Sonne der Wahrheit/Jahrgang 13/Heft 5/Text

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SONNE

DER

WAHRHEIT
 
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI
 
HEFT 5 13. JAHRGANG JULI 1933
 


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Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i-Prinzipien[Bearbeiten]

1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.

Bahá’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Ästen und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Bahá’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Bahá’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.


2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.

In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.


3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.

Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.


4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.

Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.


5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.

Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.


6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.

Dies ist eine besondere Lehre Bahá’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.


7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.

Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.


8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.

Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.


9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.

Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.


10. Die soziale Frage muss gelöst werden.

Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Bahá’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.


11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.

Bahá’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weltsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.


12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.

Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.

Vor mehr als 50 Jahren befahl Bahá’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.

Bahá’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.


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SONNE DER WAHRHEIT
Organ der deutschen Bahá’i
Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3
Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark
Heft 5 Stuttgart, im Juli 1933
Nur — (Größe) 90
13. Jahrgang

Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion


Inhalt: Suratu’l Haykal. — Göttliche Lebenskunst. — Aus dem Schatz der Erinnerungen an Abbas Effendi, ‘Abdu’l Bahá, 1906-1911. — Die Eßlinger Bahá’i-Sommerwoche.



Gebete des Báb *)

Es gibt keinen Beseitiger von Schwierigkeiten außer Gott! Sage: Preis sei Gott! Er ist Gott! Alle sind Seine Diener und alle stehen unter Seinem Befehl.

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Sage: Gott befriedigt alle Wesen, mehr als alle Geschöpfe es können, und nichts in dem Himmel oder auf Erden leistet Genüge außer Gott. — Wahrlich, Er ist durch Sich selbst der Wissende, der Erhaltende, der Allmächtige!

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Im Namen Gottes, des Besiegers der Siegreichsten, verkünde: Gott wird allen denen beistehen, die sich erheben, Ihm zu dienen. Niemand ist fähig, Ihm Seine Erhabenheit, Seine Herrschaft, Seine Souveränität zu entziehen, denn im Himmel und auf Erden und in allen Reichen Gottes ist Er der Siegreiche und der Eroberer!

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*) Ali Mohammed - El Báb - erlitt am 8. Juli 1850 in Täbris den Märtyrertod.


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Suratu’l Haykal[Bearbeiten]

(Fortsetzung)

Sprich: „o Volk, reinigt euer Herz, sodann euer Schauen, damit ihr euren Schöpfer unter diesem heiligen und strahlenden Mantel zu erkennen vermögt.“ Wahrlich, dieser göttliche Jüngling hat sich auf dem Throne der Herrlichkeit niedergelassen und sich geoffenbart mit dem Gewichte der Stärke und Unabhängigkeit. Er ruft aus zwischen Erde und Himmel mit wundervoller, entzückender Stimme: „o Volk der Welt, verleugnet euren Herrn nicht, den Barmherzigen, und wendet euch nicht ab von der Schönheit des Glorreichen! Bei Gott! Er ist der Unsichtbare, der Verborgene, und Er ist am Aufgangsorte der Welt erschienen! Er ist die Schönheit, der Vielgeliebte, und Er hat geglänzt am Horizonte dieser Station vermöge der Macht Gottes, des Unabhängigen, des Starken, des Eroberers, des Allmächtigen!“

O geheiligter Tempel! Wir haben dein Herz unempfänglich gemacht für die Blendwerke der Welt des Zufalls, und Wir haben es gereinigt von den Beweisführungen der Geschöpfe, damit sich daselbst einpräge der Glanz Meiner Schönheit und sich dort spiegeln die Spiegel der Welt. Also haben Wir dich vorzugsweise erwählt vor allem, was in den Himmeln und auf der Erde erschaffen ist, und haben dich gestellt über das, was verordnet ward im Königreich des Befehls und der Schöpfung, indem Wir dich für Uns Selbst vorbehielten. Dies kommt von der Güte Alláhs zu dir, von nun an bis zu einem Tage, der nie enden wird in der Welt, der vielmehr Dauer haben wird durch die Ewigkeit Alláhs, des Unabhängigen, des Starken, des Wissenden. Denn der Tag Gottes ist Er Selbst. Wahrlich, Er ist mit der Wahrheit hervorgetreten, und Er wird nicht von der Nacht gefolgt sein: die Erwähnung begrenzt Ihn nicht, — so ihr zu denen gehört, die begreifen.

O Herz dieses Tempels! Wir haben alle Dinge als Spiegel deiner selbst erschaffen und dich als Unseren Spiegel. So bestrahle denn das Herz der Wesen mit dem, was auf dir erstrahlt vom Lichtglanz deines Herrn, um sie von den Beschränktheiten und Einbildungen zu reinigen. Also hat die Sonne der Weisheit vom Horizonte der Feder des ewigen Königs gestrahlt. Gesegnet sind die, die zu solchem bestimmt sind! Wahrlich, Wir haben von dir gereinigte Herzen ausgehen lassen, und Wir lassen sie zu dir zurückkehren vermöge Unserer Barmherzigkeit dir und jenen gegenüber, die nahe sind. Wir werden durch dich Besitzer reiner Herzen und leuchtender Rippen erstehen lassen: sie werden keinen anderen Gedanken haben als Meine Schönheit, noch einen anderen Beweis als die Strahlenfülle Meines Antlitzes: sie werden die Spiegel Meiner Namen unter allen Geschöpfen sein.

O geheiligter Tempel! Wahrlich, Wir haben deine Intelligenz zum Gehege der Wissenschaft gemacht von dem, was gewesen ist und sein wird, und zum Aufgangsort Unseres Wissens, das Wir für die Völker der Himmel und der Erde bestimmt haben. Also werden die Wesen von dir die Wohltaten empfangen und werden teilnehmen an den Wundern deiner Wissenschaften: der Erkenntnis Gottes, des Allmächtigen, des Höchsten, des Allerhöchsten. Wahrlich, jenes Wissen, das Ich aus Meiner Wesenheit heraus besitze, keiner kennt es und keiner wird es erfahren: niemand in der Welt könnte es ertragen. Ließen Wir ein einziges Wort davon in Erscheinung treten, dann würden die Menschen davon verwirrt, die Stützen sämtlicher Dinge niedergerissen und die Füße der Weisen straucheln. Würden Wir von dem Wissen, das bei Uns ist, ein einziges Wort den Wesen des Daseins zuerteilen, dann würden alle überzeugt von der Offenbarung Gottes und Seinem Wissen, sie würden alle Geheimnisse der Wissenschaften erkennen und in einen Zustand gelangen, in dem sie gegenüber dem Wissen der Ersten oder der Letzten gleichgültig würden. Und Wir besitzen noch andere Wissenschaften, von denen auch nur einen einzigen Buchstaben zu erwähnen Wir nicht gewillt sind, denn die Menschen könnten ihn nicht vernehmen. Also setzen Wir dich in Kenntnis vom Wissen Gottes, des Wissenden, des Kenntnisreichen. Wenn Wir geeignete Empfängnisorte hätten, würden Wir daselbst die Schätze der Bedeutungen [Seite 51] niedergelegt haben, und Wir hätten das gelehrt, wovon ein einziger Buchstabe die Welten in Erstaunen setzen würde.

