Sonne der Wahrheit/Jahrgang 6/Heft 1/Text

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SONNE

DER

WAHRHEIT
Heft I MÄRZ 1926
ORGAN DES DEUTSCHEN BAHAI-BUNDES STUTTGART


[Seite 0] Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahai-Prinzipien.


1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.

Baha’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Baha’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Baha’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.


2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.

In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.


3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.

Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.


4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.

Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.


5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.

Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.


6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.

Dies ist eine besondere Lehre Baha’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.


7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.

Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.


8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.

Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.


9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.

Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.


10. Die soziale Frage muss gelöst werden.

Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Baha’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.


11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.

Baha’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weitsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.


12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.

Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.

Vor mehr als 50 Jahren befahl Baha’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.


Baha’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.


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SONNE    DER  WAHRHEIT
Organ des Bahai-Bundes, Deutscher Zweig
Herausgegeben vom Verlag des Bahai-Bundes, Deutscher, Zweig Stuttgart
Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz - Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3
Preis vierteljährlich 1,80 Goldmark, im Ausland 1,90 Goldmark.
Heft 1 Stuttgart, im März 1926 6. Jahrgang

Inhalt: 'Abdu'l-Bahás Neujahrsgruß an die Gläubigen. — Besuchstablet, geoffenbart von Baha’u’lláh. - Gedicht. — Baha’u’lláh und das neue Zeitalter. — Qurratu’l-Ayn und ihr Lehrer. — Words of Baha’u’lláh. — Bureau International Bahái Genf 19 Bd. Georges-Favon 19. — Einheitlicher Kalender. — Vortragsberichte. — Esperanto.


Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion



Ihr werdet gewahr werden, daß ihr unabhängig seid von allem außer Mir, und ihr werdet das Meer Meiner Vorsehung und die Tiefen Meiner Wohltaten, die von dem Namen Bahá ausstrahlen, mit euren irdischen und geistigen Augen deutlich sehen.

Baha’u’lláh.




Ihr müsst euch unter allen Umständen mit grosser Kraft erheben und die heilige Lehre der Gesegneten Vollkommenheit verkünden. Seine Bestätigungen werden mit euch sein. Ihr sollt einander in selbstloser Liebe dienen und euch lieben mit unwandelbarer Nächstenliebe. Ihr steht unter dem Schutz des Allerhöchsten.

Wer einem meiner Diener hilfreich beisteht, und sei es nur, dass er ihm ein Glas Wasser reiche, der ist gesegnet.

Ihr sollt mit eurem Leben, mit Worten und Werken ein Beispiel euren Mitmenschen sein.

Seht nicht auf die Unvollkommenheit eures Nächsten, sondern sucht das Gute in ihm und überseht das andere.

Euer wirklicher Vater ist Gott und ihr alle seid Seine Geschöpfe auf einer Aue, die Blätter an einem Lebensbaum.

'Abdu'l-Bahá


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'Abdu'l-Bahás Neujahrsgruß an die Gläubigen.

(nach Amerika im Jahre 1906).

O ihr Kinder des Königreichs!

Es ist Neujahr, das heißt, der Kreislauf eines Jahres, das einen Sonnenzirkel darstellt, ist vollendet.

Wir aber stehen im Anfang des Sonnenzirkels der Wirklichkeit, eines neuen Zyklus oder Zeitalters, eines neuen Jahrhunderts, eines neuen Jahres. Darum ist dieses sehr gesegnet. Ich wünsche, daß dieser Segen von den Gesichtern der Gläubigen strahle und sich im Charakter derselben offenbare, damit sie neue Menschen werden, die ein neues Leben gefunden haben, und die durch das Feuer des Geistes getauft sind, damit die Welt durch sie eine neue Welt werde, damit die alte Welt verschwinde und die neue hervorgehe. Alte Ansichten verschwinden und neue Gedanken treten auf, alte Gewänder werden abgelegt und neue angetan, veraltete Politik, deren Grundlage der Krieg ist, muß abgetan werden und neuzeitliche Politik, die sich auf Frieden gründet, erhebe das Siegesbanner.

Der neue Stern erstrahlt, und die neue Sonne steigt leuchtend am Horizont empor. Der neue Frühling hält seinen Einzug, neue Blumen blühen, frische Lüfte wehen, neue Gnaden strömen herab. Die neuen Bäume bringen neue Früchte hervor. Der neue Ruf erhebt sich und wird von dem lauschenden Ohr vernommen. Das Neue folgt dem Alten, alle alten Ausrüstungen und Schmückungen werden beiseite getan, und neuer Schmuck tritt an ihre Stelle.

Ich wünsche, daß ihr alle dieses großen Segens, dieser großen Gnade teilhaftig werdet, und euch eifrig bemüht, daß die Welt des Kriegs die Welt des Friedens, daß die Welt der Dunkelheit die Welt des Lichts werde. Ich wünsche, daß das satanische Wesen sich in himmlisches Betragen wende, daß die verwüsteten Plätze wieder aufgebaut werden, daß das Schwert sich in einen Ölzweig wandle. Dann wird dies Flammenmeer der Liebe Gottes den Haß überfluten, die Stimme des Königreichs die der Kanonen übertönen. Die Soldaten, die den Tod bringen, werden zu Soldaten des Lebens und alle Völker der Erde ein Volk, alle Rassen eine Rasse werden und alle Nationalhymnen in einem Lied zusammenklingen. Dann wird dieses irdische Reich ein Paradies, die Erde ein Himmel und die Welt des Satans die Welt der Engel werden.

Mit euch sei Gruß und Lob.

(sig.) 'Abdu'l-Bahá Abbas.



Besuchstablet, geoffenbart von Baha’u’lláh.*)

Das Lob, das durch Deine erhabene Seele geoffenbart wurde, die Herrlichkeit, die von Deinem Angesicht hervorstrahlte, die höchste Herrlichkeit sei auf Dir!

O, Du Offenbarer der Allmacht, des Königs der Unsterblichkeit und des Besitzers von allem, was im Himmel und auf Erden ist! Ich bezeuge, daß durch Dich die Oberherrschaft Gottes und Seine Autorität, die Größe Gottes und Seine Allmacht geoffenbart wurde. Die Sonne der Erhabenheit ging am Himmel der Vorherbestimmung auf, und die unsichtbare Schönheit erschien am Horizont des Ursprungs. Ich bezeuge, daß durch Deine Feder der Befehl „Es werde“ und „Es ward" über die ganze Erde verbreitet wurde. Die verborgenen Geheimnisse Gottes wurden geoffenbart, die unbekannten Ursprünge des Seins enthüllt und die Manifestationen gesandt. Ich bezeuge, daß Deine Schönheit die Schönheit des Angebeteten enthüllte, und durch Dein Gesicht das Gesicht des Ersehnten strahlte. Durch ein Wort von Dir wurden die Geschöpfe vom Irdischen getrennt und die Aufrichtigen zu dem Gipfel der Erhabenheit geführt, während die Gottlosen zur niedersten Stufe herabsanken.

Ich bezeuge, daß derjenige, der Dich erkennt, Gott erkannt hat, und daß der, der Dir begegnet, Gott begegnet ist. Gesegnet ist der, der an Dich und Deine Verse glaubt, wer vor Deiner Majestät sich demütigte, er wurde durch Seine Begegnung geehrt, erreichte Sein Wohlwollen und stellte sich an Seinen Thron.

Wehe denen, die Dich unterdrückten und an Dich nicht glaubten, die Deine Zeichen widerlegten, sich gegen Deine Oberherrschaft auflehnten, gegen Dich kämpften, vor Deinem Angesicht sich hochmütig erhoben, die, unzufrieden über Deine Beweise, sich von [Seite 3]


Erst müssen alle unsere Wünsche schweigen

Ganz leise, still und tief,

Dann wirst Du selbst den Weg uns weisen,

Der zu Dir rief.


Vollkommen rein und klar muß unsre Seele

Dein eigner Spiegel sein,

Und nicht mehr denken, nichts mehr fühlen,

Als Dich allein.


Was Menschen bauten, mag in Staub zerfallen,

Wenn einst der Sturmwind weht,

Und Wogen branden und verhallen,....

Dein Wort besteht.


Dein Name wird in unsrer Seele leben

Wie aus Granit und Erz

Und über uns empor uns heben

Und himmelwärts!


Elsa Maria Großmann, Hamburg.


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Deiner Regierung und Oberherrschaft abwandten, und die von der „Hand des Befehls“ als Ungläubige in den Tabletts Seiner Heiligkeit eingeschrieben stehen.

O, mein Gott! O, mein Geliebter! Sende mir aus Deiner rechten Hand von Deiner Gnade und Vorsehung die heiligen Wogen Deiner Güte und Barmherzigkeit, die heiligen Düfte Deiner Gaben und erlöse mich von mir selbst und von der Welt und erhebe mich zum Ufer Deiner Nähe und zu Deiner Begegnung. Wahrlich, Du bist mächtig, zu tun, was Du wünschest! Wahrlich, Du umgibst alle Dinge!

Ueber Dir sei, o, Du Angesicht Gottes, Gottes Lob und Seine Erwähnung, Gottes Bahá und Sein Licht!

Ich bezeuge, daß das Auge der Schöpfung keinen Unterdrückten gleich Dir gesehen hat. Von tiefsten Trübsalen war Dein ganzes Leben erfüllt, unter dem Schwert der Feinde oder in Ketten und Eisen. Trotz alledem befahlst Du den Menschen, wie Dir von dem Weisen, dem Allwissenden, befohlen ward. Möge mein Geist ein Opfer für Deine Leiden und meine Seele ein Pfand für Deine Trübsale sein. Ich bitte von Gott, von Dir und von all jenen Gesichtern, welche durch die Strahlen Deines Angesichtes erleuchtet wurden und die aus Liebe zu Dir befolgten, was ihnen befohlen ward, beseitige die Schleier, die Dich von Deinen Kreaturen trennen und bestimme das Gute für uns, für diese und die kommenden Welten. Wahrlich Du bist der Machtvolle, der Erhabene, der Mächtige, der Vergebende und der Barmherzige!

