Sonne der Wahrheit/Jahrgang 13/Heft 3/Text

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SONNE

DER

WAHRHEIT
 
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI
 
HEFT 3 13. JAHRGANG MAI 1933
 


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Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i-Prinzipien[Bearbeiten]

1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.

Bahá’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Ästen und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Bahá’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Bahá’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.


2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.

In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.


3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.

Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.


4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.

Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.


5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.

Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.


6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.

Dies ist eine besondere Lehre Bahá’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.


7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.

Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.


8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.

Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.


9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.

Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.


10. Die soziale Frage muss gelöst werden.

Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Bahá’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.


11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.

Bahá’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weltsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.


12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.

Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.

Vor mehr als 50 Jahren befahl Bahá’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.

Bahá’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.


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SONNE DER WAHRHEIT
Organ der deutschen Bahá’i
Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3
Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark
Heft 3 Stuttgart, im Mai 1933
’Azamat — (Größe) 90
13. Jahrgang

Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion


Inhalt: Göttliche Lebenskunst. — Die Eßlinger Bahá’i-Sommerwoche. — Suratu’] Haykal.



'Abdu'l-Bahá zur Zeit Seiner Reise durch Amerika


In der Offenbarung Gottes für unsere Zeit ist Ali Mohammed, „der Báb“, als Erster in die Arena der Öffentlichkeit mit der Verkündigung seiner Mission getreten. Dies geschah in Schiraz am 23. Mai 1844. Auf denselben Tag und auf dasselbe Jahr entfällt die Geburt ‘Abdu’l-Bahá Abbas, des „Mittelpunktes des Bündnisses“.

Am 28. Mai betrauert die Bahá’i-Welt den Heimgang des vom Bab verheißenen „Größten Offenbarers des Wortes Gottes aller Zeiten“ — Bahá’u’lláh — der im Jahr 1892 von dieser Welt geschieden ist. — Die Bahá’i-Lehre ist heute in der ganzen Welt bekannt und hat allerorts eifrige Anhänger gefunden, denn sie trägt den Geist dieses Zeitalters, der zum höheren Verständnis der Gottverbundenheit und Menschenwürde führt.


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Göttliche Lebenskunst[Bearbeiten]

Aus den Schriften von ‘Abdu’l-Bahá (Fortsetzung)

Zusammengestellt von Mary M. Rabb (Neuyork, Brentanos Publishers)

Übersetzt von Johanna von Werthern-Stuttgart

3. Kapitel: Gebet


Bittet, so wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgetan. So denn ihr, die ihr doch arg seid, könnt dennoch euren Kindern gute Gaben geben, wie viel mehr wird euer himmlischer Vater den Heiligen Geist geben, denen, die Ihn bitten.

Worte Christi.

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Es gibt nichts lieblicheres in der bestehenden Welt als Gebet. Der Mensch sollte wie in ständigem Gebet leben. Der gesegnetste Zustand ist der des Flehens und Betens. Gebet ist Zwiesprache mit Gott. Das höchste erreichbare Ziel oder der lieblichste Zustand ist nichts anderes als Zwiesprache mit Gott. Sie schafft Geistigkeit, schafft Achtsamkeit und himmlische Gefühle, ruft neue Anziehung zum Königreich hervor und erzeugt die Empfänglichkeiten der höheren Intelligenz. Die höchste Mose zugeschriebene Eigenschaft liegt in dem Verse: „Und Gott redete mit Moses.“

Was ist Gebet? Es ist Zwiesprache mit Gott. Während der Mensch betet, wird er gleichsam in die Gegenwart Gottes versetzt. Wenn er seine Aufmerksamkeit konzentriert, wird er während des Gebets sicherlich erkennen, daß er mit Gott redet. Oftmals kann ich in der Nacht nicht schlafen, und die Gedanken dieser Welt liegen schwer auf meinem Geiste. Ich werfe mich unruhig auf meinem Lager herum. Dann stehe ich auf und bete in der Dunkelheit der Nacht — ich rede mit Gott. Dies ist sehr lieblich und erhebend.

Flehen und Gebet sind so wirksam, daß sie unser Herz für den ganzen Tag mit hohen Idealen und erhabener Heiligung und Ruhe zu erfüllen vermögen. Unser Herz muß empfindlich werden für die Musik des Gebets. Es muß die Wirkung des Gebets fühlen. Es darf nicht wie ein Instrument sein, dem schöne, weiche Töne entströmen, dem selbst aber keiner Empfindung dabei bewußt werden kann.

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'Abdu'l-Bahá sagte, wir sollten in der Sprache des Himmels — der Sprache des Geistes — sprechen. Denn es gibt eine Sprache des Geistes und des Herzens. Sie ist von unserer Sprache so verschieden, wie die unsere von der der Tiere verschieden ist, die sich nur durch Schreie und Laute ausdrücken.

Wenn wir zu Gott beten, erfüllt ein bestimmtes Gefühl unsere Herzen. Dies ist die Sprache des Geistes, die zu Gott redet.

Wenn wir im Gebet von allen äußeren Dingen befreit sind und uns zu Gott wenden, dann ist es, als ob wir in unseren Herzen die Stimme Gottes hörten. Es ist gesagt, daß Moses in der Wüste die Stimme Gottes hörte. Aber diese Wüste, dieses heilige Land war sein eigenes Herz. Wir alle, wenn wir einen wirklichen geistigen Zustand erreichen, können die Stimme Gottes hören, die zu uns in der Wüste spricht. Wir müssen streben, diesen Zustand zu erreichen, indem wir uns trennen von allen Dingen und den Menschen der Welt und uns Gott allein zuwenden. Es wird den Menschen viel Anstrengung kosten, diesen Zustand zu erreichen, aber er muß dafür arbeiten, dafür kämpfen. Wir können ihn erreichen durch weniger Denken und Besorgtsein um die materiellen Dinge und mehr Streben nach dem Geistigen. Je mehr wir uns vom einen entfernen, desto näher sind wir dem anderen — die Wahl ist unser!

Unsere geistige Wahrnehmungskraft, unser inneres Sehen müssen lebendig sein, so daß wir die Zeichen und Spuren vom Geiste Gottes in jedem Ding zu sehen vermögen. Alles kann uns das Licht des Geistes widerspiegeln.

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Auf die Frage, ob Gebet notwendig sei, da Gott doch vermutlich alle Wünsche unseres Herzens kenne, antwortete ‘Abdu’l-Bahá:

„Wenn ein Freund einen andern liebt, so wird er wünschen, es ihm zu sagen. Obwohl er weiß, daß der Freund sich seiner Liebe bewußt ist, wird er dennoch wünschen, es [Seite 27] ihm zu sagen. Wenn du irgend jemand liebst, suchst du nicht eine Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, liebevoll mit ihm zu sprechen, ihm Gaben zu bringen, ihm Briefe zu schreiben? Wenn du keinen solchen Wunsch fühlst, so bedeutet es, daß du deinen Freund nicht liebst. Gott kennt die Wünsche aller Herzen. Aber zu beten ist ein natürlicher, der Liebe des Menschen zu Gott entsprungener Trieb.

