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SONNE DER WAHRHEIT | ||
Heft X | VIII.JAHRG. | DEZ. 1928 |
ORGAN DES DEUTSCHEN BAHAI-BUNDES STUTTGART |
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Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i - Prinzipien.
1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.
Baha’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Baha’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Baha’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.
2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.
In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.
3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.
Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.
4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.
Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.
5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.
Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.
6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.
Dies ist eine besondere Lehre Baha’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.
7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.
Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.
8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.
Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.
9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.
Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.
10. Die soziale Frage muss gelöst werden.
Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Baha’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.
11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.
Baha’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weitsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.
12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.
Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.
Vor mehr als 50 Jahren befahl Baha’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.
Baha’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.
SONNE DER WAHRHEIT Organ des Bahá’i-Bundes, Deutscher Zweig Herausgegeben vom Verlag des Bahá’i-Bundes, Deutscher Zweig, Stuttgart Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz - Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3 Preis vierteljährlich 1,80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark. |
Heft 10 | Stuttgart, im Dezember 1928 Masá il — Fragen |
8. Jahrgang |
Inhalt: Worte 'Abdu'l-Bahás. — Brief von Shogi Effendi. — 'Abdu'l-Bahá in Amerika III. — Advent. — Friede auf Erden. — Universalität der Bahá’i-Lehre. — Weihnachtszeit. — Berichtigung.
Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion.
Als dieses Dunkel auf der Welt lag, brauste das Meer der Gnade hoch auf und der Glanz stieg empor, das Licht leuchtete auf, damit die Toten erkannt würden, und dies ist dasselbe Licht der frohen Botschaft, das in den himmlischen Büchern vorausgesagt wurde.
Bahá’u’lláh.
Worte 'Abdu'l-Bahás.
„Du fragst, o meine Tochter, was meine Absichten sind?
Meine Lehre bezweckt: Die Errichtung des Internationalen Schiedsgerichts
Die Verkündigung der Einheit des Menschengeschlechts
Die Übereinstimmung der Religion mit Wissenschaft und Vernunft
Die Aufklärung zur notwendigen Einigung der Religionen Gottes
Die Erklärung des abermaligen prophetischen Erscheinens
Die Belehrung der Menschheit mit der Erkenntnis der Menschheits-Verbrüderung
Die Einschärfung der uranfänglichen Einheit aller Erscheinungen
Die Erhebung der Fahne der Einheit der menschlichen Rasse
Die Schöpfung eines Kerns, um die universale Rasse hervorzubringen
Die Verbreitung des Gebots geistiger Zivilisation
Die Lehre der Vereinigung der himmlischen Philosophie
Gerechtigkeit in wirtschaftlicher Beziehung zwischen den Kapitalisten und dem Arbeiterstand, damit sich jedes einzelne Glied der Menschheit besten Wohlergehens und der Entwicklung erfreuen kann
Die Organisation des schiedsrichterlichen Hofes der Gerechtigkeit, damit alle Nationen der Welt an diesem Hofe ihre internationalen Streitfragen vortragen und auf diese Weise alle Spuren der Feindschaft und des Streites behoben werden, und
Das Prinzip einer universalen Hilfssprache.
Dies ist meine Pflicht, dies ist meine Aufgabe, dies sind meine Absichten!“
Brief an Herrn Albert Renftle in Karlsruhe aus Haifa.
Haifa, 23. Okt. 1928.
Mein lieber Freund!
Im Auftrag unseres lieben Shoghi Effendi danke ich Ihnen für Ihren Brief vom 18. August. Er war sehr erfreut, ein Exemplar Ihrer Druckschrift über die Bahá’i-Lehre zu erhalten und hofft zuversichtlich, daß diese viel dazu beitragen wird, den Geist und die Herzen des deutschen Volkes für die Wichtigkeit der Bahá’i-Lehre und ihrer Prinzipien zu erwecken. Es zeigt sich in jedem Land als immer unerläßlicher, daß einflußreiche und geistreiche Männer und Frauen mit der Botschaft dieses „Neuen Tages" bekannt gemacht werden, weshalb auch Shoghi Effendi die Veröffentlichung Ihrer Broschüre mit großer Zuversicht begrüßt. Er hofft, daß diese ein wertvolles Hilfsmittel zur Verbreitung der Bahá’i-Lehre in Deutschland wird.
Innenansicht des Pilgerhauses.
Er schätzt Ihr gütiges Anerbieten, ihm weitere Exemplare Ihrer Broschüre zu senden,
außerordentlich; da jedoch deutsche Literatur hier selten verlangt wird, denke ich,
daß 50 Stück der Druckschrift vollauf genügen.
Gestatten Sie mir, Sie der Gebete und der guten Wünsche Shoghi Effendis, wie auch seiner großen Befriedigung über die Veröffentlichung Ihrer Schrift zu versichern, die er, sobald es seine Zeit gestattet, durchsehen wird.
Mit vielen Grüßen
aufrichtigst in Seinem Dienste Ihr
Soheil Afnan.
Nachschrift:
Mit der Versicherung meiner brüderlichen Liebe und den besten Wünschen für Ihren Erfolg, Ihr Glück und Ihren Fortschritt
Ihr treuer Bruder Shoghi.
'Abdu'l-Bahá in Amerika.
Kapitel III.
Von Dr. Zia Bagdadi. Aus dem Englischen übersetzt von Karl Klitzing, Schwerin.
In Cleveland, Ohio wurde 'Abdu'l-Bahá am 6. Mai 1912 in dem Hotel Euclid durch die Bahá’is,
ihre Freunde und die immer gegenwärtigen Zeitungsberichterstatter empfangen. Wenn ein
Berichterstatter danach fragte, welche Botschaft 'Abdu'l-Bahá bringe, erwiderte Er: „Meine Botschaft
ist die Einheit der Menschheit und der universale Friede. Sie will die Fragen der Religion mit
wahrer Wissenschaft in Uebereinstimmung bringen, will gleiche Rechte für alle und die
Beseitigung religiöser, nationaler und politischer Vorurteile. Sie erklärt die Wirklichkeit der
göttlichen Religionen und beseitigt Nachahmungen und sektiererischen Aberglauben. Sie verlangt,
die Frauen in einem solchen Grade auszubilden, daß ihnen gleiche Rechte wie den Männern [Seite 147]
zuteil werden, die wirtschaftlichen Verhältnisse und Lebensbedingungen wieder ins Gleichgewicht zu
bringen, sodaß, während ein Fürst auf dem Thron der Ehre sitzt, auch der Arme Haus und Heim
hat. Meine Botschaft verlangt die Errichtung geistiger Zivilisation, Verbesserung der Sitten und
zeigt die Einheit der Grundlage der göttlichen Religionen, denn, wenn die Menschen in der Welt
die Wirklichkeit der Religionen erforschen, werden sie geeinigt, da es nur eine Wirklichkeit
gibt. Wegen Nachahmungen verharren sie in Uneinigkeit und Unstimmigkeit, denn die Nachahmungen
sind verschieden.“
Später ging 'Abdu'l-Bahá zu der Wohnung von Dr. C. M. Swingle, wo Er zu den Bahá’is und ihren Freunden sprach. Am Abend sprach Er im Hotel Euclid vor öffentlicher Versammlung.
Pittsburgh, Pa. 7. Mai 1912. Die lieben Freunde in dieser Stadt mieteten im siebten Stockwerk des Schenley-Hotels passende Räume und waren über dieselben außerordentlich glücklich, weil sie jenen im Plaza-Hotel in Chicago ähnlich waren.
Während ihrer privaten Unterhaltung stellten die Freunde alle dieselbe Frage: „Meister, wie gefallen Dir diese Räume?“ Er erwiderte allen das gleiche. „Sehr gut! Sehr gut!“ Als alle glücklich und zufrieden von Ihm gegangen waren, wandte Er sich mit lächelnder Miene an mich und rief aus:
„Diese Freunde möchten gerne wissen, ob mir diese Räume gefallen! Sie wissen nicht, was wir früher durchzumachen hatten. Stelle dir die Zustände und Verhältnisse vor, als wir von der türkischen Regierung verbannt und in den Baracken von Akka eingekerkert waren. Bahá’u’lláh hatte einen Raum für sich inne. Seine Familie und verschiedene andere Familien waren genötigt, gemeinsam einen anderen Raum einzunehmen. Außer der schlimmen Krankheit, die wütete, und dem Sterben vieler Gefangener — Erwachsener und Kinder — infolge ungesunder Umgebung und Ernährung war, wie ich merkte, meine Anwesenheit in jenem überfüllten Raume eine weitere Ursache der Folter für alle. Dies war dem Umstande zuzuschreiben, daß Eltern und Kinder sich bedrückt fühlten und sich Gewalt antaten, in meiner Anwesenheit still und zurückhaltend zu sein. Um ihnen daher Bewegungsfreiheit zu geben, begnügte ich mich mit dem Leichenhaus der Baracken, weil das der einzige verfügbare Raum war, und wohnte darin ungefähr zwei Jahre. Jetzt wollen die guten Freunde hier wissen, ob mir diese prächtigen Räume genügen!“
Am Abend sprach 'Abdu'l-Bahá in einer öffentlichen Versammlung im Hotel. Er erläuterte einige Bahá’i-Prinzipien und erklärte, daß „das Morgenland vom Abendland materielle Zivilisation erwerben, dagegen das Abendland vom Morgenland göttliche Zivilisation holen muß.“
Später beantwortete 'Abdu'l-Bahá in einer Versammlung von Aerzten und Erziehern alle Fragen, und als Ergänzung erklärte Er, wie Krankheiten zu heilen sind. Wenn die Aerzte richtig diagnosifizieren lernen, d. h. die Krankheitserscheinung festzustellen, und die richtige Verteilung oder das Gleichgewicht der Bestandteile des Körpers als die Grundlage der Behandlung ansehen, also wenn einer dieser Bestandteile vermindert ist oder fehlt, eine Diät anwenden, die den verringerten Bestandteil wieder ersetzen kann, dann wird kein Bedürfnis nach Arzneimitteln und anderen schwierigen Heilmitteln mehr bestehen.“
Obgleich diese wissenschaftliche Darlegung von 'Abdu'l-Bahá sehr kurz lautet, weiß der verständige und fortschrittliche Arzt, daß sie das Geheimnis der Medizin und die Grundlage enthält, auf welcher der richtige Weg der physischen Heilung künftig begründet werden muß.
Als die anwesenden Aerzte keine Fragen mehr zu erörtern hatten, sagte 'Abdu'l-Bahá, daß Er eine Frage an sie zu richten hätte.
„Wie kommt es, daß die Tiere sich selbst heilen, der Mensch aber in Krankheitsfällen ratlos oder hilflos bleibt?"
