Sonne der Wahrheit/Jahrgang 2/Heft 8/Text

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SONNE

DER

WAHRHEIT
Heft VIII OKT. 1922
ORGAN DES DEUTSCHEN BAHAI-BUNDES STUTTGART


[Seite 112] Die Hauptpunkte der Bahailehre

1. Die gesamte Menschheit ist als Einheit anzusehen. Alle Vorurteile gegenüber anderen Menschen, Völkern und Rassen müssen beseitigt werden.

2. Alle Religionen müssen sich in einer höheren Einheit zusammenfinden. Ein Gott, eine Religion.

3. Durch einen festgegliederten, allumfassenden Völkerbund und ein internationales Schiedsgericht muß der universale, dauernde Weltfrieden gesichert werden.

4. Neben der Muttersprache soll in jedem Land der Erde eine Welt-Einheitssprache eingeführt und gelehrt werden.

5. Jeder Mensch hat dasselbe Anrecht auf die geistigen und materiellen Güter des Lebens.

6. Die Menschen haben die Pflicht, nach Wahrheit zu forschen. Zwischen wahrer Religion und Wissenschaft besteht kein Widerspruch.

7. Beide Geschlechter sollen die beste Erziehung und eine der Begabung entsprechende Ausbildung erhalten.

8. Mann und Frau haben überall die gleichen Rechte. Jede Art von Hörigkeit ist streng verboten.

9. Für jeden Menschen besteht die Pflicht zur Arbeit. Für Arbeitsunfähige und Erwerbslose tritt eine gesetzliche staatliche Fürsorge ein.

10. Die schlimmen Wirkungen des Kapitalismus werden durch ein neugeordnetes, weises Erbrecht und durch geeignete Sozialisierung beseitigt.

11. Für jedes Gemeindewesen, wie für den Staaten- und Völkerbund, wird eine Verwaltungsbehörde mit bestimmten Verordnungsrechten u. Fürsorgepflichten -— das sog. Haus der Gerechtigkeit — eingesetzt. Im übrigen hat der Bahai jeder staatlichen Obrigkeit zu gehorchen.

12. Die Bahailehre ist die Universal- und Einheitsreligion für die ganze Menschheit. Der Mittelpunkt des neuen Gottesbündnisses und der Erklärer der Lehre ist Abdul Baha (Abbas Effendi), dem diese Stellung von seinem Vater Baha’u’llah (Hussein Ali-Nuri) übertragen wurde.


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SONNE    DER  WAHRHEIT
ORGAN DES DEUTSCHEN BAHAI-BUNDES
Herausgegeben vom Verlag des Deutschen Bahai-Bundes Stuttgart
Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz - Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3
Preis des Einzelheftes M. 11.—, Preis des Jahrgangs im Abonnement, vierteljähr. M. 30.—
Heft 8 Stuttgart, im Oktober 1922 2. Jahrgang

Inhalt: Gebet von Abdul Baha. — Ein Tablet Baha’ Ullahs. — Ein Tablet Abdul Bahas. — Worte von Abdul Baha in Akka. — Tischgespräche Abdul Bahas. — Beantwortete Fragen von Abdul Baha. — Munirih Khanum, die Gattin Abdul Bahas. — Worte von Abdul Baha. — Prof. Brown in Akka und seine Begegnung mit Baha’ Ullah und Abdul Baha — In welchem Geist die Bahai-Versammlungen gehalten werden sollen. — Vom Bahaikongreß in Stuttgart. — Memortagoj kaj-jaroj. — La Bahaanoj devas labori per koro kaj animo, por plibonigi la statojn en la mondo. — Pri kalumnioj. — Sen spiriteeo ne povas estis vera felico kaj vera progreso.


Rufe die Botschaft vom Königreich in alle Welt hinaus, schweige nicht, sei nicht stumm, lehre die große Sache!
Abdul Baha.

Göttliche Führung ist die Gabe des Herrn des Himmelreichs und Erleuchtung
ist ewige Gnade des himmlischen Vaters. Jeden Augenblick haucht sie neuen Geist ein und jede Stunde gewährt sie mächtige Kraft; sie befreit die Menschen vom Gebundensein an das Materielle und gibt ewiges Leben im göttlichen Universum.
Abdul Baha.
GEBET VON ABDUL BAHA

O du vergebender Gott!

Diese deine Diener wenden sich zu deinem Königreich und suchen deine Gnade und deine Gaben.

O Gott! Mache ihre Herzen gut und rein, damit sie deiner Liebe würdig werden. Reinige und heilige ihren Geist, damit das Licht der Sonne der Wirklichkeit aus ihnen scheinen möge. Reinige und heilige ihre Augen, daß sie deine Sonne sehen; öffne und heilige ihre Ohren, damit sie den Ruf von deinem Königreich vernehmen!

O Herr! Wahrlich, wir sind schwach, du aber bist mächtig. Wir sind arm, du aber bist reich. Wir sind die Suchenden, du bist der Gesuchte.

O Herr! Habe Geduld mit uns, vergib uns, verleihe uns allen die nötigen Fähigkeiten! Mache uns bereitwillig und deiner Güte würdig, daß wir angezogen werden von deinem Königreich und in Glut geraten durch das Feuer deiner Liebe, damit wir in diesem leuchtenden Jahrhundert neu belebt werden durch den Odem deines heiligen Geistes.

Du bist kraftvoll, du bist allmächtig! Du bist barmherzig und allgütig !

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Fin Tablet Baha’ Ullahs.
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Er ist Gott!

O Freunde der Wahrheit!

Dieses dauernde Leiden, dieses ununterbrochene Elend ertrage ich zu dem Zweck, daß die Seelen die Gottesgewißheit in sich tragen und sich mit der größten Einigkeit untereinander verbinden sollen, damit Mißklang und Unterschiede zwischen ihnen schwinden, ausgenommen die Verschiedenheiten, von denen in den hl. Büchern geschrieben steht. Der Mensch, der verinnerlicht ist, sieht keine Unvollkommenheit in irgend einem Zustand. Was auch geschehen mag ist ein Beweis seiner Entwicklung zur Reinheit seines Wesens. Z.B. wenn sich Seelen demütigen, so kehrt tatsächlich diese Demütigung zu Gott selbst zurück, denn sie beachten dadurch sein Wort und sie werden dafür belohnt werden. Wer edle Taten vollbringt, wird stets Belohnung dafür erhalten. Der Kummer aber, den das Tun der Gegner zeitigt, wird auch auf sie selbst zurückfallen. Ebenso, wenn eine Seele anmaßend wird, so steigt diese Anmaßung zu Gott empor. - Lasset uns Zuflucht bei Gott dagegen suchen!

O Volk der Erkenntnis! Ich erkläre beim Größten Namen, daß es ein Uebel für euch ist, euch mit kleinlichen Dingen zu beschäftigen. Erhebt euch um der Sache Gottes willen und schließt euch zusammen in größter Liebe und Aufrichtigkeit um des Antlitzes des Geliebten willen. Verbrennt die Hüllen der Selbstsucht und Eigenliebe mit den Flammen der Einigkeit und verkehrt unter einander mit strahlendem und heiterem Gesicht. Ihr alle habt mit eigenen Augen das Wesen der Wahrheit erschaut.

Nicht eine einzige Nacht ist dahingegangen, in der auch nur einer der Freunde Gottes von diesem Gefangenen (Baha ’Ullah) getrennt gewesen wäre. Das Herz der Welt brennt von Verlangen nach dem Worte Gottes. Es ist ein Jammer, daß die Menschen nicht in Flammen geraten durch dieses Feuer. So es der Wille Gottes ist, so hoffen wir, daß ihr diese gesegnete Zeit „den Abend der Einigung“ nennt. Einigt euch untereinander und schmückt euch mit dem Kleid der göttlichen Güte und Führung. Euer Bemühen soll sein, eine irrende, zu Grunde gehende Seele zur Lehre der Einheit zu führen und euch inmitten anderer so zu benehmen, daß die Zeichen der Wahrheit an euch sichtbar werden, denn ihr seid die ersten wahrhaft Lebenden, die ersten wahren Anbeter, die ersten, die sich demütigten und die ersten, die die hl. Schwelle umgeben. Bei dem Alleinigen, der mich veranlaßte zu äußern, was Sein Wille ist, eure Namen sind im erhabenen Reich höher geachtet, als sie bei euch selbst es sind. Denkt nicht, daß diese Worte eine Einbildung seien. Ich wünschte, ihr könntet sehen, wie euer Herr, der Barmherzige, auf die Erhabenheit eurer Stufe, die Höhe eurer Entwicklung und die hohe Stufe eurer Stellung schaut. Wir bitten zu Gott, daß eure Wünsche euch nicht von dem abhalten, was für euch bestimmt wurde. Wir hoffen, daß ihr die größte Harmonie, Liebe und Freundschaft unter einander bezeugt und daß das Banner der Einheit auf Erden gehißt werde. Ueberbietet einander in guten Taten und dadurch, daß ihr euch zufrieden zeigt.

Ihm gebührt die Macht! Er tut nach Seinem Willen und regiert, wie Er will; denn wahrlich, Er ist der Kraftvolle, der Erhabene, der Mächtige!

Übersetzt von A. Schwarz.

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Ein Tablet Abdul Bahas.

An die Gläubigen Gottes und an die Dienerinnen des Barmherzigen der Bahai-Gemeinden in den Vereinigten Staaten Amerikas und in Kanada.

Mit ihnen sei Baha EI Abha.

Er ist Gott!

O Ihr Jünger Baha ’Ullah’s — möge mein Leben ein Opfer für Euch sein!

