Sonne der Wahrheit/Jahrgang 13/Heft 12/Text

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SONNE

DER

WAHRHEIT
 
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI
 
HEFT 12 13. JAHRGANG FEBR. 1934
 


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Die Bahá’i-Lehre,[Bearbeiten]

die Lehre Bahá’u’lláhs erkennt in der Religion die höchste und reinste Quelle allen sittlichen Lebens.

Die Ausdrucksformen des religiösen Lebens des Einzelnen, ganzer Völker und Kulturkreise haben im Laufe der Geschichte entsprechend den jeweils anderen Verhältnissen und dem Wachstum des menschlichen Erkenntnisvermögens Wandlungen erfahren. Die äußeren Gesetze und Gebote aller Weltreligionen entsprachen immer den entwicklungsgeschichtlich gegebenen Erfordernissen in bezug auf den Einzelnen, die soziale Ordnung und das Verhältnis zwischen den Völkern. Alle Religionen beruhen aber auf einer gemeinsamen, geistigen Grundlage. „Diese Grundlage muß notwendigerweise die Wahrheit sein und kann nur eine Einheit, nicht eine Mehrheit bilden.“ ('Abdu'l-Bahá.) „Die Sonne der Wahrheit ist das Wort Gottes, von dem die Erziehung der Menschen im Reich der Gedanken abhängig ist.“ (Bahá’u’lláh.) Alle großen Religionsstifter waren Verkünder des Wortes Gottes entsprechend der Fassungskraft und Entwicklungsstufe der Menschen. Das Wesen der Religion liegt darin, im Bewußtwerden der Abhängigkeit des Menschen von der Wirklichkeit Gottes Seine Offenbarer anzuerkennen und nach Seinen durch sie übermittelten Geboten zu leben.

Die Bahá’i-Lehre bestätigt und vertieft den unverfälschten und unwandelbaren Sinn und Gehalt aller Religionen von neuem und zeigt darüber hinaus die kommende Weltordnung auf, welche die geistige Einheit der Menschheit zur Voraussetzung haben wird. Die in ihr zum Ausdruck kommende Weltanschauung steht mit den Errungenschaften der Wissenschaft ausdrücklich in Einklang.

Die Lehre Bahá’u’lláhs enthält geistige Grundsätze und Richtlinien für eine harmonische Gesellschafts-, Staats- und Wirtschaftsordnung. Sie beruhen auf dem Gedanken der natürlich gewachsenen, organischen Einheit jedes Volkes und der das Völkische übergreifenden geistigen Einheit der Menschheit. Den Interessen der Volksgemeinschaft sind die Sonderinteressen des Einzelnen unterzuordnen, denn nur die Gesamtwohlfahrt verbürgt auch das Wohl des Einzelnen.

Wie jede Religion, so wendet sich auch die Bahá’i-Lehre an die Herzensgesinnung des Menschen, um die religiösen Kräfte in den Dienst wahren Menschentums zu stellen. Sie erstrebt die Höherentwicklung der Menschheit mehr durch die Selbsterziehung des Einzelnen als durch äußerlich-organisatorische Maßnahmen. Der Bahá’i hat sich daher über seine ernst aufgefaßten staatsbürgerlichen Pflichten hinaus nicht in die Politik einzumischen, sondern sich zum Träger der Ordnung und des Friedens im menschlichen Gemeinschaftsleben zu erheben. Bahá’u’lláhs Worte sind: „Es ist euch zur Pflicht gemacht, euch allen gerechten Regenten ergeben zu zeigen und jedem gerechten König eure Treue zu beweisen. Dienet den Herrschern der Welt mit der höchsten Wahrhaftigkeit und Treue. Zeiget ihnen Gehorsam und seid ihre wohlwollenden Freunde. Mischt euch nicht ohne ihre Erlaubnis und Zulassung in politische Dinge ein, denn Untreue gegenüber dem Herrscher ist Untreue gegenüber Gott selbst.“

Bahá’u’lláh weist den Weg zu einer befriedeten, im Geiste geeinigten Menschheit. Ein alle Staaten umfassender Bund in ihrer Eigenart entwickelter und unabhängiger Völker auf der Grundlage der Gleichberechtigung, ausgestattet mit völkerrechtlichen Vollmachten und Vollstreckungsgewalten gegenüber Friedensstörern, soll die übernationalen Interessen aller Völker der Erde in völliger Unparteilichkeit und höchster Verantwortung wahrnehmen. Zwischenstaatliche Konflikte sind durch einen von allen Staaten beschickten Weltschiedsgerichtshof auf friedlichem Wege beizulegen.

Die geistige Wesensgleichheit aller Menschen und Völker erheischt einen organischen Aufbau der sozialen Weltordnung, in der jedem seine einzigartige, besondere Eingliederung und Aufgabe zugewiesen ist. Die geographischen, biologischen und geschichtlichen Gegebenheiten bedürfen im Gemeinschaftsleben der Völker immer einer besonderen Beachtung, ohne die sie umschließende Einheit im Reiche des Geistes aus den Augen zu verlieren.

Die Lehre Bahá’u’lláhs „ist in ihrem Ursprung göttlich, in ihren Zielen allumfassend, in ihrem Ausblick weit, in ihrer Methode wissenschaftlich, in ihren Grundsätzen menschendienend und von kraftvollem Einfluß auf die Herzen und Gemüter der Menschen“.


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SONNE DER WAHRHEIT
Organ der deutschen Bahá’i
Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3
Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark
Heft 12 Stuttgart, im Februar 1934
Mulk — Oberherrschaft 90
13. Jahrgang

Inhalt: „Lauh i hikmat“ – Abhandlung über die Weisheit. — Bericht über eine frühe Pilgerreise aus dem Jahr 1898. — Inhaltsübersicht für das Jahr 1933/34.


O Sohn des Geistes! Wisse: der Mensch, der die anderen zur Gerechtigkeit ruft und selbst sündhaft ist, ist nicht von Mir, auch dann nicht, wenn er Meinen Namen trägt.

Bahá’u’lláh.



