Sonne der Wahrheit/Jahrgang 13/Heft 4/Text

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SONNE

DER

WAHRHEIT
 
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI
 
HEFT 4 13. JAHRGANG JUNI 1933
 


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Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i-Prinzipien[Bearbeiten]

1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.

Bahá’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Ästen und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Bahá’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Bahá’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.


2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.

In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.


3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.

Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.


4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.

Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.


5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.

Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.


6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.

Dies ist eine besondere Lehre Bahá’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.


7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.

Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.


8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.

Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.


9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.

Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.


10. Die soziale Frage muss gelöst werden.

Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Bahá’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.


11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.

Bahá’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weltsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.


12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.

Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.

Vor mehr als 50 Jahren befahl Bahá’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.

Bahá’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.


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SONNE DER WAHRHEIT
Organ der deutschen Bahá’i
Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3
Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark
Heft 4 Stuttgart, im Juni 1933
Nur — (Größe) 90
13. Jahrgang

Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion


Inhalt: Suratu’] Haykal. — Göttliche Lebenskunst. — Tagung der Deutschen Bahá’i. — Die Eßlinger Bahá’i-Sommerwoche.



Inhalt, Zweck und Ziel des Lebens

O meine Tochter, Du bittest um ein Losungswort, nach dem ein Bahá’i sein Leben einrichten soll; da wollen wir zuerst nach dem Zweck des menschlichen Lebens fragen! Du meinst nach Christenart, daß die Erreichung der ewigen Seligkeit der Endzweck dieses Lebens sei. Nein, meine Tochter, wir haben unser irdisches Leben nicht ausschließlich vom Nützlichkeitsstandpunkt aus anzusehen und zu fragen: wie lebe ich hier am zweckmäßigsten, um dort im Jenseits es am besten zu haben? Vielmehr ist Zweck und Ziel dieses irdischen Lebens der Dienst Gottes. Das Geschöpf hat dem Schöpfer, der Diener dem Herrn zu dienen, ohne zu fragen, was nachher aus ihm wird. Als Diener Gottes tragen wir aber dessen Waffen des Lichts, denn der Diener ist zugleich der Kämpfer im Solde und Dienst seines Herrn im Kampf und Streit *). Das Losungswort des Bahá’i heißt also: Siegen, Überwinden!

Sich selbst und alles Ungute, Unwahre und Unschöne überwinden mit den Waffen der Liebe; sich selbst aufopfern für Gott und für den Nächsten — darin liegt Inhalt, Ziel und Zweck dieses Lebens. Sorgen mir dafür, so wird Gott für unser ewiges Leben, unsere ewige Seligkeit Seinerseits sorgen.

'Abdu'l-Bahá’s Worte zu Miss St. Haifa 2.11.1910.


*) figürlich.


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Suratu’l Haykal[Bearbeiten]

(Fortsetzung)


Bald werden Wir von deiner Hand die Hände der Kraft, der Macht und der Herrschaft bilden lassen und Wir werden durch sie Unsere Macht zeigen über das, was im Reiche des Befehls und der Schöpfung ist, damit die Menschen erkennen, daß es keinen anderen Gott gibt als Uns, den Beschützer, den Ewigen. Durch sie werden Wir geben und werden Wir nehmen, und niemand wird es fassen außer denen, die mit dem Auge des Geistes schauen werden.

Sprich: o Volk, denket ihr der Herrschaft Alláhs zu entrinnen? Bei Alláh! an diesem Tage gibt es für euch oder, wer immer es auch sei, weder Ausflucht noch Zuflucht außer Seiner Barmherzigkeit, durch Seine Güte. Er ist der Barmherzige, der Verzeihende. Sprich: o Volk, laßt im Stich, was ihr habt, dann tretet ein in den Schatten eures Herrn, des Huldreichen: das ist mehr wert für euch als eure vergangenen und derzeitigen Taten. Fürchtet Gott und beraubt euch nicht des linden Wehens der Tage des Königs der Namen und Attribute: ändert das Wort Gottes nicht ab und entstellt es nicht. Fürchtet Gott und zählet zu jenen, die die Gewißheit haben. Sprich: o Volk, hier ist die Hand Gottes, die immer über den eurigen gewesen ist, — so ihr einsichtig seid. In sie haben Wir die Wohlfahrt der Himmel und der Erde beordert in einer Weise, daß keine Wohlfahrt außerhalb ihr zutage tritt: auch zu Wohlfahrtsquelle und -rückhalt haben Wir sie gemacht für das, was war oder sein wird. Sprich: alle, was in die Tablets hineinfließt, Ströme der Bedeutungen und der Erklärung, kommt von diesem allerhöchsten Meer, — so ihr begreift. Alles, was in den Büchern zergliedert ist, reicht an dieses erhabene Wort, das ausgegangen vom Horizont des Mundes des Willens Abhá in dieser Offenbarung, die das Sichtbare und das Unsichtbare zum Schweigen gebracht hat. Bald wird Gott aus den Ärmeln der Macht die Hände der Herrschaft und des Triumphes hervortreten lassen und Er wird ein Volk erwecken, das Mich zum Sieger machen und die Erde vom Schmutze allen verdammten Unglaubens reinigen wird. Es wird sich für die Sache erheben und die Länder erobern in Meinem Namen, dem Mächtigen, dem Ewigen. Es wird die Grenzen überwinden, und seine Heldentaten werden alle Menschen in Schrecken versetzen: das kommt von der Sturmgewalt 1) Alláhs; und Seine Sturmgewalt 2) für die Gerechtigkeit ist heftig. Wahrlich, Er ist Der, Welcher die Himmel und die Erde umschließt und das, was Er will, nach feststehendem Maße herniedersteigen läßt.

Und wenn ein einziger von diesen Menschen über all das schritte, was in der Welt erschaffen ward, dann wäre er der Eroberer durch die Eroberung Meines Wollens. Das ist es, was Ich verordnet habe, aber Meine Schöpfung versteht es nicht; dies Mein Befehl, aber Meine Diener gehorchen nicht; hier Mein Sieg, aber die Menschen sind undankbar außer jenen, deren Antlitz Gott durch das Licht Seiner Erkenntnis erleuchtet hat, deren Herzen Er zu Sammelorten Seiner Inspiration gemacht und deren Seelen die Träger Seines Befehles sind! Diese Wesen im Gewande Seines Namens nehmen die Wohlgerüche des Barmherzigen wahr und finden ohne Unterlaß das Glück in den göttlichen Versen. Auf den Leugnern und Ungetreuen aber ist der Zorn Alláhs: sie werden ins Feuer geschleppt werden und darüber wehklagen, sich dort eingeschlossen zu sehen. Also geben Wir einzeln die Verse und erläutern die Wahrheit, in der Hoffnung, daß die Menschen über die Zeichen ihres Herrn nachsinnen werden.

O Tempel! Wir haben dich gemacht zum Zeichen Meiner Herrlichkeit in dem, was ist und sein wird; und Wir haben dich gemacht zum Zeichen Meiner Sache zwischen den Himmeln und der Erde durch das Wort „Sei“ — und es ist.

O Ha der Göttlichkeit (Al Huwiyat) in diesem Namen 3), Wir haben dich zum Sammelort Meines Willens gemacht und zum [Seite 39] Gehege Meines Wollens für alles, was im Königreich des Befehls und der Schöpfung ist, als eine Gunstbezeigung von seiten des Beschützers, des Ewigen.

