| SONNE DER WAHRHEIT | ||
| ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI | ||
| HEFT 3 | IX. JAHRGANG | MAI 1929 |
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Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i - Prinzipien.
1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.
Baha’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Baha’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Baha’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.
2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.
In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.
3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.
Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.
4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.
Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.
5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.
Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.
6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.
Dies ist eine besondere Lehre Baha’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.
7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.
Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.
8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.
Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.
9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.
Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.
10. Die soziale Frage muss gelöst werden.
Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Baha’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.
11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.
Baha’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weitsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.
12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.
Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.
Vor mehr als 50 Jahren befahl Baha’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.
Baha’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.
| SONNE DER WAHRHEIT Organ der deutschen Bahá’i Herausgegeben vom Verlag des deutschen Bahá’i-Bundes, Stuttgart Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz - Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3 Preis vierteljährlich 1,80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark. |
| Heft 3 | Stuttgart, im Mai 1929 Yamál – Schönheit |
9. Jahrgang. |
Inhalt: Die Bahá’i des Iraq beim Völkerbund. — Die geheimnisvollen Mächte der Kultur. — Erinnerungen an Ridwán. — Ridwan-Fest. — Internationale Kongresse bedienen sich des Esperanto. — Der 23. Mai, 'Abdu'l-Bahás Geburtstag. Erklärung des Báb. — Beantwortung einer Frage in Nr. 12 Jahrgang VIII der Sonne der Wahrheit.
Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion.
Bloßes Klagen und Jammern bringt nie eine Abhilfe, wohl aber häufig eine Erschwerung jedes Leids und Ungemachs. Die sicherste und wirksamste Abhilfe liegt in der ständigen Zwiesprache mit Gott, dem Allmächtigen. Du erhältst aus jedem deiner Gebete unmittelbaren Trost und Überwindungskraft. Jede Religion verheißt es dir, jeder Prophet verkündet es dir, jeder Heilige und Gerechte beweist es dir durch sein Leben und Wirken, warum willst du es nicht versuchen ? Wirf dich mit dem Schwimmgürtel des Glaubens in die tosende Brandung des Lebens und Leidens und du wirst sicher über alle Wellenberge und -Täler in die geöffneten Arme der allmächtigen Liebe und Gnade getragen werden.
'Abdu'l-Bahá.
Die Bahá’i des Iraq beim Völkerbund.
Haifa, Palästina, 20. März 1929.
An die Geliebten des Herrn und die Dienerinnen des Barmherzigen im Westen.
Geliebte Brüder und Schwestern in 'Abdu'l-Bahá!
Mit von Dankbarkeit und Freude überfließendem Herzen greife ich zur Feder, um
Euch von etwas Mitteilung zu machen, das beredt für die triumphierende Majestät und
den unüberwindlichen Geist des Glaubens an Bahá’u’lláh Zeugnis ablegt. Aus Genf, dem
Sitz des Völkerbunds, kommt die Nachricht, daß das nachdrückliche Gesuch, das die
Bahá’i vom Iraq an den höchsten Gerichtshof der Welt in einer Sache gerichtet haben,
die seinerzeit die Bahá’iwelt bis zum Grund aufgerüttelt hat, nunmehr eine herrliche und
überaus befriedigende Erwiderung gefunden hat.
Ihr werdet Euch der Mitteilungen erinnern, die ich in früheren Rundschreiben — vom 6. November 1925, 29. Oktober 1926 und 1. Januar 1929 — über die gewaltsame Beschlagnahme von Bahá’u’lláhs geheiligtem Haus in Bagdad durch die Schiiten gemacht habe, der Appelationen um die Aufhebung der Beschlagnahme, die von beinahe überall her auf der Erde auf die Obrigkeiten des Iraq niederregneten; Ihr erinnert Euch der langen und erfolglosen Gerichtsprozesse, zu denen die Vertreter der Gläubigen jenes Landes ihre Zuflucht nahmen, und schließlich der Eingabe, die sie an die ständige Mandatskommission des Völkerbundes richteten, in der sie die Geschichte des Streitfalles darlegten und an den Rat um Intervention zu ihren Gunsten appellierten. Ich habe nun die Nachricht erhalten, daß nach reiflicher Ueberlegung die Entschließung der Mandatskommission ergangen ist, die darauf dringt, daß man sofort darangeht, das Unrecht wieder gutzumachen, das die Bahá’i erlitten haben, daß dieser Beschluß dem Völkerbundsrat richtig übermittelt und von diesem sich zu eigen gemacht wurde, der dann das, was seine Kommission empfiehlt, der Mandatsmacht noch ausdrücklich zuleiten wird.
Aus dem offiziellen Text des Protokolls der Sitzung der Mandatskommission, wie aus deren autorisiertem Bericht an den Rat, die beide veröffentlicht worden sind, geht klar und deutlich hervor, daß der Wortlaut der gefaßten Entschließung nicht unbestimmt und nicht ausweichend ist, sondern in unmißverständlicher Sprache die berechtigten Ansprüche eines unterdrückten und ringenden Glaubens herausstellt. Das Urteil legt weder eine Ersatzpflicht der Bahá’i-Gemeinschaft für die geheiligten Gebäude fest, noch sieht es ausdrücklich eine solche für die Enteignung vor, die vom Staat jetzt vorzunehmen ist. Die Kommission hat, um beim Wortlaut der offiziellen Urkunde zu bleiben, beschlossen, „dem Rat zu empfehlen, von der Britischen Regierung zu verlangen, sie solle die Regierung des Iraq auffordern, ohne Verzug die Rechtsverletzung wieder gutzumachen, die die Gesuchsteller erlitten haben.“
Ein Blick in das Protokoll der Kommissionssitzung wird genügen, zu zeigen, daß
im Verlauf der Verhandlungen der Kommission die folgenden wichtigen Tatsachen
hervorgehoben und zur Kenntnis genommen wurden. Der beglaubigte Vertreter Englands,
der den Sitzungen der Kommission anwohnte, erklärte, es sei Tatsache, daß den
Bahái’s eine Ungerechtigkeit angetan worden sei und daß, sogar ehe das Urteil des
Ober-Gerichts ergangen sei, der High-Kommissioner sich überlegt habe, welche Wege
es gäbe, die ungerechten Wirkungen dieses Urteils, sei es durch einen Verwaltungsakt
oder sonstwie aus der Welt zu schaffen.“ Außerdem wurde von dem beglaubigten
Vertreter (Englands) anerkannt, daß die Bahá’is bei der Besitzergreifung in gutem
Glauben handelten, daß sie Summen an das Besitztum verwendet hatten, die über den
Wert des Grund und Bodens selbst hinausgingen‚ und in Uebereinstimmung mit
dem noch geltenden Türkischen Gesetz berechtigt seien, den Platz zu erwerben.
Ferner wurde im Verlauf der Beratungen der Kommission der Tatsache
Ausdruck gegeben, daß das Vorgehen der Schiiten-Gemeinschaft bezüglich Bahá’u’lláhs
geheiligtem Haus einen Bruch der Verfassung und des Organischen Gesetzes des Iraq
darstelle, welche nach dem Zeugnis des Britischen Vertreters ausdrücklich
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uneingeschränkte Gewissensfreiheit gewährleisten. Eine Frage eines Mitglieds entlockte dem
Vertreter der Britischen Regierung die Erwiderung, in der er der Kommission versicherte,
daß die Mandatsmacht tatsächlich Mittel besitze, einen Druck auf die Regierungsstellen
auszuüben, um nötigenfalls sicherzustellen, daß ein solcher grundlegender
Artikel der Verfassung respektiert würde. Außerdem wurde die Ansicht in bestimmter
Weise zum Ausdruck gebracht, daß die Angelegenheit „eine Bedeutung erlangt
habe, die über den Einzelfall der Bahá’is hinausgehe“, insofern als „das Urteil des
Obergerichts den Verdacht erweckte, als sei es von politischem Vorurteil inspiriert“, und
bei der Kommission den Eindruck erweckte, daß „vom moralischen Standpunkt aus sich
die Zustände im Iraq nicht besserten, solange religiöse Leidenschaften noch so hoch
schlügen, durch die zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften der Friede
noch nicht zustande gebracht worden sei.“ Es wurde sogar vorgeschlagen, den Bericht
an den Rat durch die Beobachtung zu ergänzen, daß nach Meinung der Kommission
„ein Land, in dem der Herrscher und die höchsten Gerichtshöfe zu so flagranter
Rechtsverletzung fähig sind, wahrscheinlich nicht als zum Mitglied des Völkerbunds
wählbar erachtet würde." Das Protokoll der Kommissionssitzung ergibt weiter, daß der
Brief, den der Erstminister vom Iraq an den Britischen Vertreter in Bagdad richtete und
der die Petition der Bahá’is begleitete, nach Ansicht der Kommission „auf keine der
Angaben der Gesuchsteller eingehe“ und sich auf die Versicherung beschränkte, daß das
Urteil des Berufungsgerichts in Uebereinstimmung mit den Gesetzen des Landes
erlassen worden sei. Was das Memorandum betrifft, das die Mandatsmacht im
Zusammenhang mit der Bahá’i-Petition erstattete und auf welche sich das Protokoll kurz
bezieht, so ist darin ausdrücklich festgestellt, daß die Regierung Seiner Britischen
Majestät die Außerbesitzsetzung der Bahá’is, solange der Prozeß noch nicht entschieden
war, für eine ungesetzliche Handlung hält, daß die Gründe, die dazu führten, eine
solche Handlung für zulässig zu erklären, kaum gebilligt werden könnten, und daß
das schließliche Urteil des Berufungsgerichts unhaltbar sei, dem Gesetz zuwider, und
von politischen Vorurteilen diktiert. Das Protokoll erklärt ferner, daß obwohl jede
Eingabe an die Kommission, die sich gegen ein Urteil eines Gerichthofes wendet, von
vorn herein als nicht in Ordnung angesehen wird, man es doch für wünschenswert hielt,
von der allgemeinen Regel abzuweichen und die Petition seitens der Kommission in
Behandlung zu nehmen, da sich aus der Petition der Bahá’i solch ein Zustand von
Parteilichkeit, von Knechtssinn und Sektiererei ergäbe. Und unter den
Schlußbetrachtungen im Protokoll der Kommissionssitzung über die Bahá’i-Petition
befindet sich folgende bezeichnende Stelle: „Die Enthüllungen, die im Zusammenhang mit
dieser Petition gemacht worden sind, zeigen die gegenwärtige Lage im Iraq in einem
ungünstigen Licht. In einem Land, wo die Haltung der höchsten Regierungsstellen der
Mandatsmacht Anlaß zu so herber Kritik gab, wo der höchste Gerichtshof mit Recht
verdächtigt wird, religiöser Fanatismus Minderheiten vergewaltigt und Einfluß
auf die Macht hat, herrschen Zustände, die keinerlei Entwicklung und Wohlfahrt
für die Einwohner erwarten lassen. Die Gesuchsteller haben eine krasse
Rechtsverletzung erlitten, für die die unmittelbare Verantwortung die Regierungsstellen
des Iraq trifft. Die Tatsache, daß diese Rechtsverletzung nicht verhindert werden oder
sofort wieder gut gemacht werden konnte, ist geeignet, die Kontrolle der Mandatsmacht
im Iraq zu erschweren. Die Mandatsmacht versuchte, allerdings vergeblich, das den
Gesuchstellern angetane Unrecht durch Einflußnahme gegenüber dem König Faisal und
der Regierung des Iraq, wie sie ihr der Vertrag von 1922 zuerkennt, wieder gut zu
machen. Diese Bemühungen schienen nicht völlig den Verpflichtungen zu entsprechen, die
sich aus der Erklärung der Britischen Regierung ergeben, die vom Rat am 27. September 1924
gebilligt wurde, und die von der Britischen Regierung 1926 erneuert wurde,
wonach der Allianzvertrag zwischen England und dem Iraq im Iraq die vollkommene
Beachtung und Durchführung der Prinzipien sicher zu stellen habe, die durch die
Uebernahme des Mandats in Schutz genommen werden sollten."
