Sonne der Wahrheit/Jahrgang 14/Heft 12/Text
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SONNE DER WAHRHEIT | ||
Organ der Bahá’í in Deutschland und Oesterreich | ||
HEFT 12 | 14. JAHRGANG | FEBRUAR 1935 |
Die Bahá’í-Lehre,[Bearbeiten]
die Lehre Bahá’u’lláhs erkennt in der Religion die höchste und reinste Quelle allen sittlichen Lebens.
Die Ausdrucksformen des religiösen Lebens des Einzelnen, ganzer Völker und Kulturkreise haben im Laufe der Geschichte entsprechend den jeweils anderen Verhältnissen und dem Wachstum des menschlichen Erkenntnisvermögens Wandlungen erfahren. Die äußeren Gesetze und Gebote aller Weltreligionen entsprachen immer den entwicklungsgeschichtlich gegebenen Erfordernissen in bezug auf den Einzelnen, die soziale Ordnung und das Verhältnis zwischen den Völkern. Alle Religionen beruhen aber auf einer gemeinsamen, geistigen Grundlage. „Diese Grundlage muß notwendigerweise die Wahrheit sein und kann nur eine Einheit, nicht eine Mehrheit bilden.“ ('Abdu'l-Bahá.) „Die Sonne der Wahrheit ist das Wort Gottes, von dem die Erziehung der Menschen im Reich der Gedanken abhängig ist.“ (Bahá’u’lláh.) Alle großen Religionsstifter waren Verkünder des Wortes Gottes entsprechend der Fassungskraft und Entwicklungsstufe der Menschen. Das Wesen der Religion liegt darin, im Bewußtwerden der Abhängigkeit des Menschen von der Wirklichkeit Gottes Seine Offenbarer anzuerkennen und nach Seinen durch sie übermittelten Geboten zu leben.
Die Bahá’i-Lehre bestätigt und vertieft den unverfälschten und unwandelbaren Sinn und Gehalt aller Religionen von neuem und zeigt darüber hinaus die kommende Weltordnung auf, welche die geistige Einheit der Menschheit zur Voraussetzung haben wird. Die in ihr zum Ausdruck kommende Weltanschauung steht mit den Errungenschaften der Wissenschaft ausdrücklich in Einklang.
Die Lehre Bahá’u’lláhs enthält geistige Grundsätze und Richtlinien für eine harmonische Gesellschafts-, Staats- und Wirtschaftsordnung. Sie beruhen auf dem Gedanken der natürlich gewachsenen, organischen Einheit jedes Volkes und der das Völkische übergreifenden geistigen Einheit der Menschheit. Den Interessen der Volksgemeinschaft sind die Sonderinteressen des Einzelnen unterzuordnen, denn nur die Gesamtwohlfahrt verbürgt auch das Wohl des Einzelnen.
Wie jede Religion, so wendet sich auch die Bahá’i-Lehre an die Herzensgesinnung des Menschen, um die religiösen Kräfte in den Dienst wahren Menschentums zu stellen. Sie erstrebt die Höherentwicklung der Menschheit mehr durch die Selbsterziehung des Einzelnen als durch äußerlich-organisatorische Maßnahmen. Der Bahá’i hat sich daher über seine ernst aufgefaßten staatsbürgerlichen Pflichten hinaus nicht in die Politik einzumischen, sondern sich zum Träger der Ordnung und des Friedens im menschlichen Gemeinschaftsleben zu erheben. Bahá’u’lláhs Worte sind: „Es ist euch zur Pflicht gemacht, euch allen gerechten Regenten ergeben zu zeigen und jedem gerechten König eure Treue zu beweisen. Dienet den Herrschern der Welt mit der höchsten Wahrhaftigkeit und Treue. Zeiget ihnen Gehorsam und seid ihre wohlwollenden Freunde. Mischt euch nicht ohne ihre Erlaubnis und Zulassung in politische Dinge ein, denn Untreue gegenüber dem Herrscher ist Untreue gegenüber Gott selbst.“
Bahá’u’lláh weist den Weg zu einer befriedeten, im Geiste geeinigten Menschheit. Ein alle Staaten umfassender Bund in ihrer Eigenart entwickelter und unabhängiger Völker auf der Grundlage der Gleichberechtigung, ausgestattet mit völkerrechtlichen Vollmachten und Vollstreckungsgewalten gegenüber Friedensstörern, soll die übernationalen Interessen aller Völker der Erde in völliger Unparteilichkeit und höchster Verantwortung wahrnehmen. Zwischenstaatliche Konflikte sind durch einen von allen Staaten beschickten Weltschiedsgerichtshof auf friedlichem Wege beizulegen.
Die geistige Wesensgleichheit aller Menschen und Völker erheischt einen organischen Aufbau der sozialen Weltordnung, in der jedem seine einzigartige, besondere Eingliederung und Aufgabe zugewiesen ist. Die geographischen, biologischen und geschichtlichen Gegebenheiten bedürfen im Gemeinschaftsleben der Völker immer einer besonderen Beachtung, ohne die sie umschließende Einheit im Reiche des Geistes aus den Augen zu verlieren.
Die Lehre Bahá’u’lláhs „ist in ihrem Ursprung göttlich, in ihren Zielen allumfassend, in ihrem Ausblick weit, in ihrer Methode wissenschaftlich, in ihren Grundsätzen menschendienend und von kraftvollem Einfluß auf die Herzen und Gemüter der Menschen“.
SONNE DER WAHRHEIT Organ der Bahá’í in Deutschland und Österreich Verantwortlich für die Herausgabe: Dr. Eugen Schmidt, Stuttgart-W, Reinsburgerstraße 198 Schriftleitung: Dr. Adelbert Mühlschlegel, Dr. Eugen Schmidt, Alice Schwarz-Solivo Verwaltung: Paul Gollmer • Begründet von Alice Schwarz-Solivo Preis vierteljährlich 1.80 Reichsmark, im Ausland 2.– Reichsmark |
Heft 12 | Stuttgart, im Februar 1935 Mulk — Oberherrschaft 91 |
14. Jahrgang |
Inhalt: Bahá’u’lláh über Seine Stellung und Sendung sowie über den Begriff „Begegnung“. — Nabíl’s Erzählung: Bahá’u’lláh’s Reise nach Mázindarán. — Göttliche Lebenskunst. — Inhaltsübersicht des XIV. Jahrganges (1934/35).
