Sonne der Wahrheit/Jahrgang 14/Heft 4/Text

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SONNE

DER

WAHRHEIT
 
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI
 
HEFT 4 14. JAHRGANG JUNI 1934
 


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Die Bahá’i-Lehre,[Bearbeiten]

die Lehre Bahá’u’lláhs erkennt in der Religion die höchste und reinste Quelle allen sittlichen Lebens.

Die Ausdrucksformen des religiösen Lebens des Einzelnen, ganzer Völker und Kulturkreise haben im Laufe der Geschichte entsprechend den jeweils anderen Verhältnissen und dem Wachstum des menschlichen Erkenntnisvermögens Wandlungen erfahren. Die äußeren Gesetze und Gebote aller Weltreligionen entsprachen immer den entwicklungsgeschichtlich gegebenen Erfordernissen in bezug auf den Einzelnen, die soziale Ordnung und das Verhältnis zwischen den Völkern. Alle Religionen beruhen aber auf einer gemeinsamen, geistigen Grundlage. „Diese Grundlage muß notwendigerweise die Wahrheit sein und kann nur eine Einheit, nicht eine Mehrheit bilden.“ ('Abdu'l-Bahá.) „Die Sonne der Wahrheit ist das Wort Gottes, von dem die Erziehung der Menschen im Reich der Gedanken abhängig ist.“ (Bahá’u’lláh.) Alle großen Religionsstifter waren Verkünder des Wortes Gottes entsprechend der Fassungskraft und Entwicklungsstufe der Menschen. Das Wesen der Religion liegt darin, im Bewußtwerden der Abhängigkeit des Menschen von der Wirklichkeit Gottes Seine Offenbarer anzuerkennen und nach Seinen durch sie übermittelten Geboten zu leben.

Die Bahá’i-Lehre bestätigt und vertieft den unverfälschten und unwandelbaren Sinn und Gehalt aller Religionen von neuem und zeigt darüber hinaus die kommende Weltordnung auf, welche die geistige Einheit der Menschheit zur Voraussetzung haben wird. Die in ihr zum Ausdruck kommende Weltanschauung steht mit den Errungenschaften der Wissenschaft ausdrücklich in Einklang.

Die Lehre Bahá’u’lláhs enthält geistige Grundsätze und Richtlinien für eine harmonische Gesellschafts-, Staats- und Wirtschaftsordnung. Sie beruhen auf dem Gedanken der natürlich gewachsenen, organischen Einheit jedes Volkes und der das Völkische übergreifenden geistigen Einheit der Menschheit. Den Interessen der Volksgemeinschaft sind die Sonderinteressen des Einzelnen unterzuordnen, denn nur die Gesamtwohlfahrt verbürgt auch das Wohl des Einzelnen.

Wie jede Religion, so wendet sich auch die Bahá’i-Lehre an die Herzensgesinnung des Menschen, um die religiösen Kräfte in den Dienst wahren Menschentums zu stellen. Sie erstrebt die Höherentwicklung der Menschheit mehr durch die Selbsterziehung des Einzelnen als durch äußerlich-organisatorische Maßnahmen. Der Bahá’i hat sich daher über seine ernst aufgefaßten staatsbürgerlichen Pflichten hinaus nicht in die Politik einzumischen, sondern sich zum Träger der Ordnung und des Friedens im menschlichen Gemeinschaftsleben zu erheben. Bahá’u’lláhs Worte sind: „Es ist euch zur Pflicht gemacht, euch allen gerechten Regenten ergeben zu zeigen und jedem gerechten König eure Treue zu beweisen. Dienet den Herrschern der Welt mit der höchsten Wahrhaftigkeit und Treue. Zeiget ihnen Gehorsam und seid ihre wohlwollenden Freunde. Mischt euch nicht ohne ihre Erlaubnis und Zulassung in politische Dinge ein, denn Untreue gegenüber dem Herrscher ist Untreue gegenüber Gott selbst.“

Bahá’u’lláh weist den Weg zu einer befriedeten, im Geiste geeinigten Menschheit. Ein alle Staaten umfassender Bund in ihrer Eigenart entwickelter und unabhängiger Völker auf der Grundlage der Gleichberechtigung, ausgestattet mit völkerrechtlichen Vollmachten und Vollstreckungsgewalten gegenüber Friedensstörern, soll die übernationalen Interessen aller Völker der Erde in völliger Unparteilichkeit und höchster Verantwortung wahrnehmen. Zwischenstaatliche Konflikte sind durch einen von allen Staaten beschickten Weltschiedsgerichtshof auf friedlichem Wege beizulegen.

Die geistige Wesensgleichheit aller Menschen und Völker erheischt einen organischen Aufbau der sozialen Weltordnung, in der jedem seine einzigartige, besondere Eingliederung und Aufgabe zugewiesen ist. Die geographischen, biologischen und geschichtlichen Gegebenheiten bedürfen im Gemeinschaftsleben der Völker immer einer besonderen Beachtung, ohne die sie umschließende Einheit im Reiche des Geistes aus den Augen zu verlieren.

Die Lehre Bahá’u’lláhs „ist in ihrem Ursprung göttlich, in ihren Zielen allumfassend, in ihrem Ausblick weit, in ihrer Methode wissenschaftlich, in ihren Grundsätzen menschendienend und von kraftvollem Einfluß auf die Herzen und Gemüter der Menschen“.


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SONNE DER WAHRHEIT
Organ der deutschen Bahá’í
Verantwortlich für die Herausgabe: Dr. Eugen Schmidt, Stuttgart-W, Reinsburgerstraße 198
Schriftleitung: Dr. Adelbert Mühlschlegel, Dr. Eugen Schmidt, Alice Schwarz-Solivo
Verwaltung: Paul Gollmer Begründet von Alice Schwarz-Solivo
Preis vierteljährlich 1.80 Reichsmark, im Ausland 2.– Reichsmark
Heft 4 Stuttgart, im Juni 1934
Nur – Licht
14. Jahrgang

Inhalt: Nabíl’s Erzählung: Der Báb erklärt Seine Sendung. — Die Bahá’i-Sommerwoche 1933. — Bericht über eine frühe Pilgerreise aus dem Jahr 1898. — Ein Urteil über den Einfluß der Bahá’i-Bewegung. — Bahá’i-Sommerwoche 1934.


