Sonne der Wahrheit/Jahrgang 20/Heft 1-2/Text

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SONNE
DER
WAHRHEIT
 
 
Zeitschrift für Weltreligion und Welteinheit
Organ der Bahá’í
in Deutschland und Oesterreich
 
 
Heft 1-2 20. Jahrgang März-April 1950
 


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Die Bahá’i-Weltreligion

Der Glaube, der von Bahá’u’lláh begründet wurde, entstand in Persien um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Nach längerer Verbannung des Gründers, zuletzt nach der türkischen Strafkolonie von Akka, und späterhin nach Seinem Tod und Seiner Beisetzung in Akka, hat der Glaube sein endgültiges Zentrum im Heiligen Land gefunden und ist jetzt im Begriff, die Grundlagen seines Verwaltungszentrums für die ganze Welt in der Stadt Haifa aufzubauen.

Wenn man seinen Anspruch, wie er unmißverständlich durch seinen Begründer verfochten wurde, und die Art des Wachstums der Bahá’i-Gemeinde in allen Teilen der Welt betrachtet, so kann dieser Glaube nicht anders angesehen werden als eine Weltreligion, die dazu bestimmt ist, sich im Laufe der Zeiten in ein weltumfassendes Gemeinwesen zu entwickeln. Dessen Kommen muß das goldene Zeitalter der Menschheit ankündigen, das Zeitalter, das die Einheit des Menschengeschlechtes unerschütterlich begründet, seine Reife erreicht und seine Bestimmung durch die Geburt und das Errichten einer alles umfassenden Zivilisation erfüllen wird.


Neue Darlegung ewiger Wahrheiten

Obwohl dem schiitischen Islam entsprungen und in den ersten Entwicklungsphasen von den Anhängern des mohammedanischen und des christlichen Glaubens nur als eine obskure Sekte, ein asiatischer Kult oder ein Ableger der mohammedanischen Religion betrachtet, beweist dieser Glaube nunmehr in wachsendem Maße sein Anrecht auf eine andere Beurteilung als nur die eines weiteren religiösen Systems, das den sich bekämpfenden Glaubensbekenntnissen, die so viele Geschlechter lang die Menschheit zerspalten und ihre Wohlfahrt verwüstet haben, sich zugesellt hat. Vielmehr ist er eine neue Darlegung der ewigen Wahrheiten, die allen Religionen der Vergangenheit zugrunde liegen, und eine einigende Macht, die den Anhängern dieser Religion einen neuen geistigen Elan einflößt, eine neue Hoffnung und Liebe zur Menschheit und sie durch eine neue Vision befeuert, die der grundsätzlichen Einheit der religiösen Lehren, und vor ihren Augen die herrliche Berufung ausbreitet, die dem Menschengeschlecht winkt.

Die Anhänger dieses Glaubens stehen fest zu dem grundlegenden Prinzip, wie es von Bahá’u’lláh verkündet worden ist, daß religiöse Wahrheit nicht absolut, sondern relativ ist, daß Gottesoffenbarung ein fortdauerndes und fortschreitendes Geschehnis ist, daß alle großen Religionen der Welt göttlich in ihrem Ursprung sind, daß ihre Grundsätze zueinander in völligem Einklang stehen, daß ihre Ziele und Absichten eine und dieselben sind, daß ihre Lehren nur Widerspiegelungen der einen Wahrheit sind, daß ihr Wirken sich ergänzt, daß sie sich nur in unwesentlichen Teilen ihrer Lehren unterscheiden und daß ihre Sendungen aufeinanderfolgende geistige Entwicklungsstufen der Menschheit darstellen.


Zur Versöhnung der sich streitenden Bekenntnisse

Die Ziele Bahá’u’lláh’s, des Propheten dieses neuen und großen Zeitalters, in das die Menschheit eingetreten ist — denn Sein Kommen erfüllt die Prophezeiungen des Neuen und Alten Testamentes wie auch des Koran, die sich auf das Erscheinen des Verheißenen am Ende der Zeiten, am Tage des Gerichtes beziehen — sind nicht die Zerstörung, sondern die Erfüllung der Offenbarungen der Vergangenheit und viel mehr die Versöhnung als die Betonung der Gegensätze der sich streitenden Glaubensbekenntnisse, welche die heutige Menschheit noch zerreißen.

Er ist weit davon entfernt, die Stufe der Ihm vorausgegangenen Propheten herabsetzen oder ihre Lehren schmälern zu wollen. Vielmehr will Er die Grundwahrheiten, die in allen diesen Lehren beschlossen sind, in einer Weise aufs neue darlegen, wie sie den Nöten der Menschheit entsprechen und auf ihre Fassungskraft abgestimmt sind und auf die Fragen, Leiden und Verwirrungen der Zeit, in der wir leben, angewendet werden können.

Seine Sendung ist: zu verkünden, daß die Zeiten der Kindheit und Unreife des Menschengeschlechtes dahin sind, daß die Erschütterungen; der heutigen Stufe der Jugend langsam und schmerzvoll sie zur Stufe der Reife vorbereiten und das Nahen jener Zeit der Zeiten verkünden, da die Schwerter in Pflugscharen umgewandelt werden und das von Jesus Christus verheißene Reich begründet wird und der Friede auf diesem Planeten endgültig und dauernd gesichert ist. Auch stellt Bahá’u’lláh nicht den Anspruch auf Endgültigkeit Seiner eigenen Offenbarung, sondern erklärt vielmehr ausdrücklich, daß ein volleres Maß der Wahrheit, als Ihm von dem Allmächtigen für die Menschheit in einem so kritischen Zeitpunkt gestattet wurde, in den späteren Phasen der endlos weiterschreitenden Menschheitsentwicklung enthüllt werden muß.


Einheit des Menschengeschlechtes

Der Bahá’i-Glaube hält die Einheit Gottes hoch, anerkennt die Einheit Seiner Propheten und betont vor allem den Grundsatz der Einheit und Ganzheit aller Menschenrassen. Er verkündet, daß die Einigung der Menschen notwendig und unvermeidbar ist, hebt hervor, daß wir uns ihr schrittweise nähern und stellt die These auf, daß nichts anderes als der verwandelnde Geist Gottes, der durch Sein erwähltes Sprachrohr an

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SONNE DER WAHRHEIT
Zeitschrift für Weltreligion und Welteinheit
Heft 1/2
Preis: DM —.80
MÄRZ-APRIL 1950
Bahá - Jalál (107) Licht - Herrlichkeit
20. JAHRGANG
Leitgedanken: Einheit der Menschheit - Universaler Friede - Universale Religion

Inhalt: Worte von Bahá’u’lláh — Um die Lebensfrage der Menschheit — Ährenlese — Göttliche Lebenskunst — Der verheißene Tag ist gekommen — Zum Thema „Christentum und Buddhismus“ oder über die Unzulänglichkeit der menschlichen Sprache — Aus der Bahá’i-Welt: Bahá’i-Sommerschule 1950 in Eßlingen/Neckar — Europäische Lehrkonferenz in Kopenhagen — Zeitungsumschau.



Gott hat Seine Boten in die Welt gesandt, damit sie auf Moses und Jesus folgten, und Er wird fortfahren, so zu tun bis an das ‚Ende, das kein Ende hat‘, auf daß Seine Gnade aus dem Himmel göttlicher Freigebigkeit fortwährend auf die Menschheit komme.

Bahá’u’lláh*)


*) „Die Sendung Bahá’u’lláh’s“ von Shoghi Effendi, S. 30.

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UM DIE LEBENSFRAGE DER MENSCHHEIT[Bearbeiten]

Der Eintritt der Völker in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung hat in der westlichen Welt äußerlich einen besonderen Anlaß zur Rück- und Umschau geboten. Das Ergebnis dieser Betrachtungen läßt sich trotz der Verschiedenheit der Standorte und Blickrichtungen in der nüchternen Feststellung zusammenfassen, daß dem Menschen die Illusion des „unvermeidlichen“ Fortschrittes durch die überstürzenden Ereignisse des 20. Jahrhunderts entrissen wurde. An die Stelle der Fortschrittsgläubigkeit ist die ANGST gleichsam als Stigma zur beherrschenden Stimmung unserer Zeit geworden.

Ein weiteres Kennzeichen der heutigen geistigen Situation ist die weitgehende Entpersönlichung des sozialen und wirtschaftlichen Lebens. Die Industrialisierung hatte eine Vermassung und Anonymität der gesellschaftlichen Struktur und dadurch eine Zerstörung persönlicher Bindungen zur Folge. Mit dieser Erscheinung steht der Zerfall der ethischen Grundlagen der sozialen Ordnung im unmittelbaren Zusammenhang. Die Unternehmensform der Aktiengesellschaft (société anonyme) kann für diese Verhältnisse als charakteristisch bezeichnet werden, ebenso die im Mittelalter noch undenkbaren Begriffe des Strohmannes und Manager. Arthur Schlesinger jr. schreibt in einem Aufsatz von der Aktiengesellschaft: „Sie machte das, was nunmehr unpersönlich war, in Gestalt einer Einrichtung greifbar; aber eine Aktiengesellschaft hatte wie die Redensart lautete — weder einen Körper, der mißhandelt, noch eine Seele, die verdammt werden konnte.“

Die Zerstörung jeglicher äußerer Sicherheit und die Verweltlichung des menschlichen Daseins, der zivilisatorische Preis der Verzichtleistung auf die Pflege des Innenlebens und die Überbewertung materieller Werte treiben den heutigen Menschen in „die Flucht vor der Freiheit“, die Erich Fromm als einen charakteristischen Zug unseres Zeitalters bezeichnet. Angst, Resignation, Orientierungslosigkeit und Verzweiflung entziehen dem Menschen die Kraft der Entscheidung und der eigenen Verantwortung. Es wird versucht, auf dem Boden einer atheistischen, anthropozentrisch ausgerichteten sogenannten „Existential“-Philosophie klarzumachen, daß der Mensch „zur Freiheit verurteilt“ und diese Freiheit eine Bürde sei (Sartre). Mit diesem „existentialistischen Humanismus“ soll der Mensch daran erinnert werden, „daß es außer ihm keinen anderen Gesetzgeber gibt und daß er in seiner Verlassenheit über sich selber entscheidet“.

Wir wissen, daß eine solche pessimistisch-antireligiöse aus der Lebensangst geborene Denkrichtung dem unerlösten Menschen keine neue bindende Ordnung der wahren Werte des Lebens zurückbringen kann. Sie muß in ihren gefährlichen Konsequenzen besonders für unsere Jugend erkannt werden.

Wie steht es heute um die Verständigungsbereitschaft unter den Völkern, die räumlich im Zeichen der modernen Verkehrs- und Nachrichtenmittel einander so nahe gerückt sind? Läßt sich keine Brücke von den Wunschträumen der kriegsmüden Welt zu den technischen Gegebenheiten unseres Planeten schlagen? Die [Seite 3] offensichtliche Diskrepanz zwischen der gegebenen räumlichen und technischen Einheit einerseits und der geistigen Zerrissenheit der Menschheit andererseits ist zur Lebensfrage geworden. Es zeigt sich immer deutlicher, daß die Bildung einer planetaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Einheit ohne die Begründung einer übernationalen Gemeinschaft des Geistes und guten Willens unmöglich ist. Die Einheit der Menschheit erweist sich heute als das Problem erster Ordnung. Reinhold Niebuhr schrieb: „Die Technik hat zwar eine rudimentäre Weltgemeinschaft geschaffen, doch beruht diese auf dem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis der Völker und nicht auf gegenseitiger Achtung und Vertrauen.“ Zweifellos hat Albert Einstein recht, wenn er sagt: „Letztlich ist jede Art der friedlichen Zusammenarbeit zwischen den Menschen in der Hauptsache auf gegenseitigem Vertrauen aufgebaut und erst in zweiter Linie auf Gerichten und der Polizei. Das gilt ebenso für die Staaten wie für den einzelnen.“

Wo sollen nun die Menschen und Völker die Grundlagen des verloren gegangenen Vertrauens angesichts der heutigen Weltsituation finden, in der nach Einstein als Folge einer radioaktiven Vergiftung der Atmosphäre „die Vernichtung alles Lebens auf der Erde in den Bereich der technischen Möglichkeiten gerückt“ ist? Da Vertrauen und Glauben unlöslich miteinander verbunden sind und wir uns einer wachsenden Glaubenskrise gegenüber sehen, scheint es für viele auf diese Frage keine befriedigende Antwort zu geben. Ein amerikanischer Universitätslehrer (Walter T. Stace) meint im Hinblick auf die moderne Skepsis, die „den Glauben an eine sinn- und zweckvolle Welt“ zerstört habe, „...daß ohne romantische und religiöse Verbrämung... der baldige Untergang unserer Kultur unvermeidlich“ erscheine. Es liegt eine große Gefahr in dieser modernen Skepsis, die als Krise des abendländischen Geschichtsbewußtseins in Erscheinung tritt und in der unumwunden von der „Möglichkeit des Nichts, des Scheiterns jeder Sinnbemühung“ gesprochen wird. „Die Angst um die Möglichkeit sinnvollen Menschseins“ ist an die Stelle der Versuche getreten, den Sinn der Geschichte zu retten (Herbert von Borch).

Wir erkennen, daß sich die oben aufgeworfene Frage unter den skizzierten Verhältnissen weder politisch noch wirtschaftlich oder soziologisch hinreichend beantworten läßt. Aus der Diagnose der tiefsten Ursachen der heutigen Unsicherheit, des Mißtrauens und des Zweifels, der Verantwortungsmüdigkeit und des Glaubensschwundes ergibt sich für den tiefer Schauenden fast zwangsläufig die Antwort: Nur eine neue sittliche Fundamentierung der einzelmenschlichen, gesellschaftlichen und zwischenstaatlichen Beziehungen und Bindungen kann eine durchgreifende Wendung der bedrohlichen Lage der Menschheit herbeiführen.

Der einzelne wie alle Völker haben sich heute zu entscheiden für Verständigung oder Chaos, Ordnung oder Untergang. Diese Lebensfrage hat sich zur Schicksalsfrage der Menschheit, zum Problem der Welteinheit verdichtet. „Gäbe es für das Problem der Welteinheit eine Patentlösung, so könnten wir unsere Gelehrten dafür bezahlen, sie zu finden. Wenn diese Aufgabe aber - wie es in Wirklichkeit der Fall ist — einen inneren Wandel [Seite 4] des modernen Menschen erfordert, dann können wir sie nicht irgendwelchen Fachleuten übertragen. Jeder einzelne von uns muß die Arbeit selber leisten... Die großen geschichtlichen Entscheidungen sind immer sittlich fundiert“ (Arnold J. Toynbee).

Wie sollen aber die „emotionellen und sittlichen Kräfte des Individuums und der Gemeinschaft auf das äußerste“ angespannt werden, wenn die Lebenskraft der „alten Religionen“ als Grundlage sittlichen Handelns mehr und mehr versandet, wenn sich die westliche und östliche Welt ideologisch nicht mehr versteht, wenn man glaubt, tatsächlich keine Gewißheit zu besitzen, „daß irgendeine Lösung möglich ist“? Sollte es der Wissenschaft und Technik durch die Verweltlichung und Atomisierung des menschlichen Zusammenlebens gelungen sein, die Glaubenskräfte als tragenden Grund sittlicher Verantwortung und schöpferisch-aufbauender Tat endgültig zu verschütten? Viele Menschen neigen heute dazu, vor solchen Fragen zu resignieren oder gar zu verzweifeln. Wir teilen aber die Auffassung Toynbees: „Was der modernen Welt zutiefst not tut, ist eine Neugeburt des Glaubens an das Übernatürliche. Ohne ihn kann man dem Menschen — dem noch nicht wiedergeborenen Menschen — kaum das gefährliche Spielzeug anvertrauen, das seine Laboratorien ausgebrütet haben.“

Die Probleme des Aufbaus einer friedlichen und gerechten Weltordnung übersteigen außer jedem Zweifel menschliches Können und Vermögen; sie erheischen wahrlich eine göttlich inspirierte Lösung, die nur aus dem Bereich der Religion kommen kann. Alle großen Kulturen hatten ihren Aufstieg einem religiösen Impuls zu verdanken und zerfielen mit dem Niedergang ihrer göttlichen Bindungen (Griechenland, Rom).

