SONNE DER WAHRHEIT | ||
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI | ||
HEFT 5 | 12. JAHRGANG | JULI 1932 |
Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i-Prinzipien[Bearbeiten]
1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.
Bahá’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Bahá’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Bahá’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.
2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.
In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.
3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.
Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.
4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.
Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.
5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.
Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.
6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.
Dies ist eine besondere Lehre Bahá’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.
7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.
Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.
8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.
Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.
9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.
Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.
10. Die soziale Frage muss gelöst werden.
Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Bahá’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.
11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.
Bahá’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weltsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.
12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.
Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.
Vor mehr als 50 Jahren befahl Bahá’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.
Bahá’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.
SONNE DER WAHRHEIT Organ der deutschen Bahá’i Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3 Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark |
Heft 5 | Stuttgart, im Juli 1932 Kalimát — Vollkommenheit 89 |
12. Jahrgang |
Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion
Inhalt: Tablet von ‘Abdu’l-Bahá. — Aus dem Schatz der Erinnerungen an Abbas Effendi, ‘Abdu’l-Bahá. Haifa 1906—11. — Weltenwende. — Das Leben nach dem Tode. — Frau Dr. med. Josephine Fallscheer †. — Ein außerordentlicher Umschwung.
Bahaiyyih Khanum — das Größte heilige Blatt †[Bearbeiten]
Telegramm aus Haifa, 15. Juli 1932
greatest holyleaf ascended abha kingdom our grief immense our loss irreparable
inform local assemblies commemorate befittingly saccred experiences so rich
so sublime so eventful a life magnitude of our sorrow demands complete suspension
for nine months throughout bahai world every form religious festivity her
mortal remains laid vicinity holy shrines.
shoghi.
Das „Größte heilige Blatt“ ist zum Königreich Abhá’s aufgestiegen. Unser
Kummer ist sehr groß, da sie unersetzlich ist. Benachrichtigt die Geistigen
Arbeitsgemeinschaften, zu einer angemessenen Feier ihres Gedächtnisses zusammenzutreten.
Die heiligen Erlebnisse, die so reich, so erhaben, so mannigfaltig in ihrem Dasein
waren, sind von schwerwiegender Tragweite für unser Leid und erheischen von der
Bahá’i-Welt die völlige Einstellung aller Art von religiösen Festlichkeiten auf neun
Monate. Ihre irdische Hülle wird in der Nähe des heiligen Grabes beigesetzt.
(gez.) Shoghi.
Tablet von ‘Abdu’l-Bahá[Bearbeiten]
(Fortsetzung)
An die Zentralorganisation für einen dauernden Frieden
An das Sekretariat, 19. Prinsessegracht, Den Haag, Holland
Überlegt: die glücklichen Tiere lassen sich nie in einen vaterländischen Streit ein, sie
leben in bester Kameradschaft einmütig miteinander zusammen. Zum Beispiel, kommen
eine Taube aus dem Osten und eine Taube aus dem Westen, eine Taube aus dem Norden
und eine Taube aus dem Süden zufällig zu gleicher Zeit an einem Platze zusammen,
so gesellen, sie sich alsbald harmonisch zusammen. So ist es bei all den zahmen
Tieren und Vögeln. Die wilden Tiere aber greifen sich an, sobald sie sich treffen,
kämpfen miteinander und reißen sich in Stücke, und es ist ihnen unmöglich, friedlich
am gleichen Ort zusammen zu leben. Sie sind alle ungesellig und reißend, wild
und kampflustig.
Wenn man die wirtschaftlichen Vorurteile betrachtet, so tritt klar zu Tage, daß, wenn die Verbindungen unter den Völkern befestigt und der Warenaustausch gefördert wird und alle wirtschaftlichen Grundsätze in ein Gewand festgelegt sind, dies auch schließlich die anderen Länder beeinflussen muß und allgemeine Wohlfahrt die Folge sein wird. Warum also dieses Vorurteil?
Und, was nun die politischen Vorurteile betrifft, so muß die Politik Gottes befolgt werden, und es ist unbestreitbar, daß die Politik Gottes größer ist denn menschliche Politik. Wir müssen der göttlichen Staatsklugheit folgen, und diese wendet sich gleichermaßen an alle Einzelwesen. Er behandelt alle Einzelwesen gleih: kein Unterschied wird gemacht, und dies ist die Grundlage der göttlichen Religionen.
Eine der Lehren Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláhs ist auch die Schaffung einer Sprache, die überallhin unter die Völker verbreitet werden soll. Diese Lehre wurde von der Feder Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláh geoffenbart, damit diese Weltsprache Mißverständnisse zwischen der Menschheit beseitige.
Eine weitere Lehre Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláhs ist die Einheit von Frau und Mann. Die Menschenwelt hat zwei Schwingen: die eine ist die Frau, die andre der Mann. Nur wenn beide Schwingen gleichmäßig entwickelt sind, kann der Vogel fliegen. Bleibt eine Schwinge schwächlich, so ist ein Höhenflug unmöglich. Erst wenn die Frauenwelt der Männerwelt gleichberechtigt ist im Erwerben von Tüchtigkeit und Vollkommenheit, kann Erfolg und Gedeihen erreicht werden, so wie es sein soll.
Eine weitere Lehre von Bahá’u’lláh ist das freiwillige Teilen des Besitzes mit anderen Menschen. Dieses freiwillige Teilen ist größer als Gleichheit und besteht darin, daß der Mensch sich selbst nicht den andern vorziehen soll, sondern vielmehr sein Leben und seinen Besitz für andre opfern soll. Dies sollte aber nicht zwangsweise eingeführt werden, so daß es zu einem Gesetz erhoben wird und man genötigt wird, es zu befolgen. im Gegenteil, der Mensch sollte aus freiem Antrieb und nach eigener Wahl Besitz und Leben für andre opfern und willig dem Armen spenden, wie das in Persien unter den Bahá’i getan wird.
Eine weitere Lehre Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláhs ist die Freiheit des Menschen: durch die geistige Macht sollte er frei werden und den Fesseln der natürlichen Welt entwunden. Denn solange der Mensch in den Fesseln der Natur liegt, ist er ein reißendes Tier, da der Kampf ums Dasein eines der Erfordernisse der Welt der Natur ist. Diese Sache, der Kampf ums Dasein, ist der Ursprung alles Elends und ist höchste Qual.