„Die Welt des Daseins befindet sich in ständiger und fortschreitender Entwicklung. Daher müssen sicherlich die Tugenden, welche die Reife des Menschen kennzeichnen, in gleicher Weise wachsen und sich entfalten. Die größte Gabe Gottes für den Menschen ist die Fähigkeit, menschliche Tugenden zu erlangen. Die Lehren der Religion bedürfen deshalb einer Reform und Erneuerung, weil frühere Lehren der gegenwärtigen Zeit nicht gemäß sind... Die Gesetze der Vergangenheit werden aufgehoben, weil sie auf diese Zeit nicht anwendbar sind*).“
‘Abdu’l-Bahá
*) Entnommen und übersetzt aus „The Bahá’í Magazine“,
Band 25, Juni 1934, Nr. 3, S. 90.
Bahá’u’lláh über Seine Stellung und Sendung sowie über den Begriff „Begegnung“[Bearbeiten]
Aus L’Epître au Fils du Loup, Edition Honoré Champion, Paris, 1913, Seite 42-45 und Seite 112—120
- In Nachstehendem erklärt Bahá’u’lláh zunächst den Begriff „Göttlichkeit und Gottheit“, der in bezug auf Seine Stellung Anwendung findet. Die mohammedanische Orthodoxie nahm daran Anstoß und benützte es als Grundlage zu heftigen Angriffen gegen Ihn.
...Du1) oder irgend ein anderer hat gesagt: „Man lasse die Sure Tawhid2) sprechen,
damit ein jeder zweifelsfrei wisse, daß Gott nie gezeugt hat und nie gezeugt worden ist, und daß die
Bábi an die Göttlichkeit und Gottheit3) glauben.
O Shaykh! Dieser Zustand4) ist jener, wo man in sich erstirbt und in
Alláh5) Ewigkeit annimmt; und wenn ich dieses Wort ausspreche, so heißt
das soviel wie mein absolutes Nichtdasein bekräftigen. Dieser Zustand besagt, daß Dinge wie
Nutzen, Schaden, Leben, Auferstehung nicht zu Mir gehören.
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O Shaykh! Wohin geht das Urteil der ‘Ulamá6) der Zeit hinsichtlich der Verklärungen des Baumes der Erklärung zugunsten des Sohnes Imrán’s7) auf dem Sinaï? Sie sagen, daß Moses dem Wort aus dem Busche gelauscht und ihm gehorcht habe. Die meisten Menschen können indessen diesen Zustand nicht begreifen, denn sie sind mit dem beschäftigt, was aus ihren Bereichen stammt, und achtlos gegenüber dem, was von Gott her kommt. Der Siyyid von Fenderesk hat bezüglich dieses Zustandes ganz richtig gesagt: „Kein sterblicher Verstand wird diese Sprache begreifen, auch nicht, wenn du ein Abu Nasr8) oder Abu ‘Alí Sina9) bist.“
Und was meint man zu den Worten des Siegels der Propheten10) — möge der Geist dessen, was nicht Er ist, geopfert werden! —? Er sagt: „Bald werdet ihr euern Herrn sehen, wie ihr den Vollmond in der Nacht des Vierzehnten seht.“
Und der Beherrsher11) — auf Ihm sei das Heil! — sagt in der Khotbé Totonjiyé: „Rufet an die Offenbarung Mose, des Sprechers des Busches vom Sinaï.“
Ebenso sagt Ḥusayn, der Sohn ‘Alí's — auf Ihm sei das Heil! —: „Gibt es für das, was nicht Du und nicht Dein Eigen ist, ein Äußeres, das Deine Offenbarung darstellen könnte? Blind ist das Auge, das Dich nicht sieht.“
Ähnliche Worte sind oft den Erklärungen der Heiligen — der Segen Gottes ruhe auf ihnen! — entnommen und angeführt worden; und man findet sie in glaubwürdigen Büchern. Selig, wer die reine Wahrheit sehen und sprechen wird! Die Gnade Gottes gelte dem, der sich mit Hilfe des Kawthar12) der Erklärung des Ersehnten des Weltalls von Phantasien und Einbildungen gereinigt und, nachdem er im Namen des Unabhängigen — Er sei gepriesen! — die letzten Schleier zerrissen, der Welt und ihren Bewohnern entsagt hat, um sich dem Größten Gefängnis13) zuzuwenden!
O Shaykh! Das sanfte Wehen der Offenbarung liegt jenseits dessen, was nicht Gott ist; das göttliche Wort aber glänzt und strahlt der Sonne gleich in den Schriften. Selig, wer es gefunden und erkannt und wer gesprochen hat: „Dank sei Dir gesagt, o Sehnsucht der Sterblichen; und Dankbarkeit sei Dir gelobt, o Gott, Du Innigstgeliebter der Aufrichtigen!“ Die Menschen haben nicht begriffen, was die Erwähnung der Göttlichkeit und Gottheit14) besagen wollte: sonst hätten sie sich aus ihrem Zustand erhoben und das Wort vernehmen lassen: „Wir tun Buße vor Gott.“
Das Siegel der Propheten — möge der Geist dessen, was nicht Er ist, sein Opfer sein!— sagt: „Für uns15) gibt es im Verhältnis zu Gott Zustände, in denen wir Er sind und Er Wir ist, Er Er ist und wir wir sind.“ Es gibt sogar höhere Zustände, denn Muhammad hat jene nicht erwähnt, die von der Feder Abhá’s? geoffenbart worden sind. Die Zunge dieses Unterdrückten16) kündet Tag und Nacht fast ununterbrochen diese erhabenen Worte:
„Mein Gott, mein Gott! Ich bezeuge Deine Einheit und Einzigkeit und, daß Du Gott bist, daß es keinen anderen Gott gibt als Dich: ewig standst Du geheiligt über der Erwähnung dessen, was nicht Du ist, und über den Lobgesängen der anderen; und immer wirst Du sein, wie Du warst, ehedem und künftighin. Ich bitte Dich, König der Ewigkeit, bei dem Größten Namen und bei der Strahlenfülle Deiner Offenbarung auf dem Sinaï der Erklärung, bei den Wogen der See Deines Wissens im Bereiche der Zufallserscheinungen, mir zu dem zu verhelfen, was mich Dir wieder näher bringen und von dem lostrennen wird, was nicht Du ist und Deine Herrlichkeit. O Gott der Geschöpfe und Sehnsucht der Wesen des Zufalls! Ich möchte mein Gesicht auf jedem der Erdteile ruhen lassen in der Hoffnung, auf einen Ort zu stoßen, der durch die Schritte Deiner Heiligen geehrt worden ist.“ Bei Alláh! Der Aberglaube hat den Menschen den Horizont der Gewißheit entzogen und die Einbildungen haben sie von dem reinen versiegelten Wein ferngehalten!