Für einen Augenblick sahen die Aerzte einander forschend an, aber nicht einer öffnete den Mund. Zuletzt, vielleicht nach einer Beratung, sagten sie: „Wir möchten lieber die Antwort aus dem Munde 'Abdu'l-Bahás hören.“ Seine Antwort war folgende:
„Weil die Gedanken des Menschen nicht nach einer Richtung hin beschränkt sind; er ist deshalb unachtsamer. Andererseits jedoch ist durch Konzentration und tiefes Denken sein Wissen größer als bei allen anderen Geschöpfen.“
Am 8. Mai 1912, während 'Abdu'l-Bahá die Vorbereitungen traf, um von Pittsburgh nach Washington, D. C., zu fahren, bat Ihn Seine Begleitung, ein besonderes Abteil, oder wenigstens den Schlafwagen zu benützen, damit Er besser ruhen könnte. Aber Er weigerte sich unbedingt.
„Ich vollbringe gewisse Dinge und habe gewisse Ausgaben," sagte Er nachdrücklich, „nur um anderen zu helfen und der Sache Gottes zu dienen. Andererseits fand ich seit Anbeginn meines Daseins keinen Gefallen an einer Bevorzugung!“
Washington, D. C. 8. Mai 1912. Dies war 'Abdu'l-Bahás zweiter Besuch in der Stadt
Washington,
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und nach Seiner Ankunft bezog Er ein Zimmer in der Harvard-Straße 1340. Später besuchte
Er Mr. und Mrs. A. J. Parsons.
Am folgenden Tage, dem 9. Mai 1912, machte sich eine gewisse Opposition von Seiten fanatischer Geistlicher fühlbar infolge des großen öffentlichen Interesses, welches 'Abdu'l-Bahá’s Besuch in der Stadt hervorrief. Sie sprachen erbittert gegen Ihn und die Bahá’i-Sache, aber alle ihre Anstrengungen waren vergeblich! 'Abdu'l-Bahá’s Erklärung hiezu war folgende:
„Ich gehe mit den Menschen sehr gelinde um, damit sie sich nicht abwenden und die geringste Einwendung erheben können, dennoch haben diese Geistlichen in Washington uns des Atheismus beschuldigt. Die Opposition der Führer der religiösen Strömungen ist ein Beweis der Macht und Größe der Bahá’i-Sache, denn niemand würde einer unwichtigen Sache irgendwelche Aufmerksamkeit schenken!“
Am folgenden Tage, dem 10. Mai 1912, sprach 'Abdu'l-Bahá in einem Frauenklub und besuchte später eine Siedlungsheimstätte, eine Wohlfahrtseinrichtung für kleine Kinder, an welcher Mrs. Alice Barney und andere interessiert waren. Von dort aus ging Er zum Essen in die Wohnung von Mrs. Barney. — Mrs. Barneys Schwiegersohn und Tochter, Herr und Frau Hippolyte Dreyfus-Barney aus Paris, waren auch anwesend.
New York, 11. Mai 1912. Dies war 'Abdu'l-Bahá’s zweiter Besuch in der Stadt New York. Die Bahá’i aus dieser Stadt und Umgegend füllten Seine Räumlichkeiten in der Riverside Drive 227. „Marhaba! Marhaba!“ Dies war der erste Gruß, den fast alle Freunde und Besucher aus dem Munde 'Abdu'l-Bahá’s hörten, der soviel heißt, wie: „Willkommen! Willkommen!“ Nach Bewillkommnung Seiner Besucher wandte 'Abdu'l-Bahá sich an die Anwesenden mit folgenden Worten:
„Wir kamen nach Chicago und Washington. Es war mir eine Freude, denn das amerikanische Volk ist höflich, bestrebt, etwas zu lernen und bemüht, Fortschritte zu machen. Wenn man einen Baum sieht, der wächst und gedeiht, muß man voll Hoffnung sein, denn zweifellos wird er Blüten treiben und Früchte tragen. Die Menschen haben Fragen gestellt, und wenn sie die Antworten hörten, erhoben sie keine Einwendungen. Als wir mit den Gelehrten zusammentrafen, und mit ihnen wichtige Fragen erörterten, brachten sie ihre Genugtuung zum Ausdruck. Jeder, der eine wichtige Frage zu stellen hatte, zeigte sich auf meine Antwort hin befriedigt. Viele gelehrte Männer in anderen Ländern sind nicht so, weil sie voll Widerspruchs sind. Wir trafen in Chicago gute Geistliche und wurden von verschiedenen eingeladen, in ihren Kirchen zu sprechen. Wir hielten umfassende Ansprachen und wurden von einem der Geistlichen, Rev. Dr. Milburn, in seine Wohnung eingeladen. Es war da niemand, der nicht seine Genugtuung und seine Zustimmung ausdrückte. Auch gestern sprachen wir zu einer ausgezeichneten Gruppe in Washington, D. C., zu einigen Richtern und einem der persönlichen Freunde des früheren Präsidenten Roosevelt. Als das Wesen der heiligen Sache oder der Weg zur Vereinigung der verschiedenen Religionen und zum guten Willen unter den Nationen zur Sprache kam, sagte der Freund von Mr. Roosevelt: „Christus war die Ursache von Uneinigkeit!“ Als ich ihm hernach die Einheit und den guten Willen der Nationen unter dem Einfluß von Christus erklärte, lächelte er und ließ es gelten und auch alle anderen Anwesenden waren befriedigt. Zuletzt fragte ich: „Habt ihr noch irgend welche Fragen oder Einwendungen?“ Er erwiderte: „Nein! Durchaus nicht!“ Ich fragte: „Seid ihr mit diesen Erklärungen einverstanden?" Er erwiderte: „Sehr wohl.“
Montclair, N. J., 12. Mai 1912."Obgleich ich von der Reise noch angegriffen bin,“ erklärte 'Abdu'l-Bahá, „müssen wir heute wieder nach Montclair abreisen, um in der Einheitskirche zu sprechen.“
Zuerst ging Er zur Wohnung von Mr. und Mrs. Edsel und von dort aus zur Einheitskirche. Hier sprach Er über das Wesen der „Göttlichen Einheit“ und der „Einheit Gottes“. Als Er Seine Rede beendet hatte, brachte der Geistliche das Kirchenbuch, damit es durch 'Abdu'l-Bahá’s Feder gesegnet würde. Sein Wunsch wurde erfüllt, und 'Abdu'l-Bahá schrieb folgendes auf Persisch:
„O Gott! Du heiliger Herr! Dank sei Dir, daß wir Berge und Täler und den Ozean durchqueren durften, bis wir dies Festland erreichten; in diesem Lande haben wir Deinen Namen und Ruhm mit unserer Zunge erwähnt. Auch in dieser Kirche haben wir gleich wie Elias Dein Königreich verkündet. O Gott! Lasse die Glieder dieser Kirche von Deiner Schönheit angezogen werden und schirme, schütze und segne sie. 'Abdu'l-Bahá Abbás.“
New York. Am Abend des 12. Mai 1912 hielt 'Abdu'l-Bahá in der Methodisten-Episkopal-Gnaden-Kirche
in der 104. Straße des Westens New Yorks eine bemerkenswerte Ansprache an die
Versammlung des Internationalen Friedensforums, von der folgendes aufgezeichnet ist:
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„Wenn wir auf die Geschichte zurückblicken, finden wir, daß vom Anfang der Welt bis zur gegenwärtigen Zeit Streit und Krieg unter der Menschheit vorgeherrscht haben. Es gab entweder Religionskriege oder Schlachten zwischen Rassen, oder Streit und Krieg zwischen Staaten oder zwei Erdteilen. Und alles dies ist aus menschlicher Unwissenheit entstanden und rührt von Mißverständnissen und aus Mangel an Erziehung her. Die größten Kriege und Schlachten fanden der Religion wegen statt.
Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß die göttlichen Propheten kamen, um Einheit und Harmonie unter der Menschheit aufzurichten. Sie waren göttliche Hirten, keine Wölfe. Der Hirte sammelt und beschützt die Schafe. Er treibt sie nicht auseinander. Jeder göttliche Hirte sammelte eine Herde Schafe, die vorher zerstreut waren. Zu den Hirten gehörte Moses, der die Schafe der zerstreuten Stämme Israels sammelte, sie vereinigte und sie ins Heilige Land führte. Er brachte sie aus ihrer Zerstreutheit wieder zusammen, schuf Harmonie unter ihnen und wurde die Ursache ihres Fortschrittes. Daher wurden ihre Erniedrigung in Ruhm, ihre Armut in Reichtum und ihre Fehler in solchem Grade zu Tugenden verwandelt, daß die salomonische Herrschaft aufgerichtet wurde und der Ruf ihres Ruhmes den Osten und Westen erreichte. Dadurch wird es klar, daß Moses ein wirklicher Hirte war, weil er die zerstreuten Schafe Israels sammelte und vereinigte.
Als Jesus Christus erschien, wurde auch Er die Ursache der Einheit. Er brachte die zerstreuten Schafe Israels mit den zerstreuten Schafen der Griechen, Römer, Chaldäer, Assyrer und Aegypter zusammen. Diese Völker lagen miteinander im größten Streit und Krieg. Sie vergossen gegenseitig ihr Blut und zerrissen einander wie wilde Tiere. Aber Christus sammelte und vereinigte diese Völker und brachte sie in Einklang miteinander und zerstörte die Ursache von Kampf und Streit. Es ist daher klar, daß die göttlichen Religionen die Ursache der Gemeinschaft und Liebe sind. Die Religion Gottes ist nicht die Ursache von Kampf und Streit. Wenn die Religion zur Ursache von Uneinigkeit wird, ist ihr Nichtsein besser als ihr Sein, denn die Religion muß die Ursache von Leben sein. Wenn sie aber zur Ursache des Todes wird, ist es besser, religionslos zu sein. Die religiösen Lehren sind gleich einer Arznei; wenn die Arznei die Ursache der Krankheit wird, ist das Nichtvorhandensein einer Arznei zweifellos besser als ihr Vorhandensein. .
Ebenso trat Mohammed zu einer Zeit auf, als sich die arabischen Stämme in größter Feindschaft und im Kampf befanden, und ihr Blut vergossen, den Besitz einzogen, Familien und Kinder zu Gefangenen machten, fortwährend Krieg auf der arabischen Halbinsel führten, als keine Seele ihres Lebens sicher war, und keiner der Stämme irgendwelche Ruhe hatte. — Er aber vereinigte die zerstreuten Stämme. Er veranlaßte sie, sich zu vertragen und miteinander übereinzustimmen. Kampf und Krieg wurden abgetan. Die Araber gelangten auf solch eine hohe Stufe, daß das Königreich Andalusien und die mächtige Herrschaft der Kalifen gegründet wurde.