Die gesegnete Person des Verheißenen wird in den hl. Schriften „Herr der Heerscharen“ (d.h. der göttlichen Heerscharen) genannt. Unter diese werden jene gerechnet, die gänzlich befreit sind von der irdischen Welt, deren Geist vom himmlischen Geist umgewandelt ist und die zu göttlichen Engeln geworden sind. Solche Seelen sind die Strahlen der Wahrheitssonne, die alle Erdteile erhellen werden. Ein jeder hält gleichsam eine Posaune in Händen und bläst den Lebenshauch nach allen Ländern hin. Sie sind frei geworden von den menschlichen Eigenschaften und den Fehlern der materiellen Welt, sie sind mit den Eigenschaften Gottes ausgezeichnet und sind umgeben von den Düften des Barmherzigen. Wie die Jünger Christi von seinem Geist erfüllt waren, sind auch diese Seelen erfüllt vom Geist Baha ’Ullah’s, d.h. die Liebe Baha’Ullahs regiert jedes Organ, jeden einzelnen Teil, jedes Glied ihres Körpers in einer Weise, daß die Dinge der menschl. Welt keinen Eindruck mehr auf sie machen.

Diese Seelen sind die Heere Gottes und die Eroberer des Ostens und Westens. Wenn eine aus ihrer Mitte ihr Angesicht nach irgend einer Richtung wendet und die Menschen zum Reich Gottes läd, so werden alle göttlichen Kräfte zu ihrer Hilfe und Stärkung herbeieilen. Alle Tore werden sie geöffnet und alle festen Burgen und unbezwingbaren Festungen vor sich niedergerissen sehen. Allein und als Einzelner wird eine solche Seele die Armeen der Welt angreifen, das Recht verteidigen und den rechten und linken Flügel der Scharen aller Länder schlagen, durch die Linien der Legionen aller Nationen brechen und den Angriff auf den Mittelpunkt weltlicher Macht richten. Dies sind die Heerscharen Gottes. Wer es auch sei unter den Gläubigen Baha ’Ullah’s, der diese Stufe erreicht, wird als Jünger Baha ’Ullahs bekannt werden. Müht Euch daher mit Herz und Seele, damit ihr diese hohe und außerordentliche Stellung einnehmen könnt, laßt Euch am Thron der ewigen Herrlichkeit nieder und schmückt Eure Häupter mit den leuchtenden Diademen des Königreichs, deren blitzende Juwelen Jahrhunderte und Aeonen hindurch leuchten werden.

O Ihr lieben Freunde! Erhebt Euch mit großem Mut und steigt auf zum höchsten Gipfel, damit Eure gesegneten Seelen Tag für Tag mehr erleuchtet werden durch die Strahlen der Sonne der Wirklichkeit, welche Baha ’Ullah ist. Jeden Augenblick möge Euer Geist neu belebt werden und die Finsternis der materiellen Welt möge vollständig verschwinden, damit Ihr verkörpertes Licht und verkörperter Geist werdet und Ihr die häßlichen Dinge dieser Welt nicht mehr gewahr werdet, sondern in Berührung tretet mit den Dingen der göttlichen Welt.

„Erwägt, welche Tore Baha ’Ullah vor Euch geöffnet hat, für welch hohe und erhabene Stellung Er Euch bestimmte und welche Gnade Er Euch bereitet hat. Würden wir trunken von diesem Kelch werden, so würden die Herrscher dieser irdischen Welt geringer uns erscheinen als ein kindliches Spielzeug. Sollten sie auf einem Platz die Kronen der Regierungen der ganzen Welt niederlegen und uns einladen, diese anzunehmen, so würden wir zweifellos nicht einwilligen und die Annahme zurück weisen.

Diese hohe Stufe zu erreichen hängt jedoch von der Erfüllung gewisser Bedingungen ab. Die erste Bedingung ist Festigkeit im Bund Gottes; denn die Macht des Bundes wird die Sache Baha ’Ullahs schützen vor den Zweifeln der sich im Irrtum befindlichen Menschen. Es ist die feste Burg der Gottessache und die feste Säule der Religion Gottes. Heute kann keine irdische Macht die Einheit der Bahaiwelt bewahren außer dem Bunde Gottes, sonst würden Differenzen [Seite 116]“ wie ein gewaltiges Gewitter über die Bahaiwelt kommen. Es ist klar, daß die Grundlage der Einheit der menschl. Welt die Macht des Bündnisses ist und nichts anderes: Wäre das Bündnis nicht zustande gekommen, wäre es nicht von der „hohen Feder" geoffenbart worden und hätte nicht das Buch vom Bunde wie ein Strahl von der Sonne der Wahrheit die Welt erleuchtet, so wären die Kräfte der Gottessache gänzlich zerflattert und gewisse Seelen, die in den Banden der eigenen Leidenschaft und Lust liegen, hätten eine Axt in die Hand genommen und die Wurzel dieses gesegneten Baumes abgehauen. Jedermann hätte seine eigenen Wünsche in den Vordergrund gestellt und jedes hätte seine eigene Meinung geäußert. Trotz dieses großen und festen Bündnisses sind einige abtrünnige Seelen mit ihrem Gefolge in das (geistige) Schlachtfeld gezogen, weil sie dachten, sie könnten vielleicht die Grundlage der Gottessache erschüttern, doch — Gott sei gelobt — sie alle sind unter Reue und Verlust geschlagen worden, und es wird nicht lange dauern, so werden sie in großer Verzweiflung sein.

Deshalb muß man im Anfang festen Fuß fassen im Bündnis, damit die Kräfte von Baha ’Ullah von allen Seiten uns nahen, die Heerscharen der erhabenen Menge unsere Stützen und Helfer werden und die Ermahnungen und Weisungen Abdul Baha’s wie eine Schrift in Stein gemeißelt dauernd und unverlöschlich auf den Tafeln der Herzen geschrieben stehen. — —

Übersetzt von A. Schwarz.


Worte von Abdul Baha in. Akka.

Abdul Baha sagte, daß wir mit der Himmelssprache sprechen sollten — der Sprache des Geistes — denn es gibt eine Sprache des Geistes und Herzens. Sie ist so verschieden von unserer Sprache, wie diese von der Ausdrucksweise der Tiere verschieden ist, die sich nur in Tönen und Lauten ausdrücken.

„Wenn wir zu Gott beten, so erfüllt unser Herz ein besonderes Gefühl; dies ist die Sprache des Geistes, die zu Gott spricht.

Wenn wir während des Gebetes von allen Dingen losgelöst sind und uns Gott zukehren, dann ist es, als ob wir in unserem Herzen Gottes Stimme vernehmen. Ohne Worte zu sprechen, verbinden wir uns und halten Zwiesprache mit Gott und vernehmen die Antwort darauf.

Es ist gesagt, daß Moses in der Wüste die Stimme Gottes vernommen habe. Diese Wildnis aber, dieses heilige Land bedeutete sein eigenes Herz. Wir alle können, wenn wir einen wirklichen geistigen Zustand erlangen, die Stimme Gottes vernehmen, die zu uns in dieser Wüste redet. Wir müssen uns bemühen, in diesen Zustand einzutreten durch Loslösung von allen Dingen und Menschen dieser Erde und dadurch, daß wir uns Gott allein zuwenden. Es bedarf der Anstrengung von Seiten des Menschen, diesen Zustand zu erreichen; er muß daher darauf hinarbeiten, darnach streben.

Wir können soweit gelangen, daß wir weniger um materielle Dinge uns sorgen und an sie denken, als an geistige. Je mehr wir uns von den einen entfernen, desto näher kommen wir den andern - die Wahl steht uns frei.

Unser geistiges Wahrnehmungsvermögen, unser Innerstes muß geöffnet werden, damit wir die Zeichen und Spuren von Gottes Geist in allem wahrnehmen. Alles kann uns von Gott reden, alles kann uns das Licht des Geistes widerspiegeln.

Wir müssen bei den Menschen auf den Geist in ihnen sehen, wir müssen sie in ihrer Beziehung zu Gott betrachten, müssen bedenken, daß sie seine Geschöpfe sind und ihm gehören. Wir dürfen nicht auf die Fehler und auf die Mängel der Menschen sehen, sondern auf den Geist in ihnen, der sie zum Leben rief.

Daher sollen wir einen Menschen liebend betrachten, ihn liebend preisen, denn das Lob gebührt dem Zeichen Gottes in ihm.

Schauen wir doch auch in einen Spiegel und loben ihn und sagen, wie wunderbar hell er sei, obgleich er an sich dunkel [Seite 117] ist; denn er ist nur hell, weil das Licht in ihn fällt und zurückgestrahlt wird. Ist er staubbedeckt, so wird er nicht viel Licht widerstrahlen.

Wir müssen immer darnach trachten, ein reines, strahlendes Herz zu besitzen, damit das Geisteslicht aus ihm in ganzer Macht sich widerspiegle.“

Übersetzt von A. Schwarz.


Tischgespräche Abdul Bahas.

(Aus „Blumen aus dem Rosengarten von Akka“ von Miss. Ida A. French, Miss. Fanny A. Knobloch, Miss. Alma S. Knobloch)


I.

In Deutschland ist ein gutes Fundament gelegt, die Gläubigen müssen in den Prinzipien der Moral und Ehrenhaftigkeit fest gegründet sein. Diese bestehen

erstens in Vertrauenswürdigkeit - keines aus ihrer Mitte sollte jemals eine Lüge aussprechen;

zweitens in Ehrlichkeit bei allem Tun;

drittens in Entsagung;

viertens müssen sie die größte Güte beobachten, sich alle als Diener für einander ansehen und zuverlässig und ehrlich gegen alle Menschen sein;

fünftens sollen sie nimmermehr jemanden enttäuschen und sich stets bemühen, vergeistigter zu werden.