Wo keine Liebe, wo keine Freude oder geistiger Genuß beim Gebet wäre, unterlaßt das Beten. Gebet soll aus Lieben aus dem Wunsch des Menschen, sich mit Gott zu verbinden, entstehen. Gerade wie der Liebende nie aufhört zu wünschen, mit der Geliebten in Verbindung zu sein, so wünscht der Liebende Gottes die immerwährende Verbindung mit der Gottheit.

Gebet braucht nicht in Worten zu bestehen, sondern in Gedanken und Lebenshaltung. Aber wenn diese Liebe und Sehnsucht fehlt, ist es nutzlos, sie erzwingen zu wollen. Worte ohne Liebe bedeuten nichts. Wenn jemand mit dir spricht und dies wie eine unangenehme Pflicht, ohne Liebe oder Freude an deiner Begegnung tut, würdest du solch eine Unterhaltung wünschen? Zuerst sollten Anstrengungen gemacht werden, die Neigung zu Gott zu wecken.“

Auf die Frage, wie diese Neigung geweckt, wie die Liebe zu Gott erlangt werden kann, da es so viele Menschen in der Welt gibt, welche die Existenz einer Gottheit wohl annehmen, aber dabei ohne jede Gemütsbewegung bleiben, antwortete ‘Abdu’l-Bahá:

„Erkenntnis ist Liebe. Höre auf die Ermahnungen, denke nach, versuche die Weisheit und Größe Gottes zu verstehen .... Der Boden muß beackert werden, ehe die Saat gesät werden kann.“

—————

Der Mensch wird wie ein Stein, wenn er nicht fortwährend zu Gott fleht. Das Herz des Menschen ist wie ein staubbedeckter Spiegel, und um ihn rein zu machen, muß man ständig zu Gott beten. Die Handlung des Gebets ist der Polierer, welcher alle weltlichen Wünsche abschleift. Die Wonnen der Anbetung und des Bittens zu Gott trennen das Herz von der Welt. Wenn der Geschmack eines Menschen an Edles gewohnt ist, lehnt er Schlechtes ab. Darum ist das Gebet ein Schlüssel, mit dem die Tore des Königreiches geöffnet werden können. Es gibt vieles, was für den Menschen schwer zu erklären ist. Aber während des Betens und Flehens ist alles entschleiert und es gibt nichts, was der Mensch nicht erkennen könnte. Muhammed sagte: „Gebet ist eine Leiter, auf der jeder zum Himmel aufsteigen kann.“ Wenn das Herz von der Welt getrennt ist, so ist sein Gebet der Aufstieg zum Himmel.

In dem hochstehendsten Gebet flehen die Menschen nur um die Liebe Gottes, sie beten nicht, weil sie Ihn oder die Hölle fürchten oder auf Seine Güte oder den Himmel hoffen. Auf diese Weise werden die Herzen, in denen das Feuer der Liebe brennt, durch das Gebet angezogen. Wahres Gebet muß daher allein der Liebe zu Gott entspringen. . . Wenn ein Mensch sich in ein menschliches Wesen verliebt, so ist es ihm unmöglich, den Namen des geliebten Geschöpfes nicht in Herz und Sinn zu tragen. Wie viel schwieriger wäre es, den Namen Gottes nicht in Herz und Sinn zu tragen, wenn man die Liebe zu Ihm erfuhr.

Man kann für die Toten beten und durch solches Tun wird ihre geistige Lage sich verbessern. Der geistige Mensch findet Glückseligkeit in nichts anderem als im Gedenken an Gott. Wenn er bestätigt wurde, wird sein Herz erfreut durch das Gedenken an Gott.

(Fortsetzung folgt)



Die Eßlinger Bahá’i-Sommerwoche (13.—21. Aug. 1932)[Bearbeiten]

(Fortsetzung)


Die Bedeutung des Aristoteles liegt weniger in der Geschlossenheit seiner Welt- und Lebensanschauung als in der Durchdringung weiter Gebiete mit einfachen und fruchtbaren Gedanken. Der Aristotelismus schien überall da wertvoll, wo es galt, vorhandene Gedankenmassen auszubauen, logisch zu gliedern und systematisch durchzubilden,

Das Streben Platos nach Begründung eines [Seite 28] Reiches der Wahrheit über der sinnlichen Wirklichkeit und das des Aristoteles nach einem von geistiger Macht geleiteten Reich der Ordnung trug vorzugsweise metaphysischen Charakter.

Seit dem Ende des 4. Jahrhunderts trat eine Änderung in der Philosophie und der gesamten Denkweise des griechischen Volkes ein. Durch Alexanders d. Gr. Eroberungen war eine neue Weltlage geschaffen worden, die als Hellenismus bezeichnet wird. Das Individuum gewinnt größeren Raum, die Einzelseele befaßt sich mehr mit sich selbst. Die Wendung zum Subjekt und zur praktischen Philosophie zeigt sich in den Systemen der Stoiker, der Epikurer und der Skeptiker. „Endete die Stoa bei aller Anerkennung der göttlichen Vorsehung doch schließlich in trübem Lebensverzicht und hatte der Epikureismus unter Ableugnung einer göttlichen Weltregierung den Menschen auf sich selbst und auf seine Vernunft gestellt, so entriß ihm die Skepsis auch dies, indem sie unter dem Prinzip gänzlicher Voraussetzungslosigkeit die Möglichkeit des Erkennens und damit alle objektive Wahrheit selbst leugnete.“

Nach und nach waren dann die orientalischen Religionen in die griechisch-römische Welt eingedrungen und hatten einen religiösen Synkretismus erzeugt, der jedoch dem gesteigerten religiösen Empfinden nicht genügen konnte. Alles wirkte zusammen zur Entstehung einer halborientalisch-griechischen Offenbarungsphilosophie, die Plotin zu einem großartigen System im Neuplatonismus ausgebaut hat.


3. Die Religion der Römer.

Die alt-römische Religion hat einen ganz anderen Charakter als die griechische. Sie ist auf dürftige kultische Handlungen beschränkt und an alte Zeremonien gebunden, voll Gespensterfurcht und Aberglauben. Heilige Steine und Bäume und fetischistische Gegenstände stehen an Stelle der Götterbilder. Wolf und Specht werden verehrt. Die Religion trägt oft animistisches Gepräge. Die Götter sind Geister und Mächte, kaum persönliche Gestalten. Die römische Religion war auf das Heim und den Staat gerichtet, auf die tägliche Arbeit und das öffentliche Leben und hat den Römer zu dem pflichtgetreuen Charakter erzogen. Das Heim war eine Kultstätte, der Herd in der Vorhalle ein Heiligtum. Als Hausgötter wurden Penaten und Laren, die Seelen der abgeschiedenen Väter, angebetet. — Der öffentliche Gottesdienst war eine Erweiterung des häuslichen. Der Mittelpunkt dieses Kultes war die Verehrung Vestas, der Göttin des staatlichen Herdes. Die offiziellen Götter (Vesta, Janus, Mars, Terminus) wurden in den Tempeln auf dem Palatin und dem Kapitol von einer zahlreichen Priesterschaft bedient.

Die Natur und das Menschenleben verteilte man unter eine große Menge von Sondergöttern, deren Anzahl sich stets vermehrte. In der römisch-katholischen Heiligenverehrung leben viele von diesen Sondergöttern weiter.