Hieraus können wir erkennen, daß göttliche Religion auf einer einheitlichen Grundlage beruht, und daß sie zum Frieden und nicht zu Kriegen führt. Sie ist Liebe, Wahrheit, Einheit und Gemeinsamkeit. Die Kriege aber rühren von Nachahmungen in der Religion her, die sich später eingeschlichen haben. Der Ursprung aller Religion ist derselbe, das ist die Wirklichkeit... In den Nachahmungen liegen die Unterschiede begründet. Weil die Nachahmungen voneinander abweichen, werden sie zur Ursache von Uneinigkeit. Wenn jedoch alle Religionen der Welt die Nachahmung aufgeben und der ursprünglichen Grundlage der Religion folgen würden, würden alle übereinstimmen. Sie würden keinen Kampf und Krieg mehr haben, denn die Religion ist Wirklichkeit, und es gibt nur eine Wirklichkeit. Sie läßt keine Vielfältigkeit zu... In Persien bestand unter den verschiedenen Sekten und Religionen die größte Erbitterung und Gehässigkeit. Ebenso in anderen asiatischen Ländern. Die Religionen nahmen gegeneinander eine feindliche Haltung ein. Die Sekten vergossen gegenseitig ihr Blut. Die Rassen und Stämme lagen miteinander im Kriege, sie kämpften und stritten fortgesetzt. Sie glaubten, daß der größte Ruhm darin bestünde, ihre eigene Art zu erschlagen. Es wurde für eine Religion als ein Ruhm angesehen, eine andere Religion anzugreifen und im Kampfe zu besiegen. In einer solchen Zeit erschien Bahá’u’lláh in Persien... Er legte die Grundlage zu universalem Frieden, erhob den Ruf der Einheit der Menschen und verbreitete die Grundsätze des Friedens und der Reform im Osten.
(Forts. folgt.)
Advent.
M. L. Fack.
Wenn es draußen beginnt, unfreundlich zu werden, wenn die Tage kürzer werden und die Sonne nur noch spärlich ihre Strahlen zur Erde niedersendet, dann beginnen wir Menschen uns zurück. zuziehen in die Behaglichkeit unseres Heims und an den langen Winterabenden regen sich fleißige Hände und liebevolle Gedanken erwachen in der Stille, andere zu erfreuen, andere zu beglücken. Adventszeit ist angebrochen, die Zeit der Erwartung, der frohen Heimlichkeit, Tage, die erfüllt sind mit Feierlichkeit und den verheißungsvollen Zeichen, daß noch eine größere, seligere Stunde kommen werde und daß das Tor schon halbgeöffnet ist, durch das wir werden eintreten dürfen, um das Wunder der Christnacht zu schauen und zu erleben. Unser Herz ist ja so voll Sehnsucht nach Licht, nach tiefer, wahrer Freude, nach Erfreuendürfen, und Glück verbreiten, nach etwas, das imstande ist, über das düstere Grau dieser Wintertage einen goldenen Schimmer zu breiten und die Leere des Lebens auszufüllen mit guten Gedanken und menschenfreundlichem Tun. Wie sehnen wir uns danach in der Tiefe unseres Herzens, daß das große Wort des Weihnachtsevangeliums wahrhaftige Wahrheit werden möge: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“ Und nichts anderes als unsere Sehnsucht ist es, die nun schon seit bald zweitausend Jahren alljährlich wieder zurückgeleitet in den ärmlichen Stall zu Bethlehem und die im Geiste mit den Hirten auf dem Felde kniet in der einsamen Nacht unterm Sternenhimmel und dem Gesang der himmlischen Heerscharen lauscht, die das große Ereignis verkünden, daß der Welt ein Retter geboren sei und daß Gott in Seiner unaufhörlichen Liebe sich herabgeneigt hat aus Himmelshöhen zu Seinen Erdenkindern und Ströme Seiner Gnade und großen Barmherzigkeit auf sie herabkommen läßt und den Weg, den sie gehen sollen in helles Licht getaucht hat, damit sie nicht irre gehen möchten. Darum feiern wir diese lichterfüllte Zeit alljährlich wieder in der Erinnerung und die Freude unseres Herzens treibt uns, Licht und Wärme und Liebe um uns zu verbreiten, um dessentwillen, was Gott an uns getan. Und wir zünden Lichter an, Sinnbilder der Freude und vor ihrem reinen, . friedlichen Schein zerschmilzt in unseren Herzen alle Härte, die des Lebens Last und Unruhe darin angehäuft haben und einmal ist alles vergessen, vergessen, daß es Haß und Feindschaft gibt, und wir fühlen uns als, Brüder, als glückliche Kinder eines alliebenden Vaters, der uns so überreich beschenkt und gesegnet hat. Aber es ist ja auf Erden nichts vollkommen. Und wenn die Kerzen verlöscht sind und die Glocken verklungen, da steht auch schon wieder der Alltag vor der Tür und fordert sein Recht, vorbei die Feierstimmung und die stille Weihe, und die Engel des Himmels fliegen mit traurig gesenkten Fittichen wieder zurück in ihre himmlische Heimat, weil der Raum auf Erden zu eng geworden ist für sie. Und es ist traurig, aber wahr, wie mit so vielem im Leben, so ist es auch mit der Weihnacht geworden, vielfach ist sie nur noch wie ein Festgewand, das man anlegt für wenige Stunden, und das man wieder abstreift, wenn die frohe Zeit vorüber ist. Aber Gottes heiliger Wille muß und wird dennoch geschehen auf Erden und was Er uns verheißen hat, wird sich dennoch erfüllen zu seiner Zeit und hat sich zum Teil schon erfüllt vor unseren Augen. Eines vermögen wir nicht abzustreifen, wenn wir nicht ganz hart und unempfindlich gegen das geworden sind, was Gottes Wille für uns bedeutet, unsere Sehnsucht nach Seiner heiligen Nähe, denn die hat Gott selbst in uns hineingelegt als unser bestes Teil. Und je mehr es draußen zu dunkeln beginnt, desto heller brennt der Funke in unserem Herzen und je erschreckender die Schale der Welt sich zu leeren beginnt, mit desto größerem Verlangen treibt es uns, alle unsere Gedanken und Sinne Dem zuzuwenden, Der sie wieder zu füllen vermag mit ewigem, köstlichem Gut. Und hat Gott nicht gerade in diesen Tagen auf dieses Verlangen in so großer Barmherzigkeit geantwortet, hat er nicht gerade die heutige Zeit wieder mit Seiner heiligen Nähe gesegnet und wenn wir unsere Herzen im Glauben Ihm öffnen, spüren wir’s dann nicht tausendfach, wie Er Reichtum über Reichtum, Licht über Licht auf uns ausschüttet, und daß wir ja mitten drin stehen in der Zeit der wundersamsten Erfüllung? Ist das nicht Weihnachtsglück, seligste Adventsgewißheit, wie sie je empfunden wurden seit zweitausend Jahren?
Weit tut euch auf, ihr Tore der Welt, daß der König der Ehren einziehe!
Uns aber, die wir Kinder dieser neuen Zeit geworden sind, die wir Wissende sind durch Den,
Den Gott in unseren Tagen gesandt hat, damit Er uns weiterführe auf dem Weg, den Jesus
Christus und alle, die Seines Geistes waren, uns gehen lehrte, und Der Sein Werk vollenden wird
schneller und herrlicher als wir ahnen, uns ist in diesen Tagen. eine heilige Aufgabe erwachsen.
Wir müssen unsere Herzen rein machen und unseren Willen heilig, damit wir Seiner Segnungen
teilhaftig werden können, wir müssen demütig werden wie die Hirten auf Bethlehems Feld, die in
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ihrer schlichten Einfachheit befähigt waren, das Wunder in jener Nacht zu schauen und zu begreifen.
Und wir müssen das, was uns mit Jubel und Jauchzen und Seligkeit über alle Maßen erfüllt,
den anderen sagen, die es wissen wollen, denn wir können ihnen nichts Besseres geben. Und wir
dürfen die Liebe in unserem Herzen, die die Weihnacht mit ihrem wundersamen Zauber wiedererweckt hat
heute nicht wieder erkalten lassen, wenn der Schein der Kerzen erloschen ist und die Glocken verklungen
sind, die unsere Seele auf Schwingen der Weihe hinaufgetragen haben in unsere Heimat im Licht,
und wenn es uns in der Freude unseres Herzens treibt, andere mit Geschenken
der Liebe zu erfreuen, werden wir es uns heute mehr denn je bewußt werden, daß das nur Sinnbilder
sind jener größeren Liebe, mit der Gott uns liebt und die Er uns immer wieder von
neuem zu erkennen gibt und des größeren Jubels, der im Himmel und auf Erden sein wird,
wenn es errungen ist, daß alle Menschen Ihn erkannt haben und des ewigen Lebens teilhaftig
geworden sind.
Das muß unsere Weihnachtsstimmung heute sein, nicht für kurze Zeit nur, sondern jede Stunde unseres Lebens und unser ganzes Leben soll davon durchdrungen werden, denn durch 'Abdu'l-Bahá hat Gott uns geschenkt, daß unser ganzes Leben geweiht werde in der Erkenntnis Seiner Liebe und in Seiner Anbetung.
Friede auf Erden!
Von Karl Klitzing, Schwerin.
Mir ist das Herz so froh erschrocken,
Das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken
Mich lieblich heimatlich verlocken
In märchenstille Herrlichkeit.
Weihnachten! Welche Zauberkraft liegt in diesem Worte! Es berührt die Herzen aller
Menschen, vom Kinde bis zum Greise. Es ist, als ob sich zur lieben Weihnachtszeit die
Menschheit in einem Banne befindet. Aus dem Streiten und Ringen des Alltages heraus erwacht in ihr
plötzlich ein tiefes Verlangen nach Friede und Freude. Der jubelnde Gesang der himmlischen
Heerscharen vor fast 2000 Jahren vom Frieden und Wohlgefallen auf Erden erfüllt noch heute
unsere Herzen, und es ist uns, als habe sogar die Natur zur Weihnachtszeit ein feierliches
Gewand angelegt, als ströme uns auch aus ihr ein Friede entgegen.
Friede! Welch’ menschliches Wesen möchte nicht den Zustand des Friedens und Wohlgefallens herbeisehnen? Können wir annehmen, daß er auf Erden jemals erreicht wird?
Im letzten Jahrhundert haben die Gelehrten eingehende Studien über den Kampf ums Dasein in der Tier- und Pflanzenwelt angestellt, und viele haben geglaubt, diese Forschungen aus der niederen Welt der Natur auch für das menschliche Reich als Richtschnur annehmen zu müssen. Aus diesem Grunde kamen sie dazu, den Kampf und Wetteifer als eine Lebensnotwendigkeit zu betrachten und das unbarmherzige Vernichten der schwächeren Glieder der Gesellschaft als ein notwendiges Mittel zur Verbesserung der menschlichen Rasse anzusehen.
Zu allen Zeitaltern sandte Gott jedoch Propheten zu uns, die mit ihrem, geistigen Auge das Kommen eines Tausendjährigen Reiches, in dem Friede, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit herrschen würde, voraussahen und der Menschheit ihre herrliche Vision offenbarten.
Jesajas spricht von dem neuen Himmel und der neuen Erde, daß man der vorigen nicht mehr gedenken, noch zu Herzen nehmen wird. Und, daß die Völker ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen werden, und kein Volk wider das andere ein Schwert aufheben und hinfort nicht mehr kriegen lernen wird.
