Sonne der Wahrheit/Jahrgang 12/Heft 6/Text

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SONNE

DER

WAHRHEIT
 
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI
 
HEFT 6 12. JAHRGANG AUGUST 1932
 


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Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i-Prinzipien[Bearbeiten]

1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.

Bahá’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Bahá’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Bahá’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.


2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.

In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.


3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.

Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.


4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.

Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.


5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.

Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.


6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.

Dies ist eine besondere Lehre Bahá’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.


7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.

Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.


8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.

Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.


9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.

Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.


10. Die soziale Frage muss gelöst werden.

Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Bahá’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.


11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.

Bahá’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weltsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.


12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.

Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.

Vor mehr als 50 Jahren befahl Bahá’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.

Bahá’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.


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SONNE DER WAHRHEIT
Organ der deutschen Bahá’i
Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3
Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark
Heft 6 Stuttgart, im August 1932
Kalimát — Vollkommenheit 89
12. Jahrgang

Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion


Inhalt: Tablet von ‘Abdu’l-Bahá. — ‘Abdu’l-Bahá: Die Einheit und Entwicklung der materiellen Welt. — Das Leben nach dem Tode. — Von der Seligkeit der Blumen. — Frau Sophie Alker †. — Buchempfehlung.



Worte ‘Abdu’l-Bahá’s

Du bist vielleicht ein gleichgültiger Christ, ein lauer Moslem oder ein oberflächlicher Jude gewesen — nun bist du Bahá’i geworden: zeige es dadurch, daß du pflichtgetreuer in den Lebens- und Berufsaufgaben bist, uneigennütziger in Geldangelegenheiten, gelassener gegen Reichtum und Ehre, liebevoller gegen alle Menschen, gütiger zu allen Lebewesen, achtsamer auf alles Kleine und Geringe, freudiger im Gemüt, unermüdlicher im Dienst des Reiches Gottes und optimistischer für die Zukunft von allem Guten, Wahren und Schönen — so bist du ein richtiger Spiegel Gottes und ein verständiger Dragoman der heiligen Lehre der Gesegneten Vollkommenheit Gottes, Bahá’u’lláh.

Haifa, Juli 1910


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Tablet von ‘Abdu'l-Bahá[Bearbeiten]

(Fortsetzung)

An die Zentralorganisation für einen dauernden Frieden

An das Sekretariat, 19. Prinsessegracht, Den Haag, Holland

So z. B. die Frage des Weltfriedens, bezüglich dessen Seine Heiligkeit Bahá’u’lláh sagt, daß der „Höchste Gerichtshof“ errichtet werden muß. Obgleich der Völkerbund Wirklichkeit geworden ist, so ist er doch nicht fähig, den Weltfrieden zu errichten. Der Erhabene Gerichtshof aber, den Seine Heiligkeit Bahá’u’lláh beschrieben hat, wird diese heilige Aufgabe mit größter Macht und Kraft erfüllen. Sein Plan geht dahin, daß die Geistigen Arbeitsgemeinschaften eines jeden Landes und einer jeden Nation — d. h. die Parlamente — zwei oder drei Personen, die erlesensten Männer ihres Volkes, auswählen, die wohl vertraut mit internationaler Höflichkeit sind und mit den Beziehungen zwischen den Regierungen und die wesentlichen Bedürfnisse der heutigen Menschheit erkannt haben. Die Zahl dieser Ländervertreter sollte im Verhältnis zu der Bevölkerungszahl des Landes stehen. Die Wahl dieser Männer, die von dem Geistigen Nationalrat, der das Parlament bildet, gewählt werden, müssen vom Oberhause, dem Kongreß, dem Kabinett und ebenso vom Präsidenten oder Monarchen bestätigt werden, damit diese Persönlichkeiten die Gewählten beider, der Völker und der Regierungen, sind. Aus diesem Kreis werden die Mitglieder des Erhabenen Weltschiedsgerichtshofs gewählt. Die ganze Menschheit wird dadurch Anteil daran haben, denn ein jeder dieser Abgeordneten ist sein Volk voll vertretend. Wenn der Erhabene Weltschiedsgerichtshof ein Gesetz wegen einer internationalen Frage erläßt, entweder einmütig oder durch Mehrheitsbeschluß, so wird keinerlei Vorwand für eine Revision für den Kläger und Verteidiger übrigbleiben. Im Falle, daß eine der Regierungen oder Völker in der Vollstreckung der unwiderleglichen Entscheidung des Erhabenen Weltschiedsgerichtshofes nachlässig oder verschleppend wäre, werden die übrigen Nationen dagegen auftreten, denn alle Regierungen und Nationen der Welt sind die Stützen des Erhabenen Schiedsgerichtshofes. Überlegt, was für eine feste Grundlage dies bedeutet! Durch eine beschränkte und eingeengte Liga wird der Zweck nicht erfüllt, wie es sein sollte und sein muß. Dies ist die Wahrheit über die Lage, welche geschaffen worden ist.

Bedenkt, wie gewaltig die Lehren Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláh sind! Zu der Zeit, als Seine Heiligkeit Bahá’u’lláh im Gefängnis in Akka war und unter Zwang und Bedrohung zweier blutdürstiger Herrscher stand, verbreiteten sich ungeachtet dieser Tatsache Seine Lehren mit aller Macht in Persien und andern Ländern. Wenn sonst eine Lehre oder ein Prinzip oder irgend eine Gemeinschaft von einem machthabenden blutdürstigen Monarchen bedroht wird, so wird dieses in kürzester Zeit vernichtet. Heute sind es 50 Jahre, daß die Bahá’i in Persien in vielen Landesteilen unter strenger Bedrohung und Mißhandlung mit Schwert und Speer standen. Tausende von Seelen haben ihr Leben auf dem Schauplatz des Opfers hingegeben und sind als Märtyrer unter den Schwertern der Unterdrückung und Grausamkeit gefallen. Tausende von angesehenen Familien sind entwurzelt und zerstreut worden. Tausende von Kindern sind elternlos geworden. Tausende von Vätern sind ihrer Söhne beraubt worden. Tausende von Müttern haben geweint und geklagt über ihre Knaben, die enthauptet worden sind. Alle Unterdrückung und Grausamkeit, alle Raubsucht und aller Blutdurst konnte die Verbreitung der Lehren von Bahá’u’lláh weder verhindern noch unterbinden. Sie verbreiteten sich täglich mehr und mehr, und ihre Kraft und Macht wurden immer deutlicher.