O Intelligenz dieses Tempels! Wir haben aus dir den Aufgang Meines Wissens und die Offenbarung Meiner Weisheit gemacht für das, was in den Himmeln und auf Erden ist. Wir haben aus dir die Wissenschaften in Erscheinung treten lassen, und zu dir lassen Wir sie zurückkehren: später werden Wir noch deren andere aus dir erstehen lassen, als eine Verheißung von Uns. Wahrlich, Wir sind Der, Welcher handelt. Wir werden von dir aus die Besitzer wunderbarer Wissenschaften und machtvoller Künste entsenden, und Wir werden durch sie offenbaren, was nie das Herz auch nur eines der Diener begriffen hat. So geben Wir das, was Wir wollen, wem Wir wollen, und nehmen Wir wieder, von wem Wir wollen, das, was Wir gegeben haben: Wir verordnen durch Unseren Befehl, was Wir wollen. Sprich: wenn Wir zur selbigen Stunde durch die Sonne Unserer Gunst auf den Spiegel der Wesen strahlen und zu anderer Stunde ihnen die Wohltaten Unseres Strahlens wieder nehmen wollten, dann würden Wir es tun, und keiner würde fragen „warum?“ oder „wie?“. Wahrlich, Wir tun, was Wir wollen, und Wir werden über Unsere Handlungen nicht befragt: keiner ist darüber im Unklaren außer jedem unwissenden Ungläubigen. Sprich: Unsere Macht kann nicht aufgehalten, noch kann Unserem Befehl zuwidergehandelt werden: Wir erheben, wen Wir wollen, in das Paradies des Ruhmes und der Macht: dann lassen Wir ihn, wenn Wir wollen, auf die demütigendsten Stufen zurückkehren. Glaubet ihr, o Volk, daß, wenn Wir irgend einen bis zum Sadratu’l Montaha erhöben, Unsere Macht und Unsere Herrschaft ihn nicht mehr erreichen könnten? Viel eher, so Wir wollten, würden Wir ihn in einem Augenblick in den Staub zurückkehren lassen. Betrachtet den Baum: wahrlich, Wir pflanzen ihn in einen Garten und begießen ihn mit dem Wasser Unserer Gunst; dann, wenn er sich stattlich erhebt, sich mit grünen Blättern schmückt und die besten Früchte hervorbringt, entsenden Wir gegen ihn den Orkan des Befehls, der ihn entwurzelt und auf den Erdboden hinstreckt. Auf diese Weise haben Wir verfahren und werden verfahren in allen Dingen: das ist das Wunder Unserer Tradition von ehedem und morgen, — so ihr zu denen gehört, die sehen; und keiner kennt die dahinter stehende Weisheit außer Gott, dem Allmächtigen, dem Starken, dem Weisen. Wollt ihr leugnen, o Volk, was ihr seht? Wehe euch, Leugnervolk! Und der Einzige, der nicht wechselt, ist Er, der Barmherzige, so ihr zu denen zählt, die verstehen; außerhalb Ihm wechselt alles nach Seinem Willen. Er ist der Allmächtige, der Starke, der Weise!

O Volk, erörtert nicht Meinen Befehl, denn ihr erfaßt nicht: die Weisheit eures Herrn, und ihr könntet Sein mächtiges und allumfassendes Wissen nicht erreichen. Der, welcher auf angeborenes Wissen Anspruch erhebt, ist der unwissendste der Menschen: das kleinste Atom straft ihn Lügen, und Meine lautere und wahrheitsliebende Zunge bezeugt es. Verkündet Meine Sache und sprecht davon gemäß dem, was euch von Uns aus befohlen wird. Außer diesem kommt euch nichts zu, und keiner hat einen anderen Weg zu seiner Verfügung, — so ihr zu denen zählt, die begreifen.

O Tempel, Wir haben dich zum Aufgang eines jeden Unserer schönsten Namen gemacht, zur Offenbarung einer jeden Unserer allerhöchsten Eigenschaften, zum Ursprung aller Unserer Erwähnungen für das, was auf der Erde und in den Himmeln ist. Alsdann haben Wir dich Uns zum Ebenbild zwischen Himmel und Erde entsandt, und Wir haben dich zum Spiegel Unserer Herrlichkeit im Königreich des Befehls und der Schöpfung gemacht, auf daß Meine Diener durch dich geleitet seien und zu denen zählen, die gelenkt werden. Wir haben aus dir den Baum der Herrlichkeit gemacht für das, was in den Himmeln und auf Erden: selig, wer unter deinem Schatten Schutz sucht und sich dir nähert, dem Beschützer der Welten! Sprich: „wahrlich, Wir haben alle Namen gleich einer Quelle erschaffen, aus der die Ströme der Weisheit und des Wissens in den Garten des Befehls fließen: und keiner außer deinem Herrn, dem Heiligen, dem Allmächtigen, dem Wissenden, dem Weisen, kennt ihre Zahl.“

[Seite 52] Sprich: „Wir haben alle Buchstaben des Punktes 1) ins Leben gerufen und Wir haben sie zu Ihm zurückkehren lassen: sodann haben Wir sie in den Tempel des Menschen gesandt. Gepriesen sei Er, der vortreffliche, bewunderungswürdige Schöpfer! Bald werden Wir deren andere in Meinem Namen El Abhá erstehen lassen durch eine Güte, wie sie Uns eigen. Wahrlich, Wir sind der Gütige, der Ewige. Wir haben die Leuchten erzeugt aus der Sonne Unseres Namens, des Wahren: und Wir haben sie zu ihr zurückkehren lassen; hernach haben Wir sie im Tempel des Menschen in Erscheinung treten lassen. Gepriesen sei Er, der Mächtige, der Unabhängige, der Allmächtige! Keiner wird Meinen Befehl hindern und keiner wird Mir Meine Herrschaft und Meine Macht wegnehmen. Ich bin Der, Der die Welt des Zufalls durch Mein Wort hat in Erscheinung treten lassen, und Ich bin Der, Der vermag, was Er will.“

Sprich: „wenn Wir in einem Augenblick das Leben aller Dinge aufheben und sie wieder beleben wollten, — Wir vermöchten es; und keiner besitzt diese Macht außer Alláh, dem Wissenden, dem Allwissenden. Und wenn Wir aus einem einzigen Atom Sonnen erscheinen lassen wollten, die weder Anfang noch Ende hätten, — Wir könnten es, und Wir würden sie alle durch Unseren Befehl im kleinsten Augenblick hervortreten lassen. Und wenn Wir aus einem einzigen Wassertropfen die Meere der Himmel und der Erde in Erscheinung treten lassen wollten und aus einem einzigen Buchstaben das Wissen von dem, was gewesen ist und sein wird, — Wir vermöchten es, und wahrlich, dies wäre leicht.“ Also war Ich der Allmächtige seit Anbeginn, der ohne Anfang war, bis zum Ende, das kein Ende haben wird. Aber die Schöpfung ist gleichgültig gegen Meine Macht, ergeht sich in Erörterungen über Meine Herrschaft und widerspricht Mir, Mir, dem Allwissenden, dem Allweisen. Kein Ding bewegt sich zwischen den Himmeln und der Erde ohne Meine Erlaubnis, und niemand steigt auf zum Königreich ohne Mein Geheiß. Dennoch besteht Meine Schöpfung, sich gegenüber Meiner Macht und Meiner Herrschaft verhüllend, aus Gleichgültigen!“