In Wahrheit sage Ich, und sage es aus Liebe zu Gott: dieser Sklave, dieser Unterdrückte wagt
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kaum, sich das Leben und Dasein zuzusprechen; mit noch weniger Recht aber diese so viel höheren
Zustände. Der einsichtsvolle Mensch trägt die Augen beständig auf die Erde geheftet; er
sieht bescheiden auf sich, denn er weiß es jenseits allen Zweifels, daß die Ursache seines
Wohlergehens, seines Glücks, seiner Ehre, seiner Größe, seines Ruhmes, seiner Macht durch
die Zulassung Alláh’s irdischer Natur ist und somit allen Kräften der Welt unterworfen. Wer
immer sich von dieser Sachlage Rechenschaft gibt, der ist frei und rein von Stolz, Dünkel und
Hoffart. Was gesagt worden ist, wurde von Gott her gesprochen, und Er ist und wird dafür Zeuge
sein. Er ist der Wissende, der Wohlunterrichtete!
Bitte Gott um ein achtsames Ohr, ein scharfes Auge, eine frohgestimmte Brust und ein edelmütiges Herz: vielleiht werden die Menschen den Ersehnten finden und sich zur Seite des Freundes kehren. Ähnliches an Mißgeschick, wie es über diesen Unterdrückten hereingebrochen ist, hat kein Auge gesehen; doch hat es in keiner Weise die Offenbarung der Sache aufgehalten...
...In dieser Offenbarung wurden Dinge dargetan, daß es für die Schauplätze der Wissenschaft und Tugend17) und für die Aufgangsorte der Gerechtigkeit und Rechtlichkeit keine andere Rettung gibt als die, sie anzuerkennen. Als Pflicht obliegt dir an diesem Tage, dich mit göttlicher Kraft zu erheben und mittels der Macht des Wissens die Zweifel der Sekten der Welt auszutilgen, auf daß alle, rein geworden, sich der allerhöchsten See zuwenden und sich an den Willen Alláh’s klammern. Ja, jeder Widerstrebende hat sich an den Buchstaben geklammert und sich von Gott abgewandt! Ruhm sei Alláh! Aus der Erwähnung der Gottheit und Göttlichkeit, die man bei den Erwählten und Gläubigen gefunden hat, hat man einen Grund für Widerspruch und Verleugnung gemacht! Der Imám Ṣádiq hat gesagt: „Die Dienstbarkeit ist ein Etwas, dessen Grundbestandteil Göttlichkeit ist.“ Und der Amír der Gläubigen sagte zu einem Araber der Wüste, der ihn über die Seele befragt hatte: „Die dritte Seele aber ist die göttlich-himmlische Seele; um göttliche Macht handelt es sich dabei und um eine einfältige Wesenheit, die aus sich selbst lebt.“ Hernach sagte Er — auf Ihm sei das Heil! —: „denn sie ist die allerhöchste Wesenheit Alláh’s, der Baum von Tuba, der Sadratu’l-Muntahá18), das Paradies, in das sie19) zurückkehren.
Der Imám Ṣádiq hat gesagt: „Wenn unser Qá’im20) erscheinen wird, wird die Erde im Lichte
ihres Herrn erstrahlen.“ So ist auch Abu 'Abdu’lláh — auf Ihm sei das Heil! -— der Verfasser
einer langen Überlieferungsschrift, in deren Text sich diese erhabenen Worte befinden:
„Und darnach wird der Allmächtige — verehrt und verherrlicht sei Er! — mit den Engeln aus
der Wolke herabkommen.“ Und im allerhöchsten Qur’án: „Wartet ihr darauf, daß Alláh aus den
Schatten der Wolken zu ihnen kommt?“ Im Ḥadíth Mufaṣṣal21) ist gesagt:
„Der Q’áim wird Seinen Rücken an den Heiligen Ort22) lehnen und Seine heilige
Hand ausstrecken; dann wirst du das Licht ohne den Schatten sehen. Er wird sprechen:
„Hier ist die Hand Alláh’s, die Rechte Alláh’s, die auf Befehl Alláh’s von Alláh
kommt.“ Wie immer man diese Ḥadíth erklärt, ebenso muß man die Spuren der
allerhöchsten Feder23) auslegen! Der Amir der Gläubigen hat
gesagt: „Ich bin Der, auf Den weder Name noch Titel paßt.“ Ebenso hat Er gesagt: „Mein
Äußeres deckt sich mit dem Imamat24), meine innerste Wirklichkeit ist ein
unfaßbares Geheimnis.“ Abu Ja‘faru‘t-Túsí hat gesagt: „Ich habe zu Abu ‘Abdu’lláh gesagt:
‚Ihr seid das Sirat25) des Buches Alláh’s, Ihr seid der Zehnte26),
Ihr seid die Wallfahrt.‘ Er antwortete: ‚O du, ein Ebensolcher, Wir sind das Sirat des Buches
Alláh’s — Er sei verehrt und verherrlicht! —, Wir sind der Zehnte, das Fasten, die Wallfahrt,
der heilige Monat, das heilige Land, die Ka’bih Alláh’s, die Qiblih27) Alláh’s und
das Antlitz Alláh’s.‘“ Jabar hat gesagt, Abu Ja’far — auf Ihm sei das Salám! — habe zu
ihm gesagt: „O Jabar, du mußt die Erklärung und die Bedeutungen studieren.“
Er — das Heil sei auf Ihm! — fügte noch hinzu: „Die Erklärung besteht darin, Alláh — Er sei
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gefeiert! — in Seiner Unvergleichlichkeit zu erkennen, zu Ihm zu beten und Ihm kein Ding
beizugesellen: Was die Bedeutungen betrifft, so sind Wir Seine Bedeutungen, Wir sind Seine
Weiche, Seine Hand, Seine Zunge, Sein Befehl, Sein Baum, Sein Wissen, Sein Recht. Wenn Wir
etwas wollen, dann ist Er es, Der will; und Er wünscht das, was Wir wünschen.“ Gleicherweise
hat der Amír der Gläubigen — auf Ihm das Heil! — gesagt: „Wie kann ich einen Herrn verehren,
den ich nicht gesehen habe?“ Und anderswo: „Ich habe kein Ding gesehen, es sei
denn in dem Maße, als ich vor, nach oder mit ihm Alláh gesehen habe.“
O Shaykh! Denke über das dir soeben in Erinnerung Gebrachte nach; vielleicht wirst du dann dank der Macht des Namens Dessen, Der aus Sich Selbst besteht, ein wenig von dem versiegelten Weine trinken und das entdecken, was keiner fähig ist zu verstehen. Ziehe den Gürtel der Anstrengung fest an und wende dich dem allerhöchsten Königreiche zu in der Hoffnung, das sanfte Wehen der Offenbarung und Eingebung in dem Augenblicke, da es sich herniederlassen wird, zu erkennen und davon Gewinn zu haben. Wahrlich, Ich sage: es hat nie etwas gegeben und gibt nichts, das der Sache Gottes gleich oder ähnlich wäre! Zerreiße die Schleier des Aberglaubens: Gott wird dir bestimmt helfen und beistehen mit Gnade, wie sie bei Ihm steht, denn Er ist der Fähige, der Eroberer, der Allmächtige! Solange es dazu Zeit ist und der Heilige Baum28) zum Erlaß des allerhöchsten Rufes auf Erden weilt, beraube dich dessen nicht: vertrau auf Alláh und stell Ihm deine Angelegenheiten anheim; sodann finde dich ein im allerhöchsten Gefängnis, um zu hören, was die Ohren nie gehört, und um zu sehen, was die Augen und Blicke nie gesehen haben!