Es mag sein, daß irgend eine törichte Person unter den Persern seinen Namen dem Inhalt der Tablets Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláh anhängen wird oder auch den Erklärungen in den Briefen von ‘Abdu’l-Bahá beifügt und diese an die hochgeehrte Versammlung sendet. Ihr müßt auf diese Tatsache achten, denn irgend ein Perser, der ruhmsüchtig ist oder andere Absichten hegt, wird den vollen Inhalt der Tablets Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláh benützen und diesen unter seinem eigenen Namen oder im Namen [Seite 63] seiner Gemeinschaft veröffentlichen, so wie es sich auf dem universalen Rassenkongreß in London vor dem Krieg zugetragen hat. Ein Perser entnahm den Inhalt der Tablets Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláh, betrat den Kongreß, gab ihn mit seinem eigenen Namen kund und veröffentlichte sie, während der Wortlaut genau von Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláh war. Einige dieser Leute gingen nach Europa und haben Verwirrung unter das Volk Europas gebracht und haben die Gedanken einiger Orientalisten irregeführt. Ihr müßt diese Tatsache wohl erwägen, denn nicht ein Wort dieser Lehren war in Persien gehört worden vor dem Erscheinen von Bahá’u’lláh. Untersuchet diese Angelegenheit, damit sie für euch erwiesen und offenbar werde! Es gibt Menschen, die wie Papagaien sind; sie lernen einiges Neue, das sie hören, und sprechen es nach; sie selbst sind sich aber dessen nicht bewußt, was sie reden. Es gibt eine Sekte derzeit in Persien, der einige wenige Menschen zugehören, die sich Babi nennen. Sie behaupten, sie seien Nachfolger des Bab, indessen sie über Seine Heiligkeit völlig im Unklaren sind. Sie haben etliche Geheimlehren, die in vollem Widerspruch zu den Lehren von Bahá’u’lláh stehen, und in Persien wissen dies die Leute. Wenn diese Menschen aber nach Europa kommen, so verheimlichen sie ihre eigenen Lehren und sprechen über diejenigen Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláh; denn sie wissen, daß die Lehren von Bahá’u’lláh mächtig sind, und deshalb erklären sie auch öffentlich jene Lehren von Bahá’u’lláh in ihrem eigenen Namen. Was ihre Geheimlehre betrifft, so sagen sie, daß diese dem Buche Beyan entnommen sind, dem Buche Beyan, das Seine Heiligkeit, der Báb verfaßt hat. Wenn euch eine Übersetzung des Buches Beyan vor Augen kommt, welche in Persien übertragen wurde, so werdet ihr die Wahrheit entdecken, daß die Lehren von Bahá’u’lláh ganz gegenteilig zu den Lehren jener Sekte lauten. Hütet euch, diese Tatsache unbeachtet zu lassen! Solltet ihr der Sache weiterhin nachforschen wollen, so erfragt sie in Persien selbst. Schließlich: wenn man durch die ganze Welt reist und wandert, wo immer es auch sei, und man findet Aufstieg, so ist dies das Ergebnis von Freundschaft und Liebe, wogegen alles, was zugrunde geht, die Auswirkung von Feindschaft und Haß zeigt. Dessen ungeachtet ist die Welt der Menschheit sich dessen noch nicht bewußt worden und ist noch nicht aus dem Schlafe der Achtlosigkeit erwacht. Wieder und wieder läßt sie sich in Streitigkeiten ein, in Wortgefechte und Zank, so daß daraus eine Reihe von Wirrnissen entsteht, die sie da und dort auf das Feld der Kämpfe und Kriege führen.

So ist es hinsichtlich des Weltalls und seiner Zerstörung, seines Bestehens und seines Nichtbestehens. Jedes mögliche Ding besteht aus verschiedenen und zahlreichen Elementen, und das Dasein eines jeden ist das Ergebnis der Zusammensetzung. Das heißt, wenn zwischen einfachen Elementen eine Zusammensetzung vor sich geht, so geht ein Ding daraus hervor. Die Schöpfung der Dinge kommt auf diese Weise zustande. Und wenn diese Zusammensetzung in Unordnung gerät, so folgt darauf die Auflösung: die Elemente zerfallen und sein Dasein wird aufgehoben. Das heißt, die Aufhebung eines jeden Dinges beruht auf der Auflösung der Elemente und ihrer Trennung voneinander. Daher ist jede Vereinigung und Zusammensetzung unter den Elementen die Ursache des Lebens, während Auflösung und Trennung den Tod zufolge hat. Kurz, Anziehung und Harmonie der Dinge ist die Ursache des Heranreifens von Früchten und nützlichen Ergebnissen, während Abstoßung und Widerstreit der Dinge die Ursache der Verwirrung und der Auflösung ist. Aus Harmonie und Anziehung gehen alle möglichen lebenden Dinge hervor, wie die Pflanzen, das Tier und der Mensch, und durch Disharmonie und Abstoßung setzt Zerfall ein und wird Auflösung sichtbar. Deshalb bedeutet alles, was immer Harmonie, Anziehung und Einigkeit unter den Menschen schafft, Anlaß zum Leben, während Absonderung und Trennung die Ursache des Todes der Menschheit ist. Und wenn du an einem Garten vorübergehst, worin Gemüsebeete und Pflanzen, Blumen und duftende Gräser stehen, zusammengestellt in der Form eines harmonischen Ganzen, so ist es einleuchtend, daß diese Anpflanzung und dieser Rosengarten gepflegt und durch die Sorgfalt eines vollendeten Gärtners angeordnet wurde, während der Anblick eines [Seite 64] ungepflegten Gartens, ohne Ordnung und verwildert, dir kundtut, daß er der Sorgfalt eines geschickten Gärtners ermangelt: ja, es ist weiter nichts als eine Menge Unkraut. Daraus erhellt, daß Freundschaft und Harmonie die Zucht eines wahren Erziehers künden, während Trennung und Zerstreuung Verwilderung und Mangel an Göttlicher Erziehung beweisen.

