SONNE DER WAHRHEIT | ||
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI | ||
HEFT 3 | 12. JAHRGANG | MAI 1932 |
Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i-Prinzipien[Bearbeiten]
1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.
Bahá’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Bahá’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Bahá’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.
2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.
In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.
3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.
Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.
4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.
Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.
5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.
Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.
6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.
Dies ist eine besondere Lehre Bahá’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.
7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.
Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.
8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.
Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.
9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.
Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.
10. Die soziale Frage muss gelöst werden.
Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Bahá’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.
11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.
Bahá’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weltsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.
12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.
Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.
Vor mehr als 50 Jahren befahl Bahá’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.
Bahá’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.
SONNE DER WAHRHEIT Organ der deutschen Bahá’i Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3 Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark |
Heft 3 | Stuttgart, im Mai 1932 Jamál (Schönheit) 89 |
12. Jahrgang |
Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion
Inhalt: Es fiel ein Stern in der Maiennacht. — Aus dem Schatz der Erinnerungen an Abbas Effendi, ‘Abdu’l-Bahá. Haifa 1906—11. — Weltenwende. — 23. Mai 1844. Erleuchtung des Báb. — Selbstverständlichkeiten. — Auszug aus einem Tablet ‘Abdu’l-Bahás das 19-Tage-Fest betreffend. — Das Leben nach dem Tode. — Aus dem Gehorsam gegenüber den göttlichen Geboten erwächst der Segen.
O meine Tochter, du bittest um ein Losungswort, nach dem ein Bahá’i
sein Leben einrichten soll, da wollen wir zuerst nach dem Zweck und
Ziel des menschlichen Lebens fragen. Du meinst nach Christenart, daß
die Erreichung der ewigen Seligkeit, der Endzweck dieses Lebens sei. — Nein,
meine Tochter, wir haben unser irdisches Leben nicht ausschließlich
vom Nützlichkeitsstandpunkt aus anzusehen und zu fragen: wie
lebe ich hier am zweckmäßigsten, um dort im Jenseits es am besten zu
haben?
Vielmehr ist Zweck und Ziel dieses irdischen Lebens der Dienst Gottes. Das Geschöpf hat dem Schöpfer, der Diener dem Herrn zu dienen, ohne zu fragen was nachher aus ihm wird. Als Diener Gottes tragen wir aber dessen Waffen des Lichts, denn der Diener ist zugleich Kämpfer im Solde und Dienst seines Herrn; er folgt seinem Herrn im Kampf und Streit (bildlich). Das Losungswort des Bahá’i heißt also: siegen, überwinden! Sich selbst und alles Ungute, Unwahre, Unschöne überwinden mit den Waffen der Liebe, sich selbst aufopfern für Gott, für den Nächsten — darin liegen Inhalt, Ziel und Zweck dieses Lebens. Sorgen wir dafür, so wird Gott für unser ewiges Leben, unsere ewige Seligkeit Seinerseits sorgen.
Worte von ‘Abdu’l-Bahá Abbas Effendi zu Miss Stevens in Haifa 1910.
- Es fiel ein Stern in der Maiennacht
- Goldfunkelnd zur Erde nieder
- Und hat in den Herzen heimlich entfacht
- Das Raunen zum Lied der Lieder.
- Er hat in den Herzen die Liebe
- In heiliges Glühen entflammt,
- Daß Seele in Seele sich übe,
- Was tief aus der Gottheit entstammt.
- Es fiel ein Stern zu der Erde tief
- Und hat im Gleiten entzündet,
- Was in dem Wesen der Menschheit schlief
- Und leise ins Göttliche mündet. —
- Paul Häcker, Stuttgart
- (Zum 23. Mai 1844, dem Geburtstag ‘Abdu’l-Bahás)
Aus dem Schatz der Erinnerungen an Abbas Effendi, 'Abdu'l-Bahá. Haifa 1906 - 11[Bearbeiten]
Achtzehnter Brief von Frau Dr. J. F. an Frau A. Schwarz, Stuttgart
Aus Unterhaltungen des Meisters mit Konsul Abella und Dr. F. betreffs Rechtsfragen.
Ort: Veranda des Konsuls A. in Haifa.
Zeit: Juli 1909.
Personen: Außer den obigen noch eine Anzahl arabischer Bahá’i.