„Lauh i hikmat“ – Abhandlung über die Weisheit*)[Bearbeiten]

Übertragung aus der französischen Übersetzung des Dr. Hippolyte Dreyfus und Mirza Habib’u’lláh Chirazi, Les Paroles Cachées, Edition Ernest Leroux, Paris, 1905


*) Die wörtlich nachgeschriebenen Ausführungen 'Abdu'l-Bahás über die Weltschöpfung (s. „Sonne der Wahrheit“ Jahrgang I, Heft 1 und 2) enthalten folgenden Hinweis auf die vorliegende Abhandlung: „Die Gesegnete Vollkommenheit, Bahá’u’lláh, hat im Jahre 1891 für seinen Jünger Mohammed Nabil in Baghdád die Schöpfungsgeschichte in der religiös-philosophischen Schrift „Lauh i hikmat“ zusammengestellt. Bahá’u’lláh fing schon im Jahre 1869, kurz nach dem Märtyrertod des Badi, der ein Sendschreiben Bahá’u’lláhs an Schah Nasreddin überbrachte und deshalb grausam hingerichtet wurde, mit der Abfassung dieser Schrift an; Nabil erhielt sie jedoch erst 1891. Unser großer französischer Bahá’i, Mr. Dreyfus, hat sie ins Französische übersetzt und wird sie unter dem Titel „Sur la sagesse" herausgeben. — Nabil ist ein sehr getreuer und verständnisvoller Anhänger und Jünger Bahá’u’lláhs gewesen. Schon in Baghdád (1852-1864) war er unter den Bevorzugten, welche von Bahá’u’lláh Unterricht in Theologie und Philosophie erhielten. — In dieser bedeutenden Schrift „Lauh i hikmat“ zeigt die Gesegnete Vollkommenheit, Bahá’u’lláh, wie die philosophische Lehre von der Ewigkeit der Welt aufzufassen ist und wie sie sich zu dem prophetischen Schöpfungsbericht in den Heiligen Schriften verhält.“



Im Namen Gottes, des Schöpfers, des Allwissenden, des Weisen!

Diese Schrift ist herabgekommen aus der Welt der Worte des Barmherzigen, um jedem erschaffenen Wesen den Geist des Lebens zu verleihen. Gepriesen sei Gott, der Herr über alles, was da ist!

Diese Zeilen wenden sich an den, der seinen Herrn verkündet: wahrlich, es ist jener, der im Buche Gottes den Namen Nabil1) trägt.

Vernimm du, o Mohammed, die Stimme, die aus den Regionen der Herrlichkeit und aus dem in Zafrans Erde2) gewachsenen Baume kommt, und die da verkündet: „Es gibt keinen anderen Gott als Mich, den Allwissenden, den Weisen!“

Dem sanften Wehen gleich, das der Barmherzige über alle Bäume der erschaffenen Welt hinstreichen läßt, sollst du alle Menschen lehren im Namen deines Herrn, des Gerechten, des Wissenden. Wir wollen zu dir in einer Sprache reden, deren sich alle entsinnen, damit sie auf ihre Besitztümer verzichten und sich Gott, dem Herrn der Gläubigen, zuwenden können. Wahrlich, Wir wenden Uns an die Menschen in diesen Tagen, da das Antlitz der Gerechtigkeit von Staub verhüllt ward, während das Gesicht der Unwissenheit strahlend geworden ist, da der Geist öffentlich verhöhnt wird, da es keine Ruhe und Rechtschaffenheit mehr gibt, während Trübsale und Plagen kein Ende mehr nehmen, da die Verträge verletzt und die Eide gebrochen werden. Keiner kann das, was ihn zum Sehen bringt, von dem unterscheiden, was ihn blind macht, noch das, was ihn irreleitet, von dem, was Führung für ihn ist!

[Seite 114] Sag den Menschen: „O Völker, fliehet das Laster und strebt nach der Tugend! Seid vollendete Beispiele, ein Bild, an das sich ein jeder erinnere! Wer in der Sache Gottes nützlich sein will, muß ein Weiser sein und nach Kräften die Unwissenheit in der Menschenwelt zu vertreiben suchen.“

Sprich: „Stimmt in euren Reden überein und seid einig in euren Meinungen! Eure Morgen seien besser, als eure Abende waren, eure nächsten Tage besser als die vorhergegangenen. Geleistete Dienste und vollkommenes Wissen sind es, die den Menschen erhöhen, nicht Amtstracht, Glücksgüter und Reichtümer. Führt keine ungerechten oder nichtigen Reden; vollbringt keine zweifelhaften oder heuchlerischen Handlungen!“

Sprich: „Vergeudet nicht in üblen Leidenschaften die Kräfte eurer kostbaren Leben und geht nicht auf euren alleinigen Vorteil aus! Gebt, wenn ihr habt, und seid geduldig, wenn ihr nichts habt, denn es herrscht nicht der geringste Zweifel darüber, daß auf Armut Wohlstand, auf Unruhe Ruhe folgt. Meidet Trägheit und Müßiggang und beschäftigt euch mit dem, was die Lage der Menschen, der Großen wie der Kleinen, der Greise wie der Witwen, verbessert!“

Sprich: „Hütet euch, den Samen der Zwietracht unter die Menschen zu streuen und in die Herzen das Dornwerk des Zweifels und Argwohns einzupflanzen! Oh, seid gottgläubig und begeht nichts, was Gefahr läuft, die Klarheit des reinen Salsabil3) der Liebe zu trüben und die Wohlgerüche der Freundschaft zu verwehen! Bei Meinem Leben! ihr wurdet für die Liebe und das Wohlwollen erschaffen, nicht für den Haß und den Hochmut! In der Selbstliebe liegt für euch keinerlei Verdienst: nur aus der Liebe zu Euresgleichen wird euch Ruhm erstehen. Die Gnade gilt nicht dem, der sein Vaterland allein liebt, sondern dem, der die ganze Menschheit liebt.

Eure Augen seien keusch, eure Hand rechtschaffen, eure Zunge lauter, euer Herz dankbar! Lästert jene nicht, die in die Herrlichkeit4) erhoben sind, und verleumdet nicht die, so euch gerecht regieren! Die Gerechtigkeit sei eure Streitmacht und eure Waffenrüstung der Verstand, und übet ständig Nachsicht, Barmherzigkeit und Güte gegenüber den Völkern der Annäherung!“

Bei Meinem Leben! Die Leiden, von denen du mir berichtet hast, verursachen mir großen Schmerz. Doch bleib nicht stehen bei den Menschen und ihrem Tun, sondern blick allein auf Gott und auf Sein Königreich! Wahrlich, Er wird deiner gedenken in dem, was seit Urbeginn das Glück der Welt verursacht hat.

Trink den reinen Kawther5) der Freude aus dem Kelche der Erklärungen der Manifestation Gottes, die an dich denkt in der Tiefe dieser uneinnehmbaren Festung6).

Spar keine Mühe, um die Wahrheit auf dem Wege der Erklärung weise zu verbreiten und den Irrtum aus den Reihen der Geschöpfe zu vertreiben. Also lautet die Weisung, die die Manifestation des Wissens von diesem strahlenden Horizonte aus an dich richtet.