O Gott! Verherrlichung und Verehrung sei auf dem Baum, seinen Aesten, seinen Zweigen, seinen Blättern, seinem Stamm und seinen Wurzeln, durch Deinen erhabenen Namen und Deine höchsten Eigenschaften. Beschütze ihn vor den Angriffen der Feinde und den Heerscharen der Tyrannen. Wahrlich, Du bist der Wissende, der Weise.

O, Gott! Verherrlichung und Verehrung sei auf Deinen Dienern und Dienerinnen, welche Dich erkannt haben.

Wahrlich, Du bist der Besitzer der großen Gaben und wahrlich, es gibt keinen Gott außer Dir, dem Vergeber, dem Barmherzigen.

(Dieses Tablett wurde von Abdu’l-Bahá am Grabe des Báb und Baha’u’lláhs gesungen.)


  • ) Im Urtext in arabischer Sprache.



Baha’u’lláh und das Neue Zeitalter.

Von Dr. J. E. Esslemont. Uebersetzung v. H. Küstner.

II. Kapitel.

Bab 1), der Vorläufer.

„Wahrlich, der Unterdrücker hat den Geliebten der Welten erschlagen, damit er so das Licht Gottes auslösche unter seinen Geschöpfen und die Menschen von dem Strom des Lebens abhalte in den Tagen des Herrn, des Gnadenvollen, des Freigebigen.“

— Baha’u’lláh-Tablet an den Ra’is.


Geburtsort des neuen Offenbarers.

Persien, das Geburtsland des neuen Offenbarers, nimmt einen einzigartigen Platz in der Weltgeschichte ein. In den Tagen seiner früheren Größe war dies Land eine wirkliche Herrscherin unter den Nationen, unerreicht an Zivilisation, Macht und Glanz. Es schenkte der Welt große Könige und Staatsmänner, Propheten und Dichter, Philosophen und Künstler. Zoroaster, Cyrus und Darius, Hafiz und Firdawsi, Sa’di und ’Omar Khayyam sind nur einige seiner vielen berühmten Söhne. Seine Handwerksleute waren unübertroffen an Geschicklichkeit; seine Teppiche waren unvergleichlich, seine Stahlklingen unerreicht, sein Steingut weltbekannt. In allen Teilen des nahen und mittleren Ostens hat Persien Spuren seiner früheren Größe hinterlassen.

Im 19. und 20. Jahrhundert aber sank Persien auf eine Stufe beklagenswerter Erniedrigung. Sein früherer Ruhm schien unwiederbringlich verloren. Die Regierung war bestechlich geworden und befand sich in verzweifelten finanziellen Schwierigkeiten; manche seiner Herrscher waren Schwächlinge und andere Ungeheuer an Grausamkeit. Die Priester waren bigott und unduldsam, das Volk unwissend und abergläubisch. Der größte Teil der Bevölkerung gehörte dem schi’itischen Zweig 2) der Mohammedaner an, aber es gab auch eine beachtenswerte Anzahl von Zoroastriern, Juden und Christen, von Anhängern verschiedener und gegnerischer Sekten. Alle bekannten sich dazu, erhabene Lehren zu befolgen, die sie anwiesen, den Einen Gott anzubeten und in Liebe und Eintracht zu leben, aber sie mieden, verabscheuten und verachteten einander, da jede Sekte die andere [Seite 5] als unrein, als Hunde oder Heiden ansah. Das Fluchen und Verwünschen war in fürchterlichem Grad eingerissen. Es war für einen Juden oder Zoroastrier gefährlich, an einem regnerischen Tage auf die Straße zu gehen, denn wenn sein nasses Gewand einen Mohammedaner berührte, war dieser verunreinigt und der andere konnte mit seinem Leben für diese Beleidigung zu büßen haben. Wenn ein Mohammedaner von einem Juden, Zoroastrier oder Christen Geld annahm, mußte er es waschen, bevor er es in seine Tasche stecken durfte. Wenn ein Jude sein Kind einem armen mohammedanischen Bettler ein Glas Wasser reichen gesehen hätte, so hätte er das Glas dem Kind aus der Hand geschlagen, denn Flüche statt Freundlichkeit wäre dem Ungläubigen zu Teil geworden. Die Mohammedaner selbst zerfielen in unzählige Sekten, deren Streit untereinander oft wild und erbittert war. Die Zoroastrier mischten sich nicht viel in diese gegenseitigen Beschuldigungen, lebten aber in ihren Gemeinschaften für sich, und lehnten es ab, sich ihren Mitbürgern andern Glaubens zuzugesellen.

Soziale wie religiöse Angelegenheiten befanden sich in einem Zustand hoffnungslosen Zerfalls. Die Erziehung wurde vernachlässigt. Abendländische Wissenschaft und Kunst wurde als unrein und der Religion zuwider betrachtet. Gerechtigkeit war nirgends zu finden. Plünderung und Raub waren alltägliche Ereignisse. Die Straßen waren schlecht, und unsicher zu bereisen. Sanitäre Einrichtungen waren durchaus mangelhaft.

Und doch war, trotz allem, das Licht des geistigen Lebens in Persien nicht ausgelöscht. Da und dort, mitten unter der herrschenden Weltlichkeit und dem vorherrschenden Aberglauben, konnte man noch manche heiligen Seelen finden, und in manchem Herzen wurde die Sehnsucht nach Gott gepflegt, wie einst in den Herzen von Hanna und Simeon vor dem Auftreten Jesu. Viele warteten begierig auf das Kommen des verheißenen Gottesboten und glaubten bestimmt, daß die Zeit seiner Ankunft nahe bevorstehe. So standen die Dinge in Persien, als der Báb, der Herold einer neuen Zeit, das ganze Land mit seiner Botschaft in Aufruhr versetzte.


Jugendzeit.

Mirza Ali Mohammed, der sich später den Titel Báb (d. h. Tor, oder Pforte) beilegte, wurde in Schiraz, im Süden von Persien, am 20. Oktober 1819 3), geboren. Er war ein Sejid, d. h. ein Nachkomme des Propheten Mohammed. Sein Vater, ein bekannter Kaufmann, starb bald nach seiner Geburt, worauf er in die Obhut eines Onkels mütterlicherseits, eines Kaufmanns in Schiraz, kam, der ihn aufzog. Er lernte in seiner Kindheit Lesen und empfing die einfachste Erziehung, wie sie damals für Kinder üblich war.4) Im Alter von 15 Jahren wandte er sich den Geschäften zu, zuerst mit seinem Pflegevater, und später mit einem andern Onkel, der in Buschir, am Persischen Golf, lebte.

Als Jüngling war er durch seine große körperliche Schönheit und durch sein liebenswürdiges Wesen bekannt, wie auch seiner außerordentlichen Frömmigkeit und der Vornehmheit seines Charakters wegen. Er war untadelhaft in der Einhaltung des Gebets, des Fastens und anderer Gebote der mohammedanischen Religion, und er hielt sich nicht nur an den Buchstaben, sondern lebte auch im Geiste der Lehren des Propheten. Er heiratete im Alter von etwa 20 Jahren. Dieser Heirat entstammte ein Sohn, der aber im Kindesalter starb, und zwar im ersten Jahr, als der Báb in die Oeffentlichkeit trat.


Erklärung.

Als der Bäb das 25. Lebensjahr erreicht hatte, erklärte er auf göttlichen Befehl, daß „Gott der Erhabene ihn auserwählt habe für die Stufe der Bábschaft“. In „A Traveller’s Narrative“ lesen wir Folgendes:

„Was er mit dem Ausdruck ‚Báb‘ sagen wollte, war: daß er der Kanal der Gnade für eine große Person sei, die sich noch unter dem Schleier der Herrlichkeit verberge, die im Besitz von zahllosen und grenzenlosen Vollkommenheiten sei, von deren Willen er getrieben werde, und an deren Band der Liebe er sich klammere.“

— Episode vom Báb, Seite 3 -

In jenen Tagen war der Glaube an das bevorstehende Kommen eines göttlichen Boten besonders stark bei einer Sekte, bekannt als die Shaykhi, und es war ein hervorragender, dieser Sekte angehörender Geistlicher namens [Seite 6] Mulla Hussein Buschru'i, dem der Báb als erstem seine Mission kund gab. Das genaue Datum dieser Verkündigung ist im Beyan, einer der Schriften des Báb, angegeben auf 2 Stunden 15 Minuten nach Sonnenuntergang am 5. Tag des Monats Jamadiyu-l-Avval, 1260 a. H. 5) (d. h. am 23. Mai 1844 nach Christus). Nach mehreren Tagen sorgfältigsten Forschens und Studierens war Mulla Hussein fest davon überzeugt, daß der von den Schiiten lange erwartete Botschafter tatsächlich gekommen sei. Seine eifrige Begeisterung über diese Entdeckung wurde bald von verschiedenen seiner Freunde geteilt. Es dauerte nicht lange, bis die Mehrzahl der Shaykhi den Báb anerkannte und damit als Bábi bekannt wurden; und bald begann der Ruf des jungen Propheten sich einem Lauffeuer gleich über das Land auszubreiten.


Ausbreitung der Bábi-Bewegung.

Die ersten 18 Jünger des Báb (mit ihm selbst als dem neunzehnten) wurden bekannt als die „lebendigen Buchstaben“. Diese Jünger sandte er nach verschiedenen Teilen von Persien und Turkestan, um die Neuigkeit seines Advents zu verbreiten. Er selbst unternahm mittlerweile eine Pilgerreise nach Mekka, wo er im Dezember 1844 anlangte. Dort erklärte er vor einer großen Menge von Pilgern aus allen Teilen der mohammedanischen Welt offen seine Sendung. Nach seiner Rückkehr nach Buschir entstand eine große Aufregung ob der Verkündigung seiner Bábschaft. Das Feuer seiner Beredsamkeit, die Bewunderung über seine raschen und inspirierten Schriften, seine außerordentliche Weisheit und Erkenntnis, sein Mut und Eifer als Reformator entfachte die größte Begeisterung bei seinen Anhängern, entflammte aber in gleichem Maße einen Ansturm und Feindseligkeit bei den strenggläubigen Moslims. Die schiitischen Gelehrten klagten ihn heftig an und überredeten den Statthalter von Fárs, mit Namen Hussein Khán, einen fanatischen und tyrannischen Herrscher, die Unterdrückung gegen die neue Ketzerei aufzunehmen. Nun begannen für den Báb in langer Reihe Einkerkerung, Deportation, Verhöre vor Gerichtshöfen, Plagen und Unwürdigkeiten, die mit seinem Märtyrertod im Jahre 1850 endeten.