Sprache: Arabisch (ohne Dragoman).
Konsul A. (Katholik, aber freigeistig): „Exzellenz (zum Meister gewandt), liegen nicht die sittlichen Bestimmungen und Vorschriften des Kitab el Aqdas die Gebote des Dekalogs (10 Gebote des Alten Testamentes) zu Grunde?“
Der Meister: „Mein Freund, darauf könnte man mit Ja und Nein antworten, nämlich: die gesegnete Schönheit (Bahá’u’lláh) hat wohl die elementaren Moralgesetze des heiligen Propheten Musa (Moses) teilweise seinem Rechtsboden zu Grunde gelegt, teils erweitert. Die vollkommene Manifestation gebietet demnach: Du sollst nicht töten. Du sollst nicht ehebrechen. Du sollst nicht stehlen. Du sollst kein falsch Zeugnis ablegen. Du sollst das Recht nicht beugen. Darüber hinaus verbietet unser heiliges Buch noch den sogenannten heiligen Krieg (Glaubenskrieg), es verbietet die Trennung nach gesetzlicher Unreinheit*).
*) Gesetzliche, d.h. rituelle Unreinheit liegt z.B. darin, wenn ein Moslem, ein Hindu, ein Zoroasteranhänger nicht mit Andersgläubigen zusammen essen darf, ihnen nicht die Hand geben, nicht mit ihnen reden, handeln, verkehren darf usw.
Schon Seine Heiligkeit, der Báb, noch mehr Seine gesegnete Vollkommenheit hat die
Feindesliebe — wie unser Herr Christus — verlangt. Die Feindesliebe erblüht aus der
Friedfertigkeit und führt alsdann zur absoluten Passivität, welche das Böse zunächst
duldet, ja ihm ausweicht oder es endlich mit „Gutem“ überwindet. Schon im Bajan
(dem Gesetzbuch des Báb), noch mehr im Kitab el Aqdas, wird verlangt, die Kinder
und reifere Jugend zur höchsten Höflichkeit zu erziehen, denn ein höflicher Mensch ehrt
den Nächsten, er kann nicht anders als friedfertig und duldsam sein. Das positive
Gebot der Höflichkeit und das strenge Verbot der rituellen Unreinheit dient einem
unmittelbar praktischen Zweck, nämlich: der freie Verkehr der Handeltreibenden der
verschiedenen Religionen und Rassen wird dadurch angebahnt und gefördert, und die großen
Ziele der Bahá'i-Lehre zur Verbrüderung der Menschen, zur Welteinheit und zum
Weltfrieden — ihrer Verwirklichung näher gebracht.
Die staatsrechtlichen, die religionsrechtlichen, die verwaltungsrechtlichen und die kriminalrechtlichen Bestimmungen des Kitab el Aqdas hängen alle mehr oder weniger mit dem Grundgesetz der Feindesliebe und Friedfertigkeit zusammen.
Der Europäer und Amerikaner versteht in Rechtsfragen sehr oft die orientalischen Auffassungen nicht. Der Grundunterschied der westlichen und östlichen Rechtsbegriffe liegt in dem verschiedenen Verhältnis des Abendländers und Morgenländers zu seinem Gott und Schöpfer.
Dem Abendländer ist sein Gott — wenn er überhaupt einen Gott über sich anerkennt — ein metaphysisches Wesen in einem fernen, fremden, nebelhaften Jenseits, dem man an Fest- und Feiertagen huldigt und der im Alltagsleben, in Wirtschaft und Politik, in Handel und Wandel nicht mitzählt. Dem Morgenländer aber ist die Gottheit eine reale Persönlichkeit, in allem und überall gegenwärtig. Das Alltagsleben, die Ordnungen der Natur, kurz das ganze Menschen- und Tierleben sind Gottes Werk, unterliegen Gottes Gesetzen. Hieraus ergibt sich die überragende Tatsache, daß der Morgenländer keinen Unterschied kannte und kennt zwischen göttlichem und menschlichem Recht. Eine anerkannte Rechtssatzung — handle es sich um Zivil- oder Kriminalrecht — war nicht etwa menschliche Erfindung, menschliche Vorschrift, sondern stellt — ohne jede Ausnahme — ein göttliches Gebot oder Verbot dar.
