| SONNE DER WAHRHEIT | ||
| Heft III | MAI 1922 | |
| ORGAN DES DEUTSCHEN BAHAI-BUNDES STUTTGART | ||
Die Hauptpunkte der Bahailehre [Bearbeiten]
1. Die gesamte Menschheit ist als Einheit anzusehen. Alle Vorurteile gegenüber anderen Menschen, Völkern und Rassen müssen beseitigt werden.
2. Alle Religionen müssen sich in einer höheren Einheit zusammenfinden Ein Gott, eine Religion.
3. Durch einen festgegliederten, allumfassenden Völkerbund und ein internationales Schiedsgericht muß der universale, dauernde Weltfrieden gesichert werden.
4. Neben der Muttersprache soll in jedem Land der Erde eine Welt-Einheitssprache eingeführt und gelehrt werden.
5. Jeder Mensch hat dasselbe Anrecht auf die geistigen und materiellen Güter des Lebens.
6. Die Menschen haben die Pflicht, nach Wahrheit zu forschen. Zwischen wahrer Religion und Wissenschaft besteht kein Widerspruch.
7. Beide Geschlechter sollen die beste Erziehung und eine der Begabung entsprechende Ausbildung erhalten.
8. Mann und Frau haben überall die gleichen Rechte. Jede Art von Hörigkeit ist streng verboten.
9. Für jeden Menschen besteht die Pflicht zur Arbeit. Für Arbeitsunfähige und Erwerbslose tritt eine gesetzliche staatliche Fürsorge ein.
10. Die schlimmen Wirkungen des Kapitalismus werden durch ein neugeordnetes, weises Erbrecht und durch geeignete Sozialisierung beseitigt.
11. Für jedes Gemeindewesen, wie für den Staaten- und Völkerbund, wird eine Verwaltungsbehörde mit bestimmten Verordnungsrechten u. Fürsorgepflichten — das sog. Haus der Gerechtigkeit — eingesetzt. Im übrigen hat der Bahai jeder staatlichen Obrigkeit zu gehorchen.
12. Die Bahailehre ist die Universal- und Einheitsreligion für die ganze Menschheit. Der Mittelpunkt des neuen Gottesbündnisses und der Erklärer der Lehre ist Abdul Baha (Abbas Effendi), dem diese Stellung von seinem Vater Baha’o’llah (Hussein Ali-Nuri) übertragen wurde.
| SONNE DER WAHRHEIT ORGAN DES DEUTSCHEN BAHAI-BUNDES Herausgegeben vom Verlag des Deutschen Bahai-Bundes Stuttgart Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz - Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3 Preis des Einzelheftes M. 3.50, Preis des Jahrgangs im Abonnement, vierteljähr. M. 9.— |
| Heft 3 | Stuttgart, im Mai 1922 | 2. Jahrgang |
Inhalt: Tablet von Abdul Baha. — Zu Abdul Baha’s Geburtstag. — Ich bin bereit! — Tablet Abdul Baha’s an die Bahai-Gemeinde in New-York. — Gebet von Abdul Baha. — An Miß Mochupuki, Japan. — An den geehrten Ref. B. Alfred Hills. — Mount Clemens Mich. — Aus „The Christian Cemmonwealth“ vom 15. Juli 1914. Bahai-Nachrichten. — Türkische Wahlstimmrechtlerinnen verbannt. — Aus „Zehn Tage im Lichte Akkas“ v. M. Grund. — Aus „Das Licht der Welt!“ — Aus einem Brief von Ahmad Sohrab. La spirita klopodo en la okcidento. — Parlado de Abdul Baha en hejmo de aristoj en Parizo. — Mitteilungen.
| O Mensch voll Leidenschaft! Gib die Habgier auf, damit du Zufriedenheit erlangen mögest, denn der Geizige ist derselben noch immer beraubt gewesen. Der Zufriedene aber wird stets geliebt und geachtet werden. O Sohn der Niedrigen! Laß dich durch die Armut nicht entmutigen noch fühle |
dich sicher im Reichtum. Aller Armut folgt Reichtum und allem Wohlstand folgt Armut. Arm zu sein in allem, außer in Gott, ist ein großer Segen; verkleinere ihn nicht, denn zuletzt wird er dich reich machen in Gott. Baha ’Ullah. (Verborgene Worte). |
| O Diener! Höre die Erklärung des Unterdrückten, der die Anfechtungen und Schwierigkeiten auf dem Wege Allah's, dem König der Himmel, erduldete. Bis zu meiner Gefangennahme im Lande Tä*) rief ich die Menschen zum erhabenen Paradies. Sie bemächtigten sich aber meiner und führten mich (als Gefangenen) quer durch Städte und Länder. Wie viele Nächte hat der Schlaf die Augen meiner Freunde geflohen ob ihrer Liebe zu mir! Wie oft haben sich die verschiedenen Sekten gegen mich erhoben, währenddem ich mich auf dem Gipfel hoher Berge sah und wiederum im Gefängnis von Tâ unter den Ketten ihrer Halseisen! Bei Gott! In allen Zuständen war ich dankbar, sprach von Gott, dem Gelobten, näherte mich Ihm, zufrieden, ergeben und untertänig. So sind meine Tage dahingeflossen, bis sie zu diesem Gefängnis**) führten, das die Erde erzittern macht ob dem Weinen der Himmel. / Glücklich ist, wer die Vorurteile abwirft und kommt unter die Fahne und das Zeichen des Verborgenen!
Baha ’Ullah. *) Teheran. **) Akka. Aus „L’Epitre aû fils du Loup par Baha ’Ullah“. |
Zu Abdul Baha’s Geburtstag. [Bearbeiten]
Am 23. Mai gedenken wir des Geburtstages
unseres geliebten Meisters Abdul
Baha, den er vergangenes Jahr noch in
völliger Lebensfrische zur Freude und
zum Segen seiner Familie und seiner ergebenen
Anhänger feierte. Und nun sind
wir verwaist, er ist von dieser unvollkommenen
Welt, von den Menschen —
denen er in unvergleichlicher Liebe und
Treue beistand in allen Nöten der Seele
und des Leibes, denen er mit seinem eigenen
Sein ein leuchtendes Vorbild der
höchsten edelsten Menschlichkeit gab —
in seine himmlische Heimat zurückgekehrt.
Selbst seine getreuesten Anhänger
können kaum ermessen, wie groß
Abdul Baha war und ist, und wie sehr
er für die Menschheit gelitten hat während
seines langjährigen Wirkens für die
Sache Gottes. Nicht seines eigenen, stets
bedrohten Lebens gedachte er, sondern
von früh bis spät war sein heißes Bestreben,
Gott zu dienen, die durch seinen
Vater Baha ’Ullah verkündete Weltlehre
auszulegen und sie der Menschheit zu
übermitteln. In unermüdlicher Tätigkeit
rief er alle Völker der Erde, alle Rassen
und Religionen zur Einheit, zum Frieden,
zur Verbrüderung auf. Er war das Spiegelbild,
die reinste Verkörperung des
Gotteswortes und Willens in einer Zeit, in
der wahrer Glaube, jede echte Religion
dem Eigeninteresse gewichen waren und
in der die materiellen Interessen ganzer
Völker die geistige, allein dauernde Zugehörigkeit
zu und völlige Abhängigkeit
von Gott in den Hintergrund treten liessen.
Abdul Baha’s Ruf hat viele Tausende
aus dem Schlafe geweckt, er rief
ihre Seelen wach und führte sie zur Erkenntnis
der Wahrheit, und nun, da seine
irdische Hülle dem Staub übergeben
und sein Geist befreit ist, wird seine Arbeit
an der menschlichen Seele noch eine
viel machtvollere sein. Er wird seine
Werkzeuge zubereiten nach seinem Willen
und sie entwickeln nach seinem
Wunsch. Er wird uns allen helfen, mehr
und mehr die Größe und Tragweite seiner
Gottesgesandtschaft zu erkennen und
uns beistehen beim Werk der Verkündigung
seiner Gebote. Hat Christus, der
große Nazarener, nicht auch seinen Geist
ausgegossen über die, so ihm dienten?
Sollen wir kleinmütig sein, da wir alle
seine Neubelebung und seine Gegenwart
auf mancherlei Art erkennen durften?