Die Ansprüche des Báb.

Die Feindseligkeit, die sich beim Anspruch auf die Bábschaft erhob, verdoppelte sich, als der junge Reformator zu der Erklärung überging, daß er der Mahdi selbst sei, dessen Kommen Mohammed vorhergesagt hatte. Die Schiiten setzten diesen Mahdi dem zwölften Imám 6) gleich, der vor tausend Jahren in geheimnisvoller Weise aus den Augen der Menschen verschwand. Sie glaubten, daß er noch am Leben sei und in seinem früheren Körper wieder erscheinen werde; sie legten die Prophezeiung über seine Herrschaft, seine Herrlichkeit, seine Eroberungen, und die „Zeichen“ seines Advents in einem äußerlichen Sinne aus, wie die Juden zur Zeit Christi ähnliche sich auf den Messias beziehenden Prophezeiungen auslegten. Sie erwarteten, daß er erscheinen werde mit irdischer Herrschaft und einem unzähligen Heere und seine Offenbarung verkünden werde, daß er die toten Leiber zur Auferstehung rufen und sie zu neuem Leben erwecken werde und so fort. Alle diese Zeichen traten nicht ein; die Schiiten verwarfen den Báb mit demselben grimmigen Spott, dessen sich die Juden Jesus gegenüber bedienten. Die Bábis dagegen legten viele der Prophezeiungen bildlich aus. Sie hielten die Herrschaft des Verheißenen, gleich der des galiläischen „Menschen des Jammers“ für eine mystische Herrschaft; seine Herrlichkeit für eine geistige, nicht irdische, seine Eroberungen als solche über die Städte der Herzen der Menschen; und sie fanden genügend Beweise für den Anspruch des Báb in seinem wundervollen Leben und in seinen Lehren, in seinem unerschütterlichen Glauben, seiner unüberwindlichen Standhaftigkeit und seiner Macht, die zu neuem geistigem Leben zu rufen, die in den Gräbern des Irrtums und der Unwissenheit befangen waren.

Aber der Báb blieb nicht bei der Anwartschaft stehen, der Mahdi zu sein. Er legte sich den geheiligten Titel des „Nukta-i-ula“ oder des „ersten Punkts“ bei. Dies war der Titel, der Mohammed einst von seinen Nachfolgern beigelegt wurde. Sogar die Imams waren in ihrer Stellung dem „Punkt“ untergeordnet, von dem sie ihre Inspiration und ihre Autorität ableiteten. Durch den Gebrauch dieses Titels beanspruchte der Báb eine Stellung für sich, wie die Mohammeds in der Reihe der großen Religionsgründer, und aus diesem Grunde war er in den Augen der Schiiten ein Betrüger, gerade wie Moses und Jesus vor ihm als Betrüger angesehen wurden. Er führte sogar einen neuen Kalender ein, der das Sonnenjahr wiederherstellt und der das neue Zeitalter mit dem Jahr seiner eigenen Erklärung beginnen läßt.

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Die Verfolgung wächst.

Infolge dieser Erklärungen des Báb und der beunruhigenden Schnelligkeit, mit der Menschen aus allen Klassen, reiche und arme, gelehrte und unwissende, sich begierig seiner Lehre zuwandten, wurden die Bestrebungen, sie zu unterdrücken, immer grausamer und entschiedener. Häuser wurden geplündert und zerstört. Frauen wurden festgenommen und verschleppt. In Teheran, Fars, Masenderan u. anderen Plätzen wurden eine große Menge der Gläubigen getötet. Viele wurden enthauptet, gehängt, vor die Mündung der Geschütze gebunden, verbrannt oder zerstückelt. Trotz aller Unterdrückungsversuche ging die Bewegung ihren Weg. Durch ihre Unterdrückung wuchs vielmehr die Gewißheit bei den Gläubigen, denn gerade dadurch erfüllten sich wörtlich viele der Prophezeiungen über das Kommen des Mahdi. So lesen wir in einer von Jábir stammenden Ueberlieferung, die von den Schiiten für echt gehalten wird:

„In ihm wird sein die Vollkommenheit von Moses, die Köstlichkeit von Jesus und die Geduld von Hiob; seine Heiligen werden zu dieser Zeit gedemütigt, und ihre Häupter werden als Geschenke ausgetauscht werden (wie die Köpfe der Türken und der Deylamiten gegenwärtig ausgetauscht werden;) sie werden erschlagen und verbrannt werden, und werden in Furcht sein, voll Aengsten und werden in Schrecken versetzt werden; die Erde wird mit ihrem Blut getränkt werden, und Wehgeschrei wird herrschen unter ihren Frauen; dies sind in der Tat meine Heiligen.“

— Neue Geschichte des Báb, übersetzt von Professor E. G. Browne, S. 132. -


Märtyrertod des Báb.

Am 9. Juli 1850 (Freitag, 28. Scha’aban, 1266 a. H.) fiel der Báb selbst, in seinem 30. Lebensjahre, der fanatischen Wut seiner Verfolger zum Opfer. Mit einem ergebenen jungen Anhänger namens Agá Mohammed Ali, der leidenschaftlich darum gebeten hatte, seinen Märtyrertod teilen zu dürfen, wurde er in Täbris auf den Richtplatz ins Barackenviertel geführt. Etwa zwei Stunden vor Mittag wurden die beiden mit Stricken unter den Armen derart aufgehängt, daß das Haupt von Mohammed Ali an der Brust seines geliebten Meisters ruhte. Eine Abteilung von armenischen Söldnern wurde aufgestellt und erhielt den Befehl, zu feuern. Alsbald krachte die Salve, aber als der Rauch sich verzog, ergab sich, daß der Báb und sein Gefährte noch am Leben waren. Die Kugeln hatten nur die Seile zerrissen, an denen sie aufgehängt waren, so daß sie unverletzt zu Boden fielen. Sie betraten einen nahen Raum, wo man sie mit einem ihrer Gefährten sprechend vorfand. Nach Mittag wurden sie abermals aufgehängt. Die Armenier, die das Ergebnis ihrer Salve als Wunder ansahen, weigerten sich, nochmals zu feuern so daß ein anderer Trupp Soldaten antreten mußte, die dem Befehl zum Feuern Folge leisteten. Diesmal hatte die Salve den gewünschten Erfolg. Die Körper der beiden Opfer wurden von Kugeln durchbohrt und schrecklich zugerichtet, ihre Gesichter aber blieben fast unberührt.

Durch diese ruchlose Tat wurde das Barackenviertel von Täbris eine zweite Wallfahrtstätte. Die Feinde des Báb genossen einen frevelhaften Triumph und dachten, daß dieser gehaßte Baum des Bábiglaubens nun an der Wurzel getroffen sei und seine völlige Ausrottung nun leicht sein werde! Aber ihr Triumph war von kurzer Dauer! Sie dachten nicht daran, daß der Baum der Wahrheit von keiner materiellen Axt gefällt werden kann. Mußten sie doch erkennen, daß dieses ihr großes Verbrechen dazu führte, der Sache noch größere Kraft zu verleihen. Der Märtyrertod des Báb erfüllte seinen zärtlich gehegten Wunsch und entflammte seine Anhänger zu vermehrtem Eifer. So groß war das Feuer ihrer geistigen Verzückung, daß die schlimmen Stürme der Verfolgung sie nur zu helleren Flammen anfachten, je größer die Anstrengungen, sie auszulöschen, desto höher schlugen die Flammen empor.


Das Grabmal am Berg Karmel.

Nach seinem Märtyrertod wurde der Leichnam des Báb mit dem seines ergebenen Gefährten zusammen in eine Ecke des Festungsgrabens außerhalb der Stadtmauer geworfen. In der übernächsten Nacht wurden sie von einigen Bábis um Mitternacht geborgen, und nachdem sie jahrelang an geheimen Orten in Persien verborgen gehalten worden waren, wurden sie schließlich unter großer Gefahr und Schwierigkeit in das Heilige Land verbracht. Hier sind sie nun in einem wundervoll gelegenen Grabmal am Abhang des Berges Karmel beigesetzt, nicht weit vom Grab des Elias, und nur wenige Meilen von der Stelle, wo Bahá’u'lláh Seine letzten Lebensjahre zubrachte, und wo Seine Gebeine nun ruhen. Unter den tausenden von Pilgern, die aus allen Teilen der Welt kommen, um dem heiligen Grab von Bahá’u’lláh ihre Ehrerbietung zu bezeugen, unterläßt keiner, auch am Schrein dieses ergebenen Anbeters und Vorläufers, des Báb, zu beten.7)


Die Schriften des Báb.

Die Schriften des Báb sind umfangreich, und die Schnelligkeit, mit der er, ohne Studium oder vorherige Ueberlegung, sorgfältig ausgearbeitete [Seite 8] Kommentare, tiefgründige Auseinandersetzungen und beredte Gebete verfaßte, wurde als einer der Beweise für seine göttliche Inspiration betrachtet.