Und eine weitere Lehre von Bahá’u’lláh besagt, daß Religion ein mächtiges Bollwerk
ist. Wenn das Gebäude der Religion erzittert und schwankt, so folgen Aufruhr und Chaos
und die Ordnung der Dinge wird völlig umgestürzt. Denn in der Welt der Menschheit
gibt es zwei Wächter, die den Menschen vor Unrechttun bewahren: der eine ist das
Gesetz, das den Verbrecher bestraft: aber das Gesetz verhindert nur offensichtliches
Verbrechen, nicht jedoch geheime Sünden; der ideale Wächter dagegen, nämlich die
Religion Gottes, verhütet beides, das offensichtliche
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sowohl wie das geheime Verbrechen, erzieht den Menschen, entwickelt Sittlichkeit,
erzwingt die Aneignung von Tugenden und ist die allumfassende Macht, die das Glück
der Menschenwelt gewährleistet. Unter Religion aber ist das zu verstehen, was durch
Forschen zur Erkenntnis geführt hat, nicht aber das, was lediglich auf Nachahmung
beruht; also die Grundlage der göttlichen Religionen und nicht
menschliche Nachahmungen.
Eine weitere Lehre von Bahá’u’lláh ist, daß, obgleich materielle Zivilisation ein Mittel zum Fortschritt der Menschenwelt ist, diese, sofern sie nicht mit göttlicher Zivilisation verbunden ist, nicht die gewünschten Erfolge zeitigt, welche zum Glück der Menschheit führen. Bedenkt! Diese Schlachtschiffe, welche eine Stadt innerhalb einer Stunde in einen Trümmerhaufen verwandeln, sind das Ergebnis materieller Zivilisation; ebenso die Kruppkanonen, die Mausergewehre, das Dynamit, die Unterseeboote, die Torpedoboote, die armierten Luftfahrzeuge und die Bombenflugzeuge; alle diese Kriegswerkzeuge sind die bösartigen Früchte materieller Zivilisation. Wäre materielle Zivilisation mit göttlicher Zivilisation verbunden worden, so würden diese fürchterlichen Waffen niemals erfunden worden sein. Im Gegenteil, die menschliche Tatkraft würde sich ganz und gar nützlichen Erfindungen zugewandt haben und hätte sich auf lobenswerte Entdeckungen konzentriert. Materielle Zivilisation ist wie das Glas um die Lampe, göttliche Zivilisation ist die Lampe selbst. Das Glas ohne Licht ist dunkel. Materielle Zivilisation ist wie der Körper. Sei er auch noch so anmutig, elegant und schön, so ist er dennoch tot. Göttliche Zivilisation ist wie der Geist; und der Körper erhält sein Leben durch den Geist, sonst ist er ein Kadaver. So ist es also klar gelegt, daß die Welt der Menschheit den Odem des Heiligen Geistes benötigt. Ohne den Geist ist die Welt der Menschheit leblos und ohne dieses Licht verbleibt die Welt der Menschheit in tiefster Finsternis. Denn die Welt der Natur ist eine tierische Welt. Ehe der Mensch aus der tierischen Welt wieder herausgeboren wird, d. h. ehe er sich frei macht von der Welt der Natur, ist er seinem Wesen nach ein Tier, und es sind die Lehren Gottes, die dieses Tier in eine menschliche Seele umwandeln.
Eine weitere Lehre von Bahá’u’lláh ist die Förderung der Erziehung. Jedes Kind muß soviel als notwendig in den Wissenschaften gelehrt werden. Wenn die Eltern in der Lage sind, die Erziehungskosten zu tragen, so ist es in Ordnung; andernfalls muß die Gemeinde die Mittel zur Erziehung des Kindes aufbringen.
Eine weitere Lehre von Bahá’u’lláh handelt von Gerechtigkeit und Recht. Ehe diese nicht auf der Ebene des Daseins verwirklicht sind, werden alle Dinge in Unordnung sein und unvollkommen bleiben. Die Welt der Menschheit ist eine Welt der Unterdrückung und der Grausamkeit, ein Reich des Angriffs und des Irrtums.
Noch viele solcher Lehren sind zu finden. Diese mannigfaltigen Prinzipien, welche die breiteste Grundlage für das Glück der Menschheit bilden und Gnadenbeweise des Barmherzigen sind, müssen der Sache des Weltfriedens zugesellt und mit ihr verbunden werden, so daß Erfolge daraus hervorgehen. Auf andre Art ist die Verwirklichung des Weltfriedens an sich in der Welt der Menschheit schwierig. So wie die Lehren Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláh mit dem Weltfrieden verknüpft sind, gleichen sie einer Tafel, worauf frische und köstliche Speise aller Art bereit steht. Jede Seele kann an dieser Tafel der unermeßlichen Gnade finden, was sie ersehnt. Wenn aber die Frage auf den Weltfrieden allein beschränkt bleibt, so werden bemerkenswerte Ergebnisse, wie sie erwartet und gewünscht werden, nicht erreicht werden. Das Ziel des Weltfriedens muß ein solches sein, daß alle Gemeinschaften und Religionen die Verwirklichung ihrer höchsten Wünsche darin finden. Nun sind die Lehren Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláhs derart, daß alle Gemeinschaften der Welt, seien sie religiöser, politischer oder ethischer Art, althergebracht oder neuzeitlich, in den Lehren von Bahá’u’lláh den Ausdruck ihrer höchsten Wünsche finden.
Zum Beispiel findet der religiöse Mensch in den Lehren Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláhs
die Schaffung der allumfassenden Religion, einer Religion, die in vollkommenem Einklang
mit den gegenwärtigen Verhältnissen
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steht, die in Wirklichkeit sofortige Heilung der unheilbaren Krankheit schafft, die alle
Schmerzen stillt und die das unfehlbare Gegenmittel für jedes tödliche Gift ist. Denn,
wenn wir die Welt der Menschheit in Ordnung zu bringen und sie in Einklang mit
den derzeitig herrschenden Nachahmungen zu organisieren versuchen und darauf das
Glück der Menschheit aufbauen wollten, so würden wir erkennen, daß dies unmöglich
und undurchführbar ist. Das gilt z. B. für die Bemühung, die Gesetze des Alten
Testaments und ebenso auch der andern Religionen in Einklang mit den heutigen
Nachahmungen durchzuführen. Die wesentliche Grundlage aller göttlichen Religionen aber,
welche sich um die Tugenden der Welt der Menschheit bekümmern und auch die Grundlage
der Wohlfahrt der Menschheit sind, findet man in den Lehren Seiner Heiligkeit
Bahá’u’lláhs in der vollkommensten Darstellung.
Ähnlich ist es in Hinsicht auf die Menschen, die nach Freiheit dürsten. Die gemäßigte Freiheit, welche die Wohlfahrt der Welt gewährleistet und die allgemeine Verwandtschaft hochhält und bewahrt — diese ist in höchster Macht und Ausdehnung in den Lehren Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláhs zu finden.
So ist es auch hinsichtlich politischer Parteien: die größte Staatskunst, um die Welt der Menschheit zu lenken, ja sogar die göttliche Staatskunst findet sich in den Lehren Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláhs.