Sollte jemand einwerfen: da die Gemeinschaften und Nationen, Rassen und Völker dieser Welt verschiedene Formen, Gebräuche, Geschmack, Temperament und Moral, sowie verschiedenartige Gedanken, Ansichten und Meinungen haben, so sei es unmöglich, daß eine ideale Einheit zutage trete und eine völlige Einigung unter den Menschen verwirklicht werden könne, so sagen wir, daß die Verschiedenheiten von zweierlei Art sind. Die eine führt zur Zerstörung, und ihre Art ist die Verschiedenheit kriegführender Völker und wetteifernder Nationen, die einander zerstören, ihre gegenseitigen Familien ausrotten, alle Ruhe und alles Behagen fortnehmen und in Blutvergießen und Roheit verhaftet sind. Dies ist tadelnswert. Die andere Art Verschiedenheit besteht in Mannigfaltigkeit. Diese ist Vollkommenheit an sich und die Ursache des Erscheinens der Göttlichen Gnade. Denkt an die Blüten eines Rosengartens. Obgleich sie von verschiedener Art sind, von verschiedener Farbe, verschiedener Form und Erscheinung, trinken sie doch dasselbe Wasser, werden von dem gleichen Windhauch berührt und wachsen durch die Wärme und das Licht derselben Sonne; diese Verschiedenheit und dieser Unterschied läßt eine jede die Schönheit und Herrlichkeit der andern hervorheben. Der Unterschied in den Sitten und Gewohnheiten, Gedanken und Ansichten und im Temperament ist die Ursache des Schmuckes der Welt der Menschheit. Dies ist lobenswert. So also ist diese Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit gleich der Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit der Teile und Glieder des menschlichen Körpers die Ursache des Erscheinens der Schönheit und Vollkommenheit. Da diese verschiedenen Teile und Glieder unter der Kontrolle des beherrschenden Geistes stehen und der Geist alle Organe und Glieder durchdringt und alle Arterien und Venen beherrscht, so stärkt diese Verschiedenheit und dieser Wechsel Liebe und Harmonie, und diese Vielheit ist die größte Hilfe für die Einheit. Wenn in einem Garten die Blumen und duftenden Kräuter, die Blüten und Früchte, die Blätter, Zweige und Blumen von einer Art, von gleicher Form, von gleicher Farbe und von derselben Anordnung wären, so entstünde keine Schönheit oder Lieblichkeit, wenn aber Mannigfaltigkeit der Farbe, Blätter, Blüten und Früchte herrscht, so wird eine jede zur Schönheit und dem Reiz der andern beitragen und wird einen bewunderungswerten Garten darstellen und wird den Anblick größter Lieblichkeit, Frische und Wohlgeruchs bieten. Ebenso, wenn Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit der Gedanken, Formen, Ansichten, Charaktere und der Moral in der Welt der Menschheit herrschen und diese unter die Kontrolle einer erhabenen Macht gestellt ist und unter dem Einfluß der Welt der Einheit steht, so werden diese scheinen und sich entfalten in vollkommener Herrlichkeit, Schönheit, Erhöhung und Vollendung.

Heute kann nur allein die Macht des Wortes Gottes, welche die Wirklichkeit aller Dinge umschließt, die Gedanken, das Gemüt, das Herz und den Geist unter den Schutz eines einzigen Baumes stellen. Er ist der Könner aller Dinge, der Seelenbeleber, der Erhalter und Beherrscher der Welt der Menschen. Gelobt sei Gott, an diesem Tag hat das Licht des Wortes Gottes über alle Länder geschienen und von allen Religionen, Gemeinschaften, Nationen, Stämmen, Völkern, Sekten und sonstigen Kategorien haben sich Menschen zusammengefunden im Schatten des Wortes der Einheit und haben sich in eng vertrauter Gemeinschaft vereint und in Einklang gebracht. (Schluß folgt.)



'Abdu'l-Bahá:

Die Einheit und Entwicklung der materiellen Welt[Bearbeiten]

Die Wesenheiten des Weltalls gleichen und können verglichen werden mit Einzelwesen, sind doch beide einem Natursystem, einem allgemeinen Gesetz und einer [Seite 65] göttlichen Ordnung unterworfen. So finden wir, aß die kleinsten Atome im universalen System den größten Wesen des Weltalls gleich sind. Es zeigt sich, daß sie unter der Einwirkung eines Natursystems und eines allgemeinen Gesetzes aus einer Werkstatt der Macht heraus ins Dasein treten. Darum können sie miteinander verglichen werden. (1)


Die Atome der Elemente, aus denen sich alles Leben und Sein, das in diesem unbegrenzten All in die Erscheinung tritt, zusammensetzt, befinden sich in ständiger Bewegung (Schwingung), wobei sie fortschreitende Grade der Weiterentwicklung durchlaufen. Stellen wir uns beispielsweise ein Atom im Mineralreich vor, das sich zum Pflanzenreich empor entwickelt, indem es an der Zusammensetzung, der Faser eines Baumes oder einer Pflanze teilnimmt. Von da aus wandert es ins Tierreich und wird unter dem Gesetz der Entwickelung und durch den Vorgang der Zusammensetzung schließlich zu einem Teil des menschlichen Körpers. Das heißt, es hat die dazwischenliegenden Grade und Stufen der Erscheinungswelt durchlaufen, indem es auf seiner Reise an der Zusammensetzung verschiedener Organismen teilgenommen hat. Diese Bewegung oder Entwickelung ist eine fortschreitende und dauernde, denn nach der Auflösung des menschlichen Körpers, in den es eingegangen war, kehrt das Atom zurück zum Mineralreich, von dem es ursprünglich ausgegangen ist, und wird so fortfahren, die Erscheinungsreihe zu durchlaufen wie zuvor. Dieses Bild mag zeigen, wie die zusammensetzenden Grundstoffatome der Erscheinungswelt fortschreitender Übertragung und Bewegung durch die Reiche der Materie unterliegen.

Bei seinem unaufhörlichen Fortschreiten und Wandern wird das Atom vom Wesen und den Kräften jedes Grades oder Reiches, das es durchläuft, durchdrungen. Im Mineralreich hat es mineralische Affinität besessen, im Pflanzenreich das Wesen der Vermehrung oder die Kraft des Wachstums offenbart, im tierischen Organismus äußerte es den Geist, der dieser Stufe eigen ist, während es im Menschen reich mit menschlichen Kennzeichen und Wesenszügen ausgestattet wurde.

Im übrigen gibt es in allen Reichen des Universums ungezählte Daseins- und Erscheinungsformen und -organismen. So besitzt die pflanzliche Ebene oder das Pflanzenreich eine Mannigfaltigkeit zahlloser Typen und materieller Aufbauformen pflanzlichen Lebens, die alle voneinander abweichen und in sich verschieden, keine zwei ganz gleich in Zusammensetzung und Einzelheiten sind. Denn es gibt in der Natur keine Wiederholung, und die Wachstumskraft kann nicht an irgend ein gegebenes Vorbild oder eine bestimmte Form gebunden werden. Jedes Blatt hat seine eigene, besondere Identität, sozusagen eine eigene Eigenheit als Blatt. Daher wird jedes der zahllosen elementaren Atome während seiner dauernden Reise durch die Daseinsreiche als Bestandteil des organischen Aufbaus nicht nur mit den Kräften und dem Wesen der Reiche, die es durchläuft, durchdrungen, sondern es spiegelt auch die Kennzeichen und Eigenschaften der Formen und Organismen jener durchlaufenen Reiche wider. Da jede dieser Formen ihr eigenes, besonderes Wesen hat, so ist es jedem Grundstoffatom des Universums möglich, eine endlose Verschiedenheit der individuellen Wesensarten auszudrücken. Kein Atom ist dieser Möglichkeit oder dieses Ausdrucksrechts beraubt, noch kann von irgend einem bestimmten Atom gesagt werden, daß ihm die Möglichkeiten eines anderen Atoms versagt sind, nein, sie alle genießen den Vorzug, daß sie die bestehenden Wesensarten der verschiedenen Reiche besitzen und ihre Kennzeichen in der Materie ihrer Organismen widerspiegeln. Bei den verschiedenen Umformungen oder Übergängen von Reich zu Reich ist das durch die Atome in jeder Stufe ausgedrückte Wesen dieser betreffenden Stufe eigentümlich. So drückt z. B. das Atom im Mineralreich nicht pflanzliches Wesen aus; und wenn es durch den Vorgang der Entwickelung das Wesen der pflanzlichen Stufe annimmt, spiegelt es nicht die Eigenschaften des tierischen Wesens wider, und so fort.