Dieser schwere Tadel, den die Mandatskommission des Völkerbunds der Gerichtsbarkeit
und der allgemeinen Verwaltung im Iraq erteilte, wie auch die Verbindung der
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Erniedrigung, die Bahá’u’lláhs geheiligter Wohnstätte zugefügt wurde, mit den im
Allianzvertrag eingegangenen Verpflichtungen der Regierungen von England und dem Iraq
verkünden nicht nur der Welt die gesteigerte Achtung gegenüber diesem geheiligten und
geweihten Ort, sondern zeugen auch von hohem Sinn für Unverletzlichkeit, der
die Mitglieder der geehrten Völkerbundskommission bei Ausübung ihrer öffentlichen
Tätigkeit beseelt. In ihrem formellen Bescheid an die Bahá’i-Gesuchsteller haben die
Mitglieder der Ständigen Mandatskommission des Völkerbunds mit Billigung des
Völkerbundsrats folgende überaus befriedigende Erklärung abgegeben: „Die Ständige
Mandatskommission des Völkerbunds anerkennt die Berechtigung der Beschwerde der
Geistigen Bahá’i-Arbeitsgemeinschaft in Bagdad und hat dem Völkerbundsrat ein Vorgehen
anempfohlen, von dem er sich die Wiedergutmachung des den Gesuchstellern angetanen
Unrechts verspricht.“ Eine andere Stelle, die in den Bericht an den Völkerbundsrat
auf Veranlassung des Finnischen Vertreters aufgenommen wurde, lautet folgendermaßen:
„Die Kommission hat auch eine Eingabe der Nationalen Geistigen Arbeitsgemeinschaft
der Bahá’i vom Iraq beraten, einer Gemeinschaft, die von einer andern Gemeinschaft
ihres Eigentums entsetzt wurde und nicht imstande war, solches mit
gesetzlichen Mitteln wieder zurückzuerlangen. Die Kommission ist überzeugt, daß diese
Situation, die sie als Ungerechtigkeit bezeichnet, allein religiöser Leidenschaft
zuzuschreiben ist, und sie verlangt, daß das den Gesuchstellern angetane Unrecht
wieder gutgemacht wird. Ich wage zu hoffen, daß der Rat die Vorschläge der Kommission
in diesem Fall annimmt, der ein Beispiel für die Schwierigkeiten ist, denen man in der
Entwicklung eines jungen Staates begegnet.“ Dieser Bericht wurde samt den Beobachtungen
und Entschließungen der Mandatskommission vom Völkerbundsrat für richtig erkannt und
gebilligt, der daraufhin das Sekretariat beauftragte, der Mandatsmacht sowohl wie
den beunruhigten Gesuchstellern die Entschließungen mitzuteilen, zu denen
die Mandatskommission gekommen war.
Innig geliebte Mitarbeiter! Viel wurde im Verlauf dieses verwickelten, schwierigen und hochbedeutenden Prozesses erreicht. Die Bahá’iwelt wartet begierig und betet glühend darum, der Allmächtige möge gnädigst der Regierung, die in erster Linie für die Wohlfahrt des Iraq verantwortlich ist, beistehen, „ohne Verzug" die Schritte zu tun, zur Sicherstellung der Durchführung des von den Vertretern der Hohen Regierungen, dem Völkerbundsrat und den Signatarmächten des Völkerbunds gefällten Urteils.
Ich werde, sollte es gut und ratsam scheinen, Euch über die Weise unterrichten, in der die Nationalen Geistigen Arbeitsgemeinschaften, die Vertretungen der verschiedenen Bahá’igemeinden der Welt, den Stellen des Völkerbunds ihre Bewunderung und Dankbarkeit zum Ausdruck bringen können, denen in erster Linie diese edle, diese epochemachende Entscheidung zu danken ist. Denn niemand kann zweifeln, daß der veröffentlichte Urteilsspruch, zu dem die Mandatskommission kam, das Siegel internationaler Sanktion unter den Triumph von Gottes verfolgtem Glauben über die kirchliche und zivile Macht des feindlichen Islam setzt. In den Reihen der orthodoxen Sunniten und der harten und fanatischen Schiiten, der Hauptsekten des Islam, denen die Hauptmasse der herrschenden Klasse und die Bevölkerung des Iraq angehört, muß notwendigerweise ein Gefühl der Bestürzung herrschen. Denn wie verdunkelt immer ihr Blick sein mag, so können sie doch noch soviel erkennen, daß dieses geschichtliche Urteil der Herold eines vollkommenen Sieges ist, dazu bestimmt, den Aufstieg von etwas zu begründen, das nach den Worten der Glieder der Kommission nur „eine kleine Minderheit ist, die auf einer niedereren sozialen Stufe steht", eines Sieges über die verbündeten Mächte der islamitischen Bevölkerung des Iraq.
Ich darf zum Schluß nicht verfehlen, nochmals der entscheidenden Rolle Erwähnung
zu tun, die der hervorragende und internationale Führer des Glaubens Bahá’u’lláhs,
unser innig geliebter Mountford Mills bei diesen Verhandlungen gespielt hat, die den
Weg geebnet haben für den ausgezeichneten Erfolg, der hier erreicht wurde. Die
Bahá’i-Petition, die er entworfen und abgefaßt hat, wurde von den Mitgliedern der
Mandatskommission anerkannt als „ein Dokument, wohl abgefaßt, klar in seiner Beweisführung
und gemäßigt im Ton". Er hat sich dieser überaus geheiligten Aufgabe mit vorbildlicher
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Auszeichnung entledigt und sich einer so edlen Mission würdig gezeigt. Ich bitte
Euch mit mir im Gebet für ihn zu vereinigen, daß der Geist Bahá’u’lláhs fortfahren
möge, ihn zu führen und ihm bei der endlichen Erledigung dieses überaus wichtigen
Prozesses zu helfen.
Euer treuer Bruder Shoghi.
Deutsch von H. Küstner.
Die geheimnisvollen Mächte der Kultur.
In persischer Sprache von einem hervorragenden Bahá’i-Philosophen geschrieben und von Johanna Dawud ins Englische übersetzt, deutsch von Karl Klitzing, Schwerin (Meckl.). (Fortsetzung aus Heft XI, Januar 1929.)
Im Körper darf es keine Meinungsverschiedenheit geben, sondern alle Glieder müssen in gleicher Weise auf das gegenseitige Wohlbefinden Acht geben und sich von Anfang an dessen sicher bewußt sein, daß, wenn ein Glied leidet, der ganze Körper darunter leidet.
Das dritte Kennzeichen des Fortschrittes besteht in ernstester und aufrichtiger Förderung öffentlicher Schulerziehung, im Lehren aller nützlichen Wissenschaften, ferner darin, daß man das Volk ermutigt, sich die zeitgemäßen Erfindungen zu eigen zu machen, daß man die Bereiche von Kunst und Handel erweitert und sich bestrebt, das Volk zu bewegen, sich der Methoden zu. bedienen, durch welche das Land gehoben werden kann. Denn der Mehrheit des Volkes sind diese kostbaren und so wichtigen Hilfsmittel, welche als augenblickliches Heilmittel für eine langbestehende Krankheit des politischen Körpers wirken, nicht bekannt.
