Sonne der Wahrheit/Jahrgang 16/Heft 10/Text
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| SONNE DER WAHRHEIT | ||
| Organ der Bahá’í in Deutschland und Öesterreich | ||
| Heft 10 | 16. Jahrgang | Dezember 1936 |
Die Bahá’í-Lehre,[Bearbeiten]
die Lehre Bahá’u’lláhs erkennt in der Religion die höchste und reinste Quelle allen sittlichen Lebens.
Die Ausdrucksformen des religiösen Lebens des Einzelnen, ganzer Völker und Kulturkreise haben im Laufe der Geschichte entsprechend den jeweils anderen Verhältnissen und dem Wachstum des menschlichen Erkenntnisvermögens Wandlungen erfahren. Die äußeren Gesetze und Gebote aller Weltreligionen entsprachen immer den entwicklungsgeschichtlich gegebenen Erfordernissen in bezug auf den Einzelnen, die soziale Ordnung und das Verhältnis zwischen den Völkern. Alle Religionen beruhen aber auf einer gemeinsamen, geistigen Grundlage. „Diese Grundlage muß notwendigerweise die Wahrheit sein und kann nur eine Einheit, nicht eine Mehrheit bilden.“ ('Abdu'l-Bahá.) „Die Sonne der Wahrheit ist das Wort Gottes, von dem die Erziehung der Menschen im Reich der Gedanken abhängig ist.“ (Bahá’u’lláh.) Alle großen Religionsstifter waren Verkünder des Wortes Gottes entsprechend der Fassungskraft und Entwicklungsstufe der Menschen. Das Wesen der Religion liegt darin, im Bewußtwerden der Abhängigkeit des Menschen von der Wirklichkeit Gottes Seine Offenbarer anzuerkennen und nach Seinen durch sie übermittelten Geboten zu leben.
Die Bahá’i-Lehre bestätigt und vertieft den unverfälschten und unwandelbaren Sinn und Gehalt aller Religionen von neuem und zeigt darüber hinaus die kommende Weltordnung auf, welche die geistige Einheit der Menschheit zur Voraussetzung haben wird. Die in ihr zum Ausdruck kommende Weltanschauung steht mit den Errungenschaften der Wissenschaft ausdrücklich in Einklang.
Die Lehre Bahá’u’lláhs enthält geistige Grundsätze und Richtlinien für eine harmonische Gesellschafts-, Staats- und Wirtschaftsordnung. Sie beruhen auf dem Gedanken der natürlich gewachsenen, organischen Einheit jedes Volkes und der das Völkische übergreifenden geistigen Einheit der Menschheit. Den Interessen der Volksgemeinschaft sind die Sonderinteressen des Einzelnen unterzuordnen, denn nur die Gesamtwohlfahrt verbürgt auch das Wohl des Einzelnen.
Wie jede Religion, so wendet sich auch die Bahá’i-Lehre an die Herzensgesinnung des Menschen, um die religiösen Kräfte in den Dienst wahren Menschentums zu stellen. Sie erstrebt die Höherentwicklung der Menschheit mehr durch die Selbsterziehung des Einzelnen als durch äußerlich-organisatorische Maßnahmen. Der Bahá’i hat sich daher über seine ernst aufgefaßten staatsbürgerlichen Pflichten hinaus nicht in die Politik einzumischen, sondern sich zum Träger der Ordnung und des Friedens im menschlichen Gemeinschaftsleben zu erheben. Bahá’u’lláhs Worte sind: „Es ist euch zur Pflicht gemacht, euch allen gerechten Regenten ergeben zu zeigen und jedem gerechten König eure Treue zu beweisen. Dienet den Herrschern der Welt mit der höchsten Wahrhaftigkeit und Treue. Zeiget ihnen Gehorsam und seid ihre wohlwollenden Freunde. Mischt euch nicht ohne ihre Erlaubnis und Zulassung in politische Dinge ein, denn Untreue gegenüber dem Herrscher ist Untreue gegenüber Gott selbst.“
Bahá’u’lláh weist den Weg zu einer befriedeten, im Geiste geeinigten Menschheit. Ein alle Staaten umfassender Bund in ihrer Eigenart entwickelter und unabhängiger Völker auf der Grundlage der Gleichberechtigung, ausgestattet mit völkerrechtlichen Vollmachten und Vollstreckungsgewalten gegenüber Friedensstörern, soll die übernationalen Interessen aller Völker der Erde in völliger Unparteilichkeit und höchster Verantwortung wahrnehmen. Zwischenstaatliche Konflikte sind durch einen von allen Staaten beschickten Weltschiedsgerichtshof auf friedlichem Wege beizulegen.
Die geistige Wesensgleichheit aller Menschen und Völker erheischt einen organischen Aufbau der sozialen Weltordnung, in der jedem seine einzigartige, besondere Eingliederung und Aufgabe zugewiesen ist. Die geographischen, biologischen und geschichtlichen Gegebenheiten bedürfen im Gemeinschaftsleben der Völker immer einer besonderen Beachtung, ohne die sie umschließende Einheit im Reiche des Geistes aus den Augen zu verlieren.
Die Lehre Bahá’u’lláhs „ist in ihrem Ursprung göttlich, in ihren Zielen allumfassend, in ihrem Ausblick weit, in ihrer Methode wissenschaftlich, in ihren Grundsätzen menschendienend und von kraftvollem Einfluß auf die Herzen und Gemüter der Menschen“.
| SONNE DER WAHRHEIT Organ der Bahá’í in Deutschland und Österreich Verantwortlich für die Herausgabe: Dr. Eugen Schmidt, Stuttgart-W, Reinsburgerstraße 198 Schriftleitung: Dr. Adelbert Mühlschlegel, Dr. Eugen Schmidt, Alice Schwarz-Solivo Verwaltung: Paul Gollmer • Begründet von Alice Schwarz-Solivo Preis vierteljährlich 1.80 Reichsmark |
| Heft 10 | Stuttgart, im Dezember 1936 Masá’il — Fragen 93 |
16. Jahrgang |
Inhalt: Nabíl’s Erzählung: Mullá Ḥusayns Reise nach Mázindarán. — Die Erfüllung der Religion. — Unsere Reise nach Haifa (Schluß). — Gottes unaufhörliche Gnade. — Weltkongreß der Religionen.
Die hohe Pflicht des Menschen an diesem Tage ist, zu erreichen, an dem Strom der Gnade teilzunehmen, den Gott für ihn ergießt.
Bahá’u’lláh*)
*) In dieser Zeitschrift, XV, Dezember 1935, Heft 10, S. 74.
Nabíl’s Erzählung[Bearbeiten]
Übersetzung aus „The Dawn-Breakers“, Nabíl’s Narrative of the early days of the Bahá’í Revelation, New York 1932
Aus Kapitel XIV: Mullá Ḥusayns Reise nach Mázindarán
(Kurze Zusammenfassung)
(Fortsetzung)
‘Alí Khán lud Mullá Ḥusayn herzlich ein, vor seiner Abreise noch einige Tage als Gast
in seinem Hause zu verbringen. Auch wollte er ihm nach Möglichkeit bei der Reise behilflich
sein. Mullá Ḥusayn lehnte jedoch freundlich ab.
Wie der Báb ihm befohlen hatte, hielt er sich auf dem Wege nach Ṭihrán in vielen einzelnen Dörfern und Städten auf, wo er die Gläubigen ermutigte und ermahnte. In Ṭihrán hatte er erneut den Vorzug, Bahá’u’lláh zu begegnen und von ihm geistige Kraft für seinen letzten und schwersten Lebensabschnitt mit auf den Weg zu erhalten.
In der Provinz Mázindarán angekommen, begab sich Mullá Ḥusayn zunächst nach Bárfurúsh, wo er Quddús besuchte, der dort schon einige Zeit wieder in seines verstorbenen Vaters Hause wohnte und wegen seiner hervorragenden Eigenschaften hoch geachtet war, Er wurde dort sehr liebevoll und ehrerbietig aufgenommen und gleich am Tage seiner Ankunft von vielen Gläubigen besucht.
Als sie spät abends wieder allein waren, wandte sich der junge Gastgeber an Mullá Ḥusayn
mit der Bitte, ihm von seinen ganz persönlichen Erlebnissen mit dem Báb in
Máh-Kú zu berichten. Dieser erzählte nun, und zuletzt besonders auch noch dies, wie ihm
der Báb beim Abschied den Weg der Weiterreise vorgeschrieben hatte, und daß er von
Ṭihrán aus nach Mázindarán weiterreisen solle, wo ihm „Gottes verborgener Schatz gezeigt"
werde, der ihm seine weiteren Ziele weisen werde. Voll eifriger Erwartung sei er darum
in diese Gegend gekommen. Die letzten Worte des Báb an ihn seien gewesen: „Das
Fest des Opfers ist nahe herbeigekommen. Erhebe dich und gürte deine Lenden mit
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Eifer und lasse nichts dich davon abhalten, dein Schicksal zu erfüllen. Hast du aber
erreicht, was dir bestimmt ist, dann bereite dich, Uns zu empfangen. Denn auch Wir werden
dir in kurzem folgen.“
Als Mullá Ḥusayn die Frage, ob er ein Schreiben des Meisters mitgebracht hätte, verneinte, legte Quddús seinem Gast eine Schrift vor. Kaum hatte dieser eine Seite gelesen, als er tief beeindruckt und erregt ausrief: „Ich bin mir klar, daß der Verfasser dieser Worte seine Eingebung von jener Hauptquelle empfangen hat, die unermeßlich hoch über jenen Quellen steht, aus denen das Wissen der Menschen gespeist zu werden pflegt. Ich bezeuge, mit ganzem Herzen die Erhabenheit dieser Worte anzuerkennen und die Wahrheit, die sie offenbaren, ohne Frage anzunehmen.“ Quddús schwieg feierlich. Aber seine Haltung ließ in Mullá Ḥusayn plötzlich die Erkenntnis aufleuchten, daß sein Gastgeber selbst diese Worte geschrieben habe. Ehrerbietig stand er auf, verneigte sich an der Schwelle und erklärte: „Der verborgene Schatz, von dem der Báb gesprochen, liegt nun vor meinen Augen enthüllt. Sein Licht zerstreute das Düster der Verwirrung und des Zweifels. Wenn auch mein Meister jetzt in den Bergfesten von Ádhírbáyján verborgen ist, so stehen doch das Zeichen Seines Glanzes und die Offenbarung Seiner Macht klar vor mir. Ich habe in Mázindarán den Widerschein Seiner Herrlichkeit gefunden.“ Von dieser Stunde an ordnete sich Mullá Ḥusayn, dieser glänzend begabte junge Gelehrte, so reich an Verdiensten und Hoffnungen, in vorbildlicher Selbstlosigkeit Quddús gänzlich unter und blieb bei diesem Vorsatz, treu und ergeben bis zu ihrer beider Tod. Groß war das Erstaunen der Gläubigen am nächsten Morgen, wie sie diese veränderte Haltung gewahrten.