Wenn sie nach diesen Geboten leben, so werden sie die Bestätigung des Geistes sicherlich erlangen; der Geist wird auf sie herabkommen und sie werden sicher Fortschritte machen.

Wenn ihr Stuttgart zu einem starken Zentrum macht, so wird dies zum Wohl andrer Städte geschehen, denn sie können sich auf erstere beziehen. Wenn ein hoher Baum im Wald Feuer fängt, so werden andere dadurch in Brand geraten; wenn du eine Palme pflanzest, so werden sich ihre Wurzeln nach allen Seiten hin ausbreiten.


II.

Ueber Amerika und Europa steht erst das Morgenrot der Sonne der Wirklichkeit, die Morgendämmerung ist angebrochen. Nicht lange wird es dauern und die Sonne der Wirklichkeit wird euch ihr ganzes Licht spenden, dann werdet ihr erkennen, wie prachtvoll sie ist. Jetzt ist es noch wie im Frühlingsanfang, wenn das Gras sprießt; aber wenn die Zeit der Blüte und der Frucht kommt, so wird es herrlich werden. Ihr lebt jetzt in der Frühlingszeit und müßt fleißig arbeiten, um früchtetragende Bäume zu bekommen.

Der Baum ist, er mag noch so schön und grün sein, zwecklos, wenn er keine Früchte trägt. So werdet ihr manche Bäume sehen, die grün und frisch sind, aber keine Früchte tragen. Desgleichen seht ihr Menschen auf dieser Erde, die sehr klug, hochgelehrt und verfeinert, vollendet und geschult sind, die aber der Erkenntnisgnade des Königreichs beraubt sind und keinen Anteil daran haben. Anderseits sind Menschen zu treffen, die nicht hoch gebildet und gelehrt sind, die aber Anteil an den Gaben des Gottesreiches haben, und wenn sie dieser Gnade teilhaftig sind, so werden sie gewiß früchtetragende Bäume werden.

Denkt an die Frauen, die zu Christi Zeit lebten und die damals an ihn glaubten. Obwohl sie nicht wissenschaftlich gebildet waren, sind sie doch ins Gottesreich eingetreten, trugen Früchte in ihrem Leben und waren somit Fruchtbäumen gleich. — Wenn man beim Eintritt in das Reich Gottes Gelehrsamkeit und Wissen besitzt, so ist auch dies gut. Das wesentlichste aber und das . wichtigste ist das Eintreten in das Gottesreich, gekennzeichnet zu sein durch göttliche Eigenschaften, die Absicht zu haben, der Welt Gutes zu bringen, durchaus gut zu sein gegen jeden Menschen und der Verkündigung des universalen Friedens zu dienen. Wissen und Gelehrsamkeit ist gut, diese bilden aber die Zweige und sind nicht die Wurzel der Gotteserkenntnis.


III.

Wer es auch sei, der den kleinsten Dienst heutigen Tags für die hl. Sache tut, der wird niemals im Königreich vergessen werden.

Nichts ist von Dauer in der materiellen Welt. Warum sollen wir uns ein Königreich aut Erden wünschen? Es ist doch [Seite 118] nicht von Dauer! Aber der Dienst für das Königreich Gottes wird ewig dauern. Wie viele Könige und Königinnen sind seit Christi Zeiten gekommen und gegangen, ohne daß ihr Name heute erwähnt wird. Aber die Namen der Frauen in der Zeit Christi — Maria Magdalena und andere, die der Gottessache dienten, sind heute noch lebendig unter uns.

Maria Magdalena war nur eine einfache Frau und wurde viel getadelt, aber nachdem sie an Christus glaubte, kam sie zu großem Ansehen. Bedenke, welch lange Zeit seitdem verstrichen ist und doch reden wir heute noch von ihr!

Welch große Gnade hat Gott seinen Dienerinnen verliehen. Er hat eine herrliche Krone auf ihr Haupt gesetzt, grosser Segen strömt auf sie herab. Wenn ihr Gott unausgesetzt dafür dankt, daß ihr ins Königreich eingegangen seid, so könnt ihr ihm dennoch nie genug danken.

Deshalb, wenn ihr von hier scheidet, so müßt ihr dies mit voller Freude tun und jedem die frohe Botschaft bringen.

Denkt an jemanden, der in der Welt steht, wie froh ist er, zu einem König oder einem Präsidenten zu gelangen! Ihr aber habt den Weg zu Gott gefunden, ihr seid in das göttl. Königreich eingetreten und Dienerinnen Gottes geworden.

Wenn ihr euch auch außerhalb des Königreichs als die glücklichsten Geschöpfe halten würdet, so wäret ihr es in Wirklichkeit doch nicht.

Alle Versammlungen in der Welt werden immer und ewig euch nennen und euch verherrlichen. Um eurer Liebe zu Baha ’Ullah willen werdet ihr vielleicht jetzt getadelt, gekränkt und beleidigt werden, aber die Kinder und Nachkommen derer, die euch tadeln, werden euch verherrlichen und werden den Wunsch haben, an eurer Stelle gewesen zu sein. Deshalb sollt ihr bei allem, was euch auch durch die Menschen begegnet, stets glücklicher, froher und erleuchteter werden, denn am Ende ist der Sieg euer.

Übersetzt von Frau A. Schwarz.


Beantwortete Fragen von Abdul Baha.


Frage: Gibt es außer Gott noch eine Macht in der. Welt?

Antwort: Dies ist ein langes und tiefes Thema. In kurzen Worten sage ich dir, es gibt, wie wir wissen, eine Kraft der Zusammensetzung und eine solche der Auflösung. Die bestehende Welt verändert sich stets durch den Wechsel der Zusammensetzung und Auflösung, des Aufbaus und der Zerstörung. Verbinden sich die Elemente, so entsteht etwas; wird dieses zerstört, so ist es aufgelöst und geht zu seinen ursprünglichen Elementen zurück. Die Komposition oder Zusammensetzung und die Dekomposition oder Auflösung geschieht durch den Willen Gottes. Diese beiden Mächte werden in manchen hl. Schriften durch den Engel Rafael, den lebenspendenden Engel, und den Engel des Todes, der es wieder auflöst, versinnbildlicht. Weder die Macht der Zusammensetzung oder des Aufbaus noch die der Auflösung oder des Abbaus ist aber ein Engel. — Es gibt auch keine Macht, die durch böse, verstorbene Menschen ausgeübt würde. Das Gute ist stärker als das Böse. Diese Seelen haben, wenn sie auf Erden leben, wenig Macht; wie viel weniger alsdann nach ihrem Tode. Außerdem sind sie diesem Planeten nicht nahe.

Frage: Was ist Eitelkeit?

Antwort: Eitelkeit ist eine Form der Eigenliebe, ein übergroßer Wunsch, die eigene Persönlichkeit in den Vordergrund zu stellen, für das eigene Aeußere oder unser Tun den Beifall Fremder zu erlangen. Es ist dies eine Einbildung über sich selbst oder eine Autosuggestion. Die erste Person, die eitel und selbstzufrieden war, ist der Satan gewesen. Eitelkeit ist eine satanische Eigenschaft. Ein verständiger Mensch ist niemals eitel noch aufgeblasen im Gedanken an eine persönliche Ueberlegenheit gegenüber andern. O nein, er ist vielmehr bescheiden und demütig, und dadurch, daß er sich selbst für geringer als andere hält, fördert er unwissentlich seine eigene Geistesstufe.

Übersetzt von Frau A. Schwarz.

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Munirih Khanum, die Gattin Abdul Bahas.

Eine kurze Erzählung der Begebnisse vor ihrer Geburt.

Die Eltern von Munirih Khanum waren schon 10 Jahre verheiratet aber kinderlos geblieben. Sie gehörten zu den ersten Anhängern des Bab. Ihr Vater und dessen Bruder machten eine Pilgerreise nach dem Grabe von Hussein in Kerbela. Dort sahen sie erstmals Ali Mohammed El Bab, der ein Nachkomme Mohammeds war. Als Munirih Khanums Vater und ihr Onkel an dem Grabe beteten, sahen sie einen jungen Mann, der sich wesentlich von den anderen Wallfahrern unterschied, denn er bezeugte sehr viel Ergebenheit und sprach wiederholt einige neue Gebete. Die beiden Pilger fühlten sich außerordentlich hingezogen zu dem jungen Mann und folgten ihm, um zu sehen, wohin er gehe. Sie frugen sich zugleich, ob dies ein Mensch oder ein Engel sei. Er betrat ein kleines Haus, in das auch die beiden Einlaß begehrten. Eine Frau trat vor die Türe und sie frugen, wer dieser Jüngling sei. Diese antwortete, sie wisse es nicht, er sei gekommen, um ein Zimmer zu mieten. Nun gingen die beiden Männer hinweg. Doch bei Said Kassam, dem Schüler eines Astronomen, traf ihn Munirihs Vater. Diese beiden saßen gerade beisammen, als der Bab ins Zimmer trat, worauf sie verstummten. Er nahm Platz, zog ein Tuch aus seiner Tasche, trocknete sich die Stirne und sagte: „Die Zeit ist nahe für Sein Kommen; die Zeit ist nahe, die Dunkelheit schwindet!“

Die Sonne fiel durch das Fenster ins Zimmer und beschien das Gewand des Bab. Die Anwesenden meinten deshalb, er spreche mit diesen Worten vom: Sonnenlicht. -

Der Bab verließ Kerbela und ging nach Shiraz. Unsere beiden Freunde hörten, daß ein junger Mann in Shiraz verkünde, daß er der Verheißene vom Himmel sei. Sie waren darin einig, daß es kein anderer sein könne, als der, den sie am hl. Grab in Kerbela hatten beten sehen. Unverzüglich machten sie sich nach Shiraz auf, ohne vorher Abschied von ihrer Familie zu nehmen. Als sie in Shiraz anlangten, erfuhren sie, daß er schon nach Mekka weitergereist sei. Sie zogen nun nach Isphahan, trafen dort den Bab — El Bab und wurden treue Gläubige.