Desgleichen in bezug auf die Partei für „Gleichheit“, die nach der Lösung der wirtschaftlichen Fragen sucht: bis heute haben sich alle in Vorschlag gebrachten Wege als unausführbar gezeigt, außer den wirtschaftlichen Vorschlägen in den Lehren Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláhs, die anwendbar sind, und dabei die Gesellschaft nicht ins Elend stürzen.
Und so ist es auch mit andern Interessenkreisen. Wenn ihr tiefen Einblick in diese Gedankenwelten nehmen wollt, so werdet ihr die höchsten Ziele dieser Parteien in den Lehren von Bahá’u’lláh finden. Diese Lehren richten die alles einschließende Macht unter allen Menschen auf und sind ausführbar. Es gibt aber manche Lehren aus der Vergangenheit, wie die aus dem Alten Testament, die heute nicht mehr anwendbar sind. Das gleiche ist es auch mit den andern Religionen, mit den Lehrsätzen der vielerlei Sekten und mit den verschiedenen Parteien.
(Schluß folgt.)
Aus dem Schatz der Erinnerungen an Abbas Effendi, 'Abdu'l-Bahá. Haifa 1906 - 11[Bearbeiten]
Zwanzigster Brief von Frau Dr. J. F. an Frau A. Schwarz, Stuttgart
Philosophische Gespräche des Meisters mit einem französischen Konsulatsbeamten in
Gegenwart von persischen und arabischen Bahá’is.
Ort: Empfangsraum des Meisters.
Zeit: Februar 1910.
Sprache: Arabisch.
Thema: Über den orientalischen Darwinismus (Fortsetzung).
Der französische Konsularbeamte erinnert den Meister daran, daß die Anwesenden gerne etwas über den arabischen Naturphilosophen Al-Aschari wissen möchten, der die materialistischen Lehren der Mutaziliten mit der orthodoxen (rechtgläubigen) Lehre des Islams zu verbinden gewußt hätte.
Der Meister: „Al-Aschari (873—935) war Arzt, Naturforscher und
Religionsphilosoph. Ursprünglich selbst Mutazilite, wie sein berühmter Zeitgenosse und Kollege
Razi, führten ihn seine erkenntnis-theoretischen Studien mehr und mehr in das Reich
Gottes hinein (Malekut Allah). Er und Razi machten dieselbe geistige Entwicklung durch,
nur daß Al-Aschari zunehmend lebensbejahender und kulturfreudiger wurde, während Razi
als pessimistischer Stoiker endete. Hören wir einiges von dem Religionsphilosophen
Al-Aschari, von dem seine Zeitgenossen besagten: „Er verstehe Gott zu geben,
was Gottes und den Menschen, was des Menschen ist!“ Er rückte Gott über alles
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Menschliche, Irdische und Körperliche hinaus, wies auf Seine Allmacht, Allwirksamkeit
und Allgegenwart hin.
Die göttliche Offenbarung im Koran (wie in der Bibel) zerlegte er 1. in das ewige Wort in Gott (der Logos) und 2. in das zeitlich geoffenbarte Buch Gottes, wie es die Muslims (und Christen) besitzen.
Eine vom Heiligen Buch unabhängige Vernunfterkenntnis, in bezug auf Gott und göttliche Dinge gibt es nicht, denn sowohl die fünf Sinne, noch mehr aber unser menschliches Urteil, täuschen. Wohl können wir Gott mit unserer Vernunft erkennen, aber nur aus der Heiligen Schrift, dem geoffenbarten Worte Gottes, der einzigen Quelle einer sicheren Erkenntnis.
In Schöpfung und Erhaltung der Welt ist Gott die einzige Ursache, alles Weltgeschehen rührt einmal und auch fortwährend von Ihm her.
Die Natur ist nicht aus sich selbst heraus — von ungefähr — entstanden, sondern entsprang aus einem göttlichen Schöpferakt. Die Natur stellt also nicht eine ewige, göttliche Ordnung dar, sondern sie ist ein Geschöpf, ein Werk vergänglichen Daseins. Denn was geschaffen werden kann, vermag der Schöpfer auch wieder vergehen zu machen.
Die Freidenker aller Zeiten und aller Völker wollen aus Gott, dem Schöpfer, eine unpersönliche Ursache, einen ruhenden Urgrund alles Seins, einen ewigen Pol in der Flucht der irdischen Erscheinungen machen. Das ist falsch gedacht, Gott ist vor allem der freiwirkende, allmächtige, allgegenwärtige Schöpfer, der ewige Pol, um den sich, nach Seinem Belieben, die Flucht der irdischen Erscheinungen dreht, kommt oder verschwindet!
Was wir mit den fünf Sinnen wahrnehmen, sind vergängliche, vorübergehende Begebnisse (Akzidenzen), die auftauchen und verschwinden. Die Unterlagen dieses Wechsels sind die Stoffe, die körperlichen Substanzen. Da sich der Stoff, alles Körperliche dauernd ändert, kann man es nicht als unveränderlich bezeichnen. Was sich verändert, kann aber nicht dauerhaft sein. Was nicht dauerhaft ist, kann nicht ewig sein, denn Ewiges ändert sich nicht. Folglich ist alles in der Welt, da alles dem Wechsel unterworfen ist, entstanden, d. h. von Gott erschaffen. Von der Veränderlichkeit, dem Wechsel alles Existierenden muß man auf einen unveränderlichen, das heißt ewigen Gott und Schöpfer schließen. Aus der Kontingenz, d. h. Ununterbrochenheit und der logischen Möglichkeit alles Endlichen ergibt sich das notwendig-existierende ewige, nicht zeitlich-begrenzte Wesen Gottes. Woher kommt aber die Mannigfaltigkeit, die ununterbrochene Weiterentwicklung der Schöpfung?
Al-Aschari sagt darüber: Die ganze Schöpfung besteht aus Stoff und Kraft (Bewegung). Der Stoff, das Körperliche, besteht aus Atomen, die einander gleich sind; sie, die Atome, füllen den Raum aus, es sind unausgedehnte, punktuell gedachte Einheiten, aus denen alle räumliche Körperwelt aufgebaut wird. Die Atome dringen nicht in einander ein, sie bewegen sich, sie verändern sich. Alle Veränderungen der Atome beruhen auf Vereinigung und Trennung, auf schneller und ganz unmerklicher Bewegung — darnach richtet sich die Form, die Erscheinung der Körper.
Die Zeit stellt die Zahl der Bewegungen dar. Raum, Zeit, Bewegung sind also: Atome ohne Ausdehnung, Momente ohne Dauer.
Die Zeit ist nichts anderes als eine Aufeinanderfolge von vielen einzelnen „Jetzt“. Eine schnelle und eine langsame Bewegung besitzen im Grunde dieselbe Geschwindigkeit, nur hat die letztere mehr sogenannte Ruhepunkte. Von Raumpunkt zu Raumpunkt (d. h. von Atom zu Atom) springt die Bewegung von Moment zu Moment, springt die Zeit weiter.