O Ya Meines Namens, des Mächtigen (Al Qadir), Wir haben dich zum Schauplatz Meiner Herrschaft und zum Aufgangsort Meiner Namen gemacht; und Wir haben die freie Verfügung über das, was Wir sagen.

O Kaf Meines Namens, des Großmütigen (Al Karim), Wir haben dich gemacht zum Erscheinungsort Unserer Großmut in Unserer Schöpfung und zur Quelle Unserer Güte unter Unseren Geschöpfen. Ich bin der Allmächtige durch Meine Macht: nichts entgeht Meiner Kenntnis von dem, was zwischen den Himmeln und der Erde erschaffen ist, und Ich bin der Wahre, Der, Welcher die verborgenen Dinge kennt. O Feder! laß herabsteigen aus den Wolken deiner Großmut, was die Wesen der Welt des Zufalls bereichern wird; beraube nicht das Dasein deiner Gunstbezeugungen. Wahrlich, Du bist der Großmütige im ewigen Königreich, der Besitzer der höchsten Gunst für das, was im Königreich der Namen ist. Blicke nicht auf die Menschen und ihren geringen Wert; blicke auf deine höchste Schönheit und deine wunderbaren Wohltaten. Laß die Menschen unter deinen breiten Schatten gelangen. Öffne die Hand der Gaben über die Wesen des Zufalls und die Finger der Großmut über die Geschöpfe. Das ist, was dir zukommt. Aber die Menschen verstehen nicht. Wenn einer zu dir hin gelangt, dann geschieht es durch deine Güte; und wenn er sich von deinem Herrn abwendet, — wahrlich, Er ist unabhängig von dem, was Er erschaffen in der Welt, und die ergebenen Diener bezeugen es. Bald wird Gott dir Wesen mit sieghaften Händen senden und mächtige Helfer, die hinter den Schleiern hervortreten und dem Barmherzigen zum Triumph in der Welt verhelfen werden. Sie werden einen Ruf ausstoßen, der die Lungen sprengen wird: so steht es in dem verborgenen Tablet geschrieben. Mit einer Kraft werden sie auftreten, die die Bewohner der Erde so sehr in Schrecken versetzen wird, daß alle darob erzittern.

Hütet euch, Blut zu vergießen: ziehet das Schwert der Sprache aus der Scheide der Erklärung: durch sie werden sich die Städte der Herzen erobern. Wir haben den Befehl, zu töten, aus eurem Bereiche zurückgezogen 4); wahrlich, Meine Barmherzigkeit ging den Geschöpfen voraus, — so ihr wissend wäret! Helft eurem Herrn, dem Barmherzigen, mit dem Schwerte des treffenden Beweises: es ist die beste der Auslegungen und die am meisten gewürdigte, — so ihr die Worte eures Herrn beobachtet. Also sind die Heere der Inspiration herabgestiegen aus den Bereichen Alláhs, des Mächtigen, des Ewigen, und die Scharen der Offenbarung am Aufgangsort der Sache erschienen von seiten Gottes, des Starken, des Vielgeliebten.

Sprich: wahrlich, die Maße der Dinge sind in diesem erlauchten, gefeierten Tempel festgesetzt worden, und das Wissen der Himmel und der Erde, das Wissen von dem, was ist und sein wird, ist darin sorgfältigst verwahrt. Und durch die Meisterfinger deines Herrn ward das, was die Gelehrten nicht begreifen konnten, in dies Buch geschrieben: Er hat darinnen Tempel geschaffen, von denen keiner außer Gott Kenntnis hat, — so ihr die Gewißheit habt. Wohl dem, der es liest, der darüber nachsinnt und zu denen gehört, die ans Ziel gelangt sind! Sprich: man sieht in Meinem Tempel nur den Tempel Gottes, in Meiner Schönheit nur Seine Schönheit, in Meiner Stellung nur Seine Stellung, in Meinem Wesen nur Sein Wesen, in Meinem Handeln nur Sein Handeln, in Meiner Ruhe nur Seine Ruhe, in Meiner Feder nur Seine Feder, Ihm Eignendes, dem Starken, dem Gepriesenen! Sprich: es gibt in Mir nichts als das Wahre, und man sieht in Meinem Wesen nichts als Gott. Hütet euch, von zwei Zuständen 5) zu sprechen. In Mir rufen alle Atome aus: „Wahrlich, Er ist Der, außer Dem es keinen anderen Gott gibt, der Einzige, der Starke, der Vielgeliebte.“ Seit Ewigkeit habe Ich gesagt im Königreich des Unendlichen: „Wahrlich, Ich bin Alláh! Es gibt keinen anderen Gott denn Mich, den Beschützer, den Ewigen!“ Und immer werde Ich sagen im Königreich der Namen: „Wahrlich, Ich bin Alláh! Fs gibt keinen anderen Gott denn Mich, den Starken, den [Seite 40] Angebeteten!“ Sprich: wahrlich, die Gottheit ist Mein Name, für den Ich Manifestationen geschaffen in der Welt, obgleich Ich dessen nicht bedurfte, — so ihr zu denen zählt, die bezeugen. Und die Göttlichkeit ist Mein Name, für den Wir Manifestationen geschaffen, die die Diener übertreffen und sie zu Dienern Gottes machen werden, — so ihr zu denen zählt, die die Gewißheit haben. Verstehet so alle Namen, — so ihr zu denen gehört, die verstehen.

O Lam 6) der Güte (Al Fazl) in diesem Namen! Wir haben aus dir die Offenbarung der Güte zwischen den Himmeln und der Erde gemacht. Aus dir haben Wir die Güte für den Bereich der Zufälligkeiten erschaffen und zu dir lassen Wir sie zurückkehren. Aus dir werden Wir sie aufs neue offenbaren durch einen Befehl von Uns, — Er, Der tut, was Er will — vermöge Unseres Wortes „Sei — und es ist. Alle Güte, die in der Welt erschienen ist, kommt von dir und wird zu dir zurückkehren. Solches ward verordnet in einem Tablet, das Wir hinter dem Gezelt der Größe verwahrt und das Wir vor dem Blicke der Augen bewahrt haben. Selig, wer sich diese gerühmte Güte ohne Unterlaß nicht versagt hat!

Sprich: an diesem Tage ist das befruchtende Wehen der Güte über die Dinge ausgebreitet, die solcherweise befruchtet werden mit dem, was ihnen zukommt: aber die meisten Menschen wenden sich davon ab. Wahrlich, die Bäume tragen die köstlichen Früchte, die Meere die leuchtenden Perlen, der Mensch die Geistigkeit und Intelligenz, die Welt den Glanz des Barmherzigen und die Erde das, was keiner weiß außer Gott, dem Vielwissenden, dem Unsichtbaren! Bald wird alles befruchtet sein. Gepriesen sei Gott, Der diese Güte gesandt, die alle augenscheinlichen oder verborgenen Dinge umschließt! Also haben. Wir an diesem Tage die Welt aufs neue erschaffen, aber die meisten Menschen wissen es nicht. Sprich: wenn die Güte Gottes in ihrem Wesen nicht erkannt werden kann, wie kann man dann Ihn erkennen, Ihn, den Beschützer, den Ewigen?