Bleibt nach diesen Erklärungen für irgendwen ein Zweifel übrig? Nein, bei Alláh, Der über die Sache gebietet! Wahrlich, Ich sage: erfüllt ist jetzt das heilige Wort: „Was Ihn betrifft, so ist Er der Gesandte Alláh’s und das Siegel der Propheten29) bis zu dem Tage, da die Menschen sich für den Herrn der Welt erheben werden.“ Danket Alláh für diese allerhöchste Gnade! O Shaykh! Das sanfte Wehen der Eingebung ist nicht mit anderem zu verwechseln. Jetzt befindet sich der Sadratu’l-Muntahá mit seinen unzähligen Früchten vor der Qiblih; beschmutze dich nicht mit Aberglauben, wie es die Sekten der Vergangenheit getan haben. Schon allein in diesen Erklärungen tritt die Macht Alláh’s klar zutage; Er ist es, Der Zeugnis ablegt; man hat zur Bestätigung Seiner Offenbarung niemanden nötig gehabt und hat niemanden dazu nötig. Heute sind nahezu hundert Zusammenstellungen klarer Verse und machtvoller Worte vom Himmel des Willens Dessen, Der die Verse niedersteigen läßt, geoffenbart und für alle erreichbar. Dem fernsten Ziel, dem letzten Ende und dem erhabensten Gipfel mußt du dich zuwenden, auf daß du hörest und sehest, was von Alláh, dem Herrn der Welten her erschienen ist.
Denk ein wenig den Versen über die „Begegnung“ nach, die vom König des Reiches der Namen
im Qur’án geoffenbart worden sind: vielleicht wirst du dann den geraden Weg finden
und zum Mittel und zur Ursache der Führung für die Menschen werden. Leute wie du müssen
sich heute aufmachen, um der Sache zu dienen: die bedrängte Lage dieses Unterdrückten und
deine glanzvolle werden beide ein Ende haben. Bemühe dich, ein Wissen zu erlangen, dessen
Wohlgeruch von der Welt nie verdrängt wird. Bezüglich der „Begegnung“ sind Dinge geoffenbart
worden, die zu verwerfen oder nicht anzunehmen die Verneiner keine Macht mehr haben.
Er30) — gepriesen sei Er und verherrlicht! — spricht: „Gott ist es, Der, wie
ihr seht, die Himmel ohne Säulen türmt; dann läßt Er Sich auf dem Throne nieder, hernach
bringt Er Sonne und Mond unter Seinen Befehl. Alle Dinge laufen bis zu einem festgesetzten
Zeitpunkt ab. Er regelt die Angelegenheiten, Er trifft die Unterscheidung unter den Zeichen,
damit ihr sicher seid, eurem Herrn zu ‚begegnen‘.“ Alsdann sagt Er: „Denen, die an die
‚Begegnung‘ Alláh’s glauben: wahrlich, die Zeit Alláh’s wird kommen, denn Er ist Der,
Der hört und wohl weiß.“ Dem folgt Sein Ausspruch — Er sei gepriesen! —: „Und die, so die
Zeichen Gottes und Seine ‚Begegnung‘ leugnen, haben den Glauben an Meine Huld aufgegeben;
ihrer aber wartet schreckliche Züchtigung.“ Ebenso sagt Er: „Sie31) fragen:
‚Wenn wir jetzt auf Erden irregeleitet sind, werden wir dann einer neuen Schöpfung angehören?‘
Aber sie glauben nicht an die ‚Begegnung‘ ihres Herrn.“ Und ebenso läßt Er vernehmen: „O
jene, die an der ‚Begegnung‘ ihres Herrn zweifeln, wo Er doch alles beherrscht!“ Und gleicherweise
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sagt Er: „Wahrlich, jenen, die keinen Glauben haben an Unsere ‚Begegnung‘ und sich
mit dem Leben dieser Welt zufrieden geben und sich darauf beschränken, jenen, die Unsere Zeichen
nicht beachten, ist für das, was sie begangen haben, eine Wohnstatt im Feuer bereitet.“
Und ebenso sagt Er: „Und wenn man ihnen Unsere Verse als Beweis vorliest, dann sagen die,
so keinen Glauben haben an Unsere ‚Begegnung‘: ‚Verschafft uns einen anderen Qur’án als diesen
oder ändert ihn ab.‘ Sprich: Es ist nicht meine Sache, ihn von mir aus abzuändern; ich gehorche
nur Dem, Der mir Seine Eingebung sendet. Wahrlich, ich fürchte mich, so ich mich gegen
meinen Herrn versündige, vor der Züchtigung des allerhöchsten Tages.“ Und ebenso sagt Er:
„Dann hat Moses das ganze Buch dem gebracht, der es zur Führung und aus Barmherzigkeit
durch ausführliche Behandlung jedes Gegenstandes verschönt hatte, damit sie an die
‚Begegnung‘ ihres Herrn glauben.“ Gleicherweise sagt Er: „Was jene betrifft, die die Verse und
die ‚Begegnung‘ ihres Herrn verworfen haben, so werden ihre Werke für nichtig erklärt werden
und am Tage der Auferstehung für sie nicht wiegen: die Hölle wird ihr Lohn sein, weil sie
abtrünnig geworden sind und Unsere Verse und Unseren Gesandten lächerlich gemacht haben!“
Und ebenso sagt Er: „Hast du das Überlieferte gehört betreffend Moses, als Er das Feuer sah
und zu Seiner Familie sagte: ‚Bleibt stehen, wahrlich; ich sehe ein Feuer; vielleicht werde
ich euch einen Funken davon geben oder in dem Feuer Führung finden.“ Als Er aber hinkam,
vernahm Er: „O Moses, Ich bin dein Herr; zieh deine Schuhe aus, denn du betrittst ein heiliges
Tal. Und Ich habe dich erwählt; so höre denn auf das, was dir geoffenbart wird. Wahrlich, Ich
bin Gott, und es gibt keinen anderen Gott als Mich: bete Mich an.“ Gleicherweise sagt Er:
„Haben sie nicht bei sich selbst darüber nachgedacht, daß Alláh den Himmel und die Erde und,
was dazwischen ist, nicht anders erschaffen hat als durch die Wahrheit und in festgesetzter Zeit?