Sprich: „man schaut in Meiner Offenbarung allein die Offenbarung Gottes, in Meiner Macht allein diejenige Gottes, — so ihr einsichtig seid.“ Sprich: „Meine Geschöpfe sind wie die Blätter eines Baumes: sie kommen von selbst zum Vorschein und führen ihr Eigenleben, und sie wissen nichts von der Wurzel.“ Dergestalt ist Unser Beispiel für Unsere einsichtigen Diener, auf daß vielleicht sie sich erheben von der Stufe des Pflanzlichen und zum Grade der Reife in dieser bestätigten und wirklichkeitsechten Sache gelangen. Sie gleichen einem Walfisch im Wasser: sein Leben hängt vom Wasser ab, aber er kennt die Quelle seines Lebens von seiten des Mächtigen, des Weisen nicht. Sie entgeht ihm in solchem Maße, daß, wenn man ihn über das Wasser und seine Eigenschalten befragte, er keine Antwort geben könnte, Solcher Art geben Wir Beispiele, damit die Menschen vorschreiten zum Sammelpunkt 2) all dessen, , was in den Himmeln und auf Erden ist.

O Völker! fürchtet Gott und verleugnet nicht Den, Dessen Barmherzigkeit die Wesen eingehüllt, Dessen Güte der Welt des Daseins vorausgegangen und Dessen Befehlsgewalt das umschlossen hält, was ihr seht und was ihr nicht seht, euren Anfang und euer Ende. Habt Ehrfurcht vor Gott. Seid unter den Gläubigen. Fürchtet euch davor, wie jene zu sein, über die die Zeichen Alláhs hingegangen sind, ohne daß sie sie erkannten: wahrlich, dies waren Nachlässige. Sprich: „wollt ihr jenem dienen, der weder Hör- noch Sehvermögen 3) besitzt und der der einfältigste der Menschen und der am wenigsten Geachtete 4) unter ihnen war?” Warum gehorcht ihr nicht Dem, Der vom Aufgangsort der Sache gekommen ist mit der Botschaft Gottes, des Großen, des Allerhöchsten? O Volk, seid nicht wie jene, die in Gegenwart des Thrones waren, ohne es zu merken: waren sie nicht Unwissende? [Seite 53] Wahrlich, Wir haben ihnen die Verse vorgetragen, durch die die Völker des Paradieses und die Bewohner des Königreiches angezogen worden sind, und sie haben sich, mit ihren Schleiern behaftet, davon abgewandt, Komplotte schmiedend gegen die Verkündigung eines Dieners, der die Menschen nach dem Willen Gottes zum Gebete ruft. Also offenbaren Wir euch, was euch auf den Pfad der Erwählten führen wird.

Wieviele unter den Dienern drangen vor bis in das Reich des Paradieses, an die Wohnstätte des Thrones, unter die Hände ihres Herrn, des Wissenden, des Allerhöchsten, und begannen, Fragen zu stellen über die vier Tore oder über einen der Imame des Forqán! Solcher Art war ihre Stufe, — so ihr zu denen zählt, die verstehen. Gleicherweise seht ihr heute welche, die zu den Unfrommen, zu den Vielgöttereitreibenden gehören und zu denen, die sich an einen der göttlichen Namen hängen, und denen dabei der Schöpfer der Namen verhüllt bleibt. Wahrlich, Wir bezeugen, daß sie zu den Völkern des Feuers zählen. Sie erwarten von der Sonne das, was der Schatten geäußert hat, und von Gott, was die Schöpfung gesprochen: wahrlich, ihr gehört zu denen, die Zeugen sind. Sprich: „o Volk, in der Sonne ist nur ihr Glanz und das, was durch ihn in Erscheinung tritt, und alles außerhalb ihr bedarf ihres Lichtes.“ Fürchtet Gott und zählt nicht unter die Unwissenden. Unter ihnen haben etliche die Finsternis über das Licht befragt. Sprich: „öffnet eure Augen, auf daß ihr den Strahlenglanz seht, der die Welt einhüllt; wahrlich, er ist bloßen Auges zu sehen.“ Dieses Licht ist erschienen und hat am Horizonte der geistigen Morgenröte in offensichtlicher Reinheit gestrahlt. Wollt ihr die Juden fragen, ob Jesus die Wahrheit aus der Hand Gottes besaß, oder die Götzendiener, ob Mohammed ein Gesandter war, oder das Volk des Forqán, wer der Zikr Alláhs 5) war, des Großen, des Allerhöchsten? Sprich: „o Volk, verlaßt, was ihr habt, wenn diese Offenbarung erstrahlt, und wendet euch dem zu, was euch befohlen wird.“ So lautet der Befehl Gottes für euch: wahrlich, Er ist der beste der Befehlshaber.

Bei Meiner Schönheit! Bei der Verkündigung dieser Worte habe Ich kein anderes Ziel gehabt als das, die Diener Gott, dem Starken, dem Gelobten näher zu bringen. Fürchtet euch, Mir das anzutun, was ihr Meinem Ankündiger angetan habt; und wenn Ich für euch die Verse Alláhs durch Meine Gunst herniedersteigen lassen werde, dann saget nicht, daß diese Verse nicht in der Religion geoffenbart seien. Denn die Religion habe Ich durch Mein Wort erschaffen, und sie umflutet Meine Person, — so ihr zu den Gläubigen zählt. Selig, wer das Wehen des geistigen Gewandes in den Erklärungen eures Herrn, des Gnädigen, hat wahrnehmen können! Denn es hat sich im ganzen All verbreitet, und die Dinge sind von seinem Dufte geschwängert. Selig, wer den Wohlgeruch davon erkannt hat und mit strahlendem Herzen zu Gott hin geeilt ist!