Hat uns der große Meister nicht einen
Beschützer und Nachfolger in Shoghi Effendi
bestimmt, der seines Geistes ist,
den er zubereitete zu dieser verantwortungsvollen
Stellung? Täglich und stündlich
fühlen die ihm treu Ergebenen das
Walten seiner Macht, die Verbindung mit
der Göttlichen Wesenheit und Einheit
durch Abdul Baha. Wir Abendländer nehmen
im allgemeinen diese überaus wichtige
Zeit der Anfangsentwicklung einer
Manifestation der Gottheit — wie sie
in Baha ’Ullah und Abdul Baha uns entgegentritt,
nüchterner und skeptischer
auf, als die orientalischen Gläubigen und
Freunde der Bahai, bei denen Religiosität
eine viel höhere Rolle spielt als im geschäftigen,
raschlebigen Abendland. Daher
muß die geistige Weltleuchte auch
aus dem Osten kommen, wie zu alten
Zeiten. Sie wird emporsteigen und ihr
Licht über die ganze Welt werfen, und
im Strahl ihrer Liebe und Wärme wird
zur Blüte gebracht werden, was in
menschlichen Herzen verborgen und
vielfach verschüttet ruht. Sie wird
Früchte zeitigen, die bisheriges Tun
und Leben übertreffen werden. Eine
neue Zeit und eine neue Menschheit
wird aus der Erziehung. zur Wahrheit
durch die Bahailehre (Lichtlehre) hervorgehen,
die so viele edle Menschen
erhoffen, herbeisehnen und doch daran
verzweifeln möchten, wenn sie noch
nicht Kunde von den Begebnissen haben,
die sich im Jahr 1844 am 23. Mai
in Shiraz zutrugen, die ihren Anfang nahmen
durch den Eintritt Abdul Bahas
in diese Welt und durch die gleichzeitige
Erklärung des Bab. Jetzt ruhen sie vereint
in der Grabstätte auf halber Höhe
des Berges Karmel, der über der Stadt
Haifa an der blauen Meeresbucht aufsteigt:
Der Verkünder des Tagesanbruchs,
dieses siebenten Schöpfungstags
Gottes, Ali Mohammed El Bab und Abdul
Baha, unser Meister. Dem Karmel
gegenüber, über der Meeresbucht und
von Haifa aus sichtbar, liegt die Gefängnisstadt
Akka — die „weiße Stadt“ von
Baha ’Ullah, wo dieser Gottesgesandte
und Weltlehrer, der im göttlichen Auftrag
das Wort und die Wahrheit verkündigte —
lange als Gefangener lebte und
seine letzte Ruhestätte unweit davon in
[Seite 35]
Bahajee gefunden hat. Begehen wir den
23. Mai auch nicht wie einst, da wir vereint
die Bezeugung unserer Liebe und
Ergebenheit mündlich und schriftlich unserem
Meister ausdrücken konnten, so
wollen wir doch in tiefem Versenken in
seinen Geist, in sein Wort, in sein
Werk ihm den Geistesgruß senden und
ihm geloben, seiner heiligen Sache treulich
und selbstlos zu dienen, den Menschen
zu dienen, wie er tat und alle Menschen
in unsere Liebe und unser Gebet
einzuschließen. So handeln wir wohl
nach unseres Meisters Willen und dürfen
seines Segens stets gewiß sein.
A. Sch.
Ich bin bereit! Eine Botschaft Gottes, des Höchsten und Glorreichen an Sein geliebtes Volk. [Bearbeiten]
Gepriesen seist du, o Volk des Lichts, daß du den Segen erlangt hast, der über dich ausgegossen wurde.
O ihr, die ihr in die Tiefe der Liebe El Abhas untergetaucht und durch den süssen Duft (Wohlgeruch), der von jenem gesegneten Ort ausströmt, angezogen worden seid, gürtet eure Lenden und erhebt euch zu Meinem Dienst, damit Ich bei euch bin zu allen Zeiten und bei allen Gelegenheiten, wo und wie ihr auch in Meinem Dienste arbeiten möget.
O Volk des Lichts, vereinige dich mit den Völkern aller Religionen, damit du begünstigt wirst mit dem Wohlgeruch Meines Geistes der Liebe, Barmherzigkeit, Duldsamkeit und Nachsicht. Wir haben euch dies schon früher befohlen, weshalb seid ihr unschlüssig und zögert noch?
Gehet hinaus! Gehet hinaus im Dienste des Herrn! Fürchtet Euch nicht, in die Fußstapfen der früheren Apostel zu treten! Ja fürwahr! Eure Belohnung soll weit größer und euer Märtyrertum weit glorreicher sein, als irgend eines in der Welt.
Saget den Menschen, daß Gott eure Augen geöffnet hat, um den Glanz des Höchsten und Glorreichen zuschauen und er euch unter das Volk gesandt hat mit der Botschaft von dem Throne der Gnade und Herrschaft. Wenn sie nicht hören wollen, so geht hinaus auf die Wege, in die Gäßchen und an die Hecken und Zäune und bringet sie einzeln herzu. Aber arbeitet, arbeitet, arbeitet! Wahrlich, Er (mein Diener) ist Mein ausgesprochener Friedenswille und Mein auserwähltes Gefäß! Höret auf ihn, liebet ihn und gehorchet ihm!
Tablet Abdul Baha’s an die Bahai-Gemeinde in New-York. [Bearbeiten]
O Ihr, die Ihr Euch dem Reiche Gottes zugewandt habt und von den hl. Düften, die der Garten El Abhas verbreitet, angezogen werdet!
Erhebet Euch mit aller Macht, um dem Bündnis Gottes zur Seite zu stehen und in Seinem Weinberg zu dienen. Glaubet zuversichtlich, daß Euch Bestätigung gewährt und Erfolg zuteil wird. Wahrlich, Er wird Euch unterstützen durch die Engel Seiner Heiligkeit, und Euch stärken durch den Hauch des Geistes, damit Ihr die Arche der Sicherheit besteigen und sichtbare Zeichen hervorbringen möget, damit Euch der Geist des Lebens verliehen und das Wesen Seiner Gebote und Vorschriften erklärt werde.
Führet die Schafe, welche in allen Richtungen
über die Gefilde zerstreut sind.
Machet alle erdenklichen Anstrengungen,
soweit sie in Euren Kräften stehen, um[Seite 36]
die Segnungen, welche ihr empfangen
habt, weiter zu geben, und strebet allen
Ernstes darnach, in diesem neuen Jahrhundert
vorwärts zu kommen. Wahrlich,
der Herr der Heerscharen ist Eure
Stütze, die Engel des Himmels sind Eure
Gehilfen, der heilige Geist ist Euer Gefährte,
und der Mittelpunkt des Bundes
(Abdul Baha) ist Euer Helfer!
Seid nicht träge, sondern seid tätig und fürchtet Euch nicht. Blicket auf jene, welche in früheren Zeiten lebten. Betrachtet, wie sie allen Nationen gegenüber stand hielten und Verfolgungen und Bedrückungen erduldeten, wie ihre Sterne leuchteten und ihre Bemühungen erfolgreich waren, wie ihre Lehren aufgerichtet und immer weiter ausgebreitet wurden! Deshalb wurden ihre Herzen erquickt, ihre Ideen begriffen und ihre Beweggründe wirkungsvoll.
Ihr nehmt heute eine große Stellung und einen edlen Rang ein, und Ihr werdet finden, daß Ihr einen Erfolg und ein Gedeihen habt, desgleichen das Auge dieser Existenz in früheren Zeiten noch niemals gesehen hat.
El Baha und Grüße seien mit jedem, der fest im Bunde, frei von Uneinigkeit, gefestigt gegen Enttäuschungen und standhaft auf dem Pfade Gottes ist.
gez. Abdul Baha Abbas.
O Gott, o Gott! Gewähre mir, aus dem Kelch Deiner Gnade trinken zu dürfen, Erleuchte mein Antlitz mit dem Lichte Deiner Führung. Festige meine Treue und Standhaftigkeit in Deinem Ewigen Bunde. Gestatte mir, einer Deiner aufrichtigen Diener zu werden. Oeffne vor meinem Angesicht die Tore zum geistigen Schauen. Beschere mir die Mittel zu meinem Unterhalt. Gib mir mein Brot durch Arbeit, auf die Du Deinen Segen senden mögest aus Deiner himmlischen Schatzkammer. Schenke mir Kraft, um, mein Angesicht Deinem gnadenvollen Antlitz zuzukehren und Deiner Sache treu zu sein. O Du Barmherziger, Du Mitleidsvoller! Wahrlich, Du bist gnädig denen, die treu und standhaft in Deinem starken, unüberwindlichen Bunde stehen! Gelobt sei Gott, der Herr der Welten! |
An Miss Mochupuki, Japan; auf ihr sei die Herrlichkeit Gottes des Höchsten, durch Mr. H. S. Fugeta. [Bearbeiten]
O du, der du ein neuerwachsener Baum auf der Aue der Wahrheit bist, dein Brief vom 14. Okt. 1920 kam an. Da er die Empfänglichkeit: für die Erkenntnis der Wahrheit bezeugt, wurde er mir zur großen Freude.
Japan ist wie ein Feld, dessen Boden
unberührt ist; solch ein Boden birgt viele
Kräfte. Ein Samenkorn trägt darin [Seite 37]
hundertfältig Frucht. Gott sei gelobt, daß
du ein solches Feld fandest. Du mußt
das Land entwickeln, du mußt es von
Dornen und Unkraut reinigen, den Samen
der Liebe Gottes hineinstreuen und ihn
mit dem Regen der Erkenntnis Gottes
befeuchten. Sei gewiß, daß himmlischer
Segen darauf ruhen wird. Ich hoffe, daß
du auf diesem Boden der göttliche Landmann
werdest. Das erleuchtete Volk Japans
ist der abgenützten und leer gewordenen
Formen müde. Sie sind dessen
gewiß, daß die unechten Lehrmeinungen
auf Einbildungen und Vorurteilen beruhen
und ohne irgend welche Berechtigung
sind. Daher sind sie fähig, den Ruf
Gottes zu vernehmen. Das Land ist unberührt.
Jetzt wollen wir sehen, was der
göttliche Landmann tun wird!
Du hast jetzt eine Zeitung ins Leben gerufen. Ich hoffe, daß diese leuchten wird wie ein Stern des Ostens. Schreibe in diese Zeitung folgendes: Als der Horizont des Ostens mit schrecklicher Nacht bedeckt war, als dunkle Wolken vorherrschten und als alle himmlischen Sterne den Augen verborgen waren, ging Baha ’Ullah wie eine Sonne am östlichen Himmel auf und erleuchtete mit strahlender Herrlichkeit den Orient.