Auf Quddús’ Geheiß verkündete Mullá Ḥusayn die Botschaft des Báb dem Sa'ídu’l-'Ulamá’ und seinen Schülern. Doch wurde dieser verhärtete Feind der Sache auch durch diese feurigen Worte nicht zur Umkehr gebracht.
Sodann verließ Mullá Ḥusayn, immer auf Quddús’ Geheiß, Bárfurúsh und reiste nach Mashhad, wo er Land kaufte und ein Haus baute, das er Bábíyyíh nannte und das dann sofort von Quddús bezogen wurde. Rasch fand sich dort ein starker Zustrom von Besuchern ein und so konnten diese beiden Männer, jeder auf seine Weise, in einmütiger Zusammenarbeit in Mashhad eine Welle der Glaubensbegeisterung entfachen, die sich rasch über die Grenzen der Provinz Khurásán verbreitete.
Ein Weltglaube[Bearbeiten]
Studien aus den Lehren von Bahá’u’lláh
VIII. Die Erfüllung der Religion
Von Bertha Hyde Kirkpatrick1)
„Die Lebenskraft des Gottesglaubens der Menschen ist in jedem Lande im Dahinschwinden.
Nur Seine heilsame Arznei kann sie überhaupt wieder herstellen. Die Zersetzung
der Gottlosigkeit frißt am Lebenskern der menschlichen Gesellschaft. Was anders als
das Wesen Seiner machtvollen Offenbarung kann sie reinigen und wieder beleben?"2)
Diese ergreifenden Worte von Bahá’u’lláh, vor mehr als fünfzig Jahren geschrieben, sind
heute wahrer denn je. Kein denkender Mensch wird heute den Mangel an Lebenskraft
in der Religion leugnen. In einer kürzlich erschienenen Ausgabe des „Christian
Century”3) macht Sekretär Henry Wallace folgende Angabe: „Die Wissenschaft, die
Wirtschaft und der Wohlstand der letzten hundertfünfzig Jahre haben in unseren gebildeten,
wohlhabenden, sogenannten führenden Familien den lebendigen Glauben an
einen unfaßlichen Gott, welcher am Tun der
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Menschen Anteil nimmt, zerstört.“ Er schließt sogar die Geistlichkeit in diesen
Glaubensverfall ein, denn er sagt weiter, „... offenbar hat eine Minderheit Geistlicher
sowohl als Kirchenmitglieder jeglichen lebendigen Glauben an ein zukünftiges Leben oder
an einen unfaßlichen Gott verloren“.
Aber gerade der Mangel an Lebenskraft in der Religion, gerade die Gleichgültigkeit der Mehrzahl der Menschen der Religion gegenüber läßt es denselben Menschen, sogar den nachdenklicheren unter ihnen, unmöglich scheinen, daß die Religion das Heilmittel sein könne, das die Welt heute braucht. Sogar in all dem Chaos und der Verwirrung der Zeiten muß man ehrlich sagen, daß verhältnismäßig wenige die Religion als irgend eine Hilfe ansehen bei der Lösung unserer dringlichen sozialen, wirtschaftlichen, politischen und internationalen Fragen. Heilmittel auf Heilmittel werden vorgeschlagen und versagen, wenn sie versucht werden. Nationale Führer treten auf den Plan, Klassen- und Rassenführer erheben sich, sowohl Arbeit als Kapital haben ihre Führerschaft — mit dem Ergebnis von noch mehr Gegnerschaft und noch mehr Streit und Blutvergießen. Aber es gibt „noch eine Hoffnung“, um E. G. Homrighausen anzuführen; „jene Rettung kann kommen durch die Gedanken und Anstrengungen des Menschen... Es fehlt noch an der Art von Verzweiflung und an dem Geiste der Hilflosigkeit, die nach einer endgültigen Offenbarung suchen, einzig und unumschränkt in ihrem eigenen Recht, wie sie die einzige Hoffnung der Welt ist“4).
Einige wenige gibt es jedoch, die begreifen, daß die Religion, erneuert, lebensstark, kraftvoll, die wirkliche Notwendigkeit und die einzige Hoffnung der Welt von heute ist, und daß in der Vergangenheit, in Zeiten großer Spannung und Gefahr, Gott durch Seinen erwählten Botschafter zur Menschheit gesprochen und den Weg gezeigt hat. Es sind diejenigen — demütige Gläubige der Bibel und anderer heiliger Schriften —, die nach dem Kommen des Verheißenen und nach der Erfüllung der vielen Prophezeiungen, die sie in heiligen Schriften fanden, Ausschau halten, nach dem Tage des Friedens auf Erden, da „die Völker nicht mehr den Krieg lernen“, da Schwerter in Pflugscharen umgewandelt sein werden, da „die Erkenntnis von Gottes Herrlichkeit die Erde bedecken wird“, da das Königreich auf Erden errichtet sein wird, da Gerechtigkeit und Überfluß herrschen werden, da Christus wiederkommen wird, oder da, nach den mohammedanischen Schriften, der Mahdi kommen wird, oder, nach buddhistischer Erwartung, der siebente Buddha.
Bahá’u’lláh spricht heute Seine „große und klare Botschaft“ aber zu einer Welt, die durch Unwissenheit, Aberglaube, Glaubensformeln und Materialismus weit von Gott getrennt und gänzlich in Verwirrung ist. Er erklärt offen, daß Er als ein Gottgesandter, nicht nach Seinem eigenen Willen, spricht, daß Er der Eine ist, der von allen göttlichen Propheten der Vergangenheit verheißen ist, und daß deren Werk nicht zur Vollendung gebracht werden kann, wenn nicht Seine Lehren befolgt werden. Er spricht von diesem neuen Zeitalter, in das wir eintreten, als von dem Tage Gottes, der Zeit, nach der Christus die Menschen ausschauen hieß, wenn Er uns beten lehrte: „Dein Reich komme!“ „Die Zeit, die den Völkern und Geschlechtern der Erde vorherbestimmt war, ist nun gekommen“, sagt Bahá’u’lláh. Und während die Menschen zum größten Teil so von ihren eigenen selbstischen Wünschen in Anspruch genommen sind, daß sie für Seinen Ruf taub und für Seine Schönheit blind sind, gibt es doch überall auf der Welt Menschen, die diesem Ruf entsprechen, die gewiß sind, daß „der König gekommen ist“, und daß Bahá’u’lláh der Träger der Botschaft ist, nach welcher sich heute die Welt sehnt. Sie bezeugen, daß Er auf das vollkommene Heilmittel für eine kranke Gesellschaft hingewiesen hat und daß Er die Herzen der Menschen mit solcher Liebe erfüllt, daß sie sich danach sehnen, dieses Heilmittel anzuwenden. Wenn sie Seine Botschaft studieren, finden sie, daß keine Vision eines Dichters oder eines Sehers der Vergangenheit so hoch ist, kein Begriff von der Erfüllung der Religion so erhaben ist wie das Vorbild, das Bahá’u’lláh für die weltweite Zivilisation von morgen hingestellt hat, daß kein Plan, von einem Menschen versucht oder geträumt, so allumfassend, so erstaunlich, so richtig und doch so ausführbar, so vernünftig und so antreibend ist.
Wie wir in den vorhergehenden Aufsätzen
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dieser Folge gesehen haben, begründet Bahá’u’lláh die Einheit der Menschheit, die
Einheit aller göttlichen Propheten und die Einheit ihrer Botschaft. Diese Botschaft, die
alle Propheten Gottes bringen, hat zwei Gesichtspunkte. „Wenn Gott Seine Propheten
zu den Menschen sendet, so ist Seine Absicht zwiefach. Die erste ist, die Menschenkinder
aus der Finsternis der Unwissenheit zu befreien und sie zum Lichte wahrer Einsicht zu
führen. Die zweite ist, den Frieden und die Ruhe der Menschheit zu sichern und alle die
Mittel zu schaffen, durch welche sie begründet werden können5).“ Erstens gewinnt
und erleuchtet Er die Herzen der Menschen, und zweitens gibt Er Maßstäbe und Gesetze für
das Gemeinschaftsleben, für friedliche und ruhige Beziehungen mit unseren Nachbarn.
Man erinnere sich, daß auch Christus sagte, daß das ganze Gesetz und all die Propheten
in zwei Dingen liegen: Das erste, kurz gesagt, das Gebot, Gott zu lieben von ganzem
Herzen, von ganzem Gemüte und von ganzer Seele, und das zweite, seinen Nachbarn wie
sich selbst zu lieben. Das erste betrifft den Einzelmenschen, das zweite die Gesellschaft.
