Sonne der Wahrheit/Jahrgang 7/Heft 9/Text

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SONNE

DER

WAHRHEIT
 
Heft IX VII.JAHRG. NOV. 1927
 
ORGAN DES DEUTSCHEN BAHAI-BUNDES STUTTGART


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Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i -Prinzipien.


1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.

Baha’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Baha’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Baha’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.


2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.

In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.


3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.

Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.


4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.

Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.


5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.

Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.


6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.

Dies ist eine besondere Lehre Baha’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.


7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.

Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.


8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.

Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.


9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.

Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.


10. Die soziale Frage muss gelöst werden.

Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Baha’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.


11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.

Baha’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weitsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.


12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.

Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.

Vor mehr als 50 Jahren befahl Baha’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.


Baha’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.


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SONNE    DER  WAHRHEIT
Organ des Bahá’i-Bundes, Deutscher Zweig
Herausgegeben vom Verlag des Bahá’i-Bundes, Deutscher Zweig, Stuttgart
Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz - Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3
Preis vierteljährlich 1,80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark.
Heft 9 Stuttgart, im November 1927
Qudrat (Stärke) 84
7. Jahrgang

Inhalt: Beantwortete Fragen. — Wissenschaftliche Bahá’i-Beweise des Lebens nach dem Tode. — Lernt Esperanto! — Die Bahá’i-Bewegung in Deutschland 1926/27. — Begebenheiten aus meinem Leben.

Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion



Der Mensch muß arbeiten und bei dieser Arbeit die Eigenschaften Gottes kund tun und damit Gutes bewirken. Seine materielle sowohl als seine geistige Arbeit muß beweisen, was er selbst ist. Aus seiner Kunst, aus seinen Erfindungen und aus seiner ganzen Arbeit muß des Menschen äußerste Fähigkeit hervorgehen.

'Abdu'l-Bahá.

Aus Bahá’i-Scriptures 803.


Die Bahá'i-Lehre übermittelt neues Leben. Sie ist der Anlaß zur Liebe und Freundschaft unter den Menschen. Sie stellt eine Verbindung zwischen den verschiedensten Nationen und Religionen her. Sie hebt alle Gegensätzlichkeit auf. Wenn diese Lehre in ganz Europa bekannt ist, so wird Kriegführung zu den Dingen der Vergangenheit gehören, universaler Friede wird einziehen und die Einheit der Menschheit wird erkannt werden. Religion und Wissenschaft wird Hand in Hand gehen.

Die Bahá’i-Lehre erweckt im Menschen einen neuen Geist, ein neues Verständnis und eine neue Gefühlswelt. Sie erweitert die Gedankensphäre. Sie erleuchtet den Horizont der Intelligenz. Sie weitet das Feld des Verständnisses.

Dies ist das Endziel des menschlichen Daseins. Dies ist die Frucht der Existenz.

Dies ist die leuchtende Perle der kosmischen Erkenntnis.

Dies ist der strahlende Stern der geistigen Bestimmung.

'Abdu'l-Bahá.

Aus Bahá’i-Scriptures 809.



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Beantwortete Fragen.

Worte 'Abdu'l-Bahás

gesammelt und aus dem Persischen übersetzt von Laura Clifford Barney. Autorisierte und überprüfte deutsche Uebersetzung von Wilhelm Herrigel.

(Fortsetzung.)


29. Kapitel.

Erklärung des 22. Verses im 15. Kapitel der ersten Epistel St. Pauli an die Korinther.

Frage: Im 1. Korinther 15,22 lesen wir:

„Denn gleich wie sie in Adam alle sterben, also werden sie in Christo alle lebendig gemacht werden.“

Wie ist dies zu verstehen?

Antwort: Ihr müßt wissen, daß es im Menschen zwei Naturen gibt, die physische und die geistige. Die physische Natur ist ererbt von Adam und die geistige von der Wirklichkeit des Wortes Gottes, welche die Geistigkeit Christi ist. Die physische Natur stammt von Adam, aber die geistige Natur ist eine Gabe des Heiligen Geistes. Erstere ist die Quelle aller Unvollkommenheit, letztere die Quelle aller Vollkommenheit.

Christus opferte sich selbst, damit die Menschen von der Unvollkommenheit der physischen Natur befreit und in den Besitz der Tugenden der geistigen Natur gelangen möchten. Diese geistige Natur, die durch die Gaben der göttlichen Wirklichkeit ins Leben gerufen wurde, vereint in sich alle Vollkommenheit und wird offenbar durch den Odem des Heiligen Geistes. Sie ist göttliche Vollkommenheit, Licht, Geistigkeit, Führung, Begeisterung, Hoheit, geistiges Streben, Gerechtigkeit, Liebe, Höflichkeit und Güte, sie ist Menschenliebe, das Wesen des Lebens, sie ist die Widerspiegelung des Glanzes der Sonne der Wirklichkeit.

Christus ist der Mittelpunkt des Heiligen Geistes, Er ist geboren vom Heiligen Geist, Er ist entwickelt durch den Heiligen Geist, Er ist der Sproß des Heiligen Geistes. Damit soll gesagt sein, daß die Wirklichkeit Christi nicht von Adam abstammt, nein, sie ist geboren vom Heiligen Geist. Daher bedeuten die Worte des Korintherbriefes: „Denn gleich wie sie in Adam alle sterben, also werden sie in Christo alle lebendig gemacht,“ daß Adam *) der Vater der Menschen ist, d.h. er ist die Ursache des physischen Lebens der Menschheit, ihm kommt die physische Vaterschaft zu. Er ist eine lebendige Seele, aber er ist nicht der Geber des geistigen Lebens. Christus dagegen ist die Ursache des geistigen Lebens des Menschen, Ihm gebührt die geistige Vaterschaft. Adam ist eine lebendige Seele, Christus ein belebender Geist.

*) Abdu'l-basaar, d.h. der Vater der Menschen, ist einer der Namen, die die Moslems Adam gaben

Die physische Natur des Menschen ist der Macht der Begierden unterworfen, und die Sünde ist die Folge dieser Macht, denn sie ist den Gesetzen der Gerechtigkeit und Heiligkeit nicht untertan. Der Körper des Menschen ist ein Gefangener der Natur, er möchte immer das tun, wozu ihn die Natur antreibt. Es ist daher sicher, daß Sünden wie Zorn, Eifersucht, Streitsucht, Habsucht, Geiz, Unwissenheit, Vorurteile, Haß, Stolz und Tyrannei in der physischen Welt bestehen. Alle diese tierischen Eigenschaften sind in der Natur des Menschen vorhanden. Ein Mensch, der nicht geistig erzogen ist, ist ein Tier. Solche Menschen gleichen den Wilden Afrikas, deren Handlungen, Gewohnheiten und Sitten völlig sündig sind, und die ihre natürlichen Begierden so über sich herrschen lassen, daß sie ihresgleichen zerreißen und aufessen. Die physische Welt des Menschen ist also eine Welt der Sünde. In dieser physischen Welt unterscheidet sich der Mensch nicht vom Tier.

Alle Sünde kommt von dem Verlangen der Natur und dies Verlangen, das von den physischen Eigenschaften stammt, ist bei den Tieren keine Sünde, sondern nur bei den Menschen. Das Tier ist die Quelle der Mängel, wie Zorn, Sinnlichkeit, Eifersucht, Habsucht, Grausamkeit und Stolz. Alle diese Fehler sind bei den Tieren zu finden, sie werden ihnen jedoch nicht zur Sünde, aber bei den Menschen sind sie Sünde.

Adam ist die Ursache des physischen Lebens des Menschen, aber die Wirklichkeit Christi oder mit andern Worten das Wort Gottes ist die Ursache des geistigen Lebens. Die Worte: „Er ist ein belebender Geist“ bedeuten, daß alle Unzulänglichkeiten, die von den Forderungen des physischen Lebens des Menschen kommen, durch die Lehren und die Erziehung dieses Geistes in vortreffliche menschliche Eigenschaften verwandelt werden. Deshalb war Christus ein belebender Geist und die Ursache des Lebens der ganzen Menschheit. [Seite 131]

Adam war die Ursache des physischen Lebens, und da die physische Welt des Menschen die Welt der Unvollkommenheit ist und Unvollkommenheit soviel wie Tod bedeutet, verglich Paulus die physische Unvollkommenheit mit dem Tod.

Aber die Mehrzahl der Christen glaubt, daß Adam, als er von dem verbotenen Baume aß, sündigte, weil er ungehorsam war, und daß die unglückliche Folge dieses Ungehorsams als eine Erbschaft auf alle seine Nachkommen übertragen worden sei. Dadurch sei Adam für die Menschheit die Ursache des Todes geworden. Diese Erklärung ist unvernünftig und ohne Zweifel falsch, denn dies würde heißen, daß alle Menschen, sogar die Propheten und Botschafter Gottes, ohne eine Sünde oder einen Fehler begangen zu haben, nur deswegen, weil sie die Nachkommen Adams sind, also ohne Grund schuldige Sünder seien und bis zum Tag des Opfertodes Christi in schrecklichster Qual in der Hölle gefesselt waren. Ein solcher Gedanke ist weit entfernt von der Gerechtigkeit Gottes. Wenn Adam ein Sünder war, was ist die Sünde Abrahams? Was das Vergehen Isaaks oder Josephs? Wessen ist Mose schuldig?

Aber Christus, der das Wort Gottes ist, opferte sich selbst. Dies hat zweierlei Bedeutungen, eine äußere und eine innere. Die äußere Bedeutung ist folgende: Die Absicht Christi war, eine Sache zu vertreten und zu verbreiten, welche die Menschheit erziehen, die Kinder Adams beleben und das ganze Menschengeschlecht erleuchten sollte. Aber eine große Sache zu vertreten eine Sache, die dem Denken aller Völker der Welt, aller Nationen und Königreich entgegen war — bedeutete Tod und Kreuz, und darum opferte Christus, indem Er Seine Mission verkündigte, Sein Leben. Er betrachtete das Kreuz als einen Thron, die Wunde als Balsam, das Gift als Honig und Zucker. Er erhob sich, um die Menschen zu lehren und zu erziehen, und so opferte Er sich selbst, um andern den Geist des Lebens zu geben. Er gab Seinen Körper in den Tod, um andere durch den Geist zu beleben.

Die zweite Bedeutung des Opfers ist folgende: Christus glich einem Samenkorn, und dies Samenkorn opferte seinen eigenen Körper, damit der Baum sich entwickele und wachse. Obwohl der Körper des Samenkorns zerstört war, so wurde doch seine Wirklichkeit in der Gestalt des Baumes sichtbar in vollkommener Majestät und Schönheit.

Die Stufe Christi war unbeschränkte Vollkommenheit. Gleich der Sonne ließ Er Seine göttliche Vollkommenheit über alle gläubigen Seelen scheinen, und die Gaben dieses Lichts leuchteten und erstrahlten im Wesen der Menschen. Darum sagte Er: „Ich bin das Brot des Lebens, das vom Himmel herabkam; wer von diesem Brot isset, wird nimmermehr sterben.“ Das bedeutet: Wer an dieser göttlichen Speise teilnimmt, wird ewiges Leben erlangen; d.h. jedermann, der an dieser Gabe, an dieser Vollkommenheit teilhat, wird ewiges Leben finden, er wird ewige Gunst erlangen, er wird befreit werden von der Finsternis des Irrtums und wird erleuchtet durch das Licht Seiner Führung.