O du, der du Meinen Namen verkündest, betrachte, was die Menschen an Meinem Tage vollbracht haben! Ich habe einem der Emire geoffenbart, was kein Lebewesen ihm hätte sagen können, und habe ihn gebeten, mich den Gelehrten von heute gegenüberzustellen, um den Nachweis Gottes, Seinen Beweis, Seine Größe und Macht für ihn klar erkennbar zu machen7). Damit tat ich, was dem Guten diente; er aber vollbrachte wahrhaftig die Tat, über die die Bewohner der Lande der Gerechtigkeit und Billigkeit noch wehklagen. Seitdem hatte ich nichts mehr mit ihm zu schaffen. Wahrlich, dein Herr ist der höchste Richter, der Unfehlbare!

Wie konnte bei solcher Sachlage der göttliche Vogel in die Atmosphäre der Erklärungen auffliegen, nachdem erst seine Flügel von den Steinen der Verdächtigungen und des Hasses zerschlagen und er in einen Käfig in glattem Fels gesperrt worden war? Bei Gott, die Völker sind gefühllose Unterdrücker!

Was deine Frage wegen des Ursprungs der Schöpfung anlangt, so wisse, daß dies ein Punkt ist, der sich je nach der Intelligenz- und Bildungsstufe der Menschen verschieden erklärt. Wenn du sagst: „die Welt war immer da und wird immer da sein“, so stimmt dies. Liesest du die Zeilen der Heiligen Schriften nach, so wird es nichts auszusetzen geben, denn es ist das Wort Gottes, des Herrn der Welten.

„Gott war ein verborgener Schatz“ ist eine so hohe Vorstellung, daß keine Auslegung oder nähere Bezeichnung sie verständlich machen kann8). Der Begriff „Ich wünschte erkannt zu werden“, enthält die Wahrheit, daß der Schöpfer und unter Seiner Hut zugleich die Schöpfung seit dem Anfang, der nie einen Anfang hatte, vorhanden waren. Aber der Vorrang9) Gottes liegt jenseits unserer Fassungskraft und die (große) Grundursache10) ist den Gelehrtesten unbekannt. [Seite 115]

Alles, was da ist, war schon immer da, wird aber nicht immer in der Gestalt verbleiben, in der du es heute siehst. Die Welten sind gebildet worden durch die (große) Kraft, die ausströmt aus dem Widerspiel der aktiven und passiven Prinzipien; obgleich diese Welten dieselben sind, wandeln sie sich ständig. Also spricht der größte Lehrmeister zu dir aus diesen Festungswerken.

Wahrlich, die beiden Prinzipien wurden durch das unwiderstehliche Wort11) Gottes erschaffen, das der Schöpfung eigentliche Ursache ist, außer der alles eine Ursache hat. Wisse also, daß das Wort Gottes (Er sei gepriesen und verherrlicht!) das Erkenntnisvermögen unserer Sinne um vieles überragt, denn es gehört keiner Naturordnung, keiner Wesenheit an. Im Gegenteil, es ist rein von jedem bekannten Element und von den erhabensten Prinzipien, die wir kennen. Und wahrlich, um es zu offenbaren, brauchte Gott keinen Ausspruch12) zu tun, kein Wort13) zu äußern. Es ist der Befehl Gottes, des Beschützers aller Welten.

Wahrlich, es besteht kein Unterschied zwischen dem Wort Gottes und der Welt. Es ist Seine höchste, Seine überfließende Güte, die größte Reichtumsquelle. Es ist das Sein, das rein ist von allem, was ist und war. Und Wir legen wahrhaftig keinen Wert darauf, auf nähere Einzelheiten einzugehen, denn die Widersacher horchen auf Uns und suchen nach Einwänden gegenüber Gott, dem Beschützer, dem Ewigen.

Da sie die Geheimnisse der Weisheit und des Wissens und alles, was die Manifestationen des Lichtes der Einheit zutage gefördert haben, nicht begreifen, schimpfen und streiten sie nur. Aber es muß dabei erwähnt werden, daß ihre Einwände nur das berühren, was sie wissen, und nicht das, was von Gott, dem Kenner des Sichtbaren und des Unsichtbaren, verkündet und geweissagt ward. Alle ihre Einwände werden sich gegen sie kehren, aber — bei deinem Leben! — sie verstehen dies nicht.

Es kann nicht bestritten werden, daß alles einen Ursprung hat, wie jedes Bauwerk einen Baumeister. Es ist die Grundursache, die den ganzen Glanz der Vorzeit zum Schmucke hat, obgleich sie der Erneuerung unterworfen ist, denn die Schöpfung geht unaufhörlich weiter. Ruhm dem Weisen, der dieses große und erhabene Bauwerk geschaffen!

Betrachte die Welt und prüfe sie aufmerksam: sie wird dich ihr eigenes Buch lesen lassen, in das dein Herr, der Schöpfer, der Wissende, mit Seiner eigenen Feder geschrieben hat. Sie wird dir alles sagen, was da ist, und dir Erklärungen geben, die dir gestatten werden, die beredtesten Lehrmeister missen zu können.

Sprich: „Die Natur mit all ihrem Inhalt ist nur die Offenbarung Meines Namens: der Schöpfer; und wenn diese verschiedenen Offenbarungen aus gewissen Ursachen heraus voneinander abweichen, so ist diese Verschiedenheit selbst ein Zeichen für den, der begreifen kann. Die Natur ist nichts anderes als der Wille Gottes, geoffenbart in der wahrnehmbaren Welt. Wahrlich, es handelt sich dabei um die Vorherbestimmung Dessen, Der alles im voraus weiß. Wenn man sagt, daß die Natur den in der erschaffenen Welt geoffenbarten Urwillen Gottes darstellt, dann gibt es nichts einzuwenden, und es liegt darin eine vorausbestimmte höhere Macht, die in Wirklichkeit zu begreifen die ganze Welt unfähig ist.“

Wahrlich, die ein klares Schauen besitzen, können darin nichts anderes erblicken als die Verklärung Meines Namens: der Schöpfer. Sprich: „Es ist ein Zustand, der nie der Verwesung unterworfen ist; die Natur selbst steht in Entzücken vor seiner Erscheinung, seinen Beweisen, seiner Pracht, die über die ganze Welt verbreitet sind. Schaut weder auf die Vergangenheit noch auf die Zukunft, sondern sprecht von diesem Tage und von dem, was erschienen ist, und wahrhaftig, dies ist ausreichend für die ganze Welt.“ Wahrlich, alle Erklärungen, alle Auslassungen über dergleichen Gegenstände würden die Menschen nur frieren machen. Daher ist es von Wichtigkeit an diesem Tage, nur das zu sagen, was die Herzen entflammen und jenen Flügel verleihen kann, die vorwärts eilen.