[Seite 28]
Wenn also ein Morgenländer sich gegen ein Gebot des bürgerlichen Rechtes vergeht,
so vergeht er sich dadurch gegen Gott. Genau genommen kennt der Morgenländer also
keine menschlichen Verbrechen, sondern nur menschliche Versündigungen gegen Gott,
den Herrn und Schöpfer.
Der Gott des Abendländers steht fern und weit vom praktischen Leben, der Morgenländer hingegen weiß — ob er’s nun tut oder nicht —, daß sein ganzes Leben, sein Alltagsleben, unter die Aufsicht und in den Dienst Gottes gehört. Das gesamte Leben, in seinen scheinbar äußerlichsten, niedrigsten wie weltlichsten Dingen, muß dem Orientalen zu einem fortlaufenden Gottesdienst werden. — Es soll im südlichen Deutschland (Württemberg?) Gottesgläubige geben, welche sich ganz orientalisch zu ihrem Gott stellen (Pietisten?) und die Kolonisten hier (Templer) sollen einst dazu gehört haben.“
Hier wird der Konsul abgerufen, sein Sekretär vertritt ihn. Neue persische Bahá’i-Gäste werden hereingeführt — nach der Begrüßung geht die Unterhaltung in persischer Sprache weiter und führt weg vom vorigen Thema. Auch Dr. F. wird weggeholt und empfiehlt sich.
Im Weggehen überdenke ich die Darlegungen des Meisters und muß gestehen, daß im Orient das religiöse Moment in der Vergangenheit (siehe z. B. die Israeliten) wie in der Jetztzeit eine, das öffentliche wie private Leben bestimmende Rolle ausübt, während im Abendlande Gott und Seine Gebote einem hauptsächlich an Sonn- und Feiertagen nahetreten!
Wohin führt das? Zum Untergang des Abendlandes? Zum Aufstieg des Morgenlandes?
Ex oriente lux gilt auch noch heute.
(Fortsetzung folgt.)
Weltenwende[Bearbeiten]
Ein Brief von Shoghi Effendi an die Freunde im Abendland (Fortsetzung)
Vor über sechzig Jahren offenbarte Bahá’u’lláh in Seinem Tablet an die Königin
Viktoria, das Er „an die Herrscher der Erde“ richtete, die folgenden Worte:
„Beratet euch untereinander und richtet euer Augenmerk nur auf das, was der Menschheit Nutzen bringt und ihre Lage verbessert. Betrachtet die Welt wie einen menschlichen Körper, der zwar gesund und vollkommen erschaffen, aber durch verschiedene Ursachen von schweren Leiden und Krankheiten heimgesucht worden ist. Nicht einen Tag ist sie zur Ruhe gekommen, ihre Krankheit ist vielmehr immer ernster geworden, da sie in die Hände unerfahrener Ärzte geraten ist, die ihre weltlichen Wünsche aufgezäumt haben und heillos in die Irre geraten sind. Und wenn einmal ein Glied des Körpers dank der Sorgfalt eines edlen Arztes geheilt worden ist, so ist doch der übrige Körper unverändert krank geblieben. Dies kündet euch der Allwissende, der Allweise .... Was der Herr als unfehlbarstes Heilmittel und wirksamstes Instrument zur Gesundung der ganzen Welt verordnet hat, ist die Vereinigung aller ihrer Bewohner in unserer weltumfassenden Sache, einem gemeinsamen Glauben. Dies kann einzig und allein durch die Macht eines geschickten, allbefähigten und vom Geist geleiteten Arztes geschehen.“
An anderer Stelle fügt Bahá’u’lláh hinzu: „Wir sehen, wie ihr eure Ausgaben jedes Jahr vermehrt, und deren Last auf das Volk legt, über das ihr herrscht. Dies ist wahrhaftig schreiende Ungerechtigkeit. Scheut die Seufzer und Tränen dieses zu Unrecht leidenden und bürdet euren Völkern nicht mehr auf, als sie zu tragen vermögen ... Vertragt euch untereinander, daß ihr nicht mehr zu rüsten braucht, außer dem, was die Sicherheit eurer Länder und Gebiete erfordert. Seid einträchtig, o Herrscher der Welt, denn dadurch werden die Stürme der Mißhelligkeit unter euch gestillt werden und eure Völker Ruhe finden. Sollte irgendein Land unter euch die Waffen gegen ein anderes ergreifen, so erhebt euch alle dagegen, denn dies ist dann wahre Gerechtigkeit.“