Der Sinn seiner verschiedenen Schriften ist wie folgt zusammengefaßt worden:

„Viele von ihnen (des Bábs Schriften) waren Kommentare über und Auslegungen von Versen des Koran; andere waren Gebete, Homilien und Hinweise auf (die wahre Bedeutung gewisser) Stellen; wieder andere waren Belehrungen, Ermahnungen, Abhandlungen über die verschiedenen Zweige der Lehre von der göttlichen Einheit... Ermutigungen zur Verbesserung des Charakters, zur Trennung von weltlichen Zuständen und zur Hingabe an die Inspirationen von Gott. Aber das Wesen und der Sinn seiner Abfassungen waren Lobpreisungen und Beschreibungen jener Wirklichkeit, die bald erscheinen sollte, und deren Erscheinen sein Sinnen und Trachten, sein Lieblingsgedanke und sein Wunsch galt. Denn er betrachtete sein eigenes Kommen als das eines Vorboten für frohe Botschaften und hielt seine eigene wirkliche Natur bloß für ein Werkzeug für die Manifestation von größeren Vollkommenheiten dieses Einen. Und in der Tat ließ er nicht einen Augenblick ab, Ihn Tag und Nacht zu verherrlichen, sondern pflegte allen seinen Anhängern zu bedeuten, sie müßten auf Sein Kommen warten, ja er ging darin soweit, daß er in seinen Schriften erklärte: „Ich bin ein Buchstabe aus diesem überaus wichtigen Buche und ein Tautropfen aus diesem unermeßlichen Ozean, und wenn Er erscheinen wird, wird meine wahre Natur, werden meine Geheimnisse, meine Rätsel und meine Andeutungen offenbar werden, und der Keim dieser Religion wird sich entwickeln durch die Grade Seines Wesens und Aufstiegs hindurch, zu der Stufe „der anmutigsten Gestalt“ und geschmückt werden mit dem Gewand von „Gesegnet sei Gott, der Beste, der Schöpfer!“ So begeistert war er von dieser Flamme, daß die Erwähnung von Ihm das helle Licht in den dunklen Nächten in der Festung Maku, und das Gedenken an ihn sein bester Begleiter in der Not des Gefängnisses von Chiriq war. Er empfing dadurch geistigen Weitblick, an Seinem Wein berauschte er sich, und an dem Gedanken an Ihn erquickte er sich.“

— Die Geschichte vom Báb, 5. 54.


Er, den Gott offenbaren wird.

Gleich Johannes dem Täufer blieb der Báb immer darauf bestehen, daß er nur als Vorläufer anzusehen sei, gesandt, den Weg für einen Größeren als er selber war, u. der nach ihm kommen werde, zu bereiten. Er verkündigte die Ankunft einer großen Manifestation der Sonne der Wahrheit, die sich binnen kurzem in menschlicher Gestalt mit Majestät und Herrlichkeit der Welt offenbaren werde. Darauf bezugnehmend, erklärt er voll Demut und Verehrung für die Tage dessen, „den Gott offenbaren werde“:

„Wenn einer einen einzigen Vers von Ihm hören und ihn nachsagen werde, es besser sei, als wenn er den Beyan (d.h. die Offenbarung des Báb) tausend mal hersage.“

— Geschichte des Báb, S. 349. -

Er schätzte sich glücklich im Erdulden von Anfechtungen, wenn er dabei den Pfad ebnen durfte, wenn auch nur in geringem Maß „für den, den Gott offenbaren werde“, welcher wie er erklärte — die alleinige Quelle seiner Inspiration wie der alleinige Gegenstand seiner Liebe war.


Auferstehung, Paradies und Hölle.

Ein wichtiger Teil der Lehre des Báb ist seine Auslegung der Bedeutung der Worte „Auferstehung“, „Tag des Gerichts“, „Paradies und Hölle“. Unter Auferstehung ist zu verstehen, sagte er, das Erscheinen einer neuen Manifestation der Sonne der Wahrheit. Das Auferstehen vom Tod bedeutet die geistige Auferweckung derer, die in den Gräbern der Unwissenheit, Achtlosigkeit und Sinnenlust schlafen liegen. Der Tag des Gerichts ist der Tag einer neuen Manifestation, durch deren Annahme oder Verwerfung die Schafe von den Böcken geschieden werden, denn die Schafe kennen die Stimme des göttlichen Hirten und folgen Ihm. Paradies ist die Freude, Gott zu erkennen und zu lieben, wie Er Sich durch Seine Manifestation offenbart, und dabei die äußerste Vollkommenheit zu erlangen, die erreichbar ist, und nach dem Tod eintreten zu dürfen in das Königreich Gottes zum ewigen Leben. Hölle bedeutet, sowohl dieser Erkenntnis Gottes beraubt zu sein und infolgedessen davon abgehalten zu sein, göttliche Vollkommenheit zu erlangen, wie auch den Verlust der ewigen Gnade. Er erklärte endlich, daß diese Ausdrücke keine andere Bedeutung haben außer den angegebenen, und daß die herrschenden Ansichten über die Auferstehung des materiellen Körpers, einen materiellen Himmel und eine solche Hölle, und dergl. einfach Hirngespinste seien. Er lehrte, daß der Mensch ein Leben nach dem Tod besitzt, und daß in dem kommenden Leben der Fortschritt zur Vollkommenheit hin unendlich ist.


Soziale und ethische Lehren.

In seinen Schriften sagt der Báb seinen Jüngern, daß sie sich auszeichnen sollen durch brüderliche Liebe und Höflichkeit. Zweckmäßige Künste und [Seite 9] Geschicklichkeiten müßten gepflegt werden. Elementare Erziehung müsse allgemein werden. In der neuen und wundervollen Ausgießung, die im Anbrechen sei, würden die Frauen ausgedehntere Freiheit genießen. Für den Armen würde aus öffentlichen Mitteln gesorgt werden, das Betteln aber sei streng verboten, wie auch der Gebrauch von berauschenden Getränken.

Der Leitgedanke eines wahren Bábi muß reine Liebe sein, ohne Erwartung einer Belohnung oder Furcht vor Bestrafung. So sagt er im Beyan:

„Du sollst Gott so verehren, daß wenn der Lohn für deine Anbetung das Feuer wäre, dies keinen Einfluß auf deine Anbetung haben würde. Wenn ihr Gott aus Furcht anbetet, so ist dies der Schwelle der Heiligkeit Gottes unwürdig . . . desgleichen auch, wenn euer Blick auf das Paradies gerichtet ist, und wenn ihr in der Hoffnung darauf betet, denn dann habt ihr Gottes Schöpfung zu einem Genossen Seinerselbst gemacht.“

— Die Bábis von Persien II v. Prof. E. G. Browne, J.R.A.S. Bd. XXI, S. 931.


Sein Leiden und sein Triumph.

Dieser vorstehende Ausspruch zeigt den Geist, der den Báb sein ganzes Leben beseelte. Gott zu erkennen und Ihn zu lieben, Seine Eigenschaften wiederzuspiegeln und den Weg für Seine kommende Manifestation vorzubereiten, war das einzige Dichten und Trachten seines Wesens. Für ihn hatte das Leben keine Schrecken und der Tod keinen Stachel, denn Liebe hatte die Furcht ausgelöscht, und sogar der Märtyrertod war nur die Verzückung, sich ganz vor die Füße des Geliebten werfen zu dürfen.

Seltsam, daß diese reine und herrliche Seele, dieser inspirierte Lehrer göttlicher Wahrheit, dieser erhabene Anbeter Gottes, und seine Jünger sollten so gehaßt und von den erklärten Religionsdienern ihrer Zeit dem Tod überliefert werden! Sicherlich konnte nur gedankenloses oder beabsichtigtes Vorurteil der Tatsache gegenüber blind machen, daß es sich hier ohne Zweifel um einen Propheten handelte, der ein heiliger Botschafter Gottes war. Weltliche Größe und Herrlichkeit besaß er nicht, aber wie kann geistige Macht und Herrschaft bewiesen werden außer durch die Fähigkeit, aller irdischen Hilfe entraten zu können und über allen irdischen Widerstand zu triumphieren, sogar über den mächtigsten und den stärksten? Wie kann göttliche Liebe einer ungläubigen Welt vor Augen geführt werden außer durch ihre Fähigkeit, bis aufs äußerste den Stürmen des Unheils und den Pfeilen der Anfechtung, dem Haß der Feinde und der Verräterei falscher Freunde widerstehen zu können, sich hoch über all dies zu erheben und unerschrocken und unverbittert noch zu vergeben und zu segnen?

Der Báb hat durchgehalten und der Báb hat triumphiert. Tausende haben die Aufrichtigkeit ihrer Liebe zu ihm bezeugt durch das Opfer ihres Lebens und mit allem, was sie besaßen, in seinem Dienst. Könige könnten wohl neidisch werden um seine Macht über die Herzen und das Leben der Menschen. Ueberdies ist der, „den Gott offenbaren wird“, erschienen, hat seinen Anspruch bestätigt, die großmütige Ehrerbietung Seines Vorläufers angenommen, und ihn zum Genossen Seiner Herrlichkeit gemacht.

1) Das „A“ ausgesprochen wie in „Schah“.

2) Eine der zwei großen Parteien — Schiiten und Suniten —, in welche der Islam auseinanderfiel, schon bald nach dem Tod von Mohammed. Die Schiiten behaupten, daß Ali, der Schwiegersohn Mohammeds, der erste rechtmäßige Nachfolger des Propheten gewesen sei, und daß nur seine Nachkommen die rechtmäßigen Kalifen seien.

3) Erster Tag des Moharram, 1235 nach der Hedschra.

4) Hierüber bemerkt Jinab-i-Avarih : „Der Glaube vieler Leute im Osten, besonders derjenigen, die an den Báb glaubten, ging dahin: daß der Báb keine Erziehung genoß, daß aber die Mullahs, um ihn in den Augen des Volkes zu erniedrigen, erklärten, daß eine Erkenntnis und Weisheit, wie er sie besaß, der Erziehung zuzuschreiben sei, die er genossen habe. Nach gründlichem Forschen nach der Wahrheit hierüber haben wir Beweise gefunden, welche zeigen, daß er in seiner Kindheit eine kurze Zeit lang in das Haus von Scheik Mohammed (auch bekannt als Abid) zu gehen pflegte, wo er persisch lesen und schreiben gelehrt wurde. Darauf bezog sich der Báb in seinem Buch Beyan als er schrieb: ‚O Mohammed, o mein Lehrer !‘

Es ist aber doch außerordentlich bemerkenswert, daß dieser Scheik, der sein Lehrer war, ein ergebener Schüler seines eigenen Zöglings wurde, und daß auch der Onkel des Báb, der im Verhältnis eines Vaters zu ihm stand, dessen Namen Hadschi Sejid Ali war, ein ergebener Gläubiger wurde und als Babi den Zeugentod starb.