'Abdu'l-Bahá hat uns folgende Charakterisierung der Religion gegeben: „Religion ist der äußere Ausdruck der göttlichen Wirklichkeit. Sie soll daher lebendig, kraftvoll, beweglich und fortschrittlich sein. Mangelt sie der Bewegung und des Fortschrittes, so fehlt ihr das göttliche Leben - sie ist tot. Da die göttlichen Gesetze stets wirksam und in der Entwicklung begriffen sind, muß ihre Offenbarung immer eine fortschreitende sein. Alle Dinge sind der Neugestaltung unterworfen. Wir befinden uns in einem Jahrhundert des Lebens und der Erneuerung. Das Wesen aller Religionen ist die Liebe Gottes und sie ist die Grundlage aller heiligen Lehren.“ Die innere Bereitschaft und der Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes kennzeichnen den religiösen Menschen. Bahá’u’lláh, der Begründer der Bahá’i-Weltreligion, verkündete: „Das Wesen der Religion ist, das anzuerkennen, was der Herr offenbarte und zu befolgen, was Er in Seinem mächtigen Buch verordnet hat.“

In allen Heiligen Schriften der Offenbarungsreligionen erblicken wir die Niederlegung des Wortes Gottes. Die absolute Einheit der Gottesoffenbarungen, im Hauptthema und Ausmaß der jeweiligen Fassungskraft der Menschen angepaßt, begründet die umfassende Geltung jeder Religion und schließt den von Menschen gesetzten Absolutheits- und Einmaligkeitsanspruch aus. Über die ewige und zeitliche Bestimmung der geschichtlichen Religionen schrieb Shoghi Effendi u. a.: „...daß religiöse Wahrheit nicht absolut, sondern relativ ist, daß Gottesoffenbarung ein fortdauerndes [Seite 5] und fortschreitendes Geschehnis ist, daß alle großen Religionen der Welt göttlich in ihrem Ursprung sind, daß ihre Grundsätze zueinander in völligem Einklang stehen, daß ihre Lehren nur die Widerspiegelungen der einen Wahrheit sind, daß ihr Wirken sich ergänzt, daß sie sich nur in unwesentlichen Teilen ihrer Lehren unterscheiden und daß ihre Sendungen aufeinanderfolgende geistige Entwicklungsstufen der Menschheit darstellen.“ Bahá’u’lláh antwortete auf eine Frage über das Wesen der Religion folgendes: „Wisse du, daß jene, die wahrlich weise sind, die Welt mit dem menschlichen Tempel verglichen haben. Wie der Körper des Menschen eines Gewandes bedarf, um sich zu bekleiden, so muß der Körper der Menschheit mit dem Mantel der Gerechtigkeit und Weisheit geschmückt werden. Ihr Gewand ist die von Gott ihr gewährte Offenbarung. Wenn immer dieses Gewand seinen Zweck erfüllt hat, wird der Allmächtige es gewißlich erneuern. Denn jedes Zeitalter erfordert ein neues Maß des Lichtes Gottes. Jede Göttliche Offenbarung ist in einer Weise herabgesandt worden, die den Umständen des Zeitalters angepaßt war, in dem sie erschien.“

Die Geschichte der Offenbarungsreligionen bestimmt die Geschicke der Menschen und Völker. Es ist erwiesen, daß keine soziale oder politische Ordnung längeren Bestand hat, wenn sie ihrer sittlichen Grundlagen beraubt ist. Die Lebensfrage der Menschheit ist eine sittliche und somit eine religiöse Frage im ausgeführten Sinne. Bahá’u’lláh hat erklärt, daß die Religion der Eckstein der kommenden Weltordnung sein wird.

Die zurückliegenden Ereignisse und die heutige Verwirrung lassen zwingend erkennen, daß die Sicherung des Weltfriedens und eines sozialen Ausgleichs ohne die Errichtung einer gerechten Weltordnung ein Wunschtraum bleiben müßte. Diese Menschheitsordnung muß aber göttlichen Ursprungs sein. In religionsgeschichtlicher Einmaligkeit hat Bahá’u’lláh schon vor mehr als achtzig Jahren trotz Verfolgung, Verbannung, Einkerkerung und Lebensbedrohung „den Zirkel der Einigkeit geführt, Er hat einen Plan niedergelegt für die Vereinigung aller Völker, um sie alle unter dem schützenden Zelt der Einigkeit zu sammeln“ (‘Abdu’l-Bahá). Für die Völker der Welt liegt eine göttlich geoffenbarte Welt-Charta in authentisch-dokumentarischer Form bereit. Die Zukunft der Menschheit wird durch deren allgemeine Annahme und Verwirklichung bestimmt werden.

Die von Bahá’u’lláh niedergelegte Weltordnung und deren autoritative Erläuterung durch ‘Abdu’l-Bahá verbürgen in ihrem Aufbau soziale Gerechtigkeit, treuhänderische, beratende und übernationale Zusammenarbeit im Bewußtsein wahrer und weltoffener Bruderschaft. Ausgehend von der von Bahá’u’lláh verkündeten Idee der geistigen Einheit der Menschheit zielt Seine Ordnung der Völkergemeinschaft auf die schließliche Bildung eines Weltgemeinwesens ab, denn die nationalstaatliche Entwicklung hat ihren Abschluß gefunden. Zu den wesentlichen Bestandteilen der neuen Menschheitsordnung werden folgende Voraussetzungen zählen: Überwindung aller imperialistischen Macht- und Herrschaftsansprüche, Einführung der obligatorischen internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und Bildung eines Internationalen Schiedsgerichtshofes nebst einer Weltpolizei [Seite 6] als Sicherheits- und Vollzugs-Weltorgan, allgemeine Abrüstung, Kriegführung nur bei unbestrittener Verteidigungszwangslage im Sinne einer kollektiven Verteidigungs- und Schutzpflicht im Aggressionsfalle, Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht ohne unbedingte Kriegsdienstverweigerung, Lösung der sozialen Fragen auf der Grundlage der Würdigung jeglicher menschendienenden Arbeit und einer Begrenzung von Armut und Reichtum nach Grundsätzen der Leistung und gerechter Teilhaberschaft am Arbeitsertrag, Einheit von Religion und Wissenschaft als Basis der Völkerverständigung, Einführung einer Welthilfssprache und Einheitsschrift, einer Weltverfassung unter Einbeziehung der unverletzlichen Menschenrechte und -pflichten.

Das Menschheitsziel, das von Bahá’u’lláh, dem Sprecher Gottes unserer Zeit, umrissen wurde, faßt Shoghi Effendi in folgenden Worten zusammen:

„Ein Weltbundsystem, das die ganze Erde beherrscht und eine unanfechtbare Befugnis über ihre unvorstellbar umfassenden Hilfsquellen ausübt, die Ideale sowohl des Ostens als auch des Westens verschmilzt und verkörpert, von dem Fluch des Krieges und seines Elends befreit ist und sich auf die Ausnützung aller verfügbaren Kraftquellen auf der Oberfläche des Planeten richtet, ein System, in dem die Stärke zur Dienerin der Gerechtigkeit gemacht ist, dessen Dasein durch seine allumfassende Anerkennung des einen Gottes und durch seinen Gehorsam gegen eine gemeinsame Offenbarung getragen wird — dies ist das Ziel, dem die Menschheit durch die vereinenden Lebenskräfte zustrebt.“

Der Ruf von Bahá’u’lláh, Der ein neues Bündnis zwischen Gott und der Menschheit schloß, ist zugleich Warnung und verheißende, tröstliche Antwort auf die Lebensfrage der Menschheit. Seine Sendung macht den Menschen klar, daß die Weltfriedensfrage keine Frage der Organisation oder der Laboratorien, sondern eine sittlich-religiöse Grundfrage ist. Sie lautet: Wie findet die Menschheit den Weg zu einem alle Völker, Rassen und Stände vereinigenden Glauben, der sich schöpferisch mit der Wissenschaft zum Wohl der ganzen Menschheit vermählt, der das Gebot der Nächstenliebe und der Gerechtigkeit zwischen allen Menschen und Völkern der Welt wirksam werden läßt? Bahá’u’lláh hat in Seiner göttlichen Botschaft den Weg zur Aussöhnung und Einigung des Menschengeschlechts gewiesen und wendet sich an dieses mit folgenden Worten: „Wißt ihr, warum Wir euch aus einer Erde erschaffen haben? Damit keiner sich über den anderen erhebe. Denket immer daran, wie ihr erschaffen wurdet. Lasset alle Völker in einem Glauben sich vereinigen und alle Menschen Brüder werden, auf daß das Band der Zuneigung und der Einigkeit zwischen den Menschenkindern gestärkt werde. Diese Kämpfe, dieses Blutvergießen und diese Uneinigkeit müssen aufhören, und alle Menschen müssen sein, als gehörten sie einer Rasse und einer Familie an... Der wahrlich ist ein Mensch, der sich heute dem Dienste am ganzen Menschengeschlecht weiht.“

Dr. E. Sch.


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ÄHRENLESE AUS DEN SCHRIFTEN VON BAHA’U’LLAH[Bearbeiten]

Nach der englischen Übersetzung von Shoghi Effendi (New York, Baha’i Publishing Committee 1935) ins Deutsche übertragen.

(Fortsetzung)


Wir haben ehedem jene Worte geäußert: Breite deinen Saum aus, o Jerusalem! Bewege dies in deinem Herzen, o Volk Bahá’s, und danke deinem Herrn, dem Erklärer, dem Klarsten.

Würden die Geheimnisse, die niemand außer Gott kennt, enthüllt werden, so würde die ganze Menschheit die Beweise einer vollkommenen und vollendeten Gerechtigkeit bestätigen. Mit einer Gewißheit, die niemand bezweifeln kann, würden alle Menschen Seinen Geboten folgen und sie peinlich halten. Wir haben wahrlich in Unserem Buche für die, welche sich dem Bösen fernhalten und ein keusches und gottesfürchtiges Leben führen, eine ansehnliche und großmütige Belohnung verordnet. Er ist in Wahrheit der große Geber, der Allgütige.

LX. Meine Gefangenschaft bringt Mir keine Schande. Nein, bei Meinem Leben, sie verleiht Mir Ruhm! Was Mich mit Scham erfüllt, ist vielmehr das Betragen solcher Meiner Anhänger, die vorgeben, Mich zu lieben, doch in der Tat dem Bösen folgen. Sie gehören in Wahrheit zu den Verlorenen.

Als die für diese Offenbarung festgesetzte Zeit erfüllt war und Er, die Sonne der Welt, im Iraq erschien, gebot Er Seinen Anhängern, dem zu folgen, was sie von aller irdischen Besudelung heiligen würde. Einige von ihnen zogen vor, den Begierden einer lasterhaften Neigung nachzugehen, während andere auf dem Pfade der Rechtschaffenheit und Treue wandelten und recht geleitet wurden.

Sprich: Wer seinen weltlichen Begierden folgt oder sein Herz an die Dinge der Erde heftet, kann nicht zum Volke Bahá’s gezählt werden. Der ist Mein wahrer Nachfolger, der, wenn er zu einem Tal aus reinem Gold käme, wie eine vorüberziehende Wolke geradewegs durch es hindurchginge und sich weder zurückwenden noch stehenbleiben würde. Ein solcher Mensch ist wahrlich von Mir. Von seinem Gewand kann die himmlische Versammlung den Wohlgeruch der Heiligkeit einatmen... Und würde er der schönsten und anmutigsten der Frauen begegnen, so würde sein Herz nicht durch den leisesten Schatten eines Verlangens nach ihrer Schönheit verführt werden. Ein solcher ist in der Tat eine Schöpfung makelloser Keuschheit. Also unterweist dich die Feder des Urewigen Tages, wie geheißen durch deinen Herrn, den Allmächtigen, den Allgütigen.

LXI. Die Welt liegt in Wehen und ihre Erregung wächst von Tag zu Tag. Ihr Antlitz ist auf Eigensinn und Unglauben gerichtet. Ihr Zustand wird ein solcher werden, daß es nicht angemessen und schicklich wäre, ihn nun zu enthüllen. Ihre Verderbtheit wird lange anhalten, und wenn die vorgeschriebene Stunde gekommen ist, wird plötzlich erscheinen, was die Glieder der Menschheit erzittern läßt. Dann und erst dann wird das göttliche Banner entfaltet werden und die Nachtigall des Paradieses ihre Lieder schmettern.

LXII. Rufe dir Meine Trübsal ins Gedächtnis zurück, Meine Sorgen und [Seite 8] Ängste, Meine Leiden und Prüfungen, den Zustand Meiner Gefangenschaft, die Tränen, die Ich vergoß, die Bitternis Meiner Qual und nun Meine Einkerkerung in diesem entfernten Lande. Gott, o Mustafá, bezeugt es Mir. Würde dir berichtet werden, was die Urewige Schönheit betroffen hat, so würdest du in die Wildnis fliehen und heiße Tränen vergießen. In deinem Schmerze würdest du dich aufs Haupt schlagen und laut jammern wie ein vom Biß der Natter Verwundeter. Danke Gott, daß Wir es verwarfen, dir die Geheimnisse jener unerforschlichen Ratschlüsse, die aus dem Himmel des Willens deines Herrn, des Machtvollsten, des Allmächtigen, auf Uns herabgesandt wurden, zu enthüllen.

Bei der Gerechtigkeit Gottes! Jeden Morgen, wenn Ich Mich von Meinem Bette erhob, entdeckte Ich einen Schwarm zahlloser Betrübnisse hinter Meiner Tür geschart, und jede Nacht, wenn Ich Mich niederlegte, siehe, da war Mein Herz in Qual zerrissen von dem, was es durch die teuflische Grausamkeit seiner Feinde erduldet hatte. Mit jedem Stück Brotes, das die Urewige Schönheit bricht, paart sich der Sturm einer frischen Betrübnis, und in jeden Tropfen, den Sie trinkt, ist die Bitternis der traurigsten Heimsuchungen gemischt. Bei jedem Schritte, den Sie tut, geht Ihr ein Heer unvorhergesehener Trübsale voraus, während Legionen peinvoller Leiden Ihrem Fuße folgen.

Das ist Meine Lage — möchtest du in deinem Herzen darüber nachsinnen. Lasse indessen deine Seele nicht traurig sein über das, was Gott auf Uns hat niederregnen lassen. Versenke deinen Willen in Sein Gefallen, denn Wir haben zu keiner Zeit nach irgend etwas anderem verlangt, was immer es auch sei, außer nach Seinem Willen und haben jede Seiner unumstößlichen Verordnungen willkommen geheißen. Lasse dein Herz geduldig sein und erschrick nicht. Folge nicht dem Pfade derer, die tief beunruhigt sind.

LXIII. O du, dessen Angesicht Mir zugewandt ist! Sobald deine Augen von ferne Meine Geburtsstadt (Teheran) erblicken, stehe hin und sprich: „Ich bin aus dem Gefängnis zu dir gekommen, o Land von Tá, mit Botschaften von Gott, dem Helfer in Gefahr, dem Selbstbestehenden. Ich verkündige dir, o Mutter der Welt und Quell des Lichtes für alle ihre Völker, die milde Gnade deines Herrn und grüße dich im Namen Dessen, der die ewige Wahrheit ist, des Wissers unsichtbarer Dinge. Ich bezeuge, daß Er, der Verborgene Name, in deinem Gebiet geoffenbart und der unsichtbare Schatz dort enthüllt wurde. Durch dich ist das Geheimnis aller Dinge, ob vergangen oder zukünftig, entfaltet worden.

O Land von Tá! Er, der König der Namen, gedenkt deiner auf Seiner herrlichen Stufe. Du warst der Morgen der Sache Gottes, der Quell Seiner Offenbarung, die Enthüllung Seines größten Namens — eines Namens, der die Herzen und Seelen der Menschen erzittern ließ. Wie groß ist die Zahl jener Männer und Frauen, jener Opfer der Gewalttat, die innerhalb deiner Mauern ihr Leben auf dem Pfade Gottes niederlegten und in deinem Staub unter solcher Grausamkeit begraben wurden, daß jeder achtbare Diener Gottes ihren Zustand beweinen muß!

LXIV. Es ist Unser Wunsch, des Aufenthaltes höchster Glückseligkeit (Teheran), der heiligen und glänzenden Stadt, zu gedenken — der Stadt, in [Seite 9] welcher der Duft des Vielgeliebten verbreitet wurde, in der Seine Zeichen ausgestreut, in der die Beweise Seiner Herrlichkeit geoffenbart wurden, in der Seine Banner gehißt, in der das Zelt Seines Heiligtums errichtet worden ist, in der jede Seiner weisen Verordnungen enthüllt wurde.