So richtet Bahá’u’lláh Seinen großen Ruf an die Herzen der Menschen. Gott sehnt sich nach den Menschenherzen, sie nur verlangt Er. „O Sohn des Staubes! Mit Ausnahme des menschlichen Herzens, welches Ich als Wohnstätte für Meine Schönheit und Herrlichkeit bestimmte, habe Ich alle Dinge im Himmel und auf Erden für dich verordnet6).“ „O Menschensohn! Dich zu erschaffen machte Mir Freude; daher erschuf Ich dich. Liebe Mich, damit Ich deinen Namen nenne und deine Seele mit dem Geiste des Lebens erfülle7).“ Diesen Ruf nach einer Wiedergeburt der lebendigen, kräftespendenden Gottesliebe im Herzen der Menschen machte Bahá’u’lláh durch Sein eigenes Leben lebendig wirksam. Die, welche die Geschichte Seines Lebens lesen, wissen, daß es ein Leben völliger Aufopferung war. So können wir sowohl aus Seinem Gebot als auch aus Seinem Beispiel erkennen, was Liebe zu Gott und was Liebe zum Menschen bedeutet. Diejenigen, die unter Seinen Einfluß kamen, vergaßen ihre kleinen und großen Streitigkeiten, sogar rassische und religiöse, und sammelten sich um Bahá’u’lláh in einer neuen Bruderschaft. Von dieser neuen Liebe begeistert, waren sie sogar bereit, alles, selbst ihr Leben, zu opfern.
Aber während der eigentliche Ruf von Bahá’u’lláh, gleicherweise wie der von Christus und Buddha und all den göttlichen Propheten, an die Herzen der Menschen gerichtet war, so war doch Seine Botschaft sehr deutlich eine soziale und allumfassende. Immer hat die Religion ihren sozialen Gesichtspunkt gehabt, ihren Hinblick auf die Mitmenschen, immer ist sie in ihrer Jugend ein großer Einiger gewesen; aber nun ist es für den Propheten Gottes zum ersten Male möglich gewesen, zu zeigen, wie das Gesetz der Liebe erweitert werden kann, um die ganze Menschheit einzuschließen. Bahá’u’lláh hat Seinen großen Grundsatz der Einheit der Menschheit aufgestellt und zeigte uns, wie wir ihn anwenden müssen, um allen Menschen Gerechtigkeit zu bringen und die ganze Menschheit in einer Weltgemeinschaft zu umfassen. Der heutige Verkehr hat die Welt physisch geeinigt; der heutige Handel und die Industrie haben alle Länder voneinander abhängig gemacht. Sogar der Krieg, eines der letzten Zeichen einer sterbenden Zeit, kann nicht geführt werden, ohne die Abhängigkeit der Völker untereinander aufzuzeigen. All dies sind äußere Zeichen der Welteinheit. Geistige Einheit fehlt noch, und diese kann nur erlangt werden durch die Wiederaufrichtung des Glaubens an Gott und durch Gehorsam gegen Seine Gebote. Dies ist das wirksame Heilmittel, das Bahá’u’lláh der Welt von heute eingibt. „Das Wohl des Menschengeschlechtes, sein Friede und seine Sicherheit, werden nicht erreicht, wenn nicht und bis nicht seine Einigkeit fest gegründet ist. Diese Einigkeit kann nie erlangt werden, solange die Ratschläge, welche die Feder des Höchsten geoffenbart hat, unbeachtet gelassen werden8).“
Das erste äußere Zeichen dieser Welteinheit wird eine für den Frieden geordnete
Welt sein. Frieden ist die anerkannte Notwendigkeit der Welt von heute. Ohne eine
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Weltordnung, ohne eine geeinte Welt mit einer zentralen Regierung und einem Gerichtshof,
der von allen, großen wie kleinen Nationen angenommen ist, kann kein dauernder
Frieden begründet werden. Bahá’u’lláh sah diese Notwendigkeit voraus und plante
dafür Sein universales Haus der Gerechtigkeit. Dieses wird wirkliche Macht haben,
Streitigkeiten zu schlichten, die ihm von allen Nationen anvertraut würden, ohne daß sich
eine zurückhielte. Gleichzeitig werden alle Nationen übereinkommen abzurüsten; nur
eine hinlänglich starke Polizeimacht wird zurückbehalten werden, um die Ordnung in
den Nationen und in der Welt zu sichern.
Bevor wir solch eine Organisation vervollkommnen können, müssen wir aber notwendigerweise übermäßigen nationalen Stolz, irgend welche Ansprüche auf angeborene rassische Überlegenheit oder Klassenherrschaft aufgeben. Mit andern Worten, wir müssen uns so der Einheit der Menschheit bewußt werden, daß wir nichts für unser eigenes Volk wünschen, was wir nicht für alle Völker wünschen. Wenn die gelbe, schwarze oder weiße Rasse die guten Dinge dieser Welt hat, dann darf dies nicht auf Kosten irgend einer anderen Rasse sein. Wenn die Klasse der Kapitalisten Geld anhäuft, dann darf dies nicht durch Ausbeutung der Arbeiterklasse geschehen. Alle sind Kinder Gottes, und Gottes Freigebigkeit gilt allen und ist für alle genügend.
Den Grundsatz der Einheit des Menschengeschlechtes in die wirkliche Praxis zu übernehmen, bedeutet, außer einer Weltautorität, Beschäftigung für alle, „kein müßiger Reicher und kein müßiger Armer“, Gerechtigkeit sowohl dem Kapital als der Arbeit gegenüber, Erziehung für alle. Als eine wichtige Hilfe zur Verständigung zwischen den verschiedenen Völkerschaften und als ein Mittel, Erziehung und Reisen zu erleichtern, tritt Bahá’u’lláh für eine übernationale Hilfssprache ein. Er erklärt auch die Gleichheit der Geschlechter, daß sie gleiche Möglichkeiten, Rechte und Vorrechte haben müssen. Zwischen Wissenschaft und Religion besteht kein Widerspruch, sagt Bahá’u’lláh; beide sind der Ausdruck der Wahrheit, und Wahrheit gibt es letztlich nur eine. Bahá’u’lláh preist den heutigen Fortschritt, Gelehrsamkeit, wissenschaftliche Forschung und Erfindergeist; denn der Geist, das Erkenntnisvermögen des Menschen, ist Gottes größte Gabe für den Menschen und sollte aufs äußerste entwickelt werden. So kommt der Mensch der Erfüllung seiner Bestimmung näher, denn „alle Menschen sind erschaffen worden, um eine immer fortschreitende Zivilisation weiter zu tragen9)“. Der Verstand sollte jedoch immer zu dem Ziele gebraucht werden, das zu schaffen, was der Menschheit zum Segen dient. Daß der Mensch seinen Verstand oder seine Erfindungsgabe dazu gebrauchen sollte, zerstörende oder auch nur nutzlose Dinge zu schaffen, widerspricht dem wahren Adel des Menschen.
Erziehung ist in Bahá’u’lláh's Plan der Dinge höchstwichtiges; die Kinder sollten aber darin unterrichtet werden, was dem Fortschritt des Menschen dienlich ist, und nicht in solchen Gegenständen, die „nur mit Worten beginnen und mit Worten endigen.“ Erziehung wird als ein Hauptmittel zur Einigung gebraucht werden. Geschichte und Literatur werden nicht verdreht werden, um eine Rasse oder Nation einer anderen niedrig oder hoch erscheinen zu lassen. Den Notwendigkeiten jeglichen Grades von Verstand, Geschicklichkeit und Interesse wird so entsprochen werden, daß jeder Einzelne sich bis zur höchsten Stufe seiner Fähigkeit entwickeln kann.
Bahá’u’lláh hat gewisse wirtschaftliche und steuerliche Regelungen vorgesehen, die allen Gerechtigkeit widerfahren lassen werden, ein Mittel zum Lebensunterhalt für alle, und die es unmöglich machen werden, daß einige sich große Güter anhäufen, während andere des Lebensnotwendigen beraubt sind. Vermögen ist jedoch nicht verboten. Das Wirtschafts-, Gesetz- und Münzsystem wird über die ganze Welt hin verbreitet werden. Im Plan von Bahá’u’lláh besteht kein Bestreben, alle Klassen und Völker zu einer eintönigen Gleichheit und Einförmigkeit herabzuwürdigen. Verschiedenheit in Geschmack, Beschäftigung und Gebräuchen ist wünschenswert und notwendig für eine wohlgeordnete Welt, für Schönheit, Glück und Zufriedenheit.
Es wird eine Weltreligion geben und diese wird mit ihren sittlichen und geistigen
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Geboten in den Schulen gelehrt werden. Kein Streit verschiedener Glaubensbekenntnisse
wird dies verhindern. Die Religion wird in der Tat der große Einiger sein und so
lebendig, daß sie die Grundlage für die Regierung und die Arbeit sein wird. Menschen von
hoher geistiger Bildung und Weisheit werden für öffentliche Stellungen gewählt werden. Es
wird keine Berufsgeistlichkeit geben; der Gottesdienst wird ohne Gepränge und
festgebildete Zeremonie abgehalten. Das Andachtshaus wird der Mittelpunkt jeder
Gemeinde sein, und rundherum werden Schulen und Einrichtungen zur Fürsorge für
Waisen, Alte und allerlei Unglückliche gruppiert sein.
„Die Bahá’í-Gemeinde wird ein Bienenstock der Tätigkeit und Zusammenarbeit sein. Geselliger Verkehr und festliche Versammlungen werden gefördert. Es gibt keine Außenseiter. Alle nehmen an dem schlichten gebräuchlichen Leben der Menschheit teil. Heirat wird anempfohlen und als zur höchsten geistigen Bildung gehörend, ja ihr dienlich erwiesen — alle drei großen Vorbilder, Bahá’u’lláh, der Báb, ‘Abdu’l-Bahá, waren verheiratet. Es gibt weder Müßiggänger noch Schmarotzer. Jedermann muß ein Geschäft oder einen Beruf irgendwelcher Art haben, und Arbeit, verrichtet im Geiste des Dienstes an der Allgemeinheit, wird von Gott als eine Tat des Gottesdienstes an Ihm angenommen10).“
Wie kann es möglich sein, fragen manche, daß solch eine Zeit des Friedens und der Gerechtigkeit so nahe ist? Überall um uns sehen wir Zeichen von wachsender Ungerechtigkeit, von Kampf und Streit. Verwirrung umgibt uns; Regierungen entstehen plötzlich und vergehen; darniederliegende Geschäfte mit daraus folgender Arbeitslosigkeit, Leiden und Unterdrückung im Überfluß. Kriege dauern fort und Gerüchte von noch größeren Kriegen sind zu hören. Naturkatastrophen — Überschwemmungen, Erdbeben, Stürme, Dürren — verursachen unsagbare menschliche Not.