O Sohn des Seins! Dein Herz ist Meine Wohnstätte; heilige es für Mein Kommen. Dein Geist ist Mein Ausblick, reinige ihn für Meine Offenbarung.

Verborgene Worte von Bahá’u’lláh



Nabíl’s Erzählung[Bearbeiten]

Übersetzung von Dr. E. Sch. aus „The Dawn-Breakers“, Nabíl’s Narrative of the early days of the Bahá’i Revelation, New York 1932

(Fortsetzung 3. Kapitel: Der Báb erklärt Seine Sendung)


Ich war sehr überrascht und bemerkte höflich: „Derjenige, dessen Erscheinen wir erwarten, ist ein Mensch von unübertroffener Heiligkeit und die Sache, die Er offenbaren soll, ist eine Sache von gewaltiger Macht. Die Erfordernisse, welche derjenige, der ihre sichtbare Verwirklichung zu besitzen beansprucht, notwendigerweise erfüllen muß, sind zahlreich und verschiedenartig. Wie oft hat Siyyid Kázim auf die Unbegrenztheit des Wissens des Verheißenen hingewiesen! Wie oft sagte er, ‚mein eigenes Wissen ist nur ein Tropfen verglichen mit jenem, mit dem Er ausgestattet ist. Alle meine Erkenntnis ist nur ein Dunst angesichts der Unermeßlichkeit Seines Wissens. Nein, der Abstand ist unmeßbar!'“ Kaum waren diese Worte über meine Lippen gekommen, als eine Furcht und Reue mich ergriff, so sehr, daß ich sie weder verbergen noch erklären konnte. Ich klagte mich bitterlich an und nahm mir in diesem selben Augenblick vor, meine Haltung zu ändern und meine Worte zu mildern. Ich gelobte Gott, daß, wenn mein Gastgeber wieder darauf zu sprechen kommen sollte, ich mit der größten Demut antworten und sagen würde: „Wenn du geneigt bist, deinen Anspruch darzulegen, wirst du mich ganz sicher aus der Unruhe und dem Zweifel befreien, welche meine Seele so schwer bedrücken. Ich werde diese Erlösung wahrlich dir zu verdanken haben.“ Als ich mein Suchen begann, hielt ich mich an zwei Hauptwerke, an Hand deren ich die Wahrheit erforschen konnte, wer auch immer den Anspruch erheben mochte, der verheißene Qá’im zu sein. Das erste war eine Abhandlung, welche ich selbst verfaßt hatte und die sich auf die von Shaykh Ahmad und Siyyid Kázim vorgebrachten, schwer verständlichen und geheimnisvollen Lehren bezieht. Wer auch imstande zu sein schiene, die in dieser Abhandlung enthaltenen, geheimnisvollen Andeutungen zu enträtseln, dem würde ich gleich darauf meine zweite Bitte unterbreiten und ihn auffordern, ohne das geringste Zögern oder Nachdenken eine Erklärung [Seite 26] der Sure von Joseph zu geben, in einer von den üblichen, zeitgenössischen Schriften erheblich abweichenden Ausdrucksweise und Sprache. Ich hatte zunächst Siyyid Kázim insgeheim darum gebeten, über diese Sure eine Erklärung zu schreiben, was er mit den Worten ablehnte: „Das liege mir wahrlich ferne. Er, jener Große, welcher nach mir kommt, wird ungebeten ihren Sinn dir enthüllen. Jene Erklärung wird zu einem der bedeutendsten Zeugnisse für Seine Wahrheit und einem der klarsten Beweise der Erhabenheit Seiner Stellung werden.“

„‚Ich dachte über diese Dinge in meinem Innern nach, als mein einzigartiger Gastgeber wieder bemerkte: „Hör aufmerksam zu. Könnte nicht die von Siyyid Kázim gemeinte Person niemand anders sein als Ich?“ Hierauf fühlte ich mich gedrängt, Ihm eine Abschrift der Abhandlung zu überreichen, welche ich bei mir hatte. „Willst du“, fragte ich Ihn, „dieses Buch von mir lesen und auf seine Seiten mit nachsichtigen Augen schauen? Ich bitte dich, meine Schwachheiten und Fehler zu übersehen.“ Er erfüllte freundlich meinen Wunsch, öffnete das Buch, blickte flüchtig auf einige Seiten, schlug es zu und begann, sich an mich zu wenden. Innerhalb weniger Minuten hatte Er mit auffallender Deutlichkeit und Formvollendung alle seine Geheimnisse enthüllt und seine Probleme gelöst. Nachdem Er innerhalb kurzer Zeit die Aufgabe, die ich Ihm zu stellen gedacht, zu meiner vollsten Zufriedenheit gelöst hatte, erklärte Er mir ferner einige Wahrheiten, welche weder in den berichteten Reden der Imáme des Glaubens noch in den Schriften von Shaykh Ahmad und Siyyid Kázim zu finden waren. Diese Wahrheiten, welche ich nie zuvor gehört hatte, schienen erquickendes Leben und Kraft zu enthalten. „Wärest du nicht Mein Gast gewesen,“ bemerkte Er nachher, „wäre deine Lage in der Tat eine drückende gewesen. Die allumfassende Gnade Gottes hat dich errettet. Es liegt an Gott, Seine Diener zu prüfen, und nicht an Seinen Dienern, Ihn nach ihren unzureichenden Werken zu beurteilen. Könnte Ich deine Verwirrung nicht 1ösen, würde dadurch die Wirklichkeit, welche durch Mich erscheint, als machtlos bezeichnet oder Mein Wissen der Unvollkommenheit geziehen werden können? Nein, bei der Gerechtigkeit Gottes! an diesem Tage geziemt es den Völkern und Nationen des Ostens und des Westens, an diese Schwelle zu kommen und hier darnach zu streben, die wiederbelebende Gnade des Barmherzigen zu empfangen. Wer auch immer zögern mag, wird sich in der Tat in drückender Ungewißheit befinden. Bezeugen nicht die Völker der Erde, daß der Hauptzweck ihrer Erschaffung die Erkenntnis und Liebe Gottes ist? Es tut ihnen not, sich ebenso wie du eifrig und aus eigenem Antrieb zu erheben und mit Entschiedenheit und Beständigkeit ihren verheißenen Geliebten zu suchen.“ Er fuhr mit folgenden Worten fort: „Jetzt ist die Zeit gekommen, um die Erklärung der Sure von Joseph zu enthüllen.“ Er griff nach Seiner Feder und offenbarte mit unglaublicher Schnelligkeit die ganze Sure von Mulk im ersten Kapitel Seiner Erklärung der Sure von Joseph. Der überwältigende Eindruck der Art und Weise, wie Er schrieb, wurde durch den weichen Ausdruck Seiner Stimme, welche Seine Niederschrift begleitete, gesteigert. Nicht einen Augenblick unterbrach Er die Flut der Verse, welche aus Seiner Feder floßen. Nicht ein Mal setzte Er aus, bis die Sure von Mulk zu Ende war. Ich fand mich durch das Magische Seiner Stimme und die starke Wucht Seiner Offenbarung hingerissen. Schließlich erhob ich mich nur sehr ungern von meinem Sitz, und bat, mich verabschieden zu dürfen. Lächelnd bat Er mich, sitzen zu bleiben und sagte: „Wenn du in einem solchen Zustande weggehst, wird, wer dich auch sehen mag, sicherlich zu dir sagen: ‚Dieser arme, junge Mensch hat seinen Verstand verloren‘". In diesem Augenblick zeigte die Uhr zwei Stunden und elf Minuten nach Sonnenuntergang. Diese Nacht, der Vorabend des fünften Tages des Jamádíyu’l-Avval, im Jahre 1260 A.H. stimmt mit dem Vorabend des fünfundsechzigsten Tages nach Nawrúz überein, welcher also der Vorabend des sechsten Tages von Khurdád des Jahres Nahang war. „Diese Nacht,“ erklärte Er, „ja diese Stunde, wird in kommenden Tagen als eines der größten und bedeutendsten aller Feste gefeiert werden. Danke Gott, daß Er dir gnädig beigestanden hat, um deines Herzens Sehnsucht zu erfüllen, und daß Er dir von dem versiegelten Wein Seiner Sprache zu trinken gegeben hat. ‚Wohl denen, die dazu gelangen‘.“