Da der Schöpfer in die Atome Seine dynamische Kraft, eine latente Zielstrebigkeit beliebt hat zu legen, so ist Eins im Andern enthalten und nacheinander entwickelt sich aus einem latenten Zustand eine sichtbar werdende Erscheinung.
Das klingt ziemlich nach der Lehre Darwins, der tausend Jahre später mit besseren
Methoden, mit vollkommeneren Werkzeugen manchen Schöpfungswundern den Schleier
des Geheimnisses gelüftet hat. Viele Stunden könnte man sich noch über die interessante
Lehre dieses Altmeisters unterhalten. Für heute müssen wir uns genügen, aber von
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seinem noch berühmteren Zeitgenossen Razi sei noch einiges erwähnt.
Er sagte z. B.: „Die tausendjährige Weisheit der Bücher (der griechischen Naturphilosophen und Mathematiker, wie Pythagoras) schätze ich mehr als die Erfahrungen des Einzelnen in einem kurzen, irdischen Leben. Selbst die Folgerungen der Logiker können in einer einzigen Lebensspanne nicht alle erfahrungsgemäß erprobt werden, woraus wir also lernen müssen, daß die Autorität der Bücher respektiert werden soll! (d. h. die jahrtausende alte Weisheit der Weltweisen und Gottesgelehrten).
Razi fand in der Welt mehr Übel als Gutes, infolgedessen bezeichnete er Lust und Freude als die Abwesenheit von Unlust und Kummer!!!
Er fand auch, daß jedem Stoff — auch einem scheinbar toten —, daß jedem Körper das Prinzip der Bewegung inne wohne (ein moderner Gedanke; die Verfasserin).
Razi unterscheidet fünf gleich ewige Prinzipien:
- 1. Der schöpferische Gott.
- 2. Die Universal- oder Weltseele oder Logos.
- 3. Die Urmaterie.
- 4. Der absolute Raum.
- 5. Die absolute Zeit (ewige Dauer).
Kurz gefaßt, sagt Razi: 1. Alles Seiende ist auf ein höchstes Sein zurückzuführen. 2. Alle Dinge sind aus einem obersten Wirkungsprinzip abzuleiten.
Daher verwirft er das dahristische System und alle Freidenkerei, welche keinen persönlichen Weltenschöpfer anerkennt. Razi bekämpft auch die muslimitische absolut gedachte und gefaßte Einheit Gottes, die keine ewige Seele, Materie, Raum und Zeit neben sich duldet und gerade damit eine einheitliche Weltauffassung erschwert.
Razi ist auch ein Vorläufer der Bábi-Bahá’i-Lehre, indem er, als der erste Forscher, sowohl den Schöpfer, als auch das Geschaffene in der Kategorie des Lichtes darstellte: Unsere Vernunft ist Licht vom Lichte Gottes. Alles Geistige ist eine Wiederspiegelung des Lichtes Gottes. Die Schöpfung ist eine Lichtemanation des Ewigen Lichtes. Die Beschreibung des Logos (Weltseele) als Lichtglanz geht ebenfalls auf Razi zurück. Von dem Throne der Herrlichkeit des Schöpfers strahlt Sein Licht auf die von Ihm emanierte Seele (Welt-Seele, Logos) aus und wird dann weitergestrahlt auf die individuelle Seele, so daß auch diese davon widerstrahlt und sich dadurch nach ihrem göttlichen Ursprung in Ihm zurücksehne!“
Der Meister wird abgerufen! — Alláh-u-Abhá! — Ich vergleiche noch meine Notizen in Englisch mit arabischen Stichwörtern mit denjenigen des Franzosen, der in Französisch und Arabisch, aber mit lateinischen Buchstaben Notizen gemacht hatte. Es dauert geraume Zeit, bis auch wir uns entfernen!
Weltenwende[Bearbeiten]
Ein Brief von Shoghi Effendi an die Freunde im Abendland (Schluß)
Wer weiß, ob nicht ein weit heftigeres Leiden, als es die Menschheit je erlitten hat,
nötig sein wird, damit ein so erhabener Gedanke Gestalt annimmt. Hätte irgend etwas
Geringeres als das Feuer des Bruderkrieges mit aller seiner Heftigkeit und seinen
Wechselfällen — ein Krieg, der die große nordamerikanische Republik danach beinahe
zerrissen hätte — die Staaten trotz aller die einzelnen Bundesstaaten unterscheidenden
völkischen Verschiedenheiten nicht nur zu einem Bund unabhängiger Mitglieder, sondern
zu einer Nation zusammenschweißen können? Daß eine so grundlegende Umwälzung mit so
tiefgreifenden Veränderungen im Aufbau der menschlichen Gesellschaft im
gewöhnlichen Wege der Diplomatie und Erziehung zu erreichen wäre, erscheint höchst
unwahrscheinlich. Wir brauchen unseren Blick nur der blutgetränkten Menschheitsgeschichte
zuzuwenden, um uns darüber klar zu werden, daß nur geistige und physische
Qualen es vermocht haben, derartige epochemachenden Umwälzungen voranzutragen,
[Seite 55]
die die größten Marksteine in der Kulturgeschichte darstellen.
So groß und weittragend diese Veränderungen in der Vergangenheit gewesen sein mögen, so können sie doch, aus ihrer eigenen Perspektive betrachtet, nur als vorläufig jener unvergleichlich erhabenen und weitzügigen Umwandlungen erscheinen, durch die die heutige Menschheit hindurchgehen muß. Daß allein die Kräfte einer Weltkatastrophe eine solche Entwicklung des menschlichen Denkens beschleunigen können, wird leider immer klarer. Es ist eine Wahrheit, die die kommenden Ereignisse immer mehr erhärten werden, daß nur die Glut eines in seiner Strenge einzig dastehenden schweren Gottesurteils die widerstrebenden Wesenheiten, die die Elemente der gegenwärtigen Kultur ausmachen, zu den Hauptbestandteilen des künftigen Weltstaates verschmelzen und zusammenschweißen kann.
Die prophetische Stimme Bahá’u’lláhs, die in den Schlußzeilen der Verborgenen Worte „die Völker der Welt" daran gemahnt, daß „eine unvorhergesehene Trübsal sie ereilen wird und schwere Vergeltung sie erwartet“, wirft in der Tat ein trübes Licht auf die bevorstehenden Geschicke der sorgenschweren Menschheit. Nur ein feuriges Gottesurteil, aus dem sich die Menschheit geläutert und vorbereitet erheben wird, kann das hohe Verantwortungsbewußtsein bringen, das die Führer einer heraufsteigenden Zeit auf sich nehmen müssen.