Wer heute an diese Neue Schöpfung glaubt und Gott, den Allerhöchsten, als deren Hüter und Beschützer betrachtet, gehört — Ich schwöre es — zu denen, die zu sehen vermögen in dieser Erhabenen Schau; und alle Gläubigen sowie alle jene, die mit Unterscheidungsvermögen begabt sind, sind Zeuge dafür. Durcheile die Welt vermöge der Macht des Größten Namens, auf daß du schauest die Geheimnisse der Präexistenz und verstehest, was keiner versteht! Wahrlich, dein Herr ist die Stütze, der Weise, der Allwissende. Wie eine Arterie das Blut im Körper der erschaffenen Welt in Lauf versetzen würde, so belebe die Wärme deiner Kraftentfaltung das Herz der Zögernden!

Du hast dich Mir angeschlossen, du hast die Sonnen am Himmel Meiner Weisheit und die Wellen des Meeres Meiner Worte erkennen können, da mich noch siebenzig tausend Schranken vom Lichte trennten14). Wahrlich, dein Herr ist der Getreue, der Vollkommene. Gesegnet, wer [Seite 116] zu der über die Ufer dieses Meeres tretenden Güte gelangt in den Tagen seines Herrn, des Gütigen, des Weisen! Als wir im Iraq waren, in der Behausung dessen, den man El-Majid nennt, habe Ich dich die Geheimnisse der Schöpfung, ihren Ursprung, ihr Ende, ihre Ursachen gelehrt. Aber als Ich jene Wohnung verließ, beschränkte Ich Mich auf die Worte: „Wahrlich, es gibt keinen anderen Gott als Mich, den Barmherzigen, den Großmütigen!“

Verbreite die Sache Gottes mit solcher Beredsamkeit, daß deine Worte die Bäume in Flammen versetzen15) zur Verkündigung: „Wahrlich, es gibt keinen anderen Gott als Mich, den Mächtigen, den Unverletzbaren!“ Sprich: „Das Reden ist eine Kunst, zu der zwei Dinge notwendig sind: der Einfluß und ein vollkommenes Gleichgewicht.“

Der Einfluß steht bei der Güte, und die Güte ist das Eigentum dessen, der ein reines und wunschloses Herz hat; das Gleichgewicht wird man bei dem antreffen, der von den Prinzipien der Weisheit durchdrungen ist, die Ich in den Abhandlungen und Tablets aufgezeigt habe. Sinne nach über das, was vom Himmel des Willens deines Herrn, des Freigebigen, herabgestiegen ist, und du wirst die Bedeutungen verstehen, die Wir in die Tiefen der Verse gelegt haben.

Wahrlich, die von Gott nichts wissen wollen und sich allein an die Natur halten, denen fehlt zugleich Wissen und Weisheit: sie haben nie die erhabene Stufe noch die höchste Sehnsucht erlangt; daher kommt es, daß ihre Augen verschlossen sind und die Uneinigkeit unter ihnen regiert. Und dabei haben die großen unter den Völkern Gott immer anerkannt und sich zu Seinem Königreich bekannt: dein Herr, der Beschützer, der Ewige ist dafür Zeuge.

Im Orient hinwiederum hielten sich die Menschen, als sie an den Wohltaten der westlichen Zivilisation reichlich Geschmack zu finden begannen, an die Früchte dieser Zivilisation und hatten kein Auge mehr für den Urgrund und den Ursprung. Jedoch muß man anerkennen, daß die Morgenröten und die Juwelen der Weisheit16) nie den Urheber, den Werkherrn, den Schöpfer geleugnet haben. Wahrlich, dein Gott weiß es, aber die Mehrzahl der Menschen weiß es nicht!

Um der Liebe Gottes willen wird es gut sein, im Verlauf dieser Zeilen auf einige der Worte von Weisen zurückzugreifen, die dazu dienen werden, die Augen der Menschen zu öffnen; sie werden Sicherheit darüber erlangen, daß Er der Schöpfer, der Mächtige, der Ursprung, der Erzeuger, der Allwissende, der Weise ist. Ohne den beträchtlichen Anteil an der Entwicklung der Wissenschaften und Künste, der auf die Gelehrten unserer Zeit entfällt, herabwürdigen zu wollen: sehen wir uns die Dinge aus der Nähe an, dann werden wir erkennen, daß uns fast alles von den Alten überkommen ist. Ihnen ist es in der Tat zu danken, daß die festen Grundlagen der Wissenschaft gelegt und damit der Bau auf dauerhafter Grundlage erleichtert wurde. — Also erklärt es dir dein Herr, der Altvater. — Ich gehe noch weiter: die Gelehrten des Altertums haben ihr Wissen von den Propheten, die die Morgenröten der göttlichen Weisheit waren und die Offenbarungen der himmlischen Geheimnisse.

Es gab Menschen, die den reinen und klaren Wein der Prophetenworte zu kosten verstanden, während andere nur die Hefe davon besaßen, weil jeder nach seinem Maße davon empfing. Wahrlich, Er ist der Gerechte, der Weise!

Empedokles, ein berühmter Philosoph, lebte zur Zeit Davids. Pythagoras war Zeitgenosse Salomons, des Sohnes Davids. Beide empfingen die Weisheit von der (großen) Quelle der Prophetenschaft: erhob nicht Pythagoras den Anspruch, alle Verlautbarungen der Welten erfaßt zu haben, womit er die Stufe der Engel erreicht hat? Also vermag dein Herr durch Seinen Willen alles zu erklären, denn Er ist der Allwissende, Dem keiner gleichkommt! Die Begründer und die Quelle der Weisheit waren in Wirklichkeit die Propheten selbst; aber ihre Erklärungen waren dauernd verschieden, je nach dem Begriffsvermögen und Vernunftsgrad ihrer Zeitgenossen.

Ich will dich an die Geschichte jenes Propheten erinnern, der die Menschen lehrte, was ihm durch den Allmächtigen geoffenbart ward: wahrlich, Er ist der Eingebende, der Mächtige, der Erhabene! Als die Quellen der Weisheit und Beredsamkeit aus seinen Erklärungen sprangen und seine Zuhörer von dem Weine seiner Worte des Wissens berauscht wurden, rief er aus: „Jetzt sind wir vom Geiste übermannt!“ Einige aus dem Volke, die diese Worte gehört und sie in ihrer Weise ausgelegt hatten, indem sie nämlich behaupteten, daß der Geist sich in sie allein ergossen habe, machten sich an den Versuch, dies zu beweisen, und es gelang ihnen, Schüler zu bekommen. Es würde zu weit führen, ihre Namen anzugeben, und wollten wir auf die Einzelheiten der Ereignisse um sie näher eingehen, dann würde es uns von unserem Thema abbringen. Und wahrlich, dein Herr ist der Weise und weiß alles.