Die Gattin des Vaters Munirih Khanums sowie die ihres Onkels waren in großer Sorge, da sie nicht wußten, wo ihre Männer hingegangen waren. Eines Tages erhielten sie Besuch von der Schwester des Bab. Diese sagte: „Ihr wisset nicht, wo die Männer hingegangen sind? Kommt mit mir, ich will euch jemanden zeigen, der euch von ihnen erzählen kann.“ Sie führte die beiden in ein kleines Haus, und hier in einen kleinen Raum, worin Kurat-ul-Ayn, eine wundervolle Frau, mit Schreiben beschäftigt war. Als sie geendigt hatte, sprach sie zu den Besucherinnen: "Ihr schaut bekümmert aus, die Menschen reden allerhand, was Euch verwirrt. Warum seid Ihr so traurig? Fürs erste müßt Ihr von einander getrennt werden. Ich will Euch etwas erzählen, etwas ganz Neues sagen, was Euch glücklich machen wird!“

Nun las sie den Frauen den Brief vor, den sie soeben geschrieben hatte und in welchem sie die frohe Botschaft und die Beweise und Merkmale der Sendung des Bab berichtete. Die Frauen waren so ergriffen, daß sie weinten, sich Kurat-ul Ayn zu Füßen warfen und diese küßten.

Munirihs Vater und ihr Onkel warteten indessen auf das Kommen des Bab in Isphahan. Ersterer war, wie gesagt, viele Jahre verheiratet, die Ehe war jedoch kinderlos geblieben. Als der Bab nach Isphahan kam, besuchte er auch ihr Haus und sprach nach Tisch zu ihnen. Er frug, ob sie Kinder hätten. Antwort: Nein, sie hätten keine. Da bat nun der Vater Monirihs den Bab um ein Kind. Der Bab gab dem Bittsteller ein Stückchen Brot und sprach: „Gib dies deinem Weib, daß sie es esse!“ Er tat dies und 8 Monate und 9 Tage darauf wurde Munirih geboren. Vor diesem Zeitpunkt ging ihr Vater mit seinem Verwandten nach Mazanderan, da sie nichts anderes erwarteten, als getötet zu werden. Ihr Vater hinterließ die Weisung: „Wenn ein Mädchen geboren wird, so soll ihr Name Fatima sein, ist es ein Knabe, so Ali!“

Als die Männer an die Tore [Seite 120] Mazanderans kamen, erhielten sie keinen Einlaß; sie gingen deshalb weiter nach Bagdad. Daselbst hielt sich Baha ’Ullah auf mit einigen Gläubigen. Einige Monate blieben die Männer daselbst; schwere Zeiten und schlimme Verfolgungen brachten den Onkel Munirihs zum Tod. Als Munirihs Vater in die Heimat zurückkehrte, war sie bereits fünf Monate alt. Sie wurde „der Bissen des Bab“ genannt.

Übersetzt von A. Schwarz.


Worte von Abdul Baha.


Lehren heißt lernen,

lernen heißt arbeiten,

arbeiten heißt dienen,

dienen heißt lieben,

lieben heißt sich aufopfern,

sich aufopfern heißt absterben,

sterben heißt leben,

leben heißt streben,

streben heißt sich erheben

über alle menschliche Beschränkung,

um das ewige Ziel zu erlangen.



Prof. Brown in Akka

und seine Begegnung mit Baha’ Ullah und Abdul Baha.

(Auszug aus Prof. Browns Buch „A Travellers Narrative“).

Am 13. April 1890 abends um Sonnenuntergang kamen wir nach Akka. Unser Weg führte uns durch schöne Bazare über ebene, steingepflasterte Straßen, auf denen die Hufe unserer Pferde ausglitten wie auf Eis. Wir wandten uns nach dem Hause eines christlichen Kaufmanns namens Ibrahim Khuri, der uns die übliche Gastfreundschaft gewährte. Am gleichen Abend noch sandte ich eine schriftliche Botschaft an den Babi-Vertreter. Diese wurde mir jedoch uneröffnet wieder zugestellt mit der unangenehmen Bemerkung, daß mein bisheriger geheimer Korrespondent mit Baha’s ältestem Sohn Abbas Effendi nach Haifa gegangen sei. Dies war mir schon deshalb eine unwillkommene Nachricht, weil Mr. Eyres (mein Reisegefährte) am nächsten Tage nach Haifa weiterzureisen beabsichtigte und ich daher die Gastfreundschaft des Ibrahim Khuri nicht länger in Anspruch nehmen wollte. Um ein anderes Quartier zu finden war es notwendig, die Hilfe der Babis in Anspruch zu nehmen.

Am nächsten Morgen frug ich nach einem ev. Stellvertreter des Agenten, der mir die nötige Auskunft erteilen könnte. Diese Frage wurde bejaht und man führte mich in die Bazars zu einem hübschen, schlanken Jüngling, der außer einem roten Fez ganz in weiß gekleidet war. Er redete mich zunächst in Türkisch an und [Seite 121]En reg fragte mich nach meinem Begehren. Ich antwortete ihm in Persisch, worüber er sich sehr zu freuen schien, und nachdem ich ihm mein Anliegen vorgetragen hatte, bat er mich, ihm zu folgen. Er begleitete mich zu einem Hause in der Nähe des Meeresstrandes. An der Haustüre begegneten wir einem alten Perser mit langem, grauem Haar und Bart, der mich durch seine riesige Brille prüfend anschaute. Er unterhielt sich einige Augenblicke in gedämpftem Tone mit meinem Begleiter und führte mich in ein großes Zimmer, in dem sich außer einer Art Bank oder Diwan an allen 4 Wänden keine Möbel befanden. Kaum hatte ich Platz genommen, als ein anderer Perser von anscheinend höherem Rang als die beiden anderen ins Zimmer trat und mich begrüßte. Es war ein Mann mittleren Alters, mit spitzem, aber sympathischen Gesicht, dessen untere Hälfte mit einem kurzen krausen Bart bedeckt war. Er bat mich, wieder Platz zu nehmen, dann beauftragte er seinen Diener, (den obenerwähnten Perser), mir eine Schale Kaffee zu bringen. Mich selbst examinierte er eingehend über Nationalität, über meine Reise nach Persien, über den Zweck meiner jetzigen Reise und desgl. mehr. Meine Antworten schienen ihn zufriedenzustellen, worauf er mich frug, was ich vorhätte. Ich sagte ihm, daß ich mich gänzlich nach seinen Anordnungen richten werde. Er frug mich, ob ich nach Haifa gehen wolle, wo ich den von mir gesuchten Vertreter sicherlich bei dem Sohne Baha’s, Abbas Effendi, finden werde. Ich antwortete, daß ich nur kurze Zeit zur Verfügung hätte und, da Akka und nicht Haifa mein Reiseziel sei, ich lieber hier bleiben möchte. Er sagte: „In diesem Fall werde ich heute selbst nach Haifa gehen und Ihnen morgen die Antwort bringen, was Sie tun sollen. Können Sie indessen in Ihrem Quartier bleiben, wo sie letzte Nacht waren, bis ich zurückkomme?“ Ich antwortete, daß ich die Gastfreundschaft, die mir von Mr. Eyres Freund so gütig gewährt wurde, nicht länger in Anspruch nehmen möchte und ich daher dankbar wäre, wenn er mir für diese Nacht ein anderes Quartier empfehlen könnte; ich beanspruche keine Bequemlichkeit und sei mit einer Karawanserei zufrieden. Er überlegte einen Augenblick und sagte: „Sehr gut, wenn Sie wollen, können Sie hier bleiben. Ich selbst werde abwesend sein, werde aber die nötigen Anordnungen für Sie treffen. Uebrigens handelt es sich ja nur um eine Nacht, und wenn ich wieder zurück bin, so werden wir mit Gottes Hilfe eine bessere Herberge für Sie finden. Wenn der Konsul nach Haifa reist, bringen Sie am besten Ihre Sachen gleich her.“ Ich verabschiedete mich mit großem Dank und war nun für den Rest des Vormittags damit beschäftigt, meine Sachen zu packen und für die Unterbringung meines Pferdes während der Dauer meines Aufenthalts in Akka zu sorgen.