Ich möchte nochmal eure Aufmerksamkeit auf die bedeutungsvollen Worte Bahá’u’lláhs lenken, die ich bereits angeführt habe: „Und wenn die festgesetzte Stunde gekommen ist, wird plötzlich das erscheinen, was die Glieder der Menschheit erzittern lassen wird.“
Hat nicht ‘Abdu'l-Bahá selbst unzweideutig versichert, daß „sicher ein zweiter Krieg kommen, der weit schrecklicher als der letzte sein würde!“
Von der Vollendung dieses gewaltigen, unaussprechlich herrlichen Werkes — eines Werkes, an dem die Möglichkeiten der römischen Staatsmänner gescheitert sind und das Napoleons verzweifelte Anstrengungen vergeblich zustande zu bringen versucht haben — wird die endliche Verwirklichung jenes tausendjährigen Reiches Christi, das die Dichter aller Zeiten besungen und das Seher seit langem erträumt haben, und die Erfüllung der alten Prophetenweissagungen abhängen, daß die Schwerter in Pflugscharen umgeschmiedet werden und der Löwe und das Lamm beisammenliegen sollen. Es kann allein in das himmlische Vaterreich führen, wie es der Glaube Jesu Christi verheißen hat. Nichts sonst kann den Grund für die von Bahá’u’lláh geschaute Neue Weltordnung legen — eine Weltordnung, die auf Erden, wenn auch nur als schwacher Abglanz, den unaussprechlichen Glanz des Gottesreiches wiederspiegeln wird.
Zum Schluß noch ein Wort: Die Verkündigung der Einheit der Menschheit — der Eckpfeiler zu Bahá’u’lláhs allumfassendem Reich — kann in keiner Weise mit den Ausdrücken frommer Hoffnungen verglichen werden, wie sie in der Vergangenheit geäußert worden sind. Sie ist nicht nur ein Ruf, den Er allein und ohne fremde Unterstützung im Angesicht des erbarmungslosen gemeinschaftlichen Widerstandes zweier der mächtigsten orientalischen Herrscher seiner Zeit erschallen ließ, während Er selbst ein Verbannter und Gefangener in ihren Händen war. Sie ist Ermahnung und Verheißung zugleich — eine Ermahnung, daß in ihr das alleinige Mittel zur Errettung der schwer leidenden Welt liegt, und eine Verheißung, daß ihre Verwirklichung nahe ist.
Zu einer Zeit verkündet, wo die Möglichkeit (der Einheit) noch in keinem Teile der Welt ernstlich erwogen worden war, hat sie es durch die himmlische Macht, mit der sie der Geist Bahá’u’lláhs durchweht hat, schließlich dahin gebracht, von einer wachsenden Zahl nachdenklicher Menschen nicht nur als kommende Möglichkeit, sondern als notwendiges Ergebnis der gegenwärtig in der Seit wirkenden Kräfte betrachtet zu werden.
Gewiß bedarf die Welt, die durch den wunderbaren Fortschritt der Physik und die
weltumfassende Ausbreitung von Handel und Industrie zu einem hochkomplizierten
Organismus zusammengefaßt und umgestaltet worden ist und unter dem Druck der
Weltwirtschaftskräfte zwischen den Fallgruben materialistischer Kultur ringt, einer
Erneuerung der Wahrheit, die allen Offenbarungen
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der Vergangenheit in einer ihren Haupterfordernissen angepaßten Ausdrucksweise
zugrundeliegt. Und welche andere Stimme, als diejenige Bahá’u’lláhs, des Sprecher
Gottes für unser Zeitalter, wäre fähig, eine so gründliche Umgestaltung der menschlichen
Gesellschaft hervorzurufen, wie sie es bereits in den Herzen der im Grunde verschieden
gearteten und ursprünglich scheinbar unvereinbaren Männer und Frauen getan
hat, die heute in der ganzen Welt die Schar Seiner erklärten Anhänger bilden.
Daß ein so machtvoller Gedanke so schnell in den Herzen der Menschen emporgesprossen ist, daß Stimmen zu seiner Unterstützung laut werden, daß sich seine hervortretenden Kennzeichen bald bei den Trägern der Macht kristallisieren müssen, können in der Tat nur wenige bezweifeln.
Unsere höchste Pflicht, geliebte Mitarbeiter, ist, mit ungetrübtem Blick und unvermindertem Eifer weiter an der Vollendung des Baues zu helfen, zu dem Bahá’u’lláh uns die Grundlagen ins Herz gelegt hat, aus dem allgemeinen Zug der Tagesereignisse, wie dunkel sie sich zunächst auch auswirken mögen, weitere Hoffnung und Kraft zu ziehen und mit unermüdlichem Eifer zu beten, daß Gott die Verwirklichung jenes wunderbaren Gesichtes beschleunigen möge, die die herrlichste Offenbarung Seines Geistes und die beste Frucht der vortrefflichsten Kultur sind, die die Welt bisher gesehen hat.
Sollte nicht der hundertste Jahrestag der Erklärung des Glaubens Bahá’u’lláhs den feierlichen Anbruch eines so gewaltigen Zeitalters der menschlichen Geschichte bezeichnen?
Das Leben nach dem Tode.[Bearbeiten]
I. Teil.
Zusammengestellt von der Arbeitsgemeinschaft Müritz (Mecklenburg).
(Fortsetzung)
Leben und Tod keine Gegensätze.
‘Abdu’l-Bahá führte aus: „... Leben und Tod seien keine Gegensätze. Der Tod bringe wenig Veränderung. Wenn der Geist der Verstorbenen in das himmlische Paradies eintreten würde ohne Augen, um seine Schönheiten zu sehen, und ohne Ohren, um seine himmlische Musik zu hören, dann könnte er sich kaum denken, daß er in diesem Paradiese ist. Auf Erden kannst du dich erheben und fallen, aber im Himmel ist nur ununterbrochener Fortschritt und kein Fallen mehr möglich . . .”
(Aus „Unterweisungen 'Abdu’l-Bahás“, „Sonne der Wahrheit“, Juli 1921, Seite 74/75.)
»... Die, welche durch den Tod gegangen sind, leben in einer Sphäre, die der unsrigen nicht unähnlich ist. Ihre Arbeit. die Arbeit im Königreich, ist auch die unsrige, doch ist sie von dem, was wir ‚Zeit und Ort’ nennen. losgelöst. Unsere Zeit bemißt sich nach der Sonne. Eine Zeit, in der es weder Sonnenaufgang noch Sonnenuntergang gibt, besteht für den Menschen nicht. Die von der Erde Geschiedenen unterscheiden sich durch verschiedene Eigenschaften von denen, die noch auf Erden sind. Dennoch gibt es keine wirkliche Trennung beider “
(Aus „‘Abdu’l-Bahá in London“, „Sonne der Wahrheit“, August 1923, Seite 85.)
Das Interesse der Abgeschiedenen für irdische Angelegenheiten.