Der Körper des Samenkorns wurde geopfert für den Baum, aber seine vortrefflichen Eigenschaften wurden durch dies Opfer offenbar und sichtbar. Der Baum, die Zweige, die Blätter und Blüten sind verborgen im Samenkorn. Als der Körper des Samenkorns geopfert war, erschienen seine Werte in der vollkommenen Form der Blätter, Blüten und Früchte.


30. Kapitel.

Adam und Eva.

Frage: Wie verhält es sich mit der Geschichte Adams, die uns erzählt, daß er von der Frucht des Baumes gegessen habe?

Antwort: In der Bibel steht geschrieben Adam sei von Gott in den Garten Eden gesetzt worden, um diesen zu pflegen und ihn zu bewachen und Gott habe zu ihm gesagt: „Du magst essen von allen Bäumen des Gartens, ausgenommen von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, denn wenn du von diesem issest, wirst du sterben.“ Ferner heißt es, Gott habe Adam in einen tiefen Schlaf versenkt, ihm eine seiner Rippen entnommen und daraus ein Weib erschaffen, damit es seine Gefährtin sei. Hernach heißt es von der Schlange, sie habe das Weib veranlaßt, von dem verbotenen Baum zu essen. Sie sagte: „Gott hat euch verboten, von diesem Baum zu essen, damit euch eure Augen nicht aufgetan werden und ihr das Gute und Böse nicht erkennen möget." Darauf aß Eva von dem Baum und gab Adam davon, der auch aß. Ihre Augen wurden geöffnet, und sie fanden, daß sie nackt waren und verhüllten sich mit Blättern. Durch diese Tat zogen sie sich den Tadel Gottes zu. Gott sagte zu Adam: „Hast du von dem [Seite 132] verbotenen Baum gegessen?" Adam antwortete: „Das Weib, das du mir zugesellet hast, verführete mich und ich aß.“ Darauf tadelte Gott Eva, sie aber sprach: „Die Schlange verführte mich und ich aß.“ Dafür wurde die Schlange verflucht und Feindschaft gesetzt zwischen der Schlange und Eva und zwischen ihren Nachkommen. Und Gott sprach: „Der Mensch ist uns gleich geworden, er erkennt das Gute und das Böse, und vielleicht wird er auch essen von dem Baum des Lebens und ewig leben.“ So bewachte Gott den Baum des Lebens.

Wenn wir diese Geschichte buchstäblich nehmen, wie sie von den meisten Menschen ausgelegt wird, dann ist sie in der Tat etwas Außergewöhnliches. Die Vernunft kann sie weder annehmen, bestätigen noch sich vorstellen, denn solche Anordnungen, solche Einzelheiten, solche Reden und Vorwürfe sind nicht das Produkt eines intelligenten Menschen, wieviel weniger der Gottheit - einer Gottheit, die dies unendliche Weltall in vollkommenster Form und mit seinen zahllosen Bewohnern in unbegrenzter Ordnung, Kraft und Vollkommenheit erschaffen hat.

Denken wir doch ein wenig darüber nach! Wenn diese Geschichte in ihrer buchstäblichen Bedeutung einem weisen Mann zugeschrieben würde, so würden logischerweise sicherlich alle sagen, daß eine solche Anordnung, eine solche Erfindung unmöglich von einem vernünftigen Wesen ausgehen könne. Deshalb muß diese Geschichte von Adam und Eva, die von dem verbotenen Baum aßen und aus dem Paradies vertrieben wurden, einfach als Symbol gedacht werden. Sie enthält göttliche Geheimnisse, universale Bedeutungen und läßt wunderbare Erklärungen zu. Nur, wer in diese Geheimnisse eingeweiht ist und dem Hofe des Allmächtigen nahesteht, wird diese Geheimnisse erkennen. Deshalb haben diese Bibelstellen zahlreiche Bedeutungen. Laßt uns hier eine derselben erklären:

Adam bedeutet den Geist Adams und Eva seine Seele. Auch in einigen andern Stellen der heiligen Bücher, in denen Frauen erwähnt sind, stellen sie die Seele des Mannes dar. Der Baum des Guten und Bösen bedeutet die Menschenwelt, denn die geistige und göttliche Welt ist nur absolut gut und voll Licht, aber in der Menschenwelt existieren als gegensätzliche Zustände Licht und Finsternis, Gutes und Böses.

Die Bedeutung der Schlange ist der Hang zur Menschenwelt. Dieser Hang des Geistes zur Menschenwelt bestimmte die Seele und den Geist Adams sich von der Welt der Freiheit zur Welt der Knechtschaft zu wenden, sie verursachte, daß er sich von dem Königreich der Einheit zur Menschenwelt wandte. Als sich die Seele und der Geist Adams zur Menschenwelt wandten, verließen sie das Paradies der Freiheit und gerieten in die Welt der Knechtschaft. Von der Höhe der Reinheit und der absoluten Güte traten sie in die Welt des Guten und Bösen ein.

Der Baum des Lebens versinnbildlicht die höchste Stufe der Existenz, die Stufe des Wortes Gottes und der universalen Manifestation. Deshalb wurde diese Stufe verwahrt, und erst beim Erscheinen der erhabensten universalen Manifestation trat sie klar zutage. Denn in Bezug auf das Erscheinen und Offenbarwerden der göttlichen erhabenen Eigenschaften war die Stufe Adams noch in einem Keimzustand. Die Stufe Christi dagegen befand sich in einem Zustand der Reife, und das Zeitalter der Vernunft und des Aufgangs des größten Lichts *) war der Zustand der Vollkommenheit des Wesens und der Eigenschaften. In dem höchsten Paradies bringt daher der Baum des Lebens den Mittelpunkt der absoluten reinen Heiligkeit, d. h. die göttliche universale Manifestation zum Ausdruck. Von den Tagen Adams bis auf die Tage Christi sprach man wenig vom ewigen Leben und der himmlischen universalen Vollkommenheit. Dieser Baum des Lebens war die Stufe der Wesenheit Christi, durch Seine Manifestation wurde er gepflanzt und mit ewigen Früchten geschmückt.

*) Bahá’u’llah.

Bedenket nun, wie diese Bedeutung mit der Wirklichkeit übereinstimmt, denn der Geist und die Seele Adams gingen — als sie der Menschenwelt anhingen — von der Welt der Freiheit zur Welt der Knechtschaft über, und seine Nachkommen verblieben in der Knechtschaft. Dieser Hang von Seele und Geist zur Menschenwelt, der Sünde ist, wurde auf die Nachkommen Adams vererbt, und er ist die Schlange, die immer unter ihnen lebt, und in Feindschaft ist mit dem Geist der Nachkommen Adams. Diese Feindschaft besteht noch immer. Der Hang zur Welt wurde zur Ursache der Knechtschaft des Geistes und diese Knechtschaft ist gleichbedeutend mit Sünde, die von Adam auf seine Nachkommen vererbt wurde. Diesem Hang ist es zuzuschreiben, daß der Mensch [Seite 133] seiner ursprünglichen Geistigkeit und seiner erhabenen Stellung verlustig ging.

Als der geheiligte Odem Christi und der heilige Lichtstrahl des größten Lichts *) weit verbreitet waren, wurden die menschlichen Seelen, d. h. diejenigen, die sich dem Worte Gottes zuwandten und Seine Gaben im Ueberfluß empfingen, von diesem Hang und der Sünde errettet; sie erlangten ewiges Leben, sie wurden erlöst von den Ketten der Knechtschaft und gelangten in die Welt der Freiheit; sie wurden befreit von den Lastern der Menschenwelt und gesegnet mit den Tugenden des Königreichs Gottes. Dies ist auch die Bedeutung der Worte Christi: „Ich gab Mein Blut für das Leben der Welt.“ Damit wollte Er sagen: Ich habe diese Schwierigkeiten, diese Leiden, dies Elend und sogar das größte Märtyrertum erwählt, damit die Menschen von der Sünde lassen, d. h. damit sich ihr Geist von der Menschenwelt trennt und sich der göttlichen Welt nähert, damit sich Seelen erheben mögen, die das wahre Wesen der Führung für die Menschen und die Offenbarung der Vortrefflichkeit des höchsten Königreichs sein werden.

*) Bahá’u’llah.

Sollte diese Bibelstelle in ihrem buchstäblichen Sinn, wie das Volk des Buches **) es vermutet, aufzufassen sein, so ist zu bedenken, daß dies absolute Ungerechtigkeit und Prädestination (Vorherbestimmung) wäre. Wenn Adam dadurch sündigte, daß er sich dem verbotenen Baume näherte, was war dann die Sünde des glorreichen Abraham, und was der Irrtum Moses, des Interlokutors (des Sprechers mit Gott)? Was war das Verbrechen Noahs, des Propheten? Was war die Uebertretung Josephs, des Wahrhaftigen? Was war die Missetat der Propheten Gottes, und was war das Vergehen Johannes des Täufers? Würde es die Gerechtigkeit Gottes erlaubt haben, daß diese erleuchteten Offenbarer nur wegen der Sünde Adams hätten Höllenqualen erdulden müssen, bis Christus kam und sie durch Sein Opfer von den peinigenden Qualen erlöste? Ein solcher Gedanke steht außerhalb jeden Gesetzes und jeder Regel und kann von keinem verständigen Menschen angenommen werden.

**) Die Juden und Christen.

Nein, diese Worte bedeuten vielmehr, wie bereits gesagt, daß Adam der Geist Adams und Eva seine Seele ist; der Baum ist die Menschenwelt und die Schlange der Hang zu dieser Welt, und dies ist die Sünde, die sich auf die Nachkommen Adams vererbte. Christus errettete die Menschen durch Seinen heiligen Odem von diesem Hang und befreite sie von dieser Sünde. Die Sünde Adams steht im Verhältnis zu seiner Position. Obgleich von diesem Hang zu dieser Welt auch Resultate hervorgehen, so wird er doch gegenüber dem Hang zur geistigen Welt als Sünde betrachtet. Die körperliche Kraft ist gegenüber der geistigen Kraft nicht nur mangelhaft, sondern im Vergleich zu ihr Schwachheit. Ebenso ist das physische Leben im Vergleich zu dem ewigen Leben im göttlichen Königreich als Tod anzusehen. In diesem Sinne nannte Christus das physische Leben Tod, als Er sagte: „Laßt die Toten ihre Toten begraben.“ Obgleich diese Seelen physisches Leben besaßen, war doch in Seinen Augen ihr Leben tot.

Dies ist eine der Bedeutungen des biblischen Berichts über Adam. Denket darüber nach, bis ihr die anderen Bedeutungen entdeckt. Mein Gruß sei mit euch!


31. Kapitel.

Erklärung der Worte Christi über das Sündigen wider den Heiligen Geist.