Nach Tisch verließ mich Mr. Eyres, um nach Haifa zu reisen, und nachdem ich jemand gefunden hatte, der mein Gepäck nach jenem Hause brachte, wo ich morgens vorgesprochen hatte, verließ ich das Haus des Ibrahim Khuris, um mich in mein neues Quartier zu begeben. Dort wurde ich von einem etwa 14 jähr. scharfblickenden Knaben empfangen, der sich als der Sohn meines neuen Gastgebers entpuppte. Nach der Einrichtung des Zimmers, in dem ich am Morgen im Erdgeschoß empfangen wurde, zu urteilen, glaubte ich hier eine sehr bescheidene Unterkunft zu finden. Aber trotzdem ich gestehen muß, daß ich nach meinen Erfahrungen in Bezug auf Gastfreundschaft der Perser im allgemeinen und die der Bahai im besonderen, eine erträgliche Bequemlichkeit erwartet hatte, so war ich doch nicht auf einen derartigen Luxus gefaßt, wie ich ihn hier im Hause meines Gastgebers fand. Während des Nachmittags unterhielt mich der Sohn meines Gastgebers und zwar in jener bewundernswerten Höflichkeit und Artigkeit, deren nur die jungen Perser fähig sind und mit der sie in Abwesenheit der Eltern die Freunde empfangen und ihnen des Hauses Ehre erweisen.

Da es gerade Ostermontag war, so waren die Straßen voll von syrischen Christen, die bis zum Einbruch der Nacht mit Geschrei, Gewehrschüssen und der Aufführung wilder Tänze ihre Freude zum Ausdruck brachten. Diesem Treiben sahen wir von unserem Fenster aus mit Erstaune zu, und ich muß gestehen, daß ich einen bemerkenswerteren, mit der Bedeutung des Tages aber wenig übereinstimmenden Ausdruck religiösen Eifers noch nie mit angesehen habe.

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Nach einem erquickenden Schlaf erhob ich mich am andern Morgen (Donnerstag, 14. April 1890). Der alte, bebrillte Mann brachte mir Tee. Bald darauf entstand draußen unangekündigt eine gewisse Bewegung; neue Besucher waren angekommen und einen Augenblick später trat mein Begleiter vom vorhergehenden Abend mit zwei weiteren Personen ins Zimmer. Einer von ihnen wurde mir als der Babivertreter aus Beirut vorgestellt, während der andere — was ich mir schon der außerordentlichen Hochachtung wegen, die ihm von den Anwesenden zuteil wurde, dachte — Baha’s ältester Sohn, Abbas Effendi, war. Ich habe noch nicht leicht einen Menschen gesehen, dessen Erscheinung einen solchen Eindruck auf mich machte, wie er. Sein Haupt ist bedeckt mit einem weißen Turban, unter dem lange, schwarze Locken bis auf die Schulter fallen. Seine breite starke Stirne läßt auf einen scharfen [Seite 122]REEL Verstand schließen. Er hat Augen, kühn wie ein Falke und stark modellierte, angenehme Gesichtszüge. Dies war mein erster Eindruck von Abbas Effendi „dem Meister", wie er aus Hochachtung von den Bahai genannt wird. Die nun folgende Unterredung mit ihm erhöhte die Achtung, die mir seine Erscheinung abgenötigt hatte. Ich glaube nicht, daß unter der beredten, scharfdenkenden Rasse, der er angehört, einer zu finden ist, der es versteht, so überzeugend zu sprechen, so treffend zu illustrieren und der so genau Bescheid weiß in den hl. Schriften der Juden, der Christen und der Mohammedaner, wie er. Als ich diese Eigenschaften, gepaart mit Frohsinn und einer besonderen majestätischen Würde an ihm wahrnahm, wunderte ich mich nicht über den Einfluß und die Achtung, deren er sich sogar weit über den Kreis der Anhänger seines Vaters hinaus erfreut. Ueber die Größe und Macht dieses Mannes wird keiner, der ihn einmal gesehen, im Zweifel sein.

In dieser illustern Gesellschaft speiste ich. Bald nach Tisch erhob sich Abbas Effendi mit den anderen mit „Bismillah“ und bedeutete mir, daß ich ihn begleiten soll. Dies tat ich, ohne zu wissen wohin. Ich sah, wie mir meine Satteltaschen mit meinen Effekten nachgetragen wurden. Daraus schloß ich, daß ich nicht in mein Quartier zurückkehren werde. Wir gingen quer durch die Bazare und verließen die Stadt durch das einzige Tor. Außerhalb dessen, nahe beim Strande, stand eine große Hütte, die als Kaffeehaus dient. Hier setzten wir uns, und meine Begleiter schienen jemanden zu erwarten. Bald darauf kam aus einem großen Haus, das ferne, halb verdeckt, hinter einer Baumgruppe lag, ein Mann mit 3 Tieren angeritten. Wir gingen ihm entgegen, und bald trug mich einer der hübschen weißen Esel, auf denen es sich nach meiner Erfahrung am bequemsten reiten läßt. Nach einer halben Stunde erreichten wir das schon erwähnte große Haus, das den Namen Behdsche (Freude) trägt. Ich wurde gleich in ein großes Zimmer im Erdgeschoß geführt, wo ich von Unbekannten sehr freundl. empfangen wurde, worunter die beiden jüngeren Söhne Baha’s waren, von denen meiner Schätzung nach der eine ca. 35, der andere 21 Jahre alt sein mochte. Beide hübsche Erscheinungen, besonders der jüngere mit sehr gewinnendem Aeußern. Außer diesen begrüßte mich ein Greis mit hellen blauen Augen und weissem Bart, der einen grünen Turban, als Zeichen der Nachkommen des Propheten trug; in offenbarer Freude sagte er: „Wir wissen nicht, ob wir dich mit „Salem Aleikum“ oder mit „Allah o Abha“ begrüßen dürfen“. Als ich erfuhr, daß dieser ehrenwerte Greis nicht nur einer der ersten Jünger des Bab, sondern einer seiner Verwandten und sein Gespiele in der Kindheit war, läßt sich denken, wie gespannt ich seiner Erzählung lauschte.

Hier in Bedsche (sprich Badschi) wurde ich unter diesen Babisten, die für sehr edel und heilig galten, einquartiert und brachte 5 meiner denkwürdigsten Tage zu, in denen sich mir unverhoffte und unvergleichliche Gelegenheit bot, mich mit ihnen zu unterhalten, mit ihnen, die wie Quellen dieses mächtigen wunderbaren Geistes sind, der mit unsichtbarer aber immer zunehmender Macht an der Hebung und Belebung eines Volks arbeitet, das in einem todesähnlichen Schlafe liegt. Es war tatsächlich ein ungewöhnliches ergreifendes Erleben, doch fürchte ich, daß ich mit meiner Niederschrift einen viel zu schwachen Eindruck auf den Leser mache. Mein Wunsch wäre, alle Geschichten und Gestalten, die mich hier umgaben, die Unterredungen, die ich das Vorrecht hatte anzuhören, das feierliche melodische Lesen der hl. Bücher, die Harmonie und Zufriedenheit, die hier herrschte, die duftenden, schattigen Gärten eingehend beschreiben zu können. Dies alles ist jedoch nichts gegenüber der geistigen Atmosphäre, die mich umgab. Persische Moslems mögen euch erzählen, daß die Bahai die Gäste behexen oder betäuben, so daß diese, gezwungen durch eine Bezauberung, die unwiderstehlich ist, in einen Zustand unfaßlichen Irrsinns geraten. So eitel und lächerlich dieser Glaube auch ist, so beruht er dennoch auf einer richtigen Grundlage, jedoch auf einer festeren, als fast alles, was sie sonst von diesen Leuten erzählen. Der Geist, der in den Bahai wohnt, ist derartig, daß ein mächtiger Eindruck nicht ausbleiben kann und er alles seinem Einfluß unterwerfen wird. Ob er auf den einen abstoßend, auf den andern anziehend wirkt, ändert nichts an der Tatsache, daß er nicht ignoriert oder außer Acht gelassen werden kann. Wer dies nicht selbst beobachtet hat, möchte meine Worte bezweifeln; sollte sich aber einmal dieser Geist selbst offenbaren, dann werden wir eine Gemütsbewegung erleben, die wir nicht so leicht wieder vergessen werden.

Zum Schluß will ich noch einige Worte über mein hauptsächlichstes Erlebnis auf dieser Reise beschreiben. Am Morgen des zweiten Tages in Behdsche trat einer von Baha ’Ullahs jüngeren Söhnen zu mir ins Zimmer und bat mich, ihm zu folgen. Ich wurde rasch durch verschiedene Gänge und Zimmer geführt, so daß ich kaum Zeit fand, den in Mosaik aus Marmor gelegten Boden eines geräumigen Saales anzusehen. Vor einem Vorhang, der an der Wand dieses großen Raumes hing, machten wir kurzen Halt, indessen ich meine Schuhe auszog. Mit raschem Griff zog alsdann mein Führer den Vorhang [Seite 123] zurück und ich trat ein. Der Vorhang schloß sich und ich stand in einem großen Zimmer, an dessen Ende ein niederer Diwan und der Tür gegenüber drei Stühle standen. Obgleich ich ahnte, wem ich hier begegnen sollte, so stand ich doch herzklopfend und ehrfurchtsvoll einige Sekunden da, bevor ich mir bewußt wurde, daß das Zimmer nicht leer war. In der Ecke, wo der Diwan an die Wand stieß, saß eine wunderbar ehrwürdige Gestalt, gekrönt mit jener Art von Kopfbedeckung, die bei den Derwischen „Tadsch" genannt wird und um deren unteren Teil ein schmaler weißer Turban gewunden war. Das Antlitz, in das ich nun blickte, werde ich niemals vergessen, obgleich ich nicht imstande bin, es zu beschreiben. Diese durchdringenden Augen schienen mir im Grund der Seele zu lesen. Macht und Autorität lagen über diesen breitausladenden Brauen. Die tiefen Runen auf seiner Stirne und in seinem Antlitz verrieten ein Alter, das sein tiefschwarzes Haar und der lang herabwallende Bart Lügen zu strafen schien. Es war nicht nötig zu fragen, vor wem ich stünde; als ich mich tief vor ihm neigte, war mir bewußt, daß ich vor dem stünde, der der Mittelpunkt einer Liebe und Verehrung ist, um die ihn Könige beneiden könnten und nach der sich Kaiser vergeblich sehnen.