„‚Drei Stunden nach Sonnenuntergang ließ mein Gastgeber das Mahl auftragen. Der gleiche äthiopische Diener erschien wieder und breitete vor uns die auserlesensten Speisen aus. Dieses heilige Mahl belebte meinen Körper und meine Seele in gleicher Weise. In der Gegenwart meines Gastgebers glaubte ich, in dieser Stunde von [Seite 27] den Früchten des Paradieses zu essen. Ich konnte nicht umhin, das Benehmen und die ergebene Höflichkeit dieses äthiopischen Dieners zu bewundern, dessen ganzes Wesen durch den wiederbelebenden Einfluß seines Meisters verwandelt schien. Ich erkannte hier zum erstenmal die Bedeutung der bekannten, Muhammad zugeschriebenen, Aussage: „Ich habe für die Frommen und Rechtschaffenen unter Meinen Dienern vorbereitet, was noch kein Auge sah, noch kein Ohr hörte und noch kein menschliches Herz fassen konnte.“ Wenn mein jugendlicher Gastgeber keinen anderen Anspruch auf Größe erheben würde, so wäre dies genug —, daß Er mich mit einer liebevollen Gastfreundschaft und Herzensgüte aufnahm, von der ich überzeugt war, daß sie wohl keinem andern Menschen möglich gewesen wäre.

„‚Ich saß gebannt durch seine Worte, vergaß Zeit und jene, welche mich erwarteten. Plötzlich erweckte mich der Ruf des Muadhdhin, der die Gläubigen zu ihrem Morgengebet aufrief, aus der Verzückung, die sich meiner offenbar bemächtigt hatte. All die Freuden, all die unaussprechlichen Herrlichkeiten, von welchen der Allmächtige in Seinem Buche als den unschätzbaren Gütern des Volkes des Paradieses spricht, schien ich in dieser Nacht zu erleben. Mich dünkt, ich war an einem Ort, von dem man wahrlich sagen konnte: „Hier erreicht uns keine Beschwerde und hier berührt uns keine Müdigkeit;" „Keine unnütze Rede werden sie hier hören, noch irgend eine Unwahrheit, sondern nur den lauten Ruf: ‚Friede! Friede!‘;“ „Ihr Ausruf wird hier sein: ‚Preis sei Dir, o Gott!‘ und ihr Gruß: ‚Friede!‘ und der Schluß ihres Rufes: ‚Ehre sei Gott, dem Herrn aller Geschöpfe!‘“ (Zitate aus dem Qur’án.)

„‚Der Schlaf ist in jener Nacht von mir gewichen. Ih war durch den Wohlklang dieser Stimme, die, während Er sang, an- und abschwoll, gefesselt. Als Er die Verse des Qayyúmu’l-Asmá’ (Bábs Erklärung der Sure von Joseph) offenbarte, hob sich Seine Stimme, die wieder in himmlisch-zarte Klänge überging, als Er die Gebete offenbarte. Am Ende jedes Anrufes wiederholte Er folgenden Vers: „Fern von der Herrlichkeit deines Herrn, des Glorreichen, sei das, was Seine Geschöpfe von Ihm bezeugen! Und Friede sei auf Seinen Gesandten! Und gepriesen sei Gott, der Herr aller Wesen!“ (Qur’án 37: 180.)

