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| SONNE DER WAHRHEIT | ||
| Organ der Bahá’í in Deutschland und Öesterreich | ||
| Heft 7 | 16. Jahrgang | September 1936 |
Die Bahá’í-Lehre,[Bearbeiten]
die Lehre Bahá’u’lláhs erkennt in der Religion die höchste und reinste Quelle allen sittlichen Lebens.
Die Ausdrucksformen des religiösen Lebens des Einzelnen, ganzer Völker und Kulturkreise haben im Laufe der Geschichte entsprechend den jeweils anderen Verhältnissen und dem Wachstum des menschlichen Erkenntnisvermögens Wandlungen erfahren. Die äußeren Gesetze und Gebote aller Weltreligionen entsprachen immer den entwicklungsgeschichtlich gegebenen Erfordernissen in bezug auf den Einzelnen, die soziale Ordnung und das Verhältnis zwischen den Völkern. Alle Religionen beruhen aber auf einer gemeinsamen, geistigen Grundlage. „Diese Grundlage muß notwendigerweise die Wahrheit sein und kann nur eine Einheit, nicht eine Mehrheit bilden.“ ('Abdu'l-Bahá.) „Die Sonne der Wahrheit ist das Wort Gottes, von dem die Erziehung der Menschen im Reich der Gedanken abhängig ist.“ (Bahá’u’lláh.) Alle großen Religionsstifter waren Verkünder des Wortes Gottes entsprechend der Fassungskraft und Entwicklungsstufe der Menschen. Das Wesen der Religion liegt darin, im Bewußtwerden der Abhängigkeit des Menschen von der Wirklichkeit Gottes Seine Offenbarer anzuerkennen und nach Seinen durch sie übermittelten Geboten zu leben.
Die Bahá’i-Lehre bestätigt und vertieft den unverfälschten und unwandelbaren Sinn und Gehalt aller Religionen von neuem und zeigt darüber hinaus die kommende Weltordnung auf, welche die geistige Einheit der Menschheit zur Voraussetzung haben wird. Die in ihr zum Ausdruck kommende Weltanschauung steht mit den Errungenschaften der Wissenschaft ausdrücklich in Einklang.
Die Lehre Bahá’u’lláhs enthält geistige Grundsätze und Richtlinien für eine harmonische Gesellschafts-, Staats- und Wirtschaftsordnung. Sie beruhen auf dem Gedanken der natürlich gewachsenen, organischen Einheit jedes Volkes und der das Völkische übergreifenden geistigen Einheit der Menschheit. Den Interessen der Volksgemeinschaft sind die Sonderinteressen des Einzelnen unterzuordnen, denn nur die Gesamtwohlfahrt verbürgt auch das Wohl des Einzelnen.
Wie jede Religion, so wendet sich auch die Bahá’i-Lehre an die Herzensgesinnung des Menschen, um die religiösen Kräfte in den Dienst wahren Menschentums zu stellen. Sie erstrebt die Höherentwicklung der Menschheit mehr durch die Selbsterziehung des Einzelnen als durch äußerlich-organisatorische Maßnahmen. Der Bahá’i hat sich daher über seine ernst aufgefaßten staatsbürgerlichen Pflichten hinaus nicht in die Politik einzumischen, sondern sich zum Träger der Ordnung und des Friedens im menschlichen Gemeinschaftsleben zu erheben. Bahá’u’lláhs Worte sind: „Es ist euch zur Pflicht gemacht, euch allen gerechten Regenten ergeben zu zeigen und jedem gerechten König eure Treue zu beweisen. Dienet den Herrschern der Welt mit der höchsten Wahrhaftigkeit und Treue. Zeiget ihnen Gehorsam und seid ihre wohlwollenden Freunde. Mischt euch nicht ohne ihre Erlaubnis und Zulassung in politische Dinge ein, denn Untreue gegenüber dem Herrscher ist Untreue gegenüber Gott selbst.“
Bahá’u’lláh weist den Weg zu einer befriedeten, im Geiste geeinigten Menschheit. Ein alle Staaten umfassender Bund in ihrer Eigenart entwickelter und unabhängiger Völker auf der Grundlage der Gleichberechtigung, ausgestattet mit völkerrechtlichen Vollmachten und Vollstreckungsgewalten gegenüber Friedensstörern, soll die übernationalen Interessen aller Völker der Erde in völliger Unparteilichkeit und höchster Verantwortung wahrnehmen. Zwischenstaatliche Konflikte sind durch einen von allen Staaten beschickten Weltschiedsgerichtshof auf friedlichem Wege beizulegen.
Die geistige Wesensgleichheit aller Menschen und Völker erheischt einen organischen Aufbau der sozialen Weltordnung, in der jedem seine einzigartige, besondere Eingliederung und Aufgabe zugewiesen ist. Die geographischen, biologischen und geschichtlichen Gegebenheiten bedürfen im Gemeinschaftsleben der Völker immer einer besonderen Beachtung, ohne die sie umschließende Einheit im Reiche des Geistes aus den Augen zu verlieren.
Die Lehre Bahá’u’lláhs „ist in ihrem Ursprung göttlich, in ihren Zielen allumfassend, in ihrem Ausblick weit, in ihrer Methode wissenschaftlich, in ihren Grundsätzen menschendienend und von kraftvollem Einfluß auf die Herzen und Gemüter der Menschen“.
| SONNE DER WAHRHEIT Organ der Bahá’í in Deutschland und Österreich Verantwortlich für die Herausgabe: Dr. Eugen Schmidt, Stuttgart-W, Reinsburgerstraße 198 Schriftleitung: Dr. Adelbert Mühlschlegel, Dr. Eugen Schmidt, Alice Schwarz-Solivo Verwaltung: Paul Gollmer • Begründet von Alice Schwarz-Solivo Preis vierteljährlich 1.80 Reichsmark |
| Heft 7 | Stuttgart, im September 1936 ’Izzat — Macht 93 |
16. Jahrgang |
Inhalt: Erfüllte Prophezeiungen. — Nabíl’s Erzählung: Aus Kapitel XIII: Die Einkerkerung des Báb in der Burg von Máh-Kú! — Das geistige Wesen des Menschen. — Vom Schicksal und freien Willen. — Zur Umschrift orientalischer Namen.
Gebet beim Betreten oder Verlassen einer Stadt
O mein Gott, mache diesen Ort glücklich und sicher. Alsdann behüte mich, o mein Gott, im Augenblicke, da ich ihn betrete und da ich ihn wieder verlasse. Sodann mache ihn zu einer Festung für mich und für diejenigen, die Dich verehren und anbeten, daß sie darin durch Deine Gunst gefestigt und durch Deine Macht vor den Angriffen der Ungläubigen beschützt werden.
Wahrlich, Du bist der Mächtige, der Machtvolle, der Beschützer, der Angebetete und der Selbstbestehende!
Bahá’u’lláh
Erfüllte Prophezeiungen[Bearbeiten]
Ins Deutsche übertragen aus „L’Epître au Fils du Loup“, édition Champion, Paris 1913, S. 142—181
(Fortsetzung)
Seit zwölfhundert Jahren wurden die armen Schiiten von Wesen wie dir abseits
geführt in die Wüste des Aberglaubens und der Einbildungen: und schließlich ist am
Tage der Vergeltung1) das erschienen, was die vormals ungerechten Wesen in Gott
ihre Zuflucht nehmen ließ. Nun trachte den Ruf des Punktes in Seinem Bayán zu verstehen. Er
sagt: „Mein Gott! Wenn dieser Baum, d.h. diese heilige Existenz eine Frucht, ein Blatt
oder einen Ast hervorbringt, der nicht an Dich glaubt, dann reiße sie im selben Augenblick
aus.“ Und ebenso sagt Er: „Wenn jemand ein Wort ausspricht ohne Beweisführung,
so widersprecht ihm nicht.“ Und du, — in hundert Bänden hast du den Bayán zu
widerlegen versucht und bist stolz darauf! Aufs neue sage ich und bitte inständig:
betrachte mit scharfem Auge, was geoffenbart worden ist: das sanfte Wehen der Erklärung
dieser Offenbarung ist von den früheren Erklärungen verschieden. Ich war immer in
qualvollen Lagen und habe nie die nötige
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Ruhe gehabt, um die Bücher der allerhöchsten Hoheit und anderer zu studieren.
Nachdem ich gemäß der Anordnung Seiner Majestät des Sháh von Persien — Gott beschütze ihn! — im ‘Iráq eingetroffen war, verstrichen ungefähr zwei Monate, und Mírzá Yaḥyá kam unerwartet an. Wir sagten zu ihm: „Durch Sonderbefehl sind Wir hierher verschickt worden: was dich angeht, wäre es gut, du bliebest in Persien, und Unseren Bruder Mírzá Músá werden Wir in eine andere Gegend senden. Denn da dein Name im Urteil2) nicht aufgeführt ist, kannst du Dienste leisten3).
Mittlerweile verließ ich Baghdád, um mich auf zwei Jahre von der Welt zurückzuziehen; bei meiner Rückkehr jedoch sah ich, daß er geblieben und seine Reise dauernd hinausgeschoben worden war. Ich war darüber sehr niedergeschlagen. Gott ist Zeuge und gibt kund, daß Wir jederzeit ständig in der Verbreitung der Sache tätig waren: die Ketten und die Halseisen haben Mich nicht abgehalten, die Kerker und das Gefängnis Mich nicht verhindert, Mich zu offenbaren; und besonders in Baghdád war Ich bemüht, der Verwirrung und den Übeltaten ein Ende zu setzen. Tag und Nacht sandte Ich Tablets nach allen Richtungen, nur mit dem einen Ziel, die Menschen zu bessern und das heilige Wort zu verkünden.