Dagegen hatten von diesen Menschen andere den versiegelten Wein zu trinken vermocht, der [Seite 117] von den Lippen der Offenbarung der Zeichen deines Herrn, des Mächtigen, des Gütigen floß.

Sprich: „Die Philosophen haben nie den Altehrwürdigen geleugnet: im Gegenteil, die meisten von ihnen sind gestorben mit dem Verlangen, Ihn so gut zu kennen, wie es leicht ist, Ihn zu beweisen.“ Sieh auf Hippokrates: das war einer der größten Philosophen; er glaubte an Gott und verneigte sich vor Seiner Macht. Nach ihm kam Sokrates, der Weise, der Tugendhafte, der Fromme. Er weihte sein Leben der Entwicklung der Geistigkeit, indem er sich jede Art Leidenschaft oder Begierde versagte: unter Verzicht auf die Lockungen der Welt zog er sich in eine Grotte im entlegensten Teil eines Gebirges zurück. Er verbot den Menschen die Götzenverehrung. Er lehrte sie die Wege des Barmherzigen so trefflich, daß er eines Tages von den Unwissenden überfallen wurde, die sich seiner bemächtigten und ihn ins Gefängnis brachten. Also schreibt für dich Meine flinke Feder: welch durchdringende Schau besaß er auf dem Gebiete der Philosophie! Wahrlich, das war ein Meister, ein großer Weiser!

Ich bestätige in der Tat, daß er in besonderem Maße der Ritter der Weisheit war, und ihr bester Diener, da er alle Grade der Wissenschaft seiner Zeit gründlich beherrschte, und sogar noch mehr! Er hatte einen Tropfen aus dem großen Meere des Wissens aufzufangen vermocht, das heute in diesen reinen und strahlenden Kawther überläuft. Er hatte das sich selbst immer gleich bleibende spezifische Etwas erfassen können, das die Welt beherrscht und in der Ordnung der Dinge das ist, was in erster Linie dem Geiste beim Menschen entspricht; er besaß für diese übersinnlichen Fragen Erklärungen, die die Weisen von heute nicht mehr verstehen könnten.

Wahrlich, dein Herr spricht wahr: aber die Mehrzahl begreift nicht!

Nach Sokrates kam der göttliche Plato, sein Jünger und Nachfolger auf dem Stuhle der Weisheit. Er verkündete seinen Glauben an Gott und Seine Zeichen, die Hüter dessen, was war und ist.

Dann kam Aristoteles, der berühmte Weise, der die Theorie von der Bewegung entdeckte. Alle waren Häupter oder Führer für das Volk, und alle anerkannten den alten Gott, der die Zügel der Wissenschaft in Händen hält.

Ich will dich gleicherweise an die Aussprüche des Apollonius erinnern, der in seiner Naturgeschichte die Lehren des Vaters der Weisheit (Sokrates) über die Geheimnisse der Schöpfung festgehalten hat. So wird nun jeder glauben, was Ich dir in diesem bedeutenden Tablet gesagt habe, das, würde es von gerechten und erfahrenen Händen ausgepreßt, den Geist des Lebens fließen ließe, der alle Völker der Erde von neuem belebte. Gesegnet, wer in diesem Meere schwimmt und seinen Herrn, den Mächtigen, den Geliebten preist!

Wahrlich, die Wohlgerüche der Offenbarung sind in den Versen deines Herrn so sehr verbreitet, daß der allein sie nicht wahrzunehmen vermöchte, der des Gehörs, des Gesichts, der Vernunft und jedes guten Sinnes beraubt ist. Dein Herr ist Zeuge dessen, aber die Menschen verstehen und begreifen nicht.

Er sagte einmal: „Ich bin Apollonius der Weise, der Talismane besitzt und Wunder tut.“ Und er verlieh in der Tat den Künsten und der Wissenschaft einen bis dahin unbekannten Aufschwung und erklomm dabei gleichzeitig die Höhen der Demut und des Bittens.

Höre, wie er zum Unabhängigen, zum Erhabenen betete: „Ich erhebe mich in den Händen meines Herrn zur Verkündigung Seiner Gunst- und Gütebeweise, und ich nenne Ihn bei den Namen, die Er sich gegeben, auf daß ich die Barmherzigkeit sei und die Führung für jene, die meine Worte annehmen.“

Und noch weiter: „O Herr, Du bist Gott, und es gibt keinen anderen solchen denn Dich! Du bist der Schöpfer, der einzige Schöpfer! Stärke mich und hilf mir, denn mein Herz zittert, meine Beine schwanken, mein Geist wird schwer und mein Verstand versagt. Auch befähige mich dazu, daß meine Zunge die Sprache der Weisheit zu reden vermag. Du bist der Allwissende, der Weise, der Altehrwürdige, der Mitleidige!“ Wahrlich, dieser Weise hatte die Geheimnisse der Schöpfung verstanden und die in den Schriften des Hermes verborgenen Zeichen und Wunder zu entdecken vermocht.

Wahrlich, es ziemt sich nicht, mehr darüber zu sagen, und ich will mich darauf beschränken, das zu wiederholen, was der Geist mein Herz gelehrt: „Es gibt keinen anderen Gott als Ihn, den Allwissenden, den Mächtigen, den Beschützer, den Gepriesenen!“

Bei meinem Leben! An diesem Tage will der Lotus der Welt nur sagen: „Es gibt keinen anderen Gott als Mich, den Unvergleichlichen, den Wohlunterrichteten!“ Nur Meine Liebe zu dir läßt Mich also zu dir reden; entnimm daraus den Wert deines Ranges; bewahre ihn wie deine Augäpfel und sei dankbar!

Du weißt doch, daß Ich nie die Bücher der Menschen gelesen noch das erlernt habe, was sie an Wissenschaft besitzen! Und wenn Ich mit dir über das reden will, was die Gelehrten und die Weisen angeht, sei es in der Natur oder in den Büchern, so wird alles in einem klaren Tablet vor den Augen deines Herrn offenbar. So sehe Ich und schreibe Ich. Wahrlich, das Wissen [Seite 118] deines Herrn umfaßt Himmel und Erde. Und in dieses Tablet ist von geheimnisvoller Feder die Wissenschaft niedergelegt von dem, was gewesen ist und noch ist, und was keine andere Zunge zu erklären vermöchte.