O Tempel der Sache! Wenn du niemanden zu deinen Wohltaten gelangen siehst, dann werde nicht traurig, denn Ich habe dich für Mich Selbst geschaffen: befasse dich mit Meiner Verkündigung unter den Menschen. Das ist es, was für dich in dem verwahrten Tablet verordnet ist. Wahrlich, als Wir die unreinen Hände auf der Erde vorfanden, haben Wir dein Kleid von ihrer Berührung und der der Ungläubigen gereinigt. Sei also geduldig in der Sache deines Herrn: Er wird Besitzer reiner Herzen und leuchtender Blicke erstehen lassen, die von allen Seiten zu deiner einhüllenden, weitstrahlenden Güte herbeieilen werden.

O Tempel Gottes! Als Ich die Heerscharen der Inspiration mit der Standarte der Verse aus der Umgebung des Königs der Namen und Attribute hinabsteigen ließ, wurden die Wesen des Aberglaubens, Leugner der Erklärungen Gottes, des Beschützers, des Ewigen, in Flucht versetzt: sie haben zum Heucheln ihre Zuflucht genommen. Einige unter ihnen haben gesagt: diese Verse sind keine Erklärungen, die von Alláh kommen, und sie wurden nicht für die Schöpfung geoffenbart. Also verbinden die Ungläubigen die Wunden der Herzen, und dafür werden sie verflucht durch die, die in den Himmeln und auf Erden sind, obgleich es ihnen selbst nicht zum Bewußtsein kommt. Sprich: der Heilige Geist ward erschaffen durch ein Wort, das von diesem allerhöchsten Geist herabgestiegen ist, — so ihr zu jenen zählt, die begreifen. Und die Schöpfung ihrerseits, sie wurde mm ihre Wirklichkeit hineinerschaffen durch die Verse Gottes, des Beschützers, des Starken, des Vielgeliebten. In Wahrheit, sie sucht Ehre in ihrer Verbindung mit Mir, dem Wirklichen, während Ich weder in ihr Ehre suche, noch in dem, was nicht sie ist: denn alles, was nicht Ich ist, wurde durch Mein Wort erschaffen, — so ihr unter den Einsichtsvollen seid.

Sprich: Wir haben die Verse in neun verschiedenen Arten niedersteigen lassen, und jede von ihnen beweist die Macht Gottes, des Beschützers, des Ewigen: eine jede würde genügen, um alles zu überzeugen, was in den Himmeln und auf Erden ist: aber die meisten Menschen sind gleichgültig! Wenn Wir es gewollt hätten, hätten Wir die Verse in so vielen Arten niedersteigen lassen, daß die Rechenköpfe sie nicht hätten zählen können. Sprich: o Volk, fürchtet Gott und setzt [Seite 41] eure Lügenzungen nicht für das in Bewegung, was Er nicht liebt. Schämt euch vor Dem, Der euch aus einem Tropfen Wassers erschaffen hat, wie ihr wißt.

Sprich: wahrlich, Wir haben das, was in den Himmeln und auf Erden ist, nach dem Wesen Gottes erschaffen; und wer immer zu diesem Antlitz vorgelangt, wird das offenbaren, wofür er erschaffen worden ist; wer immer sich abwenden wird, wird dieser unendlichen und verborgenen Güte beraubt sein. Wahrlich, Wir, Wir Selbst haben kein Ding dieser Güte beraubt und Wir haben die Dinge nach gleichem Maße erschaffen. Wir haben ihnen das Festhalten an Unserer Liebe empfohlen durch ein Wort aus Unserem Reich: wer es bewahrt, wird gerettet werden, wird glauben und unter den Getreuen sein am Tage des Gerichts; wer Einwendungen macht, wird Gott, dem Beschützer, dem Ewigen untreu. Also haben Wir den Unterschied zwischen den Dienern festgelegt und haben sie geschieden: wahrlich, Wir sind der Scheider. Sprich: das Wort Gottes gleicht nicht jenem der Geschöpfe: es ist der Sultan der Worte, wie Sein Wesen der Sultan der Wesen und Seine Sache die Obhut für das ist, was ist und sein wird. O Volk! Dringet ein in die Stadt der Gewißheit, den Platz des Thrones eures Herrn, des Barmherzigen: dies befiehlt euch die Feder des Glorreichen, als eine Gunstbezeugung Seinerseits, — SO ihr euch nicht von Seiner Sache lostrennt.

Und unter den Ungetreuen kamen einige ins Verleugnen und standen auf zur Empörung, indem sie sagten: „diese Verse sind lügenhaft“. So haben einstmals die gesprochen, die zugrunde gingen; und sie schreien im Feuer um Hilfe! Sprich: „wehe euch ob dem, was aus eurem Munde kam! Wenn diese Verse lügen, auf Grund welchen Beweises habt ihr an Gott geglaubt? Zeiget ihn her, wenn ihr mitreden könnt.“ Als Wir ihnen nun sichtbarlich Verse offenbarten, haben sie sie abgelehnt; und als sie sahen, daß die ganze Schöpfung ihresgleichen hervorzubringen unfähig war, sagten sie: „das ist Hexerei”. Warum reden sie, was sie nicht verstehen? Also redeten einstmals die Leute des Forqán 7), als Alláh mit Seiner Sache zu ihnen kam: wahrlich, dies sind Leugner. Und sie haben die Menschen daran verhindert, vor der ewigen Schönheit zu erscheinen und mit ihren Freunden zu speisen! Einige sagten sogar: „Kommt ihnen nicht nahe, denn sie behexen die Leute und bringen sie ab vom Wege Alláhs, des Beschützers, des Ewigen!“

Bei Gott, dem Wahrhaftigen! Ein Wesen, das in Unserer Gegenwart nicht einmal sprechen konnte, hat das geäußert, was die Leute von ehemals nicht zu äußern gewagt haben, und hat das getan, was die nicht getan haben, die den Barmherzigen zu allen Zeiten verleugneten: ihre Worte und ihre Taten zeugen davon, — so ihr gerecht seid. Wer immer die Verse Alláhs ins Reich der Hexerei verweist, kann an keinen der Propheten Gottes glauben: in seinem bejammernswerten Leben werden seine Anstrengungen nutzlos bleiben, und er zählt zu jenen, die ohne Wissen reden.

Sprich: o Diener, fürchte Gott, deinen Schöpfer und deinen Lenker, und werde nicht stolz in Seiner Nähe; sei gerecht in deinem eigenen Inneren und lehre die Gerechtigkeit. Wahrlich, diejenigen, denen Gott das Wissen verliehen, werden machtvolle Beweise finden, um jene Einwürfe zu widerlegen und dieses offenbare Licht zu bestätigen. Sprich: werdet ihr sagen, was die Ungläubigen gesagt haben, als der Ankündiger 8) von seiten ihres Herrn zu ihnen kam? Wehe euch, unwissende Gemeinde! Schlecht ist, was ihr besitzt!

O ewige Schönheit! Kümmere dich nicht mehr um die Ungläubigen und das, was sie besitzen, sodann laß den Duft der Ankündigung deines Vielgeliebten, des Großen, des Allerhöchsten die Welt des Zufalls durchwehen: durch Seine Verkündigung werden alle Dinge lebendig gemacht und die Tempel der Welt werden erneuert werden. Sprich: wahrlich, Er hat Sich auf dem Throne der Größe und Herrlichkeit niedergelassen; und wer immer Seine Schönheit schauen will, hier ist sie zu sehen! Gepriesen ist Alláh, daß Er in dieser leuchtenden und strahlenden Schönheit erschienen ist! Wer Seine Melodie vernehmen will, für den steigt sie in Wahrheit auf aus diesem lieblichen und wunderbaren Munde; und wer durch Seine [Seite 42] Lichtfluten erleuchtet werden will, zu denen sage: erscheint vor diesem Thron! Hier ist, was Alláh euch gewährt in Seiner Güte zur Welt!