Zu diesem Behufe hatte ich eine bestimmte Personenzahl benannt für die Sammlung der Schriften des Punktes: als sie gesammelt waren, brachte ich Mírzá Yaḥyá und Mírzá Vaháb Khurásání, bekannt unter dem Namen Mírzá Javád, an einem Orte zusammen. Meinen Anweisungen gemäß schrieben sie zwei vollständige Textfolgen der Werke Seiner Hoheit des Punktes nieder. Bei Gott! Ich war infolge meiner Verbindungen mit aller Welt dermaßen beschäftigt, daß ich diese Bücher nie gelesen und die Werke des Punktes nie mit meinen eigenen Augen betrachtet habe! Diese Werke verblieben in den Händen der beiden obengenannten Personen, und als ich Baghdád verließ, war es abgemachte Sache, daß Mírzá Yaḥyá sich unter Mitnahme dieser Schriften nach Persien begeben und sie dort veröffentlichen würde. Was mich betrifft, so wandte ich mich zufolge der Einladung der Minister der ottomanischen Regierung jenen Gegenden zu. Sobald ich erst in Múṣil angekommen war, sah ich, daß Mírzá Yaḥyá, der vor mir von Baghdád abgereist war, da war, um mich zu erwarten: kurzum, er hatte die Bücher und die Werke des Báb in Baghdád liegen lassen und kam nach Konstantinopel, um uns zu treffen! Gott ist Zeuge dessen, was ich ausgestanden habe! Nach so viel Mühe die Schriften fahren lassen und sich in aller Eile den Verbannten zugesellen! Einige Zeit lang wurde ich von unendlichem Kummer gequält, bis daß ich dank Verhältnissen, die Gott allein kennt, die Schriften anderswohin senden konnte, und zwar in ein anderes Land. Denn im ‘Iráq muß man in jeder Stadt ständig über die Bücher wachen, andernfalls sie verschwinden und verloren gehen. Aber Gott beschützte sie und ließ sie an den Ort gelangen, den Er vormals bestimmt hatte. Wahrlich, Er ist der Beschützer, der Helfer!
Überall, wo ich ging, kam Mírzá Yaḥyá hinter mir her. Du selbst4) weißt
sehr gut, daß dies alles die Wahrheit ist. Sodann umgarnte ihn insgeheim der Siyyid von
Iṣfáhán, und sie vollbrachten zu zweit, was zur größten Drangsal führte. Warum hast du denn
nicht Nachfrage gehalten bei den Beamten der Regierung!? Die Handlungen Mírzá Yaḥyá’s in
jenem Lande ließen alles, was man sich denken kann, hinter sich. Ich beschwöre dich bei
Gott, dem Alleinigen, dem Einen, dem Starken, dem Allmächtigen: lies die Schriftstücke,
die vom Ersten Punkt an seinen Namen gesandt worden sind, auf daß du schauen mögest
die Zeichen Gottes, die ebenso deutlich sind, wie die Sonne hervorstechend. Und auch
in den Worten des Punktes des Bayán — möge der Geist von dem, was nicht Er ist, sein
Opfer sein! — ist das ans Licht gekommen, was kein Geheimnis verbergen kann;
die Anrufungen der Großen und die Zweifel der Ungläubigen vermögen ihre Bekräftigung
nicht zu verhindern. Ich habe die Schleier mit dem Finger des Willens deines
Herrn, des Fähigen, des Erobernden, des Allmächtigen zerrissen. Ja, die Lügner und die
Eidbrüchigen haben nie eine Entschuldigung
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gehabt. Vor einiger Zeit gab man mir zu wissen, daß er den Kitáb-i-iqán und einige
andere Tablets unbedeutend genannt habe. Bei Gott, dies ist eine heftige Beleidigung! Bei
seiner Unfähigkeit, sie zu verstehen, dürfte er um so weniger das Recht haben, sie
herabzusetzen.
Ein gewisser Ḥasan Mázindarání hatte den Auftrag erhalten, achtzig Tablets an Ort und Stelle gelangen zu lassen; und als er starb, stellte man sie nicht ihren Empfängern zu, sondern: vertraute sie einer meiner Schwestern an, die sich später ohne den geringsten Grund von mir getrennt hat. Gott weiß, was mit diesen Tablets geschehen ist! Diese Schwester aber hat nie mit mir zusammengewohnt. Ich schwöre bei der Sonne der Wahrheit, daß sie seit der Zeit, da diese Ereignisse stattfanden, Mírzá Yaḥyá nie zu Gesicht bekommen, und daß sie von der (großen) Sache nie etwas gewußt hatte; denn zu jener Zeit war sie nicht gläubig. Wir wohnten, — sie an einem Ort, ich an einem anderen. Trotzdem begab ich mich aus reiner Güte, aus Liebe und Mitgefühl einige Tage vor der Abreise zu ihr und ihrer Mutter, um vielleicht zu erreichen, daß sie aus dem Kawthar5) des Glaubens tränken und das erlangten, was uns in diesen Tagen Gott näher bringt. Gott weiß und bezeugt, und sie selbst vermag zu bestätigen, daß ich durchaus keine andere Absicht hatte als die, sie durch die Gnade Gottes in den Besitz der göttlichen Gunst gelangen und den Schmuck der Liebe anlegen zu sehen. Im Anschluß an meine Inhaftierung und meine Verbannung von Baghdád nach Konstantinopel habe ich nichts mehr von ihr erfahren.
Übrigens bin ich nach dem Abschied von Ṭihrán ebensowenig mehr meinem Bruder Mírzá Riḍá-Qulí begegnet und habe nie unmittelbar von ihm etwas erfahren. Einstmals nämlich wohnten wir alle in demselben Hause; als man dann meinen Besitz beschlagnahmte, wurde dieses Haus wohlfeil, und Farmán-Farmá und Ḥisámu’s-Salṭanih, die beiden Brüder, kauften und versteigerten es. Im Anschluß an diese Vorgänge wurden mein Bruder und ich getrennt: er nahm Wohnung in der Nähe des Tores der Moschee des Sháh, und ich hinter dem Gitter von Shimrán. Mittlerweile begann meine Schwester ohne den geringsten Grund Zeichen von Auflehnung an den Tag zu legen; und ich habe sie nicht mehr angeredet. Als sie sogar die Tochter meines verstorbenen Bruders Muḥammad Ḥasan — über ihm sei die Herrlichkeit Gottes, Seine Seligkeit und Seine Barmherzigkeit! —, die Ghuṣn-i-A'ẓam6) versprochen war, von Núr weg- und zu sich nahm und sie sodann an einen anderen Ort schickte, erhoben alle unsere Gefährten und die Freunde von überallher Einspruch; denn das war wirklich ärgerniserregend und erschien allen Heiligen Gottes unschicklich. (Es ist unglaublich, daß meine Schwester sie zu sich fortnahm und Vorkehrungen traf, um sie durch Entsendung an einen anderen Ort los zu werden.) Trotzdem blieb ich ruhig und schweigsam; und dank der Seelenruhe der Freunde wurde kein Wort laut. Gott ist Zeuge und mag bestätigen, daß das, was ich gesagt habe, der Wahrheit entspricht und aufrichtig gemeint ist. Keiner der Heiligen in jenen Gegenden und Landstrichen hätte meine Schwester einer Handlung für fähig zu halten vermocht, die gleicherweise gegen das Gesetz, die Liebe und die Zuneigung verstieß. Nachdem sie sich solches hatte zu Schulden kommen lassen, sahen sie7) ein, daß der Weg abgeschnitten war, und sie vollbrachten, was alle Welt weiß und was ihr auch wißt. Im übrigen ist keinem unbekannt, wie sehr ich unter diesen Ereignissen gelitten habe. Damals schlug sie sich auf die Seite Mírzá Yaḥyá’s. Jetzt erzählt sie die Dinge in abweichender Form. Ich weiß weder, was sie sagt, noch was sie tut. Ich bitte Gott — Er sei gepriesen und verherrlicht! —, Er möge sie dahin bringen, daß sie sich Ihm zuwendet, und möge ihr in dem behilflich sein, was sie dem Tore Seiner Gunst näher bringen wird. Wahrlich, Er ist der Mächtige, Der, Der zur Reue führt; und Er ist der Starke, der Verzeiher!
Und gleicherweise sagt der Báb an anderer Stelle: „Wenn in diesem Augenblicke Er erschiene, wäre ich der erste Seiner Gläubigen und der erste Seiner Anbeter.“
O Völker, seid gerecht: die allerhöchste Hoheit wollte, daß das Nahen der Offenbarung
für die Menschen nicht zum Hindernis werde
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vor der ewigen Religion Gottes, wie bereits dieses Nahen die Gefährten Yaḥyá’s verhindert
hatte, den Geist zu erkennen. Wievielmal hat Er nicht gesagt: „Der Bayán und das,
was geoffenbart ist, darf euch nicht um jenes Wesen des Daseins und jenen König des
Unsichtbaren und des Sichtbaren bringen.“ Wenn einer ungeachtet dieses unbedingten
Befehles am Bayán hängen bleibt, ist er aus dem Schattenbereich des allerhöchsten
heiligen Baumes verstoßen. Seid rechtlich, o Völker, und zählet nicht zu den Achtlosen!
Er sagt auch: „Geht der Sicht nicht verlustig durch die Namen des Eigners der Namen, auch nicht durch den Namen ‚Prophet‘, denn dieser Name ist durch Sein Wort erschaffen.“
(Fortsetzung folgt)
1) Gleichbedeutend mit „Tag des Gerichtes“, der jedesmal dann
stattfindet, wenn eine göttliche Offenbarung auf Erden erscheint.
2) Durch das Bahá’u’lláh aus Persien verbannt wurde.
3) Nämlich für die Sache.
4) Der „Sohn des Wolfes“, Empfänger dieses Briefes.
5) Fluß im Paradies.
6) ‘Abdu’l-Bahá 'Abbás.
7) Khánum Buzurg und Mírzá Yaḥyá.
Nabíl’s Erzählung[Bearbeiten]
Übersetzung aus „The Dawn-Breakers“, Nabíl’s Narrative of the early days of the Bahá’í Revelation, New York 1932
Aus Kapitel XIII: Die Einkerkerung des Báb in der Burg Máh-Kú
Von Siyyid Ḥusayn-i-Jazdí wurde die Erzählung folgender Begebenheit gehört: „In
den ersten zehn Tagen der Gefangenschaft des Báb in Tabríz wußte niemand, was
zunächst mit Ihm geschehen würde. Die wildesten Gerüchte liefen der Stadt um. Eines
Tages wagte ich Ihn zu fragen, ob Er lieber hier bliebe oder an einen anderen Ort
verbracht werden möchte, ‚Hast du vergessen‘, war Seine sofortige Antwort, ‚welche Frage
du an Mich in Iṣfáhán gerichtet hast? Für die Zeit von mindestens neun Monaten werden
wir in dem Jabal-i-Básit1) bleiben, von wo aus wir nach
Jabal-i-Shadíd2) versetzt werden. Diese beiden Orte liegen in den Bergen
von Khuy und sind außerhalb der Städte gelegen, die denselben Namen führen.‘ Fünf
Tage, nachdem der Báb diese Voraussage gemacht hatte, kam der Befehl heraus, Ihn und
mich nach der Burg Máh-Kú zu bringen und uns der Obhut von ‘Alí Khán-i-Máh-Kú'í
zu überantworten.“
Die Burg, ein festes viertürmiges Steingebäude, steht auf der Höhe eines Bergrückens,
zu dessen Füßen die Stadt Máh-Kú liegt. Der einzige Weg, der von ihr aus in die Stadt
führt, endet an einem Tor, das zum Regierungssitz führt und stets geschlossen gehalten
wird. Dieses Tor ist andersartig als jenes an der Burg selbst. An der Grenze des
Ottomanischen und Russischen Reichs gelegen, ist diese Burg wegen ihrer beherrschenden Lage
und der strategischen Vorzüge als ein Mittelpunkt für Aufklärungszwecke anzusehen. Der
wachhabende Kommandant beobachtete in Kriegszeiten von dort aus die Stellung der
Feinde, übersah die umliegenden Landesteile und berichtete seiner Regierung die
unerwarteten Ereignisse, die er beobachtet hatte. Im Westen ist die Burg durch den Strom
Araxes3) abgeschlossen, der die Grenze zwischen dem Gebiet des Sháh und
dem Russischen Reich bildet. Nach dem Süden hin erstreckt sich das Gebiet des Sulṭán’s der
Türkei. Die Grenzstadt Báyazíd liegt nur vier Farsakh von dem Bergzug Máh-Kú’s
entfernt. Der Grenzoffizier und Festungskommandant war ein Mann namens ‘Alí Khán.