Mit der Eroberung der umliegenden Landschaften wurde das römische Pantheon vergrößert. Die dürftige römische Mythologie wurde mit griechischen Göttern und Sagen bereichert. Die Zeit der Republik brachte die meisten olympischen Götter nach Rom, wo sie mit einheimischen Gottheiten zusammenschmolzen oder lateinische Namen annahmen. In der Kaiserzeit wuchs der Einfluß der fremden Götter. So entstand der Synkretismus, der zuletzt zur Auflösung der römischen Religion führte. Kaiser Augustus versuchte den Verfall abzuwehren, indem er den römischen Kult in seinen alten Formen reorganisierte. Sich selbst machte er zum Pontifex maximus. Er stiftete auch neue Kulte, die aber für das persönliche Leben ebensowenig Bedeutung hatten wie die altrömische Gottesverehrung. Erst die stoische Philosophie gab dem strengen Römer die moralische Lebensanschauung. Mit dem Stoizismus drangen auch monotheistische Gedanken ein, die sich unter Auflösung der einzelnen Göttergestalten entwickelten. Dazu trug auch der Synkretismus bei. Die einzelnen Götter wurden nur noch als Offenbarungsformen einer und derselben Gottheit betrachtet.


V. Indogermanische Rasse.

1. Inder:

Den östlichen, Zweig der Indogermanen bilden die arischen Völker: die Iranier und die Inder, die wahrscheinlich lange mit [Seite 29] einander gewandert waren und sich in Sprache, Mythologie und Sagenüberlieferung sehr nahe stehen.


a) Brahmanismus.

Die Inder bildeten ursprünglich kleine Fürstentümer, die wahrscheinlich ihre Stamm- und Lokalgötter hatten, denen sie opferten. Alle diese Götter wurden später zu einem Pantheon vereinigt, in welchem einzelne klar ausgeprägte Göttergestalten sich über die anderen erhoben.

Über diese Götter und ihre Kulte sind wir durch die Sammlungen von Hymnen und Ritualen, die man Veda nennt, unterrichtet. Die Vedabücher, die man als wörtlich inspirierte Offenbarungen betrachtet und als Autorität verehrt, zeugen von einer vollentwickelten priesterlichen Kultur. Die Brahmanen (Priester) bildeten die vornehmste der vier Kasten, in welche das indische Volk eingeteilt war. Kein Mensch durfte jemals die Kaste verlassen. Den Brahmanen war das heilige Studium vorbehalten. Um sich für seinen schwierigen Beruf vorzubereiten, mußte der junge Brahmane oft bis zum 50. Jahre bei einem Priester in die Schule gehen, bei dem er die Vedahymnen auswendig lernen und sich die Kunstgriffe des Altardienstes aneignen mußte. Bis zum 60. Lebensjahre durfte er seine Tätigkeit ausüben. Die noch verbleibenden Jahre verbrachten viele Brahmanen damit, über die heiligen Dinge zu meditieren. Es entwickelte sich daraus eine Theologie, welche die vielen Götter auf ein einziges göttliches Wesen — das Atman — zurückführte. Ein anderer Name für Atman ist Brahma. Dies ist die Weltseele, ein unendlicher Geist. Die Welt und der Mensch gehen vom Brahma aus. Das große All-Leben lebt in jedem Menschen. Die höchste Weisheit ist, sich eins mit Brahma zu wissen. Wer mit vollem Bewußtsein die Worte aussprechen kann: tat twam asi (das bist du), der ist erlöst. Die Philosophie, die in den Upanishaden niedergelegt wurde, ist eine Erlösungslehre. Voraussetzung für diese Erlösung ist die indische Lehre von der Seelenwanderung (Samsāra). So überzeugend wahr diese Samsaralehre für den Inder war, so erdrückend war sie durch die endlose Aussicht auf fortwährenden Wechsel. Die Brahmalehre wurde das Erlösungsmittel. Indem der Mensch erkennt, daß Atman auch die Seele in ihm selbst ist, erhebt er sich über die Seelenwanderung. So kann er das Nirvāna erreichen, jedoch nicht durch Spekulation allein, sondern vielmehr durch Auflösung des Bewußtseins. Dazu ist die Askese (Yoga-Gebundenheit) notwendig.

Aus der Yogapraxis hat sich eine Theorie entwickelt, die als philosophische Schule großes Ansehen gewonnen hat. Sie kann gewissermaßen als Vorläufer des Buddhismus betrachtet werden.


b) Der Buddhismus.

In der Zeit vom 8. bis 6. Jahrhundert v. Chr. verbreiteten sich in Indien die philosophischen Interessen. Auch innerhalb der Kriegerkaste entstand eine Philosophie, Sāmkhya genannt, die der brahmanischen Vedāntaspekulation entgegengesetzt war. Nach diesem und vielen anderen Systemen ist die Askese eine unbedingt erforderliche Vorbereitung für die Erlösung. Neben dieser Philosophie bildeten sich mehrere — von der Sāmkhyalehre mehr oder weniger abhängige — religiöse Sekten. Die bekannteste ist der noch heute bestehende Jainismus. Er sucht das Nirvana durch eine von strenger Askese getragene Meditation zu gewinnen. Der politische Reformator Mahātma Gandhi gehört dem Jainismus an. So sehr die verschiedenen Sekten sich miteinander stritten, in einem waren sie einig, in dem Glauben: es muß einen Weg zur Erlösung geben. - Buddha hat ihn gefunden. Er lehrt, daß man die Erlösung weder durch ein Aufgehen in einer mystischen Einheit mit Atman erreicht, noch durch Askese; denn das, was uns ans Leben fesselt, ist nicht der Körper, sondern die Begierde der Seele nach Lust und Leben. Wer seine Begierde ausrottet, schneidet die Lebenswurzel ab und steht nicht mehr zu neuem Leben auf. Erlösung ist demnach Freiheit von der Seelenwanderung. Gleichzeitig mit der Befreiung von der Seelenwanderung nach dem Tode hat der buddhistische Mönch auch Freiheit vom Leiden hier im Leben gewonnen. Er ist der Meinung, daß alles Leben Leiden ist, und kann daher vom Leiden nur in dem Maße befreit werden, als er sich vom Leben (der Begierde und dem [Seite 30] Lebensdurst freimacht. Es ist somit die Aufgabe der Menschen, die Seele zur Ruhe zu bringen und in einem vollständigen Gleichgewicht zu leben. Wie der Buddhismus die Spekulation des Brahmanismus durch Psychologie ersetzt, so ersetzt er dessen Askese durch Moral. Die Meditation, die zur Erleuchtung und Befreiung führt, kann nur bei vollkommener moralischer Reinheit glücken. Die geringste Spur von Sünde würde unbedingt die Selbstversenkung stören und sie ihrer erlösenden Kraft berauben. Die Moral ist demnach nur ein Teil des Erlösungsweges. Sie hat keinen selbständigen Wert. Ebenso ist die buddhistische Moral durchaus passiv: Das Gute besteht wesentlich im Vermeiden schädlicher Handlungen und störender Sinnesstimmungen.