Frage: „Entfernen sich die Abgeschiedenen gänzlich von der Erde und verlieren sie alles Bewußtsein und jedes Interesse an den Menschen und an allen irdischen Angelegenheiten?“
Antwort ‘Abdu’I-Bahás: „Nein, die Abgeschiedenen behalten beides, sowohl das Interesse, als auch die Erinnerung an die Menschen, die sie lieben.“
(Aus „Vom Tod und vom ewigen Leben“, „Sonne der Wahrheit“, Januar 1924, S. 163.)
". . . Gleicherweise wird eine Liebe, die gegenseitig empfunden wurde, in der Welt des Königreiches nicht vergessen werden. Ebenso wirst du das Leben. welches du in der materiellen Welt gelebt hast, in der geistigen Welt nicht vergessen ..."
(Aus „Antwort ‘Abdu’l-Bahás auf verschiedene Fragen“, „Sonne der Wahrheit“, Mai 1921, Seite 47.)
(Fortsetzung folgt.)
Frau Dr. med. Josephine Fallscheer †[Bearbeiten]
Tieferschüttert geben wir den Freunden bekannt, daß unsere unersetzliche, treue, durch ihre Mitarbeit an der „Sonne der Wahrheit“ weit über unsere Landesgrenzen hinaus geschätzte und hochverehrte Mitarbeiterin, Frau Dr. med. Josephine Fallscheer, am 10. Juli, 9 Uhr vormittags, nach längerem Leiden sanft entschlafen ist. Wer das Glück hatte, zu ihrem Freundeskreis zu zählen, war immer wieder gefesselt von ihrem Geistesflug, von der lebendigen Art, wie sie der mannigfaltigen und vielartigen Erlebnisse, die sie sowohl in ihren Studienjahren, als auch über die Zeit ihrer Praxis im Orient hatte, Erwähnung tat. Mit ihrer hohen Intelligenz verband sie eine tiefe Religiosität, die ihre weitreichenden Kenntnisse abendländischer und orientalischer Philosophie nur noch mehr vertieften. Sie war ein großer Geist und dennoch tief demütig, rührend und groß zugleich. Alle Freunde, die bei unserer letzten Bahá’i-Tagung ihrer Rede und ihren Erklärungen lauschten, konnten sich ein Bild ihrer weitgehenden Erfahrung und ihrer Einfühlung in die Mentalität der Völker machen.
Allzufrüh ist uns diese überaus teure Freundin entrissen worden; wer ihres Geistes Hauch verspürt hat, wird ihr ein treues Angedenken im Herzen bewahren. Es möge unser aller Bemühen sein, ihr in der Güte, Treue und dem unablässigen Bemühen, dem Mitmenschen zu dienen, nachzuleben. Ihr Gedächtnis wird in den Annalen der Bahá’i-Bewegung unvergessen bleiben.
A. Schwarz, Stuttgart
Ein außerordentlicher Umschwung[Bearbeiten]
Von der Bahá’i-Bewegung in Ostseebad Müritz (Mecklenburg)
Die Gottgesandten sind die Vorboten für Frieden und Eintracht unter den Völkern. Es mangelt den Menschen aber an Verständnis für die Schönheit ihrer Lehren. Christus sagte: „Denn dieses Volkes Herz ist verstockt, und ihre Ohren hören übel, und ihre Augen schlummern, auf daß sie nicht dermaleinst mit den Augen sehen und mit den Ohren hören und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren, daß Ich ihnen hülfe.“ (Ev. Matth. 13, 15.)
Auch Bahá’u’lláh ist erschienen, der leidenden Menschheit zu helfen, deren Glück und
Wohlergehen Ihm am Herzen lag. U. a. erklärte Er vor mehr als sechzig Jahren, daß
die aufgespeicherten Mengen Kriegsmaterialien durch die leiseste Berührung mit einem
Funken explodieren und einen Weltenbrand verursachen würden. Er verfaßte eine Anzahl
Sendschreiben für die Könige und Herrscher, in denen Er auf die schrecklichen Folgen
des Krieges und auf die Wohltaten und edleren Einflüsse des Friedens verwies und
forderte sie auf, Ihn bei der Aufrichtung des Universalen Friedens zu unterstützen.
Sein Sohn 'Abdu’l-Bahá bereiste die Länder Europas und Amerikas und verbreitete
die Lehren Bahá’u’lláhs über den Universalen Frieden. Es waren aber leider nur sehr
wenige, die auf Seine Stimme hörten und dem Grundsatze Bahá’u’lláhs über die Einheit
des Menschengeschlechtes zustimmten. Wie Er erklärte, glaubten die Führer der
öffentlichen Meinung und die großen Staatsmänner, daß die Menge ungeheurer
Kriegsvorräte und die jährliche
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Vermehrung der militärischen Streitkräfte Friede und Freundschaft unter den
Nationen sicherten. Er sagte aber weiter, daß die Menschheit durch Leiden zur
Annahme der Prinzipien der Bahá’i-Lehre genötigt würde.
Wenn wir die Vorgänge in der Welt aufmerksam verfolgen, können wir wahrnehmen, daß das Leid, in dem die Menschheit sich gegenwärtig befindet, eine Umwälzung in Anschauungen und Einrichtungen, die bisher üblich waren, herbeiführt. Die Welt nähert sich in fortschreitender Weise dem Geiste der Prinzipien Bahá’u’lláhs.
In der Aussprache auf der Abrüstungskonferenz in Genf sprach der englische Außenminister Sir John Simon von dem außerordentlichen Umschwung in der Anschauung, welche Methode zur Sicherung des Friedens dient. U. a. erklärte er: „Die Abrüstung muß in allererster Linie angestrebt werden als Methode zur Sicherung des Friedens und Begrenzung der Leiden und Risiken eines plötzlichen vernichtenden Krieges. In dieser Beziehung ist ein außerordentlicher Umschwung in der Welt festzustellen. Niemand glaubt mehr heute, daß der Frieden der Welt nur durch Vorbereitung des Krieges gesichert werden kann. Ein hoher Rüstungsstand ist heute kein Ersatz mehr für die Sicherheit. Im besten Falle kann er die Illusion der Sicherheit schaffen, wobei wieder auf der anderen Seite bei anderen Völkern das Gefühl der Unsicherheit geschaffen wird. Das Ideal, das angestrebt werden muß, ist die Sicherheit für alle. Diese Sicherheit hängt entscheidend von der Herabsetzung der Rüstungen ab. Rüstungen sind nur das Symptom pathologischer Bedingungen, nämlich die Furcht vor Angriffen und das Mißtrauen gegenüber den Nachbarn. Aber durch die Ansammlung von Rüstungen wird der Krankheitszustand nur auf andere Völker verlegt.“
Es sei uns gestattet, die folgenden verheißungsvollen Worte, die ‘Abdu’l-Bahá an Seine deutschen Freunde richtete, anzuführen: „Der Tag wird kommen — habt nur Geduld — an dem nicht nur über deutsche Lande, sondern über den ganzen Erdball ein Zelt gespannt sein wird.“
Der Krieg ist das schrecklichste Unglück für die Menschheit.