Es ist die Stadt, wo der süße Hauch der Wiedervereinigung geweht hat, welcher die Gott aufrichtig Liebenden bewogen hat, sich Ihm zu nähern und Zutritt zur Wohnstätte der Heiligkeit und Schönheit zu erlangen. Glücklich der Wanderer, der seine Schritte nach dieser Stadt lenkt, der in ihr aufgenommen wird und durch die sich ergießende Gnade seines Herrn, des Gnädigen, des Allgepriesenen, den Wein der Wiedervereinigung schlürft!

Ich bin zu dir, o Land der Herzenssehnsucht, mit Botschaften von Gott gekommen und verkündige dir Seine gnädige Gewogenheit und Gunst und grüße und erbebe dich in Seinem Namen. Er ist in Wahrheit voll unermeßlicher Freigebigkeit und Güte. Gesegnet sei der Mensch, der dir sein Antlitz zuwendet, der in dir den Wohlgeruch der Gegenwart Gottes, des Herrn aller Welten, verspürt. Seine Herrlichkeit sei auf dir und der Glanz Seines Lichtes umhülle dich, da Gott dich zu einem Paradies für Seine Diener gemacht und dich zu dem gesegneten und heiligen Land erklärt hat, das Er selbst in den Büchern, die Seine Propheten und Boten geoffenbart haben, erwähnt hat.

Durch dich, o Land der widerstrahlenden Herrlichkeit, ist die Flagge des „Es ist kein Gott außer Ihm“ entfaltet und das Banner des „Wahrlich, Ich bin die Wahrheit, der Wisser unsichtbarer Dinge“ gehißt worden. Es geziemt jedem, der dich besucht, über dich zu frohlocken und über die, welche in dir wohnen, die deinem Baum entsprossen, die dessen Blätter sind, die die Zeichen Meiner Herrlichkeit sind, die Mir folgen und Meine Geliebten sind und die ihr Angesicht mit größter Entschlossenheit nach der Richtung Meiner herrlichen Stufe hingelenkt haben.

LXV. Rufe Dir ins Gedächtnis zurück, wie bei Deiner Ankunft in der Stadt (Konstantinopel) die Minister des Sultans glaubten, ihre Gesetze und Verfügungen seien Dir nicht bekannt, und wie sie Dich daher für einen Unwissenden hielten. Sprich: Ja, bei Meinem Herrn! Ich bin unkundig aller Dinge außer dessen, was Gott durch Seine gütige Gewogenheit Mich zu lehren geruhte. Das bezeugen Wir wahrlich und bekennen es ohne Zaudern.

Sprich: Wenn die Gesetze und Verfügungen, an denen ihr festhaltet, euer eigenes Machwerk sind, werden Wir ihnen in keiner Weise folgen. Also wurde Ich durch Ihn unterwiesen, den Allweisen, den Allunterrichteten. Das war Mein Weg in der Vergangenheit, und er wird es durch die Kraft Gottes und Seine Macht auch in der Zukunft bleiben. Das ist in der Tat der wahre und rechte Weg. Wenn eure Beweise von Gott gegeben sind, so bringt sie vor, so ihr zu denen gehört, die die Wahrheit sprechen. Sprich: Wir haben in einem Buch, das keines Menschen Wirken, wie unbedeutend es auch sei, unerwähnt läßt, alles niedergeschrieben, was sie Dir zur Last gelegt, und alles, was sie Dir angetan haben.

Sprich: Es geziemt euch, o Minister des Staates, den Vorschriften Gottes zu folgen und auf eure eigenen Gesetze und Verfügungen zu verzichten und zu [Seite 10] denen zu zählen, die recht geleitet werden. Das ist besser für euch als alles, was ihr besitzt — wenn ihr es doch nur wüßtet! Wenn ihr das Gesetz Gottes übertretet, wird auch nicht ein Jota oder Pünktchen aller eurer Werke in Seinen Augen annehmbar sein. Ihr werdet binnen kurzem die Folgen dessen, was ihr in diesem nichtigen Leben getan habt, entdecken und dafür entlohnt werden. Das, wahrlich, ist die Wahrheit, die unantastbare Wahrheit.

Wie groß ist die Zahl jener, die in vergangenen Zeitaltern die Dinge taten, die ihr getan habt, und die, wenn sie im Rang auch über euch standen, am Ende zum Staub zurückgekehrt sind und ihrem unvermeidlichen Schicksal ausgeliefert wurden! Möchtet ihr die Sache Gottes doch in euren Herzen bewegen! Ihr werdet den Spuren jener folgen und an eine Stätte kommen, an der sich niemand findet, euch zu unterstützen und zu helfen. Ihr werdet wahrlich nach eurem Tun befragt und für euer Versagen in der schuldigen Ehrerbietung gegenüber der Sache Gottes zur Rechenschaft gezogen werden, sowie dafür, daß ihr Seine Geliebten, die in offener Aufrichtigkeit zu euch kamen, verächtlich zurückgewiesen habt.

Ihr habt über sie zu Rate gesessen, ihr, die ihr vorzoget, dem Anreiz eures Begehrens zu folgen, und die ihr das Gesetz Gottes, des Helfers in Gefahr, des Allmächtigen, verlassen habt!

Sprich: Wie? Folgt ihr euren eigenen Einfällen und laßt ihr die Gebote Gottes beiseite? Ihr habt in der Tat euch selbst und andern geschadet. Könntet ihr es doch empfinden! Sprich: Wenn eure Verordnungen und Grundsätze auf Gerechtigkeit aufgebaut sind, wie kommt es dann, daß ihr jenen folgt, die mit euren bösen Neigungen übereinstimmen, und solche verwerft, die euren Wünschen widersprechen? Mit welchem Recht erhebt ihr dann den Anspruch, gerecht unter den Menschen zu richten? Sind eure Verordnungen und Grundsätze derart, daß sie die Verfolgung Dessen rechtfertigen, der sich euch auf euer Geheiß hin vorstellte, sowie Seine Zurückweisung und die schweren Beschimpfungen, die ihr Ihm täglich zufügtet? Hat Er euch jemals, und sei es auch nur einen kurzen Augenblick lang, nicht gehorcht? Alle Bewohner des Iraq, und darüber hinaus alle scharfen Beobachter, werden die Wahrheit Meiner Worte bezeugen.

Seid gerecht in eurem Urteil, o ihr Minister des Staates! Was haben Wir begangen, das Unsere Verbannung rechtfertigen könnte? Welches ist das Vergehen, das euch zu Unserer Ausweisung berechtigte? Nur das: Wir haben euch aufgesucht, und siehe, wie ihr euch trotzdem geweigert habt, Uns zu empfangen! Bei Gott! Es ist eine schwere Ungerechtigkeit, die ihr begingt — eine Ungerechtigkeit, mit der sich keine irdische Ungerechtigkeit vergleichen läßt. Dessen ist der Allmächtige Zeuge...

Wisset, daß die Welt und ihre Eitelkeiten und ihr Schmuck dahingehen. Nichts wird dauern, außer Gottes Reich, das keinem außer Ihm gehört, dem höchsten Herrn von allen, dem Helfer in Gefahr, dem Allherrlichen, dem Allmächtigen. Die Tage eures Lebens fließen dahin und alles, womit ihr euch abgebt und dessen ihr euch rühmt, vergeht gewißlich, und eine Schar Seiner Engel wird euch auffordern, an dem Ort zu erscheinen, an dem die Glieder der ganzen Schöpfung erzittern werden und es einen jeden Bedrücker eiskalt [Seite 11] überläuft. Man wird euch nach dem fragen, was eure Hände in diesem, eurem nichtigen Leben, gewirkt haben, und euch für euer Tun entlohnen. Dies ist der Tag, der unvermeidlich über euch kommen wird, die Stunde, die niemand zurückstellen kann. Die Zunge dessen, der die Wahrheit spricht und der der Wisser aller Dinge ist, hat es bezeugt.

LXVI. Fürchtet Gott, ihr Einwohner der Stadt (Konstantinopel), und säet nicht die Saaten der Zwietracht unter die Menschen. Wandelt nicht auf den Pfaden des Bösen. Wandelt während der wenigen Tage eures Lebens, die euch bleiben, auf den Wegen des einen wahren Gottes. Eure Tage werden entschwinden, wie die Tage jener, die vor euch waren. Zum Staube sollt ihr zurückkehren, wie eure Vorväter zu ihm zurückkehrten.

Wisset, daß Ich niemand fürchte außer Gott. In niemand als Ihn habe Ich Mein Vertrauen gesetzt. Nur Ihm will Ich folgen und nichts wünschen, außer was Er für Mich gewünscht hat. Dies ist in der Tat Meines Herzens Sehnsucht — wenn ihr es nur wüßtet! Ich habe Meine Seele und Meinen Körper Gott, dem Herrn aller Welten, als ein Opfer dargebracht. Wer Gott erkannt hat, soll nur Ihn erkennen, und wer Gott fürchtet, soll niemanden fürchten außer Ihm, und wenn sich auch alle Mächte der Erde erheben und gegen ihn aufgeboten werden sollten. Ich spreche nur auf Sein Geheiß und bekenne durch die Kraft Gottes und Seiner Macht nichts außer Seiner Wahrheit. Er, wahrlich, wird die Wahrhaftigen belohnen.

Berichte, o Diener, was Du zur Zeit Deiner Ankunft in der Stadt geschaut hast, auf daß Dein Zeugnis den Menschen bleibe und denen, die glauben, zur Warnung diene. Wir fanden bei Unserer Ankunft in der Stadt ihre Verwalter und Ältesten wie Kinder im Schmutz versammelt und sich an ihm ergötzend. Wir gewahrten keinen, der reif genug gewesen wäre, die Wahrheit von Uns zu empfangen, die Gott Uns gelehrt hat, reif genug für Unsere wundersamen Worte der Weisheit. Unser inneres Auge weinte schmerzlich über sie und ihre Übertretungen und über ihre völlige Mißachtung dessen, wofür sie erschaffen wurden. Das ist, was wir in jener Stadt beobachtet haben und was Wir in Unserem Buche zu verzeichnen beliebten, damit es ihnen und der übrigen Menschheit zur Warnung diene.

Sprich: Wenn ihr nach diesem Leben und seinen Eitelkeiten suchtet, so hättet ihr sie suchen sollen, als ihr noch in eurer Mutter Schoß waret, denn zu jener Zeit waret ihr ihnen dauernd nahe — könntet ihr es doch erkennen! Ihr aber habt euch, seit ihr geboren wurdet und die Reife erlangtet, von der Welt entfernt und euch dem Staube genähert. Warum tragt ihr denn solche Habgier zur Schau und häuft die Schätze der Erde an, wo eure Tage doch gezählt sind und eure günstige Gelegenheit bald verpaßt ist? Wollt ihr daher, o ihr Achtlosen, nicht den Schlaf von euch tun?

Neigt euer Ohr den Ratschlägen, die dieser Diener euch um Gottes willen gibt. Er, wahrlich, heischt keine Belohnung von euch und unterwirft sich dem, was Gott für Ihn verordnet hat, und ist ganz in Gottes Willen ergeben.

Die Tage eures Lebens sind weit aufgezehrt, o ihr Menschen, und euer Ende nähert sich schnell. Tut daher beiseite, was ihr ersonnen habt und woran ihr hängt, und haltet euch fest an die Gebote Gottes, damit ihr vielleicht das [Seite 12] erlangt, was Er für euch bestimmt hat, und zu denen gehört, die den rechten Weg verfolgen. Ergötzet euch nicht an den Dingen der Welt und ihrer eitlen Zier, noch setzet eure Hoffnung auf sie. Laßt euer Vertrauen auf das Gedenken Gottes, des Erhabensten, des Größten, gestellt sein. Er wird binnen kurzem alles, was ihr besitzet, zunichte machen. Fürchtet Ihn und vergeßt nicht Sein Bündnis mit euch und gehört nicht zu denen, die ein Schleier von Ihm trennt.

Hütet euch, daß ihr euch nicht stolz vor Gott blähet und Seine Geliebten verächtlich zurückweiset. Haltet euch in Demut an die Gläubigen, d. h. an die, welche an Gott und Seine Zeichen geglaubt haben, deren Herz Seine Einigkeit bezeugt, deren Zunge Seine Einheit verkündet und die nicht sprechen außer mit Seiner Erlaubnis. Also raten wir euch in Gerechtigkeit und warnen euch in Treue, damit ihr vielleicht erweckt werden möget.

Leget keiner Seele eine Last auf, die ihr selbst nicht auferlegt haben möchtet und wünschet niemandem etwas, was ihr für euch selbst nicht wünschtet. Das ist Mein bester Rat für euch — würdet ihr ihn doch befolgen!

Achtet die Geistlichen und Gelehrten unter euch, deren Haltung mit ihrem Berufe übereinstimmt, die die Grenzen, welche Gott gesetzt hat, nicht überschreiten, deren Urteil im Einklang mit Seinen in Seinem Buch geoffenbarten Befehlen steht. Wisset, daß sie die Lampen der Führung denen sind, die in den Himmeln und auf Erden wohnen. Jene, die die Geistlichen und Gelehrten, die unter ihnen leben, mißachten und geringschätzen, haben wahrlich die Gnade verändert, mit der Gott sie begünstigt hat.

Sprich: Wartet nur, bis Gott Seine Gnade für euch geändert haben wird! Nichts, was immer es sei, entgeht Ihm. Er kennt die Geheimnisse der Himmel wie der Erde. Seine Kenntnis umfaßt alle Dinge. Freut euch nicht dessen, was ihr getan habt oder in Zukunft tun werdet, und weidet euch nicht an der Trübsal, mit der ihr Uns heimgesucht habt, denn durch Mittel wie diese könnt ihr eure Stufe nicht erhöhen — würdet ihr doch nur eure Werke mit scharfsinniger Einsicht prüfen! Ihr werdet auch nicht fähig sein, die Erhabenheit Unseres Ranges zu schmälern. Nein, Gott wird vielmehr den Lohn vermehren, mit dem Er Uns vergilt, weil Wir mit beharrlicher Geduld die Heimsuchungen ertrugen, die Wir erleiden mußten. Er, wahrlich, wird die Belohnung derer vergrößern, die in Geduld ausharren.

Wisset, daß Prüfungen und Heimsuchungen seit undenklichen Zeiten das Los der Erwählten Gottes und Seiner Geliebten und derjenigen unter Seinen Dienern waren, die von allem außer Ihm gelöst sind, derjenigen, die weder Handel noch Wandel von dem Gedenken an den Allmächtigen ablenken, die nicht sprechen, ehe Er gesprochen hat und die nach Seinem Gebote handeln. So ist Gott von jeher verfahren und wird es auch in Zukunft tun. Gesegnet sind die standhaft Ausharrenden, die geduldig in Krankheit und Bedrängnis sind, die nicht über alles, was ihnen widerfährt, wehklagen, und die auf dem Pfade der Ergebung wandeln...

Der Tag ist nahe, da Gott ein Volk auferwecken wird, das sich Unserer Tage erinnert, das die Geschichte Unserer Heimsuchungen berichten, das die Wiederherstellung Unserer Rechte von denen fordern wird, die Uns ohne irgendeinen Beweistitel mit offenbarer Ungerechtigkeit behandelten. Gott, wahrlich, ist [Seite 13] Herr über das Leben derer, die Uns Unrecht taten und Er ist sich ihrer Werke wohl bewußt. Er wird sie gewißlich um ihrer Sünden willen erfassen. Er, wahrlich, ist der grimmigste der Rächer.

Also haben Wir euch die Geschichte des einen, wahren Gottes eingehend berichtet und auf euch herabgesandt, was Er vorherbestimmte, auf daß ihr Ihn vielleicht um Vergebung bitten, zu Ihm zurückkehren und wahrhafte Reue empfinden möget, auf daß ihr eure Missetaten erkennt, euren Schlummer abwerft, aus eurer Nachlässigkeit erwacht, für das büßt, was ihr euch entgehen ließet und zu denen gehört, die Gutes tun. Laßt den, der es will, die Wahrheit Meiner Worte anerkennen, und den, der es nicht will, sich abkehren. Meine einzige Pflicht ist die, euch an euer Versagen in der Pflicht gegen die Sache Gottes zu gemahnen, damit ihr vielleicht zu denen gehört, die Meine Warnung beachten. Höret daher auf Meine Rede und kehret zu Gott zurück und bereut, damit Er durch Seine Gnade Erbarmen mit euch habe, eure Sünden hinwegwasche und eure Schuld vergebe. Die Größe Seines Erbarmens übertrifft die Heftigkeit Seines Zorns, und Seine Gnade umschließt alle, die ins Dasein gerufen und mit dem Gewande des Lebens bekleidet wurden, sei es in der Vergangenheit oder in der Zukunft.