Das Licht der Sonne der Wahrheit besteht aus himmlischen Lehren, die im Orient verbreitet werden, denn dort ist die Nacht blinder Einbildungen und Vorurteile der Religionen, der Sekten, Rassen, der Politik und Volkswirtschaft im Aufstieg begriffen. Die Nacht dieser Vorurteile beherrschte den Orient und zwar so sehr, daß aller Augen blind und aller Ohren verschlossen waren. Dort herrschte Streit und Hader, Krieg und Blutvergießen.
Dies alles hat eine lange Erklärung nötig; ich erwähne es nur flüchtig. Als die Sonne der Wahrheit mit aller Kraft und Energie schien, teilten sich die düstern und schwarzen Wolken, und der strahlende Tag zeigte dem Auge einen Anblick von solcher Frische und Schönheit, daß die Weisen in Erstaunen gesetzt wurden; die Kranken wurden geheilt, die Blinden sehend, die Tauben hörend, die Stummen redeten, und die Toten wurden neubelebt. Eine himmlische Tafel wurde im Orient gedeckt. Die göttlichen Lehren wurden wie ein unerschütterliches Gebäude aufgerichtet.
Das erste Lehrprinzip Baha ’Ullah’s ist, selbständig nach Wahrheit zu forschen, d. h. alle Nationen der Welt sollen unabhängig nach Wahrheit suchen und ihre Augen von den veralteten, blinden Lehrmeinungen der vergangenen Zeitalter gänzlich abwenden. Es gibt nur eine Wahrheit; wenn sie frei und unabhängig erforscht wird, wird sie sich niemals teilen. Daher wird die unabhängige Forschung nach Wahrheit zur Einigkeit und Einheit der Menschheit führen.
Eine andere Lehre ist die von der Einheit des Menschengeschlechts. Alle Menschen sind die Bäume des himmlischen Gartens, und der Gärtner dieses Obstgartens ist der Höchste, der All-Erhalter. Die Hand seiner Gunst hat diese Bäume gepflanzt, sie mit dem Wasser aus den Wolken der Gnade getränkt und sie mit der Kraft der Sonne der Wahrheit bestrahlt. Es ist kein Zweifel, daß dieser himmlische Gärtner alle seine Pflanzen liebt. Diese Wahrheit kann nicht geleugnet werden. Sie leuchtet wie die Sonne. Alle stehen unter göttlichem Schutz, der zweifellos größer ist als der der Menschen. Wir müssen diesem göttlichen Schutz vertrauen.
Es gibt aber kranke Leute und solche, die unreif und unwissend sind — oft bis ans Ende ihres Lebens. Die Kranken sollten geheilt, die Unreifen zur Reife gebracht, die Unwissenden gelehrt werden, und es sollte keinerlei Feindschaft gegen sie zum Ausdruck gelangen. Desgleichen beschreibe deutlich in jener Zeitung auch die anderen Lehren, die du kennst, eine nach der anderen, in detailierter Beschreibung! Betone z.B. daß die Religion der Anlaß zur Eintracht sein muß, daß sie mit Wissenschaft und Vernunft einig gehen muß. Sie soll ein Fortschrittsfaktor der menschlichen Welt sein und deshalb frei werden von blinder Nachahmung und Einbildung. Alle Vorurteile, die zerstörend auf die Grundpfeiler der menschlichen Welt wirken, müssen beseitigt werden.
Weiter wäre anzuführen: Die Gleichheit
von Mann und Frau, die allgemeine
Verbreitung der Wissenschaft durch allgemeine
Erziehung und Unterricht, die
Einführung einer Weltsprache, Schaffung
von Recht und Gerechtigkeit, von volkswirtschaftlichen
Erleichterungen. Dazu
bedarf die Menschheit aber der Führung[Seite 38]
des hl. Geistes. Ferner: Die Errichtung
des universalen Friedens, die Einsetzung
einer hohen gesetzgebenden Versammlung
(„Haus der Gerechtigkeit“), Freiheit
und Gleichheit unter den Menschen,
die Verbrüderung der Menschheit und
noch andere Lehren, die in den Tablets
Erwähnung finden. Beschreibe alle diese
Lehren in klaren und beredten Worten,
die die (zu erstrebenden) schönen Wirklichkeiten
ausdrücken und setze sie in die
Zeitung.
Ich hoffe, daß du mit Miss Alexander in diesem Dienst bestätigt wirst. Miss Alexander ist der Herold der Wahrheit in Japan. Sei gewiß, daß sie bestätigt und ihr geholfen werden wird.
Auf dir sei die Herrlichkeit Abha’s.
(sig.) Abdul Baha Abbas.
An den geehrten Ref. B. Alfred Hills; auf ihm sei der Ruhm Gottes, des Höchsten. [Bearbeiten]
O du ausgezeichneter Mensch!
Dein Brief vom 24. Nov 1920 kam an. Gott sei gelobt, daß das Licht der Wirklichkeit über dir strahlte und dein Auge erleuchtete, so daß du die Kraft des Scharfsinns erlangt hast. So gehörst du und deine Gattin nun zu den Erwählten. Ich hoffe, daß ihr im Gottesreich zu den Auserlesenen gezählt werdet.
Dies ist eine unermeßliche Gnade und eine große Bestätigung und Gabe des Herrn der Heerscharen, daß du endlich zur Wahrheit gelangtest. Diese Wahrheit ist die Arche der Errettung, sie ist himmlische Erleuchtung, sie ist ewiges Leben und die Hilfe des hl. Geistes.
Am Abend, zur Zeit der Dämmerung, erbitte und erflehe ich göttliche Gnade für dich und deine Frau, damit ihr getauft werdet mit dem hl. Geist und dem Feuer der Liebe Gottes. Eure Aufgabe besteht darin, euer Benehmen und eure Lebensführung mit den Lehren S. H. Baha ’Ullah’s in Einklang zu bringen, für die Einheit der Welt zu arbeiten und die Menschen von religiösen, politischen und völkischen Vorurteilen zu befreien, damit alle in den Schatten des Zeltes der einen Menschheit eintreten können.
Die hochachtbare Dienerin Gottes, Frl. Hills, möge mit ihrer geistigen Heilung fortfahren. Sie sollte sich gänzlich von der Anhänglichkeit an diese vergängliche Welt lösen, dann wird göttlicher Segen auf sie herabkommen.
Du solltest die Menschen mit größtem Interesse, mit Begeisterung und Freude führen. Es werden zwar feindselige Seelen sich zeigen, dich tadeln und abweisen, aber du darfst durch nichts dich anfechten lassen, sondern, mit großer Gnade ausgerüstet, dich dem widersetzen. Du hast gewiß in der Bibel gelesen, wie viel Schmach, Tadel, Verfolgung und Fluch die Jünger S. H. Christi zu ertragen hatten und wie schwer sie von den Pharisäern angegriffen wurden. Dennoch wurde das Banner der Jünger gehißt und das der Pharisäer herabgenommen.
Auf dir sei der Glanz Abha’s.
- (sig.) Abdul Baha Abbas.
Mount Clemens. Mich.
An Ref. B. Alfred. Hills; mit ihm seien Gruß und Lob. [Bearbeiten]
An Ref. B. Alfred. Hills; mit ihm seien Gruß und Lob.
O du hochachtbarer Mann!
Dein langer Brief traf ein. Wegen der überaus vielen Briefe, die aus allen Ländern kommen, habe ich keine Gelegenheit, eingehend darauf zu schreiben. Die kurz gefaßte Pointe ist, daß die Menschen ewiges Leben bedürfen. Ewiges Leben hängt aber von der Offenbarung des Gottesreichs ab und dieses ist gestützt auf den Einfluß des Wortes Gottes und die Bestätigung des hl. Geistes, d. h. es ruht auf göttlicher Macht, die die Toten belebt, den Blinden das Gesicht schenkt und den Tauben Gehör verleiht. Durch dies wird die zweite Geburt bewerkstelligt, da es in der Bibel heißt: „Was vom Fleisch geboren ist, das ist Fleisch, was aber aus Geist geboren ist, das ist Geist.“ Es geziemt euch, wieder geboren zu werden, und dies wird wirklich geschehen.
Was die andern Religionen betrifft, wie
die von S. H. Zoroaster, S. H. Buddha,[Seite 39]
Brahma und Konfucius, so sind sie deutlich
in den Tablets von Baha ’Ullah erwähnt,
desgl. in den Büchern von Freunden
wie z. B. im Buch von Mirza Abul
Fazl und auch in meinen Briefen. Am
Anfang war die Grundlage der Religionen
den Lehren S. H. Zoroasters u. S. H
Buddhas sehr angemessen, aber späterhin
traten Veränderungen und Verdrehungen
hinzu.
Es scheint, daß du noch nicht die Tablets und Bücher kennst, worin sie erwähnt sind. Beschaffe dir das gedruckte Buch von Mirza Abul Fazl. Es wird genügen, dich zu überzeugen, daß die Lehren Baha ’Ullah’s universale Lehren sind, die durch den Einfluß des Wortes Gottes gestützt werden, desgleichen durch das Wehen des hl. Geistes und durch himmlische Macht.
Du hast nur die gedruckten Schriften von S. H. Baha ’Ullah gesehen. Die gedruckten Tablets sind im Vergleich mit den ungedruckten recht wenige.
Die Grundlage aller Religionen Gottes ist nur eine, die Grundlage dieser Lehre ist universal durch die Macht S. H. Baha ’Ullah. Im Orient sind zahlreiche Lehren vordem verbreitet worden, die scheinbar universaler Art sind; da sie jedoch nicht von göttlicher Macht getragen sind, brechen sie zusammen und löschen wie eine Flamme aus. Die Lehren Baha ’Ullah’s aber gewannen solchen Einfluß, daß 20 000 Seelen ihr Leben für sie opferten, und tagtäglich verbreiten sich die Bahai immer mehr und wachsen an Stärke.