O Tempel! Wahrlich, Wir haben aus dir einen Spiegel 6) für das Königreich der Namen gemacht, auf daß du Meinen Beweis unter allen Geschöpfen verkündest, die Menschen zu Meiner Begegnung und Meiner Schönheit einladest und sie führest auf Meinen sicheren und festen Pfad. Wir haben deinen Namen unter den Dienern erhöht vermöge Unserer Gunst, denn Wir sind der Gütige, der Ewige. Und Wir haben dich mit dem Schmucke Unserer Selbst geschmückt, haben dir Unser Schöpfungswort gegeben, damit du befehlest in der Welt, wie du es willst, und du tuest, was du wünschest. Und Wir haben dir alles Glück der Himmel und der Erde zugedacht in einem Grade, daß es für niemanden ein solches geben wird, es sei denn, er begebe sich restlos unter deinen Schatten: dies ist der Befehl deines Herrn, des Wissenden, des Wohlunterrichteten. Und Wir haben dir den Kommandostab verliehen und die Rangunterscheidung, damit du zwischen jedem weisen Wesen unterscheiden könnest. Und Wir haben aus deinem Busen die Meere der Bedeutungen und Auslegungen hervortreten lassen zur Verkündigung deines Herrn, des Gnädigen, auf daß du dankbar seiest und zu denen zählest, die Dank sagen. Wir haben dich ausgezeichnet unter [Seite 54] Unseren Geschöpfen und haben dich zur Offenbarung Unserer Selbst gemacht für das, was in den Himmeln und auf Erden ist. Mit Unserer Genehmigung laß beredte Spiegel und erhabene Buchstaben erstehen, die deine Herrschaft und deine Macht besingen, die deine Vorrangstellung und deine Größe beweisen, und die Offenbarungen deiner Namen in den Welten sind. Denn Wir haben dich zum Ursprung der Spiegel und zu ihrem Urheber gemacht, und auf diese Weise sind sie aus dir erstmals erschienen. Wir werden dich zu Uns Selbst zurückrufen, wie Wir dich erschaffen haben: wahrlich, dein Herr ist der Eroberer, der Allmächtige, der Ewige. Warne die Spiegel davor im Augenblicke ihres Erscheinens, unter den Augen ihres Schöpfers und Meisters stolz zu werden, wenn Er erscheinen wird; und daß ihre Vorrangstellung sie nicht berausche und daran hindere, demütig zu sein vor Gott, dem Starken, dem Erhabenen. Sprich: „o Spiegel, wahrlich, ihr wurdet durch Meinen Befehl erschaffen, und ihr wurdet durch Meinen Willen entsandt. Hütet euch, den Versen Meines Herrn untreu zu sein, zu den Bedrückern und Irregeleiteten zu zählen, zu jenen, die sich an das hängen, was von ihnen selbst kommt, und die stolz werden auf die Erhöhung ihres Namens. Fs ist für euch von Bedeutung, euch von dem zu trennen, was in den Himmeln und auf Erden ist: also lautet der Befehl eines Unabhängigen, Allmächtigen.“

O Tempel Meiner Sache! Sprich: „wenn Ich in einem Augenblicke aus allen Dingen Spiegel Meiner Namen machen wollte, — Ich vermöchte es: wieviel mehr Mein Herr, Der Mich durch Seinen sicheren und starken Befehl erschaffen hat! Und wenn Ich wünschte, in weniger als einem Augenblick die Ordnung der Welt des Zufalls umzustoßen, Ich könnte es. Was gäbe es dann von jenem Wunsche zu sagen, der in dem Willen Alláhs, Meines Herrn und des Herrn der Welten, enthalten ist!“ Sprich: „o Offenbarungen Meiner Namen! Wenn ihr mit eurer Habe und eurer Seele auf dem Pfade Gottes kämpft, wenn ihr Ihn ebenso oft anbetet, als es Sandkörner gibt auf Erden, Tropfen im Regen oder Wellen auf dem Meer, und ihr widersetzt euch dafür der Manifestation der Sache im Augenblick ihres Erscheinens, dann werden eure Werke bei Gott keine Erwähnung finden. Wenn ihr andererseits keine guten Werke vollbracht, aber an Sie geglaubt habt in diesen Tagen, dann wird euch Gott eure Untreue verzeihen; denn Er ist der Starke, der Großmütige.“ Also zeigt Gott euch das wahre Ziel, damit ihr nicht stolz werdet vor Dem, Der bestätigt, was von aller Ewigkeit her geoffenbart worden ist. Selig, wer sich dem allerhöchsten Anblick nähert, und wehe den Widersetzlichen!

(Schluß folgt.)

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1) „Der Punkt“ ist einer der Titel des Báb, und die erste Einheit bestand aus Ihm und den „achtzehn Buchstaben des Lebens“, den achtzehn ersten Aposteln des Bábismus.

2) Qiblah, Konzentrationspunkt, Gebetrichtung.

3) Subhi Ezel.

4) Hier befindet sich im Urtext eine Alliteration bezüglich des Wortes Ezel, die im Französischen nicht wiedergegeben werden konnte.

5) Seine Heiligkeit, der Báb.

6) Der Báb hatte einigen Seiner Jünger den Titel „Spiegel“ gegeben, d.h. Reflektoren Seiner Persönlichkeit und Seiner Lehre für jene, die Ihn nicht unmittelbar sehen konnten.



Göttliche Lebenskunst[Bearbeiten]

Aus den Schriften von ‘Abdu’l-Bahá (Fortsetzung)

Zusammengestellt von Mary M. Rabb (Neuyork, Brentanos Publishers)

Übersetzt von Johanna von Werthern-Stuttgart

3. Kapitel: Gebet


Christus sagte: „Wenn du betest, so gehe in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem himmlischen Vater im Verborgenen.“ Warum sagte Er dies? Mit der Zunge drückt der Mensch seine Gefühle zu einem anderen Menschen aus. Aber mit der Sprache des Herzens betet der Mensch zu Gott. Obwohl Gott im Herzen jedes Menschen und allüberall ist, so erhebt doch der Mensch seine Augen zum Himmel und betet, als ob Gott dort wäre, sitzend auf dem Throne. Ist dies nicht pure Einbildung? Warum sollte er die Worte sprechen: Vater unser in dem Himmel? Warum sollte es nötig sein für ihn, Gebete zu wiederholen und laut zu sprechen? Ein Grund dafür ist, daß, wenn das Herz allein spricht, der Geist leicht abgelenkt werden kann. Aber die Worte zu [Seite 55] wiederholen, so, daß Zunge und Herz zusammen sprechen, erleichtert dem Verstand die Konzentration. Dann ist der ganze Mensch vom Geiste des Gebets umgeben und die Handlung wird vollkommener.

Ein anderer Grund ist, daß durch das äußere Zeichen des Eintretens und Betens in einem Raume die Aufmerksamkeit der anderen erweckt wird und sie fragen: Warum tut er dies? und sie angeregt werden, nach der Wahrheit zu forschen.

Der Mensch mag sagen: „Ich kann zu Gott beten, wenn immer ich es wünsche, wenn die Empfindungen meines Herzens zu Gott hingezogen werden; wenn ich in der Einsamkeit, oder wenn ich in der Stadt bin, oder wo immer ich sein mag. Warum sollte ich dorthin gehen, wo andere versammelt sind, an einem bestimmten Tag, zu einer bestimmten Stunde, um meine Gebete mit den ihrigen zu vereinen, wenn ich doch nicht in Gebetsstimmung sein mag?” So zu denken, ist nutzlose Einbildung, denn wo viele versammelt sind ist ihre Kraft stärker. Einzelne Soldaten, die allein und auf ihre Weise kämpfen, haben nicht die Kraft einer einigen Armee. Wenn sich alle Soldaten in diesem geistigen Kriege sammeln, dann helfen sich ihre vereinten geistigen Kräfte gegenseitig, und ihre Gebete werden stärker und wirksamer.