Derweilen aber stellen viele die ‚Begegnung‘ ihres Herrn in Abrede!“ Ebenso sagt Er: „Denken
sie nicht daran, daß sie zum allerhöchsten Tag werden auferweckt werden, dem Tage, da
die Menschen vor dem Herrn der Welt stehen werden?“ Ebenso sagt Er: „Moses hat uns das
Buch gebracht, zweifle also nicht an Seiner ‚Begegnung‘.“ Und Er spricht: „Im Gegenteil, wenn
die Erde einstürzen und euer Herr kommen und die Engel werden in Reihen aufgestellt werden...“
Und Er sagt: „Sie tragen Verlangen danach, das Licht Alláh’s mit ihrem Munde zu löschen;
Alláh aber läßt Sein Licht fortbestehen, obgleich die Ungläubigen sich darüber ärgern.“
Und ebenso sagt Er: „Als dann die Zeit Mose zu Ende war32), erging er sich mit
seiner Frau und traf gegen den Sinaï hin auf ein Feuer. Er sprach zu seiner Frau: ‚Bleib
hier, bis ich dir von diesem Feuer Nachricht oder einen Funken bringe. Vielleiht daß du davon wieder
warm wirst.‘ Als aber Moses zum Feuer gelangte, erscholl von der Ebene der Geborgenheit im
geweihten Heiligtum her ein Ruf, der von dem Baume kam: ‚O Moses! wahrlich, Ich bin Alláh,
der Herr der Welt!‘“
In allen göttlichen Büchern stand stets deutlich die Verheißung vor der ‚Begegnung‘, und diese ‚Begegnung‘ bedeutet die Begegnung mit dem Aufgangsort der Verse, dem Aufgange der Erklärungen, dem Anblick der Namen der Schönheit und der Quelle der allerhöchsten Eigenschaften Gottes33) — verherrlicht sei Seine Herrlichkeit! —. Gott in Seiner Wesenheit und Seinem Sein ist immer ein unfaßbares Geheimnis gewesen. Es handelt sich also um die Begegnung eines Wesens, das Sein Stellvertreter unter den Menschen ist und das ebenfalls weder Gleiches noch Ähnliches hat. Denn wenn man Seinesgleichen oder Ihm Ähnliches finden könnte, wie könnte man dann die über Gleichem oder Ähnlichem stehende Heiligkeit Seiner Wesenheit und Reinheit Seines Seins bekräftigen?
Kurz, im „Buche der Gewißheit“ ward bezüglich der „Begegnung“ und der „Verklärung“ gleicherweise geoffenbart, was den rechtlichen Menschen genügt. Ich bitte Gott — Er sei gepriesen! —, einem jeden zu helfen, vollkommen rein zu werden und Ihm näher zu kommen; wahrlich, Er ist der Starke, der Allmächtige. Es gibt keinen anderen Gott als Ihn, Den, Der hört, Der sieht, den Mächtigen, den Gepriesenen!
O du, der du in der Wissenschaft einen Namen hast! Anbefiehl den Menschen, was gutgeheißen
ist, und zähle nicht zu jenen, die zu spät kommen. Blicke hin mit scharfem Auge: die
Sonne der Wahrheit erscheint auf Befehl des Königs des Reiches der Erklärung und des
Sultan des Himmels der Erkenntnis strahlend am Horizonte des Himmels des Gefängnisses von
'Akká: die Gegenanstrengungen haben sie nicht
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verdunkelt, die Bataillone und Regimenter sie nicht aufgehalten. Es bleibt für dich keine
Entschuldigung übrig: entweder mußt du sie anerkennen oder — Ich nehme Meine Zuflucht zu
Gott! — dich dazu aufraffen, alle Propheten zu verwerfen! .
1) Shaykh Muhammad Taqi, der Empfänger des Briefes.
2) Qur’än-Sure 112, „Uber die Einheit Gottes“, welche lau- tet: „Im Namen des allbarmherzigen Gottes. Sprich: Gott ist der einzige und ewige Gott. Er zeugt nicht und ist nicht gezeugt, und kein Wesen ist Ihm gleich.“
3) Oluhiyat wa rabbubiyat, la déité et la divinité; nämlich ihres Propheten, was in den Augen der Mohammedaner eine ungeheuerliche Ketzerei darstellt; vgl. auch Anklage Jesu.
4) Der Göttlichkeit und Gottheit.
5) = Gott.
6) Mohammedanische Rechts- und Religionsgelehrte.
7) Moses; vermutlich ist damit der jeweilige Zustand der Verklärung gemeint, in dem Moses die göttlichen Offenbarungen von sich gab.
8) Der berühmte Sittenlehrer, dessen Schüler Firdusi war.