LXVII. In dieser Offenbarung ist erschienen, was nie zuvor erschien. Die Ungläubigen, die Zeuge dessen waren, was geoffenbart worden ist, murren und sagen: „Wahrlich, das ist ein Zauberer, der eine Lüge gegen Gott ersann.“ Sie sind in der Tat ein verworfenes Volk.

Zähle, o Feder des Urewigen Tages, den Nationen die Dinge auf, die sich im Iraq ereignet haben. Berichte ihnen von dem Boten, der von der Versammlung der Geistlichen jenes Landes bevollmächtigt war, mit Uns zusammenzutreffen, und der Uns über gewisse Wissenschaften befragte, als Er Unsere Gegenwart erreicht hatte, und dem Wir antworteten vermöge der Erkenntnis, die Wir von Natur aus besitzen. Dein Herr ist wahrlich der Wisser unsichtbarer Dinge. „Wir bezeugen“, sagte er, „daß der Erkenntnis, die Du besitzest, nichts gleichkommt. Dennoch ist eine solche Erkenntnis nicht ausreichend, um die erhabene Stufe zu rechtfertigen, die das Volk Dir zuschreibt. Wenn Du die Wahrheit sprichst, dann bringe hervor, was die vereinten Kräfte der Völker der Erde hervorzubringen nicht imstande sind.“ Also ward es unwiderruflich verordnet am Hof der Gegenwart Deines Herrn, des Allherrlichen, des Liebenden.

„Bezeuge! Was siehst du?“ Er war wie vom Donner gerührt, und als er zu sich kam, sagte er: „Ich glaube wahrlich an Gott, den Allherrlichen, den Allgepriesenen.“ „Gehe hin zum Volk und berichte ihm: ‚Fragt, was immer euch beliebt. Machtvoll ist Er, zu tun, was Er will. Nichts, was immer es sei, Vergangenes oder Zukünftiges, kann Seinen Willen zuschanden machen.‘ Sprich: ‚O ihr, Versammlung der Geistlichen! Wählt irgendeine Sache aus, wie ihr es wünscht, und bittet euren Herrn, den Gott des Erbarmens, daß Er es euch offenbare. Wenn Er kraft Seiner Herrschaft euren Wunsch erfüllt, dann glaubt an Ihn und gehört nicht zu denen, die Seine Wahrheit zurückweisen.‘“ „Die Morgendämmerung des Verstehens ist nun angebrochen“, sagte er, „und der Beweis des Allbarmherzigen ist erbracht.“ Er erhob sich und kehrte zu denen zurück, die ihn auf das Geheiß Gottes, des Allherrlichen, des Vielgeliebten, sandten. [Seite 14]

Tage vergingen und er versäumte, zu Uns zurückzukehren. Endlich kam ein anderer Bote, der Uns meldete, daß das Volk aufgegeben habe, was es ursprünglich beabsichtigte. Es ist in der Tat ein verachtungswürdiges Volk. Solches hat sich im Iraq zugetragen, und Ich bin Zeuge dessen, was Ich offenbare. Das Geschehnis wurde laut ausgeschrien; dennoch fand sich keiner, der seinen Sinn verstanden hätte. Also haben Wir es verordnet. Wenn ihr es nur wüßtet!

Bei Meinem Selbst! Wer immer Uns in vergangenen Zeitaltern bat, die Zeichen Gottes sichtbar werden zu lassen, hat Gottes Wahrheit, kaum, daß Wir sie ihm enthüllten, zurückgewiesen. Das Volk aber ist zum größten Teil achtlos verblieben. Diejenigen, deren Augen durch das Licht des Begreifens erleuchtet sind, werden die süßen Wohlgerüche des Allbarmherzigen verspüren und Seine Wahrheit annehmen. Das sind die wahrhaft Aufrichtigen.

(Fortsetzung folgt)



GÖTTLICHE LEBENSKUNST[Bearbeiten]

Aus dem Englischen übertragen

(Fortsetzung)


11. KAPITEL: GEHORSAM UND DEMUT


Gehorsam vor Gott

Wisset, daß die Verkörperung und das Symbol der Freiheit das Tier ist. Dem Menschen geziemt es, sich solchen Schranken zu fügen, die ihn gegen seine eigene Unwissenheit schützen und ihn vor dem Schaden bewahren, den Unheilstifter anrichten können. Freiheit führt den Menschen dazu, die Grenzen der Schicklichkeit und die Würde seiner Stellung zu verletzen. Sie zieht ihn auf die Stufe tiefster Verworfenheit und Gottlosigkeit herab.

Betrachtet die Menschen wie eine Schafherde, die eines Hirten zu ihrem Schutze bedarf... Die Freiheit, die euch nützen kann, ist nur in der völligen Unterwerfung unter Gott, die ewige Wahrheit, zu finden. Wer ihre Süße gekostet hat, wird sie nicht gegen alle Gewalt auf Erden und im Himmel vertauschen wollen. (1)

Das Wesen der Religion ist, das zu bezeugen, was der Herr geoffenbart hat, und das zu befolgen, was Er in Seinem mächtigen Buche bestimmt hat. (2)

Jesus antwortete ihnen und sprach: Meine Lehre ist nicht mein, sondern des, der mich gesandt hat. So jemand will des Willen tun, der wird innewerden, ob diese Lehre von Gott sei, oder ob ich von mir selbst rede. (3)

Die erste Pflicht, die Gott Seinen Dienern vorschreibt, ist die Anerkennung Dessen, welcher der Tagesanbruch Seiner Offenbarung und der Brunnquell Seiner Gesetze ist, der die Gottheit sowohl im Reiche Seiner Sache wie in der Welt des Erschaffenen vertritt.

Jedem, der diese erhabenste Stufe, diesen Gipfel übersinnlicher Herrlichkeit erreicht hat, geziemt es, jegliches Gebot Dessen zu befolgen, welcher der Ersehnte der Welt ist. Diese Zwillingspflichten sind unteilbar. Keine ist ohne die andere annehmbar. Dies befiehlt Er, der Quell göttlicher Eingebung.

Wen Gott mit Einsicht begabt hat, der wird völlig anerkennen, daß die von Gott verordneten Gebote das höchste Mittel sind, um die Ordnung in der Welt und die Sicherheit ihrer [Seite 15] Bewohner zu bewahren. Wahrlich, Wir haben euch geboten, den Einflüsterungen eurer bösen Leidenschaften und üblen Begierden nicht nachzugeben und nicht die Grenzen zu übertreten, die von der Feder des Allerhöchsten gezogen wurden, denn diese sind der Lebensatem alles Erschaffenen...

O ihr Völker der Welt! Wisset, daß Meine Gebote die Lampen Meiner liebenden Vorsehung unter Meinen Dienern sind, und die Schlüssel Meiner Gnade für Meine Geschöpfe. So ist es vom Himmel des Willens eures Herrn, des Herrn der Offenbarung, herabgesandt worden. Wenn es einem Menschen vergönnt wäre, die Süße der Worte zu kosten, welche die Lippen des Allbarmherzigen zu sprechen beliebten, so würde er, selbst wenn alle Schätze der Erde in seinem Besitze wären, auf sie allesamt verzichten, damit er die Wahrheit, sei es auch nur eines Seiner Gebote, bezeugen könnte, die über dem Tagesanbruch Seiner freigiebigen Fürsorge und Gnade erstrahlen...

Glaubet nicht, daß Wir euch nur ein Gesetzbuch geoffenbart haben! Nein, weit mehr! Wir haben den erlesenen Wein mit den Fingern der Macht und Kraft entsiegelt. Dies bezeugen die Enthüllungen durch die Feder der Offenbarung.... Sinnet darüber nach, o ihr einsichtsvollen Menschen! (4)


Gehorsam aus Furcht und aus Liebe

Die Schulen müssen die Kinder zunächst in den Grundsätzen der Religion unterweisen, damit Verheißung und Drohung, die in den Büchern Gottes verzeichnet stehen, sie von Verbotenem abhalten und sie mit der Zier der Gebote schmücken. Dies jedoch nur in solchem Maße, daß es den Kindern nicht schadet und nicht zu unwissendem Fanatismus und zu Frömmelei ausartet. (5)

Alle, die in Reichtum, Macht und Ehren stehen, müssen der Religion nach Kräften Hochachtung erweisen. Religion ist ein strahlendes Licht und eine starke Festung für den Schutz und die Sicherheit der Erdenbewohner. Denn Gottesfurcht befiehlt den Menschen zu tun, was richtig ist, und verbietet, was böse ist. Wenn das Licht der Religion verborgen bleibt, werden Unruhe und Anarchie herrschen, und das Gestirn der Gerechtigkeit und Unparteilichkeit wie auch die Sonne des Friedens und der Sicherheit werden am Strahlen gehindert. — Dies sieht jeder urteilsfähige Mensch ein. (6)

O Sohn des Menschen!

Übertrete Meine Gebote nicht, wenn du Meine Schönheit liebst, und vergiß Meine Ratschläge nicht, wenn du nach Meinem Wohlgefallen strebst! (7)


Demut

Wahrlich, Sanftmut erhebt den Menschen in den Himmel der Macht. Stolz hingegen bringt ihn auf die tiefste Stufe der Demütigung und Erniedrigung herab. (8)

Wir alle sind arm vor Seiner Tür, schwach vor Seiner Macht, erbärmlich an Seiner Schwelle und haben keine Kraft zum Guten oder Bösen. Er ist wahrlich der Bestätiger, der Stärkende, der Wohlwollende! (9)

Wahrlich, ich flehe Gott an, dich in dem zu bestärken, was Er wünscht, dich vor Einbildung, Überheblichkeit und selbstsüchtigen Bestrebungen zu bewahren, dich fromm und Ihm ergeben zu machen. (10) [Seite 16]

Wenn du ewige Herrlichkeit suchst, so wähle Demut auf dem Pfade des Einen Wahren. (11)

O Sohn des Menschen!

Gehe nicht über die Grenzen, die dir gesetzt wurden, hinaus und erbitte nicht, was dir nicht ziemt! Verehre das Antlitz deines Herrn, des Allmächtigen! (12)

O Sohn des Menschen!

Sei ehrfurchtsvoll vor Mir, damit Ich Mich zu dir wende! Diene dem Siege Meiner Wahrheit, damit du in Mir siegreich werdest! (13)

Sie, die Geliebten Gottes müssen überall, wo sie sich versammeln, und vor allen Menschen, denen sie begegnen, in ihrem Verhalten zu Gott und in der Art, wie sie Ihm Preis und Ruhm darbringen, eine solche Demut und Unterwerfung erweisen, daß jedes Stäubchen zu ihren Füßen die Tiefe ihrer Ergebenheit bezeugen kann... Sie sollten sich so betragen, daß die Erde, auf der sie wandeln, sich nie mit folgenden Worten an sie wenden könnte: „Ich bin mehr als ihr, denn seht, wie geduldig ich die Lasten trage, die der Landwirt mir auferlegt. Ich bin das Werkzeug, das ständig an alle Wesen die Segnungen weiterleitet, die Er, der Ursprung aller Gnade, mir verliehen hat. Doch trotz der mir verliehenen Ehren, trotz der zahllosen Zeugen meines Reichtums — eines Reichtums, der die Bedürfnisse aller Geschöpfe deckt —: schaue das Maß meiner Demut und bezeuge, mit welcher völligen Hingabe ich mich von Menschenfüßen treten lasse...“

Übt Nachsicht und Liebe gegeneinander! Sollte einer von euch nicht imstande sein, diese oder jene Wahrheit zu begreifen, oder danach streben, sie zu verstehen, so befleißigt euch, im Gespräch mit ihm größte Freundlichkeit und Wohlwollen walten zu lassen. Helfet ihm, die Wahrheit zu sehen und zu erkennen, ohne euch im geringsten für überlegen oder höher begabt zu halten!

Es ist heute vornehmste Pflicht eines jeden, sich den Anteil der Gnadenflut zu sichern, den Gott ihm zumißt. Es darf daher niemanden kümmern, ob das Gefäß nun groß oder klein ist. Dem einen mag vielleicht eine Handvoll zugemessen sein, dem anderen eine Tasse und wieder einem anderen eine Kanne...

Fleht zu dem einen wahren Gott, daß Er euch den Duft solcher Taten zu kosten gebe, die auf Seinen Pfaden vollbracht werden, und die Süßigkeit solcher Demut und Unterwerfung um Seinetwillen. (14)

Wenn sich jemand um Gottes willen vor den Freunden Gottes demütigt, so wird diese Demut vor Ihm, dem Wahren selbst bezeigt werden; denn einer tut es aus Achtung vor des anderen Glauben an Gott. Demütig zu sein um Gottes willen vor einem anderen, bedeutet daher, vor Gott selbst Demut zu bezeigen. Wenn der andere sich daher nicht ebenso benimmt oder wenn er Hochmut zeigt, so wird der Urteilsfähige zur Erhabenheit seiner eigenen Handlungsweise emporsteigen und deren Höhe erringen, während den anderen der Schaden an seiner Art selbst treffen wird. Wenn also jemand sich hochmütig benimmt, so richtet sich dieser Hochmut gegen den einzig Wahren. (15)

Hütet euch davor, euch vor Gott in Stolz zu blähen und Seine Geliebten verächtlich abzulehnen! Seid demütig zu den Getreuen, die an Gott und Seine Zeichen glauben, deren Herzen Seine [Seite 17] Einheit bezeugen, deren Zungen Seine Einzigkeit verkünden und die nur mit Seiner Erlaubnis sprechen. Wir ermahnen euch dazu aus Gerechtigkeit und warnen euch aus Wahrhaftigkeit, damit ihr nicht plötzlich erwachen müßt. (16)

Wenn ihr Erniedrigten und Unterdrückten begegnet, so kehret euch nicht verächtlich von ihnen ab, denn der König der Herrlichkeit hat stets ein Auge auf sie und umgibt sie mit einer Zartheit, die niemand ermessen kann außer denen, die ihre Wünsche und Begierden aufgehen ließen in dem Willen eures Herrn, des Gnädigen, des Allweisen. O ihr Reichen dieser Welt! Flieht nicht vor dem Angesicht des Armen, der im Staub liegt! Nein, seid freundlich zu ihm, lasset ihn die Leiden berichten, mit denen Gottes unerforschlicher Ratschluß ihn betrübt hat. Bei Gottes Gerechtigkeit! Während ihr mit ihm Zwiesprache haltet, werden die Scharen der Höhe auf euch herabblicken, für euch eintreten, euren Namen preisen und eure Tat rühmen. Gesegnet sind die Gelehrten, die sich auf das von ihnen Erreichte nichts einbilden, und wohl den Rechtschaffenen, die nicht über die Sünder spotten, sondern deren Missetaten verbergen, damit ihre eigenen Unzulänglichkeiten den Augen der Menschen verhüllt bleiben. (17)

O Sohn des Geistes!

Prahle nicht mit deiner eigenen Größe vor dem Armen; denn Ich wandle vor ihm und sehe dich in deiner Kleinheit und beschäme dich für alle Zeit. (18)

O Sohn des Seins!

Warum übersiehst du deine eigenen Fehler und beschäftigst dich mit den Fehlern der anderen? Wahrlich, wer dabei verharrt, wird von Mir verworfen. (19)

O Sohn des Staubes!