„‚Er richtete dann die Worte an mich: „O du, der du als Erster an Mich glaubst! Wahrlich, ich sage, Ich bin der Báb, das Tor Gottes, und du bis der Bábu’l-Báb, das Tor dieses Tores. Achtzehn Seelen müssen am Anfang aus freiem Willen und in Übereinstimmung mit sich selbst Mich annehmen und die Wahrheit Meiner Offenbarung erkennen. Ohne daran erinnert zu werden und unaufgefordert muß jede von ihnen unabhängig suchen, um Mich zu finden. Und wenn ihre Zahl voll ist, muß eine von ihnen bestimmt werden, die Mich auf Meiner Pilgerfahrt nach Mekka und Medina begleitet. Dort werde ich die Botschaft Gottes dem Sharif von Mekka überbringen. Ich werde dann nach Kúfih zurükkehren, wo Ich im Masjid dieser heiligen Stadt Seine Sache wieder offenbaren werde. Es ist euch zur Pflicht gemacht, weder irgend einem eurer Begleiter noch irgend einem anderen Menschen davon Kenntnis zu geben, was ihr gesehen und gehört habt. Ihr sollt euch in dem Masjid-i-Ilkháni dem Gebet und dem Lehren widmen. Ich aber werde Mich mit euch hier in gemeinsamem Gebet vereinigen. Achtet darauf, damit nicht durch eure Haltung Mir gegenüber das Geheimnis eures Glaubens offenkundig wird. Ihr sollt in eurem Tun fortfahren und diese Haltung bis zu unserer Abreise nach Hijáz*) bewahren. Bevor wir abreisen, werden wir jeder der achtzehn Seelen ihre besondere Aufgabe zuweisen und sie hinaussenden, um ihren Auftrag auszuführen. Wir werden sie unterrichten, das Wort Gottes zu lehren und die Seelen der Menschen zu erwecken.“ Als Er diese Worte zu mir gesprochen hatte, entließ Er mich aus Seiner Gegenwart. Er begleitete mich bis zu dem Tor des Hauses und befahl mich dem Schutz Gottes an.

„‚Diese Offenbarung, die so plötzlich und ungestüm auf mich hereinstürzte, kam wie ein Blitzstrahl, der eine Zeitlang meine Sinne betäubt zu haben schien. Ich war geblendet durch die strahlende Herrlichkeit und überwältigt durch ihre bezwingende Kraft. Erregung, Freude, Ehrfurcht und Staunen rüttelte das Innerste meiner Seele auf. Unter diesen Erregungen herrschte ein Gefühl der Freude und Kraft vor, welches mich verwandelt zu haben schien. Wie schwach und unfähig, wie niedergeschlagen und mutlos hatte ich mich vorher gefühlt! Denn ich konnte weder schreiben noch gehen, so zitterten meine Hände und Füße. Jetzt jedoch hatte das Wissen von dieser Offenbarung mein Wesen elektrisiert.“

(Fortsetzung folgt.)


*) Hedschas


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Die Bahá’i-Sommerwoche 1933[Bearbeiten]

Wir bringen heute als weitere Folge unserer Berichte über die Eßlinger Bahá’i-Sommerwoche 1933 eine kurze Inhaltsübersicht von dem dritten Kurs „Das Leben und Gott“. Auch dieser reiht sich wie die beiden in den vorausgegangenen Nummern behandelten Kurse in das Hauptthema „Das Leben des Menschen im Lichte der Bahá’i-Lehre“ ein.


Kurs II: Das Leben und Gott.

Von Dr. H.G.

Die Beziehung von Gott zum Menschen ist die des Schöpfers zum Geschöpf. In all den Wechselfällen des Lebens ersteht immer wieder die Frage: „Warum?“ Warum hat der Schöpfer dies alles, was mein Leben und Erleben ausmacht, geschaffen, warum hat er es so und nicht anders geschaffen?

Die Frage nach dem Grund, dem „Warum“ der Schöpfung läßt sich nicht vom Standpunkt des Menschen, sondern nur von dem, unserem menschlichen Fassungsvermögen unfaßbaren, Standpunkt Gottes aus beantworten. Er ist eine gegebene Tatsache und kommt in den folgenden Worten zum Ausdruck: „Ich war ein verborgener Schatz und begehrte erkannt zu werden“, und: „O Menschensohn! Dich zu erschaffen machte Mir Freude, daher erschuf Ich dich.“ (Bahá’u’lláh.)

Näher als das „Warum“ liegt unserem Begreifen das „Wie“, da wir aus der Beobachtung des Erschaffenen heraus forschen und unsere Schlüsse ziehen können. Der schöpferische Zeugungsakt wird durch das Wort Bahá’u’lláh’s ausgedrückt: „Verhüllt in Meinem unvordenklichen Wesen und in Meinem ewigen Sein fühlte Ich Meine Liebe zu dir: deshalb erschuf Ich dich, verlieh dir Mein Ebenbild und offenbarte dir die Schönheit Meines Angesichtes.“ Hierin liegt zugleich der Logosgedanke der alten Philosophen.

Der Logos (im Sinne der alten Philosophen) stellt das schöpferische Prinzip dar und umfaßt die Dreiheit „Plan, Wille und Tat“. Ohne Plan verliert die Tat ihren Sinn. Ohne den vollführenden Willen vermag der Plan nicht zur Tat zu werden. Aus dem Zusammenwirken aber von Plan und Willen vermag die Tat als vollendete Frucht zu erwachsen. Alles menschliche Planen ist unvollkommen im Verhältnis zum göttlichen Plan, weil unsere Erkenntnis zu klein ist, um mehr als nur einen Abglanz des göttlichen Planes zu erfassen. Darum ist menschliches Planen so oft im Widerspruch zum göttlichen Plan und darum auch die menschliche Tat oft entgegen der göttlichen Ordnung. Erst indem wir lernen, ganz dem göttlichen Willen zu gehorchen, wird der göttliche Plan durch uns zur vollendenden Tat werden. So sagt denn Bahá’u’lláh: „Alles außer Ihm wurde durch ein Wort, das von Ihm ausging, erschaffen, und es gibt bei allem Erschaffenen weder Bewegung noch Ruhe, die nicht von Seinem Befehl und Seiner Erlaubnis herrührt.“ So führt uns der Gedanke vom Logos zum Erleben der Einheit der Welt in Gott. „Die Einheit in ihrem wahren Sinn bedeutet, daß Gott allein als die einzige Macht gedacht werden soll, die alle Dinge belebt und beherrscht, die ja nur Offenbarungen Seiner Schöpferkraft sind.“ (Bahá’u’lláh.) Eine solche Betrachtungsweise überwindet den Dualismus, die Gespaltenheit zwischen Gott und dem Geistigen einerseits und dem Materiellen andrerseits. Indem wir den ewig unveränderlichen Ruhepol in der Wirklichkeit Gottes, in der Materie dagegen nur Seine zeitgebundene, veränderliche Äußerung sehen, erhält unser Streben ein festbleibendes Ziel, das es ihm ermöglicht, nicht mehr haltlos zwischen der geistigen Wirklichkeit und der Materie hin und her zu pendeln, sondern unentwegt den Weg zu Gott zu gehen.