Ein gelehrter und weiser Ulema müßte sich erheben und aufrichtigst in Gottes Namen predigen und Ermahnungen erteilen, damit die Augen der Menschen wie mit „Kohl“*) vom Licht der Wissenschaft erleuchtet werden.
Man bildet sich heutigen Tages ein, daß wer an Gott glaubt, seinen Glauben an die Göttlichen Worte, die Propheten, die Bücher und Gebote bekennend, und wer eine Offenbarung der Gottesfurcht ist, seine Fähigkeiten stillzulegen, seine Beschäftigung aufzugeben und seine Zeit in Nichtstun und Trägheit zu verbringen verpflichtet sei, um zu denjenigen gerechnet zu werden, welche diese Welt, und was darin ist, aufgegeben und ihre Herzen dem Wichtigsten — dem Angesicht Gottes — zugewandt haben. Man hält sich von seinen Mitgeschöpfen abgesondert und ist**) in die Nähe der Wahrheit gebracht. Da ein näheres Eingehen auf diesen Punkt zuviel Zeit in Anspruch nehmen und über die Grenzen dieses Buches hinausgehen würde, möchte ich bei anderer Gelegenheit ausführlich darauf eingehen und mich hier nicht weiter mit der Frage befassen.
*) Antimon, welches in ein feines Pulver verwandelt wird und die Sehkraft stärkt.
**) Nach ihrer Annahme. Der Uebersetzer.
Weitere Kennzeichen des Fortschrittes sind: Gottesfurcht, die Liebe zu Gott in der
Liebe zu Seinen Dienern, die Liebe zur Menschheit im allgemeinen, Langmut, Standhaftigkeit,
Wahrheit, Mitleid, Großmut, Unerschrockenheit, Zuversichtlichkeit, Beharrlichkeit,
Regsamkeit, Aufrichtigkeit, Frohsinn, Bescheidenheit, Eifer, Entschlossenheit,
Hochherzigkeit, die Liebe zur Rechtschaffenheit und ähnliche Empfindungen. Der Mangel
an diesen hohen Kennzeichen und guten Empfindungen dagegen bedeutet eine
schreckliche Unvollkommenheit.
Den wirklichen Wert jeder dieser Eigenschaften in dem vorliegenden Buche zu erklären‚ würde unsere Zeit zu lange in Anspruch nehmen.
Die zweite Bedingung, die diese heilige Lehre fordert, ist: „Seine Religion zu befolgen.“
Es ist einleuchtend, daß der Sinn dieser gesegneten Worte nicht beschränkt ist auf
die Offenbarung von Geboten, welche die Allgemeinheit vorläufig noch nicht kennt,
auf das Bestreben zur Ausübung religiösen Dienstes, oder darauf, daß man vermeidet,
erhöht oder erniedrigt zu werden und auf die Beachtung der gerichtlichen Gesetze, durch
welche die Religion Gottes bewacht und beschützt wird. Ihr Zweck ist vielmehr die
Bewahrung des ganzen Volkes vor Schaden, die Hochhaltung des Wortes Gottes, die
Vermehrung der Zahl der wahrhaft Gottesfürchtigen, die Wertschätzung der Göttlichen
Religion, ihr Sieg und Triumph über die anderen Religionen und ihre ernstliche
Nutzanwendung als Mittel von Gott.
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Wenn die Ulemas des Islams es richtig angegriffen hätten, so würden alle Nationen der Welt jetzt unter den Schutz des Wortes der Einheit getreten sein.
Und der leuchtende, herrliche Spruch: „Er ist es, welcher Seinen Apostel mit Führung und wahrer Religion gesandt hat, damit Er sie erhaben über jede andere Religion erscheinen lasse, obgleich die Anbeter (Götzendiener) dem entgegen sind,“ würde wie die Sonne am Horizont des Mittelpunktes des Seins aufleuchten und über die ganze Welt hin strahlen.
Martin Luther war seinerzeit ein großer Religionsbegründer. Seine Reformation spielte sich im sechzehnten Jahrhundert ab. Er war anfänglich ein Angehöriger der römischen Kirche und an den Vatikan entsandt worden. Später wurde er der Begründer des protestantischen Glaubens. Er befand sich in verschiedenen Fragen mit dem Papste im Widerspruch, so z. B. in den Fragen des Ueberhandnehmens der ehelosen Mönche, der Anbetung der Bildnisse der Apostel und der Alten Christlichen Kirchenväter, in Fragen über Gebräuche und religiöse Feierlichkeiten, welche über die Vorschriften aus den Evangelien angeordnet worden waren.
Obgleich zu jenem Zeitpunkte die Macht und das Ansehen der Päpste derart waren, daß alle Könige Europas vor ihrem Mißfallen zitterten und es fürchteten, und obgleich alle wichtigen Angelegenheiten in Europa unter der Aufsicht der unmittelbaren Gewalt und Macht der Päpste standen, haben trotzdem, als Luther die richtigen und wahren Auslegungen über die Fragen bekanntgab und die nötigen Mittel ergriff, um seinen Ansichten den Sieg zu verschaffen, im Zeitraum von etwa vier Jahrhunderten der größte Teil Amerikas, vier Fünftel Deutschlands und Englands und eine große Menschenzahl in Australien, — kurz, ungefähr ı25 Millionen Anhänger Christi den protestantischen Glauben angenommen. Und es wird jetzt noch ernstlich versucht, ihn immer mehr zu verbreiten. Nach den Erklärungen nach außen hin bemüht man sich, die Sudanesen und Neger zu befreien, errichtet Schulen bei ihnen und ist bestrebt, die wilden Stämme Afrikas zu belehren und zu zivilisieren.
Die wahre Absicht aber ist, die islamitischen Negerstämme zum Protestantismus zu bekehren. Ja, wahrhaftig, während alle anderen Staaten mit Vergrößerung und Hebung des Ansehens ihrer Nation beschäftigt sind, befinden wir uns noch in tiefem Schlaf und in träger Nachlässigkeit!
Betrachtet nur dies eine, was für große Dinge durch Luther und durch die Begeisterung der Anhänger seines Glaubens verrichtet worden sind!
Wenn nun die Gottesmänner, die die Manifestation des göttlichen Schutzes und der Aufgangsort Seiner Verleihung sind, ernstlich, und mit aus vollem Herzen kommenden Eifer im Vertrauen auf Gott und losgelöst von allem außer von Gott, in diesem Geist handelten, um ihre Religion zu verbreiten, wenn sie lebendig und tätig würden, so würde das Licht der sichtbaren Wahrheit, sicher über alle Regionen des Erdballs ausgegossen werden. Aber wehe! Weil es Menschen gibt, die von der Wahrheit hierüber nichts wissen, so ist der Puls der Welt in ihren Adern nicht zu fühlen. Sie haben keine Ahnung, was das wahre und wirkliche Gegenmittel für die schleichende Krankheit falscher Ansichten ist. Sie denken, daß die Ueberlegenheit einer Religion nur durch das Schwert gesichert sei, und sie versuchen, dies durch den Vers zu beweisen: „Ich bin ein Prophet durch das Schwert,“ während sie gewiß, wenn sie dem Gegenstande die nötige Betrachtung widmeten, bald ausfindig machen würden, daß heute das Schwert nicht das Mittel ist, um irgend eine Religion zu verbreiten, sondern, daß es im Gegenteil ein Mittel sein würde, um die Herzen der Menschen in Schrecken und Grauen zu versetzen.
Nach dem heiligen Gesetz ist es nicht erlaubt, das Volk des Buches zu zwingen, den Islam mit Gewalt anzunehmen, während es die rechtmäßige Pflicht eines jeden an die Einheit Gottes Glaubenden ist, ein Führer für die übrige Welt zu sein.
Die Verse: „Ich bin ein Prophet durch das Schwert,“ „Ich befehle euch, das Volk
zu töten, es sei denn, daß sie anerkennen: Es gibt keinen Gott außer Gott,“ sind für
unwissende Anhänger der Vielgötterei ausgesprochen, welche wegen ihrer außergewöhnlichen
Grausamkeit und Unwissenheit völlig von der Höhe der Menschheit herabgesunken waren.
Denn wahrlich, ein Glaube, der durch die Gewalt des Schwertes erzwungen ist,
ist sicherlich keineswegs vertrauenswürdig,
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und verändert sich bald in Unglauben und Irrtum.
So begab es sich mit den Stämmen in der Umgebung der erleuchteten Stadt Medina. Bald nach dem Aufsteigen der höchsten Sonne der Prophetenschaft zu dem Throne der Wahrheit, in die Nähe des allgewaltigen Herrn, des allmächtigen Gottes, wurden diese Stämme abtrünnig und kehrten wieder zum Heidentum zurück.
Betrachtet wiederum den Zeitabschnitt, als der Heilige Odem des Geistes Gottes (Jesus Christus) das Land Palästina, Galiläa, die Ufer des Jordanflusses und die Gegend um Jerusalem erfüllte, als die herrlichen Worte des Evangeliums den geistig Gesinnten zu Gehör kamen. Zu jener Zeit waren alle Nationen und Völker in Asien, Europa, Afrika, Amerika und auf den ozeanischen Inseln außer der jüdischen Nation, welche an die Göttliche Einheit glaubte, Feueranbeter und Götzendiener und dem Rufe zum Tage des Gerichts gegenüber unachtsam.