Wahrlich, Ich sage dir: der nachlässigste der Menschen ist, der mit Worten streitet und sich über seinen Bruder zu erheben sucht. Höret, o Brüder: laßt Taten und nicht Worte eure Zierde sein! (20)

Nie darf der Sucher sich über irgendwen erheben wollen, und jede Spur von Stolz und Prahlerei muß er von der Tafel seines Herzens waschen. Er muß Geduld und Verzicht und Schweigen üben und sich eitler Rede enthalten. Denn die Zunge ist ein schwelendes Feuer und Geschwätzigkeit ein tödliches Gift. Irdisches Feuer verzehrt den Körper, aber das Feuer der Zunge verzehrt das Herz sowohl wie die Seele. Die Kraft von jenem dauert nur eine Weile, aber die Wirkung von diesem dauert ein Jahrhundert. (21)

Die Gottesfurcht ist immer die erste Kraft in der Erziehung Seiner Geschöpfe gewesen. Wohl denen, die dahin gelangt sind... Wahrlich, Ich sage: Gottesfurcht ist immer ein sicherer Hort und eine feste Burg für alle Völker der Welt gewesen. Sie ist die Hauptursache zum Schutze der Menschheit und das höchste Mittel für ihr Heil. (22)


Gebete um Demut und Gehorsam

Ich flehe Dich an, o Du Herr aller Namen, bei Deinem Namen, durch den Du Dir alles Erschaffene untertan gemacht hast: Hilf gnädiglich Deinen Geliebten, .... ihr Antlitz allezeit auf Dein Wohlgefallen zu richten und Dir Dank darzubringen für die Beweise Deines unwiderruflichen Ratschlusses. [Seite 18]

Denn Du bist, wahrlich, des Preises würdig in allem, was Du einstens getan hast oder was Du fürderhin tun wirst. Zu Dir geziemt uns Gehorsam bei allem, was Dein Wunsch gewesen ist oder sein wird, und Liebe bei allem, was Dein Begehr gewesen ist oder sein wird. Du schaust auf jene, die Dir teuer sind, mit den Augen Deiner liebevollen Güte, und sendest auf sie nur das herab, was ihnen frommt, durch Deine Gnade und durch Deine Gaben. (23)

Wenn es Dir wohlgefällt, so lasse mich wachsen als zarte Pflanze auf den Auen Deiner Gnade, auf daß die sanften Winde Deines Willens mich aufrütteln und wieder beugen nach Deinem Wohlgefallen, so daß Rast und Unrast ganz durch Dich geleitet werden. (24)

Dein ist der Befehl allezeit, o Du Herr aller Namen, und mein ist der Verzicht und die selbstgewählte Unterwerfung unter Deinen Willen, o Du Schöpfer des Himmels! (25)

(Fortsetzung folgt)



DER VERHEISSENE TAG IST GEKOMMEN[Bearbeiten]

Von Shoghi Effendi

(Fortsetzung)


Auf was sonst könnte diese bemerkenswerte, im Lawh-i-Burhán eingebettete Weissagung anspielen als auf den Sturz dieses gekrönten Oberherrn der sunnitischen Moslem? „O Schar mohammedanischer Geistlicher! Um euretwillen wurde das Volk erniedrigt und das Banner des Islam eingeholt und sein mächtiger Thron gestürzt.“ Und was ist mit der unzweifelhaft klaren und bestürzenden, im Qayyumu'l-Asmá niedergelegten Weissagung? „Wahrlich, binnen kurzem werden Wir jene peinigen, die den Krieg führten gegen Husayn (Imam Husayn) im Lande des Euphrat, mit der schmerzlichsten Qual und der gräßlichsten und abschreckendsten Strafe.“ Welche andere Auslegung kann dieser Überlieferung Muhammads gegeben werden? „In den letzten Tagen wird schmerzliches Unglück Mein Volk von seiten seines Herrschers befallen, ein Unglück, desgleichen kein Mensch je erlebt hat.“

Dies war jedoch nicht alles. Das Verschwinden des Kalifen, des geistigen Hauptes von über zweihundert Millionen Mohammedanern, zog in dem Lande, das dem Islam einen solchen schweren Schlag versetzt hatte, sofort die Ungültigkeit kanonischen Gesetzes des Shari’ah, die Enteignung sunnitischer Einrichtungen, die Verbreitung eines Zivilkodex, die Unterdrückung religiöser Vorschriften, die Abschaffung der durch die Religion Muhammads vorgeschriebenen Zeremonien und Überlieferungen nach sich. Der Shaykhu’l-Islám und seine Trabanten einschließlich der Muftis, Kadis, Hujahs, Scheiche, Hajis, Mawlavis, Derwische und anderer verschwanden durch einen entschiedeneren, offeneren und kräftigeren Schlag, als jener war, der den Schiiten durch den Schah und seine Regierung erteilt worden war. Die Moscheen der Hauptstadt, der Stolz und Ruhm der islamischen Welt, wurden verlassen, und die schönste und berühmteste von ihnen allen, die unvergleichliche Hagia Sophia, „das zweite Himmelszelt“, „der Wagen der Cherubim“, durch die tobenden [Seite 19] Schöpfer eines weltlichen Regimes in ein Museum verwandelt. Die arabische Zunge, die Sprache des Propheten Gottes, wurde aus dem Lande verbannt, ihr Alphabet durch lateinische Schriftzüge außer Gebrauch gesetzt und der Koran selbst ins Türkische übersetzt für die wenigen, die sich noch darum kümmerten, ihn zu lesen. Die Verfassung der neuen Türkei proklamierte nicht nur förmlich die Aufhebung und Enteignung des Islam mit allen begleitenden, manchen atheistisch erscheinenden Verordnungen, sondern kündigte sogar verschiedene Maßnahmen an, die auf dessen weitere Demütigung und Schwächung hinzielten. Sogar die Stadt Konstantinopel, „das Haus des Islam“, von Bahá’u’lláh in verdammenden Worten angeredet, einst nach dem Fall von Byzanz durch den großen Konstantin als „das neue Rom“ ausgerufen und zum Range einer Metropole sowohl des römischen Reiches als auch des Christentums erhoben und späterhin als Sitz der Kalifen verehrt, wurde zum Range einer Provinzstadt erniedrigt und all ihres Pomps und Ruhmes entblößt, so daß ihre erhabenen, schlanken Minarette am Grabe von so viel entschwundener Pracht und Macht nun Wache stehen.

„O Ort, der du an den Küsten zweier Meere gelegen!“ so hat Bahá’u’lláh die Kaiserstadt in Worten angeredet, welche die prophetischen Worte Jesu Christi über Jerusalem uns ins Gedächtnis rufen. „Wahrlich, der Thron der Tyrannei ist auf dir errichtet und die Flamme des Hasses ist in deinem Busen entzündet, so sehr, daß die Heerscharen in der Höhe und die, welche den erhabenen Thron umgeben, in Klagen und Jammern ausgebrochen sind. Wir sehen in dir den Narren über den Weisen herrschen und Finsternis sich vor dem Lichte brüsten. In der Tat, du bist von offenbarem Stolz erfüllt. Hat dein äußerer Glanz dich hochmütig gemacht? Bei Ihm, dem Herrn des Menschengeschlechtes! Er soll rasch vergehen, und deine Töchter und deine Witwen und alle deines Stammes, die in dir wohnen, sollen wehklagen. Dies gibt dir kund der Allwissende, der Allweise.“ So war das Geschick, das über beide kam, über den schiitischen und über den sunnitischen Islam, in den zwei Ländern, wo sie ihre Banner aufgepflanzt und ihre hochmächtigen und weltberühmten Einrichtungen aufgebaut hatten. So war ihr Geschick in diesen zwei Ländern, in deren einem Bahá’u’lláh als Verbannter starb und in deren anderem der Báb den Märtyrertod erlitt. So war das Geschick des selbsternannten Stellvertreters des Propheten Gottes und des bevorzugten Ministers, des immer noch erwarteten Imam. „Das Volk des Koran“, so bezeugt Bahá’u’lláh, „hat sich gegen Uns erhoben und quälte Uns mit solcher Pein, daß der Heilige Geist wehklagte und der Donner aufheulte und die Wolken über Uns weinten ... Muhammad, der Gottgesandte, beklagte seine Taten im allerhöchsten Paradiese.“

„Eines Tages wird Mein Volk dessen Zeuge sein“, so verdammen sie ihre eigenen Überlieferungen, „daß vom Islam nichts übrig geblieben sein wird als nur noch der Name und vom Koran nichts als die äußere Erscheinung. Die Gelehrten jener Zeit werden das größte Übel sein, das die Welt je gesehen hat. Unheil ist von ihnen ausgegangen und wird auf sie zurückfallen.“ Und wiederum: „Die meisten Seiner Feinde werden die Geistlichen sein. Seinem Befehl werden sie nicht gehorchen, [Seite 20] sondern werden beteuern und sagen: ‚Dies ist das Gegenteil dessen, was uns durch die Imame des Glaubens überliefert worden ist.‘“ Und nochmals: „Zu jener Stunde wird Sein Fluch über euch kommen und euere Verwünschung wird euch treffen, und euere Religion wird ein leeres Wort auf eueren Zungen bleiben. Und wenn diese Zeichen unter euch erscheinen, so seid des Tages gewärtig, da der rotglühende Wind über euch hinfegen wird, oder des Tages, da ihr verunstaltet werdet oder da Steine auf euch regnen werden.“


Eine Warnung an alle Völker

Diese Horde abgesetzter Priester, von Bahá’u’lláh als „Doktoren des Zweifels“, als die „verworfenen Offenbarungen des Fürsten der Finsternis“, als „Wölfe“ und „Pharaonen“, als „Brennpunkte des Höllenfeuers“, als „gefräßige Tiere, die am Aase der Menschenseelen nagen“, gebrandmarkt und, wie auch durch ihre eigenen Überlieferungen bezeugt, sowohl Quell als auch Opfer des Unheils, haben sich mit den verschiedenartigen Schwärmen von Sháh-zádihs, von Emiren und Fürstensprößlingen gefallener Herrscherhäuser vereinigt — Zeugnis und Warnung für alle Völker dessen, was früher oder später über solche Herren irdischen Besitzes, ob königlich oder kirchlich, kommen muß, die sich erdreisten wollten, die berufenen Kanäle und Verkörperungen göttlicher Vollmacht und Gewalt herauszufordern oder zu verfolgen.

Der Islam, zugleich Ahnherr und Verfolger des Glaubens Bahá’u’lláh’s, hat, wenn wir in den Zeichen der Zeiten richtig lesen, nur erst begonnen, den Ansturm dieses unbesieglichen und triumphierenden Glaubens auszuhalten. Wir müssen uns nur die neunzehnhundert Jahre verworfenen Elends und Zerstreutseins in Erinnerung rufen, die jene, die nur für den kurzen Zeitraum von drei Jahren den Sohn Gottes verfolgten, auszuhalten hatten und noch aushalten. Wir mögen uns wohl mit gemischten Gefühlen von Furcht und heiliger Scheu fragen, wie streng die Drangsale derer sein müssen, die nicht weniger als fünfzig Jahre lang Ihn, welcher der Vater ist, „jeden Augenblick mit neuen Qualen gepeinigt“ haben und die dazu Seinen Herold, selbst eine Manifestation Gottes, unter solch tragischen Umständen den Kelch des Märtyrertums trinken ließen.

Ich habe auf den unmittelbar vorhergehenden Seiten einige Stellen angeführt, die insgesamt an die islamische sowie an die christliche Geistlichkeit gerichtet sind, und habe dann eine Anzahl besonderer Anreden und Anspielungen an schiitische und sunnitische mohammedanische Geistliche verzeichnet, worauf ich dann das Unglück beschrieb, das diese mohammedanischen Priesterherrschaften, ihre Häupter, Glieder, Besitztümer, Zeremonien und Einrichtungen traf. Laßt uns nun die Anreden betrachten, die im besonderen an die Glieder der christlichen Geistlichkeit gerichtet waren, die größtenteils den Glauben Bahá’u’lláh’s gar nicht beachtet haben, während einige wenige unter ihnen, als seine Verwaltungsordnung Gestalt gewann und seine Verzweigungen über die christlichen Länder ausdehnte, sich daran machten, seinen Fortschritt zu hemmen, seinen Einfluß zu verringern und seinen Zweck zu verdunkeln. [Seite 21]


Seine Botschaften an christliche Führer

Ein Blick auf die Schriften des Begründers der Bahá’i-Offenbarung wird die wichtige und bedeutungsvolle Tatsache enthüllen, daß Er, welcher eine unsterbliche Botschaft an alle Könige der Erde insgesamt sandte, welcher ein Sendschreiben an jedes der hervorragenden Häupter Europas und Asiens offenbarte, welcher Seinen Ruf an die priesterlichen Führer des sunnitischen und schiitischen Islam ergehen ließ, welcher aus Seinem Wirkungskreis auch die Juden und Zoroastrier nicht ausschloß, außer seinen zahlreichen, wiederholten Ermahnungen und Warnungen an die ganze Christenwelt besondere Botschaften gerichtet hat, einige allgemein gehalten, andere bestimmt und herausfordernd, sowohl an die Häupter wie an die Reihen und Glieder der Geistlichkeit des Christentums — seinen Papst, seine Könige, seine Patriarchen, seine Erzbischöfe, seine Bischöfe, seine Priester und seine Mönche. Laßt uns nun unsere Aufmerksamkeit jenen Stellen zuwenden, wo die Kirchenaristokratie und ihre zugeordneten Diener zu einer Ermahnung und Warnung durch die Feder Bahá’u’lláh’s ausgesondert werden.

„Sprich: O Schar von Patriarchen! Er, der euch in den Schriften verheißen war, ist gekommen. Fürchtet Gott und folget nicht den eitlen Einbildungen der Abergläubischen. Leget die Dinge, die ihr besitzet, zur Seite und haltet euch fest an der Tafel Gottes durch Seine oberherrliche Gewalt. Besser ist dies für euch als alle euere Besitztümer. Dies bezeugt jedes verständige Herz und jeder einsichtsvolle Mensch. Brüstet ihr euch mit Meinem Namen und schließet euch doch von Mir ab mit einem Schleier? Wahrlich, seltsam ist das!“

„Sprich: O Schar von Erzbischöfen! Er, der Herr aller Menschen ist erschienen. Auf dem Felde der Führung ruft Er die Menschheit, während ihr zu den Toten gezählt werdet. Groß ist die Glückseligkeit dessen, der durch Gottes Hauch aufgerührt ist und von den Toten aufersteht in diesem klaren Namen.“

„Sprich: O Schar von Bischöfen! Ein Zittern hat alle Geschlechter der Erde ergriffen, und Er, der ewige Vater, ruft laut zwischen Erde und Himmel. Gesegnet das Ohr, das gehört hat, und das Auge, das geschaut hat, und das Herz, das sich ihm zugewandt hat, dem Punkte der Anbetung aller, die in den Himmeln sind, und aller, die auf Erden sind.“ „O Schar von Bischöfen! Ihr seid die Sterne des Himmels Meiner Erkenntnis. Meine Barmherzigkeit wünscht nicht, daß ihr auf die Erde fallet. Meine Gerechtigkeit aber erklärt: ‚Dies ist, was der Sohn (Jesus) bestimmt hat.‘ Und was immer aus Seinem untadeligen, Seinem wahrsprechenden, glaubwürdigen Munde hervorgegangen ist, kann nimmer geändert werden. Wahrlich, die Glocken läuten in Meinem Namen und wehklagen über Mich, aber Mein Geist ist froh in offenkundiger Freude. Der Körper des Geliebten sehnt sich nach dem Kreuz und Sein Haupt begehret den Speer auf dem Pfade des Allbarmherzigen. Der Zwang des Unterdrückers kann in keiner Weise Ihn von seinem Platz abhalten.“ Und wiederum: „Die Sterne am Himmel der Erkenntnis sind gefallen, sie, welche die Beweise anführen, die sie besitzen, um die Wahrheit Meiner Sache zu beweisen, und welche von Gott reden in Meinem Namen. Als Ich jedoch zu [Seite 22] ihnen kam in Meiner Hoheit, da wandten sie sich ab von Mir. Wahrlich, sie gehören zu den Gefallenen. Das ist es, was der Geist (Jesus) weissagte, als Er kam mit der Wahrheit und die jüdischen Gelehrten ihn bekrittelten, bis sie verübten, was den Heiligen Geist wehklagen und die Augen derer, die sich nahen Zutritts zu Gott erfreuen, weinen ließ.“

„Sprich: O Schar von Priestern! Lasset die Glocken und kommet doch hervor aus euren Kirchen. Es geziemt euch, an diesen Tagen den größten Namen laut unter den Völkern zu verkünden. Zieht ihr vor, stille zu sein, während jeder Stein und jeder Baum laut aufjauchzet: ‚Der Herr ist gekommen in Seiner größten Herrlichkeit!‘... Er, welcher die Menschen in Meinem Namen versammelt, ist wahrlich von Mir, und wird verkünden, was die Macht aller übersteigt, die auf Erden sind... Lasset den Windhauch Gottes euch erwecken. Wahrlich, er hat über die Welt geweht. Wohl dem, der seinen Duft entdeckt hat und unter die Zuversichtlichen gezählt worden ist!“ Und wiederum: „O Schar von Priestern! Der Tag der Abrechnung ist erschienen, der Tag, da Er, der im Himmel war, gekommen ist. Wahrlich, Er ist der Eine, der euch verheißen ward in den Büchern Gottes, des Heiligen, des Allmächtigen, des Allgepriesenen. Wie lange werdet ihr wandern in der Wildnis der Achtlosigkeit und des Aberglaubens? Wendet euch mit euren Herzen eurem Herrn entgegen, dem Vergebenden, dem Großmütigen.“