Das Verständnis für diese Geheimnisse wird den Suchern nach Wahrheit gegeben, wir aber wissen, daß eine Erziehung, wie sie der Báb erhielt, nur eine ganz einfache war, und daß, was für Zeichen auch immer von ungewöhnlicher Größe und Erkenntnis bei ihm wahrgenommen wurden, angeboren und von Gott waren.

5) a. H. — im Jahre der Hedschra — (d. h. der Flucht Mohammeds von Medina nach Mekka im Jahre 622 nach Christus.)

6) Der Imam der Schiiten ist der von Gott verordnete Nachfolger des Propheten, dem alle Gläubigen gehorchen müssen. 12 Personen nacheinander versahen das Amt des Imam, der erste war Ali, der Vetter und Schwiegersohn des Propheten. Der zwölfte wurde von den Schiiten Imam Mahdi genannt. Sie glaubten, daß er nicht starb, sondern sich seit 329 a.H. in der Erde verborgen halte und daß er nach der erfüllten Zeit wieder hervortreten, die Ungläubigen stürzen und ein Zeitalter des Segens aufrichten werde.

7) Dem Mausoleum des Báb ist nun von neuem Ehre widerfahren, indem es zum Ruheplatz des Leibs von Abdu’l-Bahá auserkoren wurde.



Qurratu’l-Ayn und ihr Lehrer.

(Jinabi Avarih’s Ansprachen in London.)

Zusammengestellt von Dr. Lotfullah S. Hakim. Aus „The Dawn“, Birma, I. u. II. Jahrgang.

Uebersetzt von H. Küstner. (Fortsetzung.)

"Jetzt ist die Zeit, wo ihr und ich und jeder von uns ihren Fußstapfen folgen und freudig in die Bahn treten muß, um für unsern Herrn gemartert zu werden.“ Wie Maria Magdalena die Hoffnung und den Mut der Jünger Christi hob, so ermutigte Qurratu’l-Ayn die Jünger des Báb, hinauszugehen und die Botschaft ihres Geliebten zu verbreiten.

Kurz nach diesem Vorfall reiste sie mit ihrem Bruder und ihren Verwandten nach Qaswin ab, das etwa eine Wochenreise von Hamadan entfernt liegt.

Nach dieser äußerst gefährlichen und ermüdenden Reise bei außerordentlich rauhem Wetter erreichte Qurratu’l-Ayn Qaswin. Noch in der Nacht ihrer Ankunft begann, sozusagen, der Krieg. Ihr Vater, ihr Gatte und ihr Onkel begannen mit ihr zu streiten. Im Laufe der Erörterung schalten sie und sagten: „Deine Tätigkeit hat einen Flecken auf die Ehre unserer Familie geworfen. Weißt Du auch, daß Du im Begriff bist, unsere zwölfhundert Jahre alte Religion zu zerstören? Du bedeckst den Namen unserer Väter mit Schande.“ Schließlich sagte Qurratu’l-Ayn: „Laßt uns die klaren Tatsachen betrachten. Wenn die Wahrheit auf meiner Seite ist, macht es nichts aus, ob eurer Väter oder Großväter Namen geschmäht werden. Anstatt so über der Väter Namen zu jammern, wird es vernünftiger sein, wenn wir uns bestreben, die wirklichen Tatsachen und die Wahrheit herauszufinden.“ Sie verteidigte nun zum [Seite 10] äußersten Erstaunen der drei Männer ihren Glauben an die neue Bewegung und brachte unwiderlegliche Argumente und einwandfreie Beweise vor. Ihr Vater, auf diese Weise aus der Fassung gebracht, bekam eine rasende Wut und rief aus: „Bist Du die gleiche Omeh Suleima, die früher bei uns war? Du hast Dich so verändert, daß man Dich nicht mehr kennt. Du scheinst nicht mehr die gleiche Frau zu sein, wie früher. Es ist schade, daß Du eine Frau bist; wenn Du ein Mann wärst und den Anspruch erheben würdest, daß Du ein Prophet seiest, vielleicht wären wir Dir nachgefolgt; aber Du bist hingegangen und dem Sejid Ali Mohammed von Schiraz nachgefolgt, der ein ungebildeter Mann ist“. Qurratu’l-Ayn lächelte ihnen zu und erwiderte: „O Jammer! Du hättest es gerne, daß Deine Tochter ein Prophet würde, und zwar Deines Wohlstands wegen, und verwirfst ohne irgend einen stichhaltigen Grund diese herrliche Seele, die der Welt die frohen Botschaften ihrer großen Mission von Gott verkündet hat“. „Ich bin“, sagte sie, „glücklich, daß Du zugibst, daß er ungebildet ist. Dies ist ja an sich ein Beweis, daß diese Botschaft für die Welt weit wichtiger ist, als Ihr Euch vorstellen könnt“. Sie zog darauf aus ihrer Tasche ein Papier und zeigte ihnen einige der Schriften des Báb. Wäre Qurratu’l-Ayn ein Mann gewesen, wäre sie wohl getötet worden, denn ihr Vater, ihr Onkel und ihr Gatte waren Mullas, und nach dem Gesetz des Landes haben Mullas die Macht, jeden Mann auf der Stelle zu töten, wenn er den Glauben verletzt, aber nicht eine Frau.

Die Lage war für die Familie also außerordentlich schwierig, weil sie sie nicht töten durften, andererseits aber auch ihre Beweise nicht widerlegen konnten. Ihr Onkel aber konnte sich nicht länger beherrschen und schlug sie etliche Male sehr heftig. Da erhob sich ihr Gatte, hielt des Onkels Hand fest und sagte: „Nein, sie ist eine Frau, schlage sie nicht.“ Endlich gingen der Onkel und sein Sohn nach Hause, während der Vater und Qurratu’l-Ayn beieinander blieben.

Folgenden Tages besuchten sie verschiedene Glieder der Familie und drangen in sie: „Du bist lange Zeit von zu Hause weggewesen, deshalb mußt Du jetzt zu Deinem Gatten zurückkehren und diese Dinge aufgeben.“ Sie war über diese Worte überaus ärgerlich und versicherte, daß sie und ihr Gatte wegen ihrer Meinungsverschiedenheiten nicht mit einander leben könnten. Ihre herausfordernde Haltung verschärfte außerordentlich die Bitterkeit der Gefühle ihres Onkels und ihres Vaters gegen sie. Am Tage darauf betrat der Onkel die Kanzel der Moschee und klagte von hier aus den Scheik, den Sejid und den Báb scharf an. Als Qurratu’l-Ayn dies hörte, sagte sie bei einer Versammlung: „Ich sehe den Mund meines Onkels voll von Blut“. Sie kündigte damit an, daß ihr Onkel würde getötet werden, aber wie, und wo, und von wem wußte niemand. Kurz nachher hörte man, der Onkel sei von zwei Personen im Durchgang der Moschee durch einen Schwertstreich getötet worden. Das Seltsame dabei war, daß Qurratu’l-Ayn rechtzeitig die Vorsorge getroffen hatte, und ihre Anhänger, die ihr von Qaswin aus nachgefolgt waren, weggeschickt hatte, um die Sache in den umliegenden Distrikten zu lehren, so daß sie zu der Zeit, als der Vorfall sich ereignete, abwesend waren. Aber man muß recht verstehen, daß Qurratu’l-Ayn mit diesem Mord nichts zu tun hatte. Die Angelegenheit wurde zuerst geheim gehalten, aber später allgemein bekannt. Ihr Gatte schmiedete nunmehr Pläne gegen sie, begab sich zum Gouverneur und teilte ihm mit, es sei Qurratu’l-Ayn, sein Weib, gewesen, die mit noch einigen anderen Babis diesen Mord veranlaßt habe, worauf der Gouverneur sie und fünf andere gefangen setzen ließ.

Zwei Männer waren es gewesen, die den Onkel getötet hatten, aber keiner von ihnen war ein Babi. Sie waren beide Scheiki. Diese beiden Männer konnten die Schmähungen nicht mehr länger anhören, die der Onkel gegen den Scheik und den Sejid ausstieß, und töteten ihn. Einer davon war Mirza Saleh von Schiraz, der in der Stadt blieb, der andere aber, mit Namen Mirza Hadi Farhadi, entwich. Als Mirza Saleh sah, daß Qurratu’l-Ayn und fünf andere wegen dieses Mordes gefangen gesetzt worden waren, stellte er sich selbst. Er sagte: „Warum habt ihr diese edle Frau und diese unschuldigen Männer gefangen gesetzt? Sie haben mit dem Mord nichts zu tun. Ich war es, der ihn tötete.“ Der Gouverneur verhaftete ihn ebenfalls, ließ aber die andern nicht frei. Endlich ließen sie Mirza Saleh und fünf andere ganz ungerechterweise den Märtyrertod erleiden. Qurratu’l-Ayn aber blieb noch einige Zeit Gefangene der Regierung, da niemand da war, der sie befreit hätte.

Hier beginnt die Verbindung zwischen Baha’u’lláh und Qurratu’l-Ayn; sie lernten einander bei folgender Gelegenheit kennen. Baha’u’lláh hatte nach der Erklärung des Báb begonnen, dessen Sache in Teheran und an andern Plätzen zu lehren, als er aber hörte, daß Qurratu’l-Ayn gefangen sei, war er außerordentlich betrübt und bekümmert. Zufällig traf Mirza Hadi Farhadi, der eine der Mörder ihres Onkels, Baha’u’lláh in Teheran, Baha’u’lláh sagte zu ihm: „Weil du einer der am Tode dieses Mullas Schuldigen bist, mußt du nach Qaswin zurückkehren und Qurratu’l-Ayn in Freiheit setzen.“ Die Macht von Baha’u’lláhs Worten war so stark, daß Mirza Hadi Farhadi sich nicht weigern konnte. Er reiste [Seite 11] folglich nochmals nach Qaswin. Bei seiner Ankunft daselbst traf er eine Frau, die er mit einer Botschaft für Qurratu’l-Ayn in das Haus des Gouverneurs schickte, durch welche er ihr mitteilte, sie möchte nachts, zu einer festgesetzten Stunde, sich an dem in der Botschaft bezeichneten Platz bereit halten; er würde die Mauer durchbrechen und sie fortholen. Bei Nacht begab er sich zur festgesetzten Zeit an den bestimmten Ort, brach durch die Mauer und befreite Qurratu’l-Ayn. Er hatte Vorsorge getroffen, daß außerhalb des Stadttors drei Pferde in Bereitschaft standen. Sie ritt eines der Pferde, er das andere, und sein Diener, namens Gholi das dritte Pferd. Auf Umwegen kamen die drei Flüchtlinge nach Teheran. Sie machten Halt in einem Dorf nahe bei Teheran. Qurratu’l-Ayn schrieb Baha’u’lláh einen Brief, in dem sie ihre Ankunft daselbst anzeigte, Baha’u’lláh erwiderte ihr, daß er sie an dem Ort treffen werde, woselbst sie sich befand. Baha’u’lláh reiste mit zwei Dienern nach jenem Platze ab und errichtete zunächst Stationen, um auf dem Rückweg die Pferde zu wechseln, im Falle sie sehr erschöpft wären. Er kam daselbst an und nachdem er sie gesehen hatte, reiste er mit seinen Dienern und den andern dreien, drei Stunden nach Sonnenuntergang, nach Teheran weiter.