Frage: Was bedeuten die Worte in Matthäi ı2, 31-32: „Darum sage ich euch: Alle Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben; aber die Lästerung wider den Heiligen Geist wird dem Menschen nicht vergeben. Und wer etwas redet wider des Menschen Sohn, dem wird es vergeben; aber wer etwas redet wider den Heiligen Geist, dem wird’s nicht vergeben, weder in dieser noch in jener Welt?“

Antwort: Die heilige Wirklichkeit der Manifestationen Gottes hat zwei geistige Bedeutungen. Die eine ist der Ort der Offenbarung, dieser kann verglichen werden mit der Stellung des Sonnenkörpers und die andere ist der Glanz der Offenbarung, der mit dem Licht und den Strahlen der Sonne verglichen werden kann; diese sind die Vollkommenheit Gottes oder mit andern Worten der Heilige Geist. Der Heilige Geist besteht in göttlichen Gaben und herrlichen vollkommenen Eigenschaften, und diese gleichen den Strahlen und der Wärme der Sonne. Die leuchtenden Strahlen der Sonne machen ihr Wesen aus, und ohne sie wäre sie nicht die Sonne. Wären die göttlichen vollkommenen Eigenschaften nicht in Jesus Christus geoffenbart und widergespiegelt, dann würde Er nicht der Messias sein. Er ist eine Manifestation, weil Er in sich die [Seite 134] göttlichen vollkommenen Eigenschaften widerspiegelt. Die Propheten Gottes sind Offenbarer der vollkommenen göttlichen Eigenschaften, d.h. der Heilige Geist wird in ihnen offenbar.

Wenn eine Seele der Manifestation fern bleibt, so mag sie dennoch erweckt werden, denn sie erkannte die Manifestation der vollkommenen göttlichen Eigenschaften nicht. Wenn aber der Mensch sogar die vollkommenen göttlichen Eigenschaften selbst oder mit andern Worten den Heiligen Geist verabscheut, so gleicht er einer Fledermaus, die das Licht scheut.

Für diese Verabscheuung des Lichts gibt es kein Heilmittel und keine Verzeihung, mit andern Worten, für einen solchen Menschen ist es unmöglich, Gott nahe zu kommen. Diese Lampe ist eine Lampe, weil sie Licht gibt, ohne das Licht würde sie keine Lampe sein. Wenn nun eine Seele eine Abneigung gegen das Licht der Lampe hat, so bleibt sie blind und kann das Licht nicht begreifen, und Blindheit ist die Ursache der ewigen Verbannung von Gott.

Es ist ja klar, daß die Seelen Gnade empfangen von dem Heiligen Geist, der in den Manifestationen Gottes erscheint, und nicht von der Persönlichkeit der Manifestation. Wenn daher eine Seele die Gnade von den Gaben des Heiligen Geistes nicht empfängt, so bleibt sie dieser göttlichen Gaben beraubt, und diese Selbstverbannung hindert eine solche Seele, die göttliche Verzeihung zu erlangen.

Es waren schon viele Menschen Feinde der Manifestationen Gottes und anerkannten sie nicht; wenn sie dieselben aber einmal erkannten, wurden sie ihre Freunde. Eine solche Feindschaft gegenüber der Manifestation wurde nicht zur Ursache ewiger Verbannung, denn die, die diese Feindschaft hegten, waren die Feinde des Leuchters, sie wußten nicht, daß die Manifestationen die leuchtenden Lichter Gottes waren. Sie waren also nicht die Feinde des Lichts; wenn sie aber einmal erkannten, daß der Leuchter der Ort der Offenbarung des Lichts war, wurden sie seine treuesten Freunde.

Die Bedeutung dieser Worte ist diese: Dem Leuchter fernzubleiben, zieht nicht ewige Verbannung nach sich, denn der Betreffende kann ja noch erweckt und wachsam werden; aber die Feindschaft gegen das Licht ist es, welche die ewige Verbannung verursacht, und für sie gibt es kein Heilmittel.

(Fortsetzung folgt.)



Wissenschaftliche Bahá’i-Beweise des Lebens nach dem Tode.

Vortrag von Martha Root in der zweiten Bahá’i-Versammlung während des XIX. Esperanto-Weltkongresses in der Freien Stadt Danzig, den 1. August 1927. In Deutsch übersetzt von Wolf Echtner, Prag.

„O Sohn des Höchsten! Den Tod befahl Ich als eine freudige Erkenntnis für dich, warum wirst du betrübt? Das Licht habe ich erschaffen um dich zu erleuchten, warum verbirgst du dich vor ihm?“

Bahá’u’lláh.

Es gibt kein interessanteres Thema in diesem universalen Jahrhundert, als die wissenschaftlichen Beweise vom Leben nach dem Tode. Deshalb ist es für mich eine große Ehre und Freude, Sie heute mit den wissenschaftlichen Bahá’i-Beweisen über dies Thema bekannt zu machen. Wir ersehen aus den Lehren Bahá’u’lláhs — wie es auch die materielle Wissenschaft behauptet — daß der physische Körper aus Atomen besteht, welche durch die Anziehungskraft zusammengehalten werden, und auf diese Weise den Körper formen. Wenn aber diese Atome sich voneinander trennen, so erfahren wir, was man Zerstörung oder den Tod nennt. Bahá’u’lláh lehrt uns, daß der Geist in uns aber etwas ganz anderes ist; dieser ist nicht aus Atomen zusammengesetzt, die sich gegenseitig anziehen und wieder auflösen, im Gegenteil, der Geist besteht aus einem Element, aus einer Substanz. Deshalb kann er sich nie auflösen. Der Geist ist ein Lichtstrahl, der den Körper erleuchtet, so wie die Sonne den Spiegel erhellt. Man kann nicht auf irgendeinen Teil des Körpers hinweisen und sagen: „Hier ist der Sitz des Geistes“. Der Geist ist seinem wahren Wesen nach unsterblich, und wenn der Geist in uns erwacht, so bedeutet dies der Bibel nach eine Wiedergeburt, durch die wir schon diesseits unsterblich werden. Und wenn wir diese Welt verlassen, geht dieser erwachte Geist mit vollem Bewußtsein in das höhere Reich über. Der Mensch legt den Körper ab, wie wir ein Kleid ablegen, und der Geist wirkt dann mächtiger, ohne die Fessel des irdischen Leibes. 'Abdu'l-Bahá lehrt, daß der Geist, wenn er in das Reich des Lichtes [Seite 135] eintritt, einen geistigen, himmlischen Körper annimmt, der unveränderlich ist. Er lehrt auch, daß der Geist von einem Fortschritt zum andern in stets höhere Reiche sich entwickelt.

'Abdu'l-Bahá lehrt uns, daß es viele Welten Gottes gibt. Alles in der physischen Welt hat seinesgleichen in der geistlichen Welt. Zum Beispiel sagen uns die Gelehrten, daß es dreihundert Millionen Welten gibt, ebenso groß wie unsere kleine Erde. Wenn es dreihundert Millionen physischer Welten gibt, dann muß es auch viele geistige Welten geben. Christus wollte dasselbe ausdrücken, indem er sagte: „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen.“ 'Abdu'l-Bahá sagt, daß der Geist, wenn er in das höhere Reich eintritt, in die Gegenwart Christi und Bahá’u’lláhs, Buddhas und Mose, aller Propheten und aller Seiner Geliebten kommt, und dann von seiner geistigen Pilgerfahrt auf diesem Planeten berichten kann.

Die volle Absicht des Geborenwerdens in diese Welt ist nicht um nur materiellen Wohlstand oder die äußerlichen Zustände zu erreichen, die uns so wichtig dünken, sondern die wissenschaftliche Wahrheit, die wir in dieser vollen Absicht des Geborenwerdens finden können, ist die, daß der Geist geweckt wird, der in jeder Seele verborgen liegt, und daß er die Eigenschaften entwickle, welche er im höheren Reich benötigt. Das Kind, das der menschlichen Welt geboren wird, ist mit Gesicht, Gehör und anderen Sinnen versehen, die schon gebrauchsfertig geformt sind. Desgleichen befinden wir uns hier auf Erden auch im geistigen Mutterschoß des ewigen Lebens, und das lehrreichste Wissen, das wir uns jemals aneignen können, ist, wie wir die göttlichen Eigenschaften in uns aufnehmen können, da der erwachte Geist nur diejenigen göttlichen Eigenschaften in das höhere Reich mitnehmen kann, welche er sich hier erworben hat. Oft spricht man von der Wissenschaft nur im Bezug auf Materielles, aber göttliche Wissenschaft, die uns die Wirklichkeit des Geistes und das kosmische Bewußtsein lehrt, ist so gewiß wissenschaftlich wahr, wie die Entdeckung der elektrischen Kraft und des Radio.

Diese Wirklichkeit des Geistes wird durch einige sehr deutliche Worte bezeugt, die 'Abdu'l-Bahá in einem Seiner Vorträge in den Vereinigten Staaten äußerte, als Er jenes Land im Jahre 1912 besuchte. Hören Sie, mit welcher Klarheit Er dies Thema aufrollt:

„Die Veränderungen und Umformungen sind sonderbare Eigenschaften des Materiellen. Es gibt kein Aendern und Wechseln des Geistes. Der Beweis hiefür ist, daß der Körper schwach werden kann in seinen Gliedern, derselbe kann zerstümmelt werden, oder es können etliche seiner Glieder ihrer Fähigkeit beraubt werden — zerteile einen gesunden Menschen, der Geist wird nicht zerteilt. Nimm ihm seine Füße ab, sein Geist lebt weiter. Er kann lahm werden, der Geist wird davon nicht berührt. Der Geist bleibt stets derselbe. Du kannst keinerlei Veränderungen oder Formwechsel wahrnehmen, und da es hier weder Aenderungen noch Wechsel gibt, ist der Beweis erbracht, daß der Geist unendlich und unvergänglich ist.“

Um die Unvergänglichkeit und Unabhängigkeit des Geistes zu erläutern, weist 'Abdu'l-Bahá oft auf die lebhaften Erfahrungen des schlafenden Individuums hin, d. h. wenn die Organe untätig, der Mensch seiner selbst unbewußt ist. Er sagte:

„Denke über den Zustand des Schlafenden nach. Es ist offenbar, daß alle seine Glieder zum Stillstand gebracht sind, daß dieselben nicht tätig sind. Seine Augen sehen nicht, seine Ohren hören nicht, seine Hände und Füße sind unbeweglich; trotzdem ist er sehend im Reiche der Träume, er hört, er spricht, er geht, er kann sogar in einem Aeroplan fliegen. Es ist dadurch ersichtlich, daß der Geist lebendig und unvergänglich ist, obwohl der Körper wie leblos daliegt. Die Wahrnehmungen sind im Traum sogar oftmals stärker, während der Körper im Schlafzustand ist. Der Flug ist ein höherer, das Gehör ein schärferes; alle Funktionen sind da, trotzdem der Körper nichts damit zu tun hat. Dies ist also ein Beweis, daß es einen Geist im Menschen gibt, und dieser Geist kennt keinen Unterschied, ob der Körper schläft oder tot ist. Der Geist verliert seine Fähigkeiten dieser Umstände halber nicht; er wird seiner Vollkommenheiten nicht beraubt.“