Mein Herz aber hat Gott wahrhaftig von allen Vorstellungen der Menschen befreit und es über alle Grundsätze der Weisen erhoben. Wahrlich, es spricht nur Gott allein, und die erhabene Zunge zeugt dafür in dieser Schrift!

Sprich: „O Völker der Erde, seid auf eurer Hut, daß selbst die Beredsamkeit der Weisen euch nicht von den Quellen und Morgenröten der Weisheit fernhalte! Gebt euch eurem Herrn hin, dem Meister, dem Weisen!“ Wahrlich, Wir haben für jedes Land eine Zukunft vorbehalten, für jede Stunde ein Schicksal, für jede Erklärung einen Zeitpunkt und für jeden Augenblick ein Wort. Betrachte den Fall Griechenland: wahrlich, Jahrhunderte lang haben Wir es zum Sitze der Weisheit gemacht; aber als die Zeit seines Endes gekommen war, wurde sein erhabener Sitz eingeebnet, seine Zunge stumm, seine Lampe ausgelöscht und seine Flagge gestrichen. Also geben Wir und entziehen Wir. Wahrlich, dein Herr nimmt und gibt, Er ist der Allmächtige!

Wir haben jedem Lande den Schutz der Sonne des Wissens anvertraut, und wenn der Zeitpunkt gekommen sein wird, wird sie an jedem Horizonte auf Befehl Gottes, des Allwissenden, des Weisen, erscheinen. Wir könnten dir so alle Länder der Erde aufzählen und dir kundtun, was sich daselbst zugetragen hat, denn das Wissen deines Herrn erstreckt sich auf Himmel und Erde. Wisse, daß die Alten Dinge entdeckt hatten, die die Menschen der Neuzeit nie aufzufinden vermocht haben. So gab es einen gewissen Martos, der ein Instrument erfunden hatte, das den Schall auf eine Entfernung von sechzig Meilen zu senden vermochte.

Andere hatten Wunderdinge entdeckt, die die Menschen von heute nie gesehen haben. So läßt der Herr in jedem Zeitalter erscheinen, was Er will, und dies ist das Geheimnis Seiner Weisheit. Denn Er ist der Unübertreffliche, der Weise!

Der wirkliche Philosoph wird Gott nie leugnen, ebenso wenig wie Seine Beweise; im Gegenteil, er wird Seine Größe und Machtvollkommenheit anerkennen, die unsere beste Zuflucht sind gegenüber der ganzen Welt. Wir lieben die Gelehrten, die das Los der Völker verbessert haben, und Wir erheben sie in Unserer Allmacht sehr hoch. Hütet euch also, Meine Freunde, den Wert Meiner gelehrten Diener anzutasten: Gott hat sie in der Welt zu den Morgenröten Seines Namens „der Schöpfer“ gemacht. Bemüht euch im Gegenteil aus allen euren Kräften, die Künste zu entfalten und alles, was die Lage der Jugend und des Alters zu verbessern vermag.

Wahrlich, Wir verachten die Narren und die Unwissenden, die denken, die Weisheit bestehe darin, daß man den Begierden und Leidenschaften huldigt oder sich von Gott, dem Herrn der Welten, abwendet, denn sie reden wie Ungläubige. Sprich: „Die Quelle des Wissens und der Weisheit, ihr Ursprung ist, anzuerkennen und zu bekennen, was Gott hat offenbar werden lassen, denn es gibt kein anderes Fundament für die Gemeinschaft, die gleichsam zu einem Panzerhemd geworden ist für den Schutz des Körpers der Welt.“ Denke darüber nach, auf daß du das verstehen mögest, was Meine glorreiche Feder in dieses große Tablet niedergelegt hat. Tu den Völkern kund: „Die Lösung aller sozialen Fragen, um die ihr euch Sorgen macht, liegt in einem einzigen Worte17) in der Reihe der göttlichen Worte17), das geoffenbart ist durch die Macht des kraftvollen und unvergleichlichen Wortes18).

Mögen diese Zeilen dein Herz erfreuen und deine Augen trösten und — erhebe dich mit Entschlossenheit zum Dienste an der (großen) Sache unter den Völkern der Welt!

O Mein Nabil, betrübe dich über nichts, freu dich Meiner Worte, Meines Gedenkens, Meiner liebevollen Sorge um dich und über diese Unterhaltung mit dir. Denk an Meine Qualen, Meine Gefangenschaft, Meine Verbannung, an all das, was Ich ertragen habe, an die Verleumdungen, die Ich auf Mich genommen! Wahrlich, die Menschen befinden sich in dunkler Nacht! Aber wozu noch mehr von diesen schrecklichen Dingen reden? Die Lampe der Erklärung ist davon in Zukunft ausgelöscht. El Bahá sei mit euch, Völker der Weisheit und des Wissens, von seiten des Mächtigen, des Gepriesenen!

Sprich: „Lobpreis sei Dir, o mein Gott! Bei Deinem Namen, der das Licht der Weisheit hat erstrahlen lassen, da die Atmosphäre Deiner Worte durch die Menschenwelt schwang, bitte ich Dich demütig, mich durch Deine Macht stark zu machen und mich Deines Namens unter Deinen Dienern feierlich gedenken zu lassen!

O Gott, ich habe Dir mein Antlitz zugewandt, indem ich mich von allem lossagte, was Dir fremd ist, und mich an den Saum des Gewandes Deiner Güte klammerte. Gib, daß meine Worte den Geist der Menschen hinreißen und ihre Seelen erheben, sodann stärke mich in Deiner Sache in einer Weise, daß der Einfluß Deiner Geschöpfe oder die Anstrengungen der Ungläubigen mir nichts anhaben können. Gib, daß ich in Deinem [Seite 119] Königreiche einer Lampe der Führung gleichkomme für alle jene, deren Herzen vom Lichte Deiner Erkenntnis überflutet sind und denen Deine Liebe eingepflanzt ist!

Wahrlich, Du hast die Macht, zu tun, was Dir gut dünkt, und die erschaffene Welt ist Dein Besitz. Es gibt keinen anderen Gott als Dich, den Mächtigen, den Weisen!“


1) Der Tugendhafte.

2) Persien.

3) Strom im Paradiese.

4) Bahá.

5) Strom im Paradiese.

6) Bahá’u’lláh im „Größten Gefängnis“ in Akka.

7) Anspielung auf das Sendschreiben an den Schah von Persien; s. „Sonne der Wahrheit" Jahrgang XIII, Heft 7—9.

8) Die Überlieferung des Islam lehrt, daß Gott ein verborgener Schatz war; Er wünschte erkannt zu werden, und so erschuf Er zu diesem Zwecke die Welt.