Auch Johannes der Offenbarer sah den neuen Himmel und die neue Erde im voraus und die Hütte Gottes bei den Menschen. Gott wird alle Tränen von ihren Augen abwischen. Und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz.
Die herrlichen Evangelien des Neuen Testamentes berichten uns von der großen Freude, die allem Volke widerfahren wird: Christus, der Friedefürst ist wirklich erschienen. Zu Bethlehem im jüdischen Lande kam Er in dunkler Nacht in diese lieblose Welt. Er wurde nicht wie andere Fürsten in dem prunkvollen Zimmer eines Palastes, sondern in einem Winkel eines Stalles geboren. Ein anderer Raum war für dies göttliche Wesen nicht vorhanden. Er kam in diese Welt, auf daß Seine Herrschaft groß und des Friedens kein Ende werde.
Obgleich die Juden begierig auf Sein Kommen warteten und jeden Tag beteten und flehten: „O Gott, beschleun’ge die Offenbarung des Messias,“ so verleugneten sie diese göttliche Sonne der Wahrheit doch, erhoben sich gegen Ihn, rechneten Ihn unter die Uebeltäter und schlugen Ihn ans Kreuz. Nur elf Männer und einige Frauen glaubten bei Seinem Hinscheiden an Seine Größe.
Der Heiland der Welt sprach: "Selig sind die
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Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“
„Darum, wenn du deine Gabe auf den Altar opferst und wirst allda eingedenk, daß dein Bruder etwas wider dich habe, so laß allda vor dem Altar deine Gabe und gehe zuvor hin und versöhne dich mit deinem Bruder.... Sei willfährig deinem Widersacher bald, dieweil du noch bei ihm auf dem Wege bist. ... Und so dich jemand nötiget eine Meile, so gehe mit ihm zwo.“
„Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen. Bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen.“
Die größte Gabe, die Christus dieser Welt brachte, waren aber nicht diese Lehren, die hin und wieder schon bei den hebräischen Propheten des Alten Testaments auftauchten. Die größte Gabe war Sein Geist, der die Menschen befähigte, Seine Lehren zu erfüllen. Seine Jünger nahmen den Christusgeist in sich auf, durch den sie Festigkeit und Treue erlangten. „Sie wurden Träger des Geistes Christi, und die Liebe Gottes lenkte sie... Durch den Geist der Liebe Gottes wurden sie neu belebt. Sie merkten, daß Christus in ihnen lebte, ihnen half und sie beschützte... Es wurde ihnen zu jeder Zeit geholfen... Sie waren zuvor wie Tropfen und wurden nun zum Meer. Sie waren wie schwache Fliegen und wurden nun königliche Adler. Sie waren ohne Einfluß und wurden nun mächtig. Sie waren wie Spiegel, die die Sonne widerspiegeln, und das Licht Gottes leuchtete aus ihnen wunderbar.“
Die große Macht Neros wurde zerbrochen, und die Fahne Christi erhob sich an ihrer Stelle. Die Könige der Erde und die Weisen der Welt wurden Seinem Wort untertan und nahmen es an. Obgleich Jesus einem armen und niedrigen Stande angehörte und in einem Stalle geboren wurde, veränderte Er dennoch durch Seine Macht und Göttlichkeit die ganze Welt. Er veränderte frühere Gebräuche und Sitten und vereinigte Menschen aus allen Nationen, wie Römer, Syrer, Aegypter, Phönizier, Israeliten und andere Völker. Sobald diese Menschen von Seinem heiligen Geiste erfüllt waren, wurden sie wie von neuem geboren. Sie vergaßen ihre alte Feindseligkeit gegen einander und begründeten eine große Bruderschaft. Durch den Geist Christi waren sie alle miteinander verbunden.
Und heute? Heute ist die Menschheit von Not, Sorge und Kummer niedergebeugt. Niemand entrinnt ihnen. Die Welt ist mit Tränen benetzt. Zwar ist der große Weltkrieg, der wie ein weltvernichtendes Feuer wirkte, beendet, aber noch immer wird das Klirren der Waffen, der Knall der Gewehre und das Dröhnen der Kanonen vernommen. Die Welt steht im Zeichen des Aufruhrs, und ihr Antlitz ist der Abirrung und Religionslosigkeit zugekehrt.
Aber Gott sei Dank! Der Führer, der uns wieder zu Christus und zu Seinem himmlischen Frieden bringt, steht vor der Tür!
In der hl. Schrift ist uns gesagt, daß das „Neue Jerusalem“ auf Erden erscheinen werde. Es ist klar, daß diese himmlische Stadt nicht aus materiellen Steinen erbaut ist. Sie ist ein prophetisches Symbol und bedeutet, daß die göttlichen Lehren wiederkommen werden, um die Herzen der Menschen zu erleuchten.
Wer sich mit der Bahá’i-Lehre beschäftigt hat, weiß, daß diese Prophezeiung in der Offenbarung von Bahá’u’lláh ihre Erfüllung gefunden hat.
Bahá’u’lláh hat den Plan für die Vereinigung aller Völker entworfen. Er lehrt, daß die Ehrfurcht vor allen Propheten die Grundlage der wahren Religion und das vorzüglichste Mittel ist, die Einheit der Menschheit zustande zu bringen. Er sagt: „O Volk der Welt. Die Religion Gottes ist zur Liebe und Uebereinstimmung da. Mache sie nicht zur Ursache der Feindschaft und Streitigkeit... Die Hoffnung ist wohltuend, daß das Volk Gottes sich immer dem Gesegneten Wort zuwenden wird: „Siehe! Alle sind von Gott!“ Das herrlichste Wort, das gleich dem Wasser das Feuer des Hasses und Grolles, das in den Herzen und Seelen flackert, auslöscht. Durch dies einfache Wort werden die verschiedenen Sekten der Welt in das Licht der wirklichen Uebereinstimmung gelangen.“
Bahá’u’lláh sagt weiter: „Ihr seid alle Blätter eines Baumes, Früchte eines Zweiges. Ruhm gebührt nicht dem, der sein Vaterland liebt, sondern dem, der die ganze Menschheit liebt.
Die Stufe des Menschen ist groß, wenn er sich nur vergegenwärtigen will, daß er zu Gottes Ebenbild erschaffen ist und in Uebereinstimmung mit Gottes Willen, wie er durch die Propheten offenbart ist, leben will. Wenn die Menschen sich bewußt werden, daß sie alle Teile eines lebendigen Ganzen, die Mitglieder einer Familie sind und lernen, einander als Brüder zu behandeln, Mitwirkung an Stelle von Kampf, gegenseitige Hilfe an Stelle von gegenseitiger Feindschaft und den Geist des Dienstes an Stelle des Geistes der Selbstsucht zu setzen, dann werden die verborgenen Fähigkeiten in der menschlichen Natur augenscheinlich werden.
Bahá’u’lláh und 'Abdu'l-Bahá sagen die nahe Ankunft eines neuen Zeitalters in der Geschichte
der Menschheit voraus, das von dem vorhergehenden so verschieden sein wird, wie der
Schmetterling von der Raupe verschieden ist. 'Abdu'l-Bahá sagt: „In diesem wunderbaren Zyklus
wird die Erde umgebildet, und die Menschheit von Frieden und Schönheit umgeben werden.
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Streit, Feindschaft und Kampf werden durch Uebereinstimmung, Aufrichtigkeit und Eintracht
ersetzt werden. Unter den Nationen, Völkern, Rassen und Staaten wird Liebe und Freundschaft
sichtbar werden. Zusammenarbeit und Vereinigung wird begründet und schließlich der Krieg
ganz verhindert werden... Der Universale Friede wird sein Zelt im Mittelpunkt der Erde aufrichten,
und der gesegnete Baum des Lebens wird in einer solchen Weise ausschlagen, daß er den Osten
und Westen überschatten wird. Starke und Schwache, Reiche und Arme, streitsüchtige Sekten
und feindliche Nationen, die gleich dem Wolfe und dem Lamme, dem Leoparden und dem Böckchen
und dem Löwen und dem Kalbe sind, werden gegeneinander mit der größten Liebe,
Freundschaft, Gerechtigkeit und Artigkeit handeln. Die Welt wird mit Erkenntnis erfüllt sein,
mit der Kenntnis der Wirklichkeit der geheimnisvollen Dinge und mit der Kenntnis von Gott.“
'Abdu'l-Bahá sagt weiter: „In dieser vergänglichen Welt ist nichts von Dauer. Alle Geschöpfe
strengen sich kurze Zeit unwesentlicher Dinge willen nutzlos an, bis sie schließlich in der Stätte
des Schweigens, in dem Schoß der Erde Ruhe finden, und keine Spuren, kein Segen, keine Resultate,
keine Früchte bleiben zurück. Ihr Leben war völlig umsonst. Aber die Kinder des Königreiches säen
auf das Feld der Wirklichkeit die Samenkörner, aus denen Ernten reifen, deren Segen und reiche
Fülle ewig währen werden. Sie werden ewiges Leben finden, ewigwährende Wohltaten genießen und
wie die Sterne am Horizont des Königreiches strahlen.“
Es gibt viele Bestrebungen, die die Hebung der Menschheit bezwecken. In der Bahá’i-Lehre sehen wir aber den Ozean der Göttlichen Liebe vor uns wogen. Wir wollen daher nicht bei den Tropfen verweilen, sondern an die erfrischenden Ufer des Meeres eilen!
Die geistige, göttliche Kraft ist da, die imstande ist, alle religiösen Zwistigkeiten und Verschiedenheiten zu beseitigen, die fähig ist, allen Haß politischer, nationaler und religiöser Natur zu überwinden, die Herzen der Menschen umzugestalten und ihnen zum klaren Bewußtsein zu bringen, daß sie alle Brüder und Schwestern sind, einerlei, welcher Nation und Rasse, welcher Religion und Konfession sie angehören! Sie wurde uns von Gott durch Seinen Botschafter Bahá’u’lláh offenbart. Wir wollen eilen und die Geschichte sehen, die der Herr uns kundgetan hat. Wir wollen die Strahlen des Göttlichen Lichtes auffangen, damit wir das Gebot erfüllen, eine große Liebe unter uns zustande zu bringen und diese täglich zu vermehren. Dann ist auch Christus in unserem Herzen geboren, und wir zählen zu Seiner Herde. Denn der Heiland der Welt spricht: „Daran wird jedermann erkennen, daß ihr Meine Jünger seid, so ihr Liebe untereinander habt.“
Universalität der Bahá’i-Lehre.
Von H. Küstner.