Der Ort (wo die Lehre auftritt) ist bedeutungslos. S. H. Christus trat in Palästina auf, seine Lehren aber durchfluteten die ganze Welt und brachten durch göttliche Macht viele Nationen zu seinem Wort. Somit ist die anfängliche, örtliche Beschränkung durchaus nebensächlich.
Der hl. Geist enthält alle göttlichen Eigenschaften. Er ist der höchste Lehrer. Die menschliche Seele erlangt durch den Glauben Wiedergeburt und Unsterblichkeit. — Die Karte, die du beilegtest, machte mir viel Freude. Die Verse, die du aus den hl. Büchern anführst, sind, wofern sie mit Wissenschaft, Vernunft und der Weisheit Gottes übereinstimmen, wörtlich zu nehmen; anderes bedarf der Erklärung. Diese muß aber auch mit Vernunft, Wissenschaft und Wahrheit in Einklang stehen. So es Gottes Wille ist, wirst du dies verstehen. Ich hoffe, daß du durch göttliche Bestätigung die Erklärungen aller dieser Fragen finden wirst.
Ich habe keine Zeit, alle diese Fragen zu erläutern, eine nach der anderen. Wenn wir uns einmal begegnen, werde ich sie dir alle mündlich und einzeln erklären.
Zweifellos beruhen die Fragen auf dem Wunsch der Erforschung der Wahrheit, daher schreibe ich in größter Liebe diese kurze Antwort.
Mit Gruß und Lob
- (sig.) Abdul Baha Abbas.
Aus „The Christian Commonwealth“ vom 15. Juli 1914.
Bahai-Nachrichten.[Bearbeiten]
Ein Tag der Fragen.
Die religiösen Streitfragen unserer westlichen Welt gleichen denen der östlichen und speziell denen im Islam. Es gibt z. B. zwei Sekten in der mohammedanischen Welt, die eine hält die Worte des Korans für „absolut und ewig“, während die andere sie für „nicht absolut und endlich“ hält. Zwischen diesen zwei sich gegenüberstehenden Gedankenrichtungen sind schon verschiedene Schlachten geschlagen und manche Bücher sind über diesen Gegenstand geschrieben worden. Die Scheiks, welche diese Schulen und Ansichten repräsentieren, kommen zu Abdul Baha, um mit ihm solche Fragen zu erörtern und Ihn zu fragen, und Er gibt ihnen bis ins Einzelne gehende Antworten; wäre dem nicht so, würden sie gehen und das Gerücht verbreiten, daß Er unfähig sei, ihnen zu antworten. „Seine Aufgabe ist eine der schwersten“, so schreibt jemand aus Haifa, „die Antwort muß auf eine solche Art gegeben werden, daß eine Versöhnung zwischen diesen zwei Richtungen und ihren auseinandergehenden Ansichten stattfinden kann und doch zu gleicher Zeit der Wahrheit die Ehre gegeben wird.“
In einer vor kurzem stattgehabten Unhaltung
mit den Scheiks, die von 8 Uhr[Seite 40]
morgens bis 6 Uhr abends verweilten,
behandelte Abdul Baha die besondere
Streitfrage, welche auch unsere eigene
bekannte Streitfrage über die Natur der Eingebung
in der Bibel ist, in folgender Art.
Als die Scheiks die Worte vom Koran anführten, stellte Er die Tatsache fest, daß es drei Arten von Versen gibt: irdische Worte, die keine dauernde Wirkung für die Gestaltung der Menschenschicksale haben; schöpferische Worte, nämlich die Gesetze der Propheten, welche sich von Zeitalter zu Zeitalter verändern, je nach den Zeiten und Verhältnissen, und endlich geistige Worte: die ethischen und moralischen Lehren der Offenbarungen Gottes. Diese sind unveränderlich, weil der in den Worten enthaltene Geist der Geist Gottes ist, und darum sind sie ewig. Deshalb, sagte Abdul Baha, hat die eine Schule recht, wenn sie behauptet, daß die Worte Gottes absolut und ewig gültig sind, denn sie spricht von den geistigen Worten; wenn aber die andere Schule behauptet, daß die Worte vergänglich und endlich sind, so hat sie auch recht, weil sie dies von den „endlichen und nicht absoluten“ Worten denkt, welche in Wert und Bedeutung sich verändern.
Türkische Wahlstimmrechtlerinnen verbannt*).
(Aus „The Christian Commonwealth“ v. 18. Juli 1914). [Bearbeiten]
(Aus „The Christian Commonwealth“ v. 18. Juli 1914).
„Gegenwärtig werden zwei Fragen in dem Kreis um Abdul Baha lebhaft behandelt — Frauenrecht und militärische Pläne in Akka. Neulich brachte ein Brief von Haifa die Neuigkeit, daß vierzig türkische Frauenrechtlerinnen, die von Konstantinopel ausgewiesen wurden, in Akka erwartet werden. Unser Korrespondent schreibt: In den letzten Jahren haben sich die Frauenrechts-Ideale in den Harems still verbreitet. Die Männer wußten nichts davon, keinem war etwas davon bekannt, und nun bricht unvermutet die Flut herein und die Männer in Konstantinopel haben gedacht, daß es nötig sei, ihre Zuflucht zu solch drastischen Maßnahmen zu nehmen. Die Frauenstimmrechtlerinnen waren gut organisiert, verständige Denkschriften und Bittschriften wurden entworfen und in Umlauf gebracht. Frauenzeitungen und Zeitschriften entstanden und veröffentlichten ausgezeichnete Artikel, auch öffentliche Versammlungen wurden abgehalten. Dann nahmen eines Tages die Mitglieder dieser Vereine — es waren 400 — ihre Schleier ab. Die ernsten konservativen Klassen der Gesellschaft waren erschreckt, der gute Muselmann wurde beunruhigt, und die Regierung trat tatkräftig dem entgegen. Diese 400 freiheitliebenden Frauen wurden in verschiedene Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe mit 40 Frauen wurde nach Akka verbannt und wird in wenigen Tagen dort ankommen. Jedermann erzählt davon, und es ist wirklich erstaunlich zu sehen, wie viele es gibt, die für Beseitigung des Schleiers vom Gesicht der Frauen sind. Viele Männer, mit denen ich sprach, denken, daß die Sitte nicht nur überlebt, sondern auch bedrückend sei. Die türkischen Behörden glauben, dieses Licht der Freiheit ausgelöscht zu haben, doch sie haben die Flamme nur genährt, und durch ihre eigenmächtige Tätigkeit wurde die Sache noch unterstützt von einer großen öffentlichen Meinung und einem besseren Verständnis dieses Problems.
Die andere Frage, die in Haifa behandelt wird, ist die Bildung eines militärischen und strategischen Viertels ausserhalb Akkas, welches seine vergangene Wichtigkeit wieder herstellen würde. Sechs Regimenter Soldaten sollen hier einquartiert werden. Viele Offiziere sind schon angekommen und suchen allenthalben nach Häusern, und die Folge ist, daß sich die Mieten verdreifacht haben. Es ist interessant zu beobachten (wie unser Bahai-Korrespondent zu verstehen gibt), daß die mögliche Folgeerscheinung dieser militärischen Pläne die ist, in diesem wirklichen Mittelpunkt des
*) Wir geben hier einige Proben aus „The Christian Commonwealth“, um unsere Leser auch mit dieser
Zeitschrift bekannt zu machen. Obiger Artikel zeigt, wie der durch Baha ’Ullah verkündigte Gedanke der
Befreiung der mohammed. Frauen aus unwürdigen Fesseln bei der Frauenwelt dort Widerhall fand. Schriftitg.[Seite 41]
Bahai-Glaubens den universalen Frieden
zu finden.
Ein anderer Brief berichtet weiter über die türkischen Frauenstimmrechtlerinnen, daß 400 Frauen ihre Schleier abgeworfen und das Kriegs-Ministerium angegriffen und gestürmt hätten. Die äußere Ursache war hauptsächlich die Demonstration für die Enthebung ihrer Gatten vom militärischen Dienst. Die Frauen baten nicht nur um den Wiederbesitz ihrer Männer, sondern auch um Bewilligung einer Anzahl Rechte für ihr eigenes Geschlecht im türkischen Reich.“
Aus „Zehn Tage im Lichte Akkas“ v. M. Grundy.
(Aus dem Englischen übersetzt v. W. Herrigel). [Bearbeiten]
(Aus dem Englischen übersetzt v. W. Herrigel).