Vielleicht wird mancher der hier Versammelten antworten: „Ich kann an den Geist nicht glauben, da ich ihn nicht sehen kann. Ich kann ihn nicht empfinden, und ihn mit meinen fünf Sinnen nicht wahrnehmen.“ 'Abdu'l-Bahá sagte:

„Wenn der Geist dem materiellen Reich angehörte, so könnte ihn das Auge sehen, das Ohr ihn hören, die Hand könnte ihn berühren. Da ihn aber die fünf Sinne nicht wahrnehmen können, ist der Beweis unzweifelhaft, daß der Geist nicht der materiellen Welt angehört und daher über Tod und Sterblichkeit steht, die untrennbar von dem materiellen Reich der Existenz sind.“

Eine andere Tatsache, die von der materiellen Gelehrsamkeit nicht anerkannt wird, die aber die Bahá’i-Lehre klar beweist, ist, daß der Körper die Vernichtung des Verstandes oder der Gedankenstrahlen nicht leiten kann, und daß z. B. die [Seite 136] Fähigkeit der Intelligenz dem Tier nicht verliehen ist, sondern eine hervorragende Eigenschaft des menschlichen Geistes ist. Ich führe die Worte 'Abdu'l-Bahás an:

„Der Körper lenkt nicht die Gedankenwelt, führt nicht die Gedankenstrahlungen herbei. Er ist lediglich der Vermittler der Empfindungen. Dieser menschliche Körper ist rein tierisch dem Typus nach, und gleich dem Tiere ist er den körperlichen Empfindungen unterworfen. Er besitzt durchaus nicht die Eigenschaft der Gedankenbildung, er ist unfähig, Vernunftschlüsse zu ziehen. Das Tier empfindet mit seinen tierischen Sinnen. Sein Begriff übersteigt seine Sinneswahrnehmungen nicht. Aber wir sind uns dessen wohl bewußt, daß im menschlichen Organismus ein Mittelpunkt für Intelligenz vorhanden ist, die Fähigkeit eines Intelligenzverfahrens, welches der Entdecker der Wirklichkeit der Dinge ist. Diese Fähigkeit löst das Mysterium des Phänomens. Sie kann Erkennbares, nicht nur das Empfindbare, begreifen. Alle Erfindungen sind ihre Ergebnisse, die alle zuvor Geheimnisse der Natur waren. Alle Wissenschaften, die wir nun anwenden, sind von dieser wunderbaren Wirklichkeit erzeugt. Das Tier jedoch ist der Auswirkung dieser Fähigkeit beraubt. Alle Künste, deren wir uns nun erfreuen, sind der Ausdruck dieser bemerkenswerten Wirklichkeit. Das Tier besitzt sie nicht, da diese bewußte Wirklichkeit nur dem menschlichen Geist verliehen ist.“

Diese Tatsache beweist uns, daß der Mensch zwei Wirklichkeiten besitzt: die eine bezieht sich auf die Sinne, die Mensch und Tier besitzt, und eine zweite Wirklichkeit, eine bewußte und ideale, ihrem Charakter nach. Diese zweite ist die kollektive Wirklichkeit, und sie führte zur Entdeckung des bisher Unbekannten. Die Eigenschaft, die die Wirklichkeit der Dinge entdeckt, besteht zweifellos nicht aus niederer Substanz. Sie ist anders geartet als diese, da Sterblichkeit und Zerfallen die Bestimmung des Zusammengesetzten sind. Diese gehören nur jenen Geschöpfen an, die nur Sinneswahrnehmungen unterworfen sind; die kollektive Wirklichkeit im Menschen jedoch ist, da dieselbe nicht die Empfindungen betrifft — die Entdeckerin von verborgenen Kräften. Deswegen ist sie real, ewig, und unterliegt nicht der Veränderung oder Umgestaltung.

Dies beweist also, daß nicht das physische Gehirn der Entdecker ist, sondern nur das vermittelnde Werkzeug des menschlichen Geistes. Der Geist kann die Vorgänge des Denkens verwirklichen und unterliegt keiner Vernichtung, auch wenn der physische Körper zugrunde geht.

Ich denke, daß dieser Beweis klar zeigt, daß die höchste Kenntnis, die wir uns aneignen können, die Art zu erlernen bedeutet, wie der menschliche Geist geweckt wird und wie derselbe unterwiesen werden kann, die Macht des Heiligen Geistes aufzunehmen. Auf diese Weise erlangt der Geist nach und nach göttliche Eigenschaften. Er entwickelt eine leuchtende, geistliche Intuition und nimmt Erleuchtungen durch kosmisches Bewußtsein in sich auf. Wenn der Geist durch Beten, Nachdenken und Dienen dem unendlichen Wesen Gottes zugewandt wird, dann leuchten im individuellen Geist und Bewußtsein — durch die Macht des Heiligen Geistes — die Mysterien Gottes auf, gleich dem Lichte, das auf die photographische Platte übertragen wird. In diesem Augenblick wird das Genie geboren, die höchsten Künste und Wissenschaften gedeihen, und dies beweist, daß das Gehirn ein der Kamera ähnliches Instrument ist.

In allen verschiedenen Reichen werden Vorkehrungen für ein höheres Reich getroffen. Zum Beispiel bereitet sich das Mineral durch den Zerfall vor, damit die Pflanze in dasselbe eindringen, dasselbe in sich einsaugen und in das höhere Reich aufnehmen kann. Die Pflanze bereitet sich durch Wachsen und Vermehren vor, damit das Tier sie in sich aufnehmen kann. Die Bahá’i-Lehre erkennt das Entwicklungsprinzip an, nach dem die Entwicklung der menschlichen Vernunft durch die niederen Formen des Lebens vor sich geht, jedoch stellt sie nachdrücklich fest, daß der Mensch von allem Anfang an Mensch war, und daß seine Entwicklung in Bezug auf den materiellen Typus jetzt vollendet ist; daß aber seine geistige Weiterentwicklung unbegrenzt und fortdauernd, ja ewig ist.

Die Bahá’i glauben, daß die Entwicklung nicht ohne Zweck ist. Wozu wäre so ein herrliches Geschöpf, wie der Mensch es ist, und wie hier nachgewiesen ist, mit Fähigkeiten und Empfindungen, die so hoch über dem Tiere stehen, ausgestattet, wenn dem Fortgang der Entwicklung Einhalt geschähe und das Werk unvollendet bliebe? Nein, die Entwicklung wird fortdauern, aber sie wird eine Entwicklung des Geistes sein. Wenn sich der Geist hoch über die Grenzen des Irdischen erhebt, befreit von der Last des Körpers, wird er die Fähigkeiten zu ungeahnten Höhen entwickeln.

Von dieser Tatsache überzeugt, erkennen wir, daß das Wichtigste, auch vom wissenschaftlichen Standpunkt der Entwicklung aus betrachtet, nicht materielle Dinge sind, obwohl diese durchaus notwendig sind, und wir sie zum höchsten Grade ihrer Entwicklung führen müssen nach den [Seite 137] Bedürfnisse der menschlichen Ansprüche und, wie es ein Fortschritt dringend verlangt. Aber das, was wirklich wesentlich ist, ist die Entwicklung des Unvergänglichen; nicht der materielle Moment, sondern die geistige Ewigkeit. Es ist wichtig, daß wir diese Tatsache verwirklichen, solange wir hier noch tätig und fähig sind, und daß wir uns bemühen, so gut wie möglich einen raschen Fortschritt zu machen, da wir fühlen, daß es in unserer Macht liegt, unser Leben auf einer höheren Ebene fortzusetzen.

Lassen Sie mich zu Ende kommend, noch einige Worte 'Abdu'l-Bahás über die Entwicklung des menschlichen Lebens auf materiellem Gebiet sagen und im Sinne der Bahá’i-Lehre auf die allerwichtigste Arbeit hindeuten, die für hier und dort notwendig ist; wie man sich am besten für die höhere, kommende Entwicklung vorbereiten kann, das heißt, wenn man die Grenzen der materiellen Bindungen überschreitet und sein Wesen in das Reich der Ewigkeit überleitet:

„Der Mensch hat in der Welt des Daseins gewisse Entwicklungsstufen durchlaufen müssen, bis er die Welt der Menschheit erreicht hat. Auf jeder Stufe erreichte er die Fähigkeit, um zu der nächsten aufzusteigen. Während er sich im Mineralreich befand wurde ihm die Fähigkeit ins Pflanzenreich zu gelangen verliehen. Im Pflanzenreich erhielt er die Vorbereitung für das Tierreich. Er kam aus dem Pflanzenreich in das Tierreich und endlich in das Reich des Menschen.

Zum Anfang seines Daseins war der Mensch in der Matrize der Welt. In der Welt des Uterus entwickelte er in sich die Fähigkeit für diese Welt. Die Kräfte und Fähigkeiten, die er auf dieser Welt benötigt, erhielt er dort. Er benötigt Augen, er hat sie als Keime bereits im vorhergehenden Reich erworben. Er benötigt Ohren, deshalb wurden sie ihm in der vorgeburtlichen Welt geschenkt. Alle Sinne, die er in dieser Welt benötigt, erwarb er im Mutterschoß. Er wurde in der Matrize der Welt vorbereitet für diese Welt, so daß er, als er in diese Welt trat, mit allen Kräften versehen war, die er benötigt; alles Notwendige zur materiellen Existenz war vorgesehen. Ebenso ist es notwendig, daß er sich vorbereitet und reif wird für das Reich Gottes, alle Kräfte, die er im höheren Reiche notwendig hat, muß er schon hier vorbereiten.

Was benötigt er demnach, wenn er aus dieser Welt in die andere hinübergeht? Jene Welt ist die Welt der Heiligkeit, es ist demnach notwendig, daß er schon in dieser Welt Heiligung erwirbt. In jener Welt wird Verklärung benötigt, deshalb muß er diese Eigenschaft in dieser Welt erwerben. Dort benötigt er Vergeistigung, deshalb muß er diese bereits hier erwerben. In jener Welt ist Glaube, Gewißheit, Gotteserkenntnis, Liebe zu Gott notwendig. Diese Eigenschaften muß man sich aneignen, damit man aus dieser Welt aufsteigen kann in die andere Welt der Unsterblichkeit und alles vorbereitet findet, was man für das ewige Leben braucht.“

„Es ist offenbar, daß jene Welt eine Welt des Lichtes ist; deshalb tut Erleuchtung not. Jene Welt ist eine Welt der Liebe; deshalb ist Liebe zu Gott notwendig. Jene Welt ist eine Welt der Vollkommenheit; Vollkommenheit muß hier erlangt werden. Jene Welt ist die Welt des Odems des Heiligen Geistes und in dieser Welt muß man ihn erlangen. Jene Welt ist die Welt des ewigen Lebens; in dieser Welt muß das Individuum die Ewigkeit erlangen. Durch welche Mittel kann der Mensch dies erlangen? Er erlangt dies durch Gotteserkenntnis, durch Liebe zu Gott, durch Glauben, durch menschenfreundliche Handlungen, durch Ergebenheit, durch Heiligkeit und Beseeltheit. Wenn er diese Eigenschaften nicht erlangt und diese notwendigen Bedingungen nicht erfüllt, so wird er des ewigen Lebens nicht teilhaftig werden. Erwirbt er jedoch die Gotteserkenntnis, entflammt er mit dem Feuer der Liebe zu Gott, so er die großen, mächtigen Zeichen Gottes sehen wird, wenn er zur Ursache der Liebe unter den Menschen wird und im höchsten Grade der Heiligkeit und Beseeltheit lebt, dann erlangt er sicherlich die zweite Geburt, dann wird er sicherlich vom Heiligen Geiste getauft und das ewige Leben schauen.“



Lernt Esperanto!