Sprich: o Volk! Wir fordern von euch ein Wort höchster Aufrichtigkeit; Gott wird als Zeuge zwischen uns entscheiden: Er ist der Gefährte der Hochherzigen. Erscheinet vor dem Thron; dann seid gerecht in euren Worten, damit ihr unter die zählt, die ein richtiges Urteil haben: Ist es Gott, der in Seiner Sache Allmächtige, oder seid ihr es wohl, die entscheiden? Ist Er der Unabhängige in Sich Selbst, nach den Worten: „Wahrlich, Er tut, was Er will, und man befragt Ihn nicht über Sein Tun“, oder seid ihr wohl die Unabhängigen und sprecht diese Worte nur aus Aberglauben, so wie eure Väter zu Zeiten der Gesandten sie ausgesprochen haben? Und obgleich Er unabhängig in Sich Selbst ist, hat Er die Manifestation Seines Befehls mit Versen erscheinen lassen, denen nichts gleichkommt von dem, was in den Himmeln oder auf Erden ist. Und Sie ist in einer Herrlichkeit erschienen, derengleichen in der Schöpfung nicht gesehen worden ist, so wie ihr es habt feststellen und wahrnehmen können in dem Erscheinen des Lichtes der Horizonte am Himmel des Iraq 9), mit offensichtlichem Beweise. Alle Dinge grenzen an die Verse, und sie sind die Zeichen Alláhs, des Königs, des Beschützers, des Starken, des Mächtigen. Mehr noch: Er ist mit einem Befehl erschienen, dessen Macht alle Geschöpfe bezeugen und welche allein die ungläubigen Vielgöttereitreibenden leugnen.

Sprich: „o Volk, wollt ihr die Schönheit der Sonne mit dem Schleier eurer Seelen verbergen oder wollt ihr den Geist daran hindern, in dieser reinen und lichtvollen Brust zu singen?“ Fürchtet Gott und leistet Ihm in euch selbst keinen Widerstand. Kämpft nicht gegen Den, durch Dessen Befehl das Kaf erschaffen und mit seiner großen Stütze 10) verbunden ward. Glaubt an die Gesandten Gottes, an Seine Macht, an Ihn Selbst, an Seine Größe; naht euch nicht jenen, die verleugnet haben, was sie zuvor bekräftigt hatten, da sie aus reinem Hochmut sich selbst für etwas halten: wahrlich, dies sind Ungläubige. Legt Zeugnis ab von dem, wovon Alláh Zeugnis abgelegt, damit die Gemeinschaft der Erwählten sich an dem erfreue, was eurem Munde entströmt. Sprecht: wahrlich, wir glauben an das, was einst auf die Gesandten Alláhs herabgestiegen ist und wahrhaftig auf ‘Ali 11), wie an das, was aus dem Bereiche des allerhöchsten Thrones herabsteigen wird. Also belehrt euch Gott in Seiner Großmut und aus einer Güte heraus, wie sie Ihm eigen: wahrlich, Seine Güte ist die mächtigste der Welt.

O Füße dieses Tempels! Wir haben euch aus Eisen erschaffen. Seid fest in der Sache eures Herrn, damit durch euch die Füße jener, die von dieser Welt losgelöst werden, gefestigt werden auf dem Pfade eures Herrn, des Starken, des Weisen. Habt acht, daß ihr nicht ins Wanken geratet durch den Hauch des Hasses und die Stürme der Bösen: seid treu in der Sache und standhaft. Wir haben euch in Unserem Namen, durch den alle Starken gestärkt werden, und in allen Unseren Schönheitsnamen zu allen denen gesandt, die in den Himmeln und auf den Erden sind. Bald werden Wir von euch aus Menschen mit starken Füßen erstehen lassen, die sich auf den Pfad stellen und von ihm nicht weichen werden, selbst wenn sie gegen Heere zu kämpfen haben, die den Heeren des Anfangs und des Endes gleichen. Wahrlich, alle Gunst ist in Unserer Hand: Wir geben unter den uns nahen Dienern, wem Wir wollen; so haben Wir dich manches Mal begünstigt, damit du dankest deinem Herrn mit einem Dank, der bewirken wird, daß die Zungen der Wesen des Zufalls Mir auch danken werden, Mir, dem barmherzigen Rahman 12).

O Tempel! Erhebe dich für diese Sache mit einer Kraft und Macht, wie sie Uns eigen, dann mache den Dienern verständlich, was dich der Geist Gottes gelehrt, der Eine, Mächtige, Wissende König. Sprich: „o Volk, wollt ihr den Wahren verwerfen und nachlaufen dem, den Wir aus einer Handvoll Staubes erschaffen? Dies wäre eitel Grausamkeit gegen euch selbst, — so ihr zu denen gehört, die sinnen über die Zeichen eures Herrn.“

(Forts. folgt)


1) u. 2) Heißt im französischen Text beide Male impétuosité, wörtlich „Ungestüm“.

3) Hier werden die einzelnen arabischen Buchstaben, aus denen das Wort Haykal (Tempel) besteht, nacheinander angerufen, als Symbole der verschiedenen Attribute, welche die Manifestation kennzeichnen.

4) Verbot des Heiligen Kriegs.

5) Göttlicher und menschlicher Zustand bei den Gottgesandten.

6) Letzter Buchstabe des Wortes Haykal.

7) Titel einer Sure des Koran, dann auch den ganzen Koran bezeichnend.

8) Seine Heiligkeit, der Báb.

9) Die Offenbarung Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláh in Baghdad.

10) Das Kaf wird mit seiner Stütze, dem Nun verbunden zur Schaffung des Wortes Kun, das bedeutet „Sei“. Es ist das Schöpferwort Alláhs.

11) ‘Ali Muhammed, Seine Heiligkeit, der Báb.

12) Rahman, der Barmherzige.


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Göttliche Lebenskunst[Bearbeiten]

Aus den Schriften von ‘Abdu’l-Bahá (Fortsetzung)

Zusammengestellt von Mary M. Rabb (Neuyork, Brentanos Publishers)

Übersetzt von Johanna von Werthern-Stuttgart

3. Kapitel: Gebet


O du Tochter des Königreiches! Wisse, daß Gebet und Flehen das Wasser des Lebens ist. Es ist die Ursache der Belebung des Daseins und bringt der Seele Freude und frohe Botschaft. Beachte diese Tatsache so gut du kannst und rufe auch andere zu Gebet und Bitte.

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Frage: Was ist Gebet, innere Gemütsstimmung oder Worte?

Antwort: Gebet besteht aus beiden, Gemütsstimmung und Worten, es kommt auf den Seelenzustand an. Es ist wie bei einem Liede, aus beiden, Wort und Musik, besteht das Lied. Manchmal wird die Melodie uns ergreifen, manchmal die Worte.

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Flehen zu Gott am Morgen und Abend führt zur Freude der Herzen und Gebet bewirkt Geistigkeit und Strahlen. Darum solltest du nie davon lassen.