Eine milde, würdevolle Stimme bat mich, Platz zu nehmen und redete weiter: „Gelobt sei Gott, daß du hierher kamst!... Du bist gekommen, um einen Gefangenen und Verbannten zu sehen?“ — — „Wir wünschen nur das Wohl der Welt und die Glückseligkeit der Nationen; dennoch halten sie uns für Anstifter von Streit und Aufruhr, die der Fesseln und Verbannung schuldig sind..... Wir wünschen, daß alle Völker in einem Glauben vereint und alle Menschen Brüder werden, daß das Band der Liebe und Einigkeit zwischen den Menschen gefestigt werde, daß die Verschiedenheit in den Religionen aufhöre und die Unterschiede, die zwischen den Rassen gemacht werden, aufgehoben werden. Was ist nun übles an diesem unserem Bestreben? Es wird trotz allem dazu kommen, daß die furchtbaren Kämpfe, die zerstörenden Kriege aufhören und der vollkommene Friede, der Friede aller Frieden kommt. Habt ihr dies in Europa nicht auch nötig? Ist es nicht das, was euch Christus verhieß? (Ja!) Aber dennoch sehen wir, wie eure Könige und Regenten die Schätze (ihres Landes) mehr für die Zerstörung der menschlichen Rasse aufwenden, als sie für das auszugeben, was der Menschheit das wahre Glück bringt. Diese Kriege, dieses Blutvergießen und diese Uneinigkeit muß aufhören und alle Menschen müssen sein, als ob sie einer Rasse und einer Familie angehörten... Es rühme sich nicht, der sein Vaterland liebt, sondern der, der die ganze Menschheit liebt“.

Dies waren, soweit ich mich noch erinnere, die Worte, die ich nebst vielen anderen von Baha ’Ullah hörte. Der, welcher sie liest, denke wohl darüber nach, ob eine solche Lehre Tod und Fessel verdient und ob die Welt durch ihre Verbreitung gewinnt oder verliert....

Übersetzt von Frau A. Schwarz.


In welchem Geist die Bahai-Versammlungen gehalten werden sollen.


Jedermann soll sich sammeln, seinen Geist von weltlichen, disharmonischen Gedanken lösen, bevor er in den Kreis der Bahai tritt. Möglichst pünktliches Kommen in die Versammlungen ist sehr erwünscht; sollte aber aus irgend einem Grund einer der Freunde sich verspäten, so soll er möglichst geräuschlos Platz nehmen. Es ist der Wunsch Abdul Bahas, daß die Bahai den öffentlichen Versammlungen anwohnen und nur bei ganz dringenden Abhaltungen davon Abstand nehmen. Um ununterbrochen geistige Fortschritte zu machen, sollten im eigenen Interesse keine Pausen im Besuch der Versammlungen eintreten.

Mit innerer Sammlung, frei von vorhergefaßter Meinung und mit Beiseitesetzung des eigenen kleinen Ichs soll der andächtige Zuhörer die Worte — die Lehren Gottes — zu Herz und Geist dringen lassen. Mit offener Seele und ganzer Sammlung soll man Baha ’Ullah’s und Abdul Baha’s Lehren, Geboten, Erklärungen und Ermahnungen folgen und diese sich ins Gedächtnis und ins Herz eingraben. Doch sollen wir nicht nur Hörer des Wortes, sondern auch lebensvolle Beispiele für die Betätigung der Bahai-Lehre sein, die wir in allem Tun und Denken zur Ausführung zu bringen haben.

Ueber Politik darf nicht gesprochen werden. Man enthalte sich der leisen Zwiesprache mit den Nachbarn, damit die einheitliche Aufmerksamkeit nicht gestört werde.

Nach dem Gelesenen kann von den Anwesenden nach Aufforderung Dazugehöriges gesagt werden, oder es können Fragen gestellt werden; man halte sich aber dabei streng an den Sinn des Gehörten und lenke nicht auf Nebengeleise ab. Melden sich gleichzeitig mehrere Personen zum Wort, so wird nach dem Alter das [Seite 124] Wort erteilt. Die Erbauungszeit — die Stunden der Bahai-Zusammenkunft — darf nicht durch Nebensächliches verkürzt und entweiht werden. Man verlege Mitteilungen nebensächlicher, die Bahailehre nicht betreffender Art auf eine andere Zeit und Stunde. Ein Geist reinster Liebe, der Einheit, der Erhebung zur Gottesnähe soll fühlbar unter den Bahai fluten. Eine geistige Befruchtung soll in diesen Stunden durch die Worte Gottes, die er in den Mund Baha ’Ullah’s und Abdul Baha’s legte, erlangt wenden und gute Resultate im Leben zeitigen. Wie honigbeladene Bienen sollen die Freunde reich heimkehren. So, und nur so ist eine richtige Bahai-Versammlung im Sinne des Meisters zu gestalten.

A. Sch.


Vom Bahaikongreß in Stuttgart

16.— 18. September 1922.

(Ein Stimmungsbericht).

Der diesjährige Kongreß war eine Versammlung mit internationalem Gepräge; denn nicht bloß aus unserer engeren und weiteren deutschen Heimat und ihren Nachbarländern, nein, aus fast allen Erdteilen waren bei der vergangenen großen Stuttgarter Bahai-Versammlung Vertreter zugegen. Das gab auch der ganzen Veranstaltung einen größeren Zug, mehr Schwung und Vielseitigkeit. Und doch — trotz dieser nationalen Verschiedenheit: diese Harmonie, dieses wohltuende Zusammengehörigkeits- und Freundschaftsgefühl, dieses Verbundensein im Geist der Liebe und Eintracht! Der echte Bahaisinn, der Geist Baha ’Ullahs und Abdul Bahas waltete, wie es auch von allen Besuchern der Versammlung gewünscht und vom Leiter des Kongresses, Herrn Konsul Schwarz, in seiner markanten Eröffnungsansprache treffend zum Ausdruck gebracht wurde, sichtlich über dem Kongreß; und auch die Wahl des „Nationalen Rats“, die — wie fast jede Wahl — die Gemüter vielleicht etwas zu erregen geeignet gewesen wäre, brachte keine Mißhelligkeit und keinen Mißton in die Gesamtharmonie herein. Wo verschiedene Ansichten vorhanden waren, da wurde durch ruhige Aussprache Einverständnis hergestellt und die Wahlhandlung selbst verlief daher in durchaus würdiger Weise.

Es war auch, als ob der Himmel selbst eine Freude daran gehabt hätte, daß in dieser wirren, aufgeregten Zeit auch einmal ein Häuflein Menschenkinder aus verschiedenen Ländern, Völkerschaften, Konfessionen und Religionen hier in Einmütigkeit beisammen saß und wirklich den großen Einigungsgedanken der Bahailehre verkörperte. Mit Beginn des Bahaikongresses, am Samstag nachmittag, strahlte die Sonne, die sich wochenlang fast anhaltend versteckt zu haben schien, freundlich vom Himmel hernieder, und der Sonntag war so sonnenhell und klar, wie wir in diesem Jahr nicht viel Tage erlebt haben. Und auch der Montag, an dem zahlreiche Festgäste vormittags in der gastlichen Wagenburg sich zusammenfanden und nachmittags in Eßlingen auf der dortigen, einen prächtigen Ausblick gewährenden Burg als Gäste der Eßlinger Bahaifreunde versammelt waren, ließ sich noch gut an und schloß mit einem herrlichen, lichten Abend. Es waren wirklich schöne Tage: Sonne draußen und Sonne im Herzen! Glück und Freude strahlte aus den Gesichtern, die Sorgen und die Nöte des Alltags waren wenigstens auf Stunden gewichen, alles Materielle, das uns sonst niederzieht und drückt, war vergessen, man lebte gleichsam in einer anderen Welt, in der Welt, wie sie werden soll, wenn einmal Recht und Gerechtigkeit, Liebe und Friede in dem Sinne der Bahailehre regiert und die Menschen sich darauf besinnen, daß sie Kinder eines Vaters, Blätter eines Baumes, Tropfen einer See sind. Es war so schön, daß die auswärtigen Gäste sich kaum trennen konnten und manche von ihnen ihren Aufenthalt über die Zeit hinaus verlängerten, die sie sich festgesetzt hatten. — Wir Stuttgarter freuen uns darüber, wenn es den lieben Freunden so gut bei uns gefallen hat und wenn jeder gerne an Stuttgart und an die Tage des Kongresses zurückdenkt. Wir freuen uns auch, wenn jeder Besucher mit reichem geistigen Gewinn heimgezogen ist und draußen den Samen, den er empfangen hat, weiter ausstreut, von dem auch zu andern redet, was ihn innerlich bewegt und wenn so dieser Bahai-Kongreß nicht nur für die Besucher selbst, sondern auch für Außenstehende zum Segen wird und zum Wachstum der großen Sache, der wir alle dienen, beiträgt. Daß ein wachsendes Interesse für sie vorhanden ist, zeigte der zahlreiche Besuch der öffentlichen Versammlung am Sonntag, bei dem der große Saal des Bürgermuseums vollständig gefüllt war. Nach [Seite 125] einer künstlerisch vollendeten musikalischen Darbietung (Violinkonzert von Bach) durch Frl. J.Hauff und die Herren Fengler und Tyssen, die die Zuhörer in die richtige Stimmung versetzte, sprach Frau Alice Schwarz über „die Entstehung und Entwicklung der Bahailehre und ihre Hauptprinzipien“ und Herr Wilhelm Herrigel über „die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Bahailehre“. Der reiche Beifall, der von der aufmerksam lauschenden Zuhörerschaar den eindringlichen, überzeugenden Reden gespendet wurde, zeigte, daB auch von Nichtbahai die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Durchführung der Bahaiprinzipien in der Welt anerkannt wird. Sichtlich innerlich gehoben ging die große Versammlung auseinander.