Schon 100 Jahre nach Buddhas Tod war der Buddhismus in Indien eine Macht geworden. Neben den Ordensregeln und dem Kanon wurde die Mission das Hauptinteresse der neuen Kirche. Die Ausbreitung des neuen Glaubens über ganz Vorderindien fand unter dem König Asoka statt. Zahlreiche Inschriften von seiner Regierungszeit zeugen von den schnellen Fortschritten der Mission in seinen Reichen und von den humanen Reformen, die der neue Glaube mit sich brachte. Auch auf Ceylon drang der Buddhismus ein. Zwischen der südlichen und der nördlichen Kirche entwickelte sich eine dogmatische Verschiedenheit, die aus den Streitigkeiten der Konzile hervorgegangen ist (Hinayāna und Mahāyāna). Die erstgenannte Theologie steht dem ursprünglichen Buddhismus am nächsten. Sie zielt auf die Erlösung der Seele des Einzelnen ab. Die Mahāyāna strebt danach, die ganze Menschheit zu erlösen, weshalb von ihr auch die Mission ausging.


c) Der Hinduismus.

Als die Araber in Indien vordrangen, versiegte der Buddhismus und existierte in Vorderindien nur noch in Nepal und auf Ceylon. Die Hindu verfielen noch mehr dem Polytheismus mit seinen Opfern und Festen, kehrten zu ihrer Spekulation und Mystik zurück und gaben der alten Neigung der Inder nach: der Askese. Der Brahmanismus, der immer neben Buddhismus und Jainismus weiterbestanden hat, nahm schon bald die Form von Sekten an (seit etwa 600 v. Chr.), von denen jede ihren Lieblingsgott anbetete und die wir unter dem Namen Hinduismus zusammenfassen. Die wichtigsten Götter der Sekten sind Vishnu, Siva, Rama und Krishna. — Die höhere Theologie der Sekten liegt in philosophischer und poetischer Form vor. Die Philosophie der Upanischaden ist in den meisten Sekten noch klassisch und ist in neueren Schulwerken fortgesetzt worden. Daneben finden sich in den großen epischen Werken des indischen Mittelalters theologische Spekulationen, die teils gelehrte, teils volkstümliche Vorstellungen aus dem religiösen Leben vortragen. Durch diese philosophisch-poetische Weiterbildung sind die Götter vergeistigt worden, indem sie bald pantheistisch, bald als menschliche Idealgestalten aufgefaßt werden. Das gilt besonders von Rama. Er wird als höchstes Wesen gedacht —, mit allen guten Eigenschaften ausgestattet — der den erlösten Seelen ein Leben voller Glückseligkeit verleiht. Dieser Gottesbegriff ist monotheistisch. — Aber diese Gottesverehrung und den pantheistischen Gottesbegriff findet man bloß bei den einzelnen Gebildeten. Die Allgemeinheit verehrt eine Vielheit von Göttern und das moderne Indien ist voll von Tempeln und Pagoden. Das Asketenfest, wo Büßer mit ihren Kasteiungen wetteifern, ist charakteristisch für den Hinduismus. Allgemein ist auch die Verehrung von heiligen Tieren. Das niedere Volk steht auf der Stufe des Fetischismus. Den höheren Göttern wagen sich die Ungebildeten nicht zu nahen. Die Priester vermitteln ihren Beichtkindern die Erlösung und werden dadurch selbst Gegenstand der Verehrung. — Während des 19. Jahrhunderts haben sich halbchristliche Sekten gebildet, die Ehrfurcht für die Person Jesu, christliche Moral und moderne soziale Ideen mit brahmanischem Pantheismus und der Seelenwanderungslehre verbinden wollten und das Evangelium mit Veda und Upanischaden verschmolzen. Die bekannteste dieser Sekten ist Brāhma-Samāj. Der Vater des Dichters Rabindranāth Tagore nahm dort eine leitende Stellung ein.

(Fortsetzung folgt) [Seite 31]


Suratu’l Haykal 1)[Bearbeiten]

Dies ist die Sure vom Tempel, den Gott gemacht zum Spiegel Seiner Namen zwischen den Himmeln und der Erde und zum Zeichen Seiner Verkündigung in der Welt.

Er ist der Allwunderbare, der Allerherrlichste!


Ruhm sei Dem, Der die Verse hat herniedersteigen lassen für die, die mit Einsicht begabt sind!

Ruhm sei Dem, Der die Verse offenbart für die, welche begreifen!

Ruhm sei Dem, Der zu Seinem Pfad hinführt, wen Er will. Sprich: in Wahrheit, zum Pfade Alláhs hin bedeutet es für die, die in den Himmeln und auf Erden sind. Wohl dem, der sich eilends dahin aufmacht!

Ruhm sei Dem, Der die Verse hat herniedersteigen lassen auf die, welche wissend sind!

Ruhm sei Dem, Der Sich vom Königreich des Gebotes aus vernehmen läßt und nur von Seinen edlen Dienern verstanden wird!

Ruhm sei Dem, Der lebendig macht, wen Er will, indem Er spricht: „Sei“ — und es ist!

Ruhm sei Dem, Der jene zum Himmel der Gunst erhebt, die Er will, und erniedrigt von ihnen, welche Er will, wie es Ihm gut dünkt!

Gepriesen ist Der, Der durch Seinen Befehl vollendet, was Er will: wahrlich, Er ist der Wirkliche, der Kenner der Geheimnisse!

Gepriesen ist Der, Der, was Er will, eingibt, wem Er will, durch Seinen unwiderlegbaren und verborgenen Befehl!

Gepriesen ist Der, Der durch die Heerscharen des Unsichtbaren den Sieg verleiht, wem Er will! Wahrlich, Er ist der Vollender dessen, was Er will, Er ist der Starke, der Ewige!

Gepriesen ist Der, Der durch die Macht Seiner Herrlichkeit verherrlicht, wen Er will, und Der hilft, wem Ihm beliebt, das zu tun, was Ihm gefällt! Glücklich die, welche wissen!

Gepriesen ist Der, Der in dem verwahrten Tablet jedem Ding ein Schicksal bestimmt hat!

Gepriesen ist Der, Der auf Seinen Knecht das hat herniedersteigen lassen, wodurch die Herzen und Verstandeskräfte erleuchtet werden!

Gepriesen ist Der, Der auf Seinen Knecht solches Mißgeschick hat niedergehen lassen, daß die Lebern der Bewohner der ewigen Gezelte davon geschrumpft sind, wie auch die Herzen der Erwählten!

Gepriesen ist Der, Der auf Seinen Knecht aus den Wolken des Geschickes die Geschosse der Drangsale hat niedergehen lassen! Und Er sieht mich in strahlender Geduld!

Gepriesen ist Der, Der Seinem Knecht bestimmt hat, was Er keinem anderen bestimmt hat! Er ist der Einzige, der Starke, der Ewige!

Gepriesen ist Der, Der auf Seinen Knecht aus den Wetterwolken des Hasses der Heuchler die Pfeile des Verhängnisses hat [Seite 32] niedergehen lassen! Und Er sieht mich auf dem Gipfel der Dankbarkeit!

Gepriesen ist Der, Der auf Seinen Knecht die Bürde von Himmel und Erde herabgelassen hat! Und wir danken Ihm dafür: nur die Weisen verstehen es!

Ruhm sei Dem, Der Seine Schönheit unter die neidischen Krallen der schamlosen Wesen gelegt hat! Und wahrlich, wir sind damit zufrieden: nur die Einsichtsvollen verstehen es!