„Sprich: O Schar von Mönchen! Schließet euch nicht ab in Kirchen und Klöstern. Kommet hervor mit Meiner Erlaubnis und beschäftigt euch mit dem, was euren Seelen und den Seelen der Menschen nützen wird. Also befiehlt euch der König des Tages der Abrechnung. Schließet euch in das Bollwerk Meiner Liebe ein. Wahrlich, dies ist die euch angemessene Abgeschlossenheit — wäret ihr doch von denen, die dies wahrnehmen. Wer sich in ein Haus verschließt, ist fürwahr wie ein Toter. Es geziemt dem Menschen, das zu verkünden, was allem Erschaffenen Nutzen bringt, und wer keine Frucht hervorbringt, der ist des Feuers wert. Also rät euch euer Herr, und Er, wahrlich, ist der Allmächtige, der Allgültige. Tretet in die Ehe, damit nach euch einer eueren Platz ausfüllen möge. Wir haben euch treulose Taten verboten, nicht aber das, was Treue beweisen wird. Habt ihr euch an die Regeln gehängt, die euer eigenes Selbst aufgestellt hat, und die Regeln Gottes hinter euch geworfen? Fürchtet Gott und gehöret nicht zu den Narren. Wenn nicht für Menschen, die Meiner auf Meiner Erde erwähnen, für wen und wie könnten sonst Meine Attribute und Mein Name geoffenbart worden sein? Denket darüber nach und gehöret nicht zu denen, die verhüllt sind in festem Schlaf. Er, der nicht geheiratet hat (Jesus), fand keinen Platz, darin zu wohnen oder Sein Haupt hinzulegen um dessetwillen, was die Hände der Verräter verübt haben. Seine Heiligkeit besteht nicht in dem, was ihr glaubet oder euch einbildet, sondern vielmehr in den Dingen, die Wir besitzen. Bittet, auf daß ihr Seine Stufe begreifen möget, die erhöht worden ist über die Vorstellungen aller, die auf Erden wohnen. Selig sind, die dies verstehen.“ Und wiederum: „O Schar von Mönchen! Wenn ihr vorzieht, Mir zu folgen, dann werde Ich euch zu Erben Meines Königreiches [Seite 23] machen. Und wenn ihr euch gegen Mich vergehet, so werde Ich es in Meiner Langmut geduldig ertragen und Ich bin wahrlich der Ewigvergebende, der Allbarmherzige ... Bethlehem ist in Bewegung durch den Windhauch Gottes. Wir hören seine Stimme sprechen: ‚O großmütigster Herr! Wo ist Deine große Herrlichkeit begründet? Die süßen Düfte Deiner Gegenwart haben mich erquickt, nachdem ich in meiner Trennung von Dir dahingeschmolzen war. Gepriesen seiest Du, daß Du die Schleier gehoben hast und mit Macht gekommen bist in offenbarer Herrlichkeit.‘ Wir riefen ihm zu aus dem Heiligtum der Hoheit und Größe: ‚O Bethlehem! Dieses Licht ist im Osten aufgegangen und nach dem Westen gezogen, bis es dich erreicht hat am Abend seines Lebens. So sage mir: Erkennen die Söhne den Vater und anerkennen sie Ihn, oder verleugnen sie Ihn, wie das Volk von ehedem Ihn (Jesus) verleugnete?‘ Daraufhin schrie es auf und sprach: ‚Du bist in Wahrheit der Allwissende, der Bestunterrichtete,‘“

Und wiederum: „Betrachtet gleicherweise, wie zahlreich heutzutage die Mönche sind, die sich in ihre Kirchen abgeschlossen haben in Meinem Namen und die, als die festgesetzte Zeit gekommen war und Wir ihnen Unsere Schönheit enthüllten, es verfehlten, Mich zu erkennen, trotzdem sie nach Mir rufen zur Dämmerung und zur Abendzeit.“ „Leset ihr das Evangelium“, so redet Er sie wiederum an, „und weigert ihr euch dennoch, den allherrlichen Herrn anzuerkennen? Dies, wahrlich, geziemet euch nicht, o Schar gelehrter Männer! Die Düfte des Allbarmherzigen haben über alle Schöpfung geweht. Glücklich der Mensch, der seinen Wünschen entsagt und an der Führung festgehalten hat.“

Diese „gefallenen Sterne“ am Himmelsgewölbe des Christentums, diese „dicken Wolken“, die den Glanz des echten Gottesglaubens verdunkelt haben, diese Kirchenfürsten, die verfehlt haben, die Oberherrschaft des „Königs der Könige“ anzuerkennen, diese verleiteten Diener des Sohnes, die das verheißene Königreich gemieden und übersehen haben, das der „Ewige Vater“ vom Himmel herniedergebracht hat und jetzt auf Erden errichtet — sie erleben nun, an diesem „Tage der Abrechnung“ eine Krise, zwar nicht so entscheidend wie jene, welcher die Priesterschaft des Islam, der eingefleischte Feind des Glaubens, sich gegenüber sah, aber eine nicht weniger ausgedehnte und bedeutsame. „Die Macht ist ergriffen worden“, in der Tat, und wird noch weiter ergriffen, von diesen Geistlichen, die im Namen des Glaubens reden, den sie bekennen und von dessen Geist sie doch noch so weit entfernt sind.

Wir brauchen, wenn wir die Schicksale der christlichen Geistlichkeit überblicken, nur uns umzusehen, um die ständige Abnahme ihres Einflusses, das Sinken ihrer Macht, die Schädigung ihres Rufes, das Verspotten ihres Ansehens, das Hinschwinden ihrer Versammlungen, das Erschlaffen ihrer Zucht, die Einschränkung ihrer Presse, die Furchtsamkeit ihrer Führer, die Verwirrung in ihren Reihen, die fortschreitende Beschlagnahme ihrer Besitztümer, die Übergabe eines ihrer mächtigsten Bollwerke und das Verlöschen anderer alter und geschätzter Einrichtungen gebührend zu werten. Tatsächlich hat, von der Zeit an, da der göttliche Aufruf ergangen war und die Einladung erfolgt und die [Seite 24] Warnung ertönt und die Verdammung ausgesprochen ward, dieses Geschehen, das, wie man sagen darf, mit dem Zusammenbruch der weltlichen Herrschaft des römischen Hohenpriesters nach der Offenbarung des Sendschreibens an den Papst eingeleitet worden war, bald mit wachsender Wucht eingesetzt und sogar die Grundlage selbst bedroht, auf der die ganze Ordnung ruht. Unterstützt von den Kräften, welche die kommunistische Bewegung entfesselt hat, verstärkt durch die politischen Nachwirkungen des letzten Krieges (d.h. des ersten Weltkrieges), beschleunigt durch den übermäßigen, blinden, unduldsamen und kriegerischen Nationalismus, der jetzt die Völker erschüttert, und angetrieben durch die hochgehende Flut von Materialismus, Religionslosigkeit und Heidentum, zielt dieses Geschehen nicht nur dahin, kirchliche Einrichtungen umzustürzen, sondern scheint sogar zur raschen Entchristlichung der Massen in vielen Christenländern zu führen.

Ich werde mich mit der Aufzählung gewisser hervorstechender Auswirkungen dieser Kräfte begnügen, die in wachsendem Maße in den Bereich eines der führenden religiösen Systeme der Menschheit eindringen und gegen seine festesten Wälle anstürmen:

Die tatsächliche Vernichtung der weltlichen Macht des hervorragendsten Herrschers in der Christenheit unmittelbar nach der Schaffung des Königreiches Italien, die Woge von Kirchenfeindlichkeit, die nach dem Zusammenbruch des napoleonischen Kaiserreiches über Frankreich hinrollte und in der völligen Trennung von katholischer Kirche und Staat, in der Verweltlichung der dritten Republik, in der Verweltlichung der Erziehung und in der Unterdrückung und Zerstreuung religiöser Orden gipfelte; der rasche und plötzliche Aufstieg jenes „religiösen Unglaubens“, jenes kühnen, bewußten und organisierten Angriffes, der in Sowjet-Rußland gegen die griechisch-orthodoxe Kirche losgelassen wurde, der die Aufhebung der Staatsreligion beschleunigte, der eine große Zahl ihrer Glieder, die ursprünglich über hundert Millionen Seelen zählten, niedermetzelte, der Tausende und aber Tausende von Kirchen, Klöstern, Synagogen und Moscheen niederriß, schloß oder in Museen, Theater und Warenhäuser verwandelte, der der Kirche sechseinhalb Millionen Acres (rund 26000 qkm) Landbesitz wegnahm und durch die Liga der kämpfenden Atheisten und die Verbreitung eines „Fünfjahresplanes der Gottlosigkeit“ das religiöse Leben der Massen von seinen Grundlagen zu lösen suchte; die Zerstückelung der österreichisch-ungarischen Monarchie, die mit einem Schlag die mächtigste Einheit auflöste, die der Kirche Roms Treue schuldete und durch ihre Hilfskräfte deren Verwaltung stützte, die Trennung des spanischen Staates von eben dieser Kirche und der Sturz der Monarchie, der Vorkämpferin der katholischen Christenheit; die nationalistische Philosophie, die Mutter eines ungezügelten, veralteten Nationalismus, der, nachdem er den Islam entthront, mittelbar die Frontlinie der christlichen Kirche in nicht christlichen Ländern angegriffen hat und schwere Schläge den katholischen, anglikanischen und presbyterianischen Missionen in Persien, der Türkei und dem fernen Osten austeilt. Die Umsturzbewegung, die in ihrer Spur die Verfolgung der katholischen Kirche in Mexiko nach sich zog; und endlich [Seite 25] das Evangelium eines modernen Heidentums, unverhohlen, angreiferisch und unerbittlich, das in den dem gegenwärtigen Aufruhr vorhergegangenen Jahren und in wachsendem Maße seit dessen Ausbruch über den Erdteil Europa gefegt hat, in seine Festen eingedrungen ist und Verwirrung in die Herzen der Verfechter der katholischen griechisch-orthodoxen und lutherischen Kirche in Österreich, Polen, den baltischen und skandinavischen Staaten und neuerdings auch in Westeuropa, der Heimat und dem Mittelpunkt der mächtigsten Kirchenherrschaft des Christentums, gesät hat.

So befiehlt euch Er, welcher euch ewiges Leben wünscht... Wir sehen euch, o Kinder des Königreiches, in Finsternis. Wahrlich, dies steht euch nicht an. Habt ihr im Angesichte des Lichtes Furcht wegen eurer Taten? Wendet euch Ihm zu... Wahrlich, Er (Jesus) sagte: ‚Folget Mir nach, und Ich will euch zu Menschenfischern machen.‘ Am heutigen Tage jedoch sagen Wir: ‚Folget Mir nach, auf daß Wir euch zu Lebensspendern der Menschheit machen.‘ Des weiteren hat Er geschrieben: „Sprich: Wahrlich, Wir sind um euretwillen gekommen und haben die Trübsal der Welt um euerer Rettung willen getragen. Fliehet ihr Den, der Sein Leben aufgeopfert hat, auf daß ihr belebet werdet? Fürchtet Gott, o ihr Anhänger des Geistes (Jesus), und wandelt nicht in den Fußstapfen eines jeden Geistlichen, der weit in die Irre gegangen ist... Öffnet die Türen euerer Herzen. Wahrlich, Er, welcher der Geist (Jesus) ist, steht davor. Warum haltet ihr euch fern von Ihm, der die Absicht hegt, euch einem strahlenden Orte nahe zu bringen? Sprich: Wahrlich, Wir haben euch die Pforten des Königreiches geöffnet. Wollt ihr vor Meinem Antlitz die Türen euerer Häuser verriegeln? Wahrlich, dies ist nichts als ein schmerzlicher Irrtum.“

Das ist nun der Zustand, in den die christliche Geistlichkeit geraten ist — eine Geistlichkeit, die sich zwischen ihre Herde und den in der Glorie des Vaters wiedergekommenen Christus gestellt hat. Da der Glaube des Verheißenen weiter und weiter in das Herz der Christenheit eindringt, da seine Rekruten aus den Standorten, gegen die Sein Geist anstürmt, sich vervielfachen und gemeinsame, entschlossene Verteidigungsmaßnahmen der Bollwerke christlicher Rechtgläubigkeit herausfordern, und da die Kräfte des Nationalismus, Heidentums, Säkularismus und Rassismus allesamt einem Höhepunkte zustreben, dürfen wir da nicht erwarten, daß der Niedergang der Macht, Befugnis und Geltung dieser Geistlichen noch mehr hervortreten wird und fürderhin die Wahrheit von Bahá’u’lláh’s Verkündung, welche die Verfinsterung der Leuchten der Kirche Jesu Christi voraussagt, noch deutlicher bewiesen wird und das, was sie in sich birgt, noch klarer enthüllt wird.

Fürwahr, verwüstend ist das Wüten gewesen, das im Schicksal der schiitischen Priesterherrschaft in Persien gehaust hat, und erbärmlich das Los, das dem jetzt unter dem Joche einer einst jahrhundertelang verachteten und beherrschten Zivilbehörde stöhnenden Überrest vorbehalten ist. Fürwahr, sintflutartig ist der Zusammenbruch der höchsten Einrichtung des sunnitischen Islam gewesen und unheilbar der Sturz seiner Priesterherrschaft in einem Land, das die Sache des selbsternannten Stellvertreters des Propheten Gottes verfochten hat. [Seite 26] Stetig und erbarmungslos ist das Geschehen, das so viel Zerstörung, Schande, Spaltung und Schwäche den Verteidigern der Bollwerke christlicher Kirchenherrschaft gebracht hat, und wahrlich schwarz sind die Wolken, die ihren Horizont verfinstern. Durch die Taten der mohammedanischen und christlichen Geistlichen - „Götzen“, die Bahá’u’lláh als die Mehrheit Seiner Feinde gebrandmarkt hat -, die nicht, wie von Ihm befohlen, ihre Federn beiseitegelegt und ihre Einbildungen weggeschleudert haben, und die, wie Er selbst bezeugte, wenn sie an Ihn geglaubt hätten, die Bekehrung der Massen zustande gebracht hätten, sind der Islam und das Christentum — dies zu sagen, ist keine Übertreibung - in den kritischsten Abschnitt ihrer Geschichte eingetreten.

Niemand soll jedoch meine Absicht mißverstehen oder diese Grundwahrheit, die für den Glauben Bahá’u’lláh’s wesentlich ist, falsch auslegen. Der göttliche Ursprung aller Propheten Gottes — einschließlich Jesu Christi und des Glaubensboten Gottes (Muhammad), der beiden größten Manifestationen, die der Offenbarung des Báb vorangingen - wird vorbehaltlos und unerschütterlich von einem jeden Anhänger der Bahá’i-Religion hochgehalten. Die grundsätzliche Einheit dieser Gottgesandten wird klar erkannt, der Zusammenhang ihrer Offenbarungen wird bekräftigt, die gottbegnadete Vollmacht und die Eigenart der Wechselbeziehung ihrer Bücher wird zugegeben, die Einzigkeit ihrer Ziele und Zwecke wird verkündet, das Einzigartige ihres Einflusses nachdrücklich betont und die schließliche Aussöhnung ihrer Lehren und Anhänger gelehrt und vorausbedacht. „Sie alle wohnen“, nach Bahá’u’lláh’s Zeugnis, „in dem gleichen Heiligtum, erheben sich in den gleichen Himmel, sitzen auf dem gleichen Throne, reden die gleiche Sprache und verkünden den gleichen Glauben.“


Die Fortdauer der Offenbarung

Der Glaube, der mit dem Namen Bahá’u’lláh’s verschmolzen dasteht, verwirft jede Absicht, irgendeinen der ihm vorangegangenen Propheten gering zu achten, irgendeine ihrer Lehren zu beschneiden, den Glanz ihrer Offenbarungen, und sei es auch nur im geringsten, zu verdunkeln, sie aus den Herzen ihrer Anhänger zu verdrängen, die Grundlagen ihrer Lehrsätze abzuschaffen, irgendeines ihrer geoffenbarten Bücher aufzugeben oder die berechtigten Bestrebungen ihrer Anhänger zu unterdrücken. Indem Bahá’u’lláh den Anspruch irgendeiner Religion, die endgültige Offenbarung Gottes an den Menschen zu sein, verwirft und Endgültigkeit auch für Seine eigene Offenbarung ablehnt, schärft Er den Grundsatz der Relativität religiöser Wahrheit ein, der Fortdauer göttlicher Offenbarung, des Fortschreitens religiöser Erfahrung. Sein Ziel ist, die Grundlage aller geoffenbarten Religionen zu erweitern und die Geheimnisse ihrer Schriften zu enträtseln. Er besteht auf der unbeschränkten Anerkennung der Einheit ihres Planes, bestätigt die ewigen Wahrheiten, die sie bergen, richtet ihre Wirksamkeit gleich, scheidet das Wesentliche und Verbürgte vom Unwesentlichen und Unechten in ihren Lehren, trennt die von Gott gegebenen Wahrheiten von dem von Priestern eingegebenen Aberglauben und verkündet auf dieser Grundlage die Möglichkeit, ja weissagt sogar die Unvermeidlichkeit ihrer [Seite 27] Vereinigung und die Erfüllung ihrer höchsten Hoffnungen.

