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Die Bahá’í-Lehre,[Bearbeiten]
die Lehre Bahá’u’lláhs erkennt in der Religion die höchste und reinste Quelle allen sittlichen Lebens.
Die Ausdrucksformen des religiösen Lebens des Einzelnen, ganzer Völker und Kulturkreise haben im Laufe der Geschichte entsprechend den jeweils anderen Verhältnissen und dem Wachstum des menschlichen Erkenntnisvermögens Wandlungen erfahren. Die äußeren Gesetze und Gebote aller Weltreligionen entsprachen immer den entwicklungsgeschichtlich gegebenen Erfordernissen in bezug auf den Einzelnen, die soziale Ordnung und das Verhältnis zwischen den Völkern. Alle Religionen beruhen aber auf einer gemeinsamen, geistigen Grundlage. „Diese Grundlage muß notwendigerweise die Wahrheit sein und kann nur eine Einheit, nicht eine Mehrheit bilden.“ ('Abdu'l-Bahá.) „Die Sonne der Wahrheit ist das Wort Gottes, von dem die Erziehung der Menschen im Reich der Gedanken abhängig ist.“ (Bahá’u’lláh.) Alle großen Religionsstifter waren Verkünder des Wortes Gottes entsprechend der Fassungskraft und Entwicklungsstufe der Menschen. Das Wesen der Religion liegt darin, im Bewußtwerden der Abhängigkeit des Menschen von der Wirklichkeit Gottes Seine Offenbarer anzuerkennen und nach Seinen durch sie übermittelten Geboten zu leben.
Die Bahá’i-Lehre bestätigt und vertieft den unverfälschten und unwandelbaren Sinn und Gehalt aller Religionen von neuem und zeigt darüber hinaus die kommende Weltordnung auf, welche die geistige Einheit der Menschheit zur Voraussetzung haben wird. Die in ihr zum Ausdruck kommende Weltanschauung steht mit den Errungenschaften der Wissenschaft ausdrücklich in Einklang.
Die Lehre Bahá’u’lláhs enthält geistige Grundsätze und Richtlinien für eine harmonische Gesellschafts-, Staats- und Wirtschaftsordnung. Sie beruhen auf dem Gedanken der natürlich gewachsenen, organischen Einheit jedes Volkes und der das Völkische übergreifenden geistigen Einheit der Menschheit. Den Interessen der Volksgemeinschaft sind die Sonderinteressen des Einzelnen unterzuordnen, denn nur die Gesamtwohlfahrt verbürgt auch das Wohl des Einzelnen.
Wie jede Religion, so wendet sich auch die Bahá’i-Lehre an die Herzensgesinnung des Menschen, um die religiösen Kräfte in den Dienst wahren Menschentums zu stellen. Sie erstrebt die Höherentwicklung der Menschheit mehr durch die Selbsterziehung des Einzelnen als durch äußerlich-organisatorische Maßnahmen. Der Bahá’i hat sich daher über seine ernst aufgefaßten staatsbürgerlichen Pflichten hinaus nicht in die Politik einzumischen, sondern sich zum Träger der Ordnung und des Friedens im menschlichen Gemeinschaftsleben zu erheben. Bahá’u’lláhs Worte sind: „Es ist euch zur Pflicht gemacht, euch allen gerechten Regenten ergeben zu zeigen und jedem gerechten König eure Treue zu beweisen. Dienet den Herrschern der Welt mit der höchsten Wahrhaftigkeit und Treue. Zeiget ihnen Gehorsam und seid ihre wohlwollenden Freunde. Mischt euch nicht ohne ihre Erlaubnis und Zulassung in politische Dinge ein, denn Untreue gegenüber dem Herrscher ist Untreue gegenüber Gott selbst.“
Bahá’u’lláh weist den Weg zu einer befriedeten, im Geiste geeinigten Menschheit. Ein alle Staaten umfassender Bund in ihrer Eigenart entwickelter und unabhängiger Völker auf der Grundlage der Gleichberechtigung, ausgestattet mit völkerrechtlichen Vollmachten und Vollstreckungsgewalten gegenüber Friedensstörern, soll die übernationalen Interessen aller Völker der Erde in völliger Unparteilichkeit und höchster Verantwortung wahrnehmen. Zwischenstaatliche Konflikte sind durch einen von allen Staaten beschickten Weltschiedsgerichtshof auf friedlichem Wege beizulegen.
Die geistige Wesensgleichheit aller Menschen und Völker erheischt einen organischen Aufbau der sozialen Weltordnung, in der jedem seine einzigartige, besondere Eingliederung und Aufgabe zugewiesen ist. Die geographischen, biologischen und geschichtlichen Gegebenheiten bedürfen im Gemeinschaftsleben der Völker immer einer besonderen Beachtung, ohne die sie umschließende Einheit im Reiche des Geistes aus den Augen zu verlieren.
Die Lehre Bahá’u’lláhs „ist in ihrem Ursprung göttlich, in ihren Zielen allumfassend, in ihrem Ausblick weit, in ihrer Methode wissenschaftlich, in ihren Grundsätzen menschendienend und von kraftvollem Einfluß auf die Herzen und Gemüter der Menschen“.
SONNE DER WAHRHEIT Organ der Bahá’í in Deutschland und Österreich Verantwortlich für die Herausgabe: Dr. Eugen Schmidt, Stuttgart-W, Reinsburgerstraße 198 Schriftleitung: Dr. Adelbert Mühlschlegel, Dr. Eugen Schmidt, Alice Schwarz-Solivo Verwaltung: Paul Gollmer • Begründet von Alice Schwarz-Solivo Preis vierteljährlich 1.80 Reichsmark, im Ausland 2.– Reichsmark |
Heft 3 | Stuttgart, im Mai 1935 Jamál — Schönheit 92 |
15. Jahrgang |
Inhalt: Nabíl’s Erzählung: Mullá Ḥusayn’s Reise nach Khurásán. — Göttliche Lebenskunst. — Gott in uns.