Die Stadtbewohner sind ausschließlich Kurden und gehören zum sunnitischen Bekenntnis des
Islám. Die Schiiten, die weitaus die Überzahl der Einwohner Persiens bilden, sind von jeher
deren offene und bittere Feinde gewesen. Diese Kurden verabscheuen besonders die
Siyyide des schiitischen Bekenntnisses, die sie als die geistigen Führer und Hauptaufwiegler
ihrer Gegner ansehen. Da ‘Alí Khán’s Mutter eine Kurdin war, stand der Sohn in
großem Ansehen, und es wurde ihm von den
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Einwohnern Máh-Kú’s blind gehorcht. Sie betrachteten ihn als ein Glied ihrer eigenen
Gemeinschaft und setzten größtes Vertrauen in ihn.
Ḥájí Mirzá Aqásí4) hatte mit Überlegung es sich ausgedacht, den Báb in einen so entlegenen, unwirtlichen und gefahrenreichen Winkel des Gebietes des Sháh zu verbannen, mit der alleinigen Absicht, den Strom Seines zunehmenden Einflusses zu hemmen und damit jedes Band abzuschneiden, das Ihn mit der Körperschaft Seiner Jünger im ganzen Land verband. Sein Vertrauen darauf, daß nur wenige, wenn überhaupt welche, durch diese wilde und unsichere, von einem so aufrührerischen Volk bewohnte Gegend ziehen würden, war er in den Gedanken vernarrt, daß diese gewaltsame Absperrung seines Gefangenen von dem Zulauf und der Nachfrage Seiner Anhänger schließlich dazu führen würde, die Bewegung gleich von Anfang an aufzuhalten und sie schließlich auszulöschen. Aber bald mußte er erkennen, daß er sich in dem Wesen der Offenbarung des Báb bitter getäuscht und die Macht ihres Einflusses weit unterschätzt hatte. Der bewegliche Geist dieses unbändigen Volks wurde bald von der gütigen Art des Báb gefangen genommen und ihre Herzen wurden durch den veredelnden Einfluß Seiner Liebe besänftigt. Ihr Stolz wurde zur Ergebung durch Seine beispiellose Bescheidenheit, und ihre unsinnige Anmaßung verschwand durch die Weisheit Seiner Worte. Die Begeisterung, die der Báb in diesen Herzen entflammte, war derart, daß sie jeden Morgen nach einem Platz suchten, von dem aus sie Ihn sehen und sprechen und sich Seinen Segen für ihre tägliche Arbeit erbitten konnten. Im Falle, daß sich ein Streit erhob, gingen sie einfach zu jenem Platz, sahen nach Seiner Gefangenenzelle, riefen Seinen Namen und schworen einander zu, die Wahrheit zu sagen. ‘Alí Khán machte verschiedentlich den Versuch, sie von diesem Verfahren abzubringen, konnte aber gegen ihre Begeisterung nichts ausrichten. Er entledigte sich seiner Verpflichtung mit größter Strenge und gestattete keinem der anerkannten Jünger des Báb, auch nur eine Nacht in der Stadt Máh-Kú zu verbleiben.
Siyyid Ḥusayn erzählte weiter: „In den ersten vierzehn Tagen hatte niemand die Erlaubnis, den Báb zu besuchen. Nur mein Bruder und ich durften in Seine Gegenwart eintreten. Siyyid Ḥasan ging tagtäglich, von einer Wache begleitet, in die Stadt, um das Notwendige für unsere täglichen Bedürfnisse zu kaufen. Shaykh Ḥasan-i-Zunúzí, der in Máh-Kú eingetroffen war, verbrachte die Nächte in einer Moschee außerhalb der Tore der Stadt. Er war der Mittler zwischen den Nachfolgern des Báb, die gelegentlich Máh-Kú besuchten, und Siyyid Ḥasan, meinem Bruder, der seinerseits die Botschaften der Gläubigen ihrem Meister brachte und Shaykh Ḥasan wieder mit Seiner Antwort bekannt machte.
Eines Tages beauftragte der Báb meinen Bruder, Shaykh Ḥasan mitzuteilen, daß Er
selbst ‘Alí Khán bitten werde, seine Haltung gegen die Gläubigen, die Máh-Kú
aufsuchten, zu ändern und seine Strenge aufzugeben. „Sage ihm“, so fügte Er hinzu, „Ich werde
morgen die Wachen anweisen, ihn an diesen Platz zu führen.“ Über diese Botschaft war
ich sehr erstaunt. Wie würde es dem herrschsüchtigen und eigenwilligen ‘Alí Khán auch
nur einfallen, so dachte ich bei mir, von der Strenge seiner Zucht abzulassen? Nächsten
Tages zu früher Morgenstunde, als die Tore des Schlosses noch verwahrt waren, wurden
wir von einem plötzlichen Klopfen an der Türe überrascht, da wir wohl wußten, daß
der Befehl gegeben war, daß vor Sonnenaufgang niemand zugelassen werden darf. Wir
erkannten die Stimme ‘Alí Khán’s, der mit den Wachen zu verhandeln schien, von
denen einer gerade eintrat und mir mitteilte, daß der Burgwart des Schlosses dringend darum
bäte, vor den Báb geführt zu werden. Ich überbrachte seine Meldung und erhielt von
Ihm den Befehl, den Mann sofort hereinzuführen. Als ich über die Schwelle Seines
Vorzimmers trat, sah ich ‘Alí Khán voll Ehrerbietung an der Türe stehen; auf seinem
Gesicht lag der Ausdruck ungewöhnlicher Demut und Erstaunens. Seine Selbstsicherheit
und sein Stolz schienen völlig von ihm gewichen zu sein. Bescheiden und sehr höflich
erwiderte er meinen Gruß und bat mich, ihm zu gestatten, vor den Báb zu treten. Ich
führte ihn in das Zimmer, das mein Meister bewohnte. Seine Glieder zitterten, als er mir
folgte. Eine seelische Erregung, die er nicht
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verbergen konnte, lag auf seinen Zügen. Der Báb erhob Sich von Seinem Sitz und begrüßte
ihn. Mit einer tiefen Verbeugung nahte sich ‘Alí Khán und warf sich Ihm zu Füßen.
„Hilf mir aus meiner Verzweiflung“, so bat er. „Ich beschwöre Dich beim Propheten Gottes,
Deinem erhabenen Vorfahren, meine Zweifel zu beheben, denn ihre Last hat mein Herz
fast erdrückt. Ich machte einen Ritt durch die Wildnis und als ich zur Abendstunde zum
Stadttor kam, sahen meine Augen plötzlich Dich am Ufer stehen und Dein Gebet darbringen.
Mit ausgestreckten Armen, mit erhobenen Augen riefst Du den Namen Gottes
an. Ich hielt an und beobachtete Dich. Ich gedachte, das Ende Deiner Andacht abzuwarten,
um dann an Dich heranzutreten und Dich zur Rede zu stellen, warum Du ohne meine
Erlaubnis die Burg zu verlassen gewagt hattest. Du schienst so hingerissen in Deinem
Gottesdienst, daß Du gar nicht bei Dir zu sein schienest. Leise kam ich an Dich heran.
In Deiner Verzückung warst Du meiner Gegenwart nicht gewahr geworden. Plötzlich
kam eine große Angst über mich, ich schrak zurück beim Gedanken, Dich aus Deinem
Entrücktsein zu reißen. Ich beschloß, Dich zu verlassen, die Wachen aufzusuchen und sie
wegen ihrer Unachtsamkeit zur Verantwortung zu ziehen. Aber bald sah ich zu meinem
größten Erstaunen, daß sowohl das äußere und wie das innere Tor gesperrt waren. Auf
mein Verlangen wurden sie geöffnet, ich wurde hereingeführt und sehe Dich nun zu
meinem größten Erstaunen vor mir stehen. Ich bin vollständig verwirrt. Ich weiß nicht,
ob mich mein Verstand verlassen hat!“ Der Báb antwortete und sprach: „Was du geschaut
hast, ist wahr und unleugbar. Du hast diese Offenbarung gering geschätzt und ihren
Urheber verächtlich gemacht. Gott der Allbarmherzige wollte dich nicht mit Seiner
Strafe treffen. Es war Sein Wille, deinen Augen die Wahrheit zu offenbaren. Durch
Seine göttliche Vermittlung hat Er deinem Herzen die Liebe zu Seinem Erkorenen
eingeflößt und dich die unbesiegbare Macht Seines Glaubens erkennen lassen.“
Dieses wunderbare Erlebnis änderte das Herz von ‘Alí Khán ganz und gar. Diese Worte hatten seine Erregung besänftigt und seine wilde Erbitterung gedämpft. Mit allen Mitteln, die ihm zu Gebote standen, beschloß er, sein früheres Verhalten zu sühnen: „Ein armer Mann, ein Shaykh“, so ließ er den Báb eiligst wissen, „möchte so gerne zu Euch geführt werden. Er lebt in einer Moschee außerhalb der Stadttore von Máh-Kú. Bitte gestatte mir, daß ich ihn persönlich hierher zu Dir bringe, daß er Dich begegne. Dadurch erhoffe ich, daß meine schlechten Taten Verzeihung finden, daß es mir vergönnt sei, die Flecken meines schroffen Benehmens Deinen Freunden gegenüber hinwegzuwaschen.“ Seine Bitte ward ihm erfüllt, woraufhin er geradeswegs zu Shaykh Ḥasan-i-Zunúzí ging und ihn zu seinem Meister führte.