Von Friedrich A. Gerstner-Wandsbek.

Eine ganze Reihe von Esperantisten aus Orten, wo auch Bahá’i-Gruppen sind, machten mich unter Hinweis auf den in der „Sonne der Wahrheit“ VII, Heft 8. im Bericht über den XIX. Universalen Esperanto-Kongreß in Danzig abgedruckten Brief Shoghi Effendi’s und auf die Worte Bahá’u’lláhs und 'Abdu'l-Bahás aufmerksam, daß bei so vielen unserer Freunde das Interesse für Esperanto und die Idee der Welthilfssprache ganz oder fast ganz fehlt. Insbesondere teilte mir ein sehr [Seite 138] bekannter Berliner Esperantist mit, daß die dortigen Freunde sich nur mit ganz geringen Ausnahmen mit der Idee der Welthilfssprache, die doch einer der wichtigsten Grundsätze Bahá’u’lláhs zur Erreichung der Ziele der Bahá’i-Religion sei, beschäftigen. Es ist ihm — wie übrigens auch mir — leicht verständlich, daß deshalb auch die Esperantisten nicht das wünschenswerte Interesse für die Bahá’i-Bewegung an den Tag legen, da Interesse in solchen Fragen in stärkstem Maße auf Gegenseitigkeit beruht. Er bat mich im Interesse der Bahá’i-Bewegung gerade in Berlin dringend, doch mein Möglichstes zu tun, um unsere Freunde dort und auch anderorts zur Erlernung von Esperanto zu veranlassen. Es seien doch schon so viele Anregungen von unseren Führern gegeben worden, daß die geringe Teilnahme an Esperanto ganz unverständlich sei. Ich möchte daher auch nochmals auf die Welt-Einheitssprache bezüglichen Stellen im Tablet Ischrakat (6. Ischrakat) und verschiedenen Vorträgen 'Abdu'l-Bahás in Paris, Edhinburg, New York, hinweisen und daran die dringende Bitte knüpfen, doch die obigen Aussagen nicht unbeachtet an sich vorüber gehen zu lassen. Wir müssen jedes Mittel, das schon als Prinzip in der Bahá’i-Lehre enthalten ist, benutzen, um sie bekannt zu machen, und sicher ist bei den Esperantisten ein vorzüglich vorbereiteter Boden für die Verbreitung der Lehren Bahá’u’lláhs zu finden.

Es sei hier auch auf das vierteljährlich erscheinende, internationale Bahá’i-Esperanto-Organ „La Nova Tago“ hingewiesen, dessen Gedeihen sehr vielen unserer Freunde und auch Shoghi Effendi am Herzen liegt. Der Jahrgang (vier Hefte) Kostet RM. 1.25. Probenummern werden gern zugesandt durch „Bahaa-Esperanto-Eldonejo“, Postschließfach 88 Wandsbek.



Die Bahá’i-Bewegung in Deutschland 1926/27.

Bericht für das Bahá’i Year-Book Bd. II (21. März 1926 bis 20. März 1927) verfaßt von Dr. Hermann Großmann-Wandsbek.

Es ist schwer, einen umfassenden Bericht über die Bahá’i-Arbeit in Deutschland zu geben, da sie nur soweit zu überschauen ist, als sie von den Gruppen und dem Nationalrat mit seinen Komitees geleistet wird, während ein nicht geringer Teil der Arbeit gerade in Deutschland auch auf einzelne Freunde und isolierte Gläubige entfällt, wo sie in der Regel einen mehr persönlichen Charakter trägt, aber gleichwohl für die Ausbreitung unserer Heiligen Sache von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist. Während noch vor wenigen Jahren die Kenntnis von der Bahá’i-Lehre in Deutschland auf wenige Plätze und Menschen beschränkt war, beginnt sich ihr in neuerer Zeit die Aufmerksamkeit in ständig wachsendem Maße zuzuwenden, was am besten die häufigeren Erwähnungen in Tageszeitungen und Artikel in verschiedenen Zeitschriften und Büchern beweisen.

Für die Arbeit der Gruppen, wie auch für die Werbearbeit, bedeutet die Bildung von Verbindungs-Komitees einen wesentlichen Fortschritt. Dadurch wurde das gesamte Arbeitsgebiet in mehrere Bezirke eingeteilt, in denen jeweils bestimmte Freunde mit der Aufgabe betraut sind, die Gruppen zu besuchen, Vorträge zu halten und die Freunde mit Ratschlägen über die Arbeit zu unterstützen. Von großem Segen war auch die Arbeit Martha Root’s begleitet, die in aufopferndster Weise zahlreiche deutsche Plätze besuchte, wo sie Vorträge hielt und Verbindungen, insbesondere mit Esperantistenkreisen, anknüpfte. Dem Mangel an geeignetem kleinen Werbematerial über die Bahá’i-Lehre begegneten verschiedene Gruppen durch Herausgabe einiger Blätter und Schriftchen, von denen eine Neuausgabe der Flugschrift von Dr. Esslemont „Was ist die Bahá’i-Bewegung“ durch die Wiener Freunde, ein Sonderdruck des Kapitels: „Der Weg zum Frieden“ aus Dr. Esslemonts Buch „Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter“ durch die Bahá’i-Arbeitsgemeinschaft Eßlingen, sowie die von der Bahá’i-Bewegung Hamburg veröffentlichte Einführungsschrift von Dr. Hermann Großmann „Die Bahá’i-Bewegung, ihre Geschichte, Lehren und Bedeutung“ neben einigen Flugblättern besonders erwähnt seien. Die Bahá’i-Zeitschrift „Sonne der Wahrheit“, das monatliche Organ der deutschen Bahá’i-Gruppen, erscheint im 7. Jahrgang, daneben veröffentlicht der Nationalrat unter dem Titel „Bahá’i-Nachrichten“ seit März 1926 ein monatliches Mitteilungsblatt. Die von der Hamburger Gruppe herausgegebenen „Mitteilungen der Bahá’i-Bewegung Hamburg“ dienen der lokalen Werbearbeit.

In den deutschen Buchveröffentlichungen des Jahres 1926 wird die Bahá’i-Lehre von den folgenden erwähnt: Prof. Dr. August Forel, „Der wahre Sozialismus der Zukunft“, Verlag Deutscher Arbeiter-Abstinenten-Bund, Berlin; derselbe „Die Medizin der Gegenwart in Selbstdarstellungen, Sonderdruck August Forel“, Felix Meiner Verlag in Leipzig (nicht im Buchhandel); „Oficiala Jarlibro de la Esperanto-Movado 1927“, Universala Esperanto-Asocio, Genf; und General Dr. von Schoenaich, „Palästina“, H. Meyer’s Buchdruckerei, Halberstadt. Das letztgenannte Buch behandelt die Bahá’i-Bewegung ausführlicher und bringt auch Abbildungen von Bahiji [Seite 139] (Bagi). Da das Verzeichnis der deutschen Bahá’i-Literatur im 1. Band des Bahá’i-Jahrbuches Bücher, in denen die Bahá’i-Lehre nur erwähnt ist, nicht enthält, seien die früheren Erscheinungen, soweit sie dem Schreiber bekannt geworden sind, hier noch angeführt. Da diese Veröffentlichungen naturgemäß sehr schwer zusammenzufassen sind, kann die nachstehende Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, und der Verfasser bittet daher im Interesse einer lückenlosen Registrierung, ihm etwaige weitere deutsche Veröffentlichungen, in denen die Bahá’i-Lehre oder der Babismus Erwähnung finden, gleichviel welcher Art, mitzuteilen. Früher erschienen: Pierre Loti, „Aus Persiens Wunderwelt“, Carl Reißner, Dresden 1922; Paul Scheurlen, „Die Sekten der Gegenwart“, Quell-Verlag der Ev. Gesellschaft, Stuttgart 1921 (längerer Gegenartikel); Dr. Ludwig Freda, „Um den Sozialismus“, Herold-Verlag, Stuttgart 1921; P. Ch. Martens, „Geheime Gesellschaften“, Verlag F. E. Baumann, Schmiedeberg und Leipzig, ohne Jahr; D. Dr. Carl Clemen, „Die nichtchristlichen Kulturreligionen“, Verlag B. G. Teubner in Leipzig und Berlin 1921; Lic. Dr. Adolf Faut, „Romantik oder Reformation“, Leopold Klotz Verlag, Gotha, 1925; August Forel „Der Weg zur Kultur“, Anzengruber-Verlag, Leipzig-Wien 1924; Paul Birukoff, „Tolstoi und der Orient“, Rotapfel-Verlag, Zürich und Leipzig, 1925; Dr. H. Proelss und Hanns Sappl, „Die bisherigen Erfolge der Welthilfssprache Esperanto“, Paulus-Verlag, Graz, 1922; „Oficeala Jarlibro de la Esperanto-Movado 1926“; „Informiloj for Junai Esperantistoj“, Esperantista Junularo, Leipzig, 1925; Edv. Lehmann, Ignaz Goldziher u. a., „Die orientalischen Religionen“ (Die Kultur der Gegenwart, Teil I Abtlg. III, 1), Verlag B. G. Teubner, Berlin und Leipzig, 1906; „Die neue Volkshochschule“, Bd. I, Geschichte der Weltreligionen von Prof. Dr. R. Stübe, Verlagsbuchhandlung E. G. Weimann, Leipzig, 1925; „Meyers Lexikon", Bd. I, Bibliographisches Institut, Leipzig, 1924. Folgende ältere Schriften über die Bahái-Lehre wurden im Bahá’i-Jahrbuch Bd. I nicht mit aufgeführt: Hippolyte Dreyfus, „Babismus und Bahaismus“, Neuer Frankfurter Verlag, Frankfurt a. M., 1909; „Aus Leben und Lehre des Bahaismus“, ehemaliger Bahá’i-Verlag, Hamburg, 1918. Erheblich ist die Zahl der Zeitungsnotizen über die Bahá’i-Bewegung, die 1926/27 in Deutschland erschienen sind. Eine Anzahl Zeitungen brachte ausführliche Aufsätze, teilweise mit Abbildungen. Unter ihnen seien die „Frankfurter Zeitung“, der Berliner „Tag“, der „Hamburgische Correspondent“ und der „Heroldo de Esperanto“ erwähnt.