Die Universalität der Bahá’i-Lehre zum Thema zu nehmen, ist, ich bin mir dessen vollkommen klar, nur ein willkürliches Herausgreifen eines der vielen Aspekte unserer Lehre, die die Einheit, die absolute Einheit, lehrt. So sagt Bahá’u’lláh in den Worten der Weisheit:
„Die Einheit in ihrem wahren Sinn bedeutet, daß Gott allein als die einzige Macht gedacht werden soll, die alle Dinge belebt und beherrscht, die ja nur Offenbarungen Seiner Schöpferkraft sind.“
Kein Zeitalter bisher war universal, d. h. die ganze Welt umfassend. Die Entwicklungsepochen
und Kulturen der Völker griffen bisher ineinander über, schnitten sich, kein Volk hatte teil an der
Entwicklung des andern. Jede der bisherigen göttlichen Manifestationen hatte ihren eigenen Zyklus,
neben den andern Manifestationen, und prägte ihm ihre individuellen Züge in Religion und Kultur
auf. Alle aber haben sie eins gemeinsam gehabt: Sie waren sich ihrer Nicht-Universalität bewußt
und wiesen hin auf ein kommendes universales Zeitalter. So lesen wir in der Bibel laut
Apostelgesch. 3. 21: "... Jesus, welcher muß den Himmel einnehmen bis auf die Zeit, da herwiedergebracht
werde alles, was Gott geredet hat durch den Mund aller seiner heiligen Propheten von der Welt
an.“ Und nach 2. Petr. 3. 13: „Wir aber warten eines neuen Himmels und einer neuen Erde nach Seiner
Verheißung, in welchen Gerechtigkeit wohnet.“ Und in der Offenbarung im 21. Kapitel: „Und ich
sah einen neuen Himmel und eine neue Erde“ und „Siehe, ich mache alles neu.“ Wir dürfen diese
Stellen unbedenklich als Beweis dafür anführen, daß damit ein neues, sich über die ganze Erde
erstreckendes, universales Zeitalter gemeint ist. Es gibt in der Bibel
auch viele Stellen, in denen davon die Rede ist, daß dereinst alles Volk von Nord und Süd, von
Ost und West zum Herrn kommen werde. Und wenn man sich einmal klar gemacht hat, daß alles,
auch alle materielle Kultur, uns von Gott durch seine Manifestationen zukommt, so wissen
wir, daß darunter nur ein Zeitalter gemeint ist, an dem Gott selbst herrscht und regiert. Nicht
vergessen darf hier werden die Verheißung von
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der „Einen Herde und dem Einen Hirten“ anzuführen. Nach der Bibel ist das Kennzeichen des
erwarteten universalen Zeitalters
allseitige Zivilisation,
eine einheitliche Religion,
universaler Friede,
Gerechtigkeit,
also die Verwirklichung aller höchsten und edelsten Ideale und Tugenden der Menschheit.
Nach der Ueberzeugung der Bahá’i hat dieses universale Zeitalter Bahá’u’lláh aufgerichtet. Mit einer unvergleichlichen Machtfülle ist Er aufgetreten und hat der Menschheit zugerufen:
„Wahrlich, der Geist der Wahrheit ist gekommen, um euch in alle Wahrheit zu leiten.“ (usw. Siehe Chase S. 101/02).
Jesus sprach einmal zu seinen Jüngern von der Zeit des Endes. Was mit dieser Zeit des Endes gemeint ist, lesen wir im Buch Dr. Esslemont’s. Nicht der Weltuntergang im äußerlichen Sinn, sondern die völlige Umgestaltung der geistigen wie der materiellen Verhältnisse, die Umwertung aller Begriffe und Dinge ist damit gemeint. Kurz gesagt, Jesus meinte mit der Zeit des Endes das Ende des Zeitalters, der von ihm heraufgeführten Epoche, nach der das Jüngste Gericht kommt, an dem sich Gott aller Dinge annehmen wird, sie richten, d. h. zurechtrücken wird. Jesus sprach an der gleichen Stelle von „Wolken des Himmels“. Dieser Ausdruck bedeutet nach der Auslegung von Bahá’u’lláh die Verfinsterung der Religion. Zur Zeit des Eintritts des Universalen Zeitalters hat also die Religion aufgehört, die Richtschnur der Menschen zu sein.
Universalität! Wo finden wir diese in unserer heutigen Zeit? Nirgends! Wenn wir darnach suchen, finden wir nur das gerade Gegenteil davon: eine ganz große Zersplitterung und Differenzierung auf allen Gebieten.
a) Die Menschheit, die Gott nach Seinem Bilde erschaffen hat, ist zersplittert in Rassen und Klassen. Statt einander zu lieben, zu achten und einander zu helfen, betrachtet die eine Rasse und die eine Klasse die andere als etwas minderwertiges, als etwas, das nur dazu da ist, ausgebeutet und ausgepreßt zu werden. So achten z.B. die Weißen die Kultur und das Eigenleben der Farbigen in keiner Weise. Nur das ist gut und recht, was der Weiße tut und denkt. Was der Farbige tut und wie er lebt, ist nicht recht. Er ist ein „Heide“, er muß sich zum Christentum bekehren, er muß sich kleiden wie der Weiße, ohne Rücksicht darauf, ob es bei dem Klima, in dem der Farbige lebt, einen Sinn hat. Er soll dem Weißen sich voll und ganz, nicht nur materiell, sondern auch geistig, opfern.
Im übrigen braucht man sich zur Illustration der Zerklüftung der Menschheit nur an die fortwährenden Kriege zu erinnern.
b) Die Religion, die doch immer und überall ihren Ursprung in Gott hat, ist zersplittert in unzählige Bekenntnisse und Sekten, die einander verachten, und wenn es die Verhältnisse erlauben, sogar mit den Waffen bekämpfen. Wohl glauben alle Menschen in der Wirkung an den gleichen Gott, denn es gibt ja nur den Schöpfer des Himmels und der Erde. Aber weil die Religionsausübung bei den andern eine andere ist, so tun sie, als ob es auch ein anderer Gott sei, an den der Nächste glaubt. Die Einbildung, daß eine Religion eine andere sei, kann man noch begreifen, wenn es sich um verschiedene Religionsstifter handelt. Wenn also die Juden die christliche Religion und den Islam nicht anerkennen, oder die Mohammedaner die Juden und die Christen als Ungläubige bezeichnen, so ist das wohl nicht verzeihlich, aber begreiflich, denn sie haben verschiedene Religionsstifter, und es gehört schon etwas guter Wille und Urteilskraft dazu, z. B. im Koran die gleichen Grundsätze zu finden, wie sie in der Bibel niedergelegt sind. Aber der Mensch macht dabei in seiner Teilungs- und Unterscheidungssucht nicht halt: Nein, innerhalb der Religion desselben Stifters gibt es unzählige Bekenntnisse und Sekten, die sich von einander fernhalten, wie wenn die gegenseitige Berührung unrein machte. Und sagte nicht Jesus: „Daran aber erkenne ich, daß ihr meine rechten Jünger seid, so ihr Liebe untereinander habt.“ Und solche Trennung erfolgt oft wegen der lächerlichsten Gründe!
Als im Mittelalter der Islam begann, über seine Grenzen hinaus geistig die Welt zu beeinflussen, da wurden die Kreuzzüge organisiert, angeblich, um das Grab des Erlösers den Ungläubigen zu entreißen. Dabei waren aber die wirklichen Gründe für die Kreuzzüge doch wohl Abenteurerlust auf Seiten der Ritter und Herrschen und Rivalität auf Seiten der Geistlichkeit. Heute wird man sich im Abendland ja allmählich klar über die schmähliche Rolle, die es damals dem Islam gegenüber gespielt hat! Und mit Beschämung erkennt man, welche neuen Erkenntnisse und welche neuen Befruchtungen die von den Kreuzzügen Heimkehrenden dem Geistes- und Wirtschaftsleben des Abendlandes brachten!
Kurz, keiner Religion ist es gelungen, über einen verhältnismäßig kleinen Teil der Erde
hinaus Geltung zu erlangen. Und dies allein würde rechtfertigen, eine Religion universal zu
nennen. Keiner Religion ist dies gelungen, trotzdem
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den Anhängern einer jeden Religion von ihrem Stifter verheißen ist, daß einmal eine Herde
und ein Hirte sein werde! Jede Religion hat daraus den Anspruch abgeleitet, selbst diejenige
zu sein, die die andern annehmen müßten, damit diese Voraussage sich erfülle. Wunderschön hat
dies einmal unser Meister 'Abdu'l-Bahá an einer Stelle ausgeführt, und dabei gezeigt, wie
unsinnig solche Annahmen sind. Wenn wir Christen z. B. vom Mohammedaner verlangen, daß er Christ
wird, so kann und wird er uns entgegenhalten, welches von den beiden christlichen Hauptbekenntnissen
ist das richtige, und welche Sekte des richtigen Bekenntnisses ist die allein Gott wohlgefällige?
Umgekehrt können wir den Mohammedaner fragen, wer hat recht, der Sunnit oder der Schiit?
So finden wir Teilung und Trennung in der Religion und in den Religionen und Bekenntnissen allüberall. Die Universalität in der Religion konnte nur durch etwas grundlegend Neues gebracht werden, wie es von Bahá’u’lláh geschehen ist, Der sagt, daß in allen Religionen der göttliche Kern enthalten ist und daß, wenn man auf diesen zurückgehe, alle Religionen einander gleich und von gleichem Wert seien.
c) Blicken wir uns weiter in der Wissenschaft um. Die Wissenschaft, ursprünglich und naturgemäß eine unteilbare Einheit auf einziger Grundlage mit der Religion, wie Bahá’u’lláh sagt:
„Die Quelle alles Wissens ist die Erkenntnis Gottes — erhaben ist sein Ruhm. Und diese Erkenntnis kann auf keine andere Weise erlangt werden, als durch die Erkenntnis Seiner göttlichen Manifestation...“
Die Wissenschaft, sage ich, ist zerfallen in die verschiedenen Maximen, die beinahe jeden inneren Zusammenhang verloren haben. Dadurch geht jede Wissenschaft ihren eigenen Weg. Die Medizin z. B. beschränkt sich — von einzelnen Ausnahmen abgesehen — darauf, ein Uebel lokal zu behandeln, statt es an der Grundlage, ich möchte sagen, schon in der Seele, zu treffen. Die Rechtswissenschaft dient vielfach nicht mehr der Gerechtigkeit, sondern wer ihre Praktiken und Schleichwege kennt, kann sich oft gut der Gerechtigkeit entziehen usw.
d) Religion und Wissenschaft vollends will und kann niemand als wesenseins betrachten. Hauptschuld daran trägt die Religion. Die Religion hat in ihren Dogmen Dinge verankert, die die Wissenschaft im Fortschreiten ihrer Forschungen bestreiten mußte. Da aber die Religion von ihren Dogmen nicht lassen wollte und von den Menschen verlangte, man müsse eben glauben, auch wenn Verstand und Forschung noch so sehr das Gegenteil sagten, mußte die Wissenschaft ihren eigenen Weg gehen, sehr zum Schaden beider. Die Religion fiel damit der Versuchung anheim, von der Glaubenskraft der Menschen zuviel zu verlangen, während die Wissenschaft der Quelle allen Wissens, der Erkenntnis Gottes, beraubt wurde. Heute noch behauptet die Geistlichkeit, daß Religion und tägliches Leben zweierlei seien.
e) Die Zerrissenheit unserer Zeit zeigt sich auch in den vielerlei geistigen und weltlichen Bestrebungen unserer Zeit. Solche Bestrebungen, die alle eine gute Idee zur Grundlage haben, werden dann zu irgend einem -ismus und schon ist der Todeskeim in die Bewegung gelegt: sie ist zum Selbstzweck geworden, beraubt der geistigen und schöpferischen Kraft. Als Beispiele können gelten die Begriffe Nationalismus, Sozialismus, Materialismus, Spiritismus, Monismus usw.