20. „Säet den Samen der Liebe in die Herzen und nicht den Samen des Hasses. Unser Bild im Spiegel zeigt an, ob wir lachen oder finster blicken. Durch unsere Handlungen beweisen wir, was in unserem Herzen ist. Die Taten sind die Spiegel der Seele.“
„Wir sollten uns nicht mit unseren Fehlern und Schwächen beschäftigen, sondern über den Willen Gottes nachdenken, so daß er durch uns fließen und diese menschlichen Schwachheiten dabei heilen möge.“
„Der Glaube ist nicht ein bloßes Fürwahrhalten, sondern auch die Betätigung des für wahr Erkannten.“
21. „In Amerika habt ihr bis jetzt erst einen Vorgeschmack erhalten von der geistigen Nahrung, die ihr empfangen werdet. Um der Sache Gottes zu dienen, werden sich einige erheben in eurem Lande, die willens sind, sich selbst gänzlich aufzuopfern; ihnen wird große Macht gegeben von Gott, wenn sie hinausgehen, um Seinen Willen zu tun. Konzentrieret die Seele auf Gott, daß sie wie ein Brunnquell werde, welchem das Wasser des Lebens für eine durstende Welt entströmt. Erhebe dich zu sittlicher Höhe der Selbstaufopferung, dann wird die Welt dir nichtig erscheinen und keine irdische Macht wird imstande sein, dich von Gott zu trennen. Opfere deinen Willen dem Willen Gottes. In das Gottesreich wird nur der eintreten, der sein eigenes Selbst vergißt. Durch die Trennung von allem Irdischen wird alles dein Besitz.“
„Ein Löwe, ein Wolf und ein Fuchs gingen aus um zu jagen. Sie erbeuteten einen wilden Esel, eine Gazelle und einen Hasen. Der Löwe sagte zu dem Wolf:
„Teile du die Beute.“ Der Wolf sagte: „Das ist leicht; den Esel für dich, die Gazelle für mich und den Hasen für den Fuchs.“ Der Löwe biß dem Wolf den Kopf ab, indem er sagte: „Du bist kein guter Teiler.“ Dann wandte er sich an den Fuchs und sagte: „Teile du.“ Der Fuchs sagte: „Der Esel, die Gazelle und der Hase sind dein. Der Löwe sah ihn an und sagte: „Weil du dich selbst als nichts gerechnet hast, magst du die ganze Beute nehmen.“
22. Frage: „Was ist wahre Größe im Menschen ?“
Antwort: „Seine geistigen Eigenschaften. Niemand kann seine geistigen Eigenschaften zerstören; sie sind von Gott.“
23. Frage: Welchen Nutzen werden die Volksmassen von dieser Offenbarung haben ?“
Antwort: „Die Offenbarung von
Baha ’Ullah enthält alle großen Gesetze
und Prinzipien einer sozialen Regierung.
Die Grundlage von Gottes vollkommenen
Gesetzen ist die Liebe für die Menschheit
und die Hilfsbereitschaft für menschliche
Bedürfnisse. Wenn alle Menschen
dieser Offenbarung folgen würden, so
könnten die Massen in hohem Grade gehoben
werden und die Sache Gottes
würde dadurch verherrlicht. Diese Entwicklung
der Menschheit wird allmählich
vor sich gehen, nicht plötzlich. Sie wird
sicherlich kommen, es ist unmöglich, gegen
den Strom des Niagara zu schwimmen.
— Das Lehren der Wahrheit gleicht
dem Erbauen von Brücken, auf welchen
die Menschheit über den reißenden Strom
gelangen kann. Die Welt muß dahin
kommen, daß sie Christus als das „Wort“[Seite 42]
anerkennt. Obgleich sie ihn verspotteten,
verachteten und verlachten, bestand
doch seine Mission darin, die Menschheit,
die ihn verwarf, auf eine höhere Stufe
zu erheben. Wenn dies allgemein erkannt
wird, so wird es die, welche ihn
verleugneten, zum Weinen, zum Schweigen
und Nachdenken bringen. Christus
bleibt ewig Christus.“
24. Frage: „Welches ist der beste Weg, um der Menschheit zu nützen ?“
Antwort: „Die Führung zu Gott Was ist dem Menschen teurer als sein Leben? Wenn du deshalb eine Seele zum ewigen Leben führst, so ist dies der größte Segen und Nutzen, welchen du dieser Seele erweisen kannst.“
25. Frage: „Wann hört unsere Pflicht zur Verkündigung dieser Gottesbotschaft auf?“
Antwort: „Wenn wir die Botschaft verkündigen, entwickeln wir uns selbst. Unser eigenes Herz ist geöffnet, wenn wir das Herz des Zuhörers belehren. Je mehr wir geben, desto mehr werden wir empfangen. Wenn dies das Mittel für unsere eigene Entwicklung ist, dann sollten wir nie aufhören zu lehren. Unsere Verantwortlichkeit bleibt bestehen, solange wir Zuhörer haben.“
Aus „Das Licht der Welt!“
Von Abdul Baha beantwortete Fragen. [Bearbeiten]
Von Abdul Baha beantwortete Fragen.
Frage von Mr. Randall: Werden die wirtschaftlichen Probleme nicht zuerst in Amerika gelöst und wird es den Vereinigten Staaten möglich sein, eine gerechte Grundlage zu legen und als Beispiel für die Welt zu dienen ?
Abdul Baha: Gewiß, den wirtschaftlichen Fragen wird in Europa und Amerika große Wichtigkeit beigemessen. Diese Frage kann jedoch auf keine andere Weise als durch die Religion Gottes gelöst werden. Tag für Tag wird an ihrer Lösung gearbeitet und dennoch taucht sie immer wieder auf. Die soziale Frage kann nur gelöst werden durch die Religion Gottes. Die Arbeiter werden auf keine andere Weise befriedigt werden. Z. B. in Aegypten wurden die Löhne um 30 Prozent erhöht, trotzdem sind die Aegypter nicht zufrieden. Wo eine Agitation der Massen stattfindet, da wird es keine Ruhe geben bis der Gipfelpunkt erreicht ist. Zuletzt wird es dahin kommen, daß die Arbeiter sagen werden: Die Fabriken gehören uns, und die bisherigen Eigentümer erhalten ihren Anteil von uns. Es wird soweit kommen, daß sie sagen: Wir werden den Teil bestimmen, den sie empfangen sollen, beispielsweise 10 Prozent und sie selbst werden 90 Prozent beanspruchen. Alles wird in einen chaotischen Zustand geraten und dieser wird sich zuletzt derart verschlimmern, daß die Menschheit auf dem Punkt des absoluten Stillstandes anlangt. Selbst die Arbeiter werden hungrig, herumlaufen. Alsdann wird der Absolutismus wiederkehren, durch den die Regierung Abhilfe schafft. — Wenn beispielsweise die Arbeiter einer Fabrik streiken, so wird sie dies nichts helfen, denn die Regierung wird sich als sehr mächtig erweisen. Aber nichts außer der Religion Gottes wird diese Frage lösen. Nichts ausser der Religion! Durch sie werden sowohl die Arbeitgeber als die Arbeiter frei werden. Die Lösung dieser Frage beginnt mit einem Musterdorf, und wenn das Dorf gegründet ist, kommt die Stadt an die Reihe. Das Ideal ist, in jedem Dorf eine Verwaltungszentrale mit Speicher zu errichten. In der Sprache der Bahailehre ist es das „Haus der Finanzen“. Es ist ein allgemeines Lagerhaus, das als Muster in einem Dorf errichtet wird. Seine Verwaltung liegt in den Händen eines Komitees, das sich aus den Weisesten der Gemeinde zusammensetzt, und diesem Komitee ist die Leitung aller Verwaltungsangelegenheiten unterstellt.
Die 7 Einkommen des Hauses der Finanzen. [Bearbeiten]
Vor allem müssen die nötigen Gelder beschafft werden. Das Haus der Finanzen setzt sich mit einer Bank in Verbindung und macht beispielsweise eine Anleihe zu 3 Prozent, die es dann an die betreffenden Siedler zu 4 Prozent ausborgt. Landwirte, welche Gerätschaften brauchen, erhalten solche vom Haus der Finanzen.
[Seite 43]
Wenn die erste Ernte eingeheimst ist,
so ergibt sich aus dieser das erste Einkommen
für das Haus der Finanzen.
Aber dieses Einkommen wird nicht von
allen in gleicher Höhe erhoben. Wenn
z. B. jemand nur 1000 Kilo erntet, so benötigt
er diese für seinen eigenen Lebensunterhalt,
es wird ihm also von dieser
Ernte nichts abgenommen. Wenn
man ihm davon nehmen wollte, müßte er
schließlich Hunger leiden. Ein anderer,
der auch 1000 Kilo für sich benötigt, erntet
2000 Kilo. Von diesen hat er den
zehnten Teil abzugeben. Wieder ein anderer
benötigt für sich 2000 Kilo, erntet
aber 10 000 Kilo, dieser hat den zwanzigsten
Teil abzugeben. Er braucht 2000
Kilo und wenn ihm 2000 weggenommen
sind, bleiben immer noch 6000 Kilo übrig.
Ferner: Es erntet jemand 50 000 Kilo; dieser hat den dritten Teil davon abzugeben. Ein anderer mag, 10 000 Kilo brauchen, er erntet aber 100 000 Kilo; dieser hat die Hälfte abzugeben. Je größer das Einkommen, desto größer ist die Abgabe angesetzt.
Das zweite Einkommen besteht aus der Abgabe aus dem Viehstand. Wenn z. B. jemand zwei Kühe hat, die er für seinen eigenen Lebensunterhalt braucht, so hat er nichts abzugeben. Je mehr aber einer hat, desto mehr hat er Abgaben zu entrichten.
Das dritte Einkommen wird dem Haus der Finanzen zufallen, wenn jemand ohne direkten Erben stirbt.
Das vierte Einkommen fließt ihm aus den Bergwerken zu. Wenn jemand eine Mine in seinem Grundstück entdeckt, so gehört ihm ein Drittel, während zwei Drittel dem Haus der Finanzen gehören.
Das fünfte Einkommen fließt aus den in der Erde aufgefundenen verborgenen Schätzen. Der Finder bekommt die Hälfte davon, die andere Hälfte gehört dem Haus der Finanzen.
Das sechste Einkommen besteht aus Fundsachen, die auf der Straße gefunden werden. Die Hälfte gehört dem Finder, die andere Hälfte dem Haus der Finanzen.
Das siebte Einkommen besteht in freiwilligen Beiträgen.