Vom 22.—24. Mai 1926 fand in Stuttgart der 5. Deutsche Bahái-Kongreß statt, an dem Freunde aus den verschiedenen Plätzen Deutschlands und aus dem Ausland teilnahmen. Er begann nachmittags mit einer Begrüßung durch den Präsidenten des deutschen Bahá’i-Nationalrats, Herrn Albert Schwarz, und der Verlesung des Beratungs-Tablets, daran schlossen sich die Berichte der verschiedenen Ortsgruppen und die Neuwahl des Nationalrats, in den folgende Freunde gewählt wurden, an: Julius Brückner, Göppingen; Dr. Hermann Großmann, Hamberg; Wilhelm Herrigel, Stuttgart; Edith Horn, Stuttgart; Anna Köstlin, Eßlingen; Dr. Adelbert Mühlschlegel, Stuttgart; Eduard Schäfer, Stuttgart; Albert Schwarz, Stuttgart; Alice Schwarz, Stuttgart. Der Abend versammelte die Freunde zu einem Einigkeitsfeste, während der zweite Kongreßtag durch eine Morgenfeier eingeleitet wurde. Ein gemeinsames Mittagessen, verschiedene Referate und ein Einigkeitsfest zu Ehren des Geburtstags 'Abdu'l-Bahás bildeten das weitere Programm des Tages. Am dritten Tag, der im Zeichen der Bahá’i-Erziehung stand, hatte das Erziehungskomitee des Nationalrats vormittags zu einer Fachtagung nach Eßlingen eingeladen, an die sich nachmittags das alljährlich zur Erinnerung an den Besuch 'Abdu'l-Bahás gefeierte Kinderfest des Eßlinger „Rosengartens“ anschloß.

Der Verlauf der Eßlinger Erziehungstagung war ein sehr erfreuliches Zeichen für die wachsende Aufmerksamkeit, die von den deutschen Freunden der Bahái-Kinder und Jugendarbeit zugewandt wird. Wenn auch die Kinderarbeit der Zahl nach eher einen Rückschritt als einen Fortschritt zu verzeichnen hatte, so war sie doch ihrem inneren Werte nach um ein gutes Stück vorangekommen. Sie blieb nicht ohne Schwierigkeiten, insbesondere bei einem unserer Gärtchen, dessen Arbeit eng mit der Volksschule am Ort verknüpft ist. In der Zeitschrift „Die Menschheit“ griff Friedrich Wilhelm Förster die Bahá’i-Kinderarbeit an und rief dadurch eine öffentliche Polemik hervor, in der sich Prof. Dr. August Forel warm für sie einsetzte. Die Bahá’i-Kinderzeitschrift „Das Rosengärtlein“ erschien in ihrem dritten Jahrgang, ebenso die Vierteljahrsschrift „Weltgemeinschaft“, deren Zweck die Förderung der deutschen Bahá’i-Kinder- und -Jugendarbeit ist. Zu Weihnachten 1926 erschien ein weiteres Heftchen der Rosengärtlein-Jugendbücher, die Geschichte von Majnun und Laisa enthaltend. Die verschiedenen Kinder- und Jugendveröffentlichungen des Eziehungskomitees wurden kostenlos verschickt. Besonders wertvoll aber war es, daß auch die deutsche Bahá’i-Jugend zu einem kräftigen und versprechenden Zusammenschluß kommen konnte, der im September 1926 einen frohverheißenden Auftakt in der deutschen Bahá’i-Jugendtagung in Fellbach fand, an der außer der deutschen Bahá’i-Jugend und den übrigen Bahá’i-Freunden auch [Seite 140] Jugend anderer Verbände teilnahm. Von der Bahá’i-Jugend Eßlingens wurde ein lieblich am Berghang gelegenes Grundstück unweit Eßlingens erworben, auf dem gegenwärtig die Vorbereitungen für den Bau unseres ersten deutschen Bahá’i-Jugendheimes getroffen werden.

Einen erheblichen Anteil an unserer Bahá’i-Propaganda, auch über die Grenzen Deutschlands hinaus, hatte unsere Bahá’i-Esperanto-Arbeit, in deren Mittelpunkt die unermüdliche Vortragstätigkeit Martha Roots und die von der Bahá’i-Bewegung Hamburg vierteljährlich herausgegebene Bahái-Esperanto-Zeitschrift La Nova Tago stand. Dieser gemeinsamen Arbeit ist es in erster Linie zuzuschreiben, wenn eine große Anzahl Esperantozeitschriften des In- und Auslandes Notizen und Artikel über die Bahá’i-Lehre veröffentlichten. Auch einige nationalsprachige Zeitungsartikel im Ausland sind auf die Werbearbeit von La Nova Tago zurückzuführen. Erfreulich ist es, daß unter den deutschen Bahá’i die Erlernung des Esperanto mehr und mehr Fortschritte macht. Von verschiedenen unserer Bahá’i-gruppen wurden besondere Esperantokurse eingerichtet; auch gelegentlich der Tagung für Bahá’i-Erziehung in Eßlingen und der Bahá’i-Jugendtagung in Fellbach war dem Esperanto-Weltsprachgedanken ein breiterer Raum gewährt. Der deutsche Esperantokongreß in München 1926 wurde von Albert Kimmerle, Heilbronn, besucht, der dort einen Vortrag auf Esperanto über die Bahá’i-Lehre hielt und Werbematerial verteilte. Ebenso nahm Friedrich Gerstner, Wandsbek, an dem XVIII. Esperantokongreß in Edinburgh teil, bei dem er unter anderem im Rahmen der Bahá’i-Fachveranstaltungen sprach und eine größere Reihe von Lichtbildern mit Ansichten von den Heiligen Plätzen aus dem Besitz der Bahá’i-Bewegung Hamburg vorführte.



Begebenheiten aus meinem Leben.

Erzählt von Moneereh Khanum.

Aus dem Persischen ins Englische übersetzt von Mirza Ahmad Sohrab Isphahan, Persien.

Deutsche Uebersetzung von Karl Klitzing, Schwerin/M.

(Fortsetzung.)

„Nachdem sie dies gesagt hatte, kehrte sie in das Dorf zurück und kam sogleich mit einer Anzahl anderer Personen wieder, die alles zur Beerdigung Erforderliche mit sich brachten. Der Körper des Toten wurde in dem fließenden Bach gewaschen. Dann wurde er in ein weißes Leintuch eingehüllt. Da mein Bruder gewünscht hatte, „an der Seite des Weges, auf dem die Pilger kommen und gehen,“ beerdigt zu werden, begruben wir ihn dort. Dann kehrten die Leute wieder in ihr Dorf und ihre Wohnungen zurück, und ich setzte meine Reise nach Teheran und von dort nach Isphahan fort, wo ich äußerst erschöpft und ermattet ankam. Ich war vom Feinde geschlagen, mein Bruder war tot, und meine Schwester hatte sich mit Qurratu’l-Ayn auf Reisen begeben, ihre Absichten waren mir unbekannt, und ihre Sicherheit schien mir gefährdet.“

Unter diesen Umständen erreichte mein Vater, in einer Zeit, wo niemand wagen konnte, das Wort „Báb’i“ zu erwähnen, Isphahan. Inmitten dieser Stürme wurde, in der Nacht seiner Ankunft eine Gläubigenversammlung gehalten, bei der er die wunderbare Botschaft von der Neuen Manifestation vortrug. Er war so von dem Feuer der Liebe Gottes entzündet, daß sein ältester Bruder, der Vater des „Königs“ und des „Geliebten der Märtyrer,“ ihm folgende Mitteilung sandte:

„O, geliebter Bruder, ihr Báb’is seid von einer großen Begeisterung, und ihr seid in keiner Gefahr oder Not erschrocken. Aus diesem Grunde tätest Du besser, dieses Stadtviertel zu verlassen, denn mein Leben und das Leben meiner Familie (einschließlich der Kinder) steht in großer Gefahr.“

Mein Vater sandte ihm folgende Nachricht:

„Ich will die Religion Gottes aus Rücksicht auf weltliche Dinge nicht ableugnen. Ich verzichtete auf den ungeheueren Reichtum meines Vaters, und so lange Leben in diesem Körper ist, werde ich die äußerste Anstrengung für die Verbreitung dieser Sache machen.“

Gleich darauf kaufte mein Vater ein Haus in einem anderen Viertel der Stadt, genannt „Shah-Shahan“. Hier brachte er, gemeinsam mit seiner Ehrwürden Zein-el-Mogarrabeen und Siyyid Ismail (der sich in späteren Jahren mit eigener Hand in Bagdad tötete), seine Zeit damit zu, die Sache Gottes zu verbreiten. Unter den edlen Seelen, welche damals zu der Quelle der Wahrheit geführt wurden, waren der „König der Märtyrer“ und der „Geliebte der Märtyrer“. Nachdem diese hier ihre Arbeit verrichtet hatten, brachen sie gemeinsam nach Bagdad auf, um Bahá’u’lláh zu besuchen.

Oft hörte ich meinen Vater im Laufe der Unterhaltung sagen:

„Auf dieser Reise sagte ich zu meinem Onkel: Wenn Du in die Gegenwart von Bahá’u’lláh kommst, mußt Du der Dolmetscher für unsere Herzen sein und Ihm alle unsere Fragen vorlegen. Mein Onkel erwiderte: Sei versichert, daß, da ich in Badasht mit Bahá’u’lláh sehr vertraut wurde, [Seite 141] es keine Schwierigkeit haben wird, Ihm näher zu kommen.“

Als wir in Bagdad angelangt und die Stunde der Begegnung gekommen war, beobachtete ich meinen Onkel, welcher sich unterwegs seiner Vertraulichkeit mit Bahá’u’lláh gerühmt hatte, und jetzt in dessen Gegenwart höchst demütig und schweigsam war, wie ein Verzagter, der kein Wort äußern kann. Es tat nichts, wie sehr auch die Gesegnete Vollkommenheit ihm gegenüber Freundlichkeit und Güte zum Ausdruck brachte, mein Onkel verblieb nur noch schweigsamer und demütiger. Endlich wandte sich Bahá’u’lláh an ihn:

„Mirza Hadi! Du und ich waren vertraute Verbundene und Reisegefährten.“

Dann erhielten alle diejenigen, die in der Gegenwart von Bahá’u’lláh waren, die Erlaubnis, sich zurückzuziehen. Als wir hinauskamen, fragte ich meinen Onkel: „Was ereignete sich mit Dir, daß Du kein Wort sagen konntest?“

Er antwortete: „Ich erkläre bei Gott, daß dieser Bahá’u’lláh nicht derselbe Bahá *) ist, den ich in Badasht traf. Nein, vielmehr bezeuge ich mit der äußersten Ueberzeugung, Gewißheit und Zuversicht meines Herzens, daß diese Heilige Persönlichkeit der Eine Verheißene ist, — Er, Den Gott offenbaren wird, wie es durch den Báb vorausgesagt ist.“

*) Bahá ist der Name des Geoffenbarten im Menschen für die Menschheit.