Es zeigt sich also, daß jedes Grundstoffatom des Universums die Fähigkeit besitzt, alle vorhandenen Wesensarten auszudrücken. Hierin liegt die wahre Erklärung für den Pantheismus. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, ist der Pantheismus wahr, denn [Seite 66] jedes Atom im Universum kann alle Wesenszüge des Lebens besitzen, die sich durch Umformung und Wandlung offenbaren. (2)


Von dem Aufbau und der Zusammensetzung der Elemente, von ihrer Auflösung, ihrem Verhältnis und der Einwirkung anderer Wesen auf sie hängen Formen, endlose Tatsachen und ungezählte Wesen ab. Aber es ist klar, daß dieser Erdball in der gegenwärtigen Form nicht auf einmal in die Erscheinung getreten, sondern daß das universale Sein allmählich durch verschiedene Phasen hindurchgegangen ist, um schließlich in seiner gegenwärtigen Form vor uns zu stehen.

So wächst und entwickelt sich der menschliche Embryo allmählich im Mutterleib und zeigt verschiedene Zustände und Formen, bis er im Grad vollendeter Schönheit zur Reife kommt und mit äußerster Anmut und in vollendeter Form erscheint. In derselben Weise war der Same der Blume, die ihr hier seht, im Anfang unbedeutend und klein und wuchs und entwickelte sich dann im Erdenschoß. Er machte verschiedene Formen durch und gelangte dann in vollkommener Frische und Anmut in diesen Zustand. So zeigt sich auch, daß der Erdball, nachdem er erst einmal ins Sein getreten war, im Schoß des Alls gewachsen ist, sich entwickelt hat und in mancherlei Formen und Zuständen erschienen ist, bis er zuletzt die gegenwärtige Vervollkommnung erreicht hat und uns, mit unzähligen Wesen geschmückt, als eine fertige Organisation entgegentritt. (3)


Der Ursprung alles materiellen Lebens ist einer und derselbe und auch sein Ende ist eines und das gleiche. Warum sollte der Mensch im Hinblick auf diese grundlegende Einheit und Eintracht des in die Erscheinung tretenden Lebens in seinem Daseinsreiche Krieg führen oder gegen seine Mitmenschen zerstörenden Zwist und Feindschaft hegen? Der Mensch ist das edelste Geschöpf. In seinem physischen Organismus besitzt er die Tugenden des Mineralreichs. Ebenso verkörpert er die Tugend der Vermehrung oder die Kraft des Wachstums, die das Pflanzenreich kennzeichnen. Weiter ist er auf seiner Stufe des physischen Seins mit Eigenschaften und Kräften ausgezeichnet, die dem Tiere eigen sind, und über sie hinaus geht noch der Bereich seiner besonderen menschlichen, inneren und geistigen Begabung. Wenn man die wundervolle Einheit der Reiche des Seins und ihre Verkörperung im höchsten und edelsten Geschöpf betrachtet, warum sollte Mensch dann gegen Mensch in Gegensatz und Streit stehen? Ziemt sich, kann man verantworten, daß er in den Krieg zieht, wenn die Reiche der Erscheinungswelt unter ihm durch Harmonie und gegenseitige Abhängigkeit gekennzeichnet sind? Die Elemente und niederen Wesenheiten sind im großen Lebensplan im Gleichklang. Sollen die Menschen, die im Grade so unendlich hoch darüber stehen, sich bekämpfen und die gegebene Vollkommenheit zerstören? Gott bewahre uns vor einem solchen Zustand.

Aus der Gemeinschaft und der Vermischung der Elementenatome kommt das Leben. Aus ihrem Zusammenwirken und Ineinanderübergehen kommt immer neues Sein. Es ist Glanz, Vollkommenheit, es ist Vollendung, es ist das Leben selbst. Die Sonne ist in Frieden mit der Erde, auf die sie scheint, der sanfte Windhauch ist in Frieden mit den Bäumen. Alle Elemente sind in Harmonie und Gleichgewicht. Ein physischer Gegensatz, nur ein kleiner Streit unter den Elementen, und die Folge ist eine heftige, verheerende Veränderung in der Natur. So ist es im Mineralreich. Bedenkt, was dann die Wirkung von Uneinigkeit und Streit im Menschenreich sein muß, das so sehr über die Stufe des unbeseelten*) Seins hinausragt! Wie groß ist das nachfolgende Unheil, besonders, wenn wir uns klar darüber werden, daß der Mensch von Gott mit Vernunft und Verstand begabt ist. Die Vernunft ist wahrhaftig die höchste Gabe Gottes. Der Verstand ist wahrhaftig Gottes Abglanz. (4)

*) Unbeseelt hier im Gegensatz zur höherstehenden, der geistigen Wirklichkeit zugewandten menschlichen Seele verstanden.


Gott hat eine Erde und eine Menschheit, die darin leben soll, geschaffen. Der Mensch hat keine andere Wohnstatt, aber der Mensch ist selbst hervorgetreten und hat eingebildete Grenzlinien und Gebietsbeschränkungen [Seite 67] verkündet, die er „Deutschland“, „Frankreich“, „Rußland“ usw. nennt. Und Ströme köstlichen Blutes sind zur Verteidigung dieser gar nicht vorhandenen Abgrenzungen unserer einen menschlichen Wohnstatt unter dem Wahn des eingebildeten und begrenzten Patriotismuses vergossen worden.

Nach allem ist ein Anspruch und Anrecht auf Gebiet oder Vaterland nur ein Anspruch auf eine Bindung an den Erdenstaub. Wir leben auf dieser Erde für einige Tage und ruhen dann unter ihr für immer. So ist sie ewig unser Friedhof. Soll der Mensch nun um das Grab kämpfen, das ihn verschlingt, um seine ewige Ruhestatt? Kann die Unwissenheit noch größer sein? Über dem Grab zu kämpfen, einander zu töten um des Grabes willen! Welche Unbesonnenheit! Was für ein Wahn!