Die Leute werden aus eigenem Antrieb und willig solche Beiträge geben.
Dies sind die sieben Einkommen. Nun gibt es aber auch siebenerlei Ausgaben. Dies sind folgende:
Das Haus der Finanzen hat der Regierung 1. für öffentliche Zwecke zehn Prozent seines Einkommens abzutreten.
Die zweite Ausgabe besteht in der Fürsorge für die Armen, d. h. derjenigen Armen, die in Wirklichkeit bedürftig sind, nicht solcher, die sich arbeitsscheu herumtreiben. Z. B. arm in diesem Sinn sind diejenigen, denen die Ernteerträgnisse verbrannten, oder die, welche einen Verlust im Geschäft hatten und dadurch arm wurden. Dies sind Arme, für die gesorgt werden muß.
Die dritte Ausgabe besteht in der Unterstützung der Schwachen und Kranken, die nicht arbeiten können und sich deshalb an das Haus der Finanzen wenden.
Die vierte Ausgabe besteht in der Fürsorge für die Waisen; diesen muß in jeder Hinsicht geholfen werden.
Die fünfte Ausgabe betrifft die Schulen. Diese müssen aufs Beste für die Erziehung der Kinder organisiert werden.
Die sechste Ausgabe betrifft die öffentlichen Einrichtungen für die Gesundheitspflege. Es muß alles getan werden, was für die Erhaltung der Gesundheit erforderlich ist. Sümpfe müssen ausgefüllt werden, auch sind Wasserleitungen anzulegen.
7. Wenn nach all diesen Ausgaben noch etwas übrig bleibt, dann soll dies dem großen „Haus der Gerechtigkeit“ abgegeben werden. Auf diese Weise wird in einem solchen Dorf*) keinerlei Mangel herrschen. Niemand wird Hunger leiden oder ohne Kleidung sein. Alle werden sich der größten Wohlfahrt und Behaglichkeit erfreuen. Damit soll aber nicht gesagt sein, daß alle gleichgestellt sein werden. Dies kann nie sein; aber sowohl die Reichen als die Armen sollen ein sorgenfreies Dasein haben. — Die Menschheit gleicht einer Armee. Eine solche hat Generäle, Offiziere und Gemeine. Sie kann nicht aus lauter Gemeinen oder aus lauter Offizieren bestehen. Alle diese Grade sind notwendig; aber alle vom Führer an bis zu dem Niedersten müssen sich ihrer Pflicht bewußt sein. Es ist klar, daß ein General nicht leben kann wie ein Gemeiner. Der Präsident einer Republik kann z. B. nicht leben wie ein
*) Gemeint ist oben erwähntes Bahai-Dorf mit landwirtschaftlichen Verhältnissen.
[Seite 44]
Arbeiter. Dies ginge nicht an. Es muß
solche geben, welche die Pläne entwerfen
und solche, die sie zur Ausführung bringen.
Frage von Mr. Randall: Würde es nicht gut sein, in Amerika ein Bahaidorf zu errichten, in dem diese ökonomischen Ideen verwirklicht würden, damit die Leute diese Idee im praktischen Leben sehen und diesem Bahai-Beispiel folgen könnten ?
Abdul Baha: Gewiß, wenn ein solches Dorf organisiert ist, wird der Staat den Plan annehmen und damit einverstanden sein. Sowohl die Reichen als die Armen werden sich glücklich fühlen.
Dr. Esslemont: Würde die persische Regierung die Organisation eines solchen Dorfes genehmigen ?
Abdul Baha: Nein, jetzt noch nicht, aber in späterer Zeit wird sie es tun.
Wenn diese Ideen in einem Dorf verwirklicht sind, werden sie auch in anderen Orten angewandt werden. Es wird sehr gut sein, wenn diese Jdeen zur Ausführung gelangen. Heute denkt noch jeder an seine eigenen Interessen; daher kommen auch die jetzigen vielen Streitigkeiten. Diese müßten nicht sein. Wenn dieses System zur Durchführung gelangt, dann wird Gerechtigkeit herrschen, und es wird keinen Krieg mehr geben.
In Amerika sagte ich zu den Sozialisten: Eure Pläne führen zu keinen Resultaten. Setzen wir voraus, ihr nehmt das Vermögen der Reichen an euch, was würde in einem Jahr dann sein? Ihr würdet alle in Not geraten und Mangel leiden. Aber es kann nicht bleiben, wie es ist; denn so, wie es jetzt ist, werden weder ihr noch die Reichen zur Ruhe kommen.
Die Streitfrage kann nur gelöst werden durch die Religion. In Aegypten erhalten die Arbeiter jetzt 30 prozentige Lohnerhöhung. Nächstes Jahr werden sie noch mehr verlangen. Sie werden streiken. Alsdann wird der Lohn verdoppelt, und doch werden sie wieder nicht zufrieden sein. Zuletzt werden sie sagen: Wir verlangen Teilhaber zu sein. Dann werden sowohl die Kapitalisten als die Arbeiter auf einem Zustand des allgemeinen Stillstands angelangen, in dem alles auf den Kopf gestellt sein wird.
Aus einem Brief von Ahmad Sohrab.
Reinheit das fundamentale Gesetz. [Bearbeiten]
Reinheit das fundamentale Gesetz.
- Bahai-Pilgerhaus, Berg Carmel,
- Haifa, Syrien, 23. Januar 1914.
- Liebe Freunde!
- Haifa, Syrien, 23. Januar 1914.
„Abul Fazl ist verschieden“ war der Wortlaut des vom Geliebten unterzeichneten Telegramms, das den Haupt-Bahai-Gemeinden im Orient und in Washington zugesandt wurde. Niemand kann den Verlust ermessen, der uns durch seinen Tod betroffen hat — nur der Meister weiß es. Wir beurteilen alles von unserem menschlichen Standpunkt und können nicht die Dinge in göttlicher Perspektive erkennen.
Wir sind von hinzugekommenen Schichten menschlicher Vorurteile und Altüberbrachtem umgeben, und der Kreis unseres Wahrnehmungsvermögens liegt in den Grenzen der Zeit und des Raumes; doch der Herr lebt immer in der Gegenwart und im Heute. Er kennt den wahren Wert und Preis einer jeden Seele.
Nach dem Diktieren obigen Telegramms trat
er aus dem Hause, um sich im Garten zu ergehen.
Einer nach dem anderen der zahlreichen
Jünger schloß sich ihm an. Er ging abwechslungsweise
im Hofe und zwischen den Blumenbeeten
umher. An einen jungen Perser mit
Namen Lotfullah der einen Monat hier war und
der am Nachmittag nach Aleppo reiste, richtete
der Meister folgende Worte: „Nun, da Du Dich
entschlossen hast in Aleppo zu bleiben, mußt Du
mit solcher Heiligkeit Heiligung, Reinheit und
Keuschheit leben, handeln und sprechen, daß Du
einen jeden, mit dem Du in Berührung kommst,
für die Lehre gewinnst und jedermann bezeugst,
daß Du als ein aufrichtiger und tugendhafter
Mann lebst der vergeistigt, himmlisch und göttlich
ist. Eine Person macht sich durch ihre
eigenen Taten und Handlungen, durch ihre Selbstlosigkeit
in Führung und Benehmen, durch verfeinerte
Moral und selbstlose Absichten, durch
Vertrauen und Rechtschaffenheit bei den Menschen
beliebt und ist geliebt an der Schwelle
Gottes. Es ist ein junger Mensch von jüdischer
Abstammung in der Hochschule zu Beirut,
mit Namen Mirza Habibollah Khodabaksh, der
diese Gebote erfüllt. Früher war er unbekannt,
doch nun kennen ihn alle wegen seiner Reinheit,
tadellosen Lebensführung, seiner Treue und
Heiligkeit. Er ist beliebt und nahe dem Hofe
des Allmächtigen, geliebt und geehrt bei allen.
Wo Du auch über ihn frägst, wird größte Befriedigung
und Freude seinetwegen bekundet. Es
ist darum erwiesen daß wir selbst die Ursache[Seite 45]
unserer Wertschätzung sind daß die Menschen
sich von uns angezogen oder zurückgestoßen fühlen
durch die Eigenschaften und Taten, die von
uns ausgehen. Kurz gesagt, ich hoffe, daß Du
in Aleppo so leben wirst daß alle Einwohner
ausrufen: „Dieser Mann ist ein wahrhaftiger Bahai!“
Ich hoffe, daß Du ein Bahai der
Tat und nicht der Worte allein seist! Seine
Heiligkeit Baha ’Ullah hat gesagt: „Mein Kummer
ist nicht veranlaßt durch die Feinde, sondern
durch die Seelen, die sich mir zugehörend betrachten,
deren Taten und Handlungen aber zur
Erniedrigung der Sache dienen.“
Frühe am Morgen hatten wir ein Versammlungsgebet am Grabe zum Gedächtnis von Mirza Abul Fazl und jedermann brachte Gebete an der Schwelle des Allmächtigen dar. Ich hörte auch, daß der Meister bis lange nach Mitternacht betete und sehr früh war er wieder auf und sang Gebete in seinem Zimmer. Seine Stimme drang bis zu den Mitgliedern der heiligen Familie. Es gibt zwei Menschen in der Sache, denen der Meister außerordentliche Zeichen seiner Liebe und geistigen Anhänglichkeit erzeigte. Einer war Mirza Abul Fazl, der andere Haji Mirza Heydar Ali — zwei große Apostel und Herolde im Reiche Abhas, einer davon schon verschieden, der andere noch am Leben, um ein Beispiel der rechten Geistesarbeit zu sein.