Die Grundursache dieser Zersplitterung liegt darin, daß unserer Zeit eine einheitliche Weltanschauung fehlt. Nicht einmal das einzelne Volk hat mehr eine solche, während vor Zeiten wenigstens die einzelnen Völker von einheitlicher Weltanschauung getragen waren. Bei den wenig ausgebildeten Verkehrsverhältnissen der Vergangenheit war es nicht von Bedeutung, wenn die Weltanschauung des einen Volks von der des andern verschieden war. Durch die Vermengung der Völker kam aber auch hier der Unterschied und die Zersplitterung zutage, und heute ist es so, daß eigentlich niemand mehr eine geschlossene Weltanschauung hat. Jedermann muß nach einer solchen ringen. Was eine Weltanschauung ist, darin haben wir im Schöpfungsbericht Moses das vollendetste Beispiel. In diesem Ringen um eine Weltanschauung bietet uns Bahá’u’lláh den rettenden Hafen im Sturm, indem Er uns lehrt; wie schon oben angeführt:
„Die Einheit in ihrem wahren Sinn bedeutet, daß Gott allein als die einzige Macht gedacht werden soll, die alle Dinge belebt und beherrscht, die ja nur Offenbarungen Seiner Schöpferkraft sind.“
Heute nun stehen wir vor einer neuen Situation. Die Welt ist reif geworden für die erwartete universale göttliche Manifestation. Reif geworden im Unglauben, reif geworden aber auch im Sehnen nach der Erlösung aus dem materiellen begrenzten Denken, reif dank der Erleichterung der Verkehrsverhältnisse. Und schon auch haben wir in Bahá’u’lláh die erwartete universale Manifestation und in Seiner Lehre die universale Weltreligion geschenkt erhalten.
Ihre Universalität beweist die Bahá’i-Lehre vor allem durch dreierlei:
1. Alle ihre Prinzipien sind in sich selbst universal.
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2. Sie greifen ineinander über. Das eine Prinzip dient der Universalität des andern.
3. Diese Prinzipien beginnen sich in der ganzen Welt gleichzeitig durchzusetzen.
Alle Prinzipien der Bahá’i-Lehre sind in sich selbst universal.
Bahá’u’lláh befiehlt, die gesamte Menschheit als Einheit zu betrachten. Alle Vorurteile gegenüber andern Menschen, Völkern und Rassen müssen beseitigt werden. Wie ich schon angeführt habe, ist heute die ganze Menschheit zerrissen. Da die Menschen durch die gesteigerten Verkehrsverhältnisse in engere Fühlung miteinander getreten sind, werden die Trennungen und Verschiedenheiten den Menschen stärker bewußt, stoßen sich die Menschen daran. Das hat zunächst dazu geführt, daß sich die Völker und Rassen noch mehr auf das ihnen Eigentümliche besinnen und ihre Nationalität noch stärker betonen, ihre Grenzen noch eifersüchtiger hüten. Ueberall in der Welt begegnen wir einem starken Nationalismus. Jedes Volk sucht krampfhaft die Fiktion in sich aufrecht zu erhalten: Du bist etwas Besseres als die andern Völker!
Aber wie wir am Schlusse noch sehen werden, sind diese Zustände nur dem Fieber vor der völligen Genesung zu vergleichen. Es ist das letzte Wehren einer überwundenen Zeit. Es ist die Morgendämmerung vor dem hellen Tag Und dennoch: Die gesamte Menschheit ist eine Einheit!
Ist die Menschheit eine Einheit, so hat auch der mörderische Krieg keinen Sinn mehr auf der Welt. Und so befiehlt Bahá’u’lláh, daß der universale, dauernde Weltfriede durch einen festgegliederten, allumfassenden Völkerbund und ein internationales Schiedsgericht gesichert wird. Diese Forderung hat Bahá’u’lláh in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts aufgestellt. Heute tagt in Genf der Völkerbund. Skeptische Naturen wollen von dem Wirken dieses Völkerbundes nichts halten. Es komme ja doch nichts dabei heraus, meinen sie. Selbstverständlich wird eine Einrichtung wie der Völkerbund anfangs zu allerlei selbstischen Zielen mißbraucht, selbstverständlich braucht der Völkerbund auch Zeit, sich auf seine wahren Ziele zu besinnen, sich einzuspielen. Und wieviele sich widerstreitende Interessen gilt es auszugleichen! Das dauert Jahrzehnte, bis hier etwas wirklich Positives sich zeigen wird, das ist richtig. Aber den Anfang verdammen, weil er noch nicht als das fertige Ende sich darstellt, das ist so richtig menschlich. Auch dürfen wir die gesamte Einstellung der Menschheit nicht vergessen. Ehe nicht die Grundlage von allem, ein geheiligtes reines Herz, in jedes Glied der Menschheit eingezogen ist, wird es immer wieder Rückfälle geben.
Durch den Völkerbund soll der dauernde, universale Frieden aufgerichtet, der Krieg aus der Welt geschafft werden. Auch hiezu sagen die Skeptiker, das sei unmöglich, es habe von jeher Krieg gegeben, und es werde ewig Krieg geben. Und nie habe es mehr Kriege gegeben, als in der Jetztzeit, als jetzt, auf dem Höhepunkt der Entwicklung der Menschheit sagen sie. Stehen wir aber augenblicklich auf dem Höhepunkt der Entwicklung der Menschheit? Wir stehen an einem Entwicklungspunkt, gewiß, aber niemals an einem Höhepunkt. Der soll erst noch erstiegen werden an Hand der universalen Prinzipien der Bahá’i-Lehre. Daß es bis jetzt Kriege gegeben hat, ist kein Beweis, daß es solche auch künftig geben muß. Nein. Die Menschheit hat bis heute nur noch nicht erkannt — und wenn sie es erkannt hatte, so ging ihr diese Erkenntnis wieder verloren — daß der Mensch so lange nicht Mensch genannt werden kann, als er nicht von den Eigenschaften des Barmherzigen durchdrungen ist. Physisch gehört der Mensch ja zum Tierreich. Erst dadurch tritt er in das höhere Reich der Menschheit ein, daß er sich von göttlichen Eigenschaften befruchten läßt. Und dies ist bei der Menschheit noch nicht in genügendem Maße eingetreten, solange noch Kriege geführt werden!
Aber trotz und trotz alledem! Es wird die Zeit kommen, da es keinen Krieg mehr gibt. Die Menschheit wird ihre enge gegenseitige Verbundenheit erkennen, wird erkennen, daß alle Menschen aufeinander angewiesen sind und einander helfen müssen, zur Vollkommenheit zu gelangen; und diese Erkenntnis geht eben jetzt mehr und mehr der Menschheit auf.
Eine Menschheit aber, die sich ihrer gottgewollten Verbundenheit bewußt ist, kann sich nicht
durch die Schranken der verschiedenen Religionen wieder trennen lassen. Daher befiehlt Bahá’u’lláh,
daß alle Religionen sich in einer höheren Einheit zusammenfinden müssen. Ein Gott, eine
Religion. Nicht die Bahá’i-Lehre selbst erhebt den Anspruch, die Einheitsreligion zu sein. Sie
verlangt aber vom Menschen, daß er in jeder Religion den göttlichen Kern, die göttliche
Grundlage erkennt und erkennt, daß diese göttliche Grundlage in allen Religionen gleich ist. Nicht
eine der bestehenden Religionen kann die Funktion der Einheitsreligion erfüllen. Die Stifter
dieser Religionen haben von Anfang an darauf hingewiesen, daß ihre Lehre nicht die universale sein
werde. Nein, alle zusammen — aber eben nur in ihrer Grundlage, nicht in ihren Auswüchsen bilden die Einheitsreligion. Wenn schon die bisherigen Religionen alle von Gott stammten, so
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braucht es keine neue Religion weiter. Schon alle die bisherigen Religionen wären wohl imstande
gewesen, die Funktionen der universalen Religion zu erfüllen, gewiß, aber sie waren nicht dazu
bestimmt. Erst die große, göttliche Manifestation, die als Gott selbst auf die Erde kam, um
alle Dinge gerade zu richten, ist bestimmt, die Verheißung von der einen Herde und dem einen
Hirten zu erfüllen.
Damit aber die Menschen die in der Summe, der Quintessenz der bisherigen Religionen schon liegende Einheitsreligion zu erfassen vermögen, müssen sie die Wahrheit selbstständig erforschen lernen. Und dazu hält uns Bahá’u’lláh an. Wir müssen lernen, die Schleier der Wahrheit, als da sind Dogmen, Vorurteile, Einbildungen und Lehrsätze mit dem klaren Blick des auf die Einheit gerichteten Auges zu durchdringen. Wir dürfen in Fragen der Religion nicht mehr blindlings den überkommenen Anschauungen folgen, sondern wir müssen uns ihres Werts oder Unwerts bewußt werden.
„Und er wird das Recht wahrhaftiglich lehren“, ist uns in einer Bibelstelle verheißen. Eine Lehre, die Anspruch erhebt, universal zu sein, muß auch die sozialen, die gesellschaftlichen Verhältnisse regeln. So darf es uns nicht Wunder nehmen, wenn gerade auch auf diesen Punkt Bahá’u’lláh den größten Nachdruck legt. Er sagt in den „Verborgenen Worten“:
„Die Gerechtigkeit wird vor allem am meisten geliebt. Vernachlässige sie nicht, wenn Du mich wünschest.“
Und so hat die Bahá’i-Lehre mehrere Prinzipien, die der Durchführung der Gerechtigkeit dienen. Ich meine hier nicht die rein juristische Gerechtigkeit, sondern die Gerechtigkeit im Verkehr von Mensch zu Mensch.
Die Bahá’i-Lehre billigt jedem Menschen das gleiche Anrecht auf die geistigen und materiellen Güter der Menschheit zu. Für jeden Menschen besteht die Pflicht zur Arbeit. Für Arbeitsunfähige und Erwerbslose tritt eine gesetzliche, staatliche Fürsorge ein. Die schlimmen Wirkungen des Kapitalismus werden durch geeignete Maßnahmen beseitigt. Männer und Frauen haben gleiche Rechte.