‘Alí Khán machte sich daran, innerhalb der ihm gezogenen Grenzen alles zu beschaffen, was die Strenge der Gefangenschaft des Báb irgendwie erleichtern konnte. Bei Nacht waren die Burgtore geschlossen; bei Tag aber war es jedem erlaubt, den der Báb zu sehen wünschte, zu Ihm zu kommen, mit Ihm zu reden und Seine Anweisungen entgegenzunehmen.
(Fortsetzung folgt)
1) Wörtlich „der offene Berg“, bezieht sich auf Máh-Kú. Der
Zahlenwert von Jabal-i-Básit ist gleich dem von „Máh-Kú“.
2) Wörtlich „der traurige Berg“, bezieht sich auf Chihríq. Der Zahlenwert von „Jabal-i-Shadíd“ ist gleich dem von „Chihríq“.
3) Aras.
4) Der dem Báb feindliche Großwezir.
Ein Weltglaube[Bearbeiten]
Studien in den Lehren Bahá’u’lláh’s
V. Das geistige Wesen des Menschen
Von Mamie L. Seto1).
Christus sagte: „Denn was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewänne und
nähme doch Schaden an seiner Seele?“ Oder: Welchen Gewinn könnte ein Mensch gegen
seine Seele eintauschen?
Bahá’u’lláh drückt sich in den „Verborgenen Worten“ ähnlich aus: „Befreie dich aus
den Fesseln dieser Welt und erlöse deine Seele aus dem Gefängnis deines Selbstes;
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ergreife die Gelegenheit, denn nie mehr wird sie dir geboten werden.“
Die Manifestationen Gottes tun immer ewige Wahrheiten kund und sprechen von Wirklichkeiten und somit auch von der Wirklichkeit des Menschen, dargestellt durch seine Seele oder seinen Geist. Diese beiden, der menschliche Geist und die vernunftbegabte Seele bedeuten ein und dasselbe.
Die Seele ist der unvergängliche Teil des Menschen und tritt sie einmal ins Dasein, so stirbt sie nimmermehr. Sie hat wohl einen Anfang, doch kein Ende. Die Seele ist nicht aus Elementen zusammengesetzt; sie besteht nicht aus vielen Atomen. Sie ist aus einer ganz besonderen Substanz und darum ewig. Sie ist alt in bezug auf die Zeit, jung aber in bezug auf ihre Individualität. Sie steht in Verbindung mit der unsichtbaren, altehrwürdigen Wesenheit und ist angeboren rein (selbstlos). Diese Verbindung gleicht der Verbindung der Strahlen mit der Sonne — der Wirkung mit der primären Ursache.
Der Mensch vereinigt jedoch in sich zwei Naturen, die geistige oder die höhere Natur und die materielle oder niederere Natur. Die Seele oder die höhere Natur wird oft das innere Ich genannt und somit von dem begrenzten äußeren Ich unterschieden, das bestenfalls nur als der Tempel der Seele angesprochen werden kann und das wegen seiner Begrenztheit sowohl von Bahá’u’lláh als auch von ‘Abdu’l-Bahá als das „Gefängnis“ des wahren Ich bezeichnet wird.
In seiner seelischen Wesenheit nähert sich der Mensch Gott, während er mit seiner materiellen Natur nur der irdischen Welt lebt. Die Eigenschaften der Seele treten zutage als Liebe, Barmherzigkeit, Gerechtigkeit, Treue, Rechtschaffenheit, Höflichkeit usw., während die Eigenschaften der materiellen oder niedereren Natur sich als Ungerechtigkeit, Grausamkeit, Haß, Gier usw. zeigen.
Die Kraft der vernunftbegabten Seele vermag die Wirklichkeiten der Dinge zu enthüllen, die Besonderheiten der Wesen zu erfassen und die Geheimnisse des Daseins zu durchdringen. Alle Wissenschaften, Erkenntnisse, Künste, Wunder, Institutionen, Entdeckungen und Unternehmen entspringen der geschulten Intelligenz der vernunftbegabten Seele2). Der Mensch besitzt fünf äußere Sinne, welche die Träger der Fassungskraft sind, vermittels der er materielle Dinge zu begreifen vermag. Es sind dies das Sehvermögen, das Gehör, der Geruchsinn, der Geschmacksinn und das Gefühl.
Der geistigen Kräfte des Menschen sind es ebenfalls ihrer fünf, und zwar das Vorstellungsvermögen, das die Dinge wahrnimmt; das Denkvermögen, das über die Wirklichkeiten nachsinnt; die Fassungskraft, welche die Wirklichkeiten begreift; das Gedächtnis, das behält, was immer der Mensch sich vorstellt, denkt und begreift. Der Mittler zwischen den fünf äußeren und den inneren Sinnen ist der Sinn, den sie alle gemeinsam besitzen, d. h. der Sinn, dessen Tätigkeitsbereich zwischen den äußeren und den inneren Sinnen liegt, der den inneren Sinnen vermittelt, was die äußeren Sinne wahrnehmen. Er wird die gemeinsame Kraft genannt, weil er die Verbindung zwischen den äußeren und inneren Sinnen herstellt3).
Die Entwicklung der vernunftbegabten Seele oder des inneren Ichs ist das Allerwichtigste und hierin liegt einer der beiden Hauptgründe, weshalb der Geist im Körper erscheint und auf dieser Erde physische Gestalt annimmt.
„Denn hierin“, sagt ‘Abdu’l-Bahá, „daß der menschliche Geist ein göttliches Pfand ist, liegt die Weisheit seines Erscheinens im Körperlichen; er muß sämtliche Zustände durchlaufen, denn nur durch sein Hindurchgehen und Sichhindurchbewegen durch alle Stadien des Daseins wird er seine Vervollkommnung erlangen. Der andere Grund ist der, daß die Zeichen der Vollkommenheit des Geistes offenbar werden sollen in dieser Welt, auf daß die Welt der Schöpfung ungezählte Erfolge zeitigen möge. Durch das Erscheinen des Geistes in physischer Gestalt wird diese Welt erleuchtet. Gäbe es keinen Menschen, so wäre diese Welt gleich einem Körper ohne Seele.“
Die Vollkommenheiten des Geistes oder die seelischen Eigenschaften tun nicht nur in dieser
Welt not, sie sind auch im späteren Leben unbedingt notwendig und wesentlich. Da die
äußeren Sinne des Menschen die Träger der
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Wahrnehmungsfähigkeit sind, mittels der er materielle Dinge zu erfassen vermag, sind
diese in den geistigen Welten nicht vonnöten. Wessen der Mensch bedarf, das ist: Glaube
und Zuversicht, Liebe zu Gott, Erkenntnis Gottes und die Eigenschaften der Barmherzigkeit,
Gerechtigkeit, Treue, Liebe usw. Dies ist ein weiterer und höchst wesentlicher
Grund für die Notwendigkeit der seelischen Entwicklung allhier.
Könnte der Mensch doch erfassen, welch hohe Stufe er in Gottes Schöpfung einnimmt, er würde zweifellos sich aufs äußerste bemühen, rasch zu diesem erhabenen Rang zu gelangen. Der Schöpfer hat den Menschen vor allem Erschaffenen zur höchsten Auszeichnung, Ehre und Herrlichkeit auserwählt. Diese Sonderstellung ist jedoch an sein geistiges Wesen gebunden und liegt in der Seele.
„Was die geistigen Vollkommenheiten betrifft“, sagt 'Abdu’l-Bahá, ‚so stellen sie das Geburtsrecht des Menschen dar und sind nur ihm vor allem Erschaffenen eigen. Der Mensch ist in Wahrheit ein geistiges Wesen und nur, wenn er im Geiste lebt, ist er wahrhaft glücklich.“
Gott hat den Menschen mit der höchsten Ehre bedacht, denn Er schuf ihn Ihm zum Bilde und Gleichnis und verlieh ihm die Herrschaft über die ganze Erde4). „Und alles, was erschaffen wurde, gehört dem Menschen, der die Krone der Schöpfung darstellt“, schreibt ‘Abdu’l-Bahá.
„O mein Freund!“ schreibt Bahá’u’lláh im Hinblick auf die erhabene Stufe des Menschen, „du bist das Tagesgestirn der Himmel der Heiligkeit, laß nicht den Schmutz der Welt deinen Glanz trüben. Zerreiße den Schleier der Nachlässigkeit, auf daß du ohne Schleier oder Hülle strahlend dich erheben und alle Wesen mit dem Gewand des Lebens bekleiden mögest.“
„O Mein Diener! Du bist wie ein Schwert von seltenster Härte und strahlendem Glanz, das in einer dunklen Scheide eingeschlossen ist und dessen Vorzüge darum dem Kenner verborgen bleiben. Komm darum hervor aus der Hülle selbstischen (äußerlichen) Verlangens, auf daß dein Glanz strahlend hervorbrechen und aller Welt offenbar werden möge.“
„Wie strahlend“, erklärt Bahá’u’lláh im Iqán bei der herrlichen Stufe des Menschen, „sind die Leuchten der Erkenntnis, die sich in einem Atom auftun und wie unermeßlich die Ozeane der Weisheit, die in einem Tropfen wogen. In höchstem Maße gilt dies für den Menschen, der vor allen andern erschaffenen Dingen mit dem Gewand solcher Gaben bekleidet und durch solch strahlenden Glanz ausgezeichnet wurde. Denn in ihm sind in so hohem Maße alle Eigenschaften und Namen Gottes geoffenbart, wie kein anderes erschaffenes Wesen sie je hat erreichen oder gar übertreffen können. All diese Namen und Eigenschaften sind auf ihn anwendbar, so wie Er auch gesagt hat, ‚der Mensch ist Mein Geheimnis und Ich bin sein Geheimnis‘.
„Die Stufe des Menschen ist hoch, wenn er sich an Treue und Redlichkeit hält und fest und standhaft im Gebot bleibt. Ein wahrer Mensch wird vor dem Barmherzigen gleich dem Himmel angesehen; sein Auge und Ohr sind die Sonne und der Mond und seine leuchtenden und strahlenden Eigenschaften sind die Sterne; seine Stufe ist die höchste Stufe und seine Spuren sind die Erzieher der Welt.“
‘Abdu’l-Bahá sagt bei der Auslegung dieses erhabenen Themas der Herrlichkeit des Menschen: „Der Adel und die Herrlichkeit des Menschen bestehen darin, daß er inmitten aller Wesen den Dämmerungsort der Rechtschaffenheit darstellt; kann sich der Mensch eine größere Gnade vorstellen, als das Bewußtsein, daß durch göttliche Hilfe der Aufstieg und das Wohlergehen der menschlichen Rasse in seine Hand gegeben ist? Vernunft und geistige Fähigkeiten sind uns dazu verliehen worden, daß wir sie zum Wohle der Menschheit gebrauchen und uns durch Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit unseres Urteils von der niedereren Natur im Menschen unterscheiden und uns dauernd darum bemühen mögen, Gutes zu tun.