Während der Meister in dem Rosengarten wandelte, ging er an Haji Mullah Abon Taleh — dem Greis mit gebeugten Schultern und langem Barte — vorüber. Er schaute ihn an, dann die anderen und lächelte. „Haji Mullah Abon Taleb ist mein Freund“ sagte er. Er sah vor 40 Jahren, als er an diesen heiligen Ort zum erstenmal kam, genau so alt aus wie heute. Nun ist er gekommen, um nimmer zu gehen. Bist Du wohl und glücklich? Wie kannst Du täglich den Karmel herab und hinauf gehen?“ Dann trat er ganz nahe an ihn heran und schaute seinen dünnen und sichtlich abgetragenen Ueberrock an. „Hast Du Deinen neuen Rock noch nicht erhalten? Ich habe einen neuen für Dich bereit. Ich will ihn Dir hinauf schicken. Man muß seine Kleider immer rein und fleckenlos halten.“ Taleb antwortete: „Ich bin nicht besonders achtsam mit meinen äußerlichen Gewändern, wichtiger für uns ist das Kleid der Tugend.“ Sofort hellte sich das Antlitz des Geliebten auf. „Du hast recht. Die Gläubigen Gottes müssen immer darnach trachten, ihren geistigen Leib mit den Tugenden Gottes zu kleiden, mit dem Gewand der Furcht Gottes und dem Mantel der Liebe Gottes. Diese Kleider werden nie abgetragen werden, sie werden nie außer Mode kommen. Ihr Marktpreis schwankt nicht. Sie sind immer zu haben, und immer ist Nachfrage nach ihnen. Sie sind der Schmuck des Mannes und der Frau. Doch auch die äußeren Gewänder müssen rein sein und unbefleckt, so daß das Aeußere ein gewisser Ausdruck des Inneren sei. Reinheit ist eines der fundamentalen Gesetze dieser Religion.“*)
- Ahmad Sohrab.
La spirita klopodo en la okcidento. [Bearbeiten]
Abdul Baha diris „Vi ĉiuj estas kove bonvenantaj al mi! Mi venis de orientaj landoj al la okcidento, por kelktempe restadi inter vi. En la oriento oni ofte opinias, ke la homoj de l'okcidento ne havas pri spiritan karakteron; sed mia opinio ne estas tia. Dank' al Dio mi vidas kaj sentas, ke inter la popoloj de la okcidento estas multe da religia celado kaj ilia spirita percepta kapablaco eĉ ofte estas pli sagaca ol tiuj de iliaj orientaj fratoj.
La tuta mondo nuntempe estus pli inspirita, se la instruoj de la oriento estus disvastigitaj konscience en la okcidento. Kvankam en la estinteco ĉiuj famaj instruituloj estiĝis en la oriento, ekzistas tie ankoraŭ homoj, kiuj vivas tute sen intelekto. Rilate je la sp ritaĵoj ili estas kvazaŭ ŝtono senviva; ili ankaŭ ne deziras esti alie, ĉar ili opinias, ke homo estas nur grava speco de la bestoj, kaj ke la diaj aferoj ne koncernas lin. Se la celado de la homo devas superi tian pensadon, li — la homo — devas rigardi pli alten ol nur sur sin mem, li devas supren-kaj antaŭenceladi, ĝis li fine per dia kompato povas eniri la ĉielan reĝlandon. Estas krome homoj, kies okuloj estas nur malfermitaj por la fizika progreso kaj por la evolucio de l'mondo materia. Tiu homoj pli volante esploras la similecon de ilia propra fizika korpo kun tiu de simio, ol ke ili pripensas la majestan parencecon, kiu estas inte spirito kaj la spirito de l'Dio. Vere tio estas frapanta, ĉar la homo fizike nur similas la pli malsuprajn kreitaĵojn fikaj rilate. la intelekton li estas tute malsimila al ili.
---
Bemerkg.: Mirza Abul Fazi war ein bedeutender persischer Gelehrter, der zuerst der Bahaibewegung feindlich gegenüberstand, dann aber überzeugter Bahai wurde und nun seine ganze Zelt und Kraft dem Studium der Lehre und der Geschichte ihrer Entstehung zuwandte. Von Abdul Baha wurde er sehr hoch gehalten und verehrt. Unter unsern Bahaischriften befindet sich auch ein Buch mit einem Bild von ihm: „Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahai-Religion“, deutsch v, W. Herrigel. (Schriftltg.)
[Seite 46]
La sukceso de l'homo ĉiam progresas,
la sfero de lia sciado vastiĝas senĉese, lia
spirita agemo venkas ĉiujn malhelpaĵojn.
Pripensu, kion la homo plenumis sur la
kampo de l'scienco, rigardu liajn multajn
esplorojn kaj eltrovaĵojn kaj lian profundan
komprenemon rilate al la naturleĝo. La
sama estas ankaŭ en la mondo de l'arto.
La mirinda evoluo de l'homaj kapablecoj
ĉiam pli kaj pli rapide antaŭeniĝas. Se ni
povus imagi la elpensaĵojn, la eltrovaĵojn
kaj materiajn lertaĵojn kaj fabrikaĵojn de
la lastaj 1500 jaroj, ni vidus, ke dum la
lasta jarcento progresis plu ol dum la antaŭaj
1400 jaro. La rapideco, progresas,
kreskas de jarcento al jarcento.
La potenco de l'intelekto estas unu el la plej grandaj talentoj donitaj al la homo de l'Dio; estas ĝi, kiu altigas homon pli alta kreitaĵo ol besto. La homa intelgenteco de jarcento al jarcento krescadis kaj agemiĝis, dum la instinkto de l'bestoj restas la origina. Bestoj hodiaŭ ne estas pli saĝaj ol antaŭ 1000 jaroj. Ĉu ni bezonas ankoraŭ pli grandajn argumentojn por diferencigo inter homo kaj bestaro? Tiu ĉi pruvo estas certe tiel klara kiel la tago!
La spiritaj perfektaĵoj estas la naskiĝprivilegio de l'homo, ili nur apartenas al li kaj krom li neniu el la tuta kreitaĵaro posedas ilin. La homo estas fakte spirita estaĵo, kaj li povas esti vere feliĉa nur tiam, kiam li vivas je la spirito. Ĉiuj homoj havas la saman parton de tiu ĉi sopiro spirita kaj de la anima sentad kapableco. Estas mia firma konvinko, ke la popoloj de l'okcidento adoras plej alten. Mia arda preĝo estas, ke la stelo de l'oriento elverŝu siajn helajn radiojn super la okcidento, kaj ke la popoloj okcidentaj helpu per siaj talentoj forte kaj kuraĝe siajn fratojn en la oriento.
Parlado de Abdul Baha en hejmo de aristoj en Parizo.[Bearbeiten]
Tio vere estas Bahai-domo. Kie ajn tia domo aŭ tia kunvenejo estas fondata, ĉiutempe ĝi fariĝos unu el la plej grandaj helpiloj por la komuna evoluo de la koncernaj urbo kaj lando. Ĝi akcelas la kreskadon de la instruiteĉo kaj scienco, ĝi estas konata pro sia alta spiriteco kaj pro la amo, kiu estas disvastigata el ĝi inter la homoj.
La sekvo de l'fondo de tia kunvenejo estas ĉiam la plej granda prospero. La unua Bahai-kunveno, fondita en Teheran, estis tute precipe benata. Ĝi kreskis tiel rapide dum unu jaro, ke la nombro de iliaj membroj naŭobliĝis. En la malproksima Persujo ekzistas nuntempe multe da tiaj kunvenoj, en kiuj la amikoj de Dio kunvenas en tutkora ĝojo, amo kaj unueco. Ili instruas pri Dio, ili edukas la nesciulojn kaj kunigas la korojn en frata amo. Estas ili, kiuj helpas la malriĉulojn kaj mizerulojn kaj donas al ili ĉiu tagan nutraĵon. Ili amas la malsanulojn kaj zorgas por ili, ili inspiras al la forlasitoj kaj subpremitoj esperon kaj konsolon. Ho vi, amikoj en Parizo! Klopodu, ke viaj kunvenoj similu tiujn; ke ili portu eĉ pli grandajn fruktojn,
Ho, amikoj de Dio! Mi diras al vi, ke tiu ĉi kunvenejo dum nelonga tempo akiros mirindan rikolton, supozite, ke vi konfidas al la forto de Dio kaj estas kuraĝaj; ke vi vivas laŭ la instruoj de Baha'Ullah, kiu ordonas al vi flegi la malsanulojn, savi la devojiĝintojn, doni rifuĝejon al la senhelpuloj kaj ŝirmon al la subprematoj kaj ami tutkore la homaron. Tagon post tago ĉiu membro progresas kaj pli riĉiĝas spirite. Sed vi devas havi firman fundamenton, ĉiu membro devas klare kompreni viajn celojn kiujn, estas jenaj:
- Esti al ĉiuj homoj simpata kaj bonvola.
- Servi al la tuta homaro.
- Penadu, konduki kaj inspiri tiujn, kiuj vivas en mallumeco.
- Esti afabla kaj plename agi al ĉiu.
- Esti humila okupente kun Dio kaj konstanta preĝanto al Dio, por ke ĉiltage vi pli proksimiĝas al Dio.
- Estu honesta kaj sincera je ĉiuj viaj agoj, por ke ĉiu el viaj membroj estu konata pro tio. Ĉiu korpiĝu la ecojn de l'honesto, amo, kredo, afablo kaj kuraĝo, ĉiu disiĝu de ĉio, kio ne estas dia, kaj — aligata per la ĉiela aspiro — estu dia animo, por ke la mondo juĵu Bahai'n perfekta homo.