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Versäume nicht zu beten und Zwiesprache zu halten mit Gott, in dunklen Mitternächten und am Morgen und Abend, und deinem Herrn, dem Erhabenen, Ruhm und Dank darzubringen.

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Wisse, daß nichts in der Welt dich wirklich fördern kann, als Flehen und Rufen zu Gott, als Arbeit in Seinem Weinberg, und Ihm in steter Dienstbarkeit mit einem Herzen voller Liebe zu leben.

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Nähere dich Gott und beharre in der Verbindung mit deinem Herrn, damit das Feuer der Liebe Gottes heller in deinem Herzen brennen, sein Glühen stärker werden und deiner Welt Wärme geben, und der Widerhall dieser Liebe sich bis zu den höchsten Heerscharen aufschwingen möge.

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Flehe zu Ihm und bitte und bete um Mitternacht und am frühen Morgen, gerade wie ein Bedürftiger und Gefangener bittet. Deine Obliegenheit ist es, dich dem Reiche Gottes zuzuwenden und allezeit zu beten, zu flehen und anzurufen. Dies sind die Hilfsmittel, durch die deine Seele auffliegen kann, hinauf zu den höchsten Höhen der Gaben Gottes.

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O du geistiger Freund! Du frugst nach der Weisheit des Gebets. Wisse, daß das Gebet unerläßlich und obligatorisch ist, und kein Mensch, unter welchem Vorwand es auch sei, ist der Verpflichtung dazu enthoben, es sei denn, daß er geistig krank ist oder unüberwindlich Hindernisse ihn abhalten.

Die Weisheit des Gebets liegt darin, daß es eine Verbindung zwischen dem Geschöpf und dem Einen Wahren schafft, denn im Gebetszustand wendet sich der Mensch mit ganzem Herzen und ganzer Seele der Erhabenheit des Allmächtigen zu, die Verbindung mit Ihm suchend und Seine Liebe und Sein Erbarmen ersehnend. Das größte Glück für einen Liebenden ist es, mit der Geliebten Umgang zu pflegen, und die größte Gabe für einen Suchenden, mit dem Ziel seiner Sehnsucht vertraut zu werden. Darum ist es die größte Hoffnung jeder Seele, die dem Königreiche Gottes verbunden ist, Gelegenheit zu finden, am Meer Seiner Äußerungen, Seiner Güte und Großmut zu bitten und zu flehen.

Außer all diesem ist Gebet und Fasten die Ursache der Erweckung und Achtsamkeit und führt zu Schutz und Bewahrung vor Versuchungen.

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Zu der Frage: „Warum beten? Worin liegt die Weisheit des Gebets, da doch Gott alles festgesetzt hat und alle Dinge nach vollkommener Ordnung geschehen läßt, und alles nach richtigem Maße befiehlt und allen Dingen mit größter Genauigkeit und Vollkommenheit ihr Gesetz gibt — was also ist die Weisheit von Gebet und Flehen, dem [Seite 44] Darlegen unserer Mängel und der Bitte um Hilfe?“ — wisse du wahrlich, es geziemt einem Schwachen, zum Starken zu flehen, und einem Sucher der Gnade zum Ruhmreichen, Gnadenvollen Einen zu beten. Wer zu seinem Herrn fleht, Ihm sein Antlitz zuwendet und Gnade sucht aus Seinem unendlichen Meer, der wird aus diesem Flehen selbst ein Licht seinem Herzen, eine Erleuchtung seiner Augen, neues Leben seiner Seele und Erhebung seines Wesens gewinnen.

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Darum beachte, wie während des Gebets und dem Sprechen der Worte: „Dein Name ist meine Heilung“ dein Herz sich erleichtert, deine Seele sich erfreut und dein Verstand zum Königreich Gottes hingezogen ist! Durch dies Hingezogensein vergrößern sich Fähigkeiten und geistige Anlagen. Wird ein Gefäß erweitert, so kann es mehr Wasser fassen, und ist der Durst groß, so wird die Gabe der Wolke dem Menschen eine angenehme Labung. Dies ist das Geheimnis des Flehens und Betens und die Weisheit, welche in der Darlegung der Wünsche und Bedürfnisse liegt.

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Der Mensch ist fortwährend in einem Zustande der Verbindung und des Gebets mit der Quelle alles Guten. Der höchste und erhabenste Zustand ist der des Gebets. Gebet ist Verbindung mit Gott... Die Wirksamkeit des Gebets ist bedingt durch die Freiheit des Herzens von unwesentlichen Suggestionen und weltlichen Gedanken. Der Betende muß mit gelöstem Geiste, unbedingter Unterwerfung des Willens, gesammelter Aufmerksamkeit und magnetischer geistiger Leidenschaft beten. Sein innerstes Wesen muß berührt sein vom etherischen Hauch der Heiligkeit. Wenn der Spiegel seines Lebens glänzend und rein gemacht ist von den Schlacken aller Wünsche, werden sich die himmlischen Bilder und sterngleichen Bildnisse des Königreiches Gottes voll in ihm spiegeln. Dann wird ihm Kraft gegeben werden, diese himmlischen Formen in sein eigenes tägliches Leben und das Leben vieler Tausender zu übertragen.

Automatische, äußerliche Gebete, welche das Innerste des Herzens nicht berühren, haben keinerlei Nutzen. Wie lieblich, wie wonnevoll, wie erhebend, wie geistig ist das Gebet um Mitternacht! Während alle Augen schlafen, sind die Augen des Anbetenden weit offen. Während alle Ohren verschlossen sind, lauschen die Ohren des Flehenden der subtilen Musik Gottes. Während die meisten Menschen tief schlafen, ist der Anbeter des Vollkommenen Geliebten wach. Kostbare und köstliche Stille umgibt ihn, tiefe, luftige Stille, magnetische und feine Ruhe — und darin der Anbetende, mit der Natur und dem Schöpfer der Natur verbunden.

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Frage: „Wie werden Heilige heilig?“

Antwort: „Durch Gebet, Flehen, Erhebung des Herzens und durch gute Wünsche.“

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Du fragst nach Bestätigung von Behandlung und Heilung durch „Christliche Wissenschaft“.

Geist hat Einfluß; Gebet hat geistige Wirkung. Darum beten wir: „O Gott, heile diesen Kranken.“ Vielleicht wird Gott die Bitte erfüllen. Kommt es darauf an, wer betet? Gott wird jedes Gebet beantworten, wenn das Gebet ernstlich ist. Seine Gnade ist weit und unbegrenzt. Er antwortet den Gebeten aller Seiner Geschöpfe. Er antwortet dem Gebet dieser Pflanze. Die Pflanze betet potentiell: „O Gott, sende mir Regen.“ Gott antwortet diesem Gebet und die Pflanze wächst. Gott wird jedem antworten. Er antwortet Gebeten potentiell. Bevor wir in diese Welt geboren wurden, beteten wir da nicht: „O Gott, gib mir eine Mutter, gib mir zwei Quellen mit reiner Milch, gib mir reine Luft zum Atmen, sichere mir Ruhe und Behagen, bereite mir Nahrung für meinen Unterhalt und mein Leben.“ Beteten wir nicht potentiell um diese notwendigen Segnungen bevor wir erschaffen wurden? Und als wir in diese Welt kamen, fanden wir nicht unsere Gebete erfüllt? Fanden wir nicht Mutter, Vater, Nahrung, Licht, Heim und alle notwendigen Dinge und Segnungen, obwohl wir nicht wirklich darum gebeten hatten? Darum ist natürlich, daß Gott uns gibt, wenn wir ihn bitten. Seine Barmherzigkeit ist allumfassend.