Zerstörende Kräfte sind fürwahr vor Augen. Zweifellos müssen die alte Ordnung und die abgenützten Einrichtungen sich selbst vernichten, bevor die neuen ihren Platz einnehmen können. Dies steht auch im Einklang mit den heiligen Büchern, die in machtvoller Sprache die Zeiten der Trübsal schildern, die der Zeit des Friedens unmittelbar vorangehen. Bahá’u’lláh sieht von dem Zeitabschnitt der Zerstörung nicht ab. Vom Beginn Seines Lehrens an warnte Er wiederholt vor dem Unheil, das sicherlich komme, wenn die Völker und Herrscher beharrlich so grenzenlos viel Geld für Armeen und Munition verwenden würden.
Besonders in Seinen Briefen an verschiedene Herrscher in Europa und Asien gab Er diese Warnungen. Er sandte Briefe an den Schah von Persien, den Sultan der Türkei, den Zaren von Rußland, den Papst, den König von Preußen, Napoleon III., Königin Viktoria und die Präsidenten der amerikanischen Republiken. In ihnen ermahnte Er mit Nachdruck die Herrscher, sich ihrer hohen Verantwortung für das Wohl und Glück ihrer Untertanen bewußt zu sein, und sagte Unglück voraus, wenn sie selbstischen Ehrgeiz ihre Beweggründe beherrschen ließen. Einige dieser Voraussagungen haben sich bereits erfüllt, wie z. B. die Napoleon III., den Sultan und den Schah betreffenden. Andere unglückliche Voraussagungen werden sich noch erfüllen, anscheinend in nicht ferner Zeit.
Aber der Schwerpunkt der Lehre von Bahá’u’lláh war immer in den „Frohen Botschaften“
der neuen Zivilisation, die bereits auf dem Fundament, das Er legte, Stufe um
Stufe emporwächst. Das „Buch Aqdas“ enthält einzeln verzeichnete Gesetze und
Anordnungen, welche die Grundlage der neuen Weltordnung sein werden. Viele dieser sind
auch in einigen Seiner kürzeren Schriften enthalten. Er läßt uns nicht im Zweifel, daß
diese höhere Art von Zivilisation den Sieg davontragen wird. Dafür ist ja der Mensch
erschaffen worden, und was Gott verordnet hat, muß eintreffen. Der Mensch hat nun den
Punkt in seiner geistigen Entwicklung erreicht, wo er unter der Führung Gottes fähig
ist, eine würdige Zivilisation zu entfalten. Bahá’u’lláh erinnert den Menschen beständig
an seine verborgenen Möglichkeiten und ermahnt ihn dringend, zu den Höhen aufzusteigen,
für welche er erschaffen wurde. Dies ist die Zeit, nach welcher sich das ganze
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Menschengeschlecht gesehnt hat, „da es sich vielleicht erfüllen möge, was seiner Stufe wohl
geziemt und seiner Bestimmung würdig ist.“ Nach den Worten von Shoghi Effendi ist die
Menschheit nun in der Morgendämmerung angelangt vor „der Vollendung des ganzen
Verlaufes menschlicher Entwicklung“.
Wir möchten erwarten, daß solch eine Vollendung menschlicher Entwicklung von langer Dauer wäre, und Bahá’u’lláh versichert uns dessen. Unser Teil ist, Sein Heilmittel für die gegenwärtigen Zustände anzunehmen, zum „Glauben an Gott und Seine Religion“ zurückzukehren und, gehorsam Seinem Befehle, die Weltgemeinschaft auf der Grundlage der Einheit des Menschengeschlechts aufzubauen. „Dies ist der gerade Pfad“, spricht Er, „der feste und unbewegliche Grund. Was immer auf diesem Grund errichtet ist, dessen Macht können Glück und Wandel der Welt niemals vermindern, noch wird der Umschwung zahlloser Jahrhunderte seinen Bau untergraben11)."
Während die herrlichen Möglichkeiten dieser neuen Zivilisation gegenwärtig sogar jenseits unserer Vorstellung sind, bekräftigt Bahá’u’lláh, daß nichts ihr Eintreten verhindern könne. Er sagt: „Die Höhen, die der sterbliche Mensch an diesem Tage durch Gottes gnädigste Gunst erreichen kann, sind bis jetzt seiner Sicht noch nicht enthüllt. Die Welt des Seins hat für eine solche Offenbarung nie die Fassungskraft gehabt, noch hat sie sie schon heute. Der Tag jedoch ist nahe, da die Möglichkeiten einer solch großen Gunst kraft Seines Befehls den Menschen offenbar werden. Obwohl die Kräfte der Nationen sich gegen Ihn verschworen haben, obwohl die Könige der Erde sich verbündet haben, Seine Sache zu untergraben, wird die Kraft Seiner Macht unerschüttert dastehen. Er spricht wirklich die Wahrheit und ruft die ganze Menschheit zusammen auf den Weg dessen, welcher der Unvergleichliche ist, der Allweise12).“
1) Entnommen und ins Deutsche übertragen aus
„World Order“, April 1936, Bd. 2, Nr. 1.
2) „Gleanings from the Writings of Bahá’u’lláh“, S. 200.
3) 29. Januar 1936.
4) „World Tommorrow“, 29. März 1934.
5) „Gleanings from the Writings of Bahá’u’lláh“, S. 79.
6) „Verborgene Worte“ von Bahá’u’lláh, persisch, 27.
7) „Verborgene Worte“ von Bahá’u’lláh, arabisch, 4.
8) „Gleanings from the Writings of Bahá’u’lláh“, S. 286.
9) „Gleanings from the Writings of Bahá’u’lláh“, S. 215.
10) „The Promise of All Ages“, von Christophil, S. 196.
11) Gleanings from the Writings of Bahá’u’lláh“, S. 215.
12) Gleanings from the Writings of Bahá’u’lláh“, S. 214.
Unsere Reise nach Haifa[Bearbeiten]
Tagebuchblätter von Alice Schwarz-Solivo.
(Schluß)
Husayn Rabbani führte uns dann noch zu dem neu angelegten Bahá’í-Friedhof, wo auch Dr. Esslemont begraben liegt. Dieser Friedhof ist ziemlich entfernt von der Stadt selbst, auf einem leicht ansteigenden Hang angelegt. Darauf folgte eine Fahrt durch die neue jüdische Kolonie in ganz modernem Baustil, teilweise mit sehr großen Bauten.
Es war Besuch bei Shoghi Effendi gemeldet worden und ich fürchtete, daß das letzte Zusammensein mit ihm durch einen Fremden gestört werden möchte. Dieses letzte Beisammensein hinterließ einen tiefen Eindruck bei mir. Shoghi Effendi begrüßte uns wieder aufs herzlichste. Im Laufe des Gesprächs entschuldigte ich mich, daß ich so außerordentlich selten an Shoghi Effendi schriebe. Er sagte: „Sie sind vorbildlich“, wandte sich dann an die übrigen Anwesenden und sagte freundlich lächelnd: „Aber ich freue mich immer, wenn ich Briefe von den deutschen Bahá’í erhalte.“
Über Bahá’u’lláh’s Leben sagte Shoghi Effendi: „Die letzten zwölf Jahre Seines Lebens verbrachte Bahá’u’lláh in Bahjí. Das größte heilige Buch, Kitáb-i-Aqdas, wurde in dem Hause in 'Akká, in dem Er acht Jahre als Gefangener lebte, verfaßt!“ Das Tablet an den „Sohn des Wolfs“ war das letzte Werk Bahá’u’lláh’s.
Über das Buch von Dr. Esslemont1) sagte Shoghi Effendi, daß es in 55 Sprachen
übersetzt sei, worauf ich die Bemerkung machte, wie glücklich er sein würde, dies zu
wissen, worauf ich die Antwort erhielt: „Sei gewiß, er weiß dies bestimmt.“ Dieses Buch
„Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter“ ist wie auch die „Verborgenen Worte“ in
Blindenschrift übertragen.
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„Die Prophezeiungen von Jesaja gehen jetzt in Erfüllung, sie bezogen sich nicht auf Christus. 2500 Jahre sind seit jenen Prophezeiungen dahingegangen und nun werden sie sich im Reiche Bahá’u’lláh’s erfüllen. Die Länder, welche die größte Zukunft haben, sind Amerika und Deutschland.“ Shoghi Effendi sagte, daß er die Deutschen so sehr liebe, weil ‘Abdu’l-Bahá sie so hochschätzte und sie so sehr ins Herz geschlossen hatte.
„Die Verwaltung2) ist jetzt erklärt, verstanden und ihr Grund ist gelegt. Es ist jetzt das Allerwichtigste, den Bahá’í-Geist zu pflegen. Der Bahá’í-Geist muß wie eine Flamme lebendig und wirksam in euch sein.“
Dann überreichte uns Shoghi Effendi eine wundervolle Handarbeit, eine seidene, gestickte Decke und sagte, man möchte diese einem künftigen Archiv einverleiben. Ebenso gab er uns für jeden den schön ausgeführten, von dem berühmten Kalligraphen Michgin Galam gezeichneten „Großen Namen“.
Und nun kam ein ergreifender Augenblick. Shoghi Effendi zeigte uns das Testament von Bahá’u’lláh und ‘Abdu’l-Bahá. In einer runden Blechkapsel, mit Leinwand überzogen und mit Siegeln versehen, waren die Dokumente aufbewahrt. Das Testament Bahá’u’lláh’s nahm Shoghi Effendi zuerst in die Hand. Es ist ohne Unterschrift, ohne Datum und trägt kein Siegel. Bahá’u’lláh sagte, daß man Sein Testament an Seinen Schriftzügen erkennen müsse, des weiteren bedürfe es nicht. Eines der Testamente ‘Abdu’l-Bahá’s, das älteste, wurde bekanntlich verfaßt, als Er in ‘Akká schwere Verfolgungen zu erleiden hatte; es wurde längere Zeit in der Erde vergraben. Dieses wie auch jedes andere lose Blatt der beiden weiteren Testamente 'Abdu'l-Bahá’s sind sowohl am Kopf als auch am Schluß der Seite signiert.