Bahá’u’lláh hat auf den Weltfrieden mit besonderem Nachdruck hingewiesen. Er hat erklärt, daß die ganze Menschheit die eine Nachkommenschaft Adams ist und alle Mitglieder einer großen weltumfassenden Familie sind. Wenn die verschiedenen Rassen und Typen der Menschheit aus verschiedenen Stammvätern hervorgegangen wären oder, mit anderen Worten, wenn wir zwei oder mehr Adame zu Menschenvätern hätten, so möchte das vielleicht ein vernünftiger Grund für die heutigen Streitigkeiten und Gegensätzlichkeiten der Menschheit sein, aber da wir einer Nachkommenschaft und einer Familie angehören, so haben alle Namen, die die Menschheit zergliedern und unterscheiden, wie „Italiener“, „Deutscher“, „Franzose“, „Russe“ usw. keine Berechtigung und Bedeutung. Wir sind alle Menschen, alle Diener Gottes und stammen alle aus der Familie des Herrn Adam. Warum dann alle diese irreführenden nationalen und rassischen Unterscheidungen? Diese Grenzlinien und künstlichen Schranken sind von Despoten und Eroberern geschaffen worden, die darnach getrachtet haben, Herrschaft über die Menschen zu gewinnen, wobei sie patriotische Gefühle erzeugt und selbstsüchtige Unterwürfigkeit zu rein örtlichen Regierungsformen angespornt haben. Sie pflegten sich in ihren Palästen des Wohllebens zu erfreuen, von Bequemlichkeit und Überfluß umgeben zu sein, während Heere von Kriegern, Bürgern und Landleuten auf ihren Befehl auf dem Schlachtfeld fochten und starben, ihr Blut für ein Hirngespinst wie „Wir sind Deutsche“, „unsere Feinde sind die Franzosen“ usw. vergießend, während in Wahrheit alle Menschen sind, alle der einen Familie und Nachkommenschaft Adams, des Stammvaters, angehören. Dieses Vorurteil oder dieser begrenzte Patriotismus hat in der ganzen Welt die Oberhand, während die Menschen blind für Patriotismus im weiteren Sinne sind, der alle Rassen und Herkünfte umschließt. Von jedem wahren Gesichtspunkt aus betrachtet müßte und sollte Frieden unter allen Völkern herrschen. (5)


Literaturnachweis:

(1) Beantwortete Fragen, Kap. 47.

(2) Promulgation of Universal Peace II, S.278ff.

(3) Beantwortete Fragen, Kap. 47.

(4) Promulgation II, S. 344 f.

(5) Desgl. S. 348 f.



Das Leben nach dem Tode.[Bearbeiten]

I. Teil.

Zusammengestellt von der Arbeitsgemeinschaft Müritz (Mecklenburg). (Fortsetzung)


Die große Auferstehung.

„Wahrlich, der Mensch, der an diesem Tage nicht belebt wird durch den Hauch Gottes und sich erhebt, ist in der Tat vor Ihm, dem König aller Namen und Eigenschaften, tot. Erhebt euch aus den Gräbern der Wollust und Begierde und wendet euch zum Königreich des Herrn, der da auf dem Thron der Welt regiert, damit ihr das, was euch vom Herrn, dem Allmächtigen verheißen wurde, erfüllt sehen möget.

Erhebt euch, o ihr sterblichen Menschen! Haltet die Gebote und seid treu in der Liebe zu Gott und bestätigt mich, wodurch ihr näher zu Gott gelangt.

Es ist eure Pflicht, mit den Schwingen der Freude und der Glückseligkeit zum höchsten Gipfel, zur Höhe heiliger Freude aufzufliegen. [Seite 68] Er hat euch in den Tagen der Auferstehung zum größten Führer geleitet.

Diejenigen, die sich am Tage der großen Auferstehung durch Bahá’u’lláh von den Toten erheben und das wahre Leben — durch den Ruf Gottes — finden, werden nie mehr zur Finsternis zurückkehren.“

(„Sonne der Wahrheit“, Juni 1922, S. 49.)


Der Fortschritt nach dem Tode.

In der nächsten Welt ist Fortschritt möglich, er hängt aber allein von der Gnade Gottes und nicht vom Streben und den Anstrengungen der Seele ab. Während man hier durch eigenes Streben Fortschritte machen kann, so ist man im anderen Sein von einer Stufe zur anderen absolut nur von der Gnade Gottes und Seiner Barmherzigkeit abhängig. Der Fortschritt des Mineralreiches z. B. nach der Stufe des Pflanzenreiches hin, hängt nicht von seinem eigenen Willen ab, sondern er geschieht durch die Gnade Gottes. Dasselbe ist auch vom Pflanzenreich zu sagen in bezug auf den Fortschritt zum Tierreich und ebenfalls von diesem wieder zur Menschenseele, deren Fortschritt nach dem Tode allein von der Gnade Gottes abhängt.

Was ich damit sagen wollte, ist, daß in der nächsten Welt der Fortschritt von einer Stufe zur anderen allein von der Gnade Gottes abhängt, während man in diesem Leben die menschliche Vollkommenheit durch eigenes Streben erreichen kann.“

(„Sonne der Wahrheit“, August 1924, S.81.)


Eine große Sünde.

„Es ist vor Gott eine große Sünde, seinem Leben ein vorzeitiges Ende zu bereiten. Gott weiß am besten, wie lange ein Mensch auf dieser Erde weilen soll. Man darf den Herrn wohl um eine Entlassung bitten, aber sich aus der Welt zu stehlen, ist eine schwere Sünde, ein großes Unrecht. Bete viel für diese Seele, damit sie Gottes Vergebung erlange!”

(Aus „'Abdu'l-Bahás Rückkehr von Wien nach Stuttgart“, „Sonne der Wahrheit“, Juli 1924, Seite 72.)


Verlorene Seelen.

Frage: „Erfreuen sich alle Seelen des ewigen Lebens?“

Antwort 'Abdu’l-Bahás: „Bedenke, daß nur die Seelen am ewigen Leben teilhaben, denen der Geist des Lebens aus der Gegenwart Gottes eingehaucht ist. Alle anderen sind tot, leblos, wie es Christus im Evangelium erklärte. Ein Mensch, dem ein inneres Schauen von Gott verliehen ist, sieht die Seelen in ihren verschiedenen Stufen nach der Auflösung des Körpers. Wahrlich, sie leben und bestehen vor ihrem Herrn; und er*) sieht ebenso die toten Seelen, die in dem Meer der Sterblichkeit untergetaucht sind...“

*) Der Mensch, dem ein inneres Schauen verliehen ist.

(Aus einer Unterredung mit ‘Abdu’l-Bahá in Paris, „Sonne der Wahrheit“, August 1921, Seite 91/92.)


Frage: „Gibt es verlorene Seelen?“

Antwort ‘Abdu’l-Bahás: „Es gibt Seelen, die die Fähigkeit haben, von den göttlichen Düften belebt zu werden, und als Christus von solchen sprach, sagte Er: ..Sie müssen aufs neue — vom Geiste — geboren werden. Jegliche Seele, die durch den Beistand des Heiligen Geistes geistig geboren ist, befindet sich auf einer aufwärts führenden Bahn und gelangt zu der erhabenen Stufe der geistigen Welt. Was aber die Seelen betrifft, die den Odem des Heiligen Geistes nicht empfangen, so wisset, daß diese in der Welt der Unvollkommenheit bleiben. Sie sind blind, taub, ohne Intelligenz und von Finsternis umgeben. Sie gelangen nicht zur Welt des Lichtes. Solche Seelen sind tot, obgleich sie leben, und im Vergleich mit den Seelen der Welt des Lichtes sind sie verloren.