Aber wir bitten oft um Dinge, welche die göttliche Weisheit uns nicht gewähren kann, und darum kommt keine Antwort auf unser [Seite 45] Gebet. Seine Weisheit kann nicht gut heißen, was wir wünschen. Wir beten: „Mache mich reich.“ Wenn dieses Gebet allgemein erfüllt würde, kämen die menschlichen Angelegenheiten zum Stillstand. Keiner wäre mehr da, um in den Straßen zu arbeiten, keiner um die Eisenbahnen zu führen. Darum ist es klar, daß es nicht gut wäre für uns, wenn alle Gebete erhört würden. Die Angelegenheiten der Welt würden gestört werden, Energien lahmgelegt und der Fortschritt verhindert. Aber Gott wird uns antworten auf jede Bitte, wenn sie in Übereinstimmung ist mit der göttlichen Weisheit. Sicherlich! Zum Beispiel: Ein sehr schwacher Kranker mag den Arzt bitten, ihm eine Nahrung zu geben, welche seinem Zustand und seinem Leben wirklich gefährlich werden könnte. Er mag um gebratenes Fleisch bitten. Der Arzt ist gütig und weise. Er weiß, daß es dem Kranken gefährlich wäre, darum verweigert er die Erlaubnis. Durch die Güte des Arztes wird der Kranke gesund, sein Leben ist gerettet. Trotzdem mag der Geheilte ausrufen, der Arzt sei unfreundlich und böse gewesen, weil er seine Bitte nicht erfüllte.

Gott ist barmherzig. In Seiner Barmherzigkeit erfüllt Er die Gebete aller Seiner Geschöpfe, wenn sie mit Seiner erhabenen Weisheit übereinstimmen.

(Fortsetzung folgt)



Tagung der Deutschen Bahá’i[Bearbeiten]

In dem Programm zur 11. Tagung der Deutschen Bahá’i waren vorgesehen:


Samstag, den 29. April, 20 Uhr: Begrüßung durch Frau Alice Schwarz, Stuttgart.

Vortrag von Herrn Dr. Adelbert Mühlschlegel, Stuttgart, über: „Einheit und Gegenseitigkeit im Weltall“.

Nachfolgend Aussprache.


Sonntag, den 30. April, vormittags 9½ Uhr:

Vortrag von Herrn Dr. Hermann Großmann, Neckargemünd, über: „Einheit in Religion und Glauben” und Herrn Dr. Eugen Schmidt, Stuttgart, über: „Der Gedanke der Einheit in der menschlichen Gesellschaft”.

Nachfolgend Aussprache.


Die Vorträge waren umrahmt von musikalischen Darbietungen. Anschließend 12 Uhr gemeinsames Mittagessen. 15 Uhr Wahl des Geistigen Nationalrats der deutschen Bahá’i durch die Delegierten. Alle Veranstaltungen fanden in der Gartenstadt Karlsruhe-Rüppurr, Blütenweg 19, statt.

Die Karlsruher Freunde, vorab Frau Marta Brauns, hatten ihr bestes getan, um dieser Tagung eine, der Bedeutung der Offenbarung Bahá’u’lláhs entsprechende Weihe zu geben und den Freunden, die aus allen Landesteilen herbeigeeilt waren, das Beisammensein so schön und so glücklich als nur möglich zu gestalten. Der Versammlungssaal war liebevoll mit Frühlingsgrün und Blumen geschmückt, die ganze Natur hatte ihr Frühlingskleid angetan, die Gartenstadt Rüppurr war ein Duft und ein Blühen.

Am Sonntagnachmittag fand durch die Delegierten der Bahá’i-Arbeitsgemeinschaften in Deutschland und Österreich die Wahl des Geistigen Nationalrats statt. Die Gewählten sind:

Frau Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, 1. Vorsitzender,
Herr Dr. Adalbert Mühlschlegel, Stuttgart, 2. Vorsitzender,
Herr Paul Gollmer, Stuttgart, 1. Sekretär,
Herr Dr. Eugen Schmidt, Stuttgart, 2. Sekretär,
Herr Friedrich Schweizer, Zuffenhausen, Rechner,
Herr Dr. Hermann Großmann, Neckargemünd,
Fräulein Edith Horn, Frankfurt a. M.,
Herr Theo Lehne, Berlin-Dallgow-Döberitz,
Fräulein Anna Köstlin, Eßlingen a. N.,
Frau Marta Brauns, Karlsruhe-Rüppurr,
Frau Berta Bopp, Stuttgart.

Mit wirklicher Befriedigung dürfen wir auf diese Tagung und auf die gemeinsamen Beratungen zurückblicken, die so voll Harmonie und seelischer Beglückung verliefen. Der Geist heiliger Liebe und Dankbarkeit dem erhabenen Verkünder des Wortes Gottes für unsere Zeit — Bahá’u’lláh — gegenüber und immer reifer werdendes Verstehen für die Lehren des Mittelpunktes des [Seite 46] Bundes — ‘Abdu’l-Bahá — kennzeichneten diese Tagung.

Allen Freunden aber, die, der großen Entfernung ihres Wohnsitzes wegen, die Reise zu dieser Tagung in gegenwärtiger Zeit nicht ermöglichen konnten, sei gesagt, daß die Kundgebungen, die sie uns zusandten, große Freude hervorriefen. Wir fühlen uns mit ihnen und allen Bahá’i der Welt in tiefster Verbundenheit auf den Boden einer neuen Zeit gestellt, die in ihrem Verlauf eine neue Epoche der Gotteserkenntnis und Menschheitserhebung heraufführen wird, die, wie Bahá’u’lláh verhieß, ihresgleichen noch nicht gehabt hat.

Der Wille Gottes vollzieht sich in der Heimsuchung der Einzelnen und in Völkerschicksalen zur letzten Erkenntnis der unfaßbar großen Gnade und Barmherzigkeit, mit der unser allmächtiger Vater Seiner Geschöpfe gedenkt.

Ein von allen Beteiligten unterzeichneter Brief wurde an den Beschützer der Bahá’i — Shoghi Effendi — nach Haifa gerichtet.

Die Antwort darauf lautet:

Persische Kolonie

Haifa, Palästina, 10. Mai 1933.

Liebe Bahá'i-Geschwister!

Der Beschützer erhielt Euren lb. Brief vom 30. April 1933. Mit Dankbarkeit und Freude ermuntert er Euren ernsten Wunsch und Eure feste Entschlossenheit, dem Glauben an Bahá’u’lláh zu dienen und Seine Botschaft des Friedens und der Liebe Euren leidenden Mitmenschen zu bringen.

Durch die Abhaltung des Jahreskonvents hofft Shoghi Effendi, daß ein neuer Impuls die Freunde belebt, daß neue Maßnahmen getroffen werden, um Kreisen zu begegnen, in die bis dahin noch keine Kunde gedrungen ist.