Zur Lösung der wirtschaftlichen Frage sagt 'Abdu'l-Bahá:
„Keines der Religionsbücher der früheren Propheten spricht über die wirtschaftliche Frage, aber in den Lehren Bahá’u’lláhs ist diese Frage voll und ganz gelöst... Er hat gewisse Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Wohlergehen der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche seiner Ruhe und seines Vergnügens erfreut und sich mit Behaglichkeit umgibt, so muß auch der Arme ein trautes Heim und den nötigen Lebensunterhalt haben und darf nicht Mangel leiden... Solange die bisherigen Zustände andauern, wird keine Glückseligkeit bei den Menschen zu finden sein. Vor Gott sind alle Menschen gleich geachtet, alle haben gleiche Rechte; es gibt keine Bevorzugung irgend einer Seele; alle stehen unter dem Schutze der göttlichen Gerechtigkeit.“
Es wird also künftig nicht mehr zugelassen werden, daß die Menschen einander als Ausbeutungsobjekte betrachten, gleichgültig, ob von Volk zu Volk, oder von Individuum zu Individuum, daß sie danach trachten, einander zu unterjochen und zu beherrschen, daß sich der eine Mensch höher dünkt als der andere. Gewiß, es muß Stufen geben. Es hat nicht der eine die gleichen Gaben wie der andere. Aber es wird der besser Ausgestattete künftig mit seinen Gaben der Menschheit zu dienen haben. Er wird den Dienst an der Menschheit seiner Tätigkeit voranzustellen haben, nicht seinen persönlichen Nutzen. Daraus wird die wahre Gerechtigkeit von selbst entspringen.
Bei der Besprechung der Bahá’i-Prinzipien hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Universalität der
Lehre dürfen wir ein Gebot Bahá’u’lláhs nicht übersehen: das Gebot der Errichtung einer
Welt-Einheitssprache. Ich habe eben von den Schleiern der Wahrheit gesprochen und dabei die
Vorurteile erwähnt. Viele menschlichen Vorurteile werden verschwinden, wenn die Menschen die
Wahrheit selbstständig erforschen. Um aber mit den Rassenvorurteilen aufräumen zu können, müssen Sich
die Völker allgemein kennen lernen, nicht nur in ihren Spitzen, in einigen wenigen Persönlichkeiten
auf jeder Seite, sondern von Volk zu Volk, auf ganz breiter Basis. Das ist nicht möglich bei der
Beibehaltung der nationalen Sprachen. Es ist unmöglich, daß jeder Mensch so viele Sprachen
lernt, als nötig sind, damit er sich mit jedem Volk in seinem eigenen Idiom verständigen kann.
Dies ist nur möglich durch eine Welteinheitssprache. Durch eine Welteinheitssprache, wie Esperanto,
wird ein ganz anderer Verkehr von Volk zu Volk möglich. Die Völker lernen einander kennen und
erkennen dann leichter, daß sie selbst vor dem andern Volk ja gar nichts voraus haben,
daß andere Völker auch Gottes Geschöpfe sind. Die Völker lernen sich in ihrer Eigenart schätzen
und achten. Die Einheit der Menschheit erfordert eben nicht, daß alle Menschen sich auf eine
gleiche Linie bringen sollen. Ich erinnere an die Harmonie im Blumengarten, wo die Harmonie
erst dadurch sich bildet, daß verschiedene Blumen, Blumen in allen Farben und Gestalten, blühen.
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Und diese so notwendige Harmonie auf geistigem Gebiet kann nur durch Toleranz entstehen.
Besonders muß hervorgehoben werden, daß die Lehren Bahá’u’lláhs sich mit allen Zuständen und Erscheinungen des menschlichen Lebens befassen. Wenn wir hier die mehr äußerlichen, auf das Zusammenleben der Menschen bezüglichen Grundsätze hervorheben, so muß auch betont werden, daß die geistige Erziehung des Einzelmenschen in der Bahá’i-Lehre nicht zu kurz kommt. Im Gegenteil, es kommt klar zum Ausdruck, daß eine geistige Menschheit die Grundlage für ihre Verwirklichung ist. Sinn und Zweck des menschlichen Lebens in der Bahá’i-Lehre besteht nach dem Anhang des täglichen Gebets darin, Gott zu erkennen und ihn anzubeten. Das Leben ist für die Bahá’i nicht Selbstzweck, sondern muß in allen seinen Phasen Gottesdienst sein. Gottesdienst ist aber nach der Bahá’i-Lehre auch jede gut und im Dienst und zum Wohle der Menschheit verrichtete Arbeit.
Die Prinzipien der Bahá’i-Lehre verhelfen einander auch gegenseitig zur Universalität.
Ich habe schon bisher die einzelnen Prinzipien aufeinander bezogen und erwähnt, daß in einer ihrer absoluten Einheit bewußten Menschheit auch nur eine Religion herrschen kann, wenn nicht die Menschheit in die gleichen Fehler verfallen soll, wie bisher. Umgekehrt muß die Menschheit, um zu dem einen Religionsbewußtsein zu gelangen, gleichzeitig sich ihrer Einheit als Menschheit bewußt werden. Die Menschheit muß sich als einheitliche Bruderschaft fühlen, wenn die Kriege aufhören sollen und umgekehrt. Wenn die Klassengegensätze aus der Menschheit verschwinden sollen, müssen die sozialen Gegensätze verschwinden. Und daß die sozialen Gegensätze verschwinden, dazu hilft mit die Idee von der Einheit der Menschheit. Die Idee von der Einheit der Menschheit wird gefördert durch die Welteinheitssprache und so fort. Wir sehen, in wie vollkommener Weise das Merkmal der Universalität bei der Bahá’i-Lehre sich in diesem Punkt zeigt.
Nun zum dritten Punkt unseres Themas:
Die Universalität der Bahá’i-Lehre zeigt sich ferner darin, daß ihre Prinzipien sich auf der ganzen Welt gleichzeitig zu verwirklichen anfangen.
Hier wollen wir gleich darauf hinweisen, daß es keinen Fleck auf der Erde gibt, wo es nicht schon Menschen gibt, die sich zur Bahá’i-Lehre bekennen, noch viel mehr, die von der Bahá’i-Lehre wissen. Schon die Bahá’i-Lehre als Ganzes zeigt also universalen Charakter. Sie will nicht nur auf ein Volk oder eine Rasse beschränkt bleiben, wie die bisherigen Religionen. Ueberall auf der ganzen Welt finden wir Menschen, die sich für die Ideen der Einheit der Menschheit und die Idee der Einheit der Religion erwärmen, die sich sehnen, aus der Zersplitterung des Lebens und des Denkens herauszukommen, und die dankbar sind, wenn sich ihnen neue Horizonte erschließen. Wenn sich auch viele von diesen Vorbereiteten nicht gleich der Bahá’i-Sache anschließen, weil sie sich ihnen in einem allzu bescheidenen, demütigen Gewand darstellt, weil sie sich stoßen an der Herkunft der Sache aus einem mohammedanischen Land, sich stoßen an den morgenländischen Namen ihrer Stifter, so dürfen wir doch freudeerfüllten Herzens feststellen, daß die einzelnen, von Bahá’u’lláh in den 60er Jahren Seiner Gefangenschaft verkündeten Prinzipien beginnen, sich gleichzeitig auf der ganzen Welt zu erfüllen. Der Gedanke von der Einheit der Menschheit bricht sich überall Bahn. Die Presse hat hieran großes Verdienst, aber auch die Handelsverflechtungen der Völker und der gesteigerte Verkehr. Die Gleichberechtigung der Farbigen mit den Weißen wird sich nicht mehr länger aufhalten lassen. Schon eignen sich die Farbigen mehr und mehr die Zivilisation des Weißen an, lernen mehr und mehr von ihm und treten dem Weißen auf Gebieten entgegen, die er bisher als ureigenste Domäne betrachtet hat. Eben erschließt sich der Chinese der westlichen Zivilisation und wird uns dafür mit seiner Jahrtausende alten Kultur bekannt machen.
Der von Bahá’u’lláh in den 60er Jahren geforderte und 1919 ins Leben getretene Völkerbund hat doch schon immerhin manches Gute bewirkt. Ich erinnere an die seinerzeitige Spannung zwischen Italien und den Balkanländern. Hier drohte schon wieder Krieg. Es war aber diesen Völkern doch etwas von der allgemeinen Völkerverbundenheit bewußt geworden; dazu kam die vermittelnde Tätigkeit des Völkerbundes, und es gab eben keinen Krieg.
Aber auch abgesehen davon: es ist ein Anfang, und zwar ein guter. Allein die Tatsache seines Bestehens wirkt für die Idee der Einheit der Menschheit. Der Völkerbund macht auch bis zu einem gewissen Grad die Kabinettspolitik unmöglich, verlangt offene Politik und verhindert dadurch viel Falschheit.
Für eine gewisse teilweise Einheit der Religion beginnen sich z. Zt. auch die bestehenden
Religionen einzusetzen. Auf den Konzilien zu Stockholm und zu Lausanne haben die Kirchen
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hierüber beraten. Wenn auch noch nichts Positives zu Tage gefördert wurde, so dienen solche
Konzilien doch dazu, den Menschen überhaupt einmal die Möglichkeit vor Augen zu führen, daß es
eine Einheit in der Religion geben kann. Haben sich die Menschen einmal klar gemacht, daß die
Verschiedenheit der Religionen nichts an sich Notwendiges, mit der Religion untrennbar
Verbundenes ist, so wird auch die Idee der Einheit der Religion keinen weiten Weg mehr haben.
Die Idee des universalen Friedens wird zur Zeit in den über die ganze Welt zerstreuten Friedensgesellschaften gepflegt und gefördert, während gleichzeitig Esperanto sich auf der ganzen Welt einbürgert, das in seiner internen Idee ebenfalls für Völkerfrieden, Völkerverständigung und Einheit der Menschheit wirbt.
Im Wirtschaftsleben und auf sozialem Gebiet finden wir Ansätze zur Verwirklichung der Bahá’i-Lehre:
in der Umstellung von der Kriegsfabrikation auf die Friedensfabrikation (Krupp in Deutschland baut Autos und landwirtschaftliche Maschinen usw.)
in der Einführung der verschiedenen gesetzlichen Versicherungen, wie Krankenversicherung, Invaliden- und Unfallversicherung, und jetzt Arbeitslosenversicherung
in der gegenseitigen Achtung der Menschen über den gesellschaftlichen Stand hinweg, in der Selbstständigkeit der Frau, ihrem Eintritt ins Erwerbsleben, im Wahlrecht der Frau.
Für die Vereinigung von Religion und Wissenschaft arbeitet die Beschäftigung der Wissenschaft mit der Atomenlehre und den geistigen Erscheinungen und Ursachen des Lebens und führt hier vor allem zur Erkenntnis von der Einheit und geistigen Bedingtheit allen Lebens.