In der Mission des Heiligen Einen wurde der herrliche, reine, Leben gebende Odem der ewigen Wahrheit durch die Eingebung von Gott den Bewohnern dieser Gegenden verliehen, und die natürliche Grundlage des Gesetzes Jesu gelegt, welches zu jener Zeit die Arznei und das unmittelbare Heilmittel für den kranken Körper der Menschheit war.
Obschon zu Lebzeiten jenes Heiligen Einen es nur einige wenige Seelen gab, welche an Gott glaubten, waren es doch in Wirklichkeit nur zwölf Männer — die Apostel (unter ihnen Judas Ischariot, ein Abtrünniger, so daß elf Apostel übrig blieben) — und einige Frauen, doch wurde nach der Himmelfahrt des Heiligen Einen zu dem Horizont der Herrlichkeit diese kleine Zahl von Männern und Frauen wegen ihrer geistigen Fähigkeit, ihres heiligen Lebens und durch die Göttliche Macht und Eingebung des Geistes Christi der Würde teilhaftig, das ganze Volk der Erde zur Wahrheit zu führen.
Die heidnischen Nationen und die Juden jener Zeit erhoben sich mit der Absicht, durch ihre Gewalt und Anstrengungen das Göttliche Licht auszulöschen, welches in der Lampe des Landes um Jerusalem angezündet worden war. Wie geschrieben ist: „Sie beabsichtigen, das Licht Gottes durch ihr Geschrei auszulöschen, aber Gott hat beschlossen, sein Licht zu vollenden, obgleich die Ungläubigen ihm abgeneigt sind und es als unmöglich betrachten.“
So marterten sie jeden dieser Heiligen mit den schrecklichsten Martern und Qualen. Einige von ihnen wurden in Stücke geschnitten. Andere von ihnen wurden in einen feurigen Ofen geworfen, um lebendigen Leibes verbrannt zu werden. Von den Nachfolgern dieser Heiligen Männer wurden welche lebendig begraben, nachdem sie mit allen Arten Folterwerkzeug gemartert worden waren. Trotz aller dieser schrecklichen Martern und des weitverbreiteten Vorurteils im Volke und der gegen sie geübten Feindseligkeit hörten sie nie auf, die Religion Gottes zu verkünden, und sie taten dies, ohne das Schwert aus der Scheide zu ziehen oder irgend jemand im geringsten zu kränken.
Die Nachfolger Jesu Christi haben sich schließlich so weit über die Welt hin verbreitet, daß auf den Kontinenten Europa und Amerika keine Spur irgendeiner anderen Religion übrig geblieben ist. In Asien, Afrika und auf den Inseln des Ozeans gibt es heute ebenfalls eine große Anzahl von Menschen, die in den Schatten des Evangeliums eingetreten sind.
Diese Tatsachen sind deutliche Beweise dafür, daß die Verbreitung der göttlichen Religion von der Vervollkommnung des Einzelwesens, der Güte des Herzens, angenehmen Gewohnheiten und von Taten herrührt, die aus einer geistigen Gesinnung hervorgehen.
Wenn ein Wesen mit guter Veranlagung an Gott glaubt, wird es an der Schwelle der Einheit angenommen werden. Denn seine Seele ist von allen persönlichen Fehlern und von dem Laster der Selbstsucht befreit und hat zu der schützenden Obhut Gottes Zuflucht genommen. Es wird bei seinen Mitmenschen durch die Eigenschaften der Zuverlässigkeit, der Wahrhaftigkeit, der Mässigkeit, der Gerechtigkeitsliebe, des Fleißes, der Treue, Frömmigkeit und Reinheit gekennzeichnet sein.
So wird der Hauptzweck der Offenbarung der heiligen, himmlischen Gesetze, d. h. die
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sittliche Verbesserung dieser Welt, die Läuterung der Denkungsart der Menschen und
die Verwirklichung der Glückseligkeit aus der höheren Welt erreicht werden. Wenn
man versuchen wollte, dies durch das Schwert zu erreichen, so könnte es sein, daß
die Menschen nach außen hin Gläubige würden, aber innerlich Heuchler wären.
Erinnerungen an Ridwán.
Einer der eindruckvollsten Tage meines Lebens war mein Besuch in Akka, der Besuch im Gefängnis, worin Bahá’u’lláh und 'Abdu'l-Bahá sich jahrzehntelang in strenger Gefangenschaft befanden. Von Shoghi Effendi geleitet haben wir in Bahá’u’lláhs Ruhestatt in tiefer Erschütterung gekniet und den Geist, der an der heiligen Stätte weht, in unsere Seele getrunken. Wir haben unsere Blütenkelche an der Türschwelle Seiner letzten Ruhestätte niedergelegt und lange in tiefinnerer Versunkenheit und Einkehr verbracht. Shoghi Effendi wollte uns später zu den Gärten Ridwán und Firduz führen. Der Garten Ridwán bei Akka ist zur Erinnerung an den Garten Ridwán bei Bagdad geschaffen worden. Ridwán bedeutet Paradies. In letzterem verweilten Bahá’u’lláh und Seine Familie vor Seinem Abschied von Bagdad. An jenem Ort wurde die Herrlichkeit Gottes in Bahá’u’lláh zum ersten Mal durch Seine Erklärung kundgetan.
Durch umermüdliche, liebevolle Pflege des sandigen Bodens bei Akka ist eine grüne Oase, ein kleines Paradies entstanden, wo der Fluß Naün in zwei Arme abzweigt. Hohe, dichtbelaubte Maulbeerbäume spenden wohltuenden Schatten, darunter ist ein Holztisch, auf dem wir unser aus Haifa mitgebrachtes Mahl aufgetragen fanden. Ueber das Ufer hinausragend stehen die weißen Holzbänke — der Lieblingsplatz Bahá’u’lláhs. Diese waren damals baufällig, sie sind nun heute wieder in dem Zustand wie zu Zeiten Seines höchsten Glanzes. Ein reizendes Wasserwerk wurde in Tätigkeit gesetzt durch die unermüdliche Arbeit eines Pferdchens, das die Sakiä trieb — das Wasserrad, das das Wasser vom Fluß heraufhebt und durch eine Rinne herführt in ein Becken und dieses wieder überfließend in eine Steinrinne leitet, woraus das Wasser wieder zu den Wellen zurückfindet, von denen es hochgehoben wurde.
Ueber die Sakiä erhebt sich ein Eukalyptusbaum, in dem der Windhauch leise spielt. Andere mächtige Bäume und herrliche Araukarien, Orangen, Mandarinen und Citronenbäume breiten ihre weiten Zweige über eine blühende Pracht buntfarbiger Blumen.
Dieses Eiland steht in scharfem Kontrast zu dem farblosen jenseitigen Ufer des Flusses, in dem nur einzelne hohe Palmen stehen, auf dürrem Boden, dabei eine kleine Ansiedlung von Fellachen.
Am breiten Ende des Ridwángartens steht ein einfaches langgestrecktes Gebäude. Es enthält nur wenige Gelasse. Der größte Raum, der ganz verblieben ist, wie ihn Bahá’u’lláh bewohnte, diente als Wohn- u. Empfangsraum. Oft aber war in den Ridwántagen, die Bahá’u’lláh Jahr um Jahr an diesem Ort verbrachte, der Raum zu klein, das Haus zu eng, um allen Gläubigen, die Bahá’u’lláh aufsuchten, Obdach zu bieten und so brachten jene unter dem sternenbesäten Himmelszelt ihre Nächte zu.
Jeden Morgen trat Bahá’u’lláh unter sie, sprach zu ihnen und beschenkte sie persönlich mit Süssigkeiten. Die ganze Atmosphäre im Ridwán macht auf einen empfindsamen Menschen einen tiefen Eindruck. Die Welt mit ihrem Lärm und Haß, ihrer Angst und Not ist ferne. Tiefe Stille über sonnigem Land. Es ist, als ob der Odem Gottes hier fühlbar wehte. Ein längst vergessenes Lied aus der Kindheit kommt mir in den Sinn, worin es heißt:
Da gehet leise nach Seiner Weise
der liebe Herrgott durch den Wald.
Und was ist aus dem Garten von Najib-Pascha, dem Ridwán bei Bagdad geworden? Hat sich die Stadt so sehr vergrößert, daß dort Häuserkomplexe stehen, dort, wo einst die Bedeutenden und Würdenträger der Stadt hinpilgerten, um Bahá’u’lláh zu sehen, Ihm zu sagen, wie tief sie Sein Fortgehen bedauerten, wie sehr sie Ihn verehrten und hochschätzten? Welchen Eindruck müssen jene von der überragenden Persönlichkeit Bahá’u’lláhs mitgenommen haben, der als ein Verbannter vor ihnen stand und ihnen eine Größe und Weite Seiner Gedankenmacht kund tat und von dem eine geistige Macht ausging, die sich die Welt erobern sollte? Ist jener Garten noch, der durch Ihn geheiligt ist? Dann müssen dort tausende von Himmelsschlüsseln und Passionsblumen blühen. Dichter werden ihn besingen, Philosophen und Weise werden aus den Quellen des Geistes schöpfen, die dort geflossen sind. Sollte er auch versunken sein, vergessen ist er nie.
A. Schwarz.
Der Garten Ridwán bei Bahajee.
Ridwan-Fest.
Die Bahá’i-Welt feiert den Tag, an welchem Bahá’u’lláh Seine hohe Mission zunächst vor einem kleinen Kreis Getreuer, im Grunde aber für die ganze Welt offenbarte.
„Ich lag auf meinem Lager und schlief und eine Stimme zwischen Himmel und Erde erweckte mich.“
Dieses Bekenntnis wurde zunächst die Ursache größter Erbitterung, Feindschaft und des Hasses seitens der Menschen, gleichzeitig aber auch zur Quelle größter Glückseligkeit, der Erlösung und Reinigung für die Menschen.