9) Avicenna.
10) Muhammad.
11) „Beherrscher der Gläubigen“, einer der Titel der Kalifen; hier ist der vierte Kalif, ‘Alí, der Neffe Muhammad's, gemeint.
12) Fluß im Paradiese.
13) Exoterisch ist darunter die Feste ‘Akká zu verstehen, in der Bahá’u’lláh jahrzehntelang gefangen gehalten wurde.
14) Gemeint sind damit offensichtlich die Stellen in den Schriften Bahá’u’lláh’s, in denen gleichsam Gott durch Ihn spricht.
15) d.h. für die Gottoffenbarer.
16) d.h. Bahá’u’lláh's.
17) Womit die Gelehrten und Tugendhaften gemeint sind.
18) Exoterische Bedeutung: der von den Arabern in der Wüste zur Angabe der Wegrichtung gepflanzte Baum.
19) d.h. wohl: die Gläubigen.
20) d.h. der Selbstbestehende.
21) Sammlung berühmter Überlieferungen.
22) Die Ka’bih, der heilige Stein in Mekka; d. h. wohl, daß Er Seine Lehre an die Lehre Muhammad’s anknüpfen wird.
23) d. h. die Niederschriften Bahá’u’lláh’s,- also auch den hier in Frage stehenden Begriff der „Göttlichkeit und Gottheit“,
24) Stellung des Imám.
25) Sirat = Lebensart, Beispiel, Chronik.
26) Im Sinne von Abgabe, Tribut.
27) Exoterische Bedeutung: Gebetsrichtung.
28) Die Offenbarung Gottes, Bahá’u’lláh.
29) Gemeint ist Muhammad.
30) Muhammad im Qur’än.
31) Die Ungläubigen.
32) d. h. wohl sein Leben als Schafhirt.
33) Verschiedene Bezeichnungen für den Gottoffenbarer.
Nabíl’s Erzählung[Bearbeiten]
Übersetzung aus „The Dawn-Breakers“, Nabíl’s Narrative of the early days of the Bahá’í Revelation, New York 1932
5. Kapitel: Bahá’u’lláh’s Reise nach Mázindarán
Die erste Reise, die Bahá’u’lláh für die von dem Báb angekündigte Offenbarung unternahm, ging
nach seinem elterlichen Hause in Núr in der Provinz Mázindarán. Er begab sich nach dem
Dorfe Tákur, dem persönlichen Besitztum Seines Vaters, wo ein herrschaftliches Haus, fürstlich
ausgestattet und prächtig gelegen, Sein eigen war. Ich hatte den Vorzug, Bahá’u’lláh
Selbst einmal folgendes erzählen zu hören: „Der verstorbene Vezir, Mein Vater, erfreute
sich einer höchst beneidenswerten Stellung unter seinen Landsleuten. Sein großer Wohlstand,
seine vornehme Abstammung, seine künstlerischen Fähigkeiten, sein unvergleichliches
Ansehen und sein hoher Rang ließen ihn das Ziel der Bewunderung aller werden, die ihn
kannten. Während einer Zeit von über 20 Jahren erlitt niemand aus dem großen Kreise seiner
Familie und Verwandtschaft, die sich auf Núr und Ṭihrán erstreckte, Not, Unrecht oder Krankheit.
Sie erfreuten sich während dieser langen, ununterbrochenen Zeitdauer reicher und
mannigfaltiger Segnungen. Ganz plötzlich jedoch wich dieser Wohlstand und dieses Ansehen einer
Reihe von Schicksalsschlägen, welche die Grundlagen seiner materiellen Wohlfahrt ernstlich
erschütterten. Der erste Verlust, den er erlitt, trat durch eine große Überschwemmung ein, die, von
den Bergen Mázindarán’s kommend, mit großer Gewalt über das Dorf Tákur hereinbrach und
die das halbe Anwesen des Vezirs, das über der Festung dieses Ortes lag, völlig zerstörte. Der
beste Teil dieses Hauses, welcher wegen der Festigkeit seiner Grundmauern bekannt gewesen war,
wurde durch die reißende Gewalt der mächtigen Fluten völlig weggeshwemmt. Seine
wertvollen Einrichtungsstücke waren vernichtet und seine vollendeten Ausschmückungen
unwiederbringlich zerstört. Dem folgte kurz darauf der Verlust verschiedener Staatsstellungen
des Vezirs und wiederholte gegen ihn gerichtete Angriffe seitens seiner mißgünstigen Gegner.
Trotz dieser plötzlichen Schicksalswendung bewahrte der Vezir seine Würde und Ruhe und
fuhr, im beschränkten Rahmen seiner Mittel, mit seinen Liebes- und Wohltaten fort. Er
bewies seinen treulosen Freunden gegenüber nach wie vor dieselbe Höflichkeit und Güte, die für
seinen Umgang mit den Mitmenschen bezeichnend waren. Mit herrlicher Geistesstärke rang
er bis zur letzten Stunde seines Lebens mit den Schwierigkeiten, die ihn so sehr bedrückten.“
Bahá’u’lláh hatte bereits vor der Erklärung des Báb die Gegend von Núr besucht, zu einer Zeit, als der berühmte Mujtahid Mírzá Muḥammad-Taqíy-i-Núri auf der Höhe seines Ansehens und Einflusses stand. Die Höhe seiner Stellung war derart, daß diejenigen, die zu seinen Füßen saßen, sich als die berufenen Vertreter des Glaubens und Gesetzes des Islám betrachteten. Der Mujtahid sprach in einer Versammlung von über 200 solcher Anhänger und verbreitete sich über eine geheimnisvolle Stelle der überlieferten Aussprüche der Imame, als Bahá’u’lláh, von einer Anzahl Seiner Gefährten gefolgt, an jenem Platze vorüberkam und eine Zeitlang seiner Rede zuhörte. Der Mujtahid bat seine Schüler, eine schwer verständliche Lehre zu erklären, die sich auf die metaphysischen Gesichtspunkte der islamitischen Lehren bezieht. Als sie alle bekannten, sie nicht erklären zu können, fühlte sich Bahá’u’lláh veranlaßt, in kurzen, aber überzeugenden Worten, eine klare Darlegung dieser Lehre zu geben. Der Mujtahid war sehr verärgert über die Unfähigkeit seiner Schüler. „Schon jahrelang habe ich euch unterrichtet“, rief er aufgebracht, „und habe mich geduldig bemüht, in eure Seelen die tiefsten Wahrheiten und die vornehmsten Grundsätze des Glaubens einzuprägen. Und doch laßt ihr nach all diesen Jahren ständigen Studiums es zu, daß dieser junge Mann, ein Träger der Kuláh1), welcher an keinen schulmäßigen Übungen teilgenommen hat und der mit eurem akademischen Wissen in keiner Weise vertraut ist, Seine Überlegenheit über euch beweist!“
(Forts. folgt)
1) Die Kuláh, ein lammfellener Hut, unterschied die Geistlichkeit von dem Laien und wurde von Staatsbeamten ständig getragen.