„Die Welt braucht mehr Glück und Erleuchtung. Der Stern des Glücklichseins ist in jedem Herzen, nur müssen wir die Wolken vertreiben, damit er strahlend zu leuchten vermag. Glück ist ein innerer Zustand. Wenn er einmal errungen ist, wird der Mensch zu den höchsten Höhen der Glückseligkeit aufsteigen. Ein wirklich glücklicher Mensch wird den Wechselfällen des Lebens nicht mehr untertan sein. Wie ein unvergänglicher König wird er auf dem Throne der festgegründeten Wirklichkeit sitzen. Er wird den äußeren, wechselnden Umständen unzugänglich sein und durch seine Taten und Handlungen andere glücklich machen.“*)
'Abdu'l-Bahá
*) Aus „Göttliche Lebenskunst“, 1. Kapitel, in dieser Zeitschrift, XII S. 115,
Nabíl’s Erzählung[Bearbeiten]
Übersetzung aus „The Dawn-Breakers“, Nabíl’s Narrative of the early days of the Bahá’í Revelation, New York 1932
6. Kapitel: Mullá Ḥusayn’s Reise nach Khurásán
Als der Báb den Buchstaben der Lebendigen Lebewohl sagte, wies Er sie allesamt an, den
Namen eines jeden Gläubigen besonders aufzuzeichnen, der den Glauben annehmen und sich
selbst mit dessen Lehre völlig eins fühlen würde. Er befahl ihnen, die Liste dieser Gläubigen in
versiegelten Briefen an Seinen Onkel mütterlicherseits Ḥájí Mirzá Siyyid ‘Alí in Shíráz zu
senden, welcher seinerseits sie Ihm dann übergeben würde. „Ich werde diese Liste“, so sagte
Er ihnen, „in achtzehn Reihen von je neunzehn Buchstaben einteilen. Jede Reihe wird ein váḥid1)
enthalten. Alle diese Namen in diesen achtzehn Reihen werden zusammen mit dem ersten váḥid,
bestehend aus Meinem eigenen Namen und den der achtzehn Buchstaben der Lebendigen, die
Nummer von Kull-i-Shay2) enthalten. Alle diese Gläubigen werde ich im
Tablet Gottes erwähnen,
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so daß der Geliebte unseres Herzens auf jeden einzelnen von ihnen am Tage, da Er sich
zu dem Throne der Herrlichkeit erhoben haben wird, seine unschätzbaren Segnungen ergießen
und sie zu den Bewohnern Seines Paradieses ernennen möge.“
Mullá Ḥusayn im besonderen schärfte der Báb genau ein, Ihm einen geschriebenen Bericht über Wesen und Fortschritt seiner Tätigkeit in Iṣfáhán, Ṭihrán und Khurásán zu senden. Er befahl ihm ausdrücklich, Ihn über die, welche den Glauben annehmen und sich dazu bekennen würden, wie auch über jene, welche seine Wahrheit verwerfen und zurückweisen würden, zu unterrichten. „Nicht eher, als bis Ich deinen Brief von Khurásán erhalten habe“, sprach Er zu ihm, „werde Ich bereit sein, Mich von dieser Stadt hinweg auf Meine Pilgerreise nach Ḥijáz zu begeben.“
Mullá Ḥusayn trat also, erfrischt und gestärkt durch die Verbindung mit Bahá’u’lláh, seine Reise nach Khurásán an. Während seines Aufenthaltes in dieser Provinz zeigten sich in ganz erstaunliher Weise die Wirkungen der neubelebenden Kraft, womit die Abschiedsworte des Báb ihn versehen hatten. Der Erste, der sich in Khurásán zum Glauben bekannte, war Mirzá Aḥmad-i-Azghandi, der Gelehrteste, Weiseste und Höchste unter den 'Ulamá in jener Provinz. In welcher Versammlung er auch erschien, wie groß die Zahl, wie angesehen der Rang der anwesenden Theologen auch war, so war doch er allein stets der Hauptsprecher. Seine hohen Charaktereigenschaften sowohl wie seine tiefste Gottesfurcht hatten seinen Ruf, den er bereits durch seine Gelehrsamkeit, seine Fähigkeiten und seine Weisheit gewonnen hatte, noch veredelt. Der Nächste, welcher den Glauben unter den Shaykhí von Khurásán annahm, hieß Mullá Aḥmad-i-Mu‘allim, welcher einst in Karbilá der Lehrer der Kinder Siyyid Kázim’s gewesen war. Ihm folgte Mullá Shaykh ‘Alí, dem der Báb den Namen ‘Aẓim gab, und ferner Mullá Mirzá Muḥammad-i-Fúrúghi, dessen Gelehrsamkeit von keinem außer Mirzá Aḥmad übertroffen wurde. Keiner dieser hervorragenden Gestalten unter den geistlichen Führern von Khurásán hatte genügend Gewicht oder besaß die nötige Erkenntnis, um die Argumente Mullá Ḥusayn’s zu widerlegen.