9) La priorité, die Priorität.

10) La Cause première, im französischen Text mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben.

11) Französisch „Verbe“ = Logos.

12) Französisch „parole“.

13) Französisch „mot“.

14) Vor der öffentlichen Erklärung der Gesegneten Vollkommenheit, die in Adrianopel erfolgte.

15) Anspielung auf den brennenden Busch.

16) Die großen Philosophen.

17) Französisch „Parole“ bzw. „Paroles“.

18) Französisch „Verbe" = Logos.



Bericht über eine frühe Pilgerreise aus dem Jahr 1898[Bearbeiten]

Von May Maxwell (Fortsetzung)


Ich war zu plötzlich zu einer so großen Höhe getragen worden, meine Seele war in Verbindung mit Göttlichem Geist getreten, und diese so reine, heilige, gewaltige Macht hatte mich völlig überwältigt. Er sprach zu jedem Einzelnen, fragte nach unserem Ergehen und erkundigte Sich über unsere Lieben, und obgleich es wenige und einfache Worte waren, so berührte doch der Geist des Lebens unsere Seele. Zu mir sagte Er unter anderem: „Du bist wie ein Tau, der auf die Erde fällt, damit Knospen, Blüten und Früchte hervorgehen: es möge der Geist Gottes über dich kommen und dich mit Fruchtbarkeit erfüllen, und du sollst voranschreiten und Seinen Weinberg begießen. Jetzt sind deine Nöte beendet, und du mußt deine Tränen trocknen, denn du kennst das Gleichnis vom Sämann und dem Samen, das Christus erwähnte. Und so, wie in der Natur der gute Boden durch Regen und Sonnenschein und Durchpflügen zur Saat vorbereitet wird, so ist es auch im Leben: das Herz wird durch allerlei Erlebnisse für den Samen des Lebens zubereitet!“

Die russischen Pilger, die tags zuvor mit uns an Bord gewesen waren, kamen nun an, sie leuchteten und strahlten, als sie in des Meisters Gegenwart traten. Auch wir konnten den Blick nicht von Seinem Antlitz wenden. Wir hörten alles, was Er sagte. Auf Seine Einladung nahmen wir den Tee bei Ihm. Unser bisheriges Leben schien uns fernegerückt, und erst als Er Sich erhob und uns rasch verließ, fanden wir wieder in den Alltag zurück. Aber, Gott sei Dank, nicht mehr zu dem alten Leben wie bisher. Wir hatten den König in Seiner Schönheit gesehen. Wir hatten in der Ferne Land gesehen!

Unser geliebter Meister kam um die Mittagszeit wieder und nochmals zum Abendbrot. Und wenn Er kam, waren viele Gläubige in Seinem Gefolge; sie wußten immer, wo Er war, bei Tag und bei Nacht, es schien, als ob sie Ihn mit ihrer wachsamen Liebe stets umgaben, aber immer ganz unaufdringlich, sich Ihm in der Öffentlichkeit nicht nahend, immer demütig und unterwürfig auf Seinen Befehl wartend, bemüht, auch den kleinsten Dienst leisten zu dürfen. An diesem Abend lud Er uns alle ein, am Montag morgen Ihn unter den Zedern am Berg Karmel zu besuchen, wo Er so häufig mit Bahá’u’lláh zu sitzen pflegte. Wir waren glücklich über diese Aussicht, und groß war meine Enttäuschung, als ich mich am nächsten Morgen sehr krank fühlte. Sobald der Meister gekommen war, um Sein Frühstück einzunehmen, trat Er direkt in mein Zimmer ein, kam an mein Bett, nahm meine Hände, strich mir über die Stirne und blickte mich liebevoll und gütig an, so daß ich alles außer der Liebe und Güte Gottes vergaß; meine Seele war geheilt und ich war getröstet. Ich schaute zu Ihm auf und sagte: „Ich bin jetzt gesund, Mowlana!“ Er aber lächelte, schüttelte den Kopf und sagte mir, ich möchte liegen bleiben, bis Er zur Mittagszeit wiederkomme. Obgleich ich in der Nacht viel gelitten hatte, waren nun alle Schmerzen weg, und ich schlief ruhig ein. An diesem Abend saßen wir mit einigen Mitgliedern der Familie des Meisters beisammen, der Raum war schwach mit Kerzen erleuchtet, die eigenartige Schatten an die Wände und die niedere Decke warfen. Die vergitterten Fenster führten nach der engen Straße, auf der das volle Mondlicht lag. Als wir still wartend dasaßen, vernahmen wir die Stimme unseres Meisters in der Halle. Alles erhob sich, Ihn zu grüßen, als Er über die Schwelle trat und das Licht Seines Antlitzes auf uns fiel.

Am Sonntagmorgen erwachten wir voll Freude in Erwartung des Zusammenseins am Berg Karmel. Der Meister kam sehr früh. Nachdem Er nach mir geschaut hatte, wobei Er meinen Kopf streichelte und meinen Puls fühlte, hielt Er noch meine Hand in der Seinen, als Er zu den anwesenden Gläubigen sagte: „Es findet heute keine Versammlung am Berg Karmel statt. Wir treffen uns in einigen Tagen dort — Inshallah —, wir hätten nicht gehen und eine der Geliebten Gottes allein und krank zurücklassen können. Keines von uns könnte glücklich sein, es sei denn, daß alle die Geliebten glücklich sind!“ Wir waren erstaunt, daß etwas so Wichtiges wie diese Versammlung an jenem gesegneten Ort aufgehoben werden sollte, einer Person wegen, die krank war und folglich nicht dabei sein konnte; dies erschien fast unglaublich. Es war [Seite 120] dies so abwegig von den üblichen Gewohnheiten des Denkens und Handelns, so verschieden vom weltlichen Tun, in dem die täglichen Ereignisse und die materiellen Umstände im Vordergrund stehen, daß uns diese Maßnahme in wirkliche Überraschung versetzte, und für mich begann die Grundlage aller Herkömmlichkeit zu wanken und zu fallen. Des Meisters Worte hatten die Tore zum Reich Gottes weit geöffnet und uns einen Blick in die unendliche Welt gewährt, deren einziges Gesetz die Liebe ist. Dies war das erste Mal, daß wir erlebten, daß ‘Abdu’l-Bahá über alle anderen Erwägungen die Liebe und Güte stellte, ein Mitgefühl, das sich jede Seele zu eigen machen müßte. Wenn ich heute an die segensvolle Zeit in Seiner Nähe zurückdenke, so verstehe ich, daß das Ziel meiner Pilgerreise war, zum erstenmal in meinem Dasein zu erleben, was wahre Liebe ist, ihr Licht in jedem Antlitz zu erkennen, ihre Glut in jedem Herzen zu fühlen und selbst von einer göttlichen Flamme erfaßt zu werden, deren Wesen die Liebe ist. An jenem Sonntagmorgen saß Er eine Weile bei uns und wir gedachten der Zusammenkunft am Berg Karmel nicht mehr, denn durch die Freude und die unendliche Ruhe, die Seine Persönlichkeit ausstrahlt, war alles andere vergessen.