Göttliche Lebenskunst[Bearbeiten]
Aus den Schriften ‘Abdu’l-Bahá's (Fortsetzung)
Zusammengestellt von Mary M. Rabb (New York, Brentanos Publishers)
Übersetzung aus dem Englischen
7. Kapitel: Die Macht des Heiligen Geistes (Fortsetzung)
Es gibt viererlei Arten von Licht: Erstens das Sonnenlicht... Zweitens das Augenlicht... Drittens das Licht des Verstandes... Viertens das Licht der Führung. Dieses letzte ist das erhabene Licht, die bewußte Wirklichkeit, welche Mysterien begreift.
„Kann dieses letzte jemals durch die Sinne, wie das Auge, erkannt werden?“ wurde gefragt. „Durch Inblick“, gab ‘Abdu’l-Bahá zur Antwort.
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Wahrheit (die höchste Wahrheit) ist unerreichbar außer durch die Gunst des Heiligen Geistes.
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Der Heilige Geist umfaßt und umgibt alles. Er ist heilig. Er ist geheiligt über die Bindung an einen bestimmten Ort. Er ist überall und zu jeder Zeit gegenwärtig. Er ist an jedem Ort und ist doch an keinen Raum gebunden.
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Christus ist der Mittelpunkt des Heiligen Geistes; er wurde vom Heiligen Geiste geboren; er wurde vom Heiligen Geiste erzogen ... Der Strahlenbrennpunkt der Sonne der Wirklichkeit war Christus; und von diesem herrlichen Brennpunkt aus wurde die Gnadenfülle Gottes auf die anderen Spiegel zurückgeworfen, welche die wirklichen Apostel waren... Jesus war die Sonne, und seine Strahlen schienen durch seine Lehren auf seine Jünger.
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Der Heilige Geist (in seiner Gesamtheit) ist nur den Propheten verliehen; die übrigen Menschen können nur der Strahlen des Heiligen Geistes teilhaftig werden.
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Die größte Macht des Heiligen Geistes besteht in den göttlichen Offenbarern der Wahrheit (das heißt in den größten Welt-Propheten wie Christus). Durch die Macht des Geistes sind die himmlischen Lehren in die Welt der Menschheit gebracht worden.
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Als Christus erschien mit dem wunderbaren Wehen des Heiligen Geistes, sagten die Kinder Israel: „Wir sind ganz unabhängig von ihm; wir können ohne ihn fertig werden, denn wir folgen Moses; wir haben die Schrift und in ihr sind die Lehren Gottes zu finden. Was brauchen wir also diesen Menschen?“
Christus sagte ihnen: „Die Schrift genügt euch nicht.“ Ein Mensch kann sich ein ärztliches Buch halten und sagen: „Ich brauche keinen Arzt, ich will diesem Buch folgen. In ihm wird jede Krankheit benannt, alle Symptome werden erklärt, die Diagnose eines jeden Leidens wird genau beschrieben und für jede Krankheit ein Rezept verordnet; darum, was brauche ich einen Arzt?“
Dies ist reine Unwissenheit. Ein Arzt ist notwendig, um zu verordnen. Durch seinen Scharfsinn werden die Grundsätze des Buches richtig und wirksam verwertet, bis der Kranke die Gesundheit wieder erlangt hat. Christus war ein himmlischer Arzt. Er brachte geistige Heilung und Gesundheit in die Welt. Bahá’u’lláh ist ebenso ein göttlicher Arzt. Er hat Verordnungen offenbart, um die Krankheiten vom Staatenkörper der Menschheit zu entfernen, und hat so die menschlichen Verhältnisse durch geistige Macht geheilt.
Darum ist Wissen allein nicht ausreichend, um zum Ziel menschlicher Vollendung zu gelangen. Die Lehren der Heiligen Bücher bedürfen einer himmlischen Kraft und göttlichen Macht, um verwirklicht zu werden. Durch Kenntnis der Pläne allein kann kein Haus gebaut werden. Geld wird dazu gebraucht, Willenskraft ist notwendig, um die Pläne auszuführen, Zimmerleute müssen beim Aufbau beschäftigt werden. Es genügt nicht zu sagen: „Der Plan und der Zweck des Hauses sind sehr gut; ich will darin wohnen.“ Keine schützenden Wände, kein schirmendes Dach entsteht durch den Plan allein. Das Haus muß wirklich gebaut werden, ehe wir darin leben können.