Die geographische Lage Deutschlands und die angeborene Fähigkeit der Bevölkerung sollte Deutschland zum Mittelpunkt des geistigen Lebens von ganz Europa machen. Von Deutschland sollte die Botschaft der Liebe und des Friedens ausgehen — der ernste Ruf an die Völker zur Ablegung der Waffen und zur Aufnahme siegreicher geistiger Güter. So lange die Interessen der Menschen nur auf materiellen Gewinn gerichtet sind, wird unsere soziale Not fortdauern. Was die Menschen benötigen ist ein Wiederaufbau ihrer Arbeit und eine Reform ihres Geldstandes, und dazu gehört größerer Nachdruck auf die Bedürfnisse des geistigen Lebens gelegt. Sollten wir dazu gelangen, zu bedenken, daß der Zweck unseres Daseins auf Erden der ist, uns geistig zu entwickeln, die Eigenschaften Gottes widerzuspiegeln, dann würden wir unsere Verbindung mit anderen Völkern in einem anderen Licht wahrnehmen und unsere egoistischen Belange in die höhere Form der Selbstlosigkeit umwandeln. Wenn jeder Mann und jede Frau nach diesem Prinzip handeln würde, das Gott uns verkünden ließ, so würden die Ideale, denen sie dienen, den Haß in der Welt in Liebe umformen. Die Völker würden die Waffen niederlegen, internationale Zerstörung würde aufhören, die wirtschaftliche Ausbeutung würde eingestellt und diese heute so belastete Welt würde im wahren Sinn das Reich Gottes werden.

In seinen Gebeten am hl. Grab gedenkt der Beschützer Eurer und bittet Gott, Euch zu führen, zu segnen und Euch zu erleuchteten Mittelpunkten für Sein herrliches Licht zu machen.

Stets Euer aufrichtiger

(gez.) Ruhi Afnan.


Meine lieben, lobenswerten Mitarbeiter!

Eure Botschaft erfreute meine Seele und stärkte mich wesentlich in der unablässigen und eifrigen Arbeit, der Verbreitung der uns so teuern hl. Sache. Die deutschen Gläubigen sind sieghaft und gestählt durch die Prüfungen und Heimsuchungen der letzten Jahre hindurchgegangen und stehen nun an der Schwelle einer großen Ära internationaler Konsolidierung und internationaler Ausdehnung. Das Licht dieser glorreichen Erhebung wird, wie es der Meister verhieß, aus ihrem Lande — dem Herzen Europas — ausgehen und die umgebenden Länder, Völker und Nationen des ganzen Kontinents erleuchten. Möge es ihnen vergönnt sein, den Anbruch dieses herrlichen, dieses verheißenen Tages zu fördern. Möge Bahá’u’lláh sie segnen, sie beschützen und erhalten.

(gez.) Shoghi.


[Seite 47]Die Eßlinger Bahá’i-Sommerwoche

Die Eßlinger Bahá’i-Sommerwoche (13.—21. Aug. 1932)[Bearbeiten]

(Fortsetzung)


2. Perser: Die Perser gehören dem iranischen Volksstamm an. Die ursprüngliche Religion der iranischen Stämme war ein tiefstehendes Heidentum, das ihrem Nomadenleben entsprach. Auf dem heidnischen Grund erwuchs jedoch eine höhere Religion, die Zarathustras Namen trägt oder Parsismus genannt wird. Zarathustra (von den Griechen Zoroaster genannt) war ein Priester, der im nördlichen Iran auftrat und die Hilfe des Königs Vistaspa zur Durchführung einer religiösen Reform gewann. Zarathustras Religion ist in dem Buch Avesta niedergelegt. Er sammelte alle Gottesverehrung um einen einzigen von den asurischen Göttern, „den weisen Herrn“. Weise ist er, weil er zwischen Gut und Böse zu unterscheiden wußte: alles Gute stammt von ihm. Er war der Schöpfer und Herr der reinen Welt. Diese Welt war jedoch von Anfang an vom bösen Geist, Ahriman, verunreinigt worden. Dieser Dualismus, die Zwietracht zwischen der reinen und der unreinen Welt, fand sich schon in der alten Zarathustralehre. Die himmlische Welt dachte man sich von Mazda geschaffen und regiert und insofern ist diese Religion eine monotheistische. Später jedoch kommen andere Götter hinzu, wie der Sonnengott und der Kriegsgott Mithra. — Die reine Natur, besonders die drei Elemente Feuer, Wasser, Erde, aber auch Sterne, Metalle und nützliche Pflanzen nehmen den Kampf gegen Ahriman und seine unreine Welt auf. Die gläubigen Menschen gehören auch zum Reiche der Reinheit und sollen mit der Natur zusammenwirken, um die Reinheit zu stärken. Der Gottesdienst war deshalb nicht nur eine Anrufung der göttlichen Wesen um Beistand, sondern eine Reinigung, die der Mensch „zur Förderung der Welt“ vornahm. Aber auch durch Gebete und die Verrichtung gewisser Arbeiten wurde der Kampf mit dem Bösen geführt. Der Perser mußte immer darauf achten, daß er mit nichts Unreinem in Berührung kam. Unrein war alles, was mit Krankheit und Tod zu tun hatte. Die reinen Elemente mußte er vor Befleckung schützen.

Der dualistische Gedankengang im Parsismus erzeugte während des persischen Mittelalters eine besondere Sekte, die nach dem Stifter Mani (gest. 277 n. Chr.) Manichäismus genannt wird. Mani versuchte eine Weltreligion zu schaffen, indem er den persischen Dualismus mit Buddhismus und christlichem Gnostizismus durchsetzte. Im Gegensatz zum Mazdaismus waren für ihn die Natur, der Körper und alles andere Materielle unrein und nur das Geistige rein. Das Körperliche ist das Reich der Finsternis und das Geistige das Reich des Lichtes. Die Finsternis wird bekämpft durch den Sieg über die sinnliche, körperliche Natur. Deshalb muß man das Fleisch durch Askese unterdrücken. Jedoch war keine Hoffnung vorhanden, daß der Dualismus aufgehoben werden könnte. Nur dem einzelnen Gläubigen kann es gelingen, sich von der Natur frei zu machen und in das Reich des Lichtes einzugehen. Dieser asketische Pessimismus war der Zarathustralehre direkt entgegengesetzt und Mani wurde verurteilt und hingerichtet. Der Manichäismus jedoch lebte lange auch in Europa als mächtige Bewegung fort. Noch zur Zeit der Kreuzzüge drang sie als Sekte der Katharer wieder in Europa ein; daher stammt der Name „Ketzer“.

Die zarathustrischen Gemeinden in Persien und Bombay bilden eine Fortsetzung des Parsismus. Sie halten sich so nahe an ihren alten Glauben, als es die heutigen Kulturverhältnisse gestatten.