Größere Zusammenkünfte haben ja immer etwas Erhebendes und Anregendes. Man wird mit allerlei Menschen zusammengeführt, tauscht Gedanken mit ihnen aus, freut sich, wenn man bei ihnen Gesinnungs- und Geistesverwandtschaft findet und fühlt sich innerlich erfaßt von manchem guten Wort, das man in der Unterhaltung, in Ansprachen und Reden gehört hat, denkt darüber nach, und der ausgesprochene gute Gedanke ruft vielleicht hundert andere in uns wach und bereichert so unser Innenleben. Man erkennt dann, welch großes Glück es ist, mit guten Menschen zusammengeführt zu werden, welch hohes Gut wirkliche Seelenharmonie bedeutet und welch festes Band diese ganz rasch um Menschen zu schlingen vermag, die nie zuvor sich gesehen hatten.

Das Bedürfnis zum Zusammenschluß mit andern ist aber nicht bei allen Menschen gleicherweise vorhanden. Manche führen auch in religiöser Hinsicht ihr Einspänner- und Eigenleben und tragen kein Verlangen nach religiöser Gemeinschaft. Es sind dies oft gerade sehr tief religiös veranlagte Menschen, die von ihren religiösen Gefühlen nicht gerne sprechen, weil sie ihnen zu heilig scheinen, sie auch nur in Worte zu fassen. Solche Menschen wollen wir nicht tadeln und nicht unterschätzen. Es sind auch solche unter den Bahai, die nicht viel Worte machen, sich nicht so leicht an andere anschliessen und ihnen ihr Herz öffnen können. Behandeln wir sie ihrer Eigenart gemäß und drängen wir uns ihnen nicht auf! Suchen wir überhaupt jeden Einzelnen seiner individuellen Veranlagung nach zu behandeln und verfahren wir weise und vorsichtig bei der Mitteilung der Lehre. — Seien wir des Wortes eingedenk: „Seid gut von Mensch zu Mensch, so wächst die Lieb’ von selbst!“ Wirke jeder in seinem Kreise in der ruhigen Art unseres großen Meisters Abdul Baha, im täglichen Aufblick zu seinem Vorbild und im Geiste der alleinenden Liebe, dann wird unserem Wirken der Segen Gottes nicht fehlen und der nächste Kongreß wird zeigen, daß wir wieder ein gutes Stück in der großen Sache vorangekommen sind.

J.


Memortagoj kaj-jaroj.

1817, (12. Nov.) naskigo de Baha’ Ullah.

1819, (Okt.) naskigo de Ali Mohammed EI .

Bab, 1844, (23. Majo) manifestacio de Bab kaj - naskigo de Abdul Baha. 1850, (8. Julio) matirmorto de Bab.

1852/53, malliberigado de Baha’ Ullah en Teheran. 1853, ekziligo al Bagdad.

1861/62, verkado de libro „Ighan“.

1863, (21. Aprilo) manifestacio de Baha’ Ullah en $ardeno Rizwan.

1863, (Aprilo-Augusto) malliberigado de Baha’ Ullah en Konstantinopolo.

1863/68, malliberigado de Baha’ Ullah en “ Adrianopelo.

1866, publika manifesto de Baha’ Ullah.

1868, (Septbro) alveno de Baha’ Ullah kaj de sia familio en Akka, severa malliberigado.

1888, permeso por Baha’ Ullah, restadi ankaü ekstere de Akka kajties Cirkaüafo.

1892, (28. Majo) morto de Baha’ Ullah.

1908, Senerala amnestio de |’ turka registraro.

1912/13, vojaßo de Abdul Baha tra parto de Ameriko kaj Eüropo.

1913, (Aprilo) Abdul Baha en Stuttgarto.

1921, (28. Nov.) moritago de Abdul Baha.

[Seite 126]


La Bahaanoj devas labori per koro kaj animo, por plibo nigi la statojn en la mondo. (daurigo.)

Ankoraü hodiaü okazas surtere la malgaja dramo de la kruela milito. La homoj . mortigas stajn kunhomojn pro egoista profito kaj por pliampleksi sian landon. Pri tin malnobla ambicio la malamo okupis iliajn korojn kaj Ciam pli kaj pli da sango estas ver$ata, Ciam denove okazas bataloj, la armeoj estas plinombrigataj, pli kanonoj, pli pafiloj, pli eksplodiloj Ciuspecaj estas uzataj en la militkampo; kolerego kaj malamo £iutage pliifas.

Sed, dank’ al Dio, tiu &i kunveno nur akcelsopiras pacon kaj unuecon; $i devas labori per koro kaj animo, ke en la mondo ekestas pli bonaj aplikajoj. Vi, la servistoj de Dio, devas batali kontraü la subpremo],

kontraü malamo kaj kontraii malkonsentoj,

‚por ke Cesu la militoj, kaj regu la diaj

leßoj de l’amo kaj de I’paco. Laboru, laboru tiom, kiom estas laü viaj

-fortoj, disvastigu la aferon de la dia re$ lando inter la homoj, instruu la memkontentulojn dediligi humile al Dio, admonu la pekulojn, ke ili ne plu pekas kaj atendu &ojkore la alvenon de I’ dia regno. Amu kaj obeu vian Ciclan patron kaj estu certigitaj pri la dia helpo. Vere, mi diras al vi, ke vi fakte venkos la &iomondan. Estu fida, pacienca kaj kuraßa, tio Ci la komenco nur estas, vi certe sukcesos, Car Dio estas kun vi. \


Pri kalumnioj.

Ekde de I’ mondo £is nuntempe la korpi&o de I’ mallumo protestis kontraü Ciu manifestacio sendita de Dio. Tiu ©i malluma potenco ©iam penis estingi la lumon. La tiraneco jam Ciam provis perforti la justecon. La malscio provis subigi la scion. Ekde plej fruaj tempoj tio estis la metodo de la materia mondo.

En la epoko de Moses, Farao estis tiu, kiu provis malhelpi la disvastigon de la mosea lumo. En la tempo de Kristo, Hannas kaj Kaifas incitis la judan popolon kontraü Jesuo, kaj la rabenoj de Israel kunißis por kontraüstari lian potencon. Kalumnioj tiaspecaj estis disvastigataj. La rabenoj kaj fariseoj unuigis kaj faris Cion, por kredigi la popolon, ke Kristo estas mensogulo, renegato kaj blasfemulo. Ili disvastigis la kalumniojn pri la tuta oriento kaj ili kaüzis, ke Jesuo estis kondamnata al malhonora morto.

La sama okazis Mohammedon; la’ instruituloj siatempe decidis, estingi la lumon de lia iniluo. lli provis malhelpi per glavo la disvastigon de liaj instruoj.

Sed malgraü iliaj penoj la suno de la vero lumis de la horizonto. La armeo de la lumo venkis la potencojn de l’ mallumo sur la batalkampo de I!’ mondo, kaj la radioj de la diaj instruoj eklumigis la teron. Tiuj, kiuj akceptis la instruojn kaj laboris por la afero de Dio, farigis radiantaj steloj je la tielo de la homaro.

Nuntempe ripetigas simila afero. Tiuj, kiuj deziras kredigi la homojn, ke la religio estas posedajo, privata denove penadas kontraüi la sunon de la vero; ili kontraüstaras la legon de Dio, ili elpensas kalumniojn, ne havante pruvojn por tio, Per vizagoj maskitaj ili atakas, sed ili ne kuraßas diri malka$e sian opinion.

Niaj metodoj diferencas esence de tiuj lastaj, ni nek atakas, nek disvastigas kalumniojn; ni ne volas prirespondigi ilin: ni donas al ili pruvojn kaj ni invitas ilin refuti niajn asertojn. Iline kapablas respondi, anstataü tio ili skribe kalumnias la dian senditon Baha’ Ullah.

Ne maltrankviligu viajn korojn per tiuj malveraj skribajoj. Obeü la vortojn de Baha’ Ullah kaj ne respondu al la kalumniuloj. Goju, ke $uste tiuj malverajoj servas por la disvastigo de la vero. Kiam homoj dissemas kalumniojn, tiam aliaj pridemandas, kaj tiuj, kiuj plue esploras, diferencigas la veron de la malvero.

Se iu klarigus: „En la alia Cambro estas lampo, kiu ne lumas“, povus okazi, ke alia, tion aüdante, estas kontenta pri tiu klarigo, sed safa persono eniras tiun Cambron, por konvinkigi kaj jen, kiam li trovas lampon hele lumantan, tiam li nun scias, kio estas vera. Plue, iu alia klarigas: „Ci tie estäs £ardeno, en kiu estas arboj per rompitaj bran£oj, portantaj ne fruktojn, kaj kies folioj [Seite 127] estas velkintaj kaj flavaj; en la sama Sardeno ankaü .estas florujoj sen floroj kaj velkantaj rozujoj mortantaj; ne iru en la Sardenon |“ Meditanta homo, aüdante tion kaj ne vidinte mem la veran aü malveran, ne estos kon‚tenta pri la klarigo. Li eniras en la Sardenon kaj jen, li trovas in bone prizorgata; la brancoj de la arboj estas fortaj kaj nedifektitaj; ili estas Sarßataj per dolCaj fruktoj maturaj, kiuj pendas inter multe da verdaj folioj. La florujoj floras plenplene, la rozujoj estas kovritaj per bonodorantaj, belegaj rozoj, kaj Cio estas verda kaj bone flegita. Kiam-la beleco de tiu Sardeno estas perceptata de tin homo, tiam li dankas Dion, ke

li, iniciata per malinda kalumnio, rigardis.

lokon de tia mirinda beleco,

La laboro de la kalumniuloj efikas, ke homoj estas kondukataj per tio al la trovo de I’ vero.