(Fortsetzung folgt)
Inhaltsübersicht des XIV. Jahrganges 1934/35[Bearbeiten]
Bahá’u’lláh
Verborgene Worte . . . . . 9, 17, 25, 33, 49, 89
Worte der Weisheit . . . . . 1, 57, 65, 73
Die große Botschaft aus Bahá’í-Scriptures (Kap. II) . . . . . 1
Das Hochheilige Tablet — Lawh-i-Aqdas aus der franz. Übersetzung des Dr. H Dreyfus und Mírzá Habíb’u’lláh Shirázi, Paris 1905 . . . . . 57
Das Buch des Bundes — Kitáb-i-'Ahd aus Three Tablets of Bahá’u’lláh, translated by ‘Alí Kulí Khán, Chicago USA . . . . . 65
Worte über Gerechtigkeit, Rechtlichkeit und Eintracht aus L’Epître au Fils du Loup, traduit par H. Dieyfus, Paris 1913 . . . . . 81
Worte zur Befriedung der Welt aus demselben Werke . . . . . 89
Über Seine Stellung und Sendung, sowie über „Begegnung“ aus demselben Werke . . . . . 97
'Abdu'l-Bahá
Göttliche Lebenskunst (Fortsetzung aus Jahrgang XIII)
- 5. Kapitel: Liebe . . . . . 2, 13
- 6. Kapitel: Prüfungen . . . . . 35, 44, 53
- 7. Kapitel: Die Macht des Heiligen Geistes . . . . . 54, 70, 92, 103
Aussprüche gegenüber Miß St. 1910 in Haifa über den „Zorn Gottes“, wahres Bahá’í-tum, die Engländer und die Deutschen. Ausgearbeitet, von Frau Dr. F.† . . . . . 7
Worte über Religion aus Bahá’í-Magazine, 1934 . . . . . . 41, 97
Bahá’í-Glaube, aus den Reden ‘Abdu’l-Bahá’s in Paris 1911 . . . . . 55, 61
Unser Glaube an Christus, aus ‘Abdu’l-Bahá on Divine Philosophy, New York 1918 . . . . . 88
Shoghi Effendi
Über die Sendung Bahá’u’lláh’s, aus „Ihe Dispensation of Bahá’u’lláh”, New York 1934 . . . . . 82
Der entscheidende Augenblick, aus Bahá’í-Magazine, Juni 1934 . . . . . 83
Bahá’í-Geschichte
Nabíl’s Erzählung, aus „The Dawn-Breakers“, Nabíl’s Narrative of the early days of the Bahá’í Revelation, New York 1932
- Einleitung zur deutschen Übersetzung von Dr. A. M. . . . . . 9
- 3. Kapitel: Der Báb erklärt Seine Sendung . . . . . 17, 25, 33, 41, 49, 62, 67
- 4. Kapitel: Mullá Husayn’s Reise nach Ṭihrán . . . . . 68, 90
- 5. Kapitel: Bahá’u’lláh’s Reise nach Mázindarán . . . . . 102
Aufsätze
Lehrstoff der Eßlinger Bahá’í-Sommerwoche 1933
- 1. Das Leben und ich. Kurs I, gehalten von Dr. Adelbert Mühlschlegel . . . . . 15
- 2. Das Leben und mein Nächster. Kurs II, gehalten von Dr. Eugen Schmidt . . . . . 21
- 3. Das Leben und Gott. Kurs III, gehalten von Dr. Hermann Großmann . . . . . 28
Vom Wesen Gottes. von Dr. Hermann Großmann . . . . . 6
Das Wort Gottes in seiner fortschreitenden Offenbarung. von Dr. Hermann Großmann . . . . . 76
Religion und Lebensgestaltung. von Dr. Eugen Schmidt . . . . . 74
Bahá’í-Glaube und Christentum. von Dr. Eugen Schmidt . . . . . 86
Glauben und Wissen. von Dr. Adelbert Mühlschlegel . . . . . 79
Religion und Kultur. von Helen Pilkington Bishop . . . . . 84
Was erwarten wir von der Religion? von Stanwood Cobb, aus Bahá’í-Magazine . . . . . 94
Schilderung einer früheren Pilgerreise aus dem Jahre 1898. von M. Maxwell (Fortsetzung aus Jahrgang XIII) . . . . . 5, 23, 30, 39, 47
Bekanntmachungen und Berichte
12. Bahá’í-Jahrestagung am 21. und 22. April 1934 in Stuttgart . . . . . . 8
Eßlinger Bahá’í-Sommerwoche 1934 . . . . . 8, 32
Betreffend Kursberichte der Eßlinger Bahá’í-Sommerwochen 1933 und 1934 . . . . . 56
Der Gedanke der Eßlinger Bahá’í-Sommerwoche, von Dr. Hermann Großmann . . . . . 37
Dezemberheft der „Sonne der Wahrheit“ als Werbenummer . . . . . 72
Textberichtigung . . . . . 8
Ein Urteil über den Einfluß der Bahá’í-Bewegung aus „Palestine“, von Prof. Norman Bentwich, Jerusalem . . . 32
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Bahá’u’lláh
Verborgene Worte.. Worte der Weisheit und Gebete. Geschrieben während seiner Verbannung in Bagdad 1857/58 . . . kart. —.80
gebunden 1.--
Frohe Botschaften. Worte des Paradieses, Tablet Tarasat (Schmuck), Tablet Taschalliat (Lichtstrahlen), Tablet Ischrakat (Glanz). Mahnrufe und Anweisungen an die Völker der Erde . . gebunden 2.00
Ganzleinen 2.50
Buch der Gewißheit oder Kitábu’l-Iqán. Eine Auseinandersetzung mit theologischen Fragen verschiedener Religionen, geschrieben in Bagdad um 1862. Ist fortsetzungsweise in den beiden Jahrgängen X und XI unserer Zeitschrift „Sonne der Wahrheit“ enthalten.
Jahrgang gebunden je 6.--
'Abdu'l-Bahá Abbas
Ansprachen in Paris. ‘Abdu’l-Bahá spricht hier über zahlreiche Fragen, nach deren Klärung die Völker der Erde suchen.
gebunden 2.--
Beantwortete Fragen. Erklärungen zu christlichen und islamischen Fragen, Behandlung allgemeiner weltanschaulicher Probleme . . . . . . Ganzleinen 2.50
Sendschreiben an die Haager Friedenskonferenz 1919 . . . . . --.20
Sonstiges
Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, Einführung in die Gedankenwelt der Bahá’i-Lehre von einem orientalischen Gelehrten. Von Mirza Abul Fazl . . . . . gebunden 2.--
Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter. ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont. Ganzleinen 2.50
'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. . . . . .gebunden 2.--
Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase. . . . . . . kart. 2.--
Am Morgen einer neuen Zeit. Untersuchung der geistigen Ursachen der Weltkrise und Beleuchtung der letzthin einzigen Möglichkeit ihrer Überwindung durch die Bahá’i-Lehre. Von Dr. Hermann Großmann . . . . . kart. 1.80
Ganzleinen 2.50
Lebensgestaltung. Das Leben und ich. Das Leben und mein Nächster. Das Leben und Gott. Kursberichte der Eßlinger Bahá’í-Sommerwoche 1933 . . . -.30
Die Bahá’i-Weltanschauung. Eine kurze Einführung. Von Pauline Hartmann . . . . —.20
Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") . . . -.30
Sonne der Wahrheit. Bahá'i-Monatszeitschrift.
- Jahrgang III - IX gebunden je 3.--
- Jahrgang X - XIII gebunden je 6.--