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Wenn jeder Mensch wüßte, was das Beste ist für seine Gesundheit, wenn jeder Mensch sich selbst lehren könnte, wenn jeder Soldat selbst wüßte, wie er zu kämpfen hat, wenn jeder Passagier das Schiff führen könnte, was brauchten wir dann den Arzt, den Lehrer, den General und den Kapitän? Da der Mensch solche Weisheit nicht besitzt, muß er sich erst der Zuverlässigkeit solcher Führer vergewissern und dann ihren Anweisungen Folge leisten. Wenn er dies nicht tut, kann er keine Fortschritte machen.

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Du hast gefragt, was du tun solltest und welche Gebete du darbringen solltest, um mit den Geheimnissen Gottes vertraut zu werden. Bete und wende dein ganzes Herz zu Gott, flehe und laß deinen Geist erfüllt sein von den frohen Botschaften Gottes. Dann werden sich die Tore des Reichs der Geheimnisse vor deinem Antlitz auftun und du wirst die Wirklichkeit aller Dinge erfassen (verstehen).

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Auf die Frage, ob es uns möglich ist, durch Liebe und Treue denen, welche aus diesem Leben geschieden sind, Botschaft von der heiligen Sache zu geben, von der sie während ihrer Lebenszeit nichts hörten, erwiderte 'Abdu'l-Bahá:

„Ja, sicher hat aufrichtiges Gebet immer eine Wirkung, und es hat großen Einfluß in der andern Welt. Wir sind nie abgeschnitten von denen, welche dort sind. Der wirkliche und wahre Einfluß ist nicht in dieser Welt, sondern in der andern.“

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Flehen und Gebet für andere wird sicher wirksam sein. Wenn Herzen vereinigt sind, wenn Angesichter dem Königreiche Abhás zugewendet sind, wird sicher Erleuchtung die Folge sein.

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Als Antwort auf die Frage: „Warum sollte man durch Christus beten, wie es die Christen tun, oder durch eine andere Offenbarung Gottes, und warum sollten wir nicht direkt zu Gott beten?“ antwortete ‘Abdu’l-Bahá:

„Wenn wir beten, müssen wir einen Punkt haben, auf den wir uns konzentrieren können. Wenn wir uns zu Gott wenden, müssen wir unsere Herzen auf einen gewissen Mittelpunkt richten. Wenn ein Mensch Gott anders anbetet, als durch seine Offenbarung, so muß er sich erst eine Vorstellung von Gott bilden und diese Vorstellung ist durch seinen eigenen Geist geschaffen. Da das Endliche das Unendliche nicht begreifen kann, so kann Gott auf diese Weise auch nicht begriffen werden. Das, was wir begreifen können, ist nicht Gott. Diese Vorstellung, die ein Mensch von Gott hat, ist nichts als Einbildung, ein Trugbild und eine Halluzination. Es ist keine Verwandtschaft zwischen solch einer Vorstellung und dem erhabenen Sein.

Wenn ein Mensch Gott erkennen möchte, so muß er Ihn in einem vollkommenen Spiegel finden, in Christus oder Bahá’u’lláh. In einem dieser Spiegel wird er die Sonne der Göttlichkeit widergespiegelt finden.

[Seite 56] „Wie wir die natürliche Sonne an ihrem Glanz, ihrem Licht und ihrer Wärme erkennen, so erkennen wir Gott durch die geistige Sonne, wenn sie durch den Tempel der Offenbarung scheint, an der Schönheit ihrer Eigenschaften und dem Glanz ihres Lichtes. Die Offenbarungen Gottes sind die Brennpunkte der Welt... .“

"Das Wesentliche aller Verehrung ist die Verehrung der Eigenschaften Christi, nicht seine Persönlichkeit.“

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Wende dein Antlitz ernstlich zu Gott, trenne dich von allem außer Ihm; sei entflammt vom Feuer der Liebe zu Gott; sei rein und geheiligt und bete und flehe zu Gott. Wahrlich, Er antwortet denen, die zu Ihm flehen, und Er ist denen nahe, die zu Ihm beten. Und Er ist dein Gefährte in jeder Einsamkeit und erweist dir Freundschaft in jeder Verbannung.

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Zu deiner Frage über das Morgengebet: Beide Bedeutungen sind in dem Worte Morgendämmerung enthalten, die natürliche Dämmerung, und die Morgendämmerung des Königreiches. Wenn sich eine Seele früh morgens vor allen anderen vom Schlafe erhebt, muß sie Gottes gedenken, damit sie Geistigkeit und Erleuchtung erhalten möge.

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Einer der Anwesenden frug, wie es komme, daß bei Gebet und Betrachtung sich das Herz so oft mit instinktivem Ruf an Freunde wende, welche schon hinübergegangen sind.

‘Abdu’l-Bahá antwortete: „Es ist ein Gesetz in Gottes Schöpfung, daß sich der Schwache an den Starken lehnen solle. Jene, an welche du dich wendest, mögen Vermittler von Gottes Macht für dich sein, selbst als wären sie auf Erden. Aber es ist der eine Heilige Geist, welcher alle Menschen stärkt.

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O Gott und Helfer aller! ... Wahrlich, Du bist der Hörer der Gebete, und wahrlich, Du bist mächtig in allen Dingen!

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Die Himmel Deiner Gnade und die Meere Deiner Güte sind so weit, daß Du niemals die enttäuschtest, welche willens waren, zu Dir zu kommen!“

(Worte von Bahá’u’lláh.)




Aus dem Schatz der Erinnerungen an Abbas Effendi, 'Abdu'l-Bahá. 1906 - 1911[Bearbeiten]

Brief von Frau Dr. J. F. † an Frau A. Schwarz, Stuttgart


Thema: Was ist Religion?

Ort: Haifa-Akko zu Miß S.

Zeit: 11. Juni 1910.

Der Meister: „O meine Tochter, du meinst, die Einheit der Religion sei nicht als Notwendigkeit zu beweisen und zu verlangen, im Gegenteil, ihr Abendländer sagt, die Menschen sind so grundverschieden nach Rasse, Abstammung, Anlage, Kulturhöhe, Lebensweise, Zeitalter, Wohnsitz, Geschlecht, daß darin schon die Vielgestaltigkeit der religiösen Bedürfnisse, historisch, wissenschaftlich begründet liegt. O meine Tochter, das sind Scheingründe! Was ist Religion? Du schweigst, du suchst nach einer kurzen Erklärung! Laß mich dir es sagen:

1. Religion ist Verbindung mit Gott.
2. Es gibt nur einen Gott.
3. Es gibt nur eine Verbindungsmöglichkeit.

Aus diesen drei Prämissen ergibt sich mit zwingender Logik die Schlußfolgerung: die Religion ist eine organische Einheit. Die Konfessionen, Sekten, Religionsbekenntnisse sind nur eine verschieden enge oder lose Verbindung mit Gott; geschmückt mit Beiwerk, welches zeitlich und örtlich anders ist. Mathematisch ausgeschmückt: [Seite 57]

Gott ist die große Eins. — Religion ist die Null, oder die Nullen, welche nur die Bedeutung und Wert durch die damit verbundenen Eins erhalten! Nimm die Zahl 100 oder 1000 oder 100 000 oder mehr, was sind die Nullen ohne die Eins, welche voransteht?