Manch ein unbeschriebenes Blatt liegt dazwischen, ebenso einzelne Zettel, von denen Shoghi Effendi sagte, daß sie Benachrichtigungen enthielten.
Die Handschrift Bahá’u’lláh’s ist sehr verschieden von der ‘Abdu’l-Bahá’s. Erstere ist gewaltig, letztere sehr zart im Ausdruck. Er reichte erst mir, dann den Freunden das Testament ‘Abdu’l-Bahá’s. Unwillkürlich erhob ich mich mit diesem unschätzbaren Gut in Händen. Photos dieser drei Testamente übergab mir Shoghi Effendi für das Archiv.
Shoghi Effendi war voll Lebendigkeit und Feuer, und überaus liebevoll erkundigte er sich nach jedem Einzelnen meiner Familie; er werde für sie beten. Dann nahm er Abschied von uns mit vielen Grüßen und den besten Wünschen für die deutschen Bahá’í. Mit wehem Herzen blickte ich ihm nach und tiefe Dankbarkeit erfüllte mich gegenüber der Vorsehung ‘Abdu’l-Bahá’s, der heiligen Lehre eine Hüterschaft vermacht zu haben.
Der Besuch, den Shoghi Effendi empfing und mit dem wir dann später auch noch eine halbe Stunde beisammen waren, war Herr Sebzock aus Sofia, der uns von den Bahá’í daselbst und der unermüdlichen Arbeit von Miß Jack sprach.
Es war an der Zeit, den Damen des Hauses Lebewohl zu sagen. Wir trafen Síyáh Khánum und Mihr-Angiz im Empfangssaal an. Auch von hier fiel es mir schwer zu gehen. Die Mutter Shoghi Effendi’s überreichte uns drei Frauen ein wertvolles Andenken. Sie sendet ihre ganze Liebe den deutschen Bahá’í-Frauen.
Das Auto stand bereit, unsere Gepäckstücke wurden verstaut, einen letzten Händedruck wechselten wir mit Husayn Rabbani und Fugeta und wir fuhren zum Hafen, da die Passagiere der „Monte Rosa“ um 6 Uhr an Bord sein mußten. — Wieder waren neue Unruhen ausgebrochen, ein Araber getötet worden, Überfallkommandos und Autos mit Maschinengewehren fuhren durch die Stadt. Es war Zeit zu gehen, da alle Reisenden Haifa verlassen mußten.
Vier unvergleichlich schöne Tage haben wir in Haifa erleben dürfen. Ein jedes von uns mag auf seine eigene Art die Weihe an den heiligen Stätten empfunden haben. Weder vor noch nach diesen wenigen Tagen war es Reisenden möglich, in Haifa an Land zu gehen. Auch hier ist uns die Gebetserfüllung der inbrünstigen Bitte Shoghi Effendi’s zum Segen und zur Beglückung geworden.
2. Mai: Noch immer liegt die „Monte Rosa“ vor Anker, wir fahren weder aus, noch können
wir an Land gehen; vergebens erwarten wir den Bescheid, daß die Sperre wenigstens
für kurze Stunden aufgehoben wird. Der Tag verrinnt, und bis die Nacht hereinsinkt, sucht
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immer wieder mein Blick die Grabstätte mit ihrem Frieden, die so vieles birgt,
was mir so teuer ist.
3. Mai: Die „Monte Rosa“ geht in See bei stürmischem Wetter. Ich stehe an der Reeling und langsam entschwindet die Küste meinen Augen. Mit Wehmut, erfüllt von den gehabten außerordentlichen seelischen Erlebnissen suche ich einen ruhigen Platz auf und fange an, meine Eindrücke in kurzen Notizen niederzuschreiben, während mich das Schiff unaufhaltsam der Heimat näher bringt.
Wohl war es schön da und dort, die Bilder zogen an mir vorbei, aber der tiefinnere Eindruck in Haifa schwang so stark in meiner Seele nach und mein Inneres war so sehr berührt und erfüllt davon, daß mir die nachfolgenden Eindrücke nur als ein Ausklang eines ganz großen Erlebens erschienen. Auf dieser Reise habe ich acht Länder in drei Erdteilen betreten. Als einzigartiges Erleben heben sich die unvergeßlichen, mannigfaltigen Eindrücke in Haifa bei unserem Hüter Shoghi Effendi leuchtend hervor.
1) Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter.
2) Des Bahá’í-Glaubens.
Gottes unaufhörliche Gnade[Bearbeiten]
Von Erna Schmidt
Als am Tage der Geburt Christi der Ruf der Engel: „Ehre sei Gott in der Höhe und
Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen“ in der Nacht zu den Hirten
auf dem Felde drang, ahnten sie wohl die überragende Bedeutung des Tages. Doch
weder sie noch irgend ein anderer Mensch konnten die Gnadenfülle ermessen, die durch
das Erscheinen Christi vom Himmel herabströmte. Er war geheiligt und ausersehen,
Gottes Wort von neuem unter den Menschen zu verkündigen. Seine Botschaft war die
Botschaft der Liebe, Sein Kommen brachte Licht und Seine Offenbarung kündete Friede.
Wie viele Male wurde das Fest der Geburt Christi — Weihnacht — von der ganzen großen Christenheit gefeiert! Wie oft schon erglänzten die grünen Tannen in ihrem schönen Schmuck und ihrer Lichterfülle! Wie viele gläubige Augen schauten auf das Krippenspiel, welches das große Geschehen darstellte. Wie viele Herzen schlugen höher in dieser geheiligten Weihestunde und hörten von neuem die frohe Kunde der Geburt Christi. — Sie tritt aber auch mahnend und fordernd an die Menschen heran, indem sie in dem wahren Christen die Befolgung der Lehren Christi sieht, der sie täglich in und um sich wirken läßt.
Viel gutes und edles Streben und Wirken wurde durch das Leben und die Offenbarung Christi unter den Menschen erweckt und gefördert. Es sind aber auch tiefe Schatten in der Geschichte des Christentums zu sehen, die den herrlichen, strahlenden Glanz der reinen Lehre Christi dämpfen und sie nicht in ihrer vollen Macht wirken lassen. Denken wir nur an die heutige große Zerrissenheit und Spaltung innerhalb der Christenheit....
„Friede auf Erden“ war die Verkündigung der Engel. Wo ist Friede, wo ist Eintracht, wo ist die große, alles überflutende Liebe? Der Irrtum der Menschen führte sie andere Wege. Mißgunst, Haß, Unfrieden, Krieg und Gottlosigkeit begegnen wir unter dem Menschengeschlecht häufiger als edleren Beweggründen.
In diese geistige Nacht herein brach in vollem Glanz und großer Herrlichkeit das Licht einer neuen Offenbarung von Iran her. Eine göttliche Frühlingszeit ist angebrochen und laut erschallt der Ruf Bahá’u’lláh’s zu der ganzen Menschheit. Seine Botschaft ist Liebe und Gerechtigkeit. Sein Aufruf ist Friede und Einigkeit und Seine Offenbarung ist unermeßlich groß. Er verkündigt uns das, was Christus hätte sagen können, doch die Menschen der damaligen Zeit konnten es noch nicht ertragen.
Die große Liebe Gottes zu den Menschen können wir ahnen, wenn Er wiederum Sein
Wort und Seinen Willen durch einen geheiligten Menschen offenbarte. Wie einstens waren
es unzählige Leiden und tiefste Unterdrückung, die dem Gotteskünder von den
Menschen widerfuhren. Es umgaben Ihn aber
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auch viele gläubige, unerschütterlich treue Seelen, welche die Botschaft in alle Welt
hinaustrugen und deren höchstes Opfer in der Hingabe ihres Lebens für den Glauben
bestand.
In ihrem dogmatisch festgefügten, überlieferten Glauben an Gott durch das Wort eines Gottgesandten, verschließen die Menschen immer noch ihre Ohren dem lauten Ruf eines neuen Gotteskünders und wenden ihre Augen ab von der wiederaufgegangenen strahlenden Sonne am östlichen Horizont. Doch das neugeoffenbarte Wort Gottes wirkt in seiner unendlichen Macht- und Geistesfülle. Sein Wirken ist so stark und von den einzelnen Menschen nicht abhängig. Wären aber die Augen sehend und die Ohren hörend, so würde das „Reich Gottes“ auf Erden, die Erfüllung Seines Willens durch Befolgung Seiner Gebote zum Wohl der Menschheit früher kommen. Die größte Hemmung zur Verbreitung der neuen Gottesbotschaft liegt in den Vorurteilen der Menschen, darin, daß sie bei ihren menschlichen Vorstellungen oder an der Person des Gottgesandten stehen bleiben. Dazu sagt ‘Abdu’l-Bahá: „Eine Manifestation Gottes gleicht der Sonne, welche verschiedene Aufgangspunkte hat. Die Aufgangspunkte ändern sich, aber die Sonne bleibt immer dieselbe. Die Lampen sind verschieden, aber das Licht ist immer das gleiche.“
Weltkongreß der Religionen1)[Bearbeiten]
in London vom 3.—18. Juli 1936
I.
Von Helen Bishop
- Als wir Frau Helen Bishop um einen Bericht über den Londoner Glaubens-Weltkongreß für unsere Zeitschrift baten, regte sie an, den in der amerikanischen Bahá’í-Zeitschrift erschienenen zu verwenden, was wir gerne hiermit tun, um unsere Leser und Freunde von diesem für das heutige Glaubensringen beachtenswerten Ereignis zu unterrichten.