Der wichtige Punkt, auf den man hier achten muß, ist, daß entweder zu dieser Zeit oder nicht lang nachher Qurratu’l-Ayn die Bedeutung von Baha’u’lláhs Stellung erkannt haben muß. Sie wurde so gehorsam, so demütig und so tätig in der Gegenwart von Baha’u’lláh, daß sie nichts tat, ohne Ihn um Rat gefragt zu haben. Sie anerkannte zu dieser Zeit nicht nur Baha’u’lláh, sondern sie erkannte auch verheißungsvolle Zeichen von Größe in dem kleinen Knaben ’Abdu’l-Bahá, der damals ein etwa drei Jahre altes Kind war. Immer hatte sie dieses kleine Kind auf ihrem Schoß und wollte es keinen Augenblick von sich lassen. Eines Tages besuchte Sejid Yahya Darabi Qurratu’l-Ayn. Sejid Yahya Darabi war einer der ersten Gläubigen an den Báb und erlitt schließlich in Neyresi den Martertod. Dieser Sejid Yahya wartete lange Zeit, aber Qurratu’l-Ayn brachte es nicht über sich, den kleinen ’Abdu’l-Bahá zu verlassen, um zu jenem zu gehen. Man mußte in sie dringen, den Kleinen für eine Weile zu verlassen und zu Sejid Yahya zu gehen, Sie umarmte den Kleinen, der ihr über alles lieb war, und sagte: „Soll ich Dich verlassen, Hüter der Sache, gehen und einen der Nachfolger der Sache sehen“. Die sie so reden hörten, erstaunten, weil doch der Vater dieses Kindes seine Sendung noch nicht verkündigt hatte. Was wollte sie damit sagen, daß dieses Kind der Hüter der Sache Gottes sei? Aber manche Leute sind der Meinung, daß Baha’u’lláh im Geheimen ihr Seine Sendung für die Welt müsse geoffenbart haben. Es scheint dies zuzutreffen, weil aus dem Bericht von Badascht, über den wir nächstens sprechen werden, zu entnehmen ist, daß sie vieles vor den andern wußte.

Der Bericht von Badascht ist sehr wichtig; wenige Geschichtsschreiber haben darüber berichtet, und die darüber geschrieben haben, geben keinen ins Einzelne gehenden Bericht. Laßt uns zunächst sehen, was Badascht ist. Es ist ein einsamer Platz, wüst, aber mit viel Weidegärten, und es liegen nur wenige Wohnhäuser um ihn. Er liegt irgendwo zwischen Teheran und Masenderan. Nicht weit davon befinden sich einige wohlgepflegte, herrliche Gärten. Obgleich es kein wohlbekannter Sommeraufenthalt ist, so ging doch in früheren Zeiten der Adel gern hieher und brachte den Sommer daselbst zu. Deshalb erkannten die Nachfolger des Báb diesen Ort als geeignet für den Zweck, den sie verfolgten. Ihre Absicht war zwiefältig: einmal wollten sie sich hier versammeln, miteinander beraten und herausfinden, auf welche Weise sie die Befreiung des Báb, der damals im Gefängnis auf der Festung Maku war, bewerkstelligen könnten; zum andern wollten sie miteinander darüber beraten und sehen, ob des Bábs Anspruch, neue Gesetze und Lehren geben zu dürfen, echt sei, oder ob er seinen Schülern bloß die Gesetze und Lehren von Mohammed geben durfte.

Wir haben nun hier eine ziemlich zuverlässige Erzählung des Dieners namens Gholi, der mit Qurratu’l-Ayn Qaswin verlassen hatte. Sein Bericht lautet folgendermaßen:

„Während der zwei Monate, die Qurratu’l-Ayn im Hause von Baha’u’lláh zubrachte, war ich überrascht, zu sehen, wieviele Leute mit Baha’u’lláh zusammenkamen, und noch mehr erstaunte ich bei der Beobachtung, daß viele Babis ihn häufig besuchten. Die Mohammedaner pflegten ihn Mirza Hussein Ali zu nennen, wenn aber die Babis von ihm sprachen, sagten sie „Ischan“ (d. h. „Sie“, eine respektvolle Form für „er“). Sie sprachen Seinen Namen nicht unmittelbar aus, als ob sie gemeint hätten, es wäre eine Gotteslästerung, Seinen Namen in den Mund zu nehmen. Die Ursache davon war, daß sie fortwährend wundervolle Dinge über ihn erfuhren. Man schickte mich eines Tags zum Bazar. Als ich zurückkehrte, fand ich, daß niemand mehr im Hause war als der Pförtner; als ich von diesem wissen wollte, wohin man gegangen war, sagte er: „Es macht nichts, ich will dich dahin mitnehmen, wo sie sind.“ Ich merkte, daß dies eine besondere und geheime Reise sei. Auf zwei Pferden ritten wir weg; und wir kamen an einen Ort, der etwa neun Meilen von Teheran entfernt ist. Wir gelangten an einen einsamen Ort inmitten grüner Weiden, wo ich ein Zelt bemerkte. Ich sah, daß. es das Zelt Baha’u’lláhs [Seite 12] war; Baha’u’lláh war der Sohn eines Vezirs, und die Art des Zelts war die einer Vezirsfamilie. Ich sah etwa 80 Personen in und um das Zelt. Viele der Leute waren mir bekannt, andere wieder nicht. Sie schienen außerordentlich glücklich zu sein und schienen sich in höheren Regionen zu bewegen, mochten sie gleich auf der Erde sein. Qurratu’l-Ayn besonders erschien äußerst selig. Sie ging manchmal zu Baha’u’lláh, manchmal zu Quddus, dann wieder kam sie und unterhielt sich mit den andern Freunden.

„Es wunderte mich, wie eine Frau unter etwa 80 Männern so frei und beredt über geheimnisvoll göttliche Dinge mit solcher Begeisterung reden konnte. Als Qurratu’l-Ayn mein Erstaunen gewahrte, rief sie mich zu sich und sagte: „Wir sprechen über Gott, über Religion, über geistige Dinge, und vor allem darüber, wie wir könnten unser Leben auf dem Pfade der Wahrheit opfern. Vernimm, daß jeder Schritt, den wir tun, auf dem Pfade Gottes getan wird. Bist Du bereit, uns zu folgen? Würdest Du nicht gern mit uns kommen?“ Ich gab keinen Bescheid. Qurratu’l-Ayn wendete sich nochmals an mich und sagte: „Es gibt zweierlei für Dich. Entweder will ich zu Dir sitzen und Dir die Wahrheit dieser Sache beweisen oder ich will Dir eine Summe Geldes geben, und dann kannst Du gehen und bist frei.“ Als ich von Geld hörte, erinnerte ich mich des Vorfalls, der sich zwei oder drei Tage vorher ereignet hatte, als mir Baha’u’lláh eine große Summe Geldes aushändigte und mir befahl, es in Qurratu’l-Ayns Tasche zu legen. Das Geld, das er mir gab, bestand aus Goldstücken, und auch aus Silbermünzen. Als ich das Geld in die Tasche brachte, legte ich die Goldstücke untenhin, und die Silberstücke obenauf.

(Fortsetzung folgt.)



Words of Baha’u’lláh.

„O ye discerning ones of the people! Verily the Words which have descended from the heaven of the Will of God are the source of unity and harmony for the world. Close your eyes to racial differences and welcome all with the light of Oneness. Be the cause of comfort and promotion of humanity. This handfull of dust, the world, is one home let it be in unity. Forsake pride, it is the cause of discord. Follow that which tends to harmony.“

„Ihe source of all learning is the knowledge of God, exalted be His Glory! and this cannot be attained save through the knowledge of His divine Manifestation.“



Religions and Ethics and the League ot Nations.

For a century before the Great War the world was shrinking fast. Railways, steamships and, latterly, flying, have made it possible for people to cover distances approximately six times faster than before, while modern discoveries in electricity have almost annihilated space for the purposes of intercommunication. This great change has facilitated development in all directions. Races previously out of touch with each other are now brought together. Nations can no longer hold themselves aloof from their neighbours. New and vital problems affecting racial and international relations arise almost daily and call for settlement.

After the fall of the Roman Empire the nations of Europe evolved as sovereign states. The rights of individuals had been recognised and regulated by law, and criminal and civil courts adjudicated all disputes within the State. But the relations between States were still limited to the resources of diplomacy. During the last century, however, thirty-three public international organisations — one of them the Standing Court of Arbitration at the Hague — were established, where not one had existed before, to deal with matters which could not be effectively handled by the independent action of sovereign governments. But the events of the Great War brought home to the masses of the peoples the need for international cooperation on a vaster scale, especially for the prevention of war. The Covenant of the League of Nations, creating for the first time machinery for international co operation on a large scale, was therefore placed in the forefront of the Treaties of Peace at the termination of the war.