Was Muhammad, den Glaubensboten Gottes, betrifft, so möge keiner Seiner Anhänger, die diese Zeilen lesen, auch nur einen Augenblick denken, daß entweder der Islam oder sein Prophet oder dessen Buch oder seine ernannten Nachfolger oder irgendeine seiner verbürgten Lehren herabgesetzt worden seien oder auf irgendeine Weise, und sei es auch nur im geringsten Grade, herabgesetzt werden sollen. Das Geschlecht des Báb, des Nachkommen des Imám Husayn, die verschiedenen auffallenden Beweise in Nabil’s Erzählung von der Haltung des Heroldes unseres Glaubens gegenüber dem Begründer, den Imamen und dem Buche des Islam, die glühenden Tribute, die Bahá’u’lláh in Seinem Kitáb-i-Iqán Muhammad und Seinen rechtmäßigen Nachfolgern und besonders dem „einzigartigen und unvergleichlichen‘“ Imám Husayn zollte, die von ‘Abdu’l-Bahá eindringlich, furchtlos und öffentlich in Kirchen und Synagogen beigebrachten Beweise, um die Gültigkeit der Botschaft des arabischen Propheten darzulegen, und zuletzt, doch nicht als Geringstes, das schriftliche Zeugnis der Königin von Rumänien, die, obwohl sie im anglikanischen Glauben geboren war und ihre Regierung mit der griechisch-orthodoxen Kirche, der Staatsreligion ihres neuen Vaterlandes, ein enges Bündnis pflegte, hauptsächlich durch ihr Studium dieser öffentlichen Reden ‘Abdu’l-Bahá’s sich veranlaßt fühlte, ihre Erkenntnis des prophetischen Wirkens Muhammads zu verkünden — sie alle bezeigen in unzweideutigen Worten die wahre Haltung des Bahá’i-Glaubens gegen seine Mutterreligion.

„Gott“, so lautet ihr königlicher Tribut, „ist Alles, Jegliches. Er ist die Macht hinter allem Beginn ... Sein ist die Stimme in uns, die uns gut und böse zeigt. Aber meistens kennen wir diese Stimme nicht oder mißverstehen wir sie. Daher gefiel es Ihm, Seine Auserwählten herabkommen zu lassen zu uns auf Erden, um Seine Worte, Seine wahre Absicht klarzumachen. Darum die Propheten. Darum Christus, Muhammad, Bahá’u’lláh; denn der Mensch benötigt von Zeit zu Zeit eine Stimme auf Erden, um ihm Gott zu bringen, um die Vergegenwärtigung des Daseins des wahren Gottes zu schärfen. Diese uns gesandten Stimmen mußten Fleisch werden, so daß wir mit unseren irdischen Ohren fähig sein sollten zu hören und zu verstehen.“

Welchen größeren Beweis, so darf man schließlich fragen, können die Geistlichen von Persien oder der Türkei noch fordern, um damit die Anerkennung der erhabenen Stellung, die der Prophet Muhammad inmitten der Gesamtheit der Gottgesandten innehatte, durch die Anhänger Bahá’u’lláh’s klarzulegen? Welchen größeren Dienst, erwarten diese Geistlichen, sollen wir der Sache des Islam noch erweisen? Welchen größeren Beweis unserer Zuständigkeit können sie verlangen, als daß wir, in Gegenden weit jenseits ihrer Reichweite, den Funken einer brennenden und aufrichtigen Bekehrung zu der durch den Glaubensboten Gottes ausgesprochenen Wahrheit entfachen und von der Feder des Königtums dieses öffentliche und wahrlich historische Bekenntnis Seiner gottgeschenkten Sendung erlangten?

Was die Stellung zum Christentum anbetrifft, so sei ohne Zögern oder Doppelsinn festgestellt, daß sein göttlicher Ursprung bedingungslos bejaht, daß die Sohnschaft und Göttlichkeit [Seite 28] von Jesus Christus furchtlos behauptet, daß die göttliche Eingebung des Evangeliums völlig anerkannt, daß die Wirklichkeit des Mysteriums der Unbeflecktheit der Jungfrau Maria anerkannt und der Vorrang Petri, des Fürsten der Apostel, hochgehalten und verteidigt wird. Der Begründer des christlichen Glaubens wird von Bahá’u’lláh als der „Geist Gottes“ bezeichnet, wird als Der, welcher „aus dem Odem des Heiligen Geistes“ erschien, verkündet und wird sogar als „das Wesen des Geistes“ gepriesen. Seine Mutter wird als „das verhüllte und unsterbliche, das allerschönste Antlitz“ beschrieben und die Stufe ihres Sohnes als eine „Stufe, die erhöhet wurde über die Vorstellungen aller, die da wohnen auf Erden“ gepriesen, während Petrus als einer anerkannt wird, dem Gott „die Geheimnisse der Weisheit und der Verkündung aus dem Munde strömen“ ließ. „Wisse“, hat Bahá’u’lláh überdies bezeugt, „daß, als der Menschensohn Seinen Geist zu Gott aufgab, die ganze Schöpfung in großer Trauer weinte. Durch Seine Selbstopferung wurde jedoch allen erschaffenen Dingen eine neue Fähigkeit eingeflößt. Deren Beweise, wie sie bei allen Völkern der Erde bezeugt werden, sind jetzt offensichtlich vor dir. Die tiefste Weisheit, welche die Weisen ausgesprochen haben, das tiefste Wissen, das irgend ein Geist entfaltet hat, die Künste, welche die fähigsten Hände ausgeführt haben, der Einfluß, der von den Mächtigsten der Herrscher ausgeübt wurde, sind nur Offenbarungen der belebenden, durch Seinen überragenden, Seinen alles durchdringenden und widerstrahlenden Geist ausgelösten Kraft. Wir bezeugen, daß Er, als Er in die Welt kam, den Glanz Seiner Herrlichkeit auf alle erschaffenen Dinge ergoß. Durch Ihn genas der Aussätzige vom Aussatz der Verdorbenheit und des Unwissens. Durch Ihn wurde der Unreine und Eigensinnige geheilt. Durch Seine Macht, aus dem allmächtigen Gott geboren, wurden die Augen der Blinden geöffnet und die Seele des Sünders geheiligt... Er ist es, der die Welt reinigte. Gesegnet ist der Mensch, der mit lichtstrahlendem Antlitz sich Ihm zugewandt hat.“

Tatsächlich ist die wesentliche Vorbedingung der Zulassung von Juden, Zoroastrier, Hindus, Buddhisten und Anhängern anderer alter Glaubensbekenntnisse, sowie auch von Agnostikern und sogar von Atheisten zur Bahá’i-Gemeinde bei ihnen allen die ehrliche und unbedingte Annahme des göttlichen Ursprunges sowohl des Islam als auch des Christentums, des prophetischen Wirkens sowohl Muhammad’s als auch Jesu Christi, der Gesetzlichkeit der Einrichtung des Imamats und des Vorrangs des heiligen Petrus, des Fürsten der Apostel. Dies sind die zentralen, festen, unbestreitbaren Grundsätze, welche den Grundstock des Bahá’i-Glaubens bilden, welche der Glaube Bahá’u’lláh’s anzuerkennen stolz ist, welche seine Lehrer verkünden, welche seine Apologeten verteidigen, welche sein Schrifttum verbreitet, welche seine Sommerschulen erklären und welche die Reihen und Glieder seiner Anhänger durch Wort und Tat bezeugen.

Auch sollte man keinen Augenblick denken, daß die Anhänger Bahá’u’lláh’s den Rang der religiösen Führer der Welt, ob christlich, mohammedanisch oder irgend eines anderen Namens, jemals herabzusetzen oder auch nur zu vermindern suchen, sofern [Seite 29] ihr Betragen mit ihren Bekenntnissen übereinstimmt und sie der Stellung wert sind, die sie einnehmen. „Jene Geistlichen“, hat Bahá’u’lláh bekräftigt, „die wahrhaft mit dem Schmuck der Erkenntnis geziert sind und einen rechtschaffenen Charakter haben, sind wahrlich wie ein Haupt für den Körper der Welt und wie Augen für die Völker. Die Führung der Menschheit ist allezeit von diesen gesegneten Seelen abhängig gewesen und ist es noch.“ Und wiederum: „Der Geistliche, dessen Betragen rechtschaffen ist, und der Weise, der gerecht ist, sind wie der Geist für den Körper der Welt. Wohl dem Geistlichen, dessen Haupt mit der Krone der Gerechtigkeit geschmückt und dessen Tempel mit dem Schmucke der Rechtschaffenheit geziert ist.“ Und nocheinmal: „Der Geistliche, der im Namen des höchsten Verordners den heiligsten Wein ergriffen und getrunken hat, ist wie ein Auge für die Welt. Wohl denen, die ihm gehorchen und seiner gedenken.“ „Groß ruht der Segen auf jenem Geistlichen“, hat Er in anderem Zusammenhang geschrieben, „der nicht zugelassen hat, daß Erkenntnis zum Schleier werde zwischen ihm und dem Einen, welcher der Gegenstand aller Erkenntnis ist, und welcher, als der Selbstbestehende erschien, sich mit strahlendem Antlitz Ihm zugewandt hat. Er wird in Wahrheit zu den Gelehrten gezählt. Die Bewohner des Paradieses suchen die Segnung seines Odems und seine Lampe ergießt ihren Glanz über alle, die im Himmel und auf Erden sind. Wahrlich, er wird unter die Erben der Propheten gezählt. Wer ihn erschaut, hat fürwahr den einen Wahren erschaut, und wer sich ihm zuwendet, hat sich fürwahr Gott zugewandt, dem Allmächtigen, dem Allweisen.“ „Achtet die Geistlichen unter euch“, ist Seine Ermahnung, „sie, deren Taten mit der Erkenntnis, die sie besitzen, übereinstimmen, welche die Gesetze Gottes beobachten und die Dinge beschließen, die Gott im Buche beschlossen hat. Wisse, daß sie die Lampen der Führung sind zwischen Erde und Himmel. Jene, welche keine Rücksicht auf Stellung und Verdienste der Geistlichen unter ihnen nehmen, haben, wahrlich, die ihnen zugedachte Wohltat Gottes geändert“.

Liebe Freunde! Ich habe in den vorangehenden Seiten diese welterschütternde Heimsuchung, die ihren Griff auf die Menschheit legte, in erster Linie darzustellen versucht als ein von Gott ausgesprochenes Gericht über die Völker der Erde, die schon ein Jahrhundert lang sich geweigert haben, den Einen anzuerkennen, dessen Kommen allen Religionen verheißen worden ist und in dessen Glauben allein alle Völker ihre wahre Rettung suchen können und schließlich suchen müssen. Ich habe gewisse Stellen aus den Schriften von Bahá’u’lláh und dem Báb angeführt, welche die Wesensart dieser von Gott verhängten Heimsuchung enthüllen und ihr Kommen voraussagen. Ich habe die leidvollen Prüfungen aufgezählt, die dem Glauben, seinem Herold, seinem Begründer und seinem Vorbild auferlegt worden sind, und das tragische Versagen der Menschheit und ihrer Führer im allgemeinen bloßgelegt, gegen diese Trübsale einzuschreiten und die Ansprüche derer, die sie ertragen mußten, anzuerkennen. Ich habe des weiteren angezeigt, daß eine unmittelbare, furchtbare, unentrinnbare Verantwortung auf den Staatsoberhäuptern der Erde und auf den religiösen Führern der Welt ruht, die in den Tagen des Báb und Bahá’u’lláh’s die Zügel [Seite 30] unumschränkter politischer und religiöser Gewalt in ihren Händen hielten. Ich habe mich auch zu zeigen bemüht, wie, als Ergebnis der unmittelbaren und tätlichen Feindschaft einiger von ihnen gegen den Glauben und, bei anderen, der Vernachlässigung ihrer unbestreitbaren Pflicht, seine Wahrheit und seine Ansprüche zu erforschen, seine Unschuld zu verteidigen und das ihm angetane Unrecht zu ahnden, sowohl Könige wie Geistliche furchtbaren Strafen unterworfen worden sind und noch werden, die ihre Tat- und Unterlassungssünden herausgefordert haben. Ich habe, angesichts der Hauptverantwortung, die sie sich zuzogen als Folge des unbestrittenen Einflusses, den sie über ihre Untertanen und Anhänger ausübten, ausgiebig von den an sie durch die Begründer unseres Glaubens gerichteten Botschaften, Ermahnungen und Warnungen zitiert und mich über die Folgen verbreitet, die diesen bedeutsamen, epochemachenden Aussprüchen entströmt sind.

(Fortsetzung folgt)



ZUM THEMA „CHRISTENTUM UND BUDDHISMUS“[Bearbeiten]

oder

Über die Unzulänglichkeit der menschlichen Sprache

Aus einem Brief


... Sie bezweifeln, daß die Lehre des Buddha im Kern die gleiche ist wie die Lehre von Bahá’u’lláh. Es scheint mir dies bei Ihnen nur damit erklärbar, daß Sie die grundsätzliche Unzulänglichkeit des Schriftworts als Gefäß für die Wahrheit noch nicht genügend erkannt haben. Das ist aber eine der für den geistigen Fortschritt des Menschen wichtigsten Erkenntnisse, wenn sie auch nicht so ganz leicht ist: die Erkenntnis, daß man eine und dieselbe Wahrheit in — für das bloße verstandliche Erfassen — völlig verschiedene, sogar gänzlich sich widersprechende Worte gekleidet finden kann, oder umgekehrt, daß es möglich ist, in einem und demselben Wort verschiedener Bedeutung zu begegnen.

Suchen wir das Gesagte eben einmal an unserem in Frage stehenden Fall zu veranschaulichen. So sagt der dogmatisch gebundene Christ scheinbar mit Recht, daß der Buddhismus doch offensichtlich reines „Heidentum“ darstelle, geistigen Nihilismus, da er vom Nirwana spreche, vom Aufgehen im Nichts, damit also Gott leugne. Der aufgeschlossene, aufrichtig strebende und nach der Wahrheit ringende Christ aber, der es mit dem Leben nach seiner eigenen Lehre wirklich ernst nimmt, wird auf Grund seines inneren Erlebens und wenn er sich dabei gelegentlich unvoreingenommen in die Lehren des Buddha vertieft, ganz von selbst zur Erkenntnis gelangen, daß der Buddha mit Seinem Nirwana nichts anderes gemeint haben kann, als Christus mit Seinem „inwendigen Himmelreich“, mit Seiner Aufforderung zur Selbstentäußerung, mit Seinem „Wer sein Leben verliert um Meinetwillen, der wird es gewinnen“. — So hat jeder von beiden in der Sprache der Begriffswelt seiner Zeit und Umgebung gesprochen, und beide meinten dabei dasselbe. Daher sagt Bahá’u’lláh in [Seite 31] bezug auf das von allen Gottgesandten verkündete Wort: „Blicket auf seine Einheit und nicht auf seine scheinbaren Verschiedenheiten“, und Mohammed drückt es folgendermaßen aus: „In Mir sind alle Propheten verkörpert, und ebenso bin Ich Adam, Noah, Moses, Christus.“

Nebenbei erwähnt, soll Buddha ja sogar selbst einmal gesagt haben:

„In einer Hinsicht kann, Siha, wer die Wahrheit von Mir sagt, behaupten: Buddha lehrt Vernichtung, verkündet Seine Lehre mit diesem Ziel und lenkt zu ihm Seine Jünger. Aber in welcher Hinsicht kann, wer die Wahrheit von Mir sagt, so sprechen? Ich lehre die Vernichtung des Begehrens, der Bosheit, der Verblendung. Ich lehre die Vernichtung vieler schlechter, nicht zum Heil dienender Dinge. In dieser Hinsicht, Siha, kann, wer die Wahrheit von Mir sagt, behaupten: Gotama lehrt Vernichtung.“

Was ist das anderes, als es uns auch, im Grunde genommen, aus jedem der „Verborgenen Worte“ von Bahá’u’lláh entgegenstrahlt? Im übrigen bezeichnet die Bahá’i-Lehre Buddha ausdrücklich als göttliche Manifestation.