Frage: „Wird Gott jemals solche Seelen zu den Höhen erheben, die andere erreichen?“

Antwort 'Abdu'l-Bahás: „Gott ist mächtig, zu tun, was Ihm beliebt.“


Frage: „Welche Strafe erwartet diejenigen, die sich weigern, die Erkenntnis Gottes und das Licht Gottes anzunehmen?“

Antwort 'Abdu'l-Bahás: „Ihre Bestrafung wird darin bestehen, daß sie Gottes, des Herrn, beraubt sind.“


Frage: „Wird dieser Zustand ewig währen?“

Antwort ‘Abdu’l-Bahás: „Nein, denn Gottes Barmherzigkeit hat kein Ende.“


Frage: „Wie können Menschen, die Gott nicht kennen, diese Unkenntnis als Strafe empfinden?“

[Seite 69] Antwort 'Abdu’l-Bahás: „Kein Mensch kann ohne Gott glücklich sein, obschon er es nicht zu erkennen vermag, warum er sich so elend fühlt.“

(Aus „Worte ‘Abdu’l-Bahás“, „Sonne der Wahrheit“, Januar 1929, Seite 173.)


Die Fürbitte der Heiligen und Propheten.

„.... Die durch Vermittlung des Propheten vollkommen erlösten Seelen, die auserwählten Gläubigen mit der verliehenen und erworbenen Vollkommenheit haben ihren Eigenwillen in den Willen Gottes versenkt und sind für den unmittelbaren Eintritt in das ewige Reich Gottes reif geworden. Die Menschen aber, die im Sinnlichen leben und vergehen, lassen sich vom Logos nicht zu einer höheren Geistigkeit emporheben. Sie lassen sich vom höheren Licht, von der Geistessonne, nur unvollkommen erleuchten. Sie mögen sich ihrer Unvollkommenheit mehr oder weniger klar bewußt sein. Sie wollen und können sich aber aus der vergänglichen Welt der Sinne und ihrer Begierden nicht völlig losreißen und werden ihre Läuterung noch im Jenseits abschließen müssen. „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen“, sagt Christus. Ja wahrlich, auch für die Schwachen, Unvermögenden und Irrenden ist im Reich Gottes gesorgt. Nicht auf irdischen Planeten spielt sich die Weiterentwickelung und Läuterung der unvollkommen ausgereiften Seelen ab, sondern in den ungezählten geistigen Welten Gottes. Auch nicht in eigener Anstrengung und ermüdender Buße, sondern im schöpferischen Licht, in der verklärenden Barmherzigkeit und der läuternden Gnade Gottes, des Ewigen, Allmächtigen und Allgütigen. Die Fürbitte aller Heiligen und Propheten helfen dem Strebenden aus seiner irdischen Mangelhaftigkeit und begleiten und fördern seine himmlische Läuterung und ewige Vollendung...“

(Aus 'Abdu'l-Bahá über die Weltschöpfung, „Sonne der Wahrheit“, März 1921, S.10.)


Die Nähe Gottes.

„... Es ist sicher, daß die göttliche Allgegenwart eine unbeschränkte ist, sei es in dieser oder in der anderen Welt. Es ist ein Nahesein, welches über alle Fassungskraft der Vernunft erhaben ist. Der Mensch wird um so mehr die Nähe des Lichtes der Sonne der Wahrheit erreichen, je mehr er danach sucht. Die göttliche Nähe hängt von unserer Reinheit und Vollkommenheit ab. Die Entfernung ist die Folge unserer Beschränktheit, Trägheit und Unvollkommenheit...“

(Aus „Antwort ‘Abdu’l-Bahás auf verschiedene Fragen“, „Sonne der Wahrheit“, Mai 1921, Seite 46/47.)

(Fortsetzung folgt.)



Von der Seligkeit der Blumen[Bearbeiten]

Von Theodor Lessing, Hannover

„Laßt den Sturm des Todes doch
Deinen Lebensstaub verstreuen,
Aus dem Staube wirst du noch
Hundertmal dich selbst erneuen.”


Nun glüht der Sommer wieder im Garten. Unter den grünen Laubmassen brennen Rosen, der rote und der weiße Flox, Schwertlilien und Rittersporne, und nicht zu vergessen Kalendula, die reinliche, die kein Unkraut duldet. Als ich zur Zeit der Ostern im Morgenland weilte, da fiel der Streit der Religionen mir schwer aufs Herz, denn alle machten aus der Feier der ewigen Lebensauferstehung eine Menschenangelegenheit und vermischten sie mit Zeit und Geschichte, so daß ein widerwärtiger Wettstreit und Gegensatz aller gegen alle sich offenbarte. Damals erzählte mir ein Freund von den Gärten der Bahá’i, welche eine Universalreligion ohne Dogma und unabhängig von Ländern und Völkern gegründet hätten, indem sie im Orient überall Gärten schufen und die Bäume und Pflanzen für heilig hielten.*) In diese Gärten bin ich denn auch geflohen, und die folgenden Gedanken habe ich an einem gesegneten Morgen niedergeschrieben auf dem Karmel im zauberschönen Bahá’i-Garten. Vielleicht haftet an ihnen noch ein Hauch vom Glück jener Stunde.

*) Als Symbol. (D. Schriftl.)

[Seite 70]

Alle Mythen der Menschheit, also sämtliche Geschichten von Gott und Göttern, von ihrer Schöpfertat, Wiederkehr und Erlösertode kann man wohl auffassen als Umschreibungen für das Lebenswunder der Pflanze, welche der eigentliche Lebensbildner ist und der Erlöser vom Tode. Denn jeder Leib fällt im Tode zurück an die lebenbildenden Vorgänge des vegetativen Wachstums, und es ist sehr wohl möglich, daß auf außerirdischen Gestirnen weder Tiere noch Menschen vorkommen, aber wofern irgendwo Leben ist, müssen Pflanzen sein, und der Kosmos könnte ganz wohl ohne animalisches Leben bestehen, aber niemals würden Tiere und Menschen irgendwo auftauchen, wenn nicht eben Pflanzenleben schon da wäre. Sollten aber die Sterne selber lebende Organismen sein, so müßte der Himmel als eine Art Blumengarten betrachtet werden. Was heißt das?