Fifty-five states have now joined the League. But no modern international institution can survive and develop unless it has the support of public opinion; and if the League is to succeed, people in all countries of the world must understand it, believe in it and work for it. To fulfil this condition of its success, forty federated League of Nations Societies are at work in as many different countries, explaining the principles for which the League stands, making known the work it does, and binding together all those who, believing in and accepting those principles, wish to give their support to the cause of the League. [Seite 13]

The Society working for this end in England is the League of Nations Union, and at present (1925) the number of members who are pledged to support it is 475000. Although this number may seem large for a single unofficial society, it is nevertheless too small a number to become effectively representative of public opinion. It is the object of the Religions and Ethics Committee of the Union to organise the adherents of all religions and races in Great Britain and throughout the world, to secure united spiritual support for the ideals of the League of Nations in the interests of universal righteousness, brotherhood and peace.

In the past, religion has been too much divorced from the practical problems of life. This is especially true in the sphere of international relations. If the States lately hostile had acted towards each other before the War in accordance with the religions they each professed, the war would never have taken place. But in the past the righteousminded in a great measure held aloof from the questions of the day, or were swamped by the materialistic forces that prevailed. The Committee urge that the spiritual point of view must prevail in the future. If the recurrence of catastrophes such as the late war are to be avoided, it is essential that all people who hold that religion must not only be believed but practised should come together and bring the full weight of their influence to bear on international problems and in support of the League of Nations.

It is not the object of the Committee to introduce politics into religion, but to bring religion into politics. The Committee urges the necessity of subjecting all policies to religious and ethical tests. This should be done by each individual in accordance with his own faith. The Committee makes no attempt to proselytise. It accepts the basis of righteousness which is inherent in all religions and ethics. It does not attempt to organise any movement towards a universal religion. The Committee, as a Committee, eschews all controversy. It works in the conviction that the great international and racial problems of the day can only be solved as all men put the highest and noblest beliefs they hold into practice, in response to the Spirit of God within them.

The work of the Religions and Ethics Committee is to unite all who accept this ideal, irrespective of racial, religious or political differences. To this end all are urged not only to join but actively to support the League of Nations Union by individual participation in its activities. The Union is admirably organised to enable them to do so, and this Committee can bring members into touch with the various departments, which cover the whole ground dealt with by the League of Nations. The literature published by the Union not only gives full information regarding all aspects of the work of the League, but enables everyone to keep up to date with its latest developments.

The work of the Union is largely carried on by branches. Everyone enrolled through the Religions and Ethics Committee can be allocated to one of these branches. The Committee also appeal to all religious and ethical bodies to join the Union as corporate members, and to appoint one of their number as representative or correspondent, to enlist the individuals of each body as members of the Union. After enrolment all members are urged to use continuously their influence to advocate the practical application of the principles in which they believe.

All who wish to act on the suggestions made above, or who desire further information concerning the League or the Union, are invited to communicate with the Secretary, League of Nations Union, 15 Grosvenor Crescent, London, SW. 1, mentioning this leaflet.



Bureau International Bahái Genf 19. Bd. Georges-Favon 19.

Mrs. Stannard, eine der bedeutendsten Bahái-Pioniere, die uns im Januar in Stuttgart besuchte, und die durch ihre vorzügliche Rednergabe wie auch durch ihre energische Arbeit hier der hl. Sache von großem Nutzen war, hat auf Wunsch von Shoghi Effendi im Sommer 1925 ein internationales Bahái-Büro in Genf eröffnet. Sie hält daselbst regelmäßige Versammlungen für Freunde und geladene Gäste ab und hat verschiedene wohlbesuchte musikalische Soireen und ein internationales schönes Weihnachtskinderfest am 29. Dezember veranstaltet. Sie hat dadurch in Genf großes Interesse erregt; ihre Vorträge sind immer gut besucht und ein Kreis von zehn Freunden, der sich aus ihren Zuhörern kristallisiert hat, arbeiten für die hl. Sache und setzten sich wo immer möglich, für die Prinzipien Bahá’u’lláhs ein.

In den letzten Monaten haben Lady Blomfield und Miss Edith Sanderson mitgearbeitet in ihrem Sphärenkreis und haben auch Durchreisende in [Seite 14] diesem internationalen Büro mit den frohen Botschaften bekannt gemacht. Auf einem Tisch in dem geräumigen Lesezimmer liegt Bahái-Literatur in allen Sprachen auf, was Fremden ermöglicht, sich über den Sinn und Zweck der Baháilehre zu orientieren. Mrs. Stannard bittet, dem Büro Gruppenbilder und Ansichten aus dem Orient und dem Abendland, die in historischem Zusammenhang mit der Bahái-Sache stehen, zuzusenden.

Für später ist die Herausgabe einer Zeitung in englischer und französischer Sprache geplant.

Wenn es bis dahin zweckdienlich erscheint, will Mrs. Stannard im nächsten Sommer eine kleine Konferenz nach Genf einberufen.

Nachdem Mrs. Stannard in Indien und Aegypten lange Zeit gelebt und mit großem Erfolg gewirkt hat, hat sie nun zweifellos in Genf ein Bahái-Zentrum geschaffen, dem eine große Zukunft prophezeit werden darf.

Alle durch Genf reisende Bahái und Bahái-Interessenten seien hiedurch auf das Bureau International Bahái 19 Bd. Georges-Favon in Genf aufmerksam gemacht.

A. Sch.



Einheitlicher Kalender.

Es ist bisher nicht möglich gewesen, eine welteinheitliche Zeitrechnung einzuführen. Von den Völkern des Altertums hatten die Aegypter eine zu 365 Tagen zählende Jahresberechnung mit 12 Monaten von 30 Tagen und 5 Ergänzungstagen, daneben aber noch ein dem Julianischen Jahr fast gleichkommendes von 365 Tagen, das mit dem Aufgang des Sothis-Sirius (daher Sothisjahr genannt) bestimmt wurde. Der Anfang dieses beweglichen Jahres fiel nach und nach in alle Jahreszeiten und erst nach 1461 Jahren traf er wieder auf die nämliche Jahreszeit.

Julius Cäsar führte 46 v. Chr. seinen Julianischen Kalender ein.

Im Jahr 26 v. Chr. ordnete Augustus in Alexandrien einen 4 jährigen Schaltcyklus an, in dem die drei ersten Jahre 365 Tage hatten, während das vierte 366 zählte; erst nach 4 Jahrhunderten gelangte derselbe in Aegypten zur Geltung.

Nachdem die Julianische Einschaltungsmethode auch von den Christen unverändert angenommen worden war und über 1600 Jahre Geltung fand, führte Papst Gregor XIII am 24. Februar 1582 den Gregorianischen Kalender ein.

Die Russen, wie alle Bekenner der nichtunierten Kirche sind bei dem Julianischen Kalender alten Stils geblieben und seit 1700 um 11, seit 1800 um 12, seit 1900 um 13 Tage zurück.

Der jüdische Kalender, der seinen Anfang 3761 v. Chr. hat und mit der jüdischen Weltära beginnt, ist sehr verwickelt.

Die Mohammedaner haben ein reines Mondjahr, das sich in keiner Weise nach dem Sonnenjahr richtet. Die Epoche der mohammedanischen Aera, der Hedschra, begann am Abend 16. Juli 622 nach Chr.

Der Name für Kalender als ein Verzeichnis der nach Monaten und innerhalb dieser als Wochen angeordneten Tage des Jahres mit Hinzufügung von kirchlichen Gedächtnis- und Festtagen, sowie astronomischen und metereologischen Notizen tritt erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts auf. Der wesentliche Teil der in den Kalendern aufgenommenen Heiligennamen bilden die Martyriologien. Später treten die Namen von Einsiedlern, Ordensstiftern, Mönchen und Nonnen, also besonders frommer Personen hinzu. Diese für die Katholiken bedeutungsvollen Namen sind auch großenteils trotz der Reformation in den protestantischen Kalender übergegangen, jedoch völlig willkürlich.

Der Báb hat 1844 eine einheitliche Zeitrechnung angestrebt, die Bahá’u’lláh später festgesetzt hat. Er legt den Jahresbeginn auf den Frühlingsanfang, den 21. März, fest und beginnt mit der Jahreszahl der Verkündigung der öffentlichen Erklärung des Báb. Somit treten wir jetzt in das Jahr 83. 19 Monate sind zu 19 Tagen eingeordnet mit Einschaltung von 4 bezw. 5 Tagen, die als Feier- und Festtage dem Neujahr vorangehen. Die Monate sind mit Namen, die die Eigenschaften Gottes kennzeichnen, benannt.

Wenn die Annäherung der Völker im Baháigeist sich im Großen vollzieht und ein Band der Freundschaft und des Vertrauens sie verbindet, wie es heute, zwischen einer Schar Menschen aus aller Welt die sich Bahái nennen, besteht, dann wird auch die einheitliche Zeitrechnung, wie sie Bahá’u’lláh anordnete, volle Geltung finden.

Wann wir soweit vorgeschritten sein werden, weiß nur Gott allein, Dem wir uns rückhaltlos anvertrauen dürfen.

Möge dies neue Baháijahr allen Freunden reiche Arbeit und damit reichen Segen bringen.

A. Sch.



Vortragsberichte.

Hannover. Unser lieber Freund Helmut Gilbert, der schon vor Jahren durch meine Vorträge in Ulm für die hl. Sache interessiert wurde, hatte die Freundlichkeit, auf Mittwoch den 27. Januar 1926 einen öffentlichen Vortrag im „Haus der Väter“ in Hannover anzusagen. Der schöne Saal war befriedigend besetzt, und die Versammelten lauschten aufmerksam auf die ihnen noch neue [Seite 15] Bahaibotschaft. Etwa fünf Personen hielten den Vortrag stenographisch fest. Am Schluß wurde eine schöne Anzahl Schriften abgesetzt.

Am nächsten Abend versammelte sich ein Kreis von Interessenten in der Wohnung von Herrn und Frau Gilbert, um mehr von der Bahailehre zu hören. Dank den freundlichen Bemühungen von Herrn und Frau Gilbert, deren Gast ich sein durfte, ist nun die Bahaisaat auch in dieser schönen Stadt ausgestreut. Möge Gott ihr Wachstum und Gedeihen verleihen!

Wilhelm Herrigel.

Schwerin. Am Sonnabend, den 9. Januar 1926, sprach Freund Dr. Großmann, Wandsbeck, vor etwa 50 geladenen Freunden und Interessenten über das Thema: Der Geist der Bahailehre.