3. Germanen: Von dem Glauben unserer Väter wissen wir viel weniger als von den Altertumsreligionen Asiens und Ägyptens, weil in der vorchristlichen Zeit die Deutschen und die Skandinavier nur spärlich den Inhalt ihres Glaubens aufgezeichnet haben. Wir wüßten wenig von der Götterverehrung der alten Deutschen, wenn nicht antike und mittelalterliche Chronisten einige Götternamen mitgeteilt und von der einen oder anderen Kultsitte berichtet hätten. Die literarischen Quellen, die uns Einblick geben in das nordische Heidentum, stammen alle von dem Ende der Wikingerzeit und der ersten christlichen Zeit. Die ältesten mythologischen Gedichte sind in der sog. älteren [Seite 48] Edda zusammengefaßt. Schon hier sind Spuren christlichen Einflusses zu bemerken. Die jüngere Edda enthält eine systematische Götterlehre. Die altnordischen Sagen zeigen viele echte Züge aus dem Kult und Rechtsleben während der Wikingerzeit und zeugen von einer hochentwickelten Kriegermoral und treuem Familienbewußtsein. Unser sicherstes Wissen verdanken wir den archäologischen Funden. —

Die Gottesverehrung der ältesten Nordleute war primitiv. Sie bestand in einem blutigen Opferkult, bei dem es auch Menschenopfer gab. Er fand an heiligen Plätzen, in einem Tempelgebäude oder auf offenen Steinaltären unter der Leitung des Oberpriesters statt. Auch die Thinge, auf denen Recht gesprochen wurde, waren geweihte Plätze. — Noch tiefer als der Kult stand die Magie. Zauberer und Zauberinnen traten auf und weissagten über den Verlauf des Jahres und das Schicksal der Menschen. Die Menschen fürchteten die Dämonen ebenso wie die Götter. — Bei den leitenden Männern der Wikingerzeit treten die Götter und ihr Kult vor den Idealen der Kriegermoral und den Verpflichtungen des Sippenwesens zurück. Diese Moral beruht auf einem gleichzeitig primitiven und hochsinnigen Ehrbegriff. Primitiv ist die Blutrache, die man als heilige Verpflichtung fühlte, primitiv sind auch die Vorstellungen von der höheren Natur des Häuptlings. Die Moral erhält einen höheren Charakter durch die sittlichen Forderungen, die an denjenigen gestellt werden, der sein Glück, seine Ehre und den „Frieden“ der Familie bewahren will. Eid und Übereinkunft waren heilig, ein Versprechen galt als unbedingt bindend. In der Ritterzeit der Wikinger ist Tapferkeit die größte Tugend, aber auch Freigebigkeit, Freundlichkeit, Offenheit, Sinn für Dichtkunst und gutes Auftreten sind Rittertugenden. Durch diese wird das Glück des Mannes und seiner Familie aber auch seine höhere Natur gestärkt.


VI. Semitische Rasse.

Die Reihe von Wüsten, die sich durch Arabien, Palästina und Syrien bis zum mesopotamischen Flachland hinzieht, war von der semitischen Rasse bewohnt. Araber, Kanaaniter, Phönizier, Syrier und Aramäer hatten dort ihren Sitz. Die meisten Völker führten ein Nomadenleben von Oase zu Oase.

Juden: Auf einer solchen Wanderung kamen die Israeliten nach Ägypten, wo sie lange Zeit unterdrückt wurden. Später kamen sie auf ihrem Wege nach Kanaan, eroberten das fruchtbare Land und nahmen die Ackerbau- und Stadtkultur der Kanaaniter an. Der Gott Jahwe, der sie aus der ägyptischen Knechtschaft befreit und durch die Wüste geführt, der ihnen durch Moses seine Gesetze gegeben hatte, blieb auch weiterhin ihr Gott. Dieser Glaube hob sie über das heidnische Wesen und Leben der Nachbarvölker hinaus.

Die anderen semitischen Stämme lebten in einem tiefstehenden Polytheismus. Ihr höchster Gott — Baal — war der Beschützer der Oasen und des bebauten Landes. Da herrschte er mit Astarte, der Göttin der Fruchtbarkeit. Beide empfingen Opfer an Vieh und Getreide, aber auch Menschenopfer wurden ihnen gebracht, besonders dem Gott Moloch. Die israelitischen Propheten führten gegen diese heidnischen Götter und ihre Kulte einen Kampf.

Babylonier: Einer der semitischen Stämme, der sich schon früh nach Norden wagte, waren die Babylonier. Sie drangen in die mesopotamische Ebene ein und eroberten das ganze Land. Aus ihrer Urheimat brachten sie ihre semitischen Hauptgötter mit: Baal und Astarte.

(Fortsetzung folgt.)



In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sind an die Verlagsabteilung des Geistigen Nationalrat der Deutschen Bahá’is e. V. Stuttgart, Alexanderstraße 3 (Nebengebäude) zu richten. — Alle Zahlungen sind zu leisten an den Geistigen Nationalrat der Deutschen Bahá’i e. V., Stuttgart, Alexanderstraße 3 (dessen Postscheckkonto Nr. 19340 Amt Stuttgart). — Druck von J. Fink, Hofbuchdruckerei, Stuttgart.


[Seite 49]


Geschichte und Bedeutung der Bahá’i-Lehre[Bearbeiten]

Die Bahá’i-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.

Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahá’i-Bewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahá’i-Religion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahá’i (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahá’i der Welt.

Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahá’i, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China usw. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.

In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht, sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).

Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (größtes heiliges Buch), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.

Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheitssprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.

Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, Seite 66.)


[Seite 50]


Der Geistige Nationalrat der Deutschen Bahá’i e.V., Stuttgart

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Bahá’u’lláh

Verborgene Worte.. Worte der Weisheit und Gebete. Geschrieben während seiner Verbannung in Bagdad 1857/58 . . . kart. —.80

gebunden 1.--

Frohe Botschaften. Worte des Paradieses, Tablet Tarasat (Schmuck), Tablet Taschalliat (Lichtstrahlen), Tablet Ischrakat (Glanz). Mahnrufe und Anweisungen an die Völker der Erde . . gebunden 2.00

Ganzleinen 2.50

Buch der Gewißheit oder Kitábu’l-Iqán. Eine Auseinandersetzung mit theologischen Fragen verschiedener Religionen, geschrieben in Bagdad um 1862. Ist fortsetzungsweise in den beiden Jahrgängen X und XI unserer Zeitschrift „Sonne der Wahrheit“ enthalten.

Jahrgang gebunden je 6.--


'Abdu'l-Bahá Abbas

Ansprachen in Paris. ‘Abdu’l-Bahá spricht hier über zahlreiche Fragen, nach deren Klärung die Völker der Erde suchen.

gebunden 2.--

Beantwortete Fragen. Erklärungen zu christlichen und islamischen Fragen, Behandlung allgemeiner weltanschaulicher Probleme . . . . . . Ganzleinen 2.50

Sendschreiben an die Haager Friedenskonferenz 1919 . . . . . --.20


Sonstiges

Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, Einführung in die Gedankenwelt der Bahá’i-Lehre von einem orientalischen Gelehrten. Von Mirza Abul Fazl . . . . . gebunden 2.--

Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter. ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont. Ganzleinen 2.50

'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. . . . . .gebunden 2.--

Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase. . . . . . . kart. 2.--

Am Morgen einer neuen Zeit. Untersuchung der geistigen Ursachen der Weltkrise und Beleuchtung der letzthin einzigen Möglichkeit ihrer Überwindung durch die Bahá’i-Lehre. Von Dr. Hermann Großmann . . . . . kart. 1.80

Ganzleinen 2.50

Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit. Von Dr. jur. H. Dreyfus . . . -.30

Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás, ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") . . . -.30

Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey . . . . —.30

Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahá’i-Lehre von Dr. Hermann Grossmann . . . . —.20

Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Grossmann . . . . —.20

Sonne der Wahrheit. Bahá'i-Monatszeitschrift.

Jahrgang III - IX gebunden je 3.--
Jahrgang X - XII gebunden je 6.--