(Fortsetzung folgt.)



Die 12. Bahá’i-Jahrestagung findet in Stuttgart am 21. und 22. April 1934 statt. Näheres wird in der Märzausgabe bekanntgegeben.



Inhaltsübersicht für das Jahr 1933/34[Bearbeiten]

Ali Muhammed El Báb

Gebete . . . . . . . 49


Bahá’u’lláh

Sendschreiben an Kaiser Alexander III. von Rußland. Übersetzt vom Übersetzungskomitee . . . . . 15

Suratu’l Haykal. Übersetzt vom Ü.-K. . . . . . 31, 38, 50, 62

Sendschreiben an den Kaiser Napoleon III. Übersetzt vom Ü.-K. . . . . . 67

Sendschreiben an Nasreddin, Schah von Persien. Übersetzt vom Ü.-K. . . . . . 75, 81, 91

Sendschreiben an die Königin Viktoria von England. Übersetzt vom Ü.-K. . . . . . 93, 100

Sendschreiben an den Ra’is. Übersetzt von A.Sch. . . . . . 107

Verborgene Worte . . . . . 73, 81, 89, 97, 105, 113

Lauh i hikmat. Übersetzt vom Ü.-K. . . . . . 113


‘Abdu’l-Bahá

Gebet . . . . . . 1

Das Leben nach dem Tode. III. Teil. Zusammengestellt von † R.K.. . . . . 2

Göttliche Lebenskunst. Übersetzt von J. v. Werthern . . . . . 6, 14, 26, 43, 54, 65, 73, 87, 89, 97, 105

Und 'Abdu'l-Bahá sprach . . . . . 13

Aus dem Schatz der Erinnerungen an Abbas Effendi ‘Abdu’l-Bahá von Dr. J. F.:

Schicksalsbestimmung und freier Wille . . . . . 17
Was ist Religion? . . . . . 56
Über den Sinn des Läuterungsleidens . . . . . 95
Leiden und Trübsal von Gott verordnet . . . . . 101

Aussprüche ‘Abdu’l-Bahás zu Dr. F. und Miß St.. . . . . 37, 61, 103, 112


Aufsätze

Frühling. Von K. Klitzing, Gehlsdorf i.M. . . . . . 8

Weiße Rosen von Persien. Von M. Root, übersetzt von A. Sch. . . . . . 9, 18

Die Eßlinger Bahá’i-Woche (13.—21. August 1932) . . . . . 11, 20, 27, 47, 57

Zum 23. Mai 1844. Von A. Sch. . . . . . 25

Die Friedensfrage in der Bahá’i-Lehre. Von Dr. E. Sch.. . . . . 102

Bericht über eine frühe Pilgerreise aus dem Jahre 1898. Von M. Maxwell. Übersetzt von A. Sch. . . . 111, 119


Bekanntmachungen und Berichte

Bahá’i-Tagung in Karlsruhe i. B. am 29. und 30. April 1933 . . . . . 24

Tagung der deutschen Bahá’i. . . . . 45

Bahá’i-Tagung in Stuttgart am 21. und 22. April 1934 . . . . . 120


In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sind an die Verlagsabteilung des Geistigen Nationalrat der Deutschen Bahá’is e. V. Stuttgart, Alexanderstraße 3 (Nebengebäude) zu richten. — Alle Zahlungen sind zu leisten an den Geistigen Nationalrat der Deutschen Bahá’i e. V., Stuttgart, Alexanderstraße 3 (dessen Postscheckkonto Nr. 19340 Amt Stuttgart). — Druck von J. Fink, Hofbuchdruckerei, Stuttgart.


[Seite 121]


Der Geistige Nationalrat der Deutschen Bahá’i e.V., Stuttgart

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Von unserer Verlagsabteilung können bezogen werden:


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Bahá’u’lláh

Verborgene Worte.. Worte der Weisheit und Gebete. Geschrieben während seiner Verbannung in Bagdad 1857/58 . . . kart. —.80

gebunden 1.--

Frohe Botschaften. Worte des Paradieses, Tablet Tarasat (Schmuck), Tablet Taschalliat (Lichtstrahlen), Tablet Ischrakat (Glanz). Mahnrufe und Anweisungen an die Völker der Erde . . gebunden 2.00

Ganzleinen 2.50

Buch der Gewißheit oder Kitábu’l-Iqán. Eine Auseinandersetzung mit theologischen Fragen verschiedener Religionen, geschrieben in Bagdad um 1862. Ist fortsetzungsweise in den beiden Jahrgängen X und XI unserer Zeitschrift „Sonne der Wahrheit“ enthalten.

Jahrgang gebunden je 6.--


'Abdu'l-Bahá Abbas

Ansprachen in Paris. ‘Abdu’l-Bahá spricht hier über zahlreiche Fragen, nach deren Klärung die Völker der Erde suchen.

gebunden 2.--

Beantwortete Fragen. Erklärungen zu christlichen und islamischen Fragen, Behandlung allgemeiner weltanschaulicher Probleme . . . . . . Ganzleinen 2.50

Sendschreiben an die Haager Friedenskonferenz 1919 . . . . . --.20


Sonstiges

Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, Einführung in die Gedankenwelt der Bahá’i-Lehre von einem orientalischen Gelehrten. Von Mirza Abul Fazl . . . . . gebunden 2.--

Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter. ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont. Ganzleinen 2.50

'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. . . . . .gebunden 2.--

Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase. . . . . . . kart. 2.--

Am Morgen einer neuen Zeit. Untersuchung der geistigen Ursachen der Weltkrise und Beleuchtung der letzthin einzigen Möglichkeit ihrer Überwindung durch die Bahá’i-Lehre. Von Dr. Hermann Großmann . . . . . kart. 1.80

Ganzleinen 2.50

Die Bahá’i-Weltanschauung. Eine kurze Einführung. Von Pauline Hartmann . . . . —.20

Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") . . . -.30

Sonne der Wahrheit. Bahá'i-Monatszeitschrift.

Jahrgang III - IX gebunden je 3.--
Jahrgang X - XII gebunden je 6.--