Mirzá Muḥammad Báqir-i-Qá’iní, welcer für die letzten Jahre seines Lebens in Mashhad seinen Wohnsitz aufgeschlagen hatte, war der Nächste, der die Botschaft annahm. Die Liebe zum Báb hatte seine Seele mit solch verzehrender Leidenschaft erfüllt, daß keiner seiner Macht sich widersetzen oder seinen Einfluß verkleinern konnte. Seine Furchtlosigkeit, seine schonungslose Tatkraft, seine unerschütterliche Treue und die Rechtschaffenheit seines Lebens, all dies vereint, machten ihn zum Schrecken seiner Feinde und zur Quelle der Inspiration seiner Freunde. Er stellte sein Heim Mullá Ḥusayn zur Verfügung, arrangierte für ihn besondere Unterredungen zwischen ihm und den ‘Ulamá von Mashhad, und war bis zum Äußersten seiner Kraft bestrebt, jedes Hindernis, das sich dem Fortschritt des Glaubens in den Weg stellte, zu beseitigen. Er war unermüdlich in seinen Anstrengungen, unbeirrbar in seinen Vorsätzen und unerschöpflich in seiner Arbeitskraft. Immerfort unermüdlich arbeitete er für seine geliebte Sache bis zur letzten Stunde seines Lebens, da er als Märtyrer im Fort Shaykh Ṭabarsí fiel. In seinen letzten Tagen wurde ihm von Quddús nach dem tragischen Tode Mullá Ḥusayn’s befohlen, die Führung der tapferen Verteidiger dieses Forts zu übernehmen. Diese Aufgabe erfüllte er in herrlicher Weise. Sein Heim, welches in Bálá-Khíyábán in der Stadt Mashhad liegt, ist bis zum heutigen Tag unter dem Namen Bábíyyih bekannt. Wer es betritt, kann niemals der Anschuldigung, ein Bábi zu sein, entgehen. Möge seine Seele in Frieden ruhen!
Als Mullá Ḥusayn für die Sache solch fähige und ergebene Gläubige gewonnen hatte, entschied
er sich, einen schriftlichen Bericht über seine Tätigkeit an den Báb zu senden. In diesem
Bericht schrieb er ausführlich über seine Reise nach Iṣfáhán und Káshán, schilderte
die Erfahrungen mit Bahá’u’lláh, berichtete von dessen Abreise nach Mázindarán, erzählte
die Ereignisse von Núr, und machte ihn mit dem Erfolg bekannt, welchen seine eigenen
Anstrengungen in Khurásán gezeitigt hatten. Dem Bericht legte er eine Liste der
Namen derer bei, welche seinem Ruf gefolgt waren und von deren Festigkeit und Aufrichtigkeit
er überzeugt war. Er sandte seinen Brief auf dem Wege über Yazd durch die vertrauenswürdigen
Mitarbeiter des Onkels mütterlicherseits des Báb, welche zu dieser Zeit in Tabas wohnten.
Dieser Brief erreichte den Báb in der Nacht vor dem 27. Tage des Ramadán3),
in einer Nacht, welche bei allen Sekten
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des Islám in hohen Ehren gehalten wird und von vielen an Heiligkeit der Laylatu'l-Qadr
selbst, dieser Nacht, welche nach den Worten des Qur’án „tausend Monate übersteigt“,
gleichgestellt wird. Der einzige Begleiter des Báb, als jener Brief in dieser Nacht
Ihn erreichte, war Quddús, welchem Er eine Anzahl seiner Stellen mitteilte.
Ich habe Mírzá Aḥmad Folgendes erzählen hören: „Des Báb’s Onkel mütterlicherseits beschrieb mir selbst das Nähere, was beim Empfang des Briefes Mullá Ḥusayn’s durch den Báb geschah: ‚In dieser Nacht sah ich solche Zeichen von Freude und Zufriedenheit auf dem Angesichte des Báb und Quddús, daß es mir unmöglich ist, dies zu beschreiben. Wie oft hörte man den Báb in diesen Tagen jubelnd die Worte wiederholen, „Wie wunderbar, wie höchst wunderbar ist doch, was sich zwischen den Monaten Jamádí und Rajab zugetragen hat!“ Als Er die Berichte las, welche Ihm von Mullá Ḥusayn gesandt waren, wandte er sich an Quddús, und, ihm einige Stellen dieses Briefes zeigend, erklärte Er ihm den Grund Seines freudigen Ausdrucks der Verwunderung. Ich für mein Teil blieb vollkommen im unklaren über den Sinn dieser Erklärung.‘"
Mírzá Aḥmad, auf welchen die Erzählung dieses Vorfalles einen tiefen Eindruck gemacht hatte, war es vorbehalten, dessen Geheimnis zu ergründen. „Nicht eher, als bis ich Mullá Ḥusayn in Shíráz traf“, so sagte er mir, „war ich fähig, meine Neugierde zu befriedigen. Als ich ihm wiederholte, was mir vom Onkel des Báb beschrieben war, lächelte er und sagte, wie wohl er sich erinnere, was sich zwischen den Monaten Jamádi und Rajab gelegentlich Seines Aufenthaltes in Ṭihrán zugetragen hatte. Weitere Erklärungen gab er nicht, und begnügte sich mit dieser kurzen Bemerkung. Jedoch war dies genug, um mich zu überzeugen, daß in der Stadt Ṭihrán ein Geheimnis verborgen liegt, das, wenn es der Welt geoffenbart wird, den Herzen beider, des Báb und Quddús, unaussprechliche Freude bereiten würde.“
Die Hindeutungen in Mullá Ḥusayn’s Brief auf Bahá’u’lláh’s sofortige Annahme der göttlichen Botschaft, auf den kraftvollen Feldzug, welchen er so kühn in Núr unternommen hatte, und auf den wundersamen Erfolg, der seine Anstrengungen krönte, erquickten und erfreuten den Báb und bestärkten Sein Vertrauen in den endlichen Sieg Seiner Sache. Er fühlte sicher: sollte Er nun plötzlich ein Opfer der Tyrannei Seiner Feinde werden und diese Welt verlassen, so würde die Sache, welche Er geoffenbart, weiter leben; sie würde unter dem Befehl Bahá’u’lláh’s sich weiter entwickeln und blühen und schließlich ihre köstlichste Frucht tragen. Die Meisterhand Bahá’u’lláh’s würde ihren Lauf lenken und der durchdringende Einfluß Seiner Liebe würde sie in den Herzen der Menschen begründen. Solch eine Zuversicht stärkte Seinen Geist und erfüllte Ihn mit Hoffnung. Von diesem Augenblick an war all Seine Furcht vor Verderben und Gefahr, die Ihm drohten, verschwunden. Gleich einem Phönix hieß Er das Feuer der Feindschaft mit Freuden willkommen und erstrahlte in der Glut und Hitze seiner Flamme.