„Da alle Herrlichkeit in der Seele des Menschen begründet liegt, so kann mit einem
Leben der äußeren Sinne ein Fortschritt kaum oder ebensowenig verbunden sein, als in der
Spreu eines Saatkorns Leben zu finden ist. Der Kern eines Samens ist es, der da sproßt,
Wurzeln treibt und sich zu einer Blume, einem Baum oder sonst einer Pflanze entwickelt,
während die Hülse abfällt, verdorrt und umkommt; so fristen auch die, welche
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nur in der Welt der Sinne leben, ihr Dasein auf der Spreu des Lebens.“
Wie sollen wir denn nun zu der Seele des Menschen gelangen und ihre unermeßlichen, verborgenen Schätze zutage fördern?
Um dies herrliche und wichtigste Werk zu tun, müssen wir an die Quelle allen Lebens gehen; denn nur die Kraft, die da Leben gab, vermag dies zu vollbringen. Und darum gehen wir zu den Manifestationen (Offenbarern) Gottes und ihren Lehren. Diese erhabenen Wesen wurden eigens zu diesem Zweck von Gott dem Allmächtigen auf die Erde gesandt und durch die Kraft des Heiligen Geistes, die von ihnen ausgeht, werden die Seelen der Menschen belebt und die in ihnen ruhenden Fähigkeiten geweckt.
Bahá’u’lláh sagt: „Damit, daß der eine wahre Gott, erhaben sei Seine Herrlichkeit, Sich Selbst den Menschen offenbart, will Er all die Schätze, die in ihrem wahren und innersten Selbst verborgen liegen, heben.“
„Ich bin gekommen, auf daß ihr zum Leben gelangen möget und es in Fülle habet“, sagt Christus. Damit ist natürlich das Leben der Seele gemeint. Bahá’u’lláh, die Manifestation Gottes für dies herrliche Zeitalter, sagt: „Edelsteine zu sammeln, bin Ich in diese Welt gekommen. Und wenn auch nur ein Splitter eines Juwels in einem Stein verborgen liegt, und dieser Stein auch jenseits der sieben Seen sich befände, so sollen doch meine Hände nicht ablassen, nach ihm zu suchen, bis ich diesen Edelstein gefunden und in Sicherheit gebracht habe.“
„Um Edelsteine aus den Minen der Menschheit zutage zu fördern, hat der Getreue, verherrlicht sei Seine Erhabenheit, in jedem Zeitalter einen treuen Botschafter ausgesandt.“
Diese Entwicklung der Seele geschieht in einem langsamen Prozeß, der sich über Geschlechter und Zeitalter erstreckt. Und obgleich die Vollkommenheiten der Seele von Anbeginn im Menschen liegen, genau so, wie ein Samenkorn den Baum enthält, so treten sie doch nicht in Erscheinung und werden nur ganz allmählich sichtbar.
„Den Eckstein der Religion Gottes“, sagt 'Abdu'l-Bahá, „bildet das Erlangen göttlicher Vollkommenheiten und die Teilhaftigkeit an Seinen mannigfaltigen Gaben. Der Kern des Glaubens besteht in der Veredelung des inneren Seins des Menschen durch die Ausgießung der Gnade von oben. Wer hiezu nicht gelangt, ist in Wahrheit arm. Dieser Verlust ist in Wirklichkeit das ewige Feuer. Darum liegt allen Bahá’í ob, diese wunderbare Lebenskraft tief in ihren Herzen zu erwägen, auf daß sie nicht wie bei anderen Religionen sich mit dem leeren Schall und Lärm und der Hohlheit religiöser Dogmen begnügen. Nein, sie sollen im Gegenteil in jeder Lebenslage die Tugenden und Eigenschaften, die aus Gott geboren sind, durch ihr Beispiel verwirklichen und sollen dahin gelangen, sich durch ihre wohlgefällige Lebensführung auszuzeichnen.“
Darum nimmt die Religion auch den ersten Platz in unserem Leben ein und ist von unermeßlichem Wert. Eine der lebenswichtigsten und zwingendsten Tatsachen, die wir hinnehmen müssen und die für den Menschen bewußt zu werden schwierig erscheint, ist die, daß er in bezug auf seine geistige Entwicklung von den Manifestationen Gottes absolut abhängig ist.
Es ist dies eine grundlegende Wahrheit und hat von jeher den Weg für das geistige Wachstum des Menschen dargestellt, wie auch Christus sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater, denn durch Mich.“ „Wie du Ihm Macht gegeben hast über alles Fleisch, auf daß Er das ewige Leben gebe allen, die du Ihm gegeben hast5).“
Bahá’u’lláh schreibt in Erneuerung dieses ewigen Gesetzes im Iqán: „Der Mensch, das edelste und vollkommenste aller erschaffenen Dinge, übertrifft sie alle an Größe dieser Offenbarung und stellt einen vollkommeneren Ausdruck ihrer Herrlichkeit dar; und von allen Menschen sind die vollendetsten, die hervorragendsten und ausgezeichnetsten die Manifestationen der Sonne der Wahrheit. Ja, alles andere lebt durch das Wirken ihres Willens, bewegt sich und hat sein Sein durch das Ausströmen ihrer Gnade6).
„Der menschliche Geist, die vernunftbegabte Seele, kann ohne die Hilfe des Geistes
des Glaubens mit den göttlichen Geheimnissen und himmlischen Wirklichkeiten nicht
vertraut werden“, sagt 'Abdu’l-Bahá7).
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Henry Drummond schiebt diese Frage auf das wissenschaftliche Geleise, wenn er in seinem Buch "Das Naturgesetz in der geistigen Welt“ schreibt: „Das geistige Leben ist die Gabe des lebendigen Geistes. Der geistige Mensch stellt nicht nur eine Entwicklungsstufe des natürlichen Menschen dar. Er ist eine neue, aus dem Reich des Geistes geborene Schöpfung. Weshalb ein tugendhafter Mensch sich nicht einfach immer besser und besser entwickeln soll, bis er schließlich aus eigenem Verdienst ins Reich Gottes eintritt, das ist's, was Tausende mit dem besten Willen nicht verstehen können. Die Wissenschaft gibt hierauf sofort die Antwort. Es muß klar herausgestellt werden, daß es dieselbe Absurdität bedeutet, zu fragen, weshalb ein Stein nicht sollte immer lebendiger werden können, bis er schließlich in das Reich des Organischen eintritt, welches über dem mineralischen steht; genau so wenig kann der Mensch aus dem irdischen Reich zum himmlischen aufsteigen ohne Hilfe von oben.“
Der menschliche Fortschritt vollzieht sich in Zyklen; ein Zyklus bricht an, erreicht seinen Zenit und steigt wieder ab und ein anderer Zyklus steigt herauf und durchläuft dieselben Phasen. Man kann diese Zyklen den verschiedenen Klassen einer Schule und die Menschheit dem diese Schule besuchenden Kinde vergleichen. Es lernt dort seine Aufgaben und ist hernach bereit für weiteren Fortschritt. Denn der göttliche und schöpferische Zweck in diesen Zyklen ist die Entwicklung des geistigen Menschen. Der Fortschritt in vergangenen Zyklen gehörte dem Bereich körperlicher und verstandesmäßiger Entwicklung an und der nächste Schritt vorwärts liegt auf dem Gebiet des Geistigen.
Wir stehen jetzt im Beginn eines neuen Zyklus, der die herrliche Krönung vergangener Zeitalter und Zyklen ist. Er ist ein Zyklus der Reife der menschlichen Rasse und in ihm werden wir die seelischen Eigenschaften des Menschen in höchster Entfaltung erblicken. Wir werden die Frucht vom Baume der Menschheit schauen, und da Frucht des Geistes Freude ist, so wird auch dieser neue Zyklus ein Zyklus des Glücks und der Freude für die Welt sein.
„Dieses zwanzigste Jahrhundert ist die Dämmerung geistiger Erleuchtung und man sieht sie Tag für Tag deutlich voranschreiten. Sie wird einen solchen Grad erreichen, daß sich über die Materie geistiger Strahlenglanz ergießen wird, so daß Empfänglichkeit für das Göttliche den Sieg über irdischen Verstand erlangen und das himmlische Licht das Dunkel der Erde zerstreuen und bannen wird. Göttliche Heilkraft wird alle Übel beheben und die Wolke der Gnade wird ihren Regen ausgießen. Die Sonne der Wirklichkeit wird scheinen und die ganze Erde wird ihren wundervollen grünen Teppich ausbreiten.
Zu den Erfolgen der Offenbarung der geistigen Kräfte wird gehören, daß die Menschenwelt eine neue soziale Form annehmen wird, daß die Gerechtigkeit Gottes offenbar und menschliche Gleichheit aufgerichtet wird. Für die Armen wird dies ein großes Geschenk und für die Reichen ewige Glückseligkeit sein8).“
Und wiederum sagt uns ‘Abdu’l-Bahá: „Der höchste Ausdruck des menschlichen Lebens auf dieser Erde in diesem und vielen kommenden Zeitaltern ist himmlisch, d. h. im Einklang mit den Lehren Bahá’u’lláh’s zu leben und zu handeln und standhaft zu sein in der Liebe ‘Abdu’l-Bahá’s. Die Prinzipien der Religion der Gesegneten Vollkommenheit schmücken den Geist mit den höchsten Eigenschaften des Königreiches Abhá, erleuchten das Herz mit der Sonne der Liebe Gottes, machen den Menschen zu einem Diener der Menschenwelt, zu einem Fahnenträger des Weltfriedens und zu einem Gestirn, das vom Himmel der Rechtschaffenheit herableuchtet9).“
Mit diesem Schritt nach vorwärts in der menschlichen Entwicklung wird eine vollkommenere Entfaltung von Eigenschaften, die bisher noch geschlummert haben, einhergehen.
Da schlummerten im Menschen Fähigkeiten, von denen unsere Vorfahren sich kaum eine Vorstellung machen konnten, Fähigkeiten, vermittels derer das Wesen des Atoms entdeckt werden konnte, die drahtlose Telegraphie erfunden wurde, die Elemente errungen worden sind und unter Wasser und in der Luft gereist wird. So darf es uns auch nicht wundern, wenn die, welche nach uns kommen, Fähigkeiten aufweisen, die uns noch unbekannt sind.