Hautfarbe und Kleidung wechselten ab, als sich in London vom 3.—18. Juli Hindus, Buddhisten, Konfuzianer, Juden, Christen, Mohammedaner, Bahá’í, Gelehrte und Philosophen versammelten unter dem ehrwürdigen Präsidium Seiner Hoheit des Maharadscha Gaekwar von Baroda und dem fähigen Vorsitz von Sir Francis Younghusband. Die Regierung Seiner Britischen Majestät veranstaltete für den Kongreß einen Empfang im Lancasterhaus. Andere Empfänge und Teegesellschaften belebten die Geselligkeit. Der Dekan der St.-Pauls-Kathedrale hielt daselbst einen Gottesdienst, und der Kathedrale von Canterbury wurde ein Besuch abgestattet; hernach wurde gemeinsam mit dem Dekan im Garten ein Tee gegeben.
Als Auftakt zur freien Diskussion über das eine Thema beim Gastmahl lasen bei den täglichen Sitzungen Staatsminister, kirchliche Würdenträger, Mystiker und freimütige Schriftsteller ihre Schriften vor einer glänzenden Vessammlung von Geistern vor. Ohne Zweifel waren einige Redner sehr von ihren eigenen Überzeugungen eingenommen; jedoch verstanden es die meisten, daß der Kongreß dazu da war, um ein Problem zu ringen — das gleiche Problem des Zusammenschlusses in Einheit, das den Einzelnen angeht und dem sich die Gesellschaft durch Bedrängnis und Krieg gegenübergestellt sieht.
Die Wissenschaft, wie sie hier vertreten war, heißt eine Aussöhnung mit der Religion
willkommen, wenngleich nicht durch bequeme Übereinkünfte mit der Wahrheit: Die Religion
muß sich aus der Asche des Aberglaubens und der Täuschungen erheben und die
Vorurteile aufgeben, die daraus entstanden. Die Wissenschaft hat durch die Weltumfassung
des Nachrichtenwesens, des Handels und des Verkehrs ihren Beitrag zur Welteinheit
gegeben. Was wollen nun die Religionen dazu beitragen? Von der Antwort hängt
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unser Weiterleben ab. Zum Verdrusse der Kommunisten, welche die Wissenschaft als einen
Messias begrüßten, entlarvt das Jahr 1936 die Wissenschaft als eine Zauberin mit Bomben
und tödlichem Gas, die sie im Ärmel verborgen hält.
Der Verlauf des Kongresses2) bewies, daß interreligiöse Kameradschaft im Einklang mit dem Geist des Glaubens unter jedem seiner wahren Namen steht und daß heute freisinnige Geister in allen Religionen eine allgemeine Freundschaft begrüßen. „... aber das taten sie immer“, sagt der Zyniker. Richtig. Konfuzius lehrte: „Alle Menschen innerhalb der vier Meere sind Brüder.“ Der japanische Weise Teitaro Suzuki erschien auf dem Kongreß als ein lebendes Dokument, das diesen einen Vers der Wahrheit bezeugt — die Aufgabe des Buddhismus (sei es), Unwissenheit durch Erleuchtung auszulöschen — und wir erkannten einen erstrangigen buddhistischen Mönch und St. Franziskus von Assisi als Zwillinge. Das Bekenntnis freier Seelen überströmt die Jahrhunderte und erfüllt die Weltliteratur, doch, noch erfreuen sich der Edle und der Freie der Lebensart des Himmelsbürgers und werden als Weltabgewandte bemitleidet.
Eingedenk der Schafe des Dekan Inge, die zugunsten des Vegetarismus eine Anweisung ergehen ließen — während die Wölfe gegenteiliger Meinung waren — beraumte der Kongreß eine besondere Sitzung an und formulierte Mittel und Wege, um Rechtgläubigkeit zu Hause einzuschärfen.
Ein nichtsektiererischer Christ verlor angesichts der Freundlichkeit und des gesunden Verstandes der Darlegung des Sir ‘Abdul-Qadir seine Abneigung gegen den Islám. Wegen seiner vorausgegangenen Gegnerschaft verlegen, frug der Christ: „Wenn die reinen Lehren jeder Religion uns zusammenbringen, was hält uns dann auseinander?“
Ein Bahá’í würde, ausgerüstet mit des Meisters scharfem Blick auf die ursprüngliche und geistige Grundlage, als verschieden von dem abgeleiteten und materiellen Gesetz in jedem heiligen Buch, der Frage begegnen. Der ursprüngliche Gesichtspunkt ist der Logos, die Folgerichtigkeit des Universums, die unangreifbare Wirklichkeit, „der unwandelbare Glaube an Gott.“ Jedoch ist die Anwendung der Wahrheit auf die Dinge nur für einen Zeitabschnitt gültig, insofern als die Zeit gegebene Gebräuche, soziale Gesetze und Einrichtungen unpassend, nutzlos, sogar verderblich macht. Um die Erfordernisse der Weltkultur zu befriedigen, kämpft in unserer Epoche der Freisinn mit der Orthodoxie für die Abschaffung früherer Gesetze, die wie Schranken gegen die Einheit der Menschheit stehen.
Vom Hinduismus und Judentum wurden Beispiele an die Hand gegeben, obwohl die formellen Sitzungen keine besonderen Fälle der Übergangszeit behandelten. Beiläufig wurde festgestellt, daß der arische Zweig und der semitische die beiden Hauptzweige des Baumes der Religion sind: die indo-iranischen Wurzeln haben der Menschheit den Hinduismus, den Buddhismus und das Zoroastriertum geschenkt; aus den semitischen Wurzeln kamen das Judentum, das Christentum und der Islám. Der arische Nachdruck liegt auf der geistigen Erweckung des Menschen (Naturgesetz), der semitische demgegenüber auf der Verkündung der Offenbarung Gottes (Logos).
Kehren wir zum Kongreß zurück. Professor Sir Radhakrishnan sprach mit Beredsamkeit und inspirierter Kraft davon, die Gabe des Hinduismus durch ihre Betonung der Einheit des Geistes, der das allumfassende Leben beseelt, zur Gemeinschaft hinzuzunehmen. Nun erinnert sich einer an das materielle Gesetz, welches das Problem der Gemeinschaft gegen die Orthodoxie setzt, nämlich an das Kastensystem, an das Verbot für den Brahmanen, mit einem Nichtbrahmanen Brot zu brechen, selbst wenn er auch ein Hindu ist.
Auch dieses Beispiel ist nicht auf dem formellen Programm. Israel, als dem Verwahrer
des Monotheismus, wurden Gesetze der Inzucht und der Selbstgenügsamkeit gegeben,
die dazu bestimmt waren, sein göttliches Pfand während der unsicheren Kindheit und
Jugend der Rasse zu schützen, Seine geschichtliche Sendung ist der Schutz des Heiligen
vor dem Weltlichen gewesen: Israel war eine endliche Macht verheißen, Nichtjuden zu
erretten und aus ihnen auch „Kinder des Vaters“ (Geistes) zu machen. Dies wurde erfüllt,
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als Jesus den Nichtjuden oder Heiden das Evangelium brachte: Seine ursprüngliche
Erklärung „Ich bin nicht gesandt denn nur zu den verlorenen Schafen von dem Hause
Israel“, gipfelte in dem Befehl, „Darum gehet hin und lehret alle Völker... 3)“!
Jesus war für den Einzelnen in seiner Beziehung zu Gott und dem Menschen bestimmt. Insofern als die Evangelien den Grundsatz der Liebe erhöhen, ausgedrückt in Zuversicht, Glaube, Barmherzigkeit oder Vergebung, gibt der Christ, der nach diesen Richtlinien lebt, nicht nur seine Hand. In dieser Beziehung war die Kirche der römischen Tradition durch Professor Massignons hohe Schülerschaft vertreten. Die Reformation oder die Genfer Hohe Geistlichkeit fand eine evangelische Stimme in einem Cambridger Kolleg-Präsidenten, der einen Titel und „den tragischen Sinn des Lebens“ vom gesegneten Heiligen Augustin entlehnte. Der Cambridger baute seine „Stadt Gottes“ modern mit klassischer Vollkommenheit und der Kraft eines Realisten auf. Allein, die Überzeugung von der einzigartigen wunderbaren Offenbarung Christi bietet den Nichtchristen an — Bekehrung und Kirchenmitgliedschaft als die Gemeinschaft.
Der Prophet Muhammad legte das Schwergewicht auf Gerechtigkeit: der Islám schuf die sozialen Gesetze und Einrichtungen eines theokratischen und totalen Staates4). Engstirnige Religiosität und mittelmäßige Schulung läßt den Westen nicht gewahr werden, daß der Islám Gemeinschaft und Brüderlichkeit mit einem seltenen Abstand von Überheblichkeit über Farbe und Klasse denen gelehrt hat und noch lehrt, die ihm Ergebung (d. i. Islám) erzeigen.
So schritt die Religion durch Mystizismus zur Theokratie vorwärts, und im Bahá’í-Zeitalter (1844) wurde die Religion nicht als Kirche oder Staat erklärt — sondern als Verbundenheit. An diesem Tag werden „das Volk des Buches“ und „das Volk ohne Buch“ in der immerwährenden Gnade untergetaucht. Der eindringliche Befehl Bahá’u’lláh’s ist, „sich mit allen Menschen der Religionen in Freude und Kameradschaft zu verbinden. Denn Zusammenschluß ist die Ursache der Einheit und Einheit ist die Quelle der Ordnung in der Welt.“ Sowohl die Form der Verbindung als auch die Gesetze und Einrichtungen des Gemeinschaftsgebildes Gottes sind niedergeschrieben. ....
Mehr von dieser Geschichte wurde nicht berichtet, obwohl ihre Verkettung von dramatischen Episoden die Entsagung und die Verzückung, welche die Religion zur Hauptleidenschaft des Lebens machen, zum Gesetz erheben. Denn Weltgemeinschaft ist nach dem Temperament von Sir Herbert Samuels Ratschlägen an den Kongreß: „Lasset die Religionen in ihren Ansprüchen nicht allzu geschichtlich sein. Es ist geistreich gesagt worden, daß keine rückwärts in die Zukunft schreiten kann. Die Religionen müssen zeigen, daß sie heute lebendig sind.“
Als Hoher Bevollmächtigter für Palästina während der letzten Jahre ‘Abdu’l-Bahá’s übernahm Sir Herbert Samuel freundlicherweise den Vorsitz, als im Auftrag von Shoghi Effendi eine Schrift, betitelt „Bahá’u’lláh’s Grundriß für Weltgemeinschaft“ verlesen wurde.
