweier Freunde beabsichtigt. Es wurde auf diese geschossen, aber glücklicherweise niemand verletzt. Die Verräter wurden durch die Regierungsbehörde streng bestraft.
In Jazd hat das „Towfiq-Komitee“ eine Knabenschule ins Leben gerufen.
Mehrreban Rostam Diniar, ein ergebener Zoroastrier Bahá’i in Jazd hat kürzlich ein völlig ein gerichtetes Haus und einen Teil seines Landbesitzes der Geistigen Arbeitsgemeinschaft in Mariam Abad geschenkt und die Summe, die in diesem Jahr zur Einrichtung einer Mädchenschule benötigt wird, zur Verfügung gestellt.
Jeden Tag finden in Kerman Bahá’i-Versammlungen statt, wodurch ein rascher Zuwachs,
insbesonders durch den Eifer und die Energie des
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Bahá’i-Lehrer Nabil Zadeh zu verzeichnen ist. Mrs. Nabil Zadeh arbeitet ebenso eifrig im
Frauenkreis und hat von besten Erfolgen zu berichten. Sie hat sowohl Lehrklassen für
erwachsene Frauen, wie auch für junge Mädchen eingerichtet.
In Kermanshah macht die heilige Sache dauernd Fortschritte. Verschiedene Unter-Komitees, die der Geistigen Arbeitsgemeinschaft unterstehen, fördern die Bewegung in enger harmonischer Zusammenarbeit.
In Kurdistan arbeitet Mirza Allah Quli als Lehrer mit gutem Erfolg nach einem bestimmten Arbeitsplan.
AMERIKA.
Der Bau des Masrag-ul-Adhkar steht im breiten Vordergrund des Interesses und der Tätigkeit aller amerikanischen Bahá’i’s; sie bringen die größten Opfer, um diesen Tempelbau ausführen zu können, zu dem 'Abdu'l-Bahá auf Seiner zweiten Reise nach Amerika den Grundstein gelegt hat.
SCHWEIZ.
Aus Genf kommt ein langer Bericht über die dortige Bahá’i-Tätigkeit und eine Jahresabrechnung. Die Notwendigkeit eines internationalen Büros in einem neutralen Land ist gegeben, und Genf eignet sich dank seines internationalen Charakters besonders gut hierfür. Es sind daselbst 60 internationale Büros und 600 internationale Bewegungen vorhanden. Die Bahá’i-Bewegung ist ganz besonders dazu berufen, eine führende Stimme daselbst zu erhalten, und das Büro ist auch bereits als internationales bekannt. Durch die großen pekuniären Opfer von Miss Culver ist es möglich, das Büro, an das große Anforderungen gestellt werden, weiterzuführen.
DEUTSCHLAND.
Sowohl in Nord- als in Süddeutschland hat der Besuch von Dr. Junes Kahn Afroakta große Freude
hervorgerufen und neuen Eifer angefacht, der Heiligen Sache zu dienen. In Süddeutschland war er
besonders in Stuttgart, Karlsruhe, Eßlingen, Fellbach, Zuffenhausen. In Norddeutschland hat er
beinahe alle Gruppen besucht, und wird nach seiner Rückkehr aus Skandinavien, nachdem er Holland
und England besucht haben wird, nochmals nach Deutschland zurückkehren. Einen so treuen und
selbstlosen Bahá’i-Lehrer können wir nur mit größter Liebe und mit Freuden wieder willkommen heißen.
Rostock. Es ist uns eine Freude zu berichten, daß sich kürzlich während des Besuches von Dr. Juness Khan eine Geistige Arbeitsgemeinschaft daselbst gebildet hat. Wir wünschen der Gruppe zu diesem erfreulichen Fortschritt des Meisters Segen. Der Geistige Nationalrat wird, wie mit allen Geistigen Arbeitsgemeinschaften, in nahe Verbindung mit Rostock treten.
Stuttgart. In allernächster Zeit erscheinen „Beantwortete Fragen“ von 'Abdu'l-Bahá, gesammelt von Laura Clifford Barney im Verlag in Buchform. Das Buch gibt viele Auskünfte über Fragen religiöser, philosophischer und wissenschaftlicher Natur und bedeutet eine große Bereicherung der Deutschen Bahá’i-Literatur.
Das Werk eignet sich als wundervolles Weihnachtsgeschenk.
Von Oktober an finden wieder zweimal im Monat öffentliche Bahá’i-Versammlungen — jeden ersten und dritten Donnerstag im Monat, um 20 Uhr — im Bürgermuseum, Langestraße 4, 2. Stock, statt. Es wird diese Nachricht hier sehr freudig begrüßt, da die Versammlungen im selben Raum stattfinden, der durch 'Abdu'l-Bahás persönliche Anwesenheit geweiht wurde.
In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden.
Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr.3 zu senden
Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an den Verlag des deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart, Alexanderstr.3, Nebengebäude, zu richten.
Druck von W. Heppeler, Stuttgart.
[Seite 129]
Geschichte und Bedeutung der Bahá’ilehre.
Die Bahai-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.
Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahaibewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahaireligion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahai (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahai der Welt.
Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahai, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China etc. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.
In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).
Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.
Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.
Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, p. 66.)
Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart
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In unserem Verlag sind erschienen:
Bücher:
Verborgene Worte von Baha’u’llah. Deutsch von A. Schwarz und W. Herrigel, 1924 1.--
Baha’u’llah, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1921, in Halbleinen gebunden . . . 2.50
in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.--
Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahaireligion, von Mirza Abul Fazl. Deutsch von W. Herrigel, 1921, in Halbleinen geb. . . . . 4.50
In Ganzleinen gebunden . . . . 5.--
Abdul Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1922, in Ganzleinen gebunden . . . . 4.--
Die Bahai-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase, deutsch von W. Herrigel, 1925, kartoniert M. 4.--, in Halbleinen gebunden M. 4.60
Bah’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont, deutsch von W. Herrigel und H. Küstner. 1927. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.50
Broschüren:
Bahai-Perlen, Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1922 . . . . -.20
Ehe Abraham war, war Ich, v. Thornton Chase. Deutsch v. W.Herrigel, 1911 . . . . -.20
Die Universale Weltreligion, Ein Blick in die Bahai-Lehre von A. T. Schwarz, 1919. . . . -.50
Die Offenbarung Baha’u’llahs, von J.D. Brittingham. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1910 . . . -.50
Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit, von Dr. jur. H. Dreyfus, Deutsch von Wilhelm Herrigel. 2. Auflage 1920 . . . -.50
Die Bahaibewegung im allgemeinen und ihre großen Wirkungen in Indien, nach Berichten eines Amerikaners zusammengestellt und mit Vorwort versehen von Wilhelm Herrigel, Stuttgart 1922 . . . . -.50
Eine Botschaft an die Juden, von Abdul Baha Abbas. Deutsch v. W. Herrigel, 1912 . . . -.20
Das Hinscheiden Abdul Bahas, ("The Passing of Abdul Baha") Deutsch von Alice T. Schwarz, 1922 . . . -.50
Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1923 . . . . —.50
Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahailehre von Dr. Hermann Grossmann-Wandsbel . . . . —.20
Religiöse Lichtblicke, Einige Erläuterungen zur Bahá’i-Botschaft, aus dem Französ. übersetzt von Albert Renftle, 2. erweiterte Auflage, 1928 . . . . --.30
Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Großmann-Wandsbek . . . . . --.20
Sonne der Wahrheit, Jahrgang 3 - 8 in Halbleinen gebunden à . . . . 9.--
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