Die Beziehung Gottes zum Menschen als diejenige des Schöpfers zum Geschöpf schließt zweierlei in sich: daß Gott zum Menschen und der Mensch zu Gott kommt. Diese Voraussetzung faßt Bahá’u’lláh in das Wort: „O Sohn des Seins! Liebe Mich, damit Ich dich liebe. Wenn du Mich nicht liebst, kann Meine Liebe niemals zu dir gelangen. Merke dir dies, o Diener!“

Liebe im schöpferischen Sinne aber ist das große Prinzip der Anziehung, der Verbindung, in der die Anziehung ihre Vollendung findet, und des Lebens, das aus der Verbindung entspringt. Wenn also der Schöpfer der eine Pol des Magneten der Liebe ist, so müssen wir uns bewußt zum anderen Pol machen, damit der Logoswille den göttlichen Plan in uns Tat werden lasse.

Immer aber müssen wir uns bewußt bleiben, daß es nicht die Wirklichkeit Gottes ist, die zu den Menschen kommt, denn: „Gott einzig und allein wohnt an Seinem eigenen Ort, der über Raum und Zeit, Erwähnung und Äußerung, Zeichen, Beschreibung und Erklärung, Höhe und Tiefe heilig ist.“ (Bahá’u’lláh.) Das, was zu den [Seite 29] Menschen kommt, sind die Äußerungen Gottes, Seine Liebe und Sein Geist.

Aus der Doppelbeziehung zwischen den beiden Polen der Liebe, Gott und Geschöpf, ergibt sich indessen noch nicht, daß das Geschöpf die Macht hat, diese Beziehung nach seinem eigenen Willen lebendig werden zu lassen, denn Gott kommt zu wem Er will: „Ruhm sei Dem, Der zu Seinem Pfad hinführt, wen Er will... Ruhm sei Dem, Der lebendig macht, wen Er will, in- dem Er spricht ‚Sei‘ — und es ist! Ruhm sei Dem, Der jene zum Himmel der Gunst erhebt, die Er will und erniedrigt von ihnen, welche Er will, wie es Ihm gut dünkt!“ (Bahá’u’lláh.) Hierin liegt keine Willkür, nur vermag unsere beschränkte menschliche Erkenntnis oft das hierin waltende Gesetz nicht zu erkennen.

Trotzdem vergißt Gott keines Seiner Kinder: „Wahrlich, Er antwortet denen, die zu Ihm flehen, und Er ist denen nahe, die zu Ihm beten. Er ist dein Gefährte in jeder Einsamkeit und erweist dir Freundschaft in jeder Verbannung.“ (Bahá’u’lláh.) „Die Himmel Deiner Gnade und die Meere Deiner Güte sind so weit, daß Du niemals die enttäuschst, die willens waren, zu Dir zu kommen.“ (‘Abdu’l-Bahá.)

Es liegt oft an uns selbst, wenn Gott nicht so zu uns kommen kann, wie wir es wünschen, weil unser Wünschen oft im Gegensatz zum Möglichen oder Gegebenen, d. h. im Widerspruch zum Logosplane steht.

Des Menschen Weg zu Gott vergleicht Bahá’u’lláh mit einer Wanderung durch sieben Täler. Das erste Tal ist das Tal des Begehrs. Es ist die Voraussetzung für alle geistige Aufwärtsentwicklung, und ‘Abdu’l-Bahá sagt: „Nur der Durstige ist froh über ein Glas Wasser.“ Dieser Durst führt zum zweiten Tale, dem Tale der Liebe. „Wohin kann ein Liebender gehen außer in das Land seiner Geliebten? Welcher Suchende findet Ruhe fern von seines Herzens Wunsch? Einem aufrichtig Liebenden ist die Vereinigung Leben und die Trennung der Tod. Seine Brust ist voll Ungeduld und sein Herz hat keinen Frieden. Er würde sein Leben hunderttausendmal aufs Spiel setzen, um zu dem Zufluchtsort seiner Geliebten zu kommen.“ (Bahá’u’lláh.) Und doch vermag der Wanderer im Tal der Liebe in die Irre zu gehen, wenn er die Liebe nicht im Sinne des göttlichen Logosplanes, sondern nur in der Richtung seiner menschlichen Einbildung wirken läßt. Wo er sich aber der Logosliebe erschließt, wird er durch das Tal des Wissens hindurch. zu dem wundervollen Tal der Erkenntnis der Einheit gelangen, der großen Einheit allen Seins, das in Gott als dem Schöpfer ruht, von dem er, der Mensch, dienendes Teil und zugleich Teilhaber am All ist.

Drei weitere Täler schließen sich an, aber sie sind nicht mehr allein mit Worten zu schildern. Nur das reine Herz vermag sie zu erleben. Indem wir Teilhaber am All werden, geht uns im Tale des Reichtums die unermeßliche Fülle und Mannigfaltigkeit des göttlichen Schöpfungsgartens auf. Wir berauschen uns an der Fülle, aber indem wir uns daran berauschen, treten wir in das sechste Tal ein, in das Tal der Verwirrung, weil wir das alles, was wir erleben, in seinem Reichtum nicht mehr zusammenzufassen vermögen. Da werden wir still, aus allem Suchen verbleibt nur das Dienen, und so gehen wir ein zum siebenten Tal, dem Tal des vollkommenen Aufgehens, in dem wir Gott nah sind. Wir sind den Weg des Logos, der von Gott ausging und im tatgewordenen Menschen seine größte Entfernung gefunden hatte, zurückgegangen, um wieder eins zu werden mit dem Plan im neuen dienenden Menschen.