Welchen Wert hätten diese gewichtigen
[Seite 29]Weltenwende
Worte, wenn sie nicht die brennend nötige Begrenzung ungehemmten nationalen
Herrschaftsdranges als unumgängliche Vorbedingung für den künftigen Staatenbund aller
Länder der Welt aufzeigen würden? Irgendeine Art von Weltüberstaat muß unbedingt
geschaffen werden, zu dessen Gunsten von allen Staaten der Welt willig jeder
Anspruch, Krieg zu führen, gewisse Rechte der Steuererhebung und alles Recht zur
Rüstung (außer zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung in ihren eigenen Gebieten)
abgetreten wird. Ein solcher Staat wird den Gedanken einer internationalen
Vollstreckungsgewalt einschließen müssen, die hinreicht, höchste und unablehnbare
Autorität von jedem widerspenstigen Mitglied des Bundes zu erzwingen, den Gedanken eines
Weltparlamentes, dessen Mitglieder durch die Völker in den einzelnen Ländern gewählt
werden, und deren Wahl von den betreffenden Regierungen bestätigt wird, eines
höchsten Gerichtes, dessen Urteilsspruch selbst in solchen Fällen verbindlich ist, in
denen die in Frage stehenden Parteien nicht bereit sind, sich in ihrer Sache seiner
Entscheidung freiwillig zu unterwerfen. Eine Weltgemeinschaft, in der alle
wirtschaftlichen Schranken für alle Zeit niedergerissen und die Wechselbeziehungen
zwischen Kapital und Arbeit genau erkannt werden, in der das Geschrei religiöser
Leidenschaft und Streitbarkeit für immer zum Schweigen gebracht, in der die Flamme des
Rassenhasses endgültig gelöscht ist, in der ein einziges Gesetzbuch des Völkerrechts — das
Ergebnis des wohlerwogenen Urteils der verbündeten Vertreter der Welt — als Zwangsmaßnahme
das Einschreiten der vereinigten verbündeten Einheiten vorsieht, und schließlich eine
Weltgemeinschaft, in der die Raserei eines unberechenbaren bedrohlichen Nationalismuses
in das dauernde Bewußtsein einer Weltbürgerschaft abgewandelt worden ist — so erscheint
in der Tat in ihren größten Umrissen die von Bahá’u’lláh vorgesehene Ordnung, eine
Ordnung, die als schönste Frucht eines langsam heranreifenden Zeitalters
betrachtet werden wird.
„Die Stiftshütte der Einheit“, so verkündet Bahá’u’lláh der ganzen Menschheit in Seiner Botschaft, „ist errichtet worden. Schauet einander nicht als Fremde an. Von einem Baume seid ihr alle die Früchte und von einem Zweige die Blätter... Die Welt ist nur eine Heimat und die Menschheit darin die Bewohner... Rühmt niemanden dessen, daß er sein Land liebt, rühmt ihn lieber dessen, daß er seine Mitmenschen liebt.“
Laßt nur keine Befürchtungen in bezug auf die belebende Wirkung des weltumfassenden Gesetzes Bahá’u’lláhs hegen. Weit davon entfernt, auf den Umsturz der bestehenden Gesellschaftsordnung abzuzielen, sucht es, ihre Grundlage zu erweitern, ihre Einrichtungen in einer Weise umzugestalten, die mit den Bedürfnissen einer stets veränderlichen Welt in Einklang ist. Es kann mit keiner rechtmäßigen Untertanenpflicht in Widerspruch sein, noch kann es wirkliche Treue untergraben, Seine Absicht ist weder, die Flamme einer vernünftigen und verständigen Vaterlandsliebe in den Herzen der Menschen zu ersticken, noch den Grundsatz nationaler Selbständigkeit abzuschaffen, der so bedeutsam ist, wenn nur die Übelstände übertriebener Zentralisation vermieden werden. Es übersieht weder die Verschiedenheit