Der Geist dieser Lehre ist die Einheit. Wahre Einheit muß allumfassend sein. Um sie hervorzubringen, bedarf es der Tat. Um die Menschheit hierzu zu bewegen, muß sie zur Erkenntnis der Notwendigkeit dieser Einheit geführt werden. Es muß in ihr der Wille zur Mitarbeit für die Prinzipien Baha’u’lláhs geweckt werden.

Die Anwesenden folgten den klaren, leicht verständlichen Ausführungen unseres Br. Großmann mit vollem Interesse.

Am Freitag, den 29. Januar 1926, hielt Freund Herrigel, Stuttgart, einen öffentlichen Vortrag über das Thema: „Die Bahailehre als Heilmittel für die Schäden unserer Zeit und ihre bisherigen Wirkungen in der ganzen Welt.“ Br. Herrigel sprach in einer gut besuchten Versammlung über Außenpolitik: Unaufrichtigkeit, innerhalb der Länder, Parteipolitik, Klassenkampf, wirtschaftlicher Kampf, religiöse Unduldsamkeit und Rechthaberei, über Unfriede und Hadersucht. Alle bisher angewandten Mittel haben sich als erfolglos erwiesen.

Heute ist der Menschheit die Bahailehre als eine göttliche, allumfassende Offenbarung gegeben. Sie zeigt ihr den Weg zur wahren Menschlichkeit, versöhnt Religion und Wissenschaft, befreit von religiösem Aberglauben und Unwissenheit und eint alle in dem einen Glauben an den einen Gott und Vater.

Als indirekte Wirkung des Geistes, den Bahá’u’lláh in die Welt brachte, kommt nicht zuletzt die Stockholmer Kirchenkonferenz, die Anfänge des Völkerbundes und die Verbreitung der Esperanto-Weltsprache in Betracht.

Der Vortrag wurde mit lautem Beifall aufgenommen.

Am Sonnabend, den 30. Januar 1926, sprach Br. Herrigel vor Freunden und Interessenten über das Thema: „Ist die Bahailehre für uns notwendig, und genügt uns nicht das Christentum?“

Am Sonntag, den 31. Januar 1926, fand in unserer Wohnung eine weihevolle Morgenandacht statt.

Am Montag, den 1. Februar 1926, legte Br. Herrigel die Bibelstellen, die auf Bahá’u’lláh und 'Abdu'l-Bahá Bezug haben, vor einem bei uns geladenen Freundeskreis aus.

Nachdem Freund Herrigel in Rostock gesprochen hatte, fand am Donnerstag, den 4. Februar 1926 bei uns eine zahlreich besuchte Abschiedsversammlung statt.

Den lieben Freunden Großmann und Herrigel sei an dieser Stelle für ihre selbstlose, aufopfernde Arbeit in der hl. Sache nochmals von Herzen gedankt. Möge Gott diese segnen und den ausgestreuten Samen zur Entfaltung bringen!

L.K.

Rostock. Am Dienstag, den 2. Febr. 1926, abds. 8 Uhr sprach in einer von der Bahai-Bewegung Rostock einberufenen Versammlung in der schönen Aula des Gymnasiums zu Rostock Herr Wilhelm Herrigel aus Stuttgart über das Thema „Die Bahailehre als Heilmittel für die Schäden unserer Zeit und ihre bisherigen Wirkungen in der ganzen Welt.“

Nachdem zunächst Herr Dr. Witte einige einleitenden, in seiner ihm eigenen wundervollen Sprache aus dem tiefsten Quell seines Wesens geschöpften Einführungsworte an die zahlreich erschienenen Männer und Frauen gerichtet hatte, sprach der in Rostock wohlbekannte Herr Herrigel in sachlicher, feiner und liebenswürdiger Weise über sein Thema. Er entwickelte die Grundsätze der Bahailehre und erläuterte von diesen ausgehend die segensreichen Wirkungen für den Weltfrieden, für die Versöhnung der Völker untereinander und für die Entwicklung des ganzen Menschengeschlechtes. Er betonte immer wieder, daß die Bahailehre in keiner Weise kirchenfeindlich sei, sondern im Gegenteil kirchenfreundlich, daß die zahlreichen Konfessionen in ihrer Tätigkeit nur gehoben werden könnten, daß der Zusammenhang zwischen Geistlichen und Gemeinden ein viel innigerer wäre, wenn einigend über allem Wirken eine Weltreligion, eine große geistige Bewegung stünde, die sich frei von jedem Materialismus, von jeder Einseitigkeit und Oberflächlichkeit hält. — Die Worte Herrigels, die nicht nur mit dem Munde gesprochen waren, sondern von Herzen kamen, machten einen tiefen Eindruck auf die Versammlung, die lautlos den Ausführungen des Redners lauschte und ihm herzlichen Beifall zollte. Es war im schönsten Sinne des Wortes ein Gottesdienst. — Am Schluß richtete wiederum Herr Dr. Witte noch einige ernsthafte Worte an die Zuhörer und ermahnte dazu, in heutiger Zeit sich immer dessen bewußt zu sein, daß wir über alles die Liebe zu stellen haben. Wenn das geschieht, dann werden auch die Schäden dieser Zeit allmählich verschwinden. [Seite 16]

Nachdem die Versammlung geschlossen, fanden die Flugblätter und Schriften der Bahailehre reissenden Absatz. — Am Mittwoch, den 3. Februar 1926, wurde abends in einem geeigneten Raume des Gymnasiums eine weitere Zusammenkunft veranstaltet, in welcher die Grundsätze der Bahailehre im engeren Kreise erläutert wurden. — Alles in allem darf gesagt werden, daß die Bahaibewegung in Norddeutschland, im vorliegenden Falle in Rostock, große Fortschritte gemacht hat und dazu geeignet ist, die vorhandenen Gegensätze auszugleichen.



Esperanto.

Da seit kurzem in Hamburg die Bahái-Esperantozeitschrift „La Nova Tago“ herausgegeben wird, erscheinen künftig Esperantoartikel in der Sonne der Wahrheit nicht mehr.



Verlag des Deutschen Bahai-Bundes Stuttgart

Fernsprecher S. A. 23996 — — Postscheckkonto 25419 Stuttgart — — Hölderlinstrasse 35

In unserem Verlag sind erschienen:

1. Die Geschichte der Bahai-Bewegung, von S. S. Deutsch von Wilhelm Herrigel. Dritte Ausgabe . . . -.20

2. Bahai-Perlen, Deutsch von Wilhelm Herrigel . . . . -.20

3. Ehe Abraham war, war Ich, v. Thornton Chase. Deutsch v. W.Herrigel . . . . -.10

4. Das heilige Tablet, ein Sendschreiben Baha’o’llahs an die Christenheit. Deutsch von Wilhelm Herrigel . . -.10

5. Die Universale Weltreligion. Ein Blick in die Bahai-Lehre von Alice T, Schwarz . . . . -.50

6. Die Offenbarung Baha’u’llahs, von J.D. Brittingham. Deutsch von Wilhelm. Herrigel . . . -.50

7. Verborgene Worte von Baha o’llah. Deutsch v. A. Braun u. E. Ruoff . . . 1.--

8. Baha’u’llah, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. Deutsch von Wilhelm Herrigel, in Halbleinen gebunden . . . 2.--

in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 2.50

9. Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrehte und die einzelne Persönlichkeit, von Dr. jur. H. Dreyfus, Deutsch von Wilhelm Herrigel. Neue Auflage . . . -.50

10. Die Bahaibewegung im allgemeinen und ihre großen Wirkungen in Indien, von Wilhelm Herrigel . . . . -.50

11. Eine Botschaft an die Juden, von Abdul Baha Abbas. Deutsch von Wilhelm Herrigel . . . -.15

12. Abdul Baha Abbas, Ansprachen über die Bahailehre. Deutsch von Wilhelm Herrigel,

in Halbleinen gebunden . . . . . 2.50

in feinstem Ganzleinen gebunden. . . . . 3.--

13. Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahaireligion, von Mirza Abul Fazl. Deutsch von W. Herrigel,

in Halbleinen geb. . . . . 4.--

In Ganzleinen gebunden . . . . 4.50

14. Abdul Baha Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps.

Deutsch von Wilhelm Herrigel, in Ganzleinen gebunden . . . . 3.50

15. Das Hinscheiden Abdul Bahas, ("The Passing of Abdul Baha") Deutsch von Alice T. Schwarz . . . -.50

16. Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey. "Deutsch von Wilhelm Herrigel —.50

17. Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahailehre von Dr. Hermann Grossmann . . —.20

18. Die Bahai-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase, deutsch von W. Herrigel, kartoniert M. 4.--, in Halbleinen gebunden M. 4.60


Der Versand erfolgt gegen Nachnahme oder gegen Voreinsendung des Betrages.


Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden :-: Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an den Verlag des Deutschen Bahaibundes Stuttgart, Hölderlinstraße 35 zu richten.


Druck: Wilhelm Heppeler, Stuttgart.


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Geschichte und Bedeutung der Bahailehre.

Die Bahai-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.

Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahaibewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahaireligion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Baha ’Ullahs, Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Baha ’Ullahs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahai (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Baha ’Ullah vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi (Abdul Baha) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahai der Welt.

Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahai, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China etc. Dies kommt daher, daß Baha ’Ullah den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.

In Baha ’Ullah sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. In der Bahaireligion gibt es keine Priesterschaft und keine religiösen Zeremonien. Ihr einziges Dogma ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Baha ’Ullah),

Die Hauptschriften Baha ’Ullahs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt. Niemand ist mit der Macht betraut, Sündenbekenntnisse entgegenzunehmen oder Absolution zu erteilen.

Die Priester der bestehenden Religionen sollen den Zölibat (Ehelosigkeit) aufgeben, durch ihr Beispiel predigen und sich im praktischen Leben unter das Volk mischen. Monogamie (die Einehe) ist allgemein gefordert, Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Baha ’Ullah eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Baha ’Ullah.

Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von Abdul Baha erstrebt wird. (Vgl. Naveau Larousse, illustré supplement, p. 66.)