Die Mittel, Gott näher zu kommen, liegen im Gebet und im Dienen. „Das Gebet ist eine Leiter, auf der sich der Mensch zum Himmel erheben kann“ (Muhammed); „das Gebet ist der Schlüssel, mit dem die Tore des himmlischen Königreichs geöffnet werden“ (‘Abdu’l-Bahá). Der Dienst, das Dienen, ist zuerst Dienst für Gott, das Bestreben zum absoluten Gehorsam gegenüber Seinem Willen. Durch diesen Gehorsam werden wir zum Kanal, durh den der göttliche Geist hindurchströmt, und aus diesem Geiste heraus werden unsere Taten zum Dienst am Nächsten. So ist der Dienst am Nächsten der Ausfluß unseres Dienens gegenüber Gott. Das ist der tiefe Sinn des wirklichen Lebens. „Wisse, daß nichts in der Welt dich wirklich fördern kann, als Flehen und Rufen zu Gott, als Arbeit in Seinem Weinberg und Ihm in steter Dienstbereitschaft mit einem Herzen voller Liebe zu leben.“ ('Abdu'l-Bahá.)

Gottes Wege aber sind höher als Menschenwege. An uns ist das Dienen, an Gott das Erfüllen. „O Du mit Staunen nach dem Horizont der Sache Blickender! Merke Dir, daß das, was Gott wünscht, in Wirklichkeit niemals auf die von den Dienern errichteten Schranken beschränkt ist. Wahrlich, Seine Wege sind nicht ihre Wege, es ist aber allen zur Pflicht gemacht, [Seite 30] sich an Seinen allein richtigen Weg zu halten.“ (Bahá’u’lláh.)

Dieser allein richtige Weg, er ist uns vorgezeichnet in dem Wesen und Wirken und der Lehre der großen göttlichen Manifestationen, So wie schon Christus gesagt hat: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, so weist uns heutigen Menschen Bahá’u’lláh den Weg: „Die Quelle alles Wissens ist die Erkenntnis Gottes. Erhaben ist Sein Ruhm. Und diese Erkenntnis kann auf keine andere Weise erlangt werden, als durch die Erkenntnis Seiner göttlichen Manifestation.“ „Die Bemühungen aller göttlichen Lehrer“, sagt ‘Abdu’l-Bahá, „zielen darauf ab, die Menschheit so zu erziehen, daß die Seelen der Menschen die Fähigkeit erlangen, die von Gott ausgehenden Strahlen in ihrem Wesen widerzuspiegeln.“

Auch die Manifestation hat einen physischen Leib als Träger und eine mit Vernunft begabte Seele gleich dem Menschen, darüber hinaus aber wird sie zum vollkommenen Spiegel, zur Erscheinung des göttlichen Glanzes. „Der physische Zustand ist der Zustand des Menschen, der stirbt, weil er aus Elementen zusammengesetzt ist. Alles, was aus Elementen zusammengesetzt ist, muß sich unbedingt wieder auflösen und zerfallen. Aber die eigentliche Wirklichkeit der Manifestationen Gottes ist eine heilige Wirklichkeit und darum geheiligt, und sie unterscheidet sich hinsichtlich ihrer Natur und Eigenschaften von allen anderen Dingen. Sie gleicht der Sonne, die aus ihrer ureigensten Natur Licht erzeugt, und kann keinesfalls mit dem Mond verglichen werden.“ (‘Abdu’l-Bahá.) Hierin unterscheidet sich die Manifestation, der unabhängige Prophet, von den abhängigen Propheten, die in ihrem Lichte wandeln und von ihr das Licht empfangen.

Dem Wesen nach bilden alle Manifestationen eine einzige Einheit, denn ihre Natur, das, was sie vom Menschen unterscheidet, liegt eben in jenem Zustand der Erscheinung des Göttlichen, und dieser Zustand ist rein geistiger Art. Darum gibt es für ihn kein Werden und Vergehen, kein Gestern und Heute, und darum können wir auch den Begriff der Manifestation dem Wesen nach nicht in der Mehrzahl denken. Das; was verschieden ist, ist allein der menschliche Träger, der „Tempel“ der Manifestation, ist die Aufgabe, der Ausdruck und der Ort der Erscheinung. Bahá’u’lláh sagt: „eine jede Manifestation ist in einen Menschen einverleibt, hat eine besondere Sendung, ist in ihrem Erscheinen vorherbestimmt und hat feste Grenzen. So trägt jede einen Namen, der sie und ihre wunderbare Sache kennzeichnet, wie auch die neuen Gesetze, die sie vertritt... Nur wer die Geheimnisse göttlicher Rätsel kennt, begreift, daß alle diese Manifestationen einen einzigen Ursprung haben. Aber die meisten Menschen, die nur auf die Verschiedenheit der Worte dieser Wesen der Einheit achten, gehen des Friedens und der Ruhe verlustig. Wir wissen zwar, daß der Unterschied ihrer Worte von dem Unterschied ihrer Erhabenheit herrührt, doch in der Einheit und in den Höhen des Wesenhaften nennen sie diese Perlen des Daseins Autorität, Göttlichkeit, Einheit und Gleichheit ohne Unterschied. Denn sie alle thronen auf dem Herrscherstuhle göttlicher Offenbarung und sie alle weilen in den göttlichen Höhen des Unsichtbaren. Das heißt: Gott erscheint durch sie. Seine Schönheit strahlt in ihrer Schönheit, wie es ja diese Wesen der Einheit so manchesmal verkündet haben.“ (Bahá’u’lláh.)

Vielerlei sind die Beweise der Manifestation: das von ihnen geoffenbarte Buch, der Sieg ihrer Sache und ihre die Menschheit wandelnde Wirkung, überlieferte Prophezeihungen, die die Echtheit ihres Anspruchs betreffen, und Wundertaten. Die beiden letzten Beweise haben gegenüber den beiden ersten nur untergeordnete Bedeutung.