Die hochstehenden Religionen sind mehrzifferige Nullen, denen die große Eins, die Gottheit voransteht. Die minderwertigen Religionen haben nur eine oder zwei Nullen hinter der großen Eins.

Die Scheinreligionen (Fetischismus, Agnostizismus, Monismus, Nietzsches Lehren usw.) haben mehrere Nullen und die Eins ganz hinten; was bedeutet aber eine solche Zahl wie z. B. 00001?

Und die Bahá’i-Lehre, wie lautet sie in mathematischer Formel? 1 000 000 000. Die Eins ist hier Ein und Alles und dahinter steht eine ununterbrochene Kette von Beziehungen, Verbindungen mit Ihm, dem Ein und Allem. Alláh’u’Abhá.“



Die Eßlinger Bahá’i-Sommerwoche (13.—21. Aug. 1932)[Bearbeiten]

(Fortsetzung)

Südlich von dem Reich, das die Babylonier bildeten, wohnte ein altes Kulturvolk, die Sumerer. Sie hatten eine priesterliche Religion ausgebildet, deren Kult und Götter die Babylonier übernahmen. Die wichtigsten sumerischen Gottheiten waren der Berggott und der Wassergott. Die Priester vereinigten die beiden Götter mit dem Himmelsgott zu einer Dreiheit (Triade): Himmel, Erde, Wasser. Nachdem die Semiten das sumerische Reich endgültig erobert hatten, übernahmen sie dessen Götter. Neben der oben genannten Triade hatten die Babylonier noch eine andere: Mond, Sonne und den Planeten Venus. Außerdem gab es eine Menge größerer und kleinerer Götter. Sie waren ursprünglich Lokalgötter, deren jeder seine Stadt besaß und beschützte. Zusammen bildeten sie ein Pantheon. Schon früh hatte die priesterliche Wissenschaft die Götter mit den Himmelskörpern verknüpft. Alle Planeten bekamen ihre Götter und wurden als heilig erklärt. — Die Götter wurden schon in der sumerischen Zeit in Tempeln verehrt. Beim Gottesdienst wurde alles, was Ackerbau und Viehzucht hervorbrachten, dem Gott als Opfermahl dargebracht. Menschenopfer kannte man nicht. — Die Tätigkeit der Priester bestand zum Teil darin, die zahlreichen Dämonen zu beschwören, die die Welt erfüllten. Die meisten der bösen Geister waren Krankheitsdämonen. Die zahlreichen Hymnen beweisen, daß der gedankliche Inhalt der Gottesverehrung eine gewisse Höhe erreicht hatte. Die Götter werden jedoch immer nebeneinander bestehend gedacht. Zu einem wirklichen Monotheismus ringt sich die babylonische Religion nicht durch. Die Gebete zu den einzelnen Göttern beziehen sich wesentlich auf irdische Vorteile, Glück und Gesundheit, Sieg und Erfolg.

Die Babylonier begnügten sich nicht damit, die Götter in die Natur einzuordnen. Man dachte sich vielmehr, daß der Wille der Götter in den Bewegungen der Himmelskörper zum Ausdruck komme und daß diese auf den Gang der Natur und das Leben der Menschen einen Einfluß ausüben. Die Bewegungen konnte man erforschen und dadurch den Willen der Götter kennen lernen. So entstand die Astrologie, die sich über die meisten Völker des Altertums verbreitete. Bis zum Siege des kopernikanischen Weltsystems erhielt sich mit wenigen Ausnahmen das Weltbild der Babylonier. Es ist das Weltbild, das dem biblischen Schöpfungsberichte und der Schilderung der Sündflut zugrunde liegt. Wenn wir die biblische Erzählung von der Sündflut mit den babylonischen Schilderungen von der großen Wasserflut vergleichen, so wird die vorbildliche Bedeutung der babylonischen Quellen noch deutlicher. Diese Schilderungen sind in das große Epos von Gilgamesch eingeflochten. Der Hauptgedanke dieses Epos’ ist das Schicksal der Menschen und die Frage über Leben und Tod. In vielen babylonischen Sagen ist zu lesen, daß der Mensch eigentlich zur Unsterblichkeit geschaffen war und durch Betrügerei in die Gewalt des Todes kam. Gegen das [Seite 58] Gesetz des Todes gibt es keine Hilfe und so wird das Schattenreich der Unterwelt das Los aller Menschen. Von einer Befreiung zum ewigen Leben erzählen die heiligen Schriften der Babylonier nichts.


Das Christentum.

Den Kern der Lehre von Jesus Christus bildet die Verkündigung einer neuen Welt- und Lebensordnung. Das neue Reich erscheint vor allem als ein Reich der Innerlichkeit. Es fordert nicht eine Vielheit der Betätigungen, sondern sammelt das Leben zu einer einzigen Tat: zum Aufgehen des ganzen Wesens in die Gemeinschaft mit Gott. Die tiefe Umwälzung richtet sich mit ihren Forderungen und Hoffnungen an die Seele des ganzen Menschen. Alle Aufgaben fassen sich in das höchste Gebot zusammen: Gott zu lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüte und den Nächsten wie sich selbst. Die Religion und die Moral heben sich selbständig heraus, nicht aber als gesonderte Gebiete, sondern als zusammengehörige Seiten des einen Lebens. Die Beziehung der Menschen untereinander beruht auf der Gemeinschaft des Menschen mit Gott. Erst von Gott aus gewinnen die Menschen einen inneren Zusammenhang. Durch die Religion wird die Moral gefestigt. Andererseits bildet die Moral eine Bewährung der Religion. Sie beweist sich als echt, wenn sie die Menschen zu selbstverleugnendem Handeln führt. Sie ist nicht eine Ergänzung des übrigen Tuns. sondern wirkt in allem als seine Seele. Ist die Religion so verstanden, so ist jedes vermeintliche religiöse Tun, das sich vom Leben ablöst und mit Heiligkeit umkleidet, überflüssig. Die schlichte, opferbereite Tat überragt die blendendsten religiösen Leistungen. Sie ist das Kennzeichen echter Frömmigkeit. Die Ethik Jesu besteht nicht in einzelnen neuen Sätzen. Neu ist der Geist, der auch das Alte durchdringt und neu belebt. So werden alle Hauptlinien, obwohl sie an frühere Leistungen angeknüpft sind, fruchtbar fortgebildet. Es lag im Zuge der Zeit, die moralische Aufgabe nicht in das Außenwerk, sondern in die Gesinnung zu setzen. Diesem Streben fehlte zu seinem Gelingen eine umfassende Innenwelt. Die Verbindung mit Gott hebt nun den Menschen in eine bei sich selbst befindliche Innenwelt. Die Unterordnung der Leistung unter die Gesinnung ist jetzt keine gewagte Behauptung mehr, da die Handlung von vornherein nicht auf die äußere Welt geht. Die Gesinnung wird damit zur schaffenden Tat. Der Wert der Leistung hängt nicht vom Erfolg ab, sondern von der Gesinnung, die sie geboren hat. Das bedeutet eine Befreiung vom Schicksal der natürlichen Begabung und vom Zufall des äußeren Erfolges, es gründet den Wert des Menschen auf die Tat, die seine Seele offenbart. Schon Plato brach die Macht des äußeren Schicksals, indem er allen Wert des Lebens in die Kraft und den Einklang des Innern setzte, aber im Innern blieb ein noch stärker bedrückendes Schicksal: die natürliche Art und das Maß des geistigen Vermögens. Die endgültige Befreiung brachte erst Jesus.