Dum la kunvenoj penadu atingi tian perfektecon. Vi amikoj de Dio, kunvenos tiam fakte okaj vere kun granda ĝojo, Helpu reciproke fariĝi homo atinginta la plenan unuecon.
Mi preĝas al Dio, ke ĉiutage vi pliriĉiĝu je spiriteco, ke la amo de Dio pli kaj pli malkaŝiĝas al vi, ke la pensado de viaj vizaĝoj sin turnu pli kaj pli al Dio, Pli proksimiĝu ĉiu el vi al la sojlo de la unueco kaj eniru la reĝlandon de Dio. Ĉiu el vi estu flamanta torĉo, flamiganta kaj hele brulanta kun la fajro de la amo de Dio.
Mitteilungen. [Bearbeiten]
Das Eßlinger Kinderfest.
Am 9. April feierte die Eßlinger Bahaigemeinde ihr alljährliches Kinderfest, zu dem sich auch viele Freunde aus Stuttgart und der Umgebung eingefunden hatten. Diese Feier ist uns immer eine liebe Erinnerung an den Besuch Abdul Bahas im Frühjahr 1913 und besonders an das erste Bahai-Kinderfest, das damals auf seinen persönlichen Wunsch in Eßlingen am 4. April im „Museum“ stattfand. Die Erinnerung an diesen schönen Festtag den wir damals in der Gegenwart des nun von uns geschiedenen Meisters feiern durften war um so lebhafter, als die Räume, in denen wir diesmal uns versammelten, dieselben waren wie die vor 9 Jahren. Wer damals dabei gewesen war, der sah im Geist Abdul Baha wieder wie einst durch die Kinderreihen schreiten, mit leuchtenden Augen, mit einem Blick voll Liebe und Freude die festlich gekleidete Kinderschar begrüßend, sie herzend und mit allerlei Gaben beschenkend. —
Trotz des trüben, regnerischen Wetters war das diesjährige Fest so gut besucht, daß die vorhandenen Räume kaum ausreichten, um die Gäste alle zu fassen. Ein fast überreiches Programm von 24 Nummern, mit Ansprachen, Aufführungen, Rezitationen aus Bahaischriften, musikalischen Darbietungen u.s.w. füllte den Nachmittag und Abend aus und hielt die Anwesenden lange beisammen. Dankbar und mit sichtlicher Freude hörten und sahen sie dem zu, was sich auf der festlichen Bühne abspielte, was von Kindern und Erwachsenen ihnen von dort aus geboten wurde. Aber nicht nur für mannigfaltige geistige Genüsse war gesorgt, auch mit leiblicher Stärkung wurden die Gäste in reichlichem Maße bedacht, und die bei solchen Gelegenheiten übliche photographische Aufnahme der Versammelten fehite natürlich auch nicht.
Die gebotenen Leistungen der Kinder und der reiferen Jugend, die wir im einzelnen nicht aufführen können, zeugen von dem großen Fleiß und Eifer, den die Leiter des Festes auf dessen Vorbereitung verwandten. Die Namen zu nennen von allen denen die zum Gelingen beitrugen, wollen wir unterlassen — es müßten zu viele genannt werden. Aber ein Name darf, wenn vom Eßlinger Kinderfest gesprochen wird, nicht verschwiegen bleiben: es ist der von Frl. Anna Köstlin. Sie hat in treuer, aufopfernder Arbeit der Eßlinger Bahaigemeinde in ihrer Kinderschule und Jugendvereinigung einen hoffnungsvollen Nachwuchs herangezogen, hat viel Zeit und Kraft darauf verwendet, auch schon in die Kinderherzen den Samen der Bahailehre zu senken, damit er Wurzel schlage und später seine Früchte bringe. Dafür sei ihr und allen den rührigen Bahaifreundinnen und -freunden, die ihr helfend zur Seite stehen, auch hier der verdiente Dank gesagt.
Eingesandt: Nachdem Herr und Frau Konsul Schwarz von ihrer Reise ins hl. Land zurückgekehrt sind, erstatteten sie in der ersten Donnerstagsversammlung nach Ostern im dicht gefüllten Saal des Bürgermuseums einen äußerst interessanten, eindrucksvollen Bericht über ihre Erlebnisse und Eindrücke während der Reise, namentlich aber während ihres Aufenthalts in Haifa und Akka. Sie erzählten, mit welch gehobenem Gefühl sie diese durch Baha ’Ullah geweihten Stätten betraten schilderten den herzlichen Empfang seitens der dort anwesenden Bahaifreunde, sprachen über ihren Aufenthalt im Pilgerhaus, über das Zusammensein mit der „hl. Familie“, namentlich mit der hochbetagten, noch in tiefem Trennungsleid sich befindenden Schwester des Meisters und seinem als Protektor der Bahaisache eingesetzten Enkel Shoghi Effendi, den sie als einen seiner hohen Aufgabe durchaus gewachsenen, äußerst intelligenten, liebevollen und feingebildeten Mann schilderten, ferner über die Verhandlung der Delegierten unter der Leitung des letzteren, ganz besonders aber über den Besuch der hl. Orte, namentlich der Grabesstätten von Baha ’Ullah und Abdul Baha bei Akka und am Berge Karmel, bei deren Betreten sie — wie alle Besucher — von unsagbaren Gefühlen der Erhebung, der Trauer, aber auch der Geistesnähe und des Verbundenseins mit den Dahingeschiedenen überwältigt wurden. Herr Konsul Schwarz zeigte noch verschiedene selbstangefertigte, künstlerisch ausgeführte Skizzen, die er an den wichtigsten historischen Plätzen aufgenommen hatte und erläuterte sie den Zuhörern. Diese äußerst wertvollen Federzeichnungen und Farbenbilder werden als Postkartenserie später weitere Verbreitung finden. Mit einem eindringlichen Appell an die deutschen Bahai, immer dessen eingedenk zu sein, daß die großen Hoffnungen, die der Meister auf sie gesetzt, auch die höchsten Pflichten der Treue und Liebe zu ihm und der großen Sache, der er diente, erfordere, schloßen die mit lebhaften Interesse aufgenommenen Ausführungen.
Herr Herrigel, der die Zurückgekehrten im Namen der Versammlung begrüßt hatte, stattete hierauf den gebührenden Dank für das Gehörte ab und stellte in Aussicht daß er in nächster Zeit auch über seine Tätigkeit in Berlin, wo er vor Ostern einige Vorträge mit bestem Erfolg gehalten hat, referieren wolle.
[Seite 48]
Welch großen Eindruck die aus warmem Herzen
kommenden Schilderungen von Herrn und
Frau Konsul Schwarz bei den Anwesenden machten,
zeigten nach Schluß der Versammlung die
zahlreichen Anmeldungen zur Aufnahme in den
Bahaibund. — Die Bahaigemeinde hofft, bei späteren
Versammlungen noch mehr von den Erlebnissen
und Eindrücken der Reise erfahren zu dürfen,
und auch die Leser der „Sonne der Wahrheit“
sind wohl von dem Wunsch beseelt, daß ihnen
noch Näheres über die Reiseerlebnisse mitgeteilt
werden möchte.
Da nun seit Herausgabe der ersten Nummer der „Sonne der Wahrheit“ die dritte ganz bedeutende Erhöhung der Druckkosten eingetreten ist und sich die Papierpreise seit Jahresfrist um mehr als das Doppelte erhöht haben, so ist es uns unmöglich die seitherigen Abonnementspreise länger aufrecht zu erhalten. Es ist vielmehr nötig, auf den bisherigen Preis von vierteljährlich Mk. 9.— einen Zuschlag von 50 Prozent zu erheben. Wir bitten unsere verehrlichten Leser höflichst, uns für das laufende Quartal einen entsprechenden Zuschlag zugehen lassen zu wollen.
Auch auf die Preisliste unserer Bücher sind wir aus gleichen Gründen genötigt, einen Teurungszuschlag von 50 Prozent anzurechnen. Beim Vergleich mit dem Preise anderer Bücher wird jedermann finden, daß unsere Preise immer noch sehr bescheiden sind.
- Verlag d. D. Bahaibundes.
| Verlag des Deutschen Bahai-Bundes Stuttgart Fernsprecher 7675 — — Postscheckkonto 25419 Stuttgart — — Hölderlinstrasse 35 | ||
| ||
Geschichte und Bedeutung der Bahailehre. [Bearbeiten]
Die Bahai-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion“ und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.
Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahaibewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahaireligion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der. Nachfolger Baha’o’llahs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde“) und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation“, die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Baha’o’llahs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahai (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Baha’o’llah vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi (Abdul Baha) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahai der Welt.
Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahai, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China etc. Dies kommt daher, daß Baha’o’llah den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.
In Baha’o’llah sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklan ?? In der Bahaireligion gibt es keine Priesterschaft und keine religiösen Zeremonien. Ihr einziges Dogma ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Baha’o’llah).
Die Hauptschriften Baha’o’llahs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt. Niemand ist mit der Macht betraut, Sündenbekenntnisse entgegenzunehmen oder Absolution zu erteilen.
Die Priester der bestehenden Religionen sollen den Zölibat (Ehelosigkeit) aufgeben, durch ihr Beispiel predigen und sich im praktischen Leben unter das Volk mischen. Monogamie (die Einehe) ist allgemein gefordert. Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Baha’o’llah eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Baha’o’llah.
Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von Abdul Baha erstrebt wird. (Vgl. Naveau Larousse, illustré supplement, p. 66.)