Ruhm sei Dem, Der Al Hussaïn 2) zwischen die feindlichen Parteien gestellt hat, da alle Augenblicke die Geschosse der Grausamkeit und des Hasses gegen seinen Körper geschleudert werden! Und wir sind dankbar für das, was Er vorbehalten Seinem Knechte, dem bußfertigen, dem unglücklichen!

Als ich mich auf dem Gipfel der Nöte sah, vernahm ich die klangreichste und wundervollste der Stimmen über meinem Haupte; und als ich mich umwandte, gewahrte ich eine Huri 3) der Verkündung des Namens meines Herrn, die vor meinem Haupte in der Luft schwebte. Ich sah, daß sie sich in sich selbst freute: die ganze Herrlichkeit des Paradieses offenbarte sich auf ihrem Antlitz, und der Glanz des Barmherzigen lag auf ihrer Wange. Sie ließ zwischen den Himmeln und der Erde eine Kundgebung erschallen, durch die die Herzen und Verstandeskräfte angezogen wurden, indem sie allen meinen Körperteilen, den sichtbaren und den inneren, die frohe Botschaft kundtat, die mich wie auch die edlen Diener erfreute. Mit dem Finger auf mein Haupt deutend, ermahnte sie alle in den Himmeln und auf Erden:

„Bei Alláh! Dies ist der Vielgeliebte des Weltalls! Doch ihr begreift nicht!

„Dies ist die Schönheit Gottes unter euch, Sein Beweis in eurer Mitte, — so ihr Wissen hättet!

„Dies ist das Geheimnis Gottes, Seine Schatzkammer, Seine Sache, Seine Herrlichkeit für jeglichen, der im Königreich des Befehls und der Schöpfung weilt, so ihr Einsicht hättet!

„Es ist Der, nach Dessen Begegnung jene schmachten, die im ewigen Königreich sind, und jene, welche Wohnung genommen haben in den Gezelten Abhá! Und ihr beraubt euch Seiner Schönheit!

„O Volk des Beyán 4)! Wenn ihr ihm nicht beisteht, wird Alláh ihm helfen durch die Heerscharen der Himmel und der Erde und die des Unsichtbaren, vermöge Seines Befehls „Sei“ — und es ist! Und Er wird nach Seinem Gefallen Wesen senden, die Er allein kennt, der Beschützer, der Ewige! Er wird sie reinigen vom Schmutze der Einbildungen und Leidenschaften, und Er wird sie erhöhen zur Stufe der Heiligkeit. Unter ihnen wird Er die Ruhmeszeichen Seiner Macht auf Erden erscheinen lassen. So ist es verordnet von Gott, dem Mächtigen, dem Vielgeliebten!

„O Volk des Beyán! Wollt ihr Den verleugnen, zu Dessen Begegnung ihr erschaffen worden seid 5) und es euch weiterhin da, wo ihr weilt, wohl sein lassen? Wollt ihr Dem widerstehen, von Dem ein einziges Haar Alláh mehr wert ist als alles, was in den Himmeln und auf Erden ist, und wollt ihr Ihn fernerhin verhöhnen?

„O Volk des Beyán! Weiset vor, was ihr besitzet, damit ich weiß, auf Grund welcher Beweise ihr an die früheren Manifestationen des Befehls geglaubt habt und welcher Beweis euch heute anmaßend macht! Bei Dem, Der mich erschaffen aus dem Lichte Seiner Schönheit! nie habe ich nachlässigere oder unwissendere Wesen angetroffen als euch! Ihr entnehmt die Beweise, die euren Glauben an Gott begründen, den Tablets, die ihr habt. Nun aber, da die Verse geoffenbart und die Lampe angezündet, verleugnet ihr Den, durch Dessen Feder alle Dinge in dem verwahrten Tablet verordnet sind! Ihr lest die Verse, und ihren Aufgangsort verleugnet ihr, Den, Der sie hat herniedersteigen [Seite 33] lassen! So hat Gott euch die Fähigkeit, zu sehen, genommen, als Strafe für eure Handlungen, — so ihr verstehen könntet! Ihr wiederholt die Verse in der Abend- und Morgendämmerung und verbergt euch vor Dem, Der sie geoffenbart! Heute sieht euch die höchste Versammlung in der Verwirrung eures Tuns und will euch nicht mehr kennen. Aber ihr begreift es nicht! Nacheinander fragen ihre Mitglieder: was sagen diese Unwissenden? In welche Abgründe sind sie gestürzt? Leugnen sie das, was sie sehen, oder behaupten sie zu sehen bei geschlossenen Augen? Bei Alláh! o Volk, die Bewohner der Städte der Namen sind bestürzt ob eurem Tun: ihr seid verirrt in ödem Tal — und wißt es nicht!“


O allerhöchste Feder, achte auf den Ruf deines Herrn, der vom Sadratu’l-Montaha 6) an der lichtvollen Wohnstätte der Einheit kommt, damit das Lied des Erbarmers deinem Herzen Freude und frohes Gemüt beschere und du dich freimachest von Traurigkeit dank den sanften Winden, welche ausströmen von den Bereichen Meines Namens, des Verzeihenden. Alsdann erstelle von diesem (großen) Tempel 7) aus die (kleinen) Tempel 8) der Einheit, die in der Schöpfung künden werden von ihrem Herrn, dem Allerhöchsten, dem Glorreichsten, und die leuchten werden in Seinem Licht. Wahrlich, Wir haben verordnet, daß dieser Tempel der neue Daseinsgrund in dieser neuen Schöpfung werde: also wird jeder überzeugt sein, daß Ich allmächtig bin in dem, was Ich will, vermittelst meines Wortes „Sei“ — und es ist. Und im Schatten eines jeden der Buchstaben dieses Tempels werden Wir Buchstaben senden, deren Zahl niemand weiß außer Gott, dem Beschützer, dem Ewigen. Er wird solcher Art Wesen schaffen, die nicht in Verwirrung geraten werden durch die Rufe jener, die sich gegen Ihn gewendet haben, und die unausgesetzt den Kawther des Lebens trinken werden. Wahrlich, dies sind die Begünstigten; dies sind die. Diener, die sich in den Schatten der Barmherzigkeit ihres Herrn gestellt haben und durch die Hindernissteller nicht abgehalten worden sind. Auf ihrem Antlitz sieht man den Glanz des Barmherzigen und aus ihrem Herzen vernimmt man die Verkündigung Meines Namens, des Starken, des Verborgenen. Es sind die, die beim Öffnen ihrer Lippen zum Lobpreis ihres Herrn von allen denen begleitet werden, welche in den Himmeln und auf Erden sind, wenn auch wenige Menschen auf sie hören: verkündigen sie ihren Schöpfer, dann verkündigen Ihn mit ihnen alle Dinge. So hat Alláh sie mehr als die anderen Geschöpfe begünstigt. Aber die Menschen wissen es nicht und sie umwandeln die Sache Gottes wie der Schatten die Sonne. Öffnet die Augen, o Volk des Beyán, auf daß ihr bezeugen könnt: durch die Bewegung solcher Wesen werden alle Dinge in Bewegung versetzt, durch ihr Stillestehen wird alles zum Stillstand gebracht, — so ihr die Gewißheit habt. Durch ihre Hilfe rücken die nach der Einheit Strebenden vor zum Sammelpunkt der Horizonte und die frommen Wesen finden die Ruhe und den Frieden, so ihr zu denen zählt, die wissend sind. Durch sie hat sich die Erde verdichtet, haben die Wolken den Regen gespendet, ist die Tafel der Wissenschaft vom Himmel der Gunst herabgestiegen, — so ihr unterrichtet seid. Sie sind der Schutz der Sache Gottes auf Erden und bewahren deren Schönheit vor dem Staube des Aberglaubens und des Irrtums. Sie fürchten nichts für sich auf dem Pfade Gottes und würden ihr Leben dafür geben, dem Vielgeliebten zu begegnen an dem Tage, an dem Er erschienen ist mit diesem Namen, dem Starken, dem Allmächtigen, dem Köstlichen, dem Geheiligten.