Die Sprecher bekräftigten, daß der Bahá’í-Glaube nicht bloß ein Thema für interreligiöse
Gemeinschaft sei: der Bahá’í-Glaube ist eine Weltgemeinschaft von 800 Einheiten
in vierzig Ländern, wo die Erben aller großen religiösen Überlieferungen lernen,
Menschentreue als einen Befehl von Gott in die Tat umzusetzen.... Von den Enden der Erde,
aus Ost und West, Israel und Islám, Persien und Amerika, hören Schwarze und Weiße, die
Christenheit — römische Katholiken und
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Protestanten —, Männer, Frauen, Kinder auf den Befehl des Gottesgesandten: „Erhebt
euch aus euren Grüften!“
Jetzt und für immer ist das Gemeinschaftsbewußtsein religiös. Der Bahá’í-Glaube ist weder Eklektizismus noch Synkretismus, sondern geistige Wiederbelebung auf der Weltstufe, wie sie durch das Wort verkündet wurde. Denn das Wort birgt in sich das Gericht und verleiht die Auferstehung: das verheißene Zeitalter der Reife der menschlichen Rasse ist angebrochen. Weltbürgertum predigt Kameradschaft, aber Einheit ist die Macht des Wortes Gottes, da dieses die wesentliche Einheit der Menschheit5) begründet. ‘Abdu’l-Bahá bekräftigt: „Keine Macht außer der Macht des Wortes Gottes kann dies heute vollbringen!“.
II.
Von Florence E. Pinchon
In diesen großen Tagen schicksalsschwerer Entscheidungen und getäuschter Hoffnungen,
wo die Wolken der Besorgnis immer tiefer die Welt verhüllen, erschien der Weltkongreß der
Religionen, der kürzlich in London stattfand, wie ein flüchtiger Blick in ein Stück
Himmelsblau, die bedrückten Herzen derer zu erfreuen, die immer noch wagen, an den
endlichen Triumph geistiger Kräfte über die bedrohlichen Mächte der Finsternis zu glauben.
Der Kongreß war von hervorragenden Männern und Frauen aus vielen Teilen der Welt besucht, von Vertretern der meisten der führenden Religionen und unabhängiger religiöser Gedankenrichtungen, sowie von einer Anzahl Männer, deren Namen auf den Gebieten der Wissenschaft, Philosophie und Literatur wohlbekannt sind.
Die Tagung umfaßte vier öffentliche Versammlungen in der Queens-Hall und eine Reihe von zwanzig Vorlesungen mit anschließenden Ansprachen und Diskussionen, denen Andachtsversammlungen im schönen Festsaal des University College, Gower Street, vorangingen. Der Sinn des Bedürfnisses für jene Gemeinschaft, die der Grundgedanke des Kongresses war, trat augenscheinlich zutage durch die Einladungen der Abordnungen verschiedener religiöser Vereinigungen und durch den Willkommensgruß, der ihnen in den Gottesdiensten in den St. Pauls- und Canterbury-Kathedralen entboten wurde, während bei den geselligen Zusammenkünften die Möglichkeit zu engerer persönlicher Fühlungnahme zwischen denen gegeben war, die sonst durch ihre rassischen, religiösen und geistigen Einstellungen einander innerlich sehr fern stehen, nun aber belebt waren durch ein gemeinsames Ziel und Bestreben.
Dieses höchste Ziel und dieses Streben kann in einem einzigen Satz zusammengefaßt werden: „Die Begeisterung aller Glaubensrichtungen zu vereinen, zur Lösung der gegenwärtigen Probleme des Menschen“. Und darin liegt die Anerkennung einer großen Tatsache, die in den Bahá’í-Lehren so klar unterstrichen ist, und die bisher so beharrlich übersehen wurde von denen, die verantwortungsvolle Stellen bekleideten, die Tatsache, daß die Krankheit, an der die Menschheit leidet, in ihrer Wurzel eine geistige ist, die auch ein geistiges Heilmittel verlangt. „Die Menschheit“, so wurde übereinstimmend festgestellt, „schreit nach Frieden. Aber es kann keinen wahren und dauernden Frieden geben, bis wir hinuntersteigen zu den wahren Wurzeln der gegenwärtigen Unruhe in der Welt und jenes Gefühl der Zusammengehörigkeit, das trotz aller gegenteiligen Erscheinungen in den Herzen der Menschen schlummert, zu tatkräftigerem Leben anfeuern. Diesen Sinn für Kameradschaft zu bestärken ist also das Hauptziel des Kongresses. Weil nur Menschen mit tiefer geistiger Einsicht zur Erweckung dieses Gefühls fähig sind, werden solche Menschen aus vielen Ländern zusammengeführt.“
Wie lebhaft erinnert solch ein hoher Aufruf unser Gemüt an die erleuchteten Ratschläge
‘Abdu’l-Bahá’s und offenbart das Wachstum jener geistigen Saat, welche die
Prophezeiungen Bahá’u’lláh’s schließlich in Erfüllung gehen lassen: „Alle Nationen
werden eins werden im Glauben und alle Menschen werden sein wie Brüder; die Bande
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der Zuneigung und Einigkeit unter den Söhnen der Menschen werden erstarken,
Verschiedenheit der Religion wird aufhören und Streitigkeiten des Menschengeschlechts
werden nicht mehr sein.“
Viel gab es auch für das Auge zu schauen in den kontrastreichen Erscheinungen und den malerischen Kleidungen der Abgeordneten. Unter allen ragte die hohe Gestalt im blauen Turban, der internationale Präsident, Seine Hoheit der Maharadscha Gaekwar von Baroda hervor. Da waren die schwarzen oder weißen Tuniken und farbigen Turbane hervorragender Hindus und Mitglieder des „Rates von Indien“, mit Frau oder Tochter in ihrem anmutigen Sari, die Seite an Seite neben der einfachen Vornehmheit von Frau Elisabeth Cadbury von den Quäkern oder neben englischen oder amerikanischen Damen saßen. Man bemerkte die schlanke Gestalt des Scheich-Rektors von Kairos berühmter mohammedanischer Universität in flatternder weißer Kopfbedeckung, die blauen Gewänder der Buddhisten aus Japan und Ceylon mit Dr. Suzuki, einem hervorragenden Vertreter buddhistischer Philosophie, der von seiner Universität Kyoto gekommen war, um dem Kongreß beizuwohnen. Auch Dr. Kagawa war anwesend, bekannt als „der christliche Apostel Japans“, und die schlichte Form der Rede und der feine Humor Dr. Hsiungs, dem Erfinder des chinesischen Spieles „Lady Precious Stream“ fügte einen Ton von Heiterkeit hinzu. Das fortschrittliche Judentum war vertreten durch Rev. Israel Mattuck, dem ersten Leiter der liberal-jüdischen Bewegung, und Dr. Juda Magnes, dem Präsidenten der hebräischen Universität Jerusalem. Auch Frau Halidé Edib, die wohlbekannte Schriftstellerin und Mitarbeiterin für die Befreiung der türkischen Frauen, war anwesend, ebenso Herr Berdiaeff, der Verbannung aus Rußland und dort religiöse Verfolgung zu erdulden hatte; er vertrat die griechisch-orthodoxe Kirche. Ferner sah man den ehrwürdigen J. S. Whale, Präsident des Chesunt College, Cambridge, ein hochgeachteter Freikirchlicher, sowie den energischen Vikar der Christuskirche in Westminster und Direktor der „Industrial Christian Fellowship“, während es ganz natürlich schien, die weiße Mütze von Prof. Das Gupta zu erblicken, der Indien auf so manchem Weltkongreß vertrat. Unter ihnen allen bewegte sich im weißen Haar und frischer Gesichtsfarbe der Vorsitzende und geistige Urheber des Kongresses, Sir Francis Younghusband.
Man kann sich den Ausdruck der allumarmenden Liebe ‘Abdu’l-Bahá’s vorstellen, in der Er gelächelt haben würde, nein tatsächlich gelächelt hat bei solch einer Versammlung, solch einem bunten Strauß von Blumen aus Seines Vaters Garten, duftend in den Wohlgerüchen der Gemeinschaft und des Verstehens.
Sir Francis Younghusband, Soldat, Staatsmann, Forschungsreisender und der Verfasser vieler schöner Bücher beschreibt selbst diesen Kongreß als „das größte Wagnis“ seines langen und mühsamen dreiundsiebzigjährigen Lebens. „Ich glaube aufrichtig“, sagte er, „daß er das größte Ereignis der Welt in der Gegenwart ist... Wir versuchen einen Körper des Verstehens zu bilden, der die geistige Grundlage einer neuen Weltordnung bilden wird... Wir haben als unser Thema gewählt: Weltgemeinschaft durch Religion, und wir werden jeden Redner bitten, uns zu erzählen, was seine Religion für die Förderung dieses Ideals zu sagen hat. Aus dieser Aussprache heraus erhoffen wir eine Vertiefung der Kameradschaft, die für die Sache des Weltfriedens ein dauernder Beitrag sein wird.“
Dem Kongreß widerfuhr eine besondere Ehre durch die Anwesenheit von S. H. Sir Herbert Samuel und durch seine weisen und staatsmännischen Ratschläge. Bei der Eröffnungsversammlung in Queens-Hall sagte er, der Kongreß suche, den Kirchen die drohenden großen Gefahren, denen die Menschheit sich gegenübersieht, und die dringende Notwendigkeit gemeinsamer Abhilfe, zum Bewußtsein zu bringen. Er riet den Abgeordneten, nicht zu sehr bei alten geschichtlichen Hintergründen zu verweilen — „niemand kann rückwärts in die Zukunft schreiten“ —, sondern bereit zu sein, alte Hindernisse für gegenseitiges Verstehen, für menschliche Wohlfahrt und den Fortschritt beiseite zu werfen.