(Fortsetzung folgt.)
1) Der Zahlenwert des Wortes „váḥid", das „Einheit“ bedeutet, ist 19.
2) Der Zahlenwert von „Kull-i-Shay‘, das „alle Dinge“ bedeutet, ist 361 (= 19 X 19).
3) Die Nacht vor dem 10. Oktober 1844.
Göttliche Lebenskunst[Bearbeiten]
Aus den Schriften ‘Abdu’l-Bahá's (Fortsetzung)
Zusammengestellt von Mary M. Rabb (New York, Brentanos Publishers)
Übersetzung aus dem Englischen
8. Kapitel: Geistige Heilung (Fortsetzung)
Die Kräfte der Sympathikusnerven sind weder rein körperlich noch rein geistig; sie liegen
zwischen beiden Systemen. Der Nerv ist mit beiden verbunden. Seine Auswirkungen werden
vollkommen sein, wenn seine geistigen und körperlichen Beziehungen normal sind.
Wenn die materielle und die geistige Welt in richtige Verbindung zueinander gebracht sind, wenn das Herz himmlisch und das Streben rein und göttlich wird, dann wird vollkommene Verbundenheit stattfinden. Dann erst wird seine Macht völlig offenbar werden. Körperliche und geistige Krankheiten werden vollkommene Heilung finden.
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Christus lehrte durch die Macht seines Wortes, denn das Wort des Messias war reiner, heiliger
Geist, ohne jede Beimischung.
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Die Worte vieler Sprecher sind vermischt mit der Gier ihrer Seele und ihren weltlichen Neigungen, darum werden sie weder Einfluß noch Erfolg haben.
Jesus sagte: „Stehe auf, nimm dein Bett und wandle!“ Er brauchte keine Gebete oder geistige Anregungen. Er wirkte durch die geistige Gewalt in seinem Befehl, welcher die Macht des Heiligen Geistes war, der sich in ihm offenbarte. Seinem Wort wurde Gehorsam geleistet, weil es schöpferisch war.
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Was die Tatsache betrifft, daß der Mensch sein eigenes Selbst ganz vergessen sollte, so ist damit gemeint, daß er sich zum Mysterium der Opferung erheben sollte, und das bedeutet das Verschwinden sterblicher Gefühle und das Verlöschen tadelnswerter Sitten, aus welchen sich dieses zeitliche Dunkel zusammensetzt, nicht aber, daß körperliche Gesundheit in Schwäche und Hinfälligkeit gewandelt werden sollte.
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Mit zweierlei Absicht kann man sich um seine Gesundheit kümmern. Man kann wohl acht haben auf seinen Körper, um persönliche Wünsche erreichen zu können. Oder man kann sich um seine Gesundheit kümmern in der guten Absicht, der Menschheit dienen und lange genug leben zu können, um seine Aufgabe der Menschheit gegenüber zu erfüllen. Das Letztere verdient höchstes Lob.
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Wenn Gesundheit und Wohlbefinden des Körpers im Pfade zum Königreich dahingegeben werden, so ist dies höchst wünschens- und lobenswert; wenn sie zum Wohl der Menschheit im allgemeinen gegeben werden — selbst wenn es nur zum materiellen Wohl sei und damit ein Mittel, Gutes zu tun —, so ist dies ebenfalls lobenswert. Wenn aber Gesundheit und Wohlfahrt des Menschen für die Erfüllung niedriger Wünsche, für ein Leben auf der tierischen Ebene und für satanische Zwecke verwendet werden, dann ist Krankheit besser als solche Gesundheit; nein, selbst der Tod ist solchem Leben vorzuziehen. Wenn du dir Gesundheit wünschst, so wünsche sie dir, um dem Königreich zu dienen. Ich hoffe, daß du vollkommene Einsicht, unbeugsame Entschlossenheit, völlige Gesundheit und geistige und körperliche Kraft erlangen mögest, damit du aus der Quelle ewigen Lebens trinken und von dem Geist der göttlichen Bestätigung unterstützt werden mögest.
(Fortsetzung folgt.)
Gott in uns[Bearbeiten]
(Schluß)
Von Emil Jörn
„Ich will allein und über alles geliebt sein.“ So spricht der Beauftragte für dieses Zeitalter zu uns. Wohl dem, der soweit vorangekommen ist, daß er immer dieser Führung folgen kann. „Wer dies erreicht hat, der hat die Seligkeit erreicht1).“ Auch bei Seinem zweiten Kommen fragt Er, den wir Christus nennen, jeden Petrus, ja, jeden leicht begeisterten Petrus mit der dreifachen Frage und mit einem Blick voller Rücksicht und voller Liebe: „Simon Jona, hast du Mich lieb?“ Und antwortet dann mit dem inhaltvollen Wort: „Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir: da du jünger warst, gürtetest du dich selbst und wandeltest, wohin du wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken und ein anderer wird dich gürten und führen, wohin du nicht willst2).“ Wohin du von Natur nicht willst, das ist das Wesentliche.