O Tempel, erhebe dich von selbst in einen Zustand, der die Welt des Zufalls sich erheben lassen wird; dann komme deinem Herrn zu Hilfe mit dem, was Wir dir an Macht und Können verliehen haben. Fürchte nichts an diesem Tage, da alle Dinge Furcht empfinden: sei die Offenbarung Meines Namens, des Beschützers, des Ewigen. Komm deinem Herrn zu Hilfe mit dem, was in dir ist, und schenke den Geschöpfen wie dem, [Seite 34] was aus ihrem Munde kommt, nicht mehr Beachtung, als dem Summen eines Insekts, das sich in ein unermeßliches Tal verflogen hat. Trinke den Kawther des Lebens auf Meinen Namen, den Barmherzigen, dann kredenze den Erwählten das, was sie loslösen wird von den Worten und sie gelangen lassen wird unter diesen weithin sich breitenden geheiligten Schatten.

O Tempel, durch dich haben Wir alle Dinge und Geschöpfe der Erde und des Himmels zum Gerichte versammelt; und Wir haben sie durchforscht auf Grund des Paktes, den Wir mit ihnen zu Beginn der Ewigkeit schlossen. Wir haben bei den meisten Wesen schwache Zungen und verschleierte Augen gefunden: eine kleine Zahl nur hatte ein sieghaftes Antlitz und eine beredte Zunge. Aus ihnen haben Wir die Schöpfung dessen, was ist und was sein wird, erstehen lassen. Es sind die, welche Alláh davon abgehalten hat, die Ungläubigen zu beachten, und welche Er im Schatten Seines Baumes hat Wohnung nehmen lassen: also ließ Er für sie den Zustand der Ruhe bei Ihm herniedersteigen und hilft ihnen durch die Heerscharen des Unsichtbaren und des Sichtbaren.

O Auge dieses Tempels! Achte weder auf den Himmel und was in ihm ist, noch auf die Erde und was sich auf ihr befindet: denn Wir haben dich für Meine Schönheit erschaffen. Hier ist sie! Blicke auf Mich: das ziemt dir! Beraube dein Auge nicht der Schönheit deines Herrn, des Mächtigen, des Vielgeliebten! Wir werden durch dich scharfe Augen erwecken, durchdringende Blicke, die die Zeichen ihres Schöpfers zu erkennen vermögen und die sich abwenden werden von allem, was die sterblichen Verstandeskräfte begreifen. Durch dich werden Wir die Sehkraft verleihen, wem Wir wollen, und Wir werden sie von denen nehmen, die dieser Güte Hindernisse entgegengestellt haben: wahrlich, sie gehören zu jenen, welche aus dem Becher der Einbildungen trinken, ohne es zu wissen.

O Ohr dieses Tempels! Schüttle ab von dir das Geschrei aller verworfenen Schreier, sodann höre auf den Ruf deines Herrn. Wahrlich, Er sendet dir die Eingebung der Weisung des Thrones: es gibt keinen anderen Gott als Uns, den Starken, den Allmächtigen, den Beschützer, den Ewigen. Durch dich werden Wir reine Ohren erwecken, die auf das Wort Gottes hören und auf alles, was am Aufgangsort des Beyán erschienen ist von deinem Herrn, dem Barmherzigen. Wahrlich, sie werden sie rein finden, die Eingebungen, die von diesem geheiligten und gelobten Mittelpunkt ausströmen.

O Zunge dieses Tempels! Wahrlich, Wir haben dich geschaffen in Meinem Namen, dem Barmherzigen, und Wir haben dich gelehrt, was im Beyán verwahrt war, und Wir haben dich sprechen lassen, um Mich zu verkündigen, Mich, den Großen, in der Welt des Zufalls. So rufe denn hinaus diese machtvolle, wunderbare Verkündigung, ohne die Offenbarungen Satans zu fürchten: denn du wurdest hiefür erschaffen durch Meinen Befehl an Mich, den Beschützer, den Ewigen. Durch dich haben Wir die Zunge sprechen lassen in der Auslegung dessen, was war, und Wir werden durch Meine Macht bekannt geben, was sein wird. Durch dich werden Wir beredte Zungen erwecken, die sich regen werden zu Meinem Lobe in der allerhöchsten Versammlung und unter den Völkern der Welt. Also sind die Verse herabgestiegen und ward der Befehl gegeben vom König der Namen und Attribute: wahrlich, dein Herr ist der Wahrhaftige, der Wissende, der Verborgene. In Wahrheit, nichts vermöchte sie daran zu hindern, ihren Schöpfer zu loben: durch sie werden die Dinge sich erheben zum Lobe des Königs der Namen. Wahrlich, es gibt keinen anderen Gott als Uns, den Allmächtigen. den Starken, den Vielgeliebten. Die Zungen der Verkünder reden nur, wenn von dieser Stelle aus diese Zunge ihnen Hilfe leiht. Wenige aber wissen es. Jede Zunge ist geschaffen, ihren Herrn zu verherrlichen, und darf nur zu Seiner Verkündigung reden: bestimmte Menschen verstehen es und verkündigen Ihn, andere verkündigen, ohne zu verstehen.