'Abdu'l-Bahá sagt: „Wenn die Gehirnzellen
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im höchsten Körperraum in Tätigkeit treten, so antworten sie auf himmlische
Schwingungen. Diese Zellen sind bei den meisten menschlichen Wesen latent. Durch
Dienst, Meditation und Beten werden sie erweckt. Dies ist der ‚höchste Raum‘, in
den sich die Jünger zurückzogen, wenn sie die Begegnung mit Christus suchten.“
Dieses neue Zeitalter wird ein Zyklus der Herrlichkeit Gottes und der Herrlichkeit des Menschen sein.
„Wahrlich, der Mensch verdient nicht den Namen Mensch, er sei denn erfüllt von den Eigenschaften des Barmherzigen. Mensch ist er nicht durch Reichtum und Zier, Gelehrsamkeit und Bildung.“
1) Entnommen und ins Deutsche übertragen aus „World Order“,
Januar 1956, Bd. 1, Nr. 10, S. 388 ff.
2) Siehe „Beantwortete Fragen“, S. 253 (englische Ausgabe).
3) Ebenda, S. 245 (englische Ausgabe).
4) 1. Mose 1, 26.
5) Joh. 17, 2.
6) Iqán, S. 103.
7) „Beantwortete Fragen“, S. 244 (englische Ausgabe).
8) „Bahá’í Scriptures“, S. 639.
9) Ebenda, S. 805.
Vom Schicksal und freien Willen[Bearbeiten]
Von Hede Schubert
(Fortsetzung)
In dieser Hinsicht kann man Nietzsches Amor fati verstehen, die Liebe zum Schicksal, das Jasagen zum Schicksal, aus diesem Glauben und Wissen heraus, daß alles dem Menschen nur zum Besten gereicht, denn heißt es nicht: „Welchen der Herr lieb hat, den züchtigt Er, und Er stäupt einen jeglichen Sohn, den Er aufnimmt?“ Und wie oft sagt ‘Abdu’l-Bahá, daß wir nicht traurig sein sollen, wenn Prüfungen kommen. — Diese Schicksalsgegebenheiten, die im Göttlichen Plan vorgesehen sind, nennen wir das bestimmte, unabänderliche Schicksal. Dem gegenüber steht das veränderliche, durch menschliche Vernunft und Willen beeinflußbare Schicksal, wie z. B. alle Geschehnisse, welche die Folge unsres Ungehorsams gegenüber den göttlichen Geboten sind. Hier wirkt sich das Kausalitätsgesetz aus: was der Mensch säet, wird er ernten. Ein Kind wird für Ungehorsam bestraft, es kann sich aber durch Gehorsam der Strafe entziehen. So kann der Mensch durch Gehorsam gegen Gott, Befolgen Seiner Gebote das Eintreten solcher Geschehnisse vermeiden. Wo sie aber eintreten, haben sie einen großen erzieherischen Wert, durch welchen die Strafe in Liebe verwandelt wird. Hier aber beginnt nun die Verantwortlichkeit des Menschen. Es liegt im freien Willen des Menschen, das Gute oder das Böse zu tun, auch liegt es an ihm, wie er die Strafe aufnimmt, ob er daraus lernt, sich bemüht es besser zu machen, und so seine Entwicklung hemmt oder fördert. Damit aber, daß er für sich Verantwortung trägt, ist er als Glied der gesamten Menschheit mitverantwortlich für seine Mitmenschen — insofern als er Beispiel sein soll — und so letzten Endes jeder Einzelne mitverantwortlich für das Weltgeschehen, die Menschheitsentwicklung überhaupt. Wir müssen aus freiem Willen heraus unser Teil zur Vollendung beitragen. Wir müssen Gott suchen wollen, um Ihn finden zu können. Wie Bahá’u’lláh in den „Verborgenen Worten“ sagt: „O Sohn des Seins! Liebe Mich, auf daß Ich dich lieben möge! Wenn du Mich nicht liebst, kann Meine Liebe in keiner Weise dich erreichen. Erkenne dies, o Diener1).“ — Wie bei der Anziehung zweier Pole diese Anziehung stets auf Gegenseitigkeit beruht, so müssen wir unsern Willen Gott entgegenbringen. „Das Wesen der Einsicht ist: seine Armut zuzugeben und sich dem Willen des Herrn, des unumschränkten Herrschers, des Gnädigen, des Allmächtigen zu unterwerfen2).“
Die Willenskraft als solche haben wir von Gott. Aber die Anwendung dieser Kraft, ob
und wie wir sie anwenden, hängt von uns ab, und insofern tragen wir die Verantwortung.
Aus diesem Bewußtsein der Verantwortlichkeit heraus wird sich eine ganz bestimmte
Einstellung zum Schicksal ergeben, die stets abhängig ist von der religiösen Erkenntnis
eines Menschen. Wohl wissen wir, daß wir dem für uns bestimmten Schicksal nicht
entrinnen können, daß wir uns dem Willen Gottes fügen müssen; aber es besteht ein großer
Unterschied darin, ob wir nun willenlos alles über uns ergehen lassen in passivem,
fatalistischem Verhalten zu unserm Schicksal, oder ob wir das Meistern des Schicksals als
unsre
[Seite 108]
Aufgabe, das Wollen gegenüber dem Nichtwollen als höheren Wert erkennen, wie dies
in den Worten Christi zum Ausdruck kommt: wer mir nachfolgen will, der nehme sein
Kreuz auf sich und folge mir. Hier tritt die unbedingte Aktivität, das Einsetzen des
Willens, das Aufnehmen des Kampfes mit dem Schicksal klar zu Tage. —
Nun zu der wichtigen Frage der Willensfreiheit. Hat der Mensch überhaupt einen freien Willen? Handelt er so, wie er muß, oder so, wie er will?
‘Abdu’l-Bahá sagt zu dieser Frage folgendes: „Es gibt vieles, das dem freien Willen des Menschen untersteht, z. B. Gerechtigkeit, Unparteilichkeit, Grausamkeit und Ungerechtigkeit, wie auch alle guten und bösen Handlungen. Ohne Zweifel sind diese Handlungen in den meisten Fällen dem freien Willen des Menschen überlassen. Es gibt aber auch manches, dem der Mensch willenlos unterworfen ist, z. B. Schlaf, Tod, Krankheit, Abnahme der Kräfte, Unglück und Mißgeschick. Dies alles ist nicht dem freien Willen des Menschen überlassen, und er ist nicht dafür verantwortlich, denn er ist gezwungen, es über sich ergehen zu lassen. Aber in der Wahl von guten und bösen Handlungen hat der Mensch seinen freien Willen, und er führt sie auch aus gemäß seinem eigenen Willen3).“ Die Willensfreiheit des Menschen ist also letzten Endes Wahlfreiheit. ‘Abdu’l-Bahá erläutert dies in folgenden Worten: „Die menschliche Seele ist einem Weber zu vergleichen, das menschliche Leben aber einem Gewebe; der menschliche Leib, vorab das Gehirn, ist das Werkzeug, das Organ, womit gewoben wird. Gott, der Herr, der Werkmeister, bespannt den Webstuhl (das menschliche Milieu) mit den Grundfäden des Schicksals. Damit wird dem menschlichen Wesen der Ort, die Zeit, die Eltern, Konfession, Nationalität, Gesellschaft, Anlagen usw. aufgenötigt. Die menschliche Seele zieht dann mit dem Weberschiffehen der Sinne, der Vorstellung, der Tat, die Querfäden des Gewebes, wodurch bis an das Lebensende — so sagen wir — Kunstwerke des menschlichen Lebens entstehen. Das Material zum Weben, sei es Hanf, Garn, Wolle oder Seide, oder ein anderes Gemisch, kann die Seele nicht auswählen, auch nicht das Werkzeug, sondern nur die Art und Weise des Webens, soweit sie nicht durch das Material selbst, bis zu einem gewissen Grade, bereits bestimmt ist. Das Material stellt unsere, von den Vorfahren überkommene Körperorganisation dar. Was ist also Willensfreiheit, Destination, Determination? Das menschliche Wesen ist absolut determiniert von seiten der Erblichkeit und von seiten des Instinkts. — Eure modernen, europäischen Philosophen und Mediziner bezeichnen den Instinkt neuerdings, wie man mir sagt, mit dem Worte Unterbewußtsein (oder wie die Alten sagten: Sympathismus, Herrschaftsdomäne). Das menschliche Wesen hat aber eine relative Freiheit des Willens, besser gesagt, eine Wahlfreiheit, eine Wollensvariation4).“
In diesen Ausführungen ‘Abdu’l-Bahá’s liegt zugleich ein Hinweis auf die Frage der Prädestination. An ‘Abdu’l-Bahá wurde einmal folgende Frage gestellt: „Teilt die Bahá’í- Lehre mit dem Islám die Doktrin der absoluten Vorherbestimmung und Gnadenwahl, so daß die menschliche Willensfreiheit sozusagen außer Frage kommt?“
Der Meister antwortete: „Die Lehre Seiner Heiligkeit Muḥammad, des gesegneten Propheten
wird gerade von den Okzidentalen im Punkte der Vorausbestimmung und Gnadenwahl
nicht verstanden. Die Abendländer sehen in ihrem christlichen Gotte vor allem
den liebevollen Vater aller Gotteskinder. Der Moslem ehrt in Gott, dem Herrn, in erster
Linie den Töpfer, welcher aus Seinem Lehm, nach Seinem Belieben Gefäße der Ehre oder
der Unehre schafft. So entspricht die islamitische Lehre ihrem Namen gemäß, der
vollständigen Hingabe jedes Menschen in den unerforschlichen Willen Gottes. Wohl hat der
Prophet Muḥammad das Vorauswissen Gottes gelehrt, aber nirgendwo hat dieser Gesandte
Gottes das unbeugsame Gesetz der absoluten Prädestination im Qur’án fixiert; im
Gegenteil, der Prophet kannte die schmale Grenze der menschlichen Willensfreiheit. Hat
nicht Muḥammad — gesegnet seien Seine Worte — betont, daß der Mensch sich die von
Gott angebotene Gnade aneignen oder fallen lassen kann? Gott der Herr kann einem
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Dürstenden die Quelle zeigen, ja ihn hinführen; wie aber, wenn dessen Augen gehalten sind?