Ja, oft ist in unserm Gehorsam und in unserer Liebe noch Eigenliebe verborgen, immer noch,
bis es uns gegeben ist, in allen Wechselfällen fest auf die Führung zu schauen und alles zu
opfern, um ganz nur ihr gehorchen zu können. Diese Hingabe an die Führung ist viel mehr als
ein bloßer Begriff oder ein Prinzip, ja, sie ist eigentlich das Gegenteil von bloßem
Prinzipienleben. Der Geist ist in uns so stark geworden, d. h. die Lüste und der Eigenwille
sind soweit überwunden, daß Er die Führung übernehmen kann, und der Mensch ist auch in jeder Lage
willens genug, sie Ihm zu überlassen, Ihn walten und „regieren“ zu lassen. Dann geht es nach
dem Wort: „Wunderbar wird’s sein, was ich bei dir tun werde.“ Darüber äußert ein bekannter
Ethiker aus der Schweiz, Carl Hilty, sehr feine Erfahrungen: „Das Auffallende an der Führung
ist folgendes: daß man oft Bücher, einzelne Worte (mitunter auch Menschen) gerade zur rechten
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Zeit zu Gesicht bekommt, wenn man sie notwendig braucht; daß man über große Gefahren
wie mit verbundenen Augen hinwegkommt, indem manches unbekannt bleibt, was Furcht erregen
oder ein Abweg sein könnte, bis es vorüber ist; namentlich ist dies mit den Verlockungen
zur Eitelkeit und Sinnlichkeit der Fall; daß Wege, die man nicht (oder noch nicht) gehen soll
wie mit Dornen verzäunt sind; umgekehrt hingegen große Schwierigkeiten sich plötzlich heben;
daß man, wenn es Zeit zu etwas ist, den nötigen Mut bekommt, der früher fehlte, oder den Kern
einer Sache erblickt, der früher verschleiert war, oder Gedanken, Talente, ja mitunter Kenntnisse
und Einsichten in sich entdeckt, von denen man nicht zu sagen weiß, woher sie kommen; daß
endlich Menschen helfen oder nicht helfen, günstig oder ungünstig gestimmt sein müssen, die
es gar nicht wollen, so daß oft Gleichgültige oder sogar Feindliche die größten Dienste und
Förderungen erweisen3).“
Heute hat Bahá’u’lláh die Führung der Seelen. In diesen Jahren der größten Reinigung läutert Er die Herzen und reinigt sie, bis sie klar sind wie ein Spiegel. „Er führt die Aufrichtigen zur ewigen Vereinigung.“ Nur mit Scheu und in größter Demut können wir das aussprechen. Aber, Gott sei gepriesen, wir wissen, daß es solche Herzen gibt, die vollkommen gereinigt sind. ‘Abdu’l-Bahá beschreibt diesen Zustand folgendermaßen: „Wer diese Stufe erreicht hat, empfängt Gewißheit und Bestätigung. Sein Glaube ist unwandelbar und so fest gegründet wie ein Berg... Wenn sich alle Menschen der Welt versammeln würden, um ihn von seinem Glauben abzubringen, so würde ihnen dies doch nicht gelingen. Warum? Weil er Licht empfängt von der Quelle aller Gaben.“ Nun ist Gott zur Herrschaft gekommen im Menschenherzen, der Thron ist errichtet, das Herz hat Frieden in Gott gefunden. Die Seele ist „heimgekehrt“. O Gott, wie ist Dein Licht so schön! —
Bei diesem Ringen um Geist und Vergeistigung aber hat sich nun noch eins ergeben: Ein reiner
Geist kann nur in einem gereinigten, begierdelosen Körper wohnen. Wenn Gott einem Menschen
innerlich geholfen hat, dann bringt er ihn auch äußerlich in Ordnung. Das ist ursächlich
bedingt. Trotzdem gibt Bahá’u’lláh den ausdrücklichen Befehl — also nicht bloß den gelegentlichen
Rat —: „Mache ihn (den Körper) rein von allen Dingen, damit Ich in ihm wohnen und
Meinen Thron in ihm errichten kann.“ Die Seele ist mehr wert als der Leib, das ist wahr, aber
alles Geistige kommt, solange wir hier auf der Erde wallen, durch Materielles zum Ausdruck,
dazu ist der Körper uns verliehen. „So jemand den Tempel Gottes verdirbt“, heißt es bei
Paulus 1. Kor. 3, 17, „den wird Gott verderben.“ Und Gandhi sagt in seinem „Wegweiser der
Gesundheit“4): „Seele und Satan kämpfen in unserer Brust ununterbrochen um die
Herrschaft. Siegt die Seele, so wird der Körper zu einem machtvollen Werkzeug des Guten,
gewinnt aber der Teufel, so wird der Leib zu einer Brutstätte des Lasters. Die Hölle selbst
ist einem Körper vorzuziehen, der ständig mit faulen Stoffen angefüllt ist.“ Der moderne
Kulturmensch ist fast ausnahmslos durch „Überernährung unterernährt“. Das hemmt die Entwicklung
des Geistes. Der Geist, den wir den heiligen nennen, kann nicht in einem unreinen Körper wohnen,
das fühlt jeder Strebende. „Der Hang zur Befriedigung der Sinne ist vom Übel“, sagt ‘Abdu’l-Bahá,
„weil dadurch die Seele von Gott abgehalten wird. Wenn die Sinne nicht im Zaum gehalten werden,
ist der Fortschritt in der Richtung zu Gott hin gänzlich in Frage gestellt2).“ Das sagt
‘Abdu’l-Bahá, der seinen Freunden den Genuß aller lieblichen Früchte erlaubt hat. Es muß ja
freilich jeder wissen, in welcher Richtung er gesündigt hat und in welchem Sinne ihm vergeben ist.