'Abdu'l-Bahás Worte:
"... Nach der Verkündung der konstitutionellen Verfassung in der Türkei im Jahre 1908 durch die Mitglieder des Komitees für Einheit und Fortschritt, bereiste und durchquerte dieser Gefangene, damals 66jährig, — von 1910 bis 1913 — die Länder Europas und den ausgedehnten Kontinent Amerika. Trotz der Begleiterscheinungen dieses vorgeschrittenen Alters hielt ich mit einer Stimme, die Widerhall fand, in großen Versammlungen und altehrwürdigen Kirchen ausführliche Ansprachen. Ich zählte alle diejenigen Prinzipien, die in den Tablets und Lehren Bahá’u’lláhs über Krieg und Frieden enthalten sind, auf.
Vor ungefähr fünfzig Jahren*) verkündete Seine Heiligkeit Bahá’u’lláh bestimmte
Lehren und erhob Seine Stimme für den Universalen Frieden. In zahlreichen Tablets
(Sendschreiben) und in verschiedenen Episteln sagte Er in der verständlichsten Ausdrucksweise
die gegenwärtigen katastrophalen Ereignisse voraus. Er erklärte, daß die Menschheit
der schrecklichsten Gefahr gegenüberstände und brachte kategorisch zum Ausdruck,
daß der Ausbruch des Weltkrieges bedauerlicherweise unvermeidlich und unausbleiblich
sei. Denn diese entzündbaren Materialien, die in den verabscheuungswürdigen
Arsenalen Europas aufgespeichert seien, würden mittels eines Funkens explodieren.
Unter anderem „wird der Balkan ein Vulkan werden, und die Karte von Europa wird
verändert werden“. Aus diesen und ähnlichen Gründen forderte Er (Bahá’u’lláh) die
Menschheit zum Universalen Frieden auf. Er schrieb eine Anzahl Epistel an die Könige
und Herrscher, und in diesen Episteln sprach Er über die schrecklichen Folgen des
Krieges und verwies auf die dauernden Wohltaten und die edlen Einflüsse des
Universalen Friedens. Der Krieg untergräbt die Grundlagen der Menschheit.
Das Töten ist
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ein unverzeihliches Verbrechen gegen Gott, denn der Mensch ist ein durch die Hand des
Allmächtigen erschaffenes Gebilde, Friede ist die Verkörperung des Lebens. Krieg ist
personifizierter Tod. Friede ist der göttliche Geist. Krieg ist eine teuflische Eingebung.
Friede ist das Licht der Welt. Krieg ist höllische Finsternis und Dunkelheit. Alle großen
Propheten, die alten Philosophen und alle heiligen Bücher sind die Vorboten des
Friedens und die Warner gegen Krieg und Uneinigkeit gewesen. Dies ist die göttliche
Grundlage. Dies ist die himmlische Ausgießung. Dies ist die Basis auf der
alle Religionen Gottes beruhen.
*) Diese Erklärung ‘Abdu’l-Bahá’s wurde bereits im Oktober 1914 ins Englische übersetzt. Die Übersetzerin.
Kurzum, in allen Versammlungen im Westen rief ich aus: „O ihr Denker der Welt!
O ihr Philosophen des Abendlandes! O ihr Gelehrten und Weisen der Erde! Eine
drohende, dunkle Wolke steigt herauf, die den Horizont der Menschheit bald verhüllen
wird. Ein heftiger Sturm ist im Anzuge, der die Schiffe der Lebensweisen, der Menschheit
zu Splitter zerschmettern soll, und ein ungestümer, wütender Strom wird die Länder
und Nationen Europas bald überfluten. Erwachet! Erwachet! Werdet achtsam! Werdet
achtsam! Damit wir uns alle in dem Geist des Zusammenwirkens in der äußersten
Großzügigkeit erheben und durch die Gnade und Vorsehung Gottes die Flagge der
Einheit des Menschengeschlechtes hoch halten, das Wesentliche für den Universalen
Frieden fördern und die Bewohner der Welt von dieser größten Gefahr befreien!“
Während der Reise in Europa und Amerika traf ich selbstlose heilige Seelen, die meine Vertrauten und Verbündeten in der Frage des Universalen Friedens waren, und die mit mir übereinstimmten und ihre Stimmen hinsichtlich des Grundsatzes der Einheit des Menschengeschlechtes mit der meinigen vereinigten. Aber leider waren es sehr wenige! Die Führer der öffentlichen Meinung und die großen Staatsmänner glaubten, daß die Menge ungeheurer Kriegsvorräte und die jährliche Vermehrung der militärischen Streitkräfte Friede und Freundschaft unter den Nationen sichern würden. Zu jener Zeit machte ich verständlich, daß diese Theorie auf einer falschen Voraussetzung beruhe, denn es ist eine unvermeidliche Folge, daß diese angesammelten Reihen (von Soldaten), die ausgebildeten Armeen eines Tages in die Hitze des Schlachtfeldes geführt werden. Diese entzündlichen Kriegsmaterialien werden unzweifelhaft eines Tages explodieren, und diese Explosion wird durch einen winzigen Funken herbeigeführt werden. Dann wird ein großer Weltenbrand entstehen, dessen unheilvolle Flammen alle Horizonte rot färben wird. Da die Sphäre der Gedanken jener Leute beschränkt und ihre geistigen Augen blind waren, konnten sie meine Worte nicht verstehen.
Nach dem Abschluß des Balkanbundes fragten mich eine Anzahl bedeutender Persönlichkeiten, ob dieser Balkankrieg der zu erwartende Weltkrieg wäre, aber es wurde ihnen geantwortet: „Dieser wird in einen universalen Krieg enden.“
Kurzum: der Punkt, der erklärt werden soll, ist dieser: Seine Heiligkeit Bahá’u’lláh warnte vor fast fünfzig Jahren die Nationen vor dem Auftreten dieser „Größten Gefahr”. Obgleich das Übel des Krieges den Weisen und Gelehrten wohlbekannt und offenbar war, ist es jetzt zur deutlichen Erkenntnis geworden. Kein vernünftiger Mensch kann heute die Tatsache leugnen, daß der Krieg das schrecklichste Unglück in der Welt für das Menschengeschlecht ist, daß der Krieg die göttliche Grundlage zerstört, daß der Krieg die Ursache ewiger Qual ist, daß der Krieg die Zerstörung bevölkerter, fortschreitender Städte ist, daß der Krieg das Welt-verzehrende Feuer ist, und daß der Krieg die verderblichste Katastrophe und das beklagenswerteste Elend ist.