Wenn er die Hand, die ihm den Becher Wasser anbietet, wegstößt, das Wasser in seinem
Wahn verschüttet? Daher kam schon das lateinische Sprichwort: Quem perdere vult
Deus, prius dementat. (In deutsch: Wen Gott verderben will, den schlägt er zuerst mit
Blindheit.) Es erhebt sich die ernste Frage: „Hat Gott der Herr vorausgesehen, daß dieser
Mensch sich nicht retten lassen werde, oder hat Er ihn, aus uns unerforschlichen Gründen,
von Anfang an in einem Wahn, in eine Verblendung sich verstricken lassen?“ Da
aber Gott der Herr nicht nur der Allmächtige ist, sondern auch der Allbarmherzige — denn
wahre Kraft und Stärke paart sich stets mit Milde und Güte — und zugleich der Gerechte
und der Vergelter ist, so müssen wir niedern Geschöpfe uns beugen vor Seinem
geheimnisvollen Ratschluß und glauben, daß der Töpfer in Seiner absoluten Weisheit und Güte,
in Seiner Gerechtigkeit und Wahrheit, alles zum Besten des Einzelnen und des Ganzen
schafft, wendet und zu Ende führt — auch da, wo unser Erkennen und Begreifen weithin
versagt.“ ... Dem Meister wurde erwidert: „Abbás Effendi, gestatten Sie mir die Erwiderung:
Die absolute Hingabe des Moslem, zusammen mit der doch machtvollen Prädestinationslehre,
führt unleugbar zu einem indolenten Fatalismus, in dem der Orientale
alles Gott überläßt und sich selbst nicht mehr hilft — oder was sagen
die Bahá’í dazu?“
Der Meister: „In der Lehre der Prädestination (Verherbestimmung), der Gnadenwahl und der menschlichen Willensfreiheit wird unser Herr Muḥammad und seine gesegnete Offenbarung, der Qur’án, viel zu wenig gelesen, studiert und im Leben beobachtet. Als der Prophet im März 629 an der Spitze von zweitausend Kamelreitern, alles ergebene Moslems, die bekannte Pilgerfahrt von Medina nach Mekka machte, wurde der Prophet von seinem Diener gefragt, wie er vor allem Muḥammad’s berühmtes Kamel Al-Kaswá sicher unterbringen solle. Da antwortete ihm der Herr Muḥammad: „Erst tränke und füttere es, dann binde es an, hierauf befiehl es Gott, dem Höchsten.“ Und hat nicht auch der Prophet im Qur’án gesagt (2, 191): „Stürzet euch nicht selbst ins Verderben“, und anderswo: „Hilfe kommt von Gott, dem Höchsten, demjenigen, der Ihn darum bittet — aber erst soll er versuchen, sich selbst zu helfen5).“
Hier kennzeichnet ‘Abdu’l-Bahá deutlich die schmale Grenze der menschlichen Willensfreiheit, betont aber andrerseits nachdrücklich, daß wir erst alles, was in unsrer Kraft steht, tun müssen, daß wir nicht tatenlos uns dem Schicksal anheimgeben, sondern mit größter Willensenergie das Schicksal zu meistern versuchen sollen. Erst wenn wir alles innerhalb unsrer Erkenntnisstufe Mögliche getan haben, dann können wir der Gnade Gottes teilhaftig werden. Wenn Paulus sagt: „Das Gute, das ich will, das tu’ ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will, das tu’ ich“ — oder: „Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen finde ich nicht“, so meint er hier die Grenze des Vermögens. Weil wir aber die Grenze unsres Vermögens nicht kennen, dürfen wir nie aufhören zu streben, zu wollen, wie Eckardt sagt: Gebricht dir’s nicht am Wollen, sondern allein am Vermögen, wahrhaftig, vor Gott hast du alles getan. — Willensfreiheit aber im letzten Sinn, die unlösbar mit der Gnade zusammenhängt, bedeutet ein vollständiges Freiwerden von uns selbst, daß unser Handeln keinen Zwang, sondern unsrer inneren freien Zustimmung entspringt, daß wir nicht anders handeln können und wollen als nach dem Willen Gottes, daß wir sagen können: nicht wie ich will, sondern wie Du willst, Dein Wille ist mein Wille; daß wir mit uns geschehen lassen und insofern Ja sagen zu allem, was Gott für uns bestimmt hat. Dann haben wir jene Stufe der wahren Freiheit, der inneren Einheit und Harmonie erreicht. —
„Freiheit besteht im Befolgen Meiner Gebote, gehörtet ihr doch zu denen, die dies erkennen. Wenn die Menschen befolgen würden, was Wir vom Himmel der Inspiration offenbarten, dann würden sie gewiß erkennen, daß sich ihre Seele in vollkommener Freiheit befindet... Wisset: die Freiheit, die euch fördert, besteht im Dienst für den wahren Gott, und der, welcher einmal ihre Süßigkeit verspürt hat, wird sie nicht für das Reich des Himmels und der Erde mehr vertauschen6).“
1) Verborgene Worte aus dem Arabischen Nr. 5.
2) Worte der Weisheit, S. 63.
3) Beantwortete Fragen, S. 314.
4) Aus dem Schatz der Erinnerungen an Abbas Effendi, 'Abdu'l-Bahá 1906--1911, S, d. W. XIII. Jahrg., S. 18.
5) Aus dem Schatz der Erinnerungen an Abbas Effendi, ‘Abdu’l-Bahá, S. d. W. X. Jahrg., S. 173.
6) Bahá’u’lláh.
Zur Umschrift orientalischer Namen[Bearbeiten]
Von Dr. Adelbert Mühlschlegel
Seit einigen Jahren wird in die Bahá’í-Literatur aller europäischen Sprachen ein System der Umschrift persischer und arabischer Namen eingeführt, das auf ausdrückliche Anweisung Shoghi Effendis, des Hüters des Bahá’í-Glaubens, übernommen wurde. Es macht uns Deutschen noch insofern Schwierigkeiten, als die Aussprache dieser aus arabischer in lateinische Schrift umgeschriebenen Worte nicht ohne weiteres nach deutscher Lesart geht. Vielmehr liegt diesem internationalen Umschriftsystem im großen ganzen die englische Lesart zugrunde. So schreiben wir zum Beispiel den Titel „Said“ jetzt „Siyyid“, müssen ihn aber nicht ebenso aussprechen, sondern etwa „Sejid“. Ein deutscher Leser kann also einen ihm unbekannten Namen auch in dieser neuen Schreibart nicht ohne weiteres immer richtig aussprechen.
Auf solche Bedenken gab der Hüter seinerzeit (durch seinen Sekretär) folgende Antwort: „Bezüglich der Umschrift orientalischer Namen und Worte in Deutsch läßt er mich Ihnen mitteilen, daß das jetzt in der Bahá’í-Welt gebrauchte System der Umschrift mit nur ganz geringen Änderungen von einem allgemeinen Orientalistenkongreß, vertreten durch die größten Orientalisten der Welt einschließlich einiger auf verschiedenen Gebieten der orientalischen Geschichte und Literatur hervorragender deutscher Autoritäten übernommen und gebilligt worden ist. Wie Sie also sehen, ist es ein höchst empfehlenswertes System der Umschrift, und darum legt auch der Hüter so Nachdruck auf seine allgemeine Anwendung in der Bahá’í-Welt. Jede Abweichung von diesem System, so fühlt er stark, könnte zu unberechenbaren Schwierigkeiten und Mißverständnissen in der Zukunft führen. Er möchte daher ganz bestimmt in Sie dringen, es anzunehmen und unseren deutschen Freunden zu raten, dies in allen ihren offiziellen Bahá’í-Veröffentlichungen und besonders in den Ausgaben der „Sonne der Wahrheit“, worin einige Kapitel von „Nabil’s Erzählungen“ erscheinen, ebenso zu tun.“
Die verschiedenen Buchstaben dieses Systems entsprechen jeweils einzelnen arabischen Buchstaben. Also auch gleich ausgesprochene, aber verschieden geschriebene arabische Laute werden den verschiedenen arabischen Buchstaben entsprechend mit verschiedenen lateinischen Bachstaben umgeschrieben, z. B. s und ṣ.
Im folgenden werden nun die Buchstaben des Umschriftsystems und ihre Aussprache angegeben:
a wie englisches a, also die Mitte zwischen deutschem kurzen a und ä, ohne Akzent geschrieben immer unbetont,
á wie langes a, im Persischen dumpf gesprochen,
aw wie offenes ôu,
b wie b,
ch wie tsch (kommt nur in persischen Wörtern vor, nicht in arabischen),
d wie d,
ḍ wie weiches, dumpfes s, mit Zunge am Gaumen einem dumpfen d ähnlich,
dh wie weiches, gelispeltes s, also wie weiches englisches th,
f wie f,
g wie g (kommt nur in persischen Wörtern vor, nicht in arabischen),
gh wie gh, dem weich gesprochenen r ähnlich (etwa wie der Berliner in „sagen“, „Tag“ usw.),
h wie h,
ḥ wie scharfes h = hh,
i wie i, manchmal auch wie kurzes e; ohne Akzent immer unbetont,
í wie langes i = i,
j wie weiches dsch,
k wie k,
kh wie ch, z. B. in „ach“, rauh gesprochen wie in der Schweiz.
- (Einen Laut wie das deutsche ch in „ich“ gibt es im Arabischen und Persischen nicht.)
1 wie l,
m wie m,
n wie n,
p wie p (kommt nur in persischen Wörtern vor, nicht in arabischen),
q wie dumpfes k, weit hinten im Munde gesprochen = kh,
r wie r,
s wie helles, scharfes ß,
ṣ wie dumpfes, scharfes ß,
sh wie sch,
t wie t,
ṭ wie t,
[Seite 111]
th wie scharfes, gelispeltes ß, also wie scharfes englisches th,
v wie w,
u wie kurzes geschlossenes o, ohne Akzent immer unbetont,
ú wie langes u,
y wie j,
z wie helles, weiches s,
ẓ wie dumpfes, weiches s,
zh wie französisches j in „journal“, „jeanne“ (kommt nur in persischen Wörtern vor, nicht in arabischen),
' erfordert gepreßtes Ansetzen bei Beginn eines Wortes, ein kurzes Absetzen innerhalb eines Wortes,
’ wird nicht gesprochen.
Im folgenden einige der gebräuchlichsten orientalischen Namen in Umschrift mit Erläuterung:
'Abá — (spr. ‘äbá) — persischer Mantel.
'Abbás — (spr. ‘äbbáß) — männlicher Eigenname.
'Abdu'l-Bahá — (spr. ‘äbdul-bähá) — „Diener Bahá’s“, geistiger Name von ‘Abbás Effendi, dem Sohne Bahá’u’lláh’s.
Abu’l-Faḍl — (spr. äbul-fäsl) — bekannter persischer Bahá’í, gelehrter Schriftsteller.