Wer aber die Schriften neuzeitlicher Ärzte liest, die Werke eines Ragnar Berg, Bircher-Benner,
Just, Borosini u. v. a., der weiß, daß er auch als Bahá’í von diesen Männern sehr viel lernen
kann. Vor Asketentum ist gewiß zu warnen. Aber wenn das Essen und Trinken eines Bahá’í sich in
nichts unterscheidet von dem eines Weltmenschen, so ist man eben in diesem Punkt noch
Weltkind, und das Geistige ist hierin noch nicht zum Durchbruch gekommen. Müssen es denn
immer Leiden sein, die uns weise machen? Eine neue Jugend wird hier tapfer vorangehen und
tut es bereits. Übrigens ist es sehr auffällig, wie die Anschauungen jener Reformärzte mit
den Ernährungsgesetzen übereinstimmen, die Bahá’u’lláh aufgestellt hat. Das erhabene Licht
unseres Glaubens ist nicht nur in Tableten niedergelegt, es schwebt, „zwischen Himmel und
Erde“. Das sehen wir im Laufe der Entwicklung immer mehr und immer wieder. „Einzelne
Strahlen fallen wie durch Pfeilerhallen in das Leben
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weit.“ Noch einige Einzelheiten über die Beziehung zwischen Körperlichem und Geistigem:
1. Es stammen sehr viel mehr Leiden, als wir glauben, aus unrichtiger Disposition des Geistes. Wir müssen folglich vom Geist aus geheilt werden. Denn auch bei solchen Leiden, die rein körperlicher Art sind, kommt es sehr darauf an, welche Einstellung wir haben zu dem, was uns betroffen hat.
2. Viele neuere Ärzte empfehlen heute „Entspannung“ und „Autosuggestion“. Die wirkliche Entspannung wird aber nur aus konsequenter Loslösung und völligem Gottvertrauen gewonnen. Dem Gottgläubigen lösen sich von selber alle geistigen und körperlichen Verkrampfungen und irdischen Fesseln. Die Formel von Coué würde er so sagen können: Im Aufblick zum Größten Namen und im Gehorsam gegen Seine Gebote „geht es mir von Tag zu Tag und in jeder Beziehung besser und immer besser“.
3. Bahá’u’lláh sagt: „O Kinder der Begierde! Leget das Gewand der Selbstverherrlichung ab und entledigt euch des Tandes des Hochmutes.“ Also Begierde und Selbstverherrlichung werden zusammen genannt. Das will uns doch wohl sagen, daß im Grunde alle Ichverherrlichung und Ichsucht aus der fleischlichen Sphäre stammt. Wir müssen diese erst ganz beherrschen lernen, wenn wir von der Selbstsucht befreit sein wollen.
4. Nervosität ist, ethisch betrachtet, chronische Lieblosigkeit, Unglaube, der ins Blut übergegangen ist. Alle Neurastheniker haben einen schweren und meistens langen Kampf durchzumachen, bevor sie geistig werden können. Ihnen besonders gilt der Anruf: „Fürchte dich nicht!“, der in der Bibel 300 mal vorkommen soll. Wenn aber die Herrschaft über die empfindlichen Nerven errungen ist, so ist damit meistens eine besonders gute Stufe für allen Dienst innerhalb bestimmter Grenzen erklommen. Leben nach den Worten des Lebens, das ist für den Nervösen der rettende Anker! Ohne ihn ist er verloren.
5. Der Mensch, der nach geistigen Prinzipien lebt, muß eine Offenbarung des Wortes werden. „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.“ Und das andere: „Mache deine Schönheit zu meiner Speise.“ Da bekommt fast jeder einzelne sein besonderes praktisches Studium, bis er es gelernt hat, auch hier Geistiges und Körperliches in die rechte Beziehung zueinander zu bringen6).
6. „Alle Religionen sehen im menschlichen Körper eine Wohnung Gottes. Der Körper wurde uns verliehen, damit wir in Demut Gott dienen. Es ist unsere Pflicht, den Körper innerlich und äußerlich rein zu erhalten, damit wir ihn, wenn die Stunde kommt, seinem Geber im Zustand ursprünglicher Reinheit zurückgeben können“ (Gandhi)7). —
Aber noch ein Wort von ‘Abdu’l-Bahá sei erwähnt: „Es bilde sich niemand ein, er habe dadurch, daß er die äußere Herrschaft über sich gewonnen hat, nun auch die höchste Veredelung seines Charakters erlangt. Zur Erlangung dieser gehört innere Ruhe, gegründet auf das Gefühl der Sicherheit in Gottes Schutz, und der Wunsch, das Gute zu tun um des Guten willen. Der Mensch sollte sein Vergnügen darin finden, gute Taten zu verrichten; er sollte solche nicht tun, nachdem er mit einem Auge nach der Belohnung ausblickt, die sie bringen sollen.“ Auch nicht nach dem Lohn der Gesundheit. Obgleich im allgemeinen gesagt werden kann, daß ein konsequent reines und geistiges Leben mit der Zeit zur Gesundheit führt, so muß der Aufrichtige doch stets bekennen: „Laß meine Hilfe nur von Dir kommen und bringe (nur immer) mein Leben in Einklang mit Deinen Geboten.“ Wen Gott nicht heilt, der ist nicht geheilt, auch dann nicht, wenn bestimmte Mittel eine ganz bestimmte erhoffte Wirkung haben: Wenn ein Leiden uns geistige Vorteile bringt, und solange es das tut, und wenn es auch nur die Demut wäre, dann ist es besser, wir behalten dies Leiden. Leid ist ein herrliches Erziehungsmittel. Wir müssen uns nicht fürchten vor ihm.
„Ehre sei Dir, mein Gott und mein Geliebter! Dein Feuer brennt in mir, o mein Herr, und ich
fühle sein Glühen in jedem Glied meines schwachen Körpers. Jedes Organ meines Tempels
erklärt Deine Kraft und Macht.“ Ja, das ist die Wirkung des Lichtes, auch des Lichtes in uns,
daß es erleuchtet, reinigt und wärmt. Alles, was nicht von Gott ist, muß „verbrannt“ werden.
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Gott selbst ist Licht, Sein Wort ist Licht. Die Kinder des Lichtes müssen sich reinigen lassen
von aller verborgenen, heimlichen, unbewußten Unreinheit. Zuviel Selbstbeobachtung aber ist
auch ein Hemmnis. Es gibt Dinge, die dazu bestimmt sind, nicht analysiert und nicht in das
Tageslicht des Verstandes gebracht zu werden. Immer kommt es auf die rechte Weisheit an.