Diese Verinnerlichung der Moral bedeutet eine Befreiung von äußeren Geboten und Formeln. Dafür wird von innen her das ganze Wesen aufs strengste gebunden. Ein zweiter Hauptzug der Moral ist der weiche Charakter der Milde, Demut und Feindesliebe. Es gibt eine Weichheit der Schwäche und eine Weichheit der Stärke. Jene wird höchstens ein mitleidiges Empfinden entwickeln und das Elend einer gegebenen Lage vielleicht mindern, diese aber wird das Leid in seiner ganzen Größe aufsuchen und überwinden. Jene Art der Weichheit finden wir im Ausgang des Altertums, diese in Jesu Gedankengängen. Die Überzeugung, daß der Mensch durch göttliche Liebe und Gnade ohne eigenes Verdienst aller Not enthoben und zur Seligkeit berufen ist, gibt hier den Grundton. Daraus strömt eine Gesinnung der Sanftmut und Friedfertigkeit. — Über das Verlangen friedfertiger Milde ergeht die Forderung, auch die Feinde in liebevoller Gesinnung aufzunehmen und ihnen wohlzutun. Die Forderung widerspricht der natürlichen Seelenanlage und ist nur verständlich durch die Eröffnung eines neuen Grundverhältnisses der Menschen untereinander. Das geschieht durch die gemeinsame Gotteskindschaft. — Mit den bisher dargelegten Zügen eng verbunden ist das Verschwinden aller sozialen Unterschiede, das Menschliche im Menschen wird zur Hauptsache. [Seite 59]

Die Lehre Jesu hat sich nicht rein erhalten. Die Menschen haben etwas ganz anderes daraus gemacht, als er wollte. Auch sind die Evangelien als historische Quellen sehr vorsichtig zu verwerten.


VII. Islam.

Der Islam, die Lehre Mohammeds, ist seinem Inhalt nach in der Hauptsache eine Mischung von christlichen und jüdischen Glaubenszügen. Der Hauptgedanke ist die vollständige Unterwerfung des Menschen unter den Willen Gottes. Darin besteht der Glaube und davon hängt die Erlösung ab. Der Grundgedanke und die religiöse Stimmung des Islams sind in der 1. Sure des Korans ausgedrückt. Diese spielt im Mohammedanismus dieselbe Rolle wie das Vaterunser im Christentum. Allah wird im Himmel von Engeln umgeben. Gabriel, der vornehmste von diesen, offenbart Mohammed den Inhalt des himmlischen Koranbuches, in das Gott selbst Seinen Willen geschrieben hat. Mohammed soll die Religion zu ihrer ursprünglichen Reinheit zurückführen. Der Kern seiner Lehre ist die Auferstehung und das Gericht. Nach dem Tode soll der Mensch mit Leib und Seele auferstehen und vor das Gericht gestellt werden. Für die Ungläubigen ist die Hölle bereitet, für die Gläubigen das ewige Paradies. Das Urteil wird nach dem Glauben oder Unglauben des Menschen gefällt. Die Erlösung ist nicht verdient, sondern eine reine Gnade. — Die moralischen Pflichten, die Mohammed seinen Muslim auferlegte, erforderten strenge Erfüllung. Sie sollten die Gläubigen zu Gehorsam und Einigkeit erziehen.

Durch die Wallfahrt nach Mekka verlieh Mohammed seiner Religion ein nationales und universelles Gepräge. Mekka wurde der Sammelplatz für alle Muslim, die sich als Brüder betrachteten. Dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit hat die Ausbreitung des Islams sehr gefördert. — Ein anderes Band zwischen den Gläubigen wurde der Koran. Die darin enthaltenen Wahrheiten sind unerschütterlich; denn Allah hat jedes Wort zum Propheten gesprochen. Sie können jedoch in verschiedener Weise ausgelegt werden. Die heiligen Regeln werden durch neue Vorschriften vermehrt, wenn sich die Gemeinden über solche geeinigt haben. Diese Freiheit in der Traditionsbildung hat sich als kluge Maßregel für eine Weltreligion erwiesen. — Praktisch war auch die Toleranz gegen die Bekenner der höheren Religionen. Gegen seine eigenen Bekenner ist der Islam dagegen äußerst intolerant. — Der Gottesdienst ist bloß eine Zusammenkunft der Gläubigen auf dem Gebetplatze, wo am Freitag, dem Feiertag der Mohammedaner, von einer geeigneten Person eine Predigt gehalten wird. Einen Priesterstand gibt es im Islam nicht. Musik kommt bei dem Gottesdienst nicht vor, die Moschee ist nicht mit Bildern oder Statuen von Heiligen geschmückt. — Die Heiligenverehrung und das Mönchsleben sind fremde Elemente, die erst später aufgenommen wurden. So genießen die Derwische große Verehrung. In der Lehre hat ebenfalls eine abweichende Entwicklung stattgefunden. Wohl gibt es noch eine Orthodoxie, aber daneben bestehen zahlreiche Sekten. Eine solche Abspaltung bilden die Schiiten, die besonders in Persien stark vertreten sind. Sie erkennen von den Nachfolgern des Propheten nur dessen Schwiegersohn Ali als den rechten Kalifen an und als ihre Oberhäupter nur die Reihe von Imanen, die von Ali herstammen. In diesen Kreisen hegt man messianische Erwartungen. Auch unter den Sunniten (in orthodoxen Kreisen) glaubt man, daß einmal ein Mahdi auftreten und die Gläubigen zu einer politischen Bewegung um sich sammeln wird. — In Persien findet man auch eine islamische Mystik, den sog. Sufismus. Die Anhänger wollen durch Askese und Ekstase mit Allah eins werden, wie die Brahmanen in Brahma aufgehen. In seinen edleren Formen fordert der Sufismus ein Leben in Reinheit, Güte und Demut als Bedingung für die mystische Gotteserkenntnis. Auf die mohammedanische Theologie hat er veredelnd gewirkt und ihm eine Tiefe gegeben, die dem Koran abgeht. Auch für die Weltkultur gewann er durch die lyrischen und philosophischen Dichter Bedeutung.