Die Hilferufe und das Wehklagen sind aus allen beteiligten Ländern zu dem höchsten
Gipfel emporgestiegen. Das Gestöhne und die Angstschreie haben an den Säulen,
die die Welt tragen, einen mächtigen Widerhall gefunden. Die zivilisierten Gegenden
sind zugrunde gerichtet. Die Augen vergießen Tränen, wenn sie das Weinen der
vaterlosen Kinder wahrnehmen. Das Herz brennt und härmt sich bei dem erbarmungsvollen
Schluchzen und den durchdringenden Klagen hilflos umherirrender Frauen. Das Gemüt
hoffnungsloser Mütter ist durch tiefen Kummer und endlose Sorgen verwirrt, und
das herzerschütternde Stöhnen und die
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gerechten Klagen der Väter steigen zu dem Throne des Allmächtigen.
Ach, wie bedauere ich es! Die Welt der Schöpfung ist ihrer normalen Ruhe völlig beraubt. Das Geklirr der Waffen und das Getöse mörderischer Flinten und Kanonen wird wie das Rollen des Donners am Himmelsgewölbe vernommen, und die explodierenden Kriegsmaterialien haben die Schlachtfelder in gähnende Friedhöfe verwandelt, die für alle Zeit die Körper von tausend und abertausend junger Männer begraben, — die Blüte vieler Länder, die in der Zivilisation der Zukunft Faktoren zum Fortschritt gewesen sein würden.
Die Folgen dieses an der Menschheit begangenen Verbrechens sind schlimmer als es ausgesprochen werden kann, und kann weder durch die Feder noch das Wort hinreichend beschrieben werden.
O ihr Regierungen der Welt, seid mitleidig gegen die Menschheit! O ihr Nationen der Erde, betrachtet die Schlachtfelder des Gemetzels und des Blutbades! O ihr Weisen des Menschengeschlechtes, erforschet in mitfühlender Weise die Zustände der Unterdrückten! O ihr Philosophen des Westens, studiert gründlich die Ursachen, die zu diesem riesenhaften, unvergleichlichen Kampfe führten! O ihr weisen Führer auf diesem Erdball, denket gründlich nach, damit ihr ein Gegenmittel für die Unterdrückung dieser chronischen, verwüstenden Krankheit findet! O ihr Einzelwesen der Menschheit, erdenket Mittel für die Unterdrückung dieses allgemeinen Mordes und Blutvergießens! Jetzt ist die geeignete Zeit! Jetzt ist die günstige Zeit! Erhebet euch, beweist euer Streben, bringet eine außergewöhnliche Kraft zum Ausdruck und entfaltet die Flagge des Universalen Friedens und dämmet die rasende Wut dieses unaufhaltsamen Stromes, der überall Verwüstung und Untergang herbeiführt!
Obgleich dieser Gefangene vierzig Jahre in dem Gefängnis unter Gewaltherrschaft gewesen ist, ist er jedoch nie so traurig und von Schmerz und Kummer betroffen gewesen als in diesen Tagen. Mein Geist ist eine Flamme und verzehrt sich. Mein Herz ist gebrochen, traurig, schwer und ganz verzagt. Meine Augen weinen, und meine Seele steht im Feuer. O ich bin so niedergeschlagen und sorgenvoll.
O Völker, weinet und jammert, klaget und betrauert euer Schicksal! Dann eilet, eilet, — vielleicht möget ihr befähigt werden, dieses vielfach aufflammende, die Welt verzehrende Feuer durch das Wasser der neu geborenen Ideale geistiger Demokratie und himmlischer Freiheit auszulöschen, und durch euren himmlisch eingegebenen Entschluß möget ihr das Goldene Zeitalter internationaler Solidarität und des Weltbündnisses heraufführen.
(gezeichnet) ‘Abdu’l-Bahá Abbas.
(Aus einem Tablet an Miß Beatrice Irwin in London, „Star of the West“ Nr. 16. vom 31. Dezember 1914, Seite 243 ff.
Gebet:
O gütiger Gott! Höre auf das Geschrei dieser hilflosen Nationen! O vortrefflicher Herr, erweise diesen verwaisten Kindern Dein Mitleid! O unvergleichlich Allmächtiger, hemme diesen verderblichen Strom! O Schöpfer der Welt und der Bewohner derselben, führe das Erlöschen dieses brennenden Feuers herbei! O Erhörer unserer Rufe, komme zur Errettung der Waisen herbei! O erhabener Tröster, tröste die Mütter, deren Herzen zerrissen und deren Seelen durch den Zustand unersetzlichen Verlustes erfüllt sind! O Gnädiger und Barmherziger, verleihe den weinenden Augen und brennenden Herzen der Väter den Segen Deiner Gnade! Bringe diesen anschwellenden Sturm wieder zur Ruhe und verwandle diesen weltumfassenden Krieg in Frieden und Versöhnung!
Wahrlich, Du bist der Allmächtige und der Gewaltige und wahrlich, Du bist der Sehende und der Hörende!“
In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an das Bahá’i-Bureau Stuttgart, Alexanderstr. 3, Nebengebäude, zu richten.
Geschichte und Bedeutung der Bahá’i-Lehre[Bearbeiten]
Die Bahá’i-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.
Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahá’i-Bewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahá’i-Religion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahá’i (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahá’i der Welt.
Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahá’i, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China usw. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.
In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).
Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (größtes heiliges Buch), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.
Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheitssprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.
Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, Seite 66.)
Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart
Fernsprecher Nr. 26168 / Postscheckkonto 25419 Stuttgart / Alexanderstr. 3, Nebengebäude
In unserem Verlag sind erschienen:
Bücher:
Verborgene Worte von Bahá’u’lláh. Worte der Weisheit und Gebete . . . —.80
Bahá’u’lláh, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. In Halbleinen gebunden . . . . . 2.00
in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 2.50
'Abdu'l-Bahá Abbas, Ansprachen in Paris über die Bahá’i-Lehre . . . . . . 2.50
Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, von Mirza Abul Fazl. . . . . 2.50
'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. In Ganzleinen gebunden . . . . . 3.--
Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase. Kartoniert M. 3.--, in Halbleinen gebunden . . . . 3.50
Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont. In Ganzleinen gebunden . . . . . 3.50
Beantwortete Fragen 'Abdu'l-Bahá Abbas', gesammelt von L. Clifford Barney . . . . 3.50
Broschüren:
Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit. Von Dr. jur. H. Dreyfus . . . -.30
Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás, ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") . . . -.30
Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey . . . . —.30
Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahá’i-Lehre von Dr. Hermann Grossmann, Weinheim (Bergstrasse) . . . . —.20
Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Grossmann, Weinheim (Bergstrasse) . . . . —.20
Sonne der Wahrheit, in Halbleinen gebunden je . . . . 6.--
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