Buddha sagt von Seinem Jünger: „Ruheloses Grübeln hat er verworfen. Frei von jeder Unruhe
verweilt er; in seinem Innern von Frieden beseelt, läutert er seinen Geist von ruhelosem
Grübeln.“
Gott in uns als leuchtendes, wärmendes, reinigendes Licht. Aber „Gott, einzig und allein, wohnt an Seinem eigenen Ort, der über Raum und Zeit, Erwähnung und Äußerung, Zeichen, Beschreibung und Erklärung, Höhe und Tiefe heilig ist“. Er verbindet sich, wenn er in uns wohnt, nicht mit der Materie. Dann würde ja das Göttliche mit sterben, wenn der Leib vergeht. Oder der Leib müßte unsterblich werden, wenn der Geist ins ewige Reich eintritt. In den „Sieben Tälern“ heißt es: „Hüte Dich wohl, dieser Erklärung die Deutung der Vermenschlichung Gottes zu geben oder darin einen Abstieg der Welten des wahren Gottes auf die Ebene der Geschöpfe zu sehen, denn Er ist in Seinem Wesen erhaben über Aufstieg und Abstieg, Eintritt und Austritt. Nie war und wird Er an die Eigenschaften der Geschöpfe gebunden. Niemand hat Ihn begriffen, und nichts kann Sein Wesen erfassen. Alle Weisheit wird Irrung im Tal Seines Wissens, und alle Auserwählten werden verwirrt, wollen sie Sein Wesen begreifen.“
Gott in uns. Gott war in den Herzen auch zur Zeit Christi, zur Zeit Muhammeds. Was ist es nun um die Gegenwart Gottes im Menschenherzen in diesen unsern Tagen? In einem muhammedanischen Fastengebet heißt es: „O mein Gott, ich flehe zu Dir durch Dein Bahá mit seinem Abhá, und all Dein Bahá ist Bahi (d. h. erleuchtend). O Gott, ich flehe zu Dir durch all Dein Bahá.“ „Bahá ist der Name des Geoffenbarten im Menschen für die Menschheit. Abha dagegen ist der Name der Offenbarung in seiner himmlischen und geistigen Sphäre.“ „El Abha ist der größte Name Gottes, der in diesem Zeitalter geoffenbart wird.“ Das sind Erklärungen ‘Abdu’l-Bahá’s. Und Er sagt weiter: „Rufe Bahá um Hilfe an, denn Er ist der belebende Geist dieses Zeitalters.“ Und im Tablet an Ahmad heißt es: „Wahrlich, Gott hat für jeden, der dies Tablet spricht, die Belohnung für hundert Märtyrer und einen Dienst in dieser und in der nächsten Welt bestimmt.“ Das will eine Freudigkeit, ein Entzücken, eine Seligkeit bedeuten, die nie vorher dagewesen ist. O wohl den aufrichtigen Dienern, denen der Lobpreis Seines größten Namens gelingen wird oder gelungen ist. „Einer der größten Apostel Christi war Petrus, aber trotzdem wurde er vor der Kreuzigung Christi von Furcht befallen, während in dieser Sache Tausende von Seelen ihr Leben auf dem Pfade des „Größten Namens“ singend, tanzend und händeklatschend hingaben und so der Stadt des Märtyrertums zueilten8).“ Mit tiefer Ehrfurcht und leiser Sehnsucht schauen wir nach den Männern und Frauen, die diesen heldenhaften Weg gegangen sind — nach Nabíl’s Erzählung. Das ist die völlige Reinheit des Herzens, die Verwirklichung des höchsten Glanzes, des reinsten Lichtes, der höchsten Gewißheit, wovon uns in dieser neuen Apostelgeschichte erzählt wird. Wer sind wir, die wir nach solchen Idealen hinschauen, wir mit unserm halben Herzen, unserer steten Vorsicht und Rücksicht, unserer Sorge um Kind und Besitz. Gewiß sollen wir größte Rücksicht und Liebe üben und unsere Grenzen nicht überschreiten, aber daneben soll auch die äußerste Treue stehen, die Treue gegen den erhabenen Herrn im Himmel und gegen den, den wir die universale Manifestation und die „höchste Schönheit“, den „Geist der Wahrheit“ nennen. Ja, angesichts solcher Verheißungen und solcher Beweise von Aufrichtigkeit können wir nur demütig schweigen und von Herzen bitten: „Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben9)!*
„Hierdurch bezeuge ich, daß in Deiner Hand die Führung aller Dinge liegt, daß Du dieselben
änderst nach Deinem Willen und daß es außer Dir keinen Gott gibt, denn Du bist der Eine, der
Allmächtige, der Getreue. Du bist der, der durch Seine Gebote die Unehrlichen zur höchsten Stufe
der Ehrlichkeit führt... Es gibt keinen Gott außer Dir, Du bist der Köstlichste, der Edelste!“
Den Demütigen gibt er Gnade. Darum wollen wir in aller Demut außerordentlich dankbar sein,
denn Gott selbst ist es, der unsere Herzen zum größten Führer geleitet hat, zum göttlichen
Erzieher und „Herzensgestalter"10). „Er ist der Vortrefflichste aller Schöpfer“
und „erhöhet um Stufen, wen Er will“.
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In Bahá’u’lláh haben wir das Gottes- und Zeitbewußtsein des zeitgemäßen Menschen, des wahrhaften und vergeistigten Christen. Dieser wird auch „seinen Herrn erkennen“, wenn er gerufen wird. Daran ist kein Zweifel. Er wird das Wort verstehen: „Wandere immer fort zum Königreich Bahá’u’lláh’s hin. Erwähne immer in deinem Herzen Bahá’u’lláh, bedenke, vor deinem Herzen steht Bahá’u’lláh, in deinem Herzen ist Bahá’u’lláh, in deiner Seele ruht Bahá’u’lláh.“
Gott in uns — Bahá’u’lláh in uns. So erlebt der einzelne heute Gott, Gott und das zweite Kommen Christi.