Bahá’u’lláh wußte dies mit göttlichem Wissen, Er wußte, was der Menschheit nottut, damit sie herausgerissen wird aus der dumpfen Trägheit ihres Wollens, der Veräußerlichung und Vermaterialisierung und der Gleichgültigkeit Gott gegenüber. Als das Oel in der Lampe der Erkenntnis Gottes zur Neige gegangen war, sandte Gott Seinen Diener, um sie mit neuem Oel zu füllen und hell lodert die Flamme, von Bahá’u’lláh entfacht, und erleuchtet einen neuen Welt-Cyklus der Gottesherrschaft auf Erden. Kampf zwischen Licht und Finsternis ist die Losung unserer Tage, aber nicht Kampf von Mensch zu Mensch, von Volk zu Volk, sondern Kampf in der eigenen Seele, Abwägen zwischen Gut und Böse im Menschen selbst und Entscheidung, ob wir Gottes sein wollen oder Opfer unseres eigenen kleinen, unbedeutenden Ichs. Wir dürfen diesen Kampf nicht zu leicht nehmen, wenn wir wahrhaftig treue Nachfolger Bahá’u’lláhs sein wollen, durchdrungen von der Größe und heiligen Verantwortung Seiner Verkündigung für alle Welt.
Worin aber liegt der tiefe Sinn Seiner Botschaft, Befreiung von aller Not, das tiefe Geheimnis der Erlösung und der Harmonie unter den Menschen?
„Ein Gebot gebe ich euch, daß ihr sollt Liebe haben zu eurem Nächsten. Dies ist das größte und vornehmste Gebot. Das andere aber ist ihm gleich: ihr sollt lieben euren Nächsten wie euch selbst“, sagte Christus, dessen Botschaft uns aus unserer Kindheit am vertrautesten ist, ehe wir von Bahá’u’lláh hörten und den in Ihm erkannten, der gekommen ist, Christus und Sein Wort in unseren Herzen wieder lebendig zu machen und uns außerdem zu zeigen, daß alle Gottgesandten wie Christus der Menschheit das Gebot der Liebe brachten, und daß aller Menschen Bemühen und Versagen und immer neues Ringen in dieser Quintessenz des Lebens Sieg und Erlösung finden wird. Wenn wir lieben, sind wir Gott nahe, der uns von Anbeginn der Welt geliebt hat, dessen Liebe uns ins Dasein rief und der in unaufhörlicher, über alles Menschendenken erhabener Weise liebevoll uns unablässig zu Sich zieht.
Was aber ist Liebe, was verlangt sie von uns? Ich glaube, sie ist das größte und schwierigste Problem, das Menschenherzen je bewegt, der größte Kampf, den wir in uns auszufechten haben, denn sie ist ernstgenommen die völlige Beherrschung unserer tierischen Eigenschaften um höherer, edlerer, göttlicher Erkentnisse willen. Alles verstehen, alles verzeihen, das heißt lieben. Unseren Nächsten wirklich lieben, heißt alles in uns zu beseitigen, wodurch wir bewußt oder unbewußt ihn verletzen würden, es heißt aber darüber hinaus: alle Kränkung, die uns zugefügt wird, zu vergeben, zu vergessen und mit Edlerem zu überwinden. Nicht nur siebzig mal, sondern siebzig mal sieben mal. Das fällt unserer menschlichen Natur unendlich schwer, die viel leichter dazu neigt, uns selbst als den Mittelpunkt zu betrachten und von uns selbst auszugehen in der Bewertung anderer. Die Nächstenliebe aber verlangt, daß wir in uns selber sterben, um in anderen aufzugehen, sie verlangt ein zartes, liebevolles Einfühlen in das Wesen und Empfinden des Andern, dann nur können wir ihn ganz verstehen. Und dann werden wir auch erkennen, daß vieles, das wir von unserem Nächsten als gewollte Kränkung empfinden, es gar nicht ist, sondern daß oftmals innere Not und Mißverstandensein und Kampf in ihm selbst ihn zum Zerrbild machen, sodaß er unglücklich ist. Helfende Liebe überwindet jede Kluft und bringt lebendige Wärme in leblos erstarrte, von Kummer zergrämte Herzen, und sie ist das einzige Heilmittel gegen Haß, Feindschaft und jede unfreundliche Gesinnung, weil sie allein ihnen überlegen ist. O, daß uns doch Gott die Kraft schenken möchte, solche Liebe in uns aufzurichten und in wirkende Tat umzusetzen. Denn nicht durch Gefühle wird die Welt erlöst, sondern durch die Tat allein. Durch solche Tat, die hingeht und auf Golgatha verblutet, durch solche Tat, die 40 Jahre lang geduldig Kerker und Verbannung, Schmach und Unrecht erduldet und es dennoch nicht lassen kann, das hohe Evangelium des Lichts zu verkündigen und das Erlösungswerk an der Menschheit zu vollbringen aus heiliger Liebe.
M. L. Fack.
Internationale Kongresse bedienen sich des Esperanto.
Von Martha L. Root.
Die Welt bestreitet nun nicht mehr, daß Esperanto eine lebende Sprache ist. Verschiedene internationale Kongresse haben sich im Jahr 1928 dieses internationalen Hilfsmittels als der offiziellen Sprache für eine und nur diese eine Uebersetzung bedient, z. B. wenn die Reden in Französisch, Englisch, Deutsch oder in andern Sprachen gehalten werden, so gibt sie der Dolmetscher in Esperanto wieder. Dies hat sich so erfolgreich bewährt, daß einige der größten Welt-Kongresse im Jahr 1929 sich des Esperanto bedienen werden. Unter anderem sind dies die dritte Zweijahrs-Konferenz der Welt-Vereinigung erzieherischer Gesellschaften, welche in Genf vom 26. Juli bis 4. August 1929 stattfinden wird. Tausend Delegierte werden erwartet. Das Internationale Büro der Erziehung in Genf berichtet, daß möglicherweise außerdem noch eine Konferenz der internationalen Schul-Korrespondenz in Genf drei Tage vor diesem Kongreß stattfinden wird und diese Konferenz wird Esperanto anerkennen. Die neue Erziehungs-Genossenschafts-Konferenz, welche vom 6. bis 16. August in Kopenhagen tagen wird, wird Esperanto als die offizielle Uebersetzungssprache gebrauchen. Es ist eine interessante Tatsache, daß Delegierte in der ganzen Welt, nachdem sie sehen, daß Esperanto überall gebraucht wird, mit dem Studium desselben anfangen, um imstande zu sein, die Sprache zu verstehen. Die beste Propaganda für Esperanto ist vielleicht nicht, darüber zu sprechen, sondern es anzuwenden.
Die Internationalen Kongresse, welche Esperanto so erfolgreich einführten, waren 1923: der inter-religiöse Kongreß für Frieden im Haag, Holland; der Welt-Jugend-Kongreß für Frieden in Eerde, Holland; Welt-Kongresse religiöser Sozialisten in Le Locle, Schweiz; der internationale Kongreß für Arbeiter-Erziehung in Gotenburg.
Der inter-religiöse Kongreß für Welt-Frieden vom 30. Juli bis 2. August 1928 im Haag war der erste in seiner Art, welcher in Europa gehalten wurde. Es ist dies die Mutterkonferenz vieler anderer, welche in Zentral-Europa stattfinden werden. Anwesende Pastoren, Pazifisten, Städte-Vertreter, welche bisher nicht viel von Esperanto hörten, waren erstaunt, daß so viele Delegierte mit Leichtigkeit jedes Wort verstanden. Sie kauften Esperanto Bücher, um zu Hause diese internationale Sprache zu erlernen, welche in aller Welt sich solche Gunst erwirbt.
Amerikaner, welche Europa zu bereisen gedenken, finden in Esperanto einen Reisepaß für alle fortschrittlichen Bewegungen. Esperanto ist auch eine Sprache der Bruderschaft. Die Esperantisten gehören zum neuen Zeitalter. Unter ihnen sind die Fahnenträger universaler Erziehung und zur Lösung wirtschaftlicher Fragen, Gelehrte, Heilkundige, weitberühmte Sachverständige. Der Mann oder die Frau, welche Esperanto versteht, wird den Herzen, den Seelen europäischer Kultur begegnen.
Als ich eines Tages mit Dr. Edmond Privat sprach, dem Präsidenten der allgemeinen Esperanto-Vereinigung (UEA.) einer der Größen in dieser Sprache, frug ich ihn: „Was würden Sie dem Professor oder Sprachkundigen antworten, welcher vielleicht zwanzig Sprachen spricht, ohne Esperanto sich angesehen zu haben, was es wirklich ist, sagte: Oh, Esperanto ist eine künstlich gemachte Sprache. War nicht jede Sprache anfangs eine künstliche, kunstvoll zusammengesetzt?“ Dr. Privat erwiderte: „Einesteils ja, Esperanto ist eine künstliche Sprache — und andererseits doch wieder nicht. Die Grundlage der Sprache war nur ein sehr begrenzter Wortschatz von internationalen Wurzel-Worten und einigen Regeln der Grammatik. Vierzig Jahre sind verflossen und die Sprache hat sich erweitert, sie wurde bereichert durch einen immer häufigeren Gebrauch. Eine Sprache ist nicht in einem Buch enthalten, sondern in dem ausgedehnten Material lebendiger Ausdrücke, welche von den Menschen gebraucht werden, die sich der Sprache bedienen. Die Endungen allein sind der künstliche Teil, die Bildung neuer Worte durch Verbindung der Wurzeln und durch das Hinzukommen bestehender Anhänge, Silben, Anhängesilben, welche einen beinahe unbegrenzten Wortschatz geben. Die Macht der Verbindungen ist so viel ungezwungener, so daß die Möglichkeiten dieser universalen Sprache außergewöhnlich sind.“
Für Leute, welche viel gereist sind und mit Staatsmännern und den Massen in verschiedenen Ländern zusammentrafen, ist es augenscheinlich, daß irgend eine nationale Sprache nicht nur nicht annehmbar, sondern als internationale Hilfssprache ungeeignet ist für den internationalen Gedanken-Inhalt eines neuen universellen Zeitalters.