Bericht über eine frühe Pilgerreise aus dem Jahr 1898[Bearbeiten]

Von May Maxwell (Fortsetzung)


An diesem Nachmittag sprach ich aber in meinem Zimmer mit zwei Gläubigen gegen einen Bahá’i, tadelte ihn und gab also in meinem Herzen durch meine Worte dem Unrecht Raum. Als wir noch beisammen saßen, kam unser Meister von Seinem Gang zu den Armen und Kranken zurück und schickte unverzüglich nach meiner „geistigen Mutter“, Lua Getsinger, die eben bei uns war. Er sagte ihr, daß in Seiner Abwesenheit eine Seiner Dienerinnen über ein anderes [Seite 31] unfreundlich gesprochen habe und daß es Sein Herz bekümmere, daß die Gläubigen sich nicht gegenseitig liebten, oder daß sie gegen eine andere Seele sprechen. Dann gebot Er ihr, nicht darüber zu reden, sondern zu beten. Kurz darauf gingen wir zum Abendessen; mein hartes Herz erkannte seinen Irrtum nicht, bis ich in das Antlitz meines Meisters schaute; es traf mich Sein Blik so voll Güte und Erbarmen, daß ich aufs tiefste beshämt war. Denn Seine Augen sprachen in einer wunderbaren Weise zu mir; in diesem reinen und vollkommenen Spiegel sah ich meine Nichtswürdigkeit und brach in Tränen aus. Er schenkte mir eine Weile keine Beachtung und jedes fuhr mit dem Essen fort, während ich in Seiner heiligen Gegenwart saß und manche meiner Sünden mit meinen Tränen abwusch. Nach einigen Minuten wandte Er Sich mir zu und nannte meinen Namen mehrmals, als ob Er mich zu Sich riefe. Im selben Augenblick durchdrang ein solch hohes Glück meine Seele, wurde mein Herz ruhig und voll unaussprechlicher Hoffnung, daß ich mir bewußt wurde, daß Er mich von meinen Sünden befreien würde. Am nächsten Morgen versammelten wir uns, um wieder Seinen Worten zu lauschen. Als wir alle zugegen waren, sagte Er: „Alles Leid, das euch widerfährt, um das Reich Gottes zu erlangen, wird ausgelöscht sein, wenn ihr sein vollkommenes Glück erlangt. Es ist, als ob ein Mensch zwei oder drei Jahre lang krank und hilflos war und alsdann gesund und kräftig wird; dann schwindet die ganze Erinnerung an sein Leiden. Das Glück des Reiches Gottes ist ein vollkommenes, unähnlich der Unvollkommenheit unserer besten irdischen Zustände, und wird nie mehr getrübt sein von irgendeinem Kummer. Was uns auch auf dem Weg zum Reich Gottes quält, sind die Prüfungen für unsere Seele. Wenn der Mensch in diese Welt eintritt, so geschieht es mit Beschwerden und Not, aber er kommt aus dem Unsichtbaren in das Sichtbare, um große Dinge für sich selbst zu erringen. Wie die materielle Geburt eine Zeit der Schmerzen ist, so ist es auch die geistige. Der Weg zu Gott ist voll Beschwerden und Schwierigkeiten; denke aber immer an die Worte Christi: „Wenn auch der Körper schwach ist, so ist doch der Geist mächtig!“ Viele große Männer und Frauen haben in all den zurückliegenden Jahrhunderten gewünscht, in diesem herrlichen Zeitalter Gottes leben zu dürfen, und ihr sollt Gott von ganzem Herzen danken, daß ihr erwählt wurdet, in dieser Zeit auf Erden zu sein. Christus sagte, daß der Stein, den die Bauherren verworfen haben, zum Eckstein wurde. Dies bedeutet, daß die geistig großen Männer und Frauen in dieser Welt zurückgestoßen und zu allen Zeiten von den Bauherren der Welt verachtet wurden, daß aber nun zu dieser Zeit des Reiches Gottes auf Erden, diese Träger des Geistes zu Ecksteinen an dem Bau werden. Der kluge Mann arbeitet nicht für den Augenblick, sondern für die guten Ergebnisse in der Zukunft. Sieh, wie im Winter die Bäume und Sträucher kahl und leblos erscheinen, ohne Blätter und ohne Früchte. Ich setze den Fall, jemand ginge zu dieser Zeit durch die Landschaft, der von dem Zustand der Erde nichts wüßte, und sehen würde, wie ein Mann diese pflügt und Samen in die Furchen streut. Würde er nicht sagen, wie töricht ist dieser Mensch! Er müht sich umsonst, er arbeitet zwecklos und zerstört das, was ihm Nahrung geben würde. Zur rechten Zeit aber fällt der Regen auf die Erde, sendet die Sonne ihre Strahlen, wehen die Winde über das Land und wir sehen das Ergebnis in einer großen Schönheit und Frucht. Ebenso ist die Arbeit des Heiligen Geistes in euren Herzen. Die irdische Sonne ist wie die Sonne der Wahrheit, die Regen sind wie die Ströme der Gnade Gottes, der Samen ist das Wort Gottes; die Luft das duftende Wehen Seines Heiligen Geistes und der Boden ist das Herz der Menschen. Nun sind die geistigen Samenkörner in der ganzen Welt ausgestreut und die Hitze der Sonne der Wahrheit dringt mächtig durch alle Seelen; der Windhauch des Geistes weht über die Welt hin und die Regengüsse der Gnade Gottes fallen auf die Herzen der Menschen. Das Ergebnis wird eine große und herrliche Ernte sein, jeder Baum und Zweig und Strauch werden Früchte tragen, und du wirst es erleben!

In dem großen Speisesaal hingen zwei Käfige mit Papageien. Diese machten neben den vielen Sperlingen, die durch die Fenster hereingeflogen kamen und unter den Dachsparren zwitscherten, großen Lärm, so daß der Meister durch einen der indischen Diener die Käfige entfernen ließ. Dadurh wurde die Unterhaltung auf die Behandlung der Tiere gelenkt. ‘Abdu’l-Bahá sagte, daß wir stets gütig und barmherzig zu jeder Kreatur sein sollten; daß Grausamkeit eine Sünde sei, und daß die Menschen niemals irgend einem der Geschöpfe Gottes ein Leid zufügen, sondern immer streng darauf bedacht sein sollen, [Seite 32] nichts zu tun, was irgend einen Zweck der Lebewesen stören oder unmöglich machen könnte. Die Menschen sollten die Tiere, Fische und Vögel, wenn durchaus nötig, zu ihrer Nahrung oder zu sonst einem berechtigten Zweck verwenden, sich ihrer aber niemals zum Vergnügen oder zur Eitelkeit bedienen, oder gar auf sie jagen, was das Schlimmste und Grausamste sei. —

Es ist etwas Großes, um den geliebten Meister sein zu dürfen, Seiner Stimme zu lauschen und unter Seinem Dache zu wohnen. Jede Stunde, die man in Seiner Gegenwart zubringen darf, ist nicht von dieser Welt; solche Tage sind unauslöschlich. Sie waren das Ziel, für welches das bisherige Leben nur eine Vorbereitung war, und der Quell, aus dem das seitherige Leben hervorgegangen ist.