Die wahrnehmende, erfahrene Seele ist scharfsichtig, weitblickend und wissend. Sie ist sich dessen bewußt, daß sie geliebt wird und wie der Fortschritt zustande kommt, daß es nicht ohne Schwierigkeiten geschieht. Sie horcht auf die Stimme aus der Höhe und ihr Bemühen um Vervollkommnung und ihre Liebesbetätigung haben keinerlei Beschränkung und Begrenzung. Sie hat keine Ruhe, bis jeder Menschenbruder, der ihr begegnet, getröstet heimgeht, auch der Gegner, der Böswillige, der erblich Belastete, der Entartete, der sogenannte Hoffnungslose. Jedem will sie irgendwie helfen. Sie ist ganz frei von Vorurteilen, insbesondere von den „Vorurteilen der Nationen“. So ist die Gabe Gottes für dies Zeitalter, und so findet der Mensch von heute Zuflucht und Bestätigung am Hofe des Barmherzigen.
„Sprich: Ich nehme Zuflucht zum Herrn der Menschen. Zum König der Menschen. Zum Gott der Menschen. Vor dem Übel des entfliehenden Einflüsterers. Der in die Brust des Menschen flüstert. Vor Geistern und Menschen“ (Koran, Sura 114).
„Liebe ist die Erfüllung alles Geistigen“, seine höchste Ausreifung, seine Krönung. Die herrlichsten Hymnen auf die Liebe haben wir insbesondere von ‘Abdu’l-Bahá. Wir wollen sie aber nicht deklamieren, sondern verwirklichen, üben. Liebe ist viel mehr als bloß so ein wenig Freude machen: Liebe ist ein schöner, aber schwerer Dienst, sie ist göttlich, wir sollten das Wort nicht so leicht in den Mund nehmen. Eine Vorstufe der Liebe ist das Mitleid. Wer viel unter ungeistigen Menschen leben muß — und wer wäre heute nicht in dieser Lage —, wird das niemals ohne Schaden für seine Entwicklung tun können, wenn er nicht wenigstens herzliches Erbarmen hat mit den andern, die sich von ihren Ketten nicht befreien können oder wollen. Er kommt sonst leicht in eine Stimmung der Rechthaberei, des Protestierens (wenn auch nur in Gedanken) oder gar in ausgesprochene Menschenverachtung — auf diesem Boden kann die Entwicklung zur Liebe niemals gedeihen! Wer es weiß, wie langsam bei ihm selber der Fortschritt kam, wie alles zeitweise aufgehalten wurde durch unscheinbare Kleinigkeiten, der wird auch Geduld und Verständnis haben für die Entwicklung des andern. Mitleid haben heißt aber Mit-Leiden, bloße Gefühle sind nichts wert. „Ich heilige mich selbst für sie“, das ist der einzig mögliche Weg. Da wird die Liebe zu Gott zur Menschenliebe!
„Wir bitten Gott, daß wir von dem lebengebenden Wasser des Himmels empfangen und von dem geistigen Kelch der Ruhe trinken dürfen, damit wir von allem befreit werden, was uns hindern könnte, uns Seiner Liebe zu nähern.“
„So lasset uns nun fürchten, daß wir die Verheißung, einzukommen zu Seiner Ruhe, nicht versäumen und unser keiner dahinten bleibe“ (Hebräer 4, 1).
„Erschaffe in mir ein reines Herz, Du mein Herr! Erneuere in mir eine ruhige Seele, Du meine Hoffnung. Mache mich durch den Geist des Befehls fest in Deiner Sache, Du mein Geliebter! Zeige mir Deinen Pfad durch das Licht Deiner Führung, Du mein Verlangen! Gewähre, daß ich durch Deine größte Erhabenheit zu dem Himmel der Heiligkeit aufsteige, Du mein Ursprung! Mache mich glücklich, lasse die Düfte der Unsterblichkeit mich umwehen, Du Ewiger! Beruhige mich durch die Melodien der Ewigkeit, Du mein Gefährte. Beschirme mich durch die Schätze Deiner Präexistenz vor allem außer Dir, mein Gott. Beglücke mich durch die Offenbarung Deiner immerwährenden Identität, Du, der Du wirklicher bist, als ich selbst es bin, Du, der Du in meinem tiefinnersten Herzen verborgen bist“
(Bahá’u’lláh).
1) Aqdas 1.
2) Ev. Joh. 21.
3) Hiltys „Glück“, Band 3, S. 96.
4) Dies Buch ist auch für uns durchaus lesenswert.
5) Phelps S. 157.
6) In Emil Drebbers „Diätschule“ (Heft 15, S. 18) heißt es: „Die Seele ist der große Chemiker, der bei jedem Lebewesen die Umwandlung der Nahrungsstoffe in arteigenes Körpermaterial bewirkt. Wir erleichtern nur durch Befolgung der Diätgesetze dem geheimnisvollen, inneren Alchimisten seine Tätigkeit. Eine kranke, unterdrückte, verängstigte Seele kann freilich solche Umwandlung nur mangelhaft vollbringen und unter Umständen sogar die edelsten Nahrungsmittel in Gift verwandeln. Ein großer Teil der Krankheiten wird aus den Seelentiefen in die leiblichen Organe übertragen... Während heitere, wohlwollende, aufbauende Gedanken ein edles, frisches Blut erzeugen helfen, bringen feindselige, finstere, zerstörende Gedanken giftige Blut- und Säftemischungen zustande, trotz der reinsten Nahrung und der frischesten Luft.“ .
7) Man vergleiche hierzu Tolstois Worte über die Erziehung des Kindes (2 Bände bei Eugen Diedrichs).
8) In dieser Zeitschrift, IX, S. 132.
9) Man bedenke aber auch die Mahnung in Sprüche 20, 25.
10) Koran.
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