Der in den Begriffen der Naturwissenschaft denkende Europäer wird sofort sagen: Ja, das alles ist so, weil die Pflanzenwelt den Sauerstoff, also die Grundlage der Atmung schafft und weil die Pflanze somit kompensiert die von Tier und Mensch ausgeschiedene Kohlensäure. Würde diese Arbeit nicht durch die Pflanzenwelt geleistet, dann müßte sehr bald die Vergiftung, die Lähmung und schließlich der Tod alles nur animalischen Lebens eintreten. Indes, was wir da in der Sprache der Chemie so leichthin formulieren und als ganz natürlich befinden, das gerade birgt, genauer betrachtet, ein Rätsel und Wunder. Man mache sich doch Folgendes klar: Alle Wesen produzieren Tod: Verwesungsstoffe, Auswurf, Fäkalien, amorphe Materie, und die Pflanze lebt von diesem Tode, indem sie das anorganisch gewordene Nurstoffliche aufsaugt und zurückleitet in den Wachstumstraum der Gestaltenreigen. Sie wandelt den abgelebten Staub neu zur Seligkeit der Blume, die sich in herrlichen Düften kundtut. Wer ist denn da nun das höhere Wesen? Wer erlöst die Kreaturen, die wir Menschen verbrauchen und vernichten, wieder zu Schönheit und Leben?

Da wir die Natur mit Menschenaugen betrachten, so hegen wir die eigenwillige Vorstellung, daß eine „Entwicklung“ bestehe von der Pflanze über das Tier bis hin zum Menschen und zum Menschengeiste. In Wahrheit aber ist die ganze Tier- und Menschengeschichte nichts als eine Episode im rhythmischen Wandel pflanzlichen Blühens und Vergehens und, unterm Gesichtspunkt des Lebens betrachtet, eine sehr bittere, defektive, notentbornene und in eine Sackgasse mündende Episode**). Neunundneunzig Hundertstel alles Lebens ist denn auch ein unbewußtes pflanzliches Leben. All dieses Leben ist selig in sich selbst und durchaus (auch noch im ärmlichsten Unkräutlein) voller Unschuld und Schönheit. Denn auch dies ist nur Menschenirrtum, daß wir das Schöne auf die gleiche Ebene setzen mit dem Guten und dem Wahren, wo doch Gerechtigkeit und Wahrheit (Ethos und Logos) durchaus nur geknüpft ist an den Bruch und die im Tier aufspaltende Selbstentfremdung und reflexive Doppelheit des Lebens: das Schöne aber ist nichts anderes als Geschlossenheit und Wohlgefühl des Lebens selbst. Man zeige mir ein häßliches Blumenantlitz. Oder man zeige mir ein schönes Tier- oder Menschenexemplar, welches nicht schon wieder blumengleich vollendet in sich selber wäre. Weitaus die meisten Tiere und Menschen sind wie ein Stück entfallene, also häßlich gewordene Natur. Diese Häßlichkeit aber hängt zusammen mit der Not und dem Mangel und mit den logisch-sittlichen Werten, dank denen die Naturmängel ausgeglichen werden. Die Bild- und Schauseite des Lebens ist immer schön; seine Willensseite immer defekt, und um so defekter, je hochstrebender (intentionaler) der Typus wird. So ist denn also das „Ästhetische“ ein nur biotisches Phänomen, völlig ungeistig und jenseits von Gut und Schlecht und von Wahr oder Falsch.

**) Vgl. dazu: ‘Abdu’l Bahá, „Beantwortete Fragen“, Kap. 36. (D. Schriftl.)


Wir leben durchweg von der Pflanze, indem wir, als schweifende und bewegliche Willensdämonen, rauben und raffen, während die Pflanze die abgenutzten Stoffe lebenbildend neu erlöst: ewig schöpferisch, nicht mehr mordend, nicht mehr raubend; die Wirklichkeit des Bewußtseins aber ist nichts als Mord, Mord schon im Tier und vollends mörderisch als Welt der Technik und der Artefakte. Die Geschichte der Technik [Seite 71] ist die Geschichte des Mordens. Ein alter Baum ist vornehmer, positiver, gütiger als jeder Mensch. Die Vorstellung, daß die segenbringenden Götter in den Wäldern wohnen, ist tief berechtigt,

Die Pflanzenwelt war da, lange ehe Tier- und Menschenreich anbrach. Sie wird sein, auch wenn Tier- und Menschenwelt wieder dahin sind. Überlegen wir, daß alles auf Wachheit und ideale Ziele hinstrebende Leben unterbaut ist von einem mehr träumerischen, unbewußt bildenden vegetativen Leben, so dünkt es uns, daß die ganze Gegenstandswelt wachen Wissens nur wie ein Fünklein aus dem Unbewußten hie und da hervorblitzt, ähnlich wie die erblühte Blume nur als kurze Krönung und Erfüllung aus dem pflanzlichen Wechsel von Werden und Vergehen hervorleuchtet. Beides, Blume und Geist, ist Erfüllung und Erlösung, beides bricht aus der Not, denn auch die Pflanze blüht aus Not, wie das Tier aus Not denkt und der Mensch aus Not erfindet. Daher ist die Pflanze unser Ernährer und Meister, und alles, was wir bewußt bilden, ist nur die Pflanzenwelt noch ein Mal, und wir könnten nie etwas erreichen, was nicht in der Pflanzenwelt schon angelegt ist. „Suchst du das Erste und Letzte, die Pflanzenwelt kann es dich lehren, das, was sie unbewußt ist, sei du es wissend; das ist's.“

Ich sehe den Fortschritt in der Medizin in dem Umstand, daß sie eine Biochemie und Biophysik auf die Pflanze aufbaut, wovon die Entdeckung sogenannter Vitamine nur erstes Dämmern ist. Denn das Experiment in der Bakteriologie und Pharmakologie ist ursprünglich nur Experiment am Tier gewesen, hat aber immer mehr zum Versuch an der Pflanze geführt, in der Einsicht, daß das ganze animalische Leben einer Zellen- und Bakterienflora aufgepfropft ist. Der Gedanke Hans Muchs, Heilsera vom lebendigen Pflanzenleibe erfiltern zu lassen und im Kampfe gegen die Vira der Bakterien die Pflanzen mobil zu machen, halte ich für einen echten Königsgedanken, vor dem hundert Pforten aufspringen werden. Das primitive Volk und der Instinkt der Tiere hat es seit je gewußt, daß alle heilenden, bauenden, wiederherstellenden Kräfte in den Kräutern stecken. Eben darum muß auch die Ernährung immer auf der Pflanze aufgebaut werden; sie wird nie durch die Chemie erfolgen können; nur die Pflanze kann von Chemikalien leben; Mensch und Tier bedürfen der lebenden Nahrung. Ausschließlich von Pflanzen zu leben, ist wohl möglich; ausschließliche Fleischnahrung aber führt zu einem furchtbaren Tode. Für das Fleischessen kenne ich keine Rechtfertigung als einzig die folgende. Da das Tier die pflanzliche Nahrung sich assimiliert, so genießen wir im Fleisch einen schon vorverarbeiteten konzentrierteren Stoff, der unserm Organismus die Arbeit des Angleichens abnimmt, woher es kommen wird, daß wir bei Fleischnahrung erstens weniger zu essen brauchen und zweitens die Nahrung rascher assimilieren. Mittelbar aber kommt doch alle Ernährung und alles Leben von der Pflanze, denn Tier und Mensch können sehr wohl zur Not von Blatt und Borke leben, nie aber wie die Pflanze von unorganischem Stoff, woraus klar hervorgeht, daß die Pflanze die eigentliche Lebenskraft, die animalische Welt dagegen nur einen Aufbau, eine zeitweilige Steigerung, eine sekundäre Episode und somit zuletzt etwas Abwegiges verkörpert. Sehr tief nennen die Veden die Welt: die Wunde Gottes. Ist es aber so furchtbar, das Los, das uns bevorsteht: wieder aufzulodern in die Herrlichkeit des Sommergartens und in Baumblatt und Blumenkelch wieder mitzudichten an der endlosen Fantasia der Bilder, an der Selbsterfülltheit des schuldlosen, ungebrochenen Lebens, an der sanften Stille ohne Hoffnung und ohne Trauer, die so schön zu sehen ist und darum wohl auch kein unseliges Sein? Die Völker der Geschichte (zuerst Ägypter, Juden, Araber), haben versucht, den Geist gegen das andrängende Lebensmeer zu verschanzen und sind gerade daran fast erstorben, daß sie den Erlöser Baum nicht mehr spürten, edel menschlich strebend und hadernd:

„Du ruhst, ein träumendes Kind,
Am Mantelsaum des Höchsten; ich aber,
Ich habe mich emporgekämpft
Zu seinem Herzen.
Emporgeklettert
Bin ich auf einer Leiter von Seufzern
Und hab ihm ins Ohr gerufen: Erbarmung!“


[Seite 72]



Frau Sophie Alker †[Bearbeiten]

Durch unsere Reihen geht der Schnitter Tod. So ist wieder, am 31. Juli 1932, eine treue Dienerin der heiligen Sache Gottes — Frau Sophie Alker — nach langen Leidensmonaten in das Reich der Ewigkeit abberufen worden. Mit ihr ist eine stille, tiefreligiöse Natur, deren Herz in festem Glauben an alles Gute im Menschen so warm schlug, von der Schwere des irdischen Daseins erlöst worden. Ihr Glück fand sie in der Beglückung anderer. Friede und Harmonie war innerstes Bedürfnis ihres Wesens. Eine ihrer hervorragenden Eigenschaften war ein feines Taktgefühl, das sie immer und in allem den richtigen Weg finden ließ. Ihr leibliches Auge durfte ‘Abdu’l-Bahá schauen, nun ist ihr geistiges Auge geöffnet, um im Reiche des Vaters die Größe der Manifestation durch Bahá’u’lláh ganz zu erkennen.

Die letzten Wochen vor ihrem Tode war es ihr eine Freude, aus den Artikeln über die Unsterblichkeit der Seele die tröstliche Gewißheit zu erlangen, was ihrer im Reiche Abha’s harrt, und so ging sie still und gefaßt ihrem irdischen Ende entgegen. Nun sind ihr die Pforten der Ewigkeit geöffnet und sie ist auferstanden von der dienenden Liebe zu ihren Mitmenschen zum Dienst ihres Herrn in Seinem Paradies.

A. Sch.



Buchempfehlung[Bearbeiten]

Dr. Hermann Großmann, „Am Morgen einer neuen Zeit”, Verlag Strecker & Schröder, Stuttgart 1932. 103 S., Leinenband 2.50, kartoniert 1.80 RM. Auch durch den Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes beziehbar.

Ein treffliches Buch, das eine Lücke ausfüllt. Öfters begegnen wir reifen, nüchtern denkenden Menschen des praktischen Lebens, die sich darüber klar sind, daß wir an einer weltgeschichtlichen Wende stehen, daß vieles Alte untergangsreif ist und daß eine Erneuerung der menschlichen Zustände nur aus einer Erneuerung des Einzelmenschen, nicht aber durch Konferenzen, Reformen, Systeme und Parteien allein kommen wird. Schwer aber finden solche zu einem zentralen, höheren Gesichtspunkt durch, der das heutige Chaos in seinen geistigen und materiellen Ursachen erhellt und grundsätzliche Wege zur Besserung weist. Nicht selten auch sind sie wohl durch Erziehung oder Enttäuschungen der „Religion“ abgewandt, die ja zu gerne mit Kirche und Menschenbeiwerk verwechselt wird. Diesen allen und auch uns aufs neue und sonst noch Tausenden, die ernsthaft suchen, kann dieses Buch ein klarer, sachlicher Führer sein, der von den einfachen gegebenen Tatsachen ausgeht und Schritt für Schritt und unbeirrt durch alle Deutungsmöglichkeiten der Zeitgenossen hindurch zum schlichten, erhabenen Weltbild der Bahá’i-Lehre leitet. Und damit ist auch das Gebot der sittlichen Tat ausgesprochen, womit das Buch ausklingt: In der Harmonie der Dreiheit Erkennen, Wollen und Handeln müssen wir „arbeiten mit unserer ganzen Kraft an uns selbst für die andern, an den andern für alle, daß sich in Wahrheit der alte Traum vom Frieden auf Erden erfüllt. Auf uns liegt die Verantwortung für die kommenden Generationen.“

Dr.M.



In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an das Bahá’i-Bureau Stuttgart, Alexanderstr. 3, Nebengebäude, zu richten.


[Seite 73]


Geschichte und Bedeutung der Bahá’i-Lehre[Bearbeiten]

Die Bahá’i-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.

Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahá’i-Bewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahá’i-Religion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahá’i (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahá’i der Welt.

Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahá’i, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China usw. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.

In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).

Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (größtes heiliges Buch), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.

Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheitssprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.

Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, Seite 66.)


[Seite 74]


Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart

Fernsprecher Nr. 26168 / Postscheckkonto 25419 Stuttgart / Alexanderstr. 3, Nebengebäude

In unserem Verlag sind erschienen:


Bücher:

Verborgene Worte von Bahá’u’lláh. Worte der Weisheit und Gebete . . . —.80

Bahá’u’lláh, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. In Halbleinen gebunden . . . . . 2.00

in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 2.50

'Abdu'l-Bahá Abbas, Ansprachen in Paris über die Bahá’i-Lehre . . . . . . 2.50

Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, von Mirza Abul Fazl. . . . . 2.50

'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. In Ganzleinen gebunden . . . . . 3.--

Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase. Kartoniert M. 3.--, in Halbleinen gebunden . . . . 3.50

Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont. In Ganzleinen gebunden . . . . . 3.50

Beantwortete Fragen 'Abdu'l-Bahá Abbas', gesammelt von L. Clifford Barney . . . . 3.50


Broschüren:

Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit. Von Dr. jur. H. Dreyfus . . . -.30

Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás, ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") . . . -.30

Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey . . . . —.30

Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahá’i-Lehre von Dr. Hermann Grossmann, Weinheim (Bergstrasse) . . . . —.20

Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Grossmann, Weinheim (Bergstrasse) . . . . —.20

Sonne der Wahrheit, in Halbleinen gebunden je . . . . 6.--


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