Babismus. Der Babismus kann als Höherentwicklung des Islams und als wegbereitende Bewegung für die Bahá’i-Lehre bezeichnet werden. Er wurde von Ali Mohammed begründet, der sich im Jahre 1844 [Seite 60] als der „Báb“ (d. h. das „Tor“) erklärte, der gesandt sei, um die Menschen auf das Kommen der „großen Stunde“ hinzuweisen, und ihnen das Herabkommen des Geistes Gottes anzukündigen. In Mekka verkündigte er seine Mission vor Tausenden von Muselmännern, die dort versammelt waren. Die Nachricht von seinem Austreten verursachte große Aufregung. Die Muselmänner glaubten in ihm einen Repräsentanten ihres verheißenen Mahdis zu sehen, dessen Kommen von Mohammed vorausgesagt war; denn der Báb gab in seinen Reden zu verstehen, daß er nur der Vorläufer sei, der den Weg bereite für einen Größeren, der die eigentliche Manifestation Gottes sei. Er wollte den Menschen ein neues, göttliches Zeitalter schaffen, das ihnen eine Offenbarung des göttlichen Willens bringen und darin gipfeln soll, den Glauben und das Leben der Menschen zu reformieren. Er fand bald viele Anhänger. Die mohammedanische Priesterschaft fürchtete den Einfluß der Bábisten und beschloß daher den neuen Glauben mit Gewalt zu unterdrücken. Nun folgte eine Zeit furchtbarer Verfolgungen. Viele Bábisten mußten sterben. Voll Heldenmut, Treue und Liebe zu ihrem Führer gingen sie in den Tod. Auch der Báb starb im Jahre 1850 den Märtyrertod. Damit hörte aber die Verbreitung der Religion nicht auf, im Gegenteil, die Zahl der Babisten vergrößerte sich, obwohl die Verfolgungen immer heftiger wurden. Nachdem der Báb seine Mission erklärt hatte, schrieb er viele Bücher, besonders Kommentare zu verschiedenen Suren des Korans. Außerdem schrieb er sowohl in arabischer als in persischer Sprache eine große Anzahl Abhandlungen, Diskurse, Gebete und Antworten auf wissenschaftliche Fragen und brachte dadurch die persische Geistlichkeit außer Fassung. Das größte Buch des Báb ist der „Beyan“. Darin sind seine neuen Gesetze und Verordnungen enthalten. Außerdem beschreibt es die Eigenschaften des Verheißenen. Durch Allegorien und Symbole weist er auf die Manifestation des Verheißenen hin. In einer Zusammenstellung der von ihm geschriebenen Bücher heißt es einmal: „Gesegnet ist der, welcher auf die Anordnungen Bahá’u’lláhs blickt; denn wahrlich Er wird unfehlbar erscheinen. In dem „Beyan“ veränderte der Báb die bisherigen Gesetze und Riten und gab besondere Anordnungen für Andachtshandlungen und Zeremonien. Die von den Persern eingehaltene Rechnung nach Mondjahren änderte er ab in die nach Sonnenjahren, teilte das Jahr ein in 19 Monate zu je 19 Tagen, die er nach den Namen und Attributen Gottes benannte.

Als der Báb in Schiras auftrat, nahm Bahá’u’lláh dessen Erklärung als Vorläufer des Verheißenen öffentlich an und bemühte sich, das Wort des Báb zu verbreiten. Durch Ihn wurden viele bewogen, die Religion des Báb anzunehmen.

Bei der Betrachtung der einzelnen Religionen wird uns trotz aller ihrer Verschiedenheiten eines klar bewußt: alle suchen nach dem einen Gott. Die jeweilige Form der Verehrung entspricht der gegebenen Kulturlage. Max Müller schreibt in seiner Sammlung der „Heiligen Bücher des Ostens“: „Es gab nie einen falschen Gott, noch gab es je eine falsche Religion; es sei denn, daß du ein Kind einen falschen Menschen nennen kannst. Alle Religionen hatten, soweit ich sie kenne, den gleichen Zweck. Alle waren Glieder einer Kette, die Himmel und Erde miteinander verbindet und die von ein und derselben Hand gehalten wird und schon immer gehalten wurde. Alles hier auf Erden strebt nach Recht, Wahrheit und Vollkommenheit. Nichts kann hier auf Erden je ganz recht, ganz wahr und ganz vollkommen sein. ..."


In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sind an die Verlagsabteilung des Geistigen Nationalrat der Deutschen Bahá’is e. V. Stuttgart, Alexanderstraße 3 (Nebengebäude) zu richten. — Alle Zahlungen sind zu leisten an den Geistigen Nationalrat der Deutschen Bahá’i e. V., Stuttgart, Alexanderstraße 3 (dessen Postscheckkonto Nr. 19340 Amt Stuttgart). — Druck von J. Fink, Hofbuchdruckerei, Stuttgart.


[Seite 61]


Geschichte und Bedeutung der Bahá’i-Lehre[Bearbeiten]

Die Bahá’i-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.

Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahá’i-Bewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahá’i-Religion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahá’i (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahá’i der Welt.

Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahá’i, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China usw. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.

In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht, sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).

Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (größtes heiliges Buch), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.

Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheitssprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.

Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, Seite 66.)


[Seite 62]


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Bahá’u’lláh

Verborgene Worte.. Worte der Weisheit und Gebete. Geschrieben während seiner Verbannung in Bagdad 1857/58 . . . kart. —.80

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Frohe Botschaften. Worte des Paradieses, Tablet Tarasat (Schmuck), Tablet Taschalliat (Lichtstrahlen), Tablet Ischrakat (Glanz). Mahnrufe und Anweisungen an die Völker der Erde . . gebunden 2.00

Ganzleinen 2.50

Buch der Gewißheit oder Kitábu’l-Iqán. Eine Auseinandersetzung mit theologischen Fragen verschiedener Religionen, geschrieben in Bagdad um 1862. Ist fortsetzungsweise in den beiden Jahrgängen X und XI unserer Zeitschrift „Sonne der Wahrheit“ enthalten.

Jahrgang gebunden je 6.--


'Abdu'l-Bahá Abbas

Ansprachen in Paris. ‘Abdu’l-Bahá spricht hier über zahlreiche Fragen, nach deren Klärung die Völker der Erde suchen.

gebunden 2.--

Beantwortete Fragen. Erklärungen zu christlichen und islamischen Fragen, Behandlung allgemeiner weltanschaulicher Probleme . . . . . . Ganzleinen 2.50

Sendschreiben an die Haager Friedenskonferenz 1919 . . . . . --.20


Sonstiges

Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, Einführung in die Gedankenwelt der Bahá’i-Lehre von einem orientalischen Gelehrten. Von Mirza Abul Fazl . . . . . gebunden 2.--

Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter. ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont. Ganzleinen 2.50

'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. . . . . .gebunden 2.--

Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase. . . . . . . kart. 2.--

Am Morgen einer neuen Zeit. Untersuchung der geistigen Ursachen der Weltkrise und Beleuchtung der letzthin einzigen Möglichkeit ihrer Überwindung durch die Bahá’i-Lehre. Von Dr. Hermann Großmann . . . . . kart. 1.80

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Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit. Von Dr. jur. H. Dreyfus . . . -.30

Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás, ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") . . . -.30

Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey . . . . —.30

Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahá’i-Lehre von Dr. Hermann Grossmann . . . . —.20

Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Grossmann . . . . —.20

Sonne der Wahrheit. Bahá'i-Monatszeitschrift.

Jahrgang III - IX gebunden je 3.--
Jahrgang X - XII gebunden je 6.--