O geistige Huri! Laß ab vom Zurückhalten der Worte mit der Erlaubnis Alláhs, des Königs der Erden und Himmel, dann erscheine im Schmucke des göttlichen Königreichs und gib mit deinen Rubinfingern zu trinken den himmlischen Wein: vielleicht, daß die Menschen begreifen, was am [Seite 35] Horizonte des Königreiches erschienen mit der Offenbarung der Ewigkeitssonne am Himmel Bahá. Dann werden sie sich erheben, um zwischen Erde und Himmel jenen Jüngling zu verkünden, der da sitzt auf dem Thron Meines Namens, des Hilfreichen, auf der höchsten Höhe des Paradieses 9). Die Schönheit des Barmherzigen ist auf seinem Antlitz sichtbar geworden, in seinen Augen das Auge des Gepriesenen, in seiner Stellung der Rang Alláhs, des Unabhängigen, des Starken, des Vielgeliebten. Und wenn du niemanden findest, der den roten Wein aus deiner weißen Hand entgegennimmt im Namen deines Herrn, des Großen, des Allerhöchsten, der nun ein zweites Mal erschienen in Meinem Namen El Abhá 10), dann werde nicht traurig: laß die Menschen ganz allein und kehre zurück zu den Zelten der Größe und Herrlichkeit, wo du welche finden wirst, deren Gesichter strahlen wie die Sonne am Mittag und die preisen und loben ihren Herrn in diesem Namen, der sich in endgültiger Form mit dem Beweise der Herrlichkeit und der Schönheit eingesetzt hat. Wahrlich, du wirst von ihnen nur Meine Erwähnung und Meinen Lobpreis vernehmen; und dein Herr bezeugt das, was Ich sage. Nicht einer von denen, die von den Worten Gottes in der Ewigkeit erschaffen wurden, kennt diese Wesen: so haben Wir dir den Befehl zergliedert gegeben und haben dir die Verse enthüllt, damit die Menschen nachdenken über die Zeichen ihres Herrn. In Wahrheit, diese Wesen haben nie die Weisung erhalten, sich vor einem Menschen niederzuwerfen, und sie haben ihr Antlitz nicht von dem ihres Herrn abgewandt: um so mehr aber erfreuen sie sich ohne Unterlaß der Wohltaten der Heiligkeit. So zeichnet die Feder des Barmherzigen die Geheimnisse auf von dem, was war und sein wird, auf daß die Menschen vielleicht verstehen. Gott wird in Bälde diese Wesen auf der Erde erscheinen lassen, und durch sie wird Seine Verkündigung erfolgen, werden Seine Zeichen verbreitet werden, Seine Worte bestätigt, Seine Verse bekannt gemacht, trotz der Ungläubigen, der Leugner und jener, die Seine Verse in Verruf gebracht haben.

O Schönheit der Einheit, wenn du sie findest und zu ihrer Begegnung gelangst, erzähle ihnen, was dieser Knecht dir erzählt von seiner Geschichte und von dem, was ihm zugestoßen ist, damit sie wissen, was in das verwahrte Tablet geschrieben wurde. Gib ihnen meine Botschaft und sprich ihnen von dem Unglück und Mißgeschick, das mich getroffen hat. So werden sie meiner Leiden Erwähnung tun und sich erinnern. Dann sage ihnen, daß Wir einen Unserer Brüder ausgezeichnet hatten, da Wir ihm ein Tröpfchen vom Meere des Wissens gezeigt: Wir hatten ihn bekleidet mit dem Kleide eines Unserer Namen 11) und ihn zu einem Rang befördert, zu dessen Lob sich alle Weit erhob: Wir hatten ihn vor den Hexenstücken aller Bösen so gut beschützt, daß die Mächtigen nichts gegen ihn vermochten. Und dennoch hat alles, was in den Himmeln und auf Erden ist, die Tage erleben können, in denen seine Anhänger Anstalten trafen, mich zu töten! Wir weilten unter ihnen, das Lob und den Ruhm Alláhs verkündend, bereit, Seine Sache zu verteidigen, damit das Wort Gottes unter den Menschen verwirklicht, Seine Zeichen erkannt, Seine Macht verankert und Seine Herrschaft befestigt würde, wie es die treuen Diener bezeugen. Aber als mein Bruder sah, daß die Sache wuchs, ward er von Hochmut und Neid befallen: er ließ sodann die Maske fallen, um mich zu bekämpfen, Beweise gegen meine Verse zu erbringen, meine Beweise zu widerlegen und meine Zeichen zunichte zu machen. Und das machte den Bauch des Menschenfressers noch nicht satt: er wollte mein Fleisch verschlingen und mein Blut trinken, wie es die Diener bezeugen werden, die freiwillig mit Alláh in die Verbannung gegangen, und die, die Ihm nahe sind. Er verabredete diese Tat heimlich mit einem meiner Bediensteten, den er sodann dazu antrieb, sie zu vollführen. Aber Gott stand mir bei mit den Heerscharen des Unsichtbaren und des Sichtbaren, schützte mich in Wahrheit und ließ das für mich herniedersteigen, was sie vor ihrem Trachten warnte. Er machte die Anstrengungen jener zunichte, die die Verse des Barmherzigen verleugnet hatten: [Seite 36] wahrlich, sie sind Ungläubige! Als sein Versuch bekannt wurde und die Verbannten davon Kunde erhielten, begannen sie, Entrüstungsschreie auszustoßen, die in der ganzen Stadt vernommen wurden. Wir aber beschwichtigten sie und empfahlen ihnen Geduld, damit sie beruhigt waren.

Bei Alláh, außer Dem es keinen anderen Gott gibt! wahrlich, Wir sind in diesem Falle geduldig gewesen und haben den Dienern die Geduld und Ergebung anbefohlen. Wir entfernten Uns von diesen Leuten und richteten Uns in einem anderen Hause ein, damit das Feuer des Hasses in seinem Herzen erlöschte und er das Heil wiederfände. Wir machten ihm nie Vorwürfe; Wir sahen ihn sogar in der Folge nicht mehr, da Wir in Unserem Hause blieben und Uns ausruhten in der Güte Gottes, des Beschützers, des Ewigen. Er aber, als er erfuhr, daß die Angelegenheit ruchbar geworden, ergriff die Feder der Lüge und schrieb an die Diener, wobei er meiner Schönheit, Mir, dem Alleinigen, dem Unterdrückten das zur Last legte, was er selbst begangen hatte, um die Zwietracht unter die Menschen zu schleudern und den Haß denjenigen ins Herz einzuimpfen, die an Gott glauben, den Starken, den Angebeteten. Bei Dem, Der mein Leben in Seinen Händen hält! Sein Doppelgesicht setzte mich in Erstaunen und erregte das Erstaunen von allem, was im Unsichtbaren und Sichtbaren ist. Und sein Übelwollen hörte nicht auf; so wenig, daß er beging, was die Feder zögert von ihm zu berichten, und was ihn meiner Achtung verlustig gehen ließ und der Achtung Alláhs, des Mächtigen, des Starken, des Gepriesenen. Wenn ich all das niederschreiben wollte, was er tat, würde ich damit nicht zu Ende kommen, selbst wenn Gott alle Meere der Erde in Tinte und alle Dinge in Federn verwandelte. Also berichten wir das, was uns zugestoßen ist, damit ihr unter die Wissenden zählt.

O Feder der Ewigkeit! betrübe dich nicht ob dem, was dir zugestoßen ist. Gott wird ein Volk erwecken, das imstande sein wird, mit seinen eigenen Augen zu sehen, und das alles dies erwähnen wird. Halte die Feder davon ab, über solche Leute zu schreiben, und setze sie in Bewegung zur Verkündigung des Königs der Ewigkeit: verlaß die Welt des Zufalls und trinke den reinen Wein Meiner endgültigen Verkündigung. Hüte dich, dich mit der Erinnerung an jene zu befassen, bei denen man nur den Geruch des Hasses wahrnimmt und die die Liebe zur Macht so sehr erfaßt hat, daß sie sich gegenseitig ans Leben gehen, um ihren Ruf zu vergrößern und ihren Namen zu verewigen. Alláh hat sie als Sklaven der Namen in das verwahrte Tablet eingetragen. Verkündige das, was für diesen Tempel erwünscht ist, auf daß seine Zeichen auf Erden sichtbar werden und die Lichtmengen dieses Ostens den Horizont erhellen und die Erde reinigen vom Schmutze jener, die von Gott abgefallen sind. Also haben Wir die Verse herniedersteigen lassen und den Befehl zergliedert, damit die Menschen begreifen.