So finden wir Ansätze von der Verwirklichung der universalen Forderungen der Bahá’i-Lehre überall, wohin wir blicken und hören. Nun wird uns aber ein Fernstehender vorhalten: Dies ist doch entstanden, ohne daß die Menschen, die solchen Ideen anhangen, und sie ins Leben rufen, etwas von der Bahá’i-Lehre und von Bahá’u’lláh gewußt haben. Wie könnt ihr den Anspruch erheben, daß dies alles Anfänge sind gerade ausgerechnet zur Verwirklichung der Bahá’i-Lehre? Wie könnt ihr überhaupt erwarten, daß sich alle die universalen Grundsätze Bahá’u’lláhs jemals voll und ganz werden in die Wirklichkeit umsetzen? Ihr wißt doch, daß sich das Gesetz der Trägheit auch in der Menschheit auswirkt, und daß sich allerlei Widerstände erheben, diese Ideen nicht zur Tat werden zu lassen?
Wir Bahá’i glauben eben, daß Bahá’u’lláh, wie er es im Tablet Ischrakat ausspricht, der Sprecher ist, der uns Gottes Willen verkündet hat. Trotzdem wir in zahlreichen Bibelstellen die von Bahá’u’lláh aufgestellten Grundsätze vorher verheißen finden, hat zu der Zeit, als Bahá’u’lláh Seine Lehren der Welt kundtat, niemand auch nur von fern daran gedacht, daß sich solche Grundsätze jemals auf Erden durchführen ließen. Jetzt aber, 70 Jahre später, sind diese Grundsätze, wenn auch noch nicht voll durchgeführt, so doch allgemein bekannt. Der Logos, das zur Tat werdende Schöpferwort, steht einem Nur-Menschen nicht zur Verfügung. Schon oft haben Menschen herrliche Lehrsätze aufgestellt, aber hinter ihnen stand nie die Verwirklichung. Warum hat sich Jesu Lehre verwirklicht? Hinter ihr stand der Logos, das Befehlswort Gottes. Und also ist es auch bei Bahá’u’lláh das Befehlswort Gottes, das alle seine Worte zur Tat werden läßt, den Menschen unbewußt und entgegen ihrem Willen.
Wir dürfen ruhigen Herzens alle Strömungen der Zeit und alles Weltgeschehen als Ausfluß der werdenden Universalität betrachten. Der Geist Bahá’u’lláhs ist als Gottes Schöpferwort über die Welt ausgegossen und wirkt in den Herzen und Gedanken der Menschen und zwingt sie, unbewußt mitzuarbeiten an der Aufrichtung der Universalität, des Reiches Gottes auf Erden. Die Prinzipien der Bahá’i-Lehre wurden von Bahá’u’lláh zu einer Zeit aufgestellt, da im Abendland noch niemand an solche Ideale dachte. Wir Bahá’i können und müssen hier mithelfen, indem wir dem Widerstreben der Menschheit den Gedanken entgegensetzen: Und es muß werden! Die Macht der Gedanken ist groß. Viel können wir hier bewirken, wenn wir in Harmonie unsere Gedanken vereinigen im Willen zur Verwirklichung der Lehren Bahá’u’lláhs. Wir wollen nicht denken: Mit unserer Macht ist nichts getan. Mit unserer Macht ist nur dann nichts getan, wenn sie sich gegen den göttlichen Willen richtet. Solange wir uns aber in der Richtung der Ziele von Gottes Wort bewegen, ist mit unserer Gedankenmacht sehr viel auszurichten. Wir wirken damit auf den Geist der Menschheit ein. Wir wirken als Verstärkungsspule für den Strom von Gottes Willen. 'Abdu'l-Bahá spricht in diesem Sinn über die Macht der Gedanken in den Pariser Ansprachen: „Wenn Kriegsgedanken in euch aufsteigen, so begegnet ihnen mit dem stärkeren Gedanken des Friedens. Ein Gedanke des Hasses muß zerstört werden durch einen viel mächtigeren der Liebe. Gedanken der Liebe wirken aufbauend für Brüderlichkeit, Friede, Freundschaft und Glückseligkeit.“
Wir müssen an uns selbst arbeiten, unsern Geist stärken, ihn mit den Worten und Gedanken
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Bahá’u’lláhs und 'Abdu'l-Bahás ausrüsten und ihn so fähig machen, schon während wir auf Erden
wandeln, durch die Macht unserer Gedanken im Reiche des Geistes als Kämpfer für die Sache
Gottes aufzutreten.
Ist es nicht so, daß wenn wir uns etwas so recht von Herzen gewünscht haben, etwas Geistiges natürlich, schon die Erfüllung da war? Also auch, was wir in unserem Herzen und in unserem Kreise niederkämpfen, kämpfen wir in der Welt draußen nieder, und alles, was wir aus unserem Herzen verjagen, wird damit in seiner ferneren Wirksamkeit in der übrigen Welt geschwächt. Wie sich die Dinge heute darstellen, könnte man beinahe glauben, daß die Erneuerung der Menschheit nicht so vor sich gehen wird, daß die Menschen die Gebote Bahá’u’lláhs bewußt vor sich haben und sich bestreben, nach ihnen zu leben, sondern sie werden durch den Geist von Gottes Schöpferwillen schrittweise dazu getrieben, Gottes Willen unbewußt und widerwillig auszuführen und sich ihm zu fügen, indem ihnen Gott ihre selbstsüchtigen Pläne und Anschläge nacheinander in Scherben schlägt und ihnen keine andere Wahl läßt, als Seinem Willen zu gehorchen. Erleben wir es heute nicht schon vielfach: Verlangen wir von den Menschen, sie sollen das und das tun und so handeln und sein um Gotteswillen, zu Gottes Ehre, so lachen sie und gehen hin und tun das Gegenteil.
So wird der Logos, der Heilige Geist, die Welt umgestalten zum Reiche Gottes auf Erden. Wer diesen Geist unterstützt und ihm hilft, wird Gottes Segen empfangen, wer sich ihm widersetzt, wird zermalmt. Diesem Geist zu helfen ist unsere wahre Tätigkeit als Bahá’i. Wieviel wir dabei selbst gewinnen, können wir nur ahnen.
Das äußerliche Geschehen ist nur das getreue Abbild geistigen Geschehens. Wenn wir das äußerliche Geschehen, das in Erscheinung tretende Geschehen richtig erfassen, wird es uns auch das Geschehen auf der geistigen Ebene erschließen.
Die ganze Menschheit zu Harmonie und Eintracht zu führen, die Reibungspunkte in der Menschheit aus der Welt zu schaffen, vor den Menschen solche Horizonte zu eröffnen, daß niemand unbefriedigt bleibt, das ist die Universalität der Bahá’i-Lehre,
Weihnachtszeit.
Weihnacht naht. Eine Flut von Licht
Sank herab in das Dunkel der Erde,
Daß die Menschheit erlöset werde,
Kam der Retter, der heilige Christ.
Kam aus des Himmels hellichten Höhen
Heilges Erbarmen in seinem Schoß,
Bracht’ eine Liebe, so heiß und so groß,
Ein so göttliches Leidverstehen.
Arme Menschheit, in Nacht und Grauen
Irrst du umher mit suchendem Blick,
Dort, in der Krippe schlummert dein Glück
Heute, zur Weihnacht, sollst du es schauen.
Glocken jubeln’s durchs ganze Land:
Laßt auch ihr eure Herzen erklingen,
Stimmt mit ein in das Jauchzen und Singen:
„Heil dir, du Retter, aus Liebe gesandt“.
Bethlehems Stern, mit mildem Schein,
All ihr brennenden Freudenkerzen
Leuchtet tief in unsre Herzen,
Dann wird selige Weihnacht sein!
Marie-Luise Fack.
Mitteilung des Verlags.
Berichtigung. In der letzten Nummer ist ein Versehen unterlaufen. Herr Renftle von Karlsruhe hat dem Verlag nicht nur 500, sondern 1000 Stücke der Broschüre „Religiöse Lichtblicke" gestiftet.
Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr.3 zu senden :-: Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an den Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes Stuttgart, Hölderlinstraße 35 zu richten.
Druck von W. Heppeler, Stuttgart.
Geschichte und Bedeutung der Bahá’ilehre.
Die Bahai-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.
Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahaibewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahaireligion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahai (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahai der Welt.
Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahai, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China etc. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.
In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).
Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.
Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.
Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, p. 66.)
Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes Stuttgart
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In unserem Verlag sind erschienen:
1. Die Geschichte der Bahai-Bewegung, von S. S. Deutsch von Wilhelm Herrigel. Dritte Ausgabe . . . -.20
2. Bahai-Perlen, Deutsch von Wilhelm Herrigel . . . . -.20
3. Ehe Abraham war, war Ich, v. Thornton Chase. Deutsch v. W.Herrigel . . . . -.20
4. Das heilige Tablet, ein Sendschreiben Baha’o’llahs an die Christenheit. Deutsch von Wilhelm Herrigel . . -.20
5. Die Universale Weltreligion, Ein Blick in die Bahai-Lehre von Alice T. Schwarz . . . . -.50
6. Die Offenbarung Baha’u’llahs, von J.D. Brittingham. Deutsch von Wilhelm. Herrigel . . . -.50
7. Verborgene Worte von Bahá’u’lláh. Dtsch. v. A. Schwarz u. W. Herrigel . . . 1.--
8. Baha’u’llah, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. Deutsch von Wilhelm Herrigel, in Halbleinen gebunden . . . 2.50
in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.--
9. Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit, von Dr. jur. H. Dreyfus, Deutsch von Wilhelm Herrigel. Neue Auflage . . . -.50
10. Die Bahaibewegung im allgemeinen und ihre großen Wirkungen in Indien, von Wilhelm Herrigel . . . . -.50
11. Eine Botschaft an die Juden, von Abdul Baha Abbas. Deutsch von Wilhelm Herrigel . . . -.20
12. Abdul Baha Abbas, Ansprachen über die Bahailehre. Deutsch von Wilhelm Herrigel, in Halbleinen gebunden . . . . . 3.--
in feinstem Ganzleinen gebunden. . . . . 3.50
13. Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahaireligion, von Mirza Abul Fazl. Deutsch von W. Herrigel, in Halbleinen geb. . . . . 4.50
In Ganzleinen gebunden . . . . 5.--
14. Abdul Baha Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. Deutsch von Wilhelm Herrigel, in Ganzleinen gebunden . . . . 4.--
15. Das Hinscheiden Abdul Bahas, ("The Passing of Abdul Baha") Deutsch von Alice T. Schwarz . . . -.50
16. Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey. Deutsch von Wilhelm Herrigel . . . . —.50
17. Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahailehre von Dr. Hermann Grossmann . . . . . —.20
18. Die Bahai-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase, deutsch von W. Herrigel, kartoniert M. 4.--, in Halbleinen gebunden M. 4.60
19. Bah’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont, deutsch von W. Herrigel und H. Küstner. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.50
20. Sonne der Wahrheit, Jahrgang 3 - 6 in Halbleinen gebunden . . . . . 6.50
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