Für Bahá’í richtete sich natürlich das Hauptinteresse auf ihre eigene Versammlung,
die am Morgen des 16. Juli stattfand. Die goldbraune Halle der Universität mit ihrem
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weichen Licht bildete hiezu einen angenehmen und passenden Rahmen und wir schätzten
uns glücklich, Sir Herbert Samuel als Vorsitzenden zu haben.
Sir Herbert eröffnete seine Ansprache mit dem Hinweis, daß der Bahá’í-Glaube mit den grundlegenden Gedanken des Kongresses völliger in Übereinstimmung sei als irgend ein anderer hier vertretener Glaube. Einer kurzen, aber meisterhaften Zusammenfassung der Grundzüge der Sache, über die Errichtung des Tempels der Einheit in Chikago und über ihre Anhänger, die nun etwa 800 Gemeinden umfaßt, folgte ein Hinweis auf seine persönliche Freundschaft zu ‘Abdul-Bahá in der Zeit, da er die Stellung als High Commissioner in Palästina innehatte und in der er als Vertreter des Königs den ergreifenden Begebenheiten anläßlich der Bestattungsfeierlichkeiten des Meisters beiwohnte.
Daraufhin verlas Rev. George Townshend die ausgezeichnete Botschaft, die er für diese Gelegenheit geschrieben hatte und die Shoghi Effendi zur Überprüfung vorgelegen hatte: „Bahá’u’lláh’s Grundriß für Weltgemeinschaft6)." Da sie zweifellos anderswo in vollem Wortlaut veröffentlicht werden wird, ist es hier nur noch notwendig hinzuzufügen, daß dem in Ton und Inhalt versöhnlichen Vortrag mit großer Aufmerksamkeit gelauscht wurde. Hier trat in der Tat ein klares Evangelium der Versöhnung und ein weiter grundlegender Plan zur Errichtung der Welteinheit und einer edleren Zivilisation in Erscheinung. Frau Charles Bishop erinnerte die Vertreter in einigen erzählenden Sätzen mit einer Stimme von ungewöhnlicher Klarheit und Anmut daran, daß der Bahá’í-Glaube tausend Jahre und mehr jünger ist als der ihrige, daß er eine beachtenswerte Geschichte hat und daß die Vorfahren der zwei Propheten Gottes, durch die seine Botschaft verkündet wurde, drei der großen Religionen umfassen ... Der Bahá’í-Glaube lehrt sowohl das Innewohnen als auch die Unbegreifbarkeit Gottes. Sein Ziel ist, alle trennenden Schranken zu zerbrechen. Er rät seinen Anhängern, „sich mit allen Menschen der Religionen in Freude und Wohlgeruch zu verbinden, denn Zusammenschluß ist die Ursache der Einheit und Einheit ist die Quelle der Ordnung in der Welt“. Die Ansprache wurde beendet mit einer Stelle aus den Schriften Shoghi Effendis: „Die Sache Bahá’u’lláh’s ist in erster Linie gerichtet gegen alle Arten von Absonderung, Vereinzelung und Vorurteil...“
Herr R. St. Barbe Baker, der Gründer der Gesellschaft, die unter dem Namen „Men of the Trees“ bekannt ist7), brachte in seine Ausführungen einen Odem frischer Luft und praktischen Lebens herein. Er erzählte von seinem Zusammentreffen mit Shoghi Effendi in Palästina, wie seine Gesellschaft dort Fuß faßte, und wie dieser seinem Werk der Aufforstung wärmste Unterstützung zuteil werden ließ. Er erinnerte die Versammlung daran, daß die 14 Punkte des Präsidenten Wilson auf Bahá’u’lláh’s Plan für den Weltfrieden gegründet waren, obwohl zwei Punkte weggelassen wurden und Wilson die Quelle seiner Eingebung nicht anerkennen wollte. Er schloß mit besonderer Betonung der Wahrheit, daß, so düster der Ausblick auch jetzt sei, die Welt doch unter der Herrschaft Gottes stehe und wiederholte das berühmte Gebet des Báb: „Gibt es irgend einen Erlöser aus Schwierigkeiten außer Gott? Sprich: Gelobt sei Gott! Er ist Gott! Alle sind Seine Geschöpfe und alle stehen unter Seinem Gebot.“
Die reiche dramatische Sprechweise von Frau Barry Orlova riß die Zuhörerschaft zu gesteigerter Aufmerksamkeit hin, als sie frug: „Was ist die Gruft?“ und erklärte, daß sie die Beschränkung der Menschheit in der Verleugnung Gottes und Seiner Offenbarungen war. Einen Propheten leugnen, heißt alle Propheten leugnen. Diese wurden schon immer gesandt, die Seele des Menschen zu erwecken und sie zur Wiedergeburt und geistigen Auferstehung zu bringen.
Frank Hearst aus Leeds, ein in sozialer und industrieller Arbeit stehender Mann, bezeugte die höchste Genugtuung, die er empfand, als er eine Religion fand, die Geistigkeit mit den neuen Idealen sozialer, wirtschaftlicher, industrieller, nationaler und internationaler Erneuerung durch die Errichtung einer neuen Weltordnung verknüpft.
Nach Schluß der Versammlung wurde das zierliche Büchlein „Das göttliche Geheimnis
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der menschlichen Zivilisation“8) unentgeltlich verteilt. Zusammengestellt
und gedruckt wurde es von Frl. J. Storey aus Genf, das uns gelegentlich zuflüsterte:
„Die Idee dieses Kongresses wurde in Haifa geboren.“
Sicherlich werden allüberall die Bahá’í-Freunde eine Entfaltung des Geistes, ein erhebendes Gefühl der Freude und Erfüllung, mit denen von uns, die bei diesen Versammlungen zugegen waren, teilen, darum, daß wieder ein weiterer Stein zum emporwachsenden Tempel der Einheit gelegt wurde, der dazu bestimmt ist, eines Tages die neue Stadt Gottes zu schmücken.
Wenn wir Rückschau halten auf die verschiedenen Beratungen dieses Kongresses, so scheinen uns drei Eindrücke besonders stark haften geblieben zu sein. Der erste ist der, was für eine Fülle geistiger Schätze alle Religionen auf den reichen Markt der Wahrheit zu bringen und für gegenseitige Wertschätzung sich anzubieten haben. Der zweite, wie auffällig das soziale Werk und die Ideale des fortschrittlichen Christentums in Gleichklang mit den Bahá’í-Grundsätzen kommen. Endlich, wie äußerst unzureichend jede Religion der Vergangenheit ist, dem Leid dieser heutigen Zeit mutig entgegenzutreten und dafür Wege zur Abhilfe zu zeigen. Der Bahá’í-Glaube legte für seine göttliche Quelle und Inspiration Zeugnis ab, dadurch, daß er alle in die Arme einer verstehenden Liebe einschließen, eine gemeinsame Berührungsgrundlage für alle schaffen konnte und hervortrat gleichsam wie ein herrlicher planetarer Scheinwerfer, die Menschheit über das düstere Weltmeer der Verworrenheit in einen Hafen der Sicherheit und des Friedens zu führen.
1) Entnommen und ins Deutsche übertragen aus „World Order“,
Bd. 2, Oktober 1936, Nr. 7, S. 247 ff.
2) Veröffentlicht durch Athur Jackmann, Sekretär, „World Fellowship of Faiths“, 17 Belford Square, London W.C.1.
3) Matth. 15, 24 und 28, 19.
4) In dieser Richtung äußerte sich z. B. neuerdings Exz. Prof. Dr. H. Nachat Pascha, der Kgl. Ägyptische Gesandte u. a. wie folgt: „Für Ägypten bedeutet der Kommunismus keine Gefahr, weil er dort bei der mohammedanischen Bevölkerung niemals Fuß fassen könnte! In den Lehren des Islám sind nämlich in ihren Grundzügen eine reiche Fülle sozialer Vorschriften und Lebensregeln enthalten, die eigentlich echten Sozialismus darstellen. Schon seit Jahrhunderten predigt sie der Islám und sind sie tief in unserem Volk verwurzelt. Man darf hierbei nicht übersehen, daß für uns Ägypter die Religion eine viel maßgebendere, in die Urgründe unseres völkischen Lebens hinabreichende Rolle spielt als in Deutschland und anderswo...“ (Entnommen aus „Arbeitertum“ 6. Jg. Folge 15, S. 11 „Überseeische Diplomaten urteilen über das Neue Deutschland“ von Dr. Wolf.) (Anmerkung der Schriftleitung.)
5) Im geistigen Sinne der Geschöpfe Gottes (Anmerkung des Herausgebers).
6) Wird in der Novembernummer von „World Order“ veröffentlicht werden.
7) Gesellschaft für die Aufforstung öder Gegenden im britischen Reich.
8) „The Divine Secret of Human Civilization“.
Worte von Bahá’u’lláh
O ihr, die ihr auf Erden wohnet! Der eigentümliche Zug, der den hervorragenden Charakter dieser höchsten Offenbarung kennzeichnet, besteht darin, daß wir einerseits aus den Seiten von Gottes heiligem Buch gestrichen haben, was auch immer die Ursache von Streit, Feindschaft und Unheil unter den Menschenkindern war, und daß wir andererseits die wesentlichen Vorbedingungen von Eintracht, Verstehen, von völliger und dauernder Einheit niedergelegt haben. Wohl denen, die Meine Gesetze halten.
Immer wieder haben Wir Unsere Geliebten ermahnt, zu meiden, ja sogar davor zu fliehen, alles das, dem auch immer der Geruch des Unglücks nachgewiesen werden kann. Die Welt ist in großer Unruhe und die Gemüter ihrer Völker sind in einem Zustand äußerster Verwirrung. Wir flehen den Allmächtigen an, daß Er sie gnädiglich mit der Herrlichkeit Seiner Gerechtigkeit erleuchten und sie befähigen möge, das zu entdecken, was ihnen zu allen Zeiten und unter allen Umständen nützlich sein wird. Er, wahrlich, ist der Allbesitzende, der Höchste*).
*) Ins Deutsche übertragen aus „Gleanings from the writings of Bahá’u’lláh“,
New-York 1935, Seite 97/98.
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Bahá’u’lláh
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