Ni scias, ke &iuj malverajoj, disvastigitaj pri Kristo kaj liaj apostoloj, kaj Ciuj libroj, skribitaj kontraü ili, nur igis la popolon esplori iliajn instruojn. Post kiam ili vidis la belecon de la instruoj de Il’ Kristo kaj enspiris ilian bonodoron, ili promenis liam meze inter rozoj kaj fruktoj de la Ciela Sardeno.

Pro tio, mi petas vin, disvastigu la dian veron per Ciu forto, por ke la inteligento de I’ homo estu inspirata; tio estas la plej bona respondo por tiuj, kiuj kalumnias la aferon. Mi ne intencas paroli malbonon pri tiuj homoj; mi nur volas diri al vi ke kalumnio ne estas sufice grava.

Nuboj povas vuali la sunon, sed neniam ili estas tiom densaj, ke la lumradioj ne povas trapenetri la vualon. Nenio estas

apabla, haltigi la sunradiojn, kiuj malsuprenbrilas por varmigi kaj vivigi la Cielan &ardenon. Nenio povas malhelpi la pluvon,

kiu malsuprenfalas de I’ ielo. Nenio povas malhelpi la plenumon de la vorto de Dio,

Kiam vi ekvidas librojn kaj gazetojn, skribitajn kontraü la misio de Baha’ Ullah, tiam ne estu malgajaj, sed konsolu vin en la certeco, ke la afero per tio gajnos pli da forto. Neniu jetas Stonojn al arbo, kiu

ne portas fruktojn. Neniu provas estingi lampon, kiu estas sen lumo.

Pripensu la iamajn tempojn. Cu la kalumnioj de Farao havis iu ajn efikon? Li asertis, ke Moses estas murdiganto, ke li mortbatis viron kaj protio meritas esti ekzekutata. Li pretekstis, ke Moses kaj Aron incitis je malkonsento la popolon, ke ili provis detrui la religion de la egiptoj kaj pro tio ili meritas la morton. La vortoj de Farao estis vane parolital. La lumo de Moses brilis. La radioj de la dia lego disvastigis pri la tuta mondo.

La fariseoj kulpigis Kriston, ke li malsanktigis la sabaton, ke li malobeis la legon de Moses, ke li minacis detrui la templon kaj la sanktan urbon Jerusalem, kaj ke li meritu pro tio esti krucumata; sed ni scias, ke & Ciuj kalumniaj atakoj ne povis malhelpi la disvastißon de la evangelio. La_ suno de Jesuo Kristo brilis hele je la Cielo kaj la spiro de Sankta Spirito blovis tra la tuta mondo.

Mi diras al vi, ke neniu kalumnio estas kapabla, kontraübatali la lumon de Dio; male $ia rezultato estas, ke la dia lumo generale estas Zuste taksata kaj akceptata. Kiu penadus, kontraübatali aferon, se i estus sen iu ajn graveco?

Estas Ciam la sama; ju pli granda estas afero, des pli granda estas la nombro de la malamikoj, kiuj provas fin pereigi. lu pli hela la lumo, des pli malhela la ombro. Nia devo estas, agi konforme al la instruoj de Baha’ Ullah en humileco kaj persistemo.


Sen spiriteco ne povas esti vera felico kaj vera progreso.

Sovaßeco kaj barbareco estas naturecoj de la bestoj, sed la homoj devas montri ecojn de !’ amo kaj de l’ bono. Dio sendis tiujn siajn profetojn en la mondon inten“ cante, ke ili semu amon kaj bonecen en la korojn de la homoj, kaj por tin granda celo la diaj senditoj e© volis suferi kaj morti, Ciuj sarıktaj libroj estas skribitaj, por konduki la homojn sur la vojojn de la amo kaj unueco; kaj malgraü tio la mal$ojiga dramo de I’ milito kaj de la sangver$ado estas en nia tempo.

Kiam ni rigardas la foliojn de la pasinta kaj de la nuntempa historioj, ni vidas la teron, saturigita de homa sango. La homoj kiel la sovaßaj lupoj mortigas unu la alian, ili forgesas la legojn de I’ amo kaj de !’ toleremo.

La epoko de la kulturo venis kaj kunportis mirindan civilizacion haj materiajn progresojn. La homa intelekto pli igis, lia percepta kapablo pli grandifis, sed, ho ve, malgraü tio tagon post tago estas ver$ata sango. Rigardu la nuntempan, turkan [Seite 128]OpiMENEsEeeRBE Sem EEE WERE Eee EEE italan militon, prezentu al vi tiujn kompatindajn popolojn. Kiom multe da homoj estis mortigataj en tiu terura tempo! Kiom da hejmoj estis detruataj, kiom da edzinoj “ estas torlasitaj, kiom da infanoj farigis orioj! Kaj kion oni gajnas por &iu tiu maltrankviligo kaj mizero? Nenion krom parton da lando.

Tio Cio montras, ke la materia progreso sole ne suficas altigi spirite la homon. Male, ju pli li profundigas en la materian progreson, des pli lia spiriteco mallumigas. En la pasintaj epokoj tiaj rapidaj progresoj nek estis farataj nek laü materia rilato, kej nek la sangoverSado okazis tiom altgrade kiel nuntempe. En la iamaj milito| ekzistis ankoraü ne kanono|, ne pafilo|, ne dinamito, ne grenadoj; oni konis ne torpedoboatojn, ne milit$ipojn, ne submarboatojn. Dank’ alla materia civilizacio ni nun havas &i eltrovajojn, kaj la milito, tiu Ci malbona aranfo, Ciam pli kaj pli terurigäs. Eüropo

'estas unuopa municiejo, kiu estas plenigita

de Ciuspecaj pafarmiloj kaj ekspodiloj; Dio ne allasu, ke ili estos ekilamigataj. Se tio okazus, la tuta mondo estus implikata en militon.

daurigota.


Das längst von vielen sehnlichst erwartete Buch

Abdul Baha Abbas'

LEBEN UND LEHREN

von Myron H. Phelps, Deutsch von Wilhelm Herrigel

ist soeben im Verlag des Deutschen Bahaibundes, Hölderlinstraße 35 erschienen. Preis in schönem Ganzleinenband M. 100.—. Porto und Verpackung M. 20.—.

Der Verfasser, ein außerhalb der Bahaibewegung stehender amerikanischer Gelehrter, besuchte im Jahr 1902 Abdul Baha in Akka, wo er einen Monat lang täglich mit Abdul Baha verkehrte und die ihm am meisten interessierenden Fragen über die philosophischen und psychologischen Grundlagen der Bahailehre von ihm beanfwortet erhielt.

Nach einer interessanten Einleitung des Verfassers folgt eine von der Schwester Abdul Bahas stammende ergreifende Schilderung der Leiden und Schwierigkeiten, welche Baha’ Ullah, seine Familie und seine Anhänger in Teheran, Bagdad, Konstantinopel, Adrianopel und Akka zu erdulden hatten. Im Anschluß an die Schilderungen seiner eigenen Eindrücke läßt der Verfasser eine Reihe von hochinteressanten, ihm mündlich von Abdul Baha erteilten Erklärungen und Belehrungen folgen, die jedermann ein klares Bild von der Wichtigkeit der Bahailehre geben.

Ein Auszug aus Baha’o’llahs Lehren bildet den Schluß dieses wertvollen Buches, dessen Anschaffung wir hiermit jedermann bestens empfehlen möchten.

Verlag des deutschen Bahaibundes.


Anfragen, Beiträge und alle die Schriftleitung betreffende Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstraße 3 zu senden :-: Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an den Verlag des Deutschen Bahaibundes Stuttgart, Hölderlinstraße 35 zu richten.

Druck: Wilhelm Heppeler, Stuttgart.

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Geschichte und Bedeutung der Bahailehre.

Die Bahai-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.

Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahaibewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahaireligion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Baha’o’llahs, Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Baha’o’llahs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahai (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Baha’o’llah vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi (Abdul Baha) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahai der Welt.

Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahai, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China etc. Dies kommt daher, daß Baha’o’llah den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.

In Baha’o’llah sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. In der Bahaireligion gibt es keine Priesterschaft und keine religiösen Zeremonien. Ihr einziges Dogma ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Baha’o’llah),

Die Hauptschriften Baha’o’llahs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt. Niemand ist mit der Macht betraut, Sündenbekenntnisse entgegenzunehmen oder Absolution zu erteilen.

Die Priester der bestehenden Religionen sollen den Zölibat (Ehelosigkeit) aufgeben, durch ihr Beispiel predigen und sich im praktischen Leben unter das Volk mischen. Monogamie (die Einehe) ist allgemein gefordert, Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Baha’o’llah eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Baha’o’llah.

Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von Abdul Baha erstrebt wird. (Vgl. Naveau Larousse, illustre supplement, p. 66.) �