Kurz gesagt, dieser Onkel war einer von denen, die an die „Gesegnete Vollkommenheit“ und den größten Namen vor Seiner öffentlichen Erklärung glaubten. Nach einigen Monaten kehrten sie von Bagdad zurück, und ein weiteres Jahr verging, in dem wir den Tod unseres Vaters zu beklagen hatten. Er stieg zu dem Reich Gottes auf. Möge die Güte und Gunst des Herrn auf ihm ruhen!

Zur Zeit, als mein Vater von Bagdad zurückkehrte, war ich elf Jahre alt. Ich hörte oft meinen Vater zu meiner Mutter sagen: „Es ist meine Absicht, Fatima zu der Heiligen Familie zu bringen!“ Und ich frug mich im Stillen: „O mein Gott, wo ist diese Heilige Familie; in Kerbale, oder einem anderen heiligen Lande?“

Als der Vater starb, übernahmen Verwandte väterlicher- und mütterlicherseits unsere Angelegenheiten. Von beiden Seiten erfuhr ich die größte Liebe und Güte, denn mit großer Treue sahen sie auf mich als ein Geschenk, das ihnen an jenem feierlichen Abend durch den Báb gegeben worden war. In ihrem Eifer, mir zu dienen und mir gefällig zu sein, wollten sie als meinen künftigen Gatten einen der hübschesten und reizendsten jungen Männer wählen, der ihnen passend erschien. Es war ein beständiges Wetteifern zwischen den Angehörigen der beiden Familien, und viel Umschauhalten und auch Streitigkeiten folgten daraus. Die Angelegenheit erreichte solch einen Höhepunkt, daß meine Verwandten bedrängt wurden. Diese traurigen Ereignisse und beständigen Mißhelligkeiten machten auf mein junges Gemüt einen tiefen Eindruck und machten mich traurig, gedrückt und unglücklich. Ich nahm an keinem fröhlichen Vorgang mehr teil. Oft verteidigte ich mein Recht, indem ich erklärte, daß ich Herr über mein Schicksal sei, und daß ich überhaupt nicht heiraten würde, wäre es selbst ein Engel vom Himmel, oder der schöne Joseph aus Aegypten.



Moneereh Khanum die Gattin Abdu’l-Bahás mit einer ihrer Töchter und einer Enkelin.


Ich verwandte viel Zeit daran, Tablets zu lesen und Verse zu singen. Ich sprach jeden Tag das große Gebet und hielt sowohl die Bahá’i als auch die mohammedanischen Fasten ein. Mein Herz wandte sich keinen weltlichen Freuden zu, und ich wunderte mich oft über mich selbst und fragte mich: „Warum sondere ich mich so ab und habe keine Neigung zu den alltäglichen Vergnügungen der Allgemeinheit?“ Ich wollte zeigen, daß ich meine Verwandten und Freunde aufrichtig liebte und schätzte, warum wollte ich aber nicht versuchen, ihnen zu gehorchen und ihre Wünsche zu erfüllen?

Jeden Abend pflegte ich gegen Sonnenuntergang auf das Dach des Hauses zu steigen, um Verse [Seite 142] zu singen und heilige Sprüche herzusagen. Ich brachte immer einen Teil der Nacht in diesem Zustande geistiger Betrachtung zu. Dies verdroß meiner Mutter, und sie pflegte auszurufen: „Warum tust Du dies ?“

Kurz gesagt, eines Nachts kam ich von dem Dache in einem niedergeschlagenen und unglücklichen Zustand herunter und zog mich voll Schwermut in mein Zimmer zurück. Im Traume sah ich mich selbst, wie ich in einer Wüste ging, während eine Person mir folgte. Als ich weiterschritt, folgte sie meinen Fußstapfen. Plötzlich erschien ein Reiter auf der Bildfläche und redete mich an: Warum fürchtet Du Dich? Komm, ich will Dich mit auf mein Pferd nehmen und Dich zu dem Orte bringen, an den Du zu kommen wünschest!“ Dann nahm er mich bei der Hand, hob mich vom Boden auf und ließ mich hinter sich reiten. Dann sagte er: „Sage mir, was Du wünschest, und ich will Dir den Wunsch erfüllen! Ich sagte: „Verleihe mir zwei Schwingen, daß ich mich in die Luft erheben kann.“ Er berührte meinen Rücken und hob mich ein wenig aus dem Sattel in die Höhe. Gleich darauf nahm ich wahr, daß ich zwei Schwingen hatte, und ich begann zu fliegen. Lange Zeit schwang ich mich in die Höhe, bis ich ein weites Feld erblickte, wo ich eine Menge Menschen sah. Mitten in dieser ungeheueren Menge sah ich einen Altar errichtet. Bei dem Altar sah ich Seine Heiligkeit Mohammed, und alle die Propheten und Apostel um ihn geschaart. Während ich alle diese seltsamen Bilder wahrnahm, wußte ich, daß ich die Gestalt einer Taube angenommen hatte und frei in der Luft umherschwebte. Ich kreiste um die Menge und ließ mich dann in einem Winkel bei dem Altar nieder. Seine Heiligkeit Mohammed berührte mich mit seiner gesegneten Hand und band mir ein Halsband um meinen Hals. Dann machte ich mich auf und begann, wieder davon zu fliegen, und indem ich fort und fort flog, sah ich wunderbare Landschaften und seltsame Bilder von unbeschreiblicher Schönheit. Ich gewahrte eine Menge Menschen in einem Zustande der Abgesondertheit, unter welchen ich meine Mutter erblickte, der ich das Halsband gab, und darauf meinen Traumflug weiter fortsetzte.

Dieser Traum rief eine große Freude und ein Glücksgefühl in mir wach, daß ich zu mir kam und zu weinen begann. Meine Mutter, bei der ich schlief, erwachte ebenfalls und wunderte sich über das, was ich ihr erzählte. Am nächsten Tage befand ich mich vom Morgen bis zum Abend in erhobenem Zustande. In der Folge hatte ich viele Träume dieser Art, ich flog durch die Lüfte und fühlte mich gehoben und beglückt; ich wußte sehr wohl, daß es eine schöne und bedeutungsvolle Auslegung für die Träume, in denen der Mensch fliegt, gibt. So verging einige Zeit, bis man mich durch die Ausdauer und Beharrlichkeit des „Königs“ und des „Geliebten der Märtyrer“ und durch das Drängen Imam Jomas zwang, nachzugeben und in die Vermählung mit dem jüngeren Bruder der beiden vorerwähnten Märtyrer einzuwilligen.

Zu jener Zeit wurden alle Briefe und Mitteilungen, die zwischen dem Heiligen Lande und den Gläubigen von Isphahan gewechselt wurden, durch diesen jungen Mann übermittelt. Er hatte ein einnehmendes Wesen voll Anstand und Höflichkeit. Und nun war er vom Feuer der Liebe und Zuneigung entflammt. Es waren alle meine Verwandten und Freunde über eine zukünftige Verbindung außerordentlich beglückt und erfreut. Sie trafen große Vorbereitungen und sahen mit der äußersten Genauigkeit auf die Erfüllung jeder Einzelheit.

Dieser junge Mann sandte mir jeden Tag Briefe, die von aufrichtiger Zuneigung und Liebe zeugten. Dieser Briefwechsel dauerte an, solange ein Haus als unser zukünftiges Heim erbaut wurde. Das Heim war eingerichtet, und schließlich wurde das Hochzeitsmahl bereitet, und die Hochzeitsnacht nahte heran. Nach Landessitte in Persien luden sie Gäste und Verwandte zu den Hochzeitsfeierlichkeiten ein und führten mich in das Haus meines Onkels. Indessen brachte der Bräutigam seine Zeit damit zu, Liebes-Verse zu lesen, zu singen und Gedichte herzusagen, die sein ganzes Glück ausdrückten. Nach zehn Uhr kam mein Vetter aus seinem Zimmer und bewillkommte mich mit herzlichster Freude und führte mich in das Brautgemach.

Es hatten sich alle Gäste, mit Ausnahme einiger naher Verwandten, entfernt. Schließlich gingen diese auch, und wir waren allein. Ich saß schweigend und beobachtete meinen Vetter, der weder den Kopf hob, noch ein Wort sprach. Er versuchte es nicht, meinen Brautschleier abzunehmen, noch sprach er ein Wort um mich willkommen zu heißen, sich nach meinem Befinden zu erkundigen, oder mir irgend ein Zeichen seiner Liebe zu geben. Dieser Zustand hielt mehrere Stunden an, bis ich es nicht länger ertragen konnte, ich wagte jedoch nicht ein Wort zu sagen. Endlich sah ich den Morgen dämmern und gewahrte den Schatten von mehreren Verwandten, welche versuchten, durch das Gitter des Fensters zu blicken. Ich war verzweifelt, brach mein Schweigen und sagte: „Was ist über Dich gekommen, daß Du nicht ein Wort redest?“ Er antwortete: „Ich habe Kopfschmerzen, die mir das Sprechen unmöglich machen!“ Und daraufhin verfiel er wieder in Schweigen.

Es ist nicht nötig, auf das Unerklärliche dieses Zustands einzugehen, dessen Sonderbarkeit in den [Seite 143] Annalen der menschlichen Gesellschaft gewiß selten ist. Es war so sonderbar, daß niemand, außer meinen Verwandten in Isphahan, welche dies mit eigenen Augen sahen und mit eigenen Ohren hörten, es geglaubt hätte. Dies Ereignis betrübte uns, und war auch ein großer Kummer für alle Verwandten, die auf ihn einredeten und ihm sein unerhörtes Verhalten begreiflich zu machen suchten. Aber er war willenlos, wie ein Mensch, der sich in einem Zustande der Verwirrung und des Erstaunens über sich selbst befindet. Er schwur bei Gott, daß die Ursache außerhalb seines Willens liege, daß irgend eine Macht ihn von mir zurückhielte. Er war bereit, jedem Wunsche seiner Brüder nachzukommen, außer dem, mit mir, seiner Kusine, zusammen als Mann und Frau zu leben. Oft schloß er seine Bemerkungen damit, daß irgend eine geheime Ursache hinter allem vorhanden sein müsse, die später offenbar und klar werden würde.

Eine Zeitlang lebten wir in dieser Weise zusammen. Ich fand ihn immer schweigend, verschlossen, still und verträumt. Er wollte mit niemand sprechen, teilte seine Gedanken keiner Seele mit, und trat mit niemand in Verbindung. Eines Nachts waren wir mit einer Dienerin allein im Hause. Er legte seinen Kopf in meinen Schoß und schlief ohne vorher ein Wort zu sprechen, ein. Ich verhielt mich lange Zeit still, doch plötzlich überkam mich ein sonderbares Gefühl. Ich berührte seine Hand; sie war eisig kalt. Seine Seele war zu ihrem Schöpfer zurückgekehrt. Möge die Gnade und die Güte des Herrn für immer auf ihm ruhen!

Ich erzähle diese Geschichte, um damit zu zeigen, daß in jeder Schwierigkeit, die dem Menschen auf seinem Wege entgegentritt, zugleich zweifellos eine Weisheit ruht. In Wirklichkeit war dieser keusche und reine Mensch ein Schutz für mich und verband gleichsam auf diese Weise das Bächlein mit dem allergrößten Meer. Nach diesen traurigen Ereignissen zog ich mich völlig von der Welt und allen Menschen zurück, löste mein Herz von jeder Anhänglichkeit an sie, und von der Liebe Gottes überflutet, brachte ich meine Zeit mit dem Lesen der Verse und Beweise Gottes zu und vereinigte mich mit den Gläubigen Gottes.