O Tempel! Strecke aus deine Hand auf alles, was in den Himmeln und auf Erden ist, und nimm die Zügel der Sache in die Faust deines Willens, denn Wir haben das Königreich aller Dinge in deine Rechte gelegt: tu, was du willst, und fürchte nichts von den Unwissenden. Dann fasse nach dem Tablet, welches am Horizont der Finger deines Herrn erschienen ist, und ergreife es mit Kraft. Wenn du es ergreifen wirst, werden es die Hände der Geschöpfe ergreifen: dies ist, was dir geziemt, — so du zu denen gehörst, die verstehen. Durch das Erheben deiner Hand zum Himmel Meiner Güte wirst du bewirken, daß alle Hände sich Alláh, dem Allmächtigen, dem Starken, dem Angebeteten entgegenheben.


1) Suratu’l Haykal bedeutet in wortgetreuer Übersetzung „das Wesen des Tempels“. Dr. Hippolyte Dreyfus, aus dessen französischer Übersetzung (L’œuvre de Bahá’ou’lláh, Tome deuxième, Edition Ernest Leroux, Paris, 28 rue Bonaparte, 1924) vorliegender Abschnitt aus dem genannten Werke ins Deutsche übertragen ist, gebraucht dafür die Bezeichnung „Le temple de Dieu — Der Tempel Gottes“, unter welcher dieses Tablet Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláh bisher da und dort schon bekannt wurde. Dr. Dreyfus schreibt ferner im Vorwort zu seiner Ausgabe:

„Die Übersetzung, die wir hier vom Suratu’l Haykal geben, hat die Bombayer Ausgabe dieses Werkes zur Grundlage, deren Text mir der genaueste zu sein scheint, den wir besitzen. Während der letzten Jahre des Aufenthalts in Adrianopel und der ersten Monate der Gefangenschaft in Akka (1868— 1869) geschrieben, enthält es den Ruf Bahá’u’lláhs an die Völker der Welt, den ersten Anstoß zur allgemeinen Verbreitung der Lehre, die sein Sohn ’Abdu’l-Bahá mit der Hingabe und dem Erfolg, wie sie bekannt sind, fortsetzen sollte.

Bis dahin hatte sich Bahá’u’lláh eigentlich nur an die Bábi Persiens gewandt, an die, welche ihm freudig ins Exil nach Baghdád gefolgt waren, dann nach Constantinopel, auf Befehl des „Oberherrn des Islam“, der seinen Gast so grausam behandeln sollte, wie auch an jene, die in Iran zurückgeblieben waren, deren Glaube durch die Verfolgungen von seiten der Schriftgelehrten nur wuchs. Wenn auch der Suratu’l Haykal noch besonders für die Bábi geschrieben ist, so stellt er nichtsdestoweniger auch einen Ruf an die Christen dar, da Bahá’u’lláh darin das im Evangelium prophezeite Erscheinen des „Vaters“, der Größten Manifestation (Offenbarung) Gottes feierlich bekannt gibt.“

2) Mirza Hussain ‘Ali Nuri, Bahá’u’lláh.

3) Schöne in Mohammeds Paradies, Engel.

4) Beyán, Offenbarungsbuch Seiner Heiligkeit, des Báh.

5) Die Sendung Seiner Heiligkeit, des Báb zum Volke des Beyán bestand vornehmlich darin, es auf das Kommen der Manifestation Bahá’u’lláh vorzubereiten.

6) Der von den Arabern am Ende eines Weges gepflanzte, Richtung gebende Baum. Hier symbolisch zu verstehen.

7) Im französischen Text „Temple“ groß geschrieben.

8) Im französischen Text „temples“ klein geschrieben.

9) Seine Heiligkeit, der Báb.

10) Seine Heiligkeit Bahá’u’lláh.

11) Ezel (éternel, ewig). Anspielung auf Subhi Ezel, Halbbruder Bahá’u’lláhs.


(Fortsetzung folgt.)



In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sind an die Verlagsabteilung des Geistigen Nationalrat der Deutschen Bahá’is e. V. Stuttgart, Alexanderstraße 3 (Nebengebäude) zu richten. — Alle Zahlungen sind zu leisten an den Geistigen Nationalrat der Deutschen Bahá’i e. V., Stuttgart, Alexanderstraße 3 (dessen Postscheckkonto Nr. 19340 Amt Stuttgart). — Druck von J. Fink, Hofbuchdruckerei, Stuttgart.


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Geschichte und Bedeutung der Bahá’i-Lehre[Bearbeiten]

Die Bahá’i-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.

Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahá’i-Bewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahá’i-Religion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahá’i (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahá’i der Welt.

Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahá’i, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China usw. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.

In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht, sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).

Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (größtes heiliges Buch), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.

Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheitssprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.

Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, Seite 66.)


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Bahá’u’lláh

Verborgene Worte.. Worte der Weisheit und Gebete. Geschrieben während seiner Verbannung in Bagdad 1857/58 . . . kart. —.80

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Frohe Botschaften. Worte des Paradieses, Tablet Tarasat (Schmuck), Tablet Taschalliat (Lichtstrahlen), Tablet Ischrakat (Glanz). Mahnrufe und Anweisungen an die Völker der Erde . . gebunden 2.00

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Buch der Gewißheit oder Kitábu’l-Iqán. Eine Auseinandersetzung mit theologischen Fragen verschiedener Religionen, geschrieben in Bagdad um 1862. Ist fortsetzungsweise in den beiden Jahrgängen X und XI unserer Zeitschrift „Sonne der Wahrheit“ enthalten.

Jahrgang gebunden je 6.--


'Abdu'l-Bahá Abbas

Ansprachen in Paris. ‘Abdu’l-Bahá spricht hier über zahlreiche Fragen, nach deren Klärung die Völker der Erde suchen.

gebunden 2.--

Beantwortete Fragen. Erklärungen zu christlichen und islamischen Fragen, Behandlung allgemeiner weltanschaulicher Probleme . . . . . . Ganzleinen 2.50

Sendschreiben an die Haager Friedenskonferenz 1919 . . . . . --.20


Sonstiges

Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, Einführung in die Gedankenwelt der Bahá’i-Lehre von einem orientalischen Gelehrten. Von Mirza Abul Fazl . . . . . gebunden 2.--

Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter. ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont. Ganzleinen 2.50

'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. . . . . .gebunden 2.--

Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase. . . . . . . kart. 2.--

Am Morgen einer neuen Zeit. Untersuchung der geistigen Ursachen der Weltkrise und Beleuchtung der letzthin einzigen Möglichkeit ihrer Überwindung durch die Bahá’i-Lehre. Von Dr. Hermann Großmann . . . . . kart. 1.80

Ganzleinen 2.50

Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit. Von Dr. jur. H. Dreyfus . . . -.30

Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás, ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") . . . -.30

Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey . . . . —.30

Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahá’i-Lehre von Dr. Hermann Grossmann . . . . —.20

Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Grossmann . . . . —.20

Sonne der Wahrheit. Bahá'i-Monatszeitschrift.

Jahrgang III - IX gebunden je 3.--
Jahrgang X - XII gebunden je 6.--