Mit alledem sei, wie gesagt, in erster Linie vor Augen geführt, daß es sich bei der Hervorhebung dieser „Verschiedenheiten“ — zumal wenn dabei sogar noch menschliches Schrifttum „über“ diese göttlichen Lehren mit hereinspielt — letzten Endes nur um einen verstandesmäßig bedingten Streit um bloße Worte handeln kann, um die doch ach so unzulänglichen Worte! Wenn man nur endlich mehr begreifen würde, was für ein unvollkommenes Mittel zur Erfassung der ganzen Wahrheit die Sprache ist, wie sehr schon deren Gebrechlichkeit zu gegenseitigem Mißverstehen und zu allgemeiner Verwirrung führen kann, wenn nicht genügend Einsicht und Duldsamkeit bei ihrem Gebrauch obwalten. Aber lieber blieb man von jeher und bleibt noch immer an den Widersprüchen von vornherein hängen und blickt mehr oder weniger verblüfft oder rechthaberisch auf sie, anstatt grundsätzlich erst einmal nach einem hinter dem Widerspruch stehenden einheitlichen Sinn zu suchen.

Zu diesem letzteren Verhalten wird sich ständig ganz von selbst getrieben fühlen, wer wirklich ernsthaft zum Erleben der ursprünglichen Einheit alles Seins durchzudringen sucht. Er wird dieses Verhalten allen Widersprüchen des Lebens gegenüber in Anwendung bringen, im Sinne jenes Wortes von Bahá’u’lláh:

„Die Einheit in ihrem wahren Sinn bedeutet, daß Gott allein als die einzige Macht gedacht werden soll, die alle Dinge belebt und beherrscht, die ja nur Offenbarungen Seiner Schöpferkraft sind.“

Nur wer sich nach der großen Einheit sehnt, um ihretwillen zu leiden bereit ist und sie nach Kräften erstrebt, auch über die Unzulänglichkeit des Wortes der menschlichen Sprache hinweg, nur der wird bei seinem Suchen nach dem Heil den richtigen Weg finden.

Lassen Sie mich zur Erhärtung des Dargelegten noch ein Wort des Báb anführen. „Gehet“, so sagt Er, „der Sicht nicht verlustig durch die Namen des Eigners der Namen (d. h. Gottes), selbst nicht durch den Namen ‚Prophet‘, denn auch dieser Name ist kraft Seines Wortes erschaffen.“*)

Wer anders aber als ein neuer [Seite 32] Gottgesandter trüge die Machtvollkommenheit und die Weisheit in sich, um die Menschenwelt aus ihrer jetzigen heillosen Zerrissenheit auf allen Gebieten sicher zu dauerhafter Einheit zu führen?!...

0.G.


*) Aus L’Epître au Fils du Loup, Edition Champion, Paris 1913, Seite 175, Zeile 15-17.



AUS DER BAHA’I-WELT[Bearbeiten]

Bahá’i-Sommerschule 1950 in Eßlingen

Außer der ersten Sommerschule in Frankfurt, die dort über Pfingsten vorgesehen ist, findet die zweite Sommerschule 1950 im traditionellen Eßlinger Bahá’i-Heim vom 6. bis einschließlich 13. August statt. (Näheres über Unterkunft und Preise durch den Sekretär des Geistigen Rates in Eßlingen, Frl. Marta Weiß, Eßlingen a. N., Kesselwasen 4; Anmeldungen ebenfalls an diese Anschrift erbeten.) Die Themen der Arbeitskreise sind: „Du und die Weltordnung“, „Bahá’i-Weltreligion und Christentum“, „Bahá’i-Lehrpflicht“ und „Unser Fünfjahresplan“. Die Arbeitskreise werden durch Frau Beatrice Ashton (USA), Frau Dr. Heide Jäger, Dr. Eugen Schmidt, Frau Johanna v. Werthern, Julius Henseler und Artur Bonnacker geleitet. Der Mittwoch-Abend bringt einen Vortrag von Günther Heyd, Hamburg. Die übrigen Abende und der Mittwoch-Nachmittag dienen der Entspannung und bieten den Teilnehmern Gelegenheit zu Spaziergängen in die wald- und ausblickreiche nächste Umgebung.

A.G.


Konferenz des Europäischen Bahá'i-Lehrausschusses in Kopenhagen

Vom 24. bis 31. Juli 1950 findet in Elsinore, unweit von Kopenhagen, die diesjährige Konferenz des Europäischen Lehrausschusses und im unmittelbaren Anschluß daran die 1. Europäische Bahá’i-Sommerschule statt. Die europäischen sogenannten „Zielländer“ werden Vertreter zu dieser übernationalen Bahá’i-Veranstaltung entsenden. Auch die deutschen Bahá’i, bzw. der Nationale Geistige Rat der Bahá’i in Deutschland und Österreich e. V. ist gebeten worden, einen Delegierten für diese Kopenhagener Konferenz zu ernennen.

Diese Konferenz, wie auch die Bahá’i-Sommerschule, finden in den Räumen der „Internationalen Schule“ in Elsinore statt, die von der UNESCO und anderen kulturellen Organisationen benützt wird und als besonders günstiger Tagungsort bezeichnet wird, der bequem 300 Menschen in den verschiedenen Gebäuden aufnehmen kann.

E.Sch.


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Zeitungsumschau

In der „Neuen Sonntagszeitung“, Jahrgang 1949/4 lesen wir, daß sich „neuerdings auch die internationale Bahá’i-Gemeinschaft in hundert Ländern“ darum bemühe, „eine neue Weltordnung durch Anerkennung religiöser Kräfte zu schaffen und Verbindungen herzustellen über die Grenzen der Völker, der Rassen und Klassen hinweg.“ Die Zeitung weist in diesem Zusammenhang auf das Buch von Dr. Manoutchehr Zabih, betitelt „Die Lösung der sozialen Fragen auf Grund der Bahá’i-Lehren“ hin und zitiert daraus u. a. das Wort von 'Abdu'l-Bahá: „Das größte Glück liegt in der Beglückung anderer.“

Es sind bis jetzt noch sehr wenige Zeitungen und Zeitschriften, die Bahá’i-Publikationen positiv besprechen, weshalb wir obigen Hinweis umsomehr begrüßen. Die „Neue Sonntagszeitung“ stellt damit ihre Unabhängigkeit und Vorurteilslosigkeit unter Beweis, mit denen weltanschauliche, wirtschaftliche und wissenschaftliche Fragen erörtert werden. Dieses Blatt erscheint monatlich in Stuttgart S, Wernhaldenstraße 26.



Herausgeber: Der Nationale Geistige Rat der Bahá’i in Deutschland und Österreich, e. V., Stuttgart. Verantwortlich für die Herausgabe: Paul Gollmer, Stuttgart O, Neckarstraße 127. In der „Sonne der Wahrheit“ finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Alle auf den Inhalt der Zeitschrift bezüglichen Anfragen, ferner schriftliche Beiträge, Besprechungsexemplare wie auch alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften sind an Dr. Eugen Schmidt, Stuttgart N, Menzelstr. 24, zu senden. — Abonnementbestellungen sowie Zahlungen sind an die Geschäftsstelle der „Sonne der Wahrheit“, Paul Gollmer, Stuttgart O, Neckarstraße 127, Postscheckkonto Stuttgart Nr. 35 768, zu richten.

Druck von J. Fink KG., Stuttgart N — März-April 1950

Veröffentlicht unter Lizenz US-W-Nr. 6871 der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung.


[Seite 33]

diesem Tage wirkt, letzten Endes diesen Zustand herbeizuführen fähig ist. Noch mehr: Der Bahá’i-Glaube legt seinen Anhängern vor allem die Pflicht des ungehemmten Suchens nach Wahrheit auf, verwirft alle Arten von Vorurteil und Aberglauben und erklärt, daß der Zweck der Religion die Förderung von Freundschaft und Eintracht sei; er verkündet in wesentlichen Fragen ihr Zusammengehen mit der Wissenschaft und erkennt sie als die größte Kraft der Befriedigung und des geregelten Fortschrittes der Menschheit. Er hält ohne Zweideutigkeit den Grundsatz gleicher Rechte, gleicher Möglichkeiten und Vorrechte für Männer und Frauen hoch, besteht auf guter Erziehung als Pflicht, tilgt die Extreme von Armut und Reichtum aus, schafft die Einrichtungen eines Priesterstandes ab, verbietet Sklaverei, Askese, Bettelei und Mönchtum und schreibt Einehe vor, mißbilligt Scheidung, betont die Notwendigkeit festen Gehorsams zur Regierung, erhöht jede Arbeit, die im Geiste des Dienens getan wird, auf den Rang des Gottesdienstes, drängt auf die Schaffung oder Auswahl einer Welthilfssprache und gibt einen Umriß für die Einrichtungen, welche den Weltfrieden begründen und dauerhaft machen sollen.


Der Herold

Der Bahá’i-Glaube kreist um drei Hauptgestalten, deren erste ein Jüngling aus Schiras namens Mirzá ‘Ali Muhammád war, bekannt als der Báb (das Tor). Er erhob im Mai 1844, im Alter von 25 Jahren den Anspruch, der Herold Dessen zu sein, der nach den Heiligen Schriften früherer Offenbarungen den Einen, der größer ist als Er selbst, verkünden und den Weg für Sein Kommen bereiten soll. Seine Sendung sei, nach eben diesen Schriften, eine Ära des Friedens und der Gerechtigkeit einzuleiten, die als die Vollendung aller früheren Sendungen begrüßt würde, um einen neuen Zyklus in der Religionsgeschichte der Menschheit einzuleiten. Rasch setzte strenge Verfolgung ein, die von den organisierten Mächten der Kirche und des Staates Seines Geburtslandes ausging und schließlich zu Seiner Gefangenschaft, Verbannung und zu Seiner Hinrichtung im Juli 1850 in Täbris führten. Nicht weniger als 20000 Seiner Anhänger wurden in so barbarischer Grausamkeit hingemordet, daß sie das warme Mitgefühl und die unbegrenzte Bewunderung abendländischer Schriftsteller, Diplomaten, Reisender und Gelehrter hervorrief.


Bahá’u’lláh

Mirzá Husayn - ‘Ali, genannt Bahá’u’lláh (die Herrlichkeit Gottes), aus der Provinz Mázindarán stammend, dessen Kommen der Báb verkündet hatte, wurde von diesen gleichen Mächten der Dummheit und des Fanatismus angegriffen, in Teheran eingekerkert, 1852 aus Seinem Heimatland nach Bagdad verbannt und von dort nach Konstantinopel und Adrianopel und schließlich in die Gefängnisstadt Akka, wo Er nicht weniger als 24 Jahre noch gefangengehalten wurde. Unweit davon starb Er im Jahre 1892. In der Zeit seiner Verbannung, vor allem in Adrianopel und in Akka, gab Er den Gesetzen und Vorschriften Seiner Sendung Ausdruck und erklärte in mehr als hundert Bänden die Grundsätze Seines Glaubens, verkündete Seine Botschaft den Königen und Herrschern des Ostens und des Westens, Christen sowohl wie Mohammedanern.


‘Abdu’l-Bahá

Sein ältester Sohn, ‘Abbás Effendi, bekannt als ‘Abdu’l-Bahá (Diener Bahá’s), war von Bahá’u’lláh zu dessen gesetzlichem Nachfolger und bevollmächtigtem Ausleger Seiner Lehren ernannt worden. Er war seit Seiner frühesten Kindheit Seinem Vater eng verbunden und teilte dessen Verbannung und Leiden. Er blieb ein Gefangener bis 1908, wo Er in Auswirkung der jungtürkischen Revolution aus der Haft entlassen wurde. Nunmehr verlegte Er Seinen Wohnsitz nach Haifa, schiffte sich dann bald zu einer drei Jahre langen Reise nach Ägypten, Europa und Nordamerika ein, in deren Verlauf Er vor einer zahlreichen Hörerschaft die Lehren Seines Vaters auslegte und das Nahen der Katastrophe voraussagte, die bald darauf die Menschheit überfallen sollte. Er kehrte nach Hause zurück am Vorabend des ersten Weltkrieges, in dessen Verlauf Er dauernd Gefahren ausgesetzt war bis zur Befreiung Palästinas.

1921 verließ Er diese Welt. Er wurde in dem auf dem Berge Karmel errichteten Grabmal beigesetzt, das nach dem Gebot Bahá’u’lláh’s für die sterblichen Reste des Báb errichtet war.


Die Verwaltungsordnung

Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahá’s bedeutete das Ende des heroischen Zeitalters des Bahá’i-Glaubens und bezeichnete zugleich den Beginn des gestaltgebenden Zeitalters, das den schrittweisen Aufstieg der Verwaltungsordnung des Glaubens schaffen soll. Ihre Errichtung war von dem Báb vorhergesagt, ihre Gesetze wurden von Bahá’u’lláh geoffenbart, ihre Umrisse wurden von 'Abdu'l-Bahá in Seinem Willen und Testament vorgezeichnet.

Die Verwaltungsordnung des Glaubens von Bahá’u’lláh ist dazu bestimmt, sich zu einem Bahá’i-Weltgemeinwesen zu entwickeln. Sie hat schon die Angriffe überdauert, die solche furchtbaren Feinde wie die Könige der Kadscharen-Dynastie, die Kalifen des Islam, die führenden Geistlichen Ägyptens und das Naziregime in Deutschland gegen ihre Einrichtungen gerichtet hatten, und hat ihre Zweige in alle Teile der Erde ausgedehnt, von Island bis zum äußersten Chile. Sie hat in ihren Bereichen die Vertreter von nicht weniger als 31 Rassen, darunter Christen verschiedener Bekenntnisse, Muselmänner der [Seite 34] sunnitischen und schiitischen Sekten, Juden, Hindu, Sikhs, Zoroastrer und Buddhisten. Sie hat durch ihre festgesetzten Organe Bahá’i-Schriften in 48 Sprachen veröffentlicht und verbreitet.

Diese Verwaltungsordnung ist, im Unterschied von den anderen Systemen, die sich nach dem Tode der Gründer in den verschiedenen Religionen entwickelt haben, göttlich in ihrem Ursprung, beruht mit Gewißheit auf den Gesetzen, Vorschriften, Verordnungen und Einrichtungen, die vom Begründer des Glaubens selbst ausdrücklich niedergelegt und unzweideutig festgesetzt sind und waltet in fester Übereinstimmung mit den Auslegungen der bevollmächtigten Ausleger der heiligen Texte.

Der Glaube, dem diese Ordnung dient, den sie schützt und fördert, ist, das sollte in diesem Zusammenhang wohl bemerkt werden, in seinem Wesen übernatürlich, übernational, gänzlich unpolitisch, parteilos und jedem System oder jeder Schule von Ideen, die irgendeine besondere Rasse, Klasse oder Nation über die andere zu stellen sucht, völlig entgegengesetzt. Er ist frei von jeglicher Form von Kirchentum, hat weder Priesterstand noch Riten und wird allein durch freiwillige Gaben seiner erklärten Anhänger getragen.

Wenn auch die Bekenner des Bahá’i-Glaubens ihren Regierungen treu ergeben sind, in Liebe ihrem Vaterland verbunden und darauf bedacht, zu allen Zeiten dessen Wohl zu fördern, so werden sie doch, weil sie die Menschheit als eine Einheit betrachten und deren Lebensinteressen tief verpflichtet sind, ohne Zögern jedes Einzelwohl, sei es persönlich, örtlich oder national, dem übergeordneten Wohl der Menschheit als Ganzes unterordnen; denn sie wissen gar wohl, daß in einer Welt der gegenseitigen Abhängigkeit der Völker und Nationen der Vorteil des Teiles am besten durch den Vorteil des Ganzen erreicht werden kann, und daß kein Dauererfolg durch eines der zugehörigen Teile erreicht werden kann, wenn das Allgemeinwohl des Ganzen hintangestellt wird.

Shoghi Effendi


Die zwölf Grundsätze der Bahá’i-Weltreligion


1. Die gesamte Menschheit muß als Einheit betrachtet werden.

2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.

3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.

4. Die Religion muß die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.

5. Die Religion muß mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.

6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.

7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.

8. Der Weltfrieden muß verwirklicht werden.

9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung erfahren.

10. Die sozialen Fragen müssen gelöst werden.

11. Es muß eine Einheitssprache und eine Einheitsschrift eingeführt werden.

12. Es muß ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.