Die Leute, welche als Vertreter von 45 Ländern zum Völkerbund in Genf gehen, sprechen
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größtenteils französisch oder englisch oder auch beides: Alle Reden in diesen Sitzungen werden
ins Französische und Englische übersetzt. Einige sprechen in ihrer Muttersprache und sorgen für
ihren eigenen Dolmetscher, deren Worte dann wieder übersetzt werden. Viel Zeit geht
auf diese Weise verloren, vieles Geld wird für Dolmetscher ausgegeben, sowie für Uebersetzungen
und für Drucksachen in verschiedenen Sprachen. Das internationale Arbeitsbüro in Genf hat
jedoch rasch die Vorteile von Esperanto eingesehen. Es gibt einen separaten Tagesbericht in
dieser Sprache heraus und führt einen Nachrichtendienst in Esperanto.
Anschließend an den Esperanto-Welt-Kongreß in Antwerpen hatte Brüssel im August einen internationalen Arbeiterkongreß, woselbst jede Rede dreimal übersetzt werden mußte. Le Locle in der Schweiz war der Platz, wo im August ein wundervoller inter-religiöser Kongreß der Christlich Sozialen stattfand und wo jeder Delegierte von der Flamme eines geistigen Feuers in Brand gesetzt war, um der Menschheit zum Welt-Frieden und zur geistigen Bruderschaft zu verhelfen. Esperanto wurde mit Erfolg gebraucht, und es wurde folgender Beschluß für den nächsten Kongreß im Jahre 1930 gefaßt: „Der internationale Kongreß des religiösen Sozialismus, welcher Esperanto als die einzige verdolmetschte Sprache gebrauchte, empfiehlt allen Gruppen in den verschiedenen Ländern mit dem Studium dieser Sprache zu beginnen, um den internationalen Zusammenschluß, insbesondere bei dem nächsten Kongreß, zu erleichtern.
Universale Erziehung ist nicht nur für die Wenigen, die Zeit und Muse haben für höheres Studium und das Erlernen vieler Sprachen. Die Aufgabe der Erzieher des zwanzigsten Jahrhunderts ist vielmehr, die arbeitenden Klassen der Welt mit einer Welthilfssprache auszurüsten, Esperanto ist ein Weg zu internationaler Verständigung, welchen das arbeitende Volk gehen kann.
Der zwanzigste Esperanto-Kongreß in Antwerpen vom 3. bis 11. August 1928 wurde von 1500 Delegierten aus 42 Ländern besucht. Nachstehender Brief der Begrüßung der Delegierten von Shoghi Effendi, dem Hüter der Bahá’i-Sache, wurde bei der Eröffnungssitzung vorgelesen:
„Haifa, Palästina, 4. Mai 1928.
Liebe Mitarbeiter! Gelegentlich der Eröffnung des zwanzigsten Esperanto-Welt-Kongresses möchte ich im Namen der Bahá’i im Osten und Westen, Sie der Gefühle des Wohlwollens, der Bruderschaft und der herrlichen Sympathie wiederholt versichern, weiche die Nachfolger Bahá’u’lláhs beseelen in Ansehung jenes Werkes, durch dessen Förderung Sie so edle und ergebene Dienste leisten. Ich kann Sie versichern, daß die Mitglieder der weltweiten Bahá’i-Gemeinschaft mit zunehmendem Interesse und aufrichtiger Anerkennung den Fortschritt Ihrer Arbeiten verfolgen und fühlen, daß Sie durch Ihre unermüdlichen Anstrengungen eines der aufgestellten Prinzipien Bahá’u’lláhs fördern helfen. Sie teilen mit mir die glühende Hoffnung, daß in Zukunft engere Bande der Zusammenarbeit und Bruderschaft die Esperantisten der Welt mit unsrem geliebten Glauben verbinden werden, und daß die Anbahnung und Erhaltung freundschaftlicher Beziehungen zwischen Bahá’i und Esperantisten zur Besserung der Menschheit beitragen möchten. Möge der Allmächtige Sie leiten und Ihre Beratungen segnen und Sie gnädig unterstützen, die verschiedenen Völker und Nationen einer unselig zersplitterten Welt zu einem besseren Verständnis und zur Vereinigung zu bringen. Ihr aufrichtiger und wohlwollender Bruder Shoghi!“
Vertreter von Regierungen und von mehr als 50 internationalen Vereinigungen sandten Grüße, Hunderte von Briefen und Telegrammen von nationalen Gesellschaften liefen ein. Es wurde angezeigt, daß 167 Radio-Stationen Esperanto verbreiten, und es war eine große Diskussion wegen des Gebrauchs von Esperanto für „Lebende Bilder“ und für „Sprechende Bilder“ oder "Lebende Töne“,
Zwei Bahá’i-Esperanto-Sitzungen wurden als Teil dieses großen Kongresses abgehalten. Fräulein Lydia Zamenhof, die jüngste Tochter des verstorbenen Dr. L. Zamenhof, des Schöpfers des Esperanto, übernahm das Ehrenpräsidium bei beiden Sitzungen und eröffnete diese mit beredten Worten.
Dr. Kliemke unter dem Pseudonym Dr. Heinrich Nienkamp, Autor von „Fürsten ohne Krone“, Bahá’i und namhafter Schriftsteller in Europa, sprach über „Die Bahá’i-Bewegung und die Politik“. Politik in dem Sinne des Einflusses auf nationale und internationale Angelegenheiten auf der Grundlage der Prinzipien Bahá’u’lláhs. Mr. H. S. Mohammed Ruhani von Resht in Persien behandelte das Thema „Die Bahái-Bewegung und Esperanto in Persien“.
Herr Echtner aus Prag sprach über „Der Geist des Neuen Tages“. Mrs. Maria Hanford Ford von
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New York City über „Die Reihenfolge der Propheten“ und Miss Martha Root über „Universale
Erziehung für den Weltfrieden“. Ausgezeichnete Esperantisten aus verschiedenen Ländern sprachen
kurz. Miss Julia Culver aus Chicago trug viel zum Gelingen dieser beiden Sitzungen bei.
Der nächste Esperanto-Welt-Kongreß wird in Budapest im August 1929 stattfinden.
Deutsch von E.F.
Der 23. Mai, 'Abdu'l-Bahás Geburtstag. Erklärung des Báb.
Am 23. Mai im Jahre 1844 ist der Welt großes Heil widerfahren und alle Engelszungen mögen im unermeßlichen Reich des allmächtigen Schöpfers die Geburt des Erwählten des Herrn, des Erlösers der Menschheit verkündigt haben. Wer sich mit der Bahái-Lehre befaßt hat, wer irgend einen tieferen Einblick in die Ereignisse der Weltgeschichte, die sich im Orient, in Persien vom Jahre 1844 bis heute abspielten, tun konnte, der weiß, daß mit diesem Tag sich zugleich in Nur ein Herold, der Báb erhob mit großem geistigem Einfluß auf die Menschen, der einen Offenbarer aller Wahrheit und einen Manifestierten des neuen Bundes, den Gott mit den Menschen schloß, verkündigte. Die Mission des Báb war vorbereitend für die Zeit, der alle großen bestehenden Religionen der fünf Weltteile entgegensehen, die ihnen von ihren Religionsgründern mit größter Gewißheit verheißen wurde, das Kommen des „Vaters“, der Herrlichkeit Gottes auf Erden mit größter Macht und Herrschaft.
Und Er kam. Nicht wie die Menschen Ihn wohl erwarteten, die in materieller Herrschaft so häufig die Bedeutung der Persönlichkeit suchen, diese weltliche Macht legte Bahá’u’lláh freiwillig nieder, als Er sich als der Verheißene erklärte, sondern angetan mit dem Purpur unvergänglichen geistigen Glanzes und mit der Leuchtkraft einer neuen Sonne. Er schuf eine neue Zeit, einen Frühling, der mit Pracht und strahlender Schönheit die ganze Welt besiegen wird. Durch Seine Gebote, durch Sein in die Weltkommen hat ungeahnt von den meisten Erdenbewohnern eine neue geistige Epoche begonnen, und ein neuer Zeitgeist belebt die Welt.
Diesem größten Manifestierten, der nicht nur für ein Volk, wie bisher die Gottesboten auftraten, erschienen ist, sondern der für die ganze Welt kam, wurde am 23. Mai 1844 ein Sohn geboren, der zum Mittelpunkt Seines Bündnisses bestimmt war, 'Abdu'l-Bahá-Abbas Effendi, der Diener Gottes. Was der Vater offenbarte, war Er ausersehen zu verkündigen. Er sollte die Wahrheit im Osten und Westen verbreiten, auf Ihn sollten alle Augen der zum Neuen Tag Erwachten aufblicken — zu solch hohem Werk war Er erkoren.