Dann kam auf Befehl der „Gesegneten Vollkommenheit“ Siyjed Mehdi Dhajy aus Persien und reiste später über Isphahan, um die Sache Gottes zu verkünden, weiter. Eine große Feier wurde für ihn vorbereitet, und alle Gläubigen versammelten sich und erörterten eifrig die Berichte aus dem Heiligen Lande und alle Einzelheiten über die Heilige Familie, wie auch einen Bericht über die Gefangenschaft der Gläubigen in den Baracken von Akka. Unter den Fragestellern war Ihms os Zoha, die Frau meines Onkels und eine Angehörige des Hauses des „Königs der Märtyrer“. Sie fragte Siyyid Mehdi: „Hörten Sie jemals, solange Sie in der Gegenwart von Bahá’u’lláh waren, darüber reden, welches Mädchen dem Meister 'Abdu'l-Bahá bestimmt ist, das für ihn auserwählt werden soll?“

Er antwortete: „Nein, aber eines Tages kam die „Gesegnete Vollkommenheit“ in das Zimmer der Männer und redete zu ihnen. Dann wandte Er Sein Gesicht mir zu und sagte:

„Aga Siyyid Mehdi! Ich hatte in der letzten Nacht einen bemerkenswerten Traum. Mir träumte, daß das Antlitz des schönen Mädchens, welches in Teheran lebt, dessen Hand Wir von Mi’rza Hassen zur Ehe für den Größten Zweig *) forderten, finster und traurig wurde. In demselben Augenblick erschien das Antlitz eines anderen Mädchens vor Mir, dessen Gesicht glänzend und dessen Herz erleuchtet war. Wir haben sie erwählt, die Frau des „Größten Zweiges“ zu werden."

Außer dem erwähnten Gespräch von den Lippen der „Gesegneten Vollkommenheit“ habe ich nichts gehört.“

Als meine Tante nach Hause zurückkehrte und mich sah, erklärte sie beim lebendigen Gott, daß in demselben Augenblick, als Siyyid Mehdi uns den Traum Bahá’u’lláhs erzählte, es ihr klar geworden sei, daß ich fraglos jenes Mädchen wäre, und bald würden wir gewahr werden, daß es sich so verhalte. Ich weinte und antwortete: „Das sei ferne von mir, denn ich bin solch einer Auszeichnung nicht wert. Ich bitte Dich, laß nie mehr ein Wort über die Sache über Deine Lippen kommen; sprich niemals darüber.“

Einige Zeit verging, und dann traf ein Tablet aus dem Heiligen Lande zu Ehren des „Königs der Märtyrer“ ein. In jenem Tablet erklärte die „Gesegnete Vollkommenheit“:

„Wir haben euch als unsere Verwandten und Nächsten betrachtet.“

Als er diese Redewendung las, ging er sogleich zu allen Mitgliedern der Familie und fragte sie, ob irgend jemand etwas von vertrauter Art an die Heilige Gegenwart Bahá’u’lláhs geschrieben hätte. Er wunderte sich über diese Schreibweise und konnte einen Grund für die Gewährung dieser großen Auszeichnung nicht finden. Wir antworteten ihm alle, daß keiner etwas geschrieben hätte. Dann ersuchte er uns alle, den Inhalt dieses Tablets gegen keinen der Gläubigen zu erwähnen, und gebot, daß wir warten sollten, bis wir weitere Nachricht erhielten, die uns über diesen rätselhaften Fall Aufklärung brächte.

Wieder verging einige Zeit und dann traf nach [Seite 144] einer Reihe von Monaten Scheich Salman aus dem Heiligen Lande in Isphahan ein. Er begegnete dem „König der Märtyrer“ und sagte ihm, er bringe wichtige Nachrichten und die wunderbarste Auszeichnung mit. Er sagte wörtlich: "Ich habe den Auftrag erhalten, Deine Verwandte, die Tochter von Mirza Mohammed Ali, abzuholen und sie mit den Pilgern, die das Haus Gottes in Arabien besuchen wollen, auf dem Wege nach Mekka zu führen. Daher mußt Du die Mittel zur Reise bereithalten, damit wir im Monat der Pilgerfahrt unsere Reise über Schiraz und Bu-Shihr antreten können. Halte diese Nachrichten sehr geheim und lasse niemand, bis drei Tage vor unserer Abreise, etwas darüber wissen.

Die Zeit der Pilgerfahrt nahte und in Begleitung meines Bruders Siyyid Yahya und einem Diener reiste ich nach Schiras ab. Dort nahmen wir in einer sehr angenehmen Karawanserei Wohnung. Sie lag nach Westen. Der Afnan, der von unserer Ankunft hörte, besuchte uns und brachte uns in das Haus des Onkels des Báb, Haji Mirza Siyyid Mohammed. Wir verbrachten die Nacht in jenem schönen Hause. Für meine Erinnerung ist es ein heiliger Ort, eine erleuchtete Stätte, ein Gemach der Gemächer des Paradieses. Hier traf ich die Damen des Afnan, die mich mit der größten Zuneigung begrüßten, und auch ich umarmte und küßte sie in heiliger Liebe. Ich brauche hier nicht die Geistigkeit und die Hellfühligkeit zu erwähnen, welche man erlangt, wenn man in jenem Hause schläft. Am nächsten Morgen kam die gesegnete Gattin des Báb, gleich der Jungfrau Maria und Fatima, der Tochter Mohammeds, um uns willkommen zu heißen.

Sie überschüttete uns mit Freundlichkeit und Güte. Sie lud mich ein, mit ihr nach ihrem Hause zu gehen, und ich war erfreut, mir die Gelegenheit zu Nutze zu machen und begleitete sie. Ihr Haus gehörte dem Großonkel des Báb, Haji Siyyid Ali, der späterhin den Märtyrertod erlitt, und als einer der „Sieben Märtyrer“ wohl bekannt ist. Dieses Haus liegt zunächst dem Geburts-Hause des Báb, und wurde zuerst zum Hause des Báb bestimmt. In demselben ist ein großes Zimmer, dessen Türen und Fenster immer verschlossen sind, niemand betritt es, es gehörte dem Báb. Damit wir das Zimmer besichtigen konnten, öffnete man die Türen, und wir traten ein. Wir standen in äußerster Ehrerbietung und Ergriffenheit fast eine Stunde an jener heiligen Stätte. Dann sagte die Gattin des Báb: „Ich habe auf ihre Ankunft gewartet. Mirza Hassan schrieb mir, daß ich bald einen Gast bekommen würde.“

Dann nahm sie uns zu sich in ihre eigene Wohnung, wo wir die Gattin des Großonkels des Báb trafen. Ich fand in ihr eine heilige, gläubige und gesegnete Frau, welche einen großen Teil ihrer Zeit der religiösen Erbauung widmete, aber sie war von der Wahrheit der großen Sache nicht völlig überzeugt.

Sie sagte: „Dieser, unser Mirza Mohammed Ali, hat in der Tat einen großen Aufruhr unter den Menschen hervorgerufen! Wie viele hervorragende Seelen sind als Ergebnis dieses Aufruhrs ums Leben gekommen, und wieviel Blut ist vergossen worden!“

(Fortsetzung folgt.)



Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter

von Dr. J. E. Esslemont

ist in schönem Leinenband mit Goldtitel erschienen. Wer irgend jemand ein Geschenk machen will, tut gut dies herrliche Werk zu schenken. Aber auch jeder unserer Freunde sollte sich dies Buch beschaffen, weil es eine schnelle Übersicht über die Vielseitigkeit der Bahá’i-Lehre gibt und weil man sich durch das vortreffliche Inhaltsverzeichnis rasch über Punkte informieren kann, die uns gegebenenfalls beim Belehren anderer besonders wichtig erscheinen. Es umfaßt 430 Seiten.

Preis Mk. 4.50, Porto und Verpackung 40 Pfg.

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Druck: Wilhelm Heppeler, Stuttgart

[Seite 145]

Geschichte und Bedeutung der Bahá’ilehre.

Die Bahai-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.

Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahaibewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahaireligion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahai (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahai der Welt.

Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahai, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China etc. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.

In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).

Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.

Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.

Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, p. 66.)


[Seite 146]

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In unserem Verlag sind erschienen:

1. Die Geschichte der Bahai-Bewegung, von S. S. Deutsch von Wilhelm Herrigel. Dritte Ausgabe . . . -.20

2. Bahai-Perlen, Deutsch von Wilhelm Herrigel . . . . -.20

3. Ehe Abraham war, war Ich, v. Thornton Chase. Deutsch v. W.Herrigel . . . . -.10

4. Das heilige Tablet, ein Sendschreiben Baha’o’llahs an die Christenheit. Deutsch von Wilhelm Herrigel . . -.10

5. Die Universale Weltreligion, Ein Blick in die Bahai-Lehre von Alice T. Schwarz . . . . -.50

6. Die Offenbarung Baha’u’llahs, von J.D. Brittingham. Deutsch von Wilhelm. Herrigel . . . -.50

7. Verborgene Worte von Bahá’u’lláh. Dtsch. v. A. Schwarz u. W. Herrigel . . . 1.--

8. Baha’u’llah, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. Deutsch von Wilhelm Herrigel, in Halbleinen gebunden . . . 2.50

in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.--

9. Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit, von Dr. jur. H. Dreyfus, Deutsch von Wilhelm Herrigel. Neue Auflage . . . -.50

10. Die Bahaibewegung im allgemeinen und ihre großen Wirkungen in Indien, von Wilhelm Herrigel . . . . -.50

11. Eine Botschaft an die Juden, von Abdul Baha Abbas. Deutsch von Wilhelm Herrigel . . . -.20

12. Abdul Baha Abbas, Ansprachen über die Bahailehre. Deutsch von Wilhelm Herrigel, in Halbleinen gebunden . . . . . 3.--

in feinstem Ganzleinen gebunden. . . . . 3.50

13. Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahaireligion, von Mirza Abul Fazl. Deutsch von W. Herrigel, in Halbleinen geb. . . . . 4.50

In Ganzleinen gebunden . . . . 5.--

14. Abdul Baha Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. Deutsch von Wilhelm Herrigel, in Ganzleinen gebunden . . . . 4.--

15. Das Hinscheiden Abdul Bahas, ("The Passing of Abdul Baha") Deutsch von Alice T. Schwarz . . . -.50

16. Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey. Deutsch von Wilhelm Herrigel . . . . —.50

17. Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahailehre von Dr. Hermann Grossmann . . . . . —.20

18. Die Bahai-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase, deutsch von W. Herrigel, kartoniert M. 4.--, in Halbleinen gebunden M. 4.60

19. Bah’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont, deutsch von W. Herrigel und H. Küstner. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.50

20. Sonne der Wahrheit, Jahrgang 3 - 6 in Halbleinen gebunden . . . . . 6.50


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