Ádhírbáyján — (spr. asirbäjdschan) — Landschaft und Provinz im nordwestlichen Persien, Hauptstadt Tabríz.
‘Ahd — (spr. ‘ähd) — „Bund“, „Bündnis“.
Aḥmad — (spr. ähhmäd) — männlicher Eigenname.
Akbar — (spr. äkbär) — „der Größere“, „der sehr Große“; männlicher Eigenname.
‘Akká — (spr. ‘äkka) — Stadt in Nordpalästina, alte Festung.
‘Ali — (spr. ‘äli) — männlicher Eigenname; Schwiegersohn Muḥammad’s und vierter Kalif.
Alláh-u-Abhá — (spr. ällahuäbhä) — „Gottes Herrlichkeit“, der „Große Name“ der Bahá’í.
Amír — (spr. ämir) — Fürst, Emir.
Anzalí — (spr. änsäli) — persische Hafenstadt am Kaspischen Meer.
Áqá — (spr. äkhä) — „Meister“, „Herr“; Titel, von Bahá’u’lláh an ‘Abdu’l-Bahá verliehen.
Agdas — (spr. äkhdäß) — „Gesetze“.
A’zam — (spr. ä'säm) — „der Größte“, männlicher Eigenname.
‘Azíz — (spr. ‘äsis) — männlicher Eigenname.
Báb — (spr. bāb) — „Tor“, geistiger Name von Mírzá ‘Alí Muḥammad nach Seiner Erklärung 1844.
Bábu’l-Báb — (spr. bābulbāb) — „Tor des Tores“; Beiname des Mullá Ḥusayn.
Baghdád — (spr. bäghdád) — Hauptstadt des ‘Iráq.
Bahá — (spr. bähá) — „(geistiges) Licht“, „Herrlichkeit“.
Bahá’í — (spr. bähá-i)— „Einer vom Licht“, „Kind des Lichtes“.
Bahá’u’lláh — (spr. bäháolláh) — „Licht Gottes“, „Herrlichkeit Gottes“; geistiger Name von Mírzá Ḥusayn ‘Alí Núrí nach Seiner Erklärung 1865.
Bahíyyih — (spr. bähíjeh) — Schwester 'Abdu’]-Bahá’s, das „Größte Heilige Blatt“ genannt.
Bahjí — (spr. bähdschi) — Anwesen und Grabmal Bahá’u’lláh’s unweit 'Akká.
Bayán — (spr. bäján) — „Erklärung“; Titel, den der Báb seinen Schriften gab.
Big — (spr. bej) — Ehrentitel.
Bismi’lláh — (spr. bißmilláh) — „im Namen Gottes“.
Búshihr — (spr. būschehr) — Hafenstadt am Persischen Golf.
Chihríq -- (spr. tschehríkh) — Feste, Gefängnis des Báb in Ádhírbáyján.
Farmán — (spr. färmán) — „Befehl“; Erlaß des Schah.
Fárs — (spr. farß) — Ältester Teil Persiens (daher der Name), Hauptstadt Shíráz.
Fatḥ-‘Alí — (spr. fäthh-'äli) — Schah, regierte 1798 - 1834.
Firdawsí — (spr. firdôußi) — großer persischer Dichter im 10. Jahrhundert n. Chr.
Ḥadith — (spr. hhädiß) — „Legende“, die kanonische Überlieferung über Muḥammad.
Ḥaḍrat — (spr. hhäsrät) — „Hochwürden“, „Hoheit“; Titel.
Ḥájí — (spr. hhádschi) — Titel eines Mohammedaners, der nach Mekka gewallfahrtet war.
Ḥasan — (spr. häßän) — „schön“; männlicher Eigenname.
Ḥaẓíratu'l-Quds — (spr. hhäsíratolkhodß) — Verwaltungsgebäude und Versammlungshaus der Bahá’í.
Ḥusayn — (spr. hhußäjn) — sprachverwandt mit Ḥasan; männlicher Eigenname.
Imám — (spr. imám) — Titel der zwölf schiitischen Nachfolger des Propheten; später auch auf andere mohammedanische religiöse Führer ausgedehnt.
Iqán — (spr. ikhan) — „Gewißheit“.
Irán — (spr. iran) — Persien.
‘Iráq — (spr. ‘erákh) — Mesopotamien.
Iṣfahán — (spr. eßfahan) — Stadt im inneren Persiens — frühere Hauptstadt.
‘Ishqábád — (spr. ‘eschkhabad) — Stadt in Russisch-Turkmenistan, wo der älteste Bahá’í-Tempel steht.
Ishráqát — (spr. eschrakhat) — „Glanz"; Tablet Bahá’u’lláh’s.
Islám — (spr. eßlám) — muhammedanische Religion.
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Ka’bih — (spr. ka’beh) — der heilige Grabstein in Mekka.
Kamál — (spr. kämál) — „Vollkommenheit“; männlicher Eigenname.
Karbilá — (spr. kärbelá) — Stadt im ‘Iráq, Wallfahrtsort und theologisches Zentrum der Schiiten.
Khán — (spr. chán) — „Edelmann“; persischer Titel.
Khánum — (spr. chánom) — „Edelfrau”; weiblicher persischer Titel.
Khurásán — (spr. chorāßán) — Provinz im Nordosten Persiens.
Kitáb — (spr. ketáb) — „Buch“.
Kurdistán — (spr. kordeßtan) — Landschaft im persisch-türkisch-syrischen Grenzgebiet.
Madrisih — (spr. mädreßeh) — religiöse Schule.
Máh-Kú — (spr. máhkū) — Feste, Gefängnis des Báb in Ádhírbáyján.
Maḥmúd — (spr. mähhmud) — männlicher Eigenname.
Mashhad — (spr. mäschhäd) — Hauptstadt der persischen Provinz Khurásán, Wallfahrtsort.
Mashriqu'l-Adhkár — (spr. mäschrekhuläskar) — „Aufgang des Lobpreises (Gottes)“, Bahá’í-Tempel.
Mázindarán — (spr. masendärán) — Persische Provinz am Kaspischen Meer.
Mihdí — (spr. mehdi) — Titel der vom Islam erwarteten Gottesoffenbarung.
Mírzá — (spr. mirsa) — Titel; vor dem Namen: „Herr“; hinter dem Namen: „Prinz“.
Mu’dhdhin — (spr. moäsin) — Der Gebetsausrufer.
Muḥammad— (spr. mohämäd) — Prophet, Stifter des Islám, 570—632.
Mujtahid — (spr. modschtahéd) — mohammedanischer geistlicher Rechtsgelehrter.
Mullá — (spr. molla — mohammedanischer Geistlicher.
Munírih — (spr. monireh) — weiblicher Eigenname; Frau ‘Abdu’l-Bahá’s.
Nabíl — (spr. näbil) — „edel“, „gebildet“; männlicher Eigenname. Jünger Bahá’u’lláh’s.
Najaf — (spr. nädschäf) — Wallfahrtsort im ‘Iráq.
Náṣiri'd-Din — (spr. náßeredin) — Schah, regierte 1848—1896.
Naw-Rúz — (spr. nôurús) — „neuer Tag“; Neujahrstag der Bahá’í.
Núr — {spr. nur) — „Licht“; Heimatstadt Bahá’u’lláh’s unweit Ṭihrán.
Qáḍí — (spr. khasi) — Richter.
Qá’im — (spr. kháem) — „der sich erheben wird“; mohammedanischer Titel des Verheißenen.
Qazvín — (spr. khäsvin) — Stadt in Nordwestpersien.
Qiblih — (spr. khibleh) — Gebetsrichtung.
Quddús — (spr. khodúß) — Jünger des Báb.
Qum — (spr. khom) — Stadt in Mittelpersien.
Qur’án — (spr. khorán) — das offenbarte Buch Muḥammad’s.
Qurratu’l-'Ayn — (spr. khorätol’ájn) — „Augentrost“, Beiname von Táhirih, Jüngerin des Báb.
Ramaḍán — (spr. rämäsan) — mohammedanischer Monat.
Riḍván — (spr. riswan) — „Paradies“; Garten bei Baghdád, wo sich Bahá’u’lláh erklärte.
Shaykh — (spr. shäjch) — Stammeshaupt, Führer.
Shiráz — (spr. schiras) — Stadt im inneren Persien, Hauptstadt von Fárs, wo der Báb geboren wurde und sich erklärte.
Siyyid — (spr. ßejid) — Nachkomme des Propheten.
Ṣúfí — (spr. ßúfi) — mohammedanischer Mystiker.
Súrih — (spr. ßúreh) — Kapitel im Qur’án.
Tabríz — (spr. täbris; — Hauptstadt von Ádhírbáyján, wo der Báb den Märtyrertod erlitt.
Táhirih — (spr. táhereh) — „rein“, „heilig“, weiblicher Eigenname.
Tajallíyát — (spr. tädschäliját) — „Lichtstrahlen“; Tablet Bahá’u’lláh’s.
Tarázát — (spr. tärāsát) — „Schmuck“; Tablet Bahá’u’lláh’s.
Ṭihrán — (spr. tehran) — Hauptstadt Persiens.
Yazd — (spr. jäsd) — Stadt in Mittelpersien.
Einige wenige andere orientalische Worte, wie Kalif, Wesir, Sunniten, Mohammedaner,
Schiiten, Mekka, Kairo, Sultan, Schah u. a., sind im Laufe der Jahrhunderte so
verdeutscht in unseren Sprachschatz übergegangen, daß sie für eine Umschrift nach einem
internationalen System kaum mehr in Betracht kommen. Wir pflegen daher in unseren
Bahá’í-Texten die bei diesen Namen schon längst einheitlich eingebürgerte Schreibweise
zu belassen.
In der „Sonne der Wahrheit“ finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Alle auf den Inhalt der Zeitschrift bezüglichen Anfragen, ferner schriftliche Beiträge wie auch alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften sind an Dr. Eugen Schmidt, Stuttgart W, Reinsburgstraße 198, zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sind an die Verlagsabteilung des Nationalen Geistigen Rats der Bahá’í in Deutschland und Österreich e. V., Stuttgart, Alexanderstr. 3 (Nebengebäude) zu richten. — Alle Zahlungen sind zu leisten an den Nationalen Geistigen Rat der Bahá’í in Deutschland und Österreich e. V., Stuttgart, Alexanderstraße 3 (dessen Postscheckkonto Nr. 19340 Amt Stuttgart). — Alle Rechte vorbehalten. Copyright by Verlagsabteilung des Nationalen Geistigen Rats der Bahá’í in Deutschland und Österreich e. V., Stuttgart. — Druck von J. Fink, Hofbuchdruckerei, Stuttgart.
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