Schon im zarten Alter war 'Abdu'l-Bahá voller Weisheit Gottes, nur von Seinem Vater gelehrt, bekundete Er göttliche Offenbarungen und stellte Sich mit größter Selbstverleugnung in den Dienst der Menschheit. Seine Kindheit und Jugend, ja den größten Teil seines Lebens verbrachte Er bei Seinem über alles geliebten Vater in Gefangenschaft und Verbannung. Die größten Entbehrungen, Anschuldigungen, Verleumdungen wurden dem Oberhaupt und dem Sohn dieser aus fürstlichem Geschlecht stammenden Familie von den Menschen zuteil, zu deren Erlösung sie in die Existenz gerufen waren. Mit übermenschlicher, Göttlicher Kraft überwanden sie die Macht der Finsternis und schufen Stufe um Stufe empor zur Wahrheit. Erst im Jahre 1909 wurde 'Abdu'l-Bahá durch die allgemeine Amnestie frei, blieb aber in Akka freiwillig wohnen.
Die Herrlichkeit Gottes — Bahá’u’lláh, war 1892 von dieser Erde gegangen.
Zehn Jahre zuvor hatte Bahá’u’lláh ein Testament geschrieben, worin Er 'Abdu'l-Bahá zu Seinem
alleinigen Nachfolger, als Mittelpunkt des Bündnisses Gottes ernennt und Ihm Seine ganze
Herrschaft erteilt. Er allein ist der Verkündiger und Erklärer der Gesetze. Mit beispielloser Größe
trotz weiteren Mühsalen hielt 'Abdu'l-Bahá die Fahne der Gottesoffenbarung mit fester Hand
hoch, von allen sichtbar. Die Zahl der Anhänger der neuen, heiligen Gotteslehre wuchs von Tag
zu Tag, die Erkenntnis war in ihr Herz gedrungen und die Schleier der Vorurteile und der Aberglauben,
die Rassen und Religionen trennt, hatten sich behoben. In allen Ländern erweckte
Gott Menschen zur Wahrheit, in Persien, der Geburtsstätte dieser Gottgesandten, haben allein
20 000 Menschen große Qualen erlitten und mit ihrem Blut ihren Glauben besiegelt. Starke Herzen
waren diese, die für ihre Ueberzeugung dies auf sich nahmen und noch stärker ist die Macht
des belebenden Geistes, der trotz heftigstem Widerstand der Feinde der Bahá’i-Lehre
immer neue Seelen in großer Zahl zuführte. Wie notwendig eine Neubelebung auf dem geistigen
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Gebiet — dem Nahen zu Gott ist, wird allgemein empfunden. In allen bestehenden Religionen hat
Ritus und Form den wahren lebendigen Geist verschleiert, und diese sind anstatt seiner zur
Hauptsache geworden. Aber in vielen Menschen ist ein Verlangen nach Wahrheit wach, das sie suchen
heißt, und so greift Mancher nach dem scheinbar besseren, als was er bisher hatte, schließt
sich einer Sekte oder einer geistigen Richtung an, die ihn wohl einige Zeit vielleicht befriedigt,
die aber nur wieder ein Teil, ein Herausgerissenes ist und ihn einseitig macht. -
Die Bahá'i-Lehre hingegen ist allumfassend, denn sie ist reine Wahrheit und unverhüllte Weisheit — sie basiert auf dem Kern jeder großen Religion, denn ihre Quintessenz war und ist immer die gleiche, die beiden Grundprinzipien — die Gotteserkenntnis und die Liebe zum Nächsten. Diese beiden Urgesetze sind unabänderlich und feststehend - nur die weltlichen Gesetze — die Sitte, Gerechtigkeit, Hygiene u.s.f. betreffend, wurden der Entwicklung der Menschheit entsprechend von den Propheten abgeändert und erweitert. Heute ist die Welt auf technischem Gebiet zu einer großen Blüte herangediehen, aber die wichtigere Seite immer mehr unbeachtet geblieben, unseligerweise Nebensache geworden. Gott aber jammerte der Menschheit, und so entsandte Er Sein Wort durch Bahá’u’lláh — der so umfassende, einschneidende und neue Gesetze brachte, wie sie bis dahin noch nicht bekannt waren.
Hier seien Religionsvereinigung, Weltfriede — Weltsprache — Gleichberechtigung von Mann und Frau erwähnt, die in keiner früheren Gottesoffenbarung Raum fanden.
Täglich ist uns Gelegenheit geboten, den Zeitgeist, den die neue Gotteslehre ins Leben rief, im Bedürfnis und in der Sehnsucht der Menschen zu erkennen; man glaubt selbständig zu handeln, und wir alle sind doch nur von dem neuen Geist, der die Welt durchflutet, inspiriert.
Des Herrn Wort — es werde-— vollzieht sich unaufhaltsam, entwickelt sich auf die natürlichste Weise, bis die Stunde anbrechen wird, zu der alle Menschen Kenntnis von dem „Neuen Tag Gottes“ haben werden und sie sich der Glut dieser Liebes-Sonne nicht länger entziehen können, durch die sie von der Form zur Wirklichkeit durch die Bahá’i-Lehre gelangen.
Die Welt wird eine neue werden — die Menschheit eine andere als bisher, Geist, Wissenschaft, Gerechtigkeit werden die vielfachen Irrtümer, Aeußerlichkeiten und Oberflächlichkeiten mit höheren Werten ersetzen.
Die Erkenntnis durch das Wort Gottes, der geistige Wert wird die Menschen zu einer anderen Denkweise führen als bisher, die Erkenntnis gebietet, die Gebote, die die Bahá’i-Lehre bringt, im Leben zu verkörpern, denn ihre absolute Nowendigkeit wird klar und einleuchtend.
Wie leicht wäre es unserem geliebten Meister gefallen, sich der Mühsale, der Verfolgung und Einkerkerung zu entziehen. — Er tat es nicht. Er ertrug alle Demütigung, um uns aus der Finsternis zu erlösen. Ihm war Kerker und Haft ein Geringes gegen dem Leid, dem Irrtum, in dem die Menschen sich befinden. Er erfüllt Sein Erlöserwerk voll und ganz,
Den der Welt von Bahá’u’lláh geschenkten, schriftlich niedergelegten Gesetzen und Büchern hat 'Abdu'l-Bahá eine große Anzahl von Niederschriften, durch Erklärungen und Erläuterungen in Vorträgen, die Er auf Seiner Reise nach Europa und Amerika in Kirchen, Synagogen oder in privaten und öffentlichen Kreisen hielt, beigefügt, desgleichen zahlreiche Tablets an Bahá’i.
Damit die Lehre einheitlich bleibe und nicht in einzelne Zweige zerfalle, ist alles schriftlich niedergelegt. Nur der Eine — der Mittelpunkt des Bundes ist berechtigt, die Gebote Bahá’u’lláhs auszulegen, und so werden sie nach dem heiligen Wunsch des Allmächtigen bestehen für alle Zeit.
In 'Abdu'l-Bahá wohnte der gleich hohe göttliche Geist, der auch aus Christus sprach - und die Lehren Christi werden uns neu lebendig, aber nicht nur die Christen sondern alle, welche die Bahá’i-Lehre annehmen, seien es Buddhisten, Zoroastrier, Brahmanen, Mohammedaner oder Juden, anerkennen Seine Lehre und dienen Christus, wie auch die christlichen Bahá’i die Religionsgründer anderer Bekenntnisse als von Gott entsandt, anerkennen. Der Anschluß an die Weltreligion nimmt uns nichts von dem, was wir an echter Religion besitzen, sondern löst nur Aberglaube und Form auf und erfüllt in klarster Weise die Worte Christi, denn Er ist nur wiedergekommen im Reich des Vaters wie Er verhieß.
Die Zeit ist erfüllt, die Geheimnisse sind von den heiligen Büchern genommen und erklärt.
Wie einst die Jünger vor über 1900 Jahren stehen wir am
Beginn eines neuen geistigen Zeitalters. Damals war es nur eine kleine Schar von
Anhängern. In diesem Zyklus sind es Tausende, und aber Tausende, die die heilige neue
Lehre Bahá’u’lláhs bei Verlassen
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dieser Welt mit Leben und Blut bezeugten; in solchem Maß ist die Bedeutung der Bahá’i-Lehre
größer, als die Periode des Christentums war.
Als im Frühjahr 1913 unser teurer Meister Stuttgart mit Seiner heiligen Gegenwart segnete, war unser Kreis kleiner wie heute, es waren, verhältnismäßig wenige, die einer persönlichen Begegnung mit 'Abdu'l-Bahá teilhaftig wurden. Zu den Bahá’is sagte Er damals, als wir dringend baten, der Meister möchte wiederkehren: „Die aufrichtigste und größte Liebe zieht mich am meisten an!“ Wie vielen ist Er indessen geistig begegnet und hat den glimmenden Funken in der Seele zur hellen Flamme der Gottesliebe — also auch für die Liebe zum Nächsten entfacht. In vielen Herzen wächst die Liebe zum Meister Tag für Tag — möge diese Flammenglut eine goldene Brücke bilden, damit wir immer wieder des Glücks teilhaftig werden, Ihm zu begegnen.
Möge das Segenswerk unseres Meisters Friede dem Herzen der Menschen senden, damit wir uns als Brüder erkennen, die alle zu dem Einen wahrhaftigen Gott beten.
Zur Frühlingszeit ist unser Meister geboren, zur Frühlingszeit besuchte Er uns und in der geistigen Frühlingszeit stehen wir heute. Möge der Segen Gottes wie der Tau, der die Erde netzt, um sie früchtereich zu gestalten, in das Herz der Menschen fallen.