Als in der Abenddämmerung sich alle im Hause zusammenfanden und flüsternd von der Gesegneten Vollkommenheit und vom Meister sprachen, beglückte Er uns überraschend mit Seiner Gegenwart und alles erhob sich, um Ihm bei Seinem Eintritt entgegen zu kommen. Still nahm Er in unserer Mitte Platz, während Seine Tochter Ronha ein Tablet sang. Ein himmlischer Glanz und eine erhabene Milde und Güte strahlten von Ihm aus, die unser Herz mit Scham und Sorge um unsere Sünden bedrückten, es jedoch zugleich mit mächtigen Schwingen der Hoffnung und Erwartung hoben.

(Fortsetzung folgt.)



Ein Urteil über den Einfluß der Bahá’i-Bewegung[Bearbeiten]

Prof. Norman Bentwich, Jerusalem, äußert sich in seinem Buch „Palestine“1) auf Seite 235 wie folgt:


„Palästina kann nun tatsächlich als das Land nicht von drei, sondern von vier Glauben angesehen werden, weil der Bahá’i-Glaube, der sein Zentrum der Führung und der Pilgerfahrt in Akka und Haifa hat, den Charakter einer Weltreligion annimmt. Wie weit auch sein Einfluß im Lande reicht, trägt er dazu bei, den Boden für internationale und interreligiöse Verständigung zu bereiten.“


1) „The Modern World, a survey of historial Forces“, ed. by the R. F. Hon. II. A. L. Fisher F. R. S.



Bahá’i-Sommerwoche 1934[Bearbeiten]

Die diesjährige Bahá’i-Sommerwoche findet nun endgültig vom 5.—12. August im Bahá’i- Heim bei Eßlingen a. N. statt. Das Programm führen wir nachstehend auf:

Kurs A: Volk und Glaube.

Ref. Dr. A. Mühlschlegel.


Kurs B: Von Christus bis Bahá’u’lláh.

Ref. Dr. H. Großmann.


Kurs C: Bahá’i-Glaube und Christentum.

Ref. Dr. E. Schmidt.


Kurs D: Bahá’i-Verwaltung. (Administration.)

Ref. Dr. H. Großmann.
Korref. Frau H. Bishop.

Vorträge:

Religion. Dr. E. Schmidt.
Manifestation. Dr. A. Mühlschlegel.
Gott in uns. E. Jörn.
Deutsches Gottsuchen. Dr. A. Mühlschlegel.


Alles Nähere bitten wir bei dem Bahá’i-Sommerwochen-Ausschuß, Briefanschrift: Anna Köstlin, Eßlingen a. N., Wehrneckarstr. 1, zu erfragen. Rechtzeitige Anmeldung bei dieser Stelle ist erwünscht.


In der „Sonne der Wahrheit“ finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Alle auf den Inhalt der Zeitschrift bezüglichen Anfragen, ferner schriftliche Beiträge wie auch alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften sind an Dr. Eugen Schmidt, Stuttgart W, Reinsburgstraße 198, zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sind an die Verlagsabteilung des Nationalen Geistigen Rats der Bahá’í in Deutschland und Österreich e. V., Stuttgart, Alexanderstr. 3 (Nebengebäude) zu richten. — Alle Zahlungen sind zu leisten an den Nationalen Geistigen Rat der Bahá’í in Deutschland und Österreich e. V., Stuttgart, Alexanderstraße 3 (dessen Postscheckkonto Nr. 19340 Amt Stuttgart). — Alle Rechte vorbehalten. Copyright by Verlagsabteilung des Nationalen Geistigen Rats der Bahá’í in Deutschland und Österreich e. V., Stuttgart. — Druck von J. Fink, Hofbuchdruckerei, Stuttgart.


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Der Geistige Nationalrat der Deutschen Bahá’i e.V., Stuttgart

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Bahá’u’lláh

Verborgene Worte.. Worte der Weisheit und Gebete. Geschrieben während seiner Verbannung in Bagdad 1857/58 . . . kart. —.80

gebunden 1.--

Frohe Botschaften. Worte des Paradieses, Tablet Tarasat (Schmuck), Tablet Taschalliat (Lichtstrahlen), Tablet Ischrakat (Glanz). Mahnrufe und Anweisungen an die Völker der Erde . . gebunden 2.00

Ganzleinen 2.50

Buch der Gewißheit oder Kitábu’l-Iqán. Eine Auseinandersetzung mit theologischen Fragen verschiedener Religionen, geschrieben in Bagdad um 1862. Ist fortsetzungsweise in den beiden Jahrgängen X und XI unserer Zeitschrift „Sonne der Wahrheit“ enthalten.

Jahrgang gebunden je 6.--


'Abdu'l-Bahá Abbas

Ansprachen in Paris. ‘Abdu’l-Bahá spricht hier über zahlreiche Fragen, nach deren Klärung die Völker der Erde suchen.

gebunden 2.--

Beantwortete Fragen. Erklärungen zu christlichen und islamischen Fragen, Behandlung allgemeiner weltanschaulicher Probleme . . . . . . Ganzleinen 2.50

Sendschreiben an die Haager Friedenskonferenz 1919 . . . . . --.20


Sonstiges

Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, Einführung in die Gedankenwelt der Bahá’i-Lehre von einem orientalischen Gelehrten. Von Mirza Abul Fazl . . . . . gebunden 2.--

Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter. ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont. Ganzleinen 2.50

'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. . . . . .gebunden 2.--

Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase. . . . . . . kart. 2.--

Am Morgen einer neuen Zeit. Untersuchung der geistigen Ursachen der Weltkrise und Beleuchtung der letzthin einzigen Möglichkeit ihrer Überwindung durch die Bahá’i-Lehre. Von Dr. Hermann Großmann . . . . . kart. 1.80

Ganzleinen 2.50

Die Bahá’i-Weltanschauung. Eine kurze Einführung. Von Pauline Hartmann . . . . —.20

Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") . . . -.30

Sonne der Wahrheit. Bahá'i-Monatszeitschrift.

Jahrgang III - IX gebunden je 3.--
Jahrgang X - XII gebunden je 6.--