Am 23. Mai, am Tag der Erklärung des Vorläufers, des Báb, und am Geburtstage 'Abdu'l-Bahás geziemt es uns, Gott aus tiefster Seele zu loben und zu danken, daß Er uns aus dem Schlaf der Nachlässigkeit weckte. Der Beginn dieses geistigen Zeitabschnitts hat nicht seinesgleichen, denn mit Blitzeseile ist die Lehre in der ganzen Welt verkündigt worden.
Gott schenkt uns immerwährend Gelegenheit, uns zu entwickeln. In tausend Dingen ist Er erkennbar, nur unsere Unzulänglichkeit und Mangelhaftigkeit an heiligem Bemühen verzögern unseren Fortschritt. Atome sind wir nur in Seinem All, und doch waren wir Ihm nicht zu gering, daß Er einen neuen Bund mit uns schloß, uns in väterlicher Liebe einen Mittelpunkt Seines Bundes schenkte.
'Abdu'l-Bahá geht uns als leuchtendes Beispiel voran, wir dürfen nur Seiner Lichtbahn nachfolgen.
Die ersten Zeilen des Psalms 96, die von David für die heutige Zeit verkündigt sind, und die zugleich ein Leitwort für unsere Arbeit bilden, lauten:
„Singet dem Herrn ein neues Lied, singet dem Herrn alle Welt! Singet dem Herrn und lobet Seinen Namen, verkündigt von Tag zu Tag Sein Heil!“
Damit das Reich voll der Wahrheit Gottes werde und wir in die Reihe der Jünger des hohen Meisters treten dürfen und unser Leben ein Dienst für unseren Nächsten und ein Lobpreis Gottes sei.
A. Schwarz.
Beantwortung einer Frage in Nr. 12 Jahrgang VIII der Sonne der Wahrheit.
Wodurch beweist sich die Notwendigkeit einer neuen Gotteslehre?
„Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, der Erste und der Letzte“, spricht Gott durch den Propheten der Offenbarung, und der Dichter des 90. Psalmes singt: „Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurde, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.“ Diesen Aeußerungen der Bibel über das ewige, nicht an die endliche Zeit gebundene Wesen Gottes schließt sich das Wort Bahá’u’lláhs an: „Der alleinige Gott ist erhaben über Ort, Raum und Zeit, Worte und Erklärung, Zeichen, Beschreibung, und Erkenntnis, Höhe und Tiefe.“
Wir wollen uns darüber klar sein, daß nicht die Notwendigkeit besteht, einen neuen Gott zu suchen und zu lehren, sondern daß wir bedürfen, aus vielen göttlichen Lehren den ewigen Gott wieder zu erkennen. Es ist sein Wille, daß Friede auf Erden walte; nicht, daß aus den Lagern der Menschen, die sich um seinen Thron scharen, der Ruf erschalle: Hier Mohammed! Dort Christus! Hier Katholisch! Dort Evangelisch! und daß der Blick der Menschen haften bleibe am andersartigen Tempel ihrer Nächsten, die ihn doch im innersten Grund doch auch wie wir, nur erbaut haben, um dem ewigen Gott darin zu dienen.
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So erkennen wir die Notwendigkeit einer neuen Gotteslehre aus dem Wirrsal der religiösen
Verhältnisse unsrer Zeit. Solche Wirrsale haben schon früher bestanden. Was wären die Kämpfe des
Volkes Israel vor 3000 Jahren schon anderes gewesen als ihr heißes Bemühen, gegen alle Götter
und Göttinnen der Umwelt Jahwe, den Gott Abrahams und Moses, zu behaupten?
Dies Bemühen ist ihnen reich gelohnt worden dadurch, daß Jesus, Gottes Sohn, in ihre Mitte trat. Sie mochten es damals erkennen oder nicht, er war der Messias. Und er lebt sein ewiges Leben bis heute und weiter.
Der alleinige Gott aber, der zu erhaben ist, um auf Erden zu wandeln, die nur seiner Füße Schemel ist, dessen stets gleiche, ewige Schöpferkraft zu groß ist, als daß sie ein beschränkter Menschengeist begreifen könnte, der alleinige Gott fand es gut, nach Seinem ewigen Plane für das Heil der Menschen einen neuen Offenbarer Seiner Herrlichkeit in die Welt zu senden: Bahá’u’lláh.
Nicht weit vom Paradies der ersten Menschen, in Persien, ließ er Ihn geboren werden. Wie einst Jesus, so auch Ihn mitten hinein in eine Welt des Widerspruchs und des Kampfes. Einen Sohn gab er Ihm, 'Abdu'l-Bahá, der die ganze Schwere und Not vierzigjähriger Gefangenschaft miterlebte und dem der Gesegnete als einem treuen Diener das Innerste Seiner Lehre anvertrauen konnte, daß er es weiter gebe den Menschen. Ist es nicht ein göttliches Zeugnis für die Lehre, daß 'Abdu'l-Bahá in drei Weltteilen Gott verkündete und Seinen Willen, daß alle Völker und alle Zungen sich zu dem Einen wenden sollen, der ein neues Panier in der Welt aufgeworfen hatte gerade in der Zeit, als bibelgläubige Christen den Weltuntergang vorhergesagt hatten im Jahre 1844; das Jahr, da das Tor einer neuen Zeit aufgetan wurde durch den Báb.
Wir können nichts tun als Hände und Herzen leihen zum Wirken Gottes in dieser Zeit, in der das Reich Gottes, um das wir seit 2000 Jahren bitten, kommt. „Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“ fügten die ersten Christen zum Gebet des Herrn, der es endete: „Und führe uns nicht in Versuchung!“ Und jetzt will Gott, daß die Versuchungen ein Ende habe sollen, daß die Herrlichkeit anbreche. Sie ist da, immer stärker bricht ihr Leuchten durch politisches und persönliches Dunkel; soll nicht, wie es im Leben einzelner Völker einen Frühling gab, eine Höhe der äußeren Machtstellung und der inneren Blüte, soll so nicht auch einmal für die Welt, als das Machtgebiet Gottes, eine Zeit schönster Lenzesblüte kommen, da Gott Seinen Bund mit der Welt neu eingeht, da Er kommt, der in der Höhe wohnt, zur Welt, die ganz zerschlagen ist, daß Er sie erquicke?
Drum: Mache dich auf, o Welt, werde Licht! Denn dein Licht kommt, und die Herrlichkeit des Herrn ging auf über dir.
'Abdu'l-Bahá: „Freude und Glückseligkeit muß der große Meister bringen, keine Sorge und Trübsal darf ihn bedrücken.“
Jesaja: „Ich freue mich im Herrn, und meine Seele ist fröhlich in meinem Gott.“
Bahá’u’lláh: „Ich tröste den Niedergebrochenen und erwecke den Toten zu neuem Leben. Ich bin das führende Licht, das die Welt erhellt.“
Weil es aber ein Strom göttlichen Lichtes, göttlicher Liebe ist, der durch die Welt zieht, laßt uns ihm die Herzen öffnen, die Hände in ihm wirken, daß wir dadurch geheiligt werden, und daß wir die Welt heiligen für Gott.
M. Strobel.
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Druck von W. Heppeler, Stuttgart.
Geschichte und Bedeutung der Bahá’ilehre.
Die Bahai-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.
Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahaibewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahaireligion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahai (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahai der Welt.
Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahai, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China etc. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.
In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).
Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.
Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.
Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, p. 66.)
Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart
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In unserem Verlag sind erschienen:
Bücher:
Verborgene Worte von Baha’u’llah. Deutsch von A. Schwarz und W. Herrigel, 1924 1.--
Baha’u’llah, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1921, in Halbleinen gebunden . . . 2.50
in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.--
Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahaireligion, von Mirza Abul Fazl. Deutsch von W. Herrigel, 1921, in Halbleinen geb. . . . . 4.50
In Ganzleinen gebunden . . . . 5.--
Abdul Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1922, in Ganzleinen gebunden . . . . 4.--
Die Bahai-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase, deutsch von W. Herrigel, 1925, kartoniert M. 4.--, in Halbleinen gebunden M. 4.60
Bah’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont, deutsch von W. Herrigel und H. Küstner. 1927. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.50
Broschüren:
Bahai-Perlen, Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1922 . . . . -.20
Ehe Abraham war, war Ich, v. Thornton Chase. Deutsch v. W.Herrigel, 1911 . . . . -.20
Die Universale Weltreligion, Ein Blick in die Bahai-Lehre von A. T. Schwarz, 1919. . . . -.50
Die Offenbarung Baha’u’llahs, von J.D. Brittingham. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1910 . . . -.50
Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit, von Dr. jur. H. Dreyfus, Deutsch von Wilhelm Herrigel. 2. Auflage 1920 . . . -.50
Die Bahaibewegung im allgemeinen und ihre großen Wirkungen in Indien, nach Berichten eines Amerikaners zusammengestellt und mit Vorwort versehen von Wilhelm Herrigel, Stuttgart 1922 . . . . -.50
Eine Botschaft an die Juden, von Abdul Baha Abbas. Deutsch v. W. Herrigel, 1912 . . . -.20
Das Hinscheiden Abdul Bahas, ("The Passing of Abdul Baha") Deutsch von Alice T. Schwarz, 1922 . . . -.50
Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1923 . . . . —.50
Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahailehre von Dr. Hermann Grossmann-Wandsbel . . . . —.20
Religiöse Lichtblicke, Einige Erläuterungen zur Bahá’i-Botschaft, aus dem Französ. übersetzt von Albert Renftle, 2. erweiterte Auflage, 1928 . . . . --.30
Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Großmann-Wandsbek . . . . . --.20
Sonne der Wahrheit, Jahrgang 3 - 8 in Halbleinen gebunden à . . . . 9.--
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