der ethnologischen Herkunft, des Klimas, der Geschichte, Sprache und Überlieferung, des Denkens und der Gewohnheit, die die Völker und Länder der Welt unterschiedlich gestalten, noch versucht er sie auszumerzen. Es ruft nach größerer Treue, stärkerem Bemühen als irgend ein anderes, das je die Menschheit beseelt hat. Es besteht auf Unterordnung nationaler Triebkräfte und Belange unter die dringenden Ansprüche einer vereinigten Welt. Es verwirft einerseits die übersteigende Zentralisation und entsagt andererseits allen Versuchen zur Gleichmacherei. Seine Losung ist Einheit in der Mannigfaltigkeit, wie sie 'Abdu'l-Bahá Selbst erklärt hat:
„Betrachtet die Blumen in einem Garten. Obgleich sie sich der Art, Farbe, Form und
Gestalt nach unterscheiden, vergrößert diese Mannigfaltigkeit, wenn sie durch die Wasser
des Frühlings erfrischt, durch den Hauch des Windes belebt und die Sonnenstrahlen
gekräftigt werden, doch nur ihren Reiz und trägt zu ihrer Schönheit bei. Wie langweilig
wäre es für das Auge, wenn alle Blumen
[Seite 30]
und Pflanzen, Blätter und Blüten, die Früchte, Zweige und Bäume im Garten sämtlich
von gleicher Gestalt und Farbe wären! Verschiedenheit der Farben, Form und Gestalt
bereichert und ziert den Garten und erhöht ihre Wirkung. In gleicher Weise wird
sich die Schönheit und Herrlichkeit der menschlichen Vollkommenheit offenbaren,
wenn die verschiedenen Spielarten der Denkungsart, des Gemütes und Wesens unter
der Macht und dem Einfluß einer zentralen Wirkung zusammengebracht werden. Allein
die himmlische Macht des Wortes Gottes, das das Wesen aller Dinge beherrscht und
übertrifft, ist fähig, die abweichenden Denkweisen, Empfindungen, Gedanken und
Überzeugungen der Menschenkinder in Einklang zu bringen.“
(Fortsetzung folgt.)
23. Mai 1844. Erleuchtung des Báb[Bearbeiten]
(nachdem er am Grabmal — Smamzade — des Ali in Nedschef — Wallfahrtsort der Schiiten — neunmal vom Herrn angerufen worden war, zum Zeichen, daß er aus Ali Muhammed zum Báb vorgerückt und ernannt sei.)
Von Dr. J. F.
Neunmal hat der Herr gerufen:
„Ali Muhammed, gib acht*)!“
Als zu Nedschef vor den Stufen
An der Smamzad’ er wacht:
Neunmal hebt das Antlitz eilig
Ali Muhammed zum Herrn,
Der dort thront als ewig heilig
Und verehrt von Nah und Fern!
Aber als zum neunten Male
Ali Muhammed sich reckt,
Plötzlich wie vom Blitzesstrahle
Wird sein Genius geweckt:
„Jüngling geh und dichte Lieder**),
Gott, der Herr, verlangt nach Dir.
Rede! — Schreibe alles nieder,
Gottes Sendung hörst Du hier.“
Und er geht, sich Gott zu stellen,
Und ihn lehret Allahs Mund
Dinge, daß die Ohren gellen,
Wenn’s in Persien wird kund:
Und die stärksten Himmelslichter
Leuchten in des Jünglings Geist
Und er eilt, Prophet und Richter,
Daß sein Volk zur Buß er weist.
Und nicht Menschen ging er fragen,
Nein, vor Gottes Angesicht
Nieder warf er sich mit Zagen,
Zu erfüll’n Propheten Pflicht!
Und in göttlich-heil’gen Stunden
Sprach Allah zu Seinem Kind:
Frohe Botschaft, Himmelskunden,
Die nun zu verkünden sind!
Ali Muhammed, so hieß er!
Báb, das Thor, so heißt er jetzt.
Allem Volke aber wies er
Von Schiras bis hin nach Yezd
Himmelswege, frohe Kunde
Von dem großen Tag, der anbricht,
Von des „Größten”***) Tag und Stunde
Gottes Bild und Gottes Licht.
Donnerworte heil’ger Mahnung,
Die kein Alltagsrichter spricht;
Wonnelaute sel’ger Ahnung,
Die durch Leidensnächte bricht;
Was kein Priester je gelehret,
Was kein ird’scher Geist erdacht,
Hat der Báb vom Herrn gehöret,
Als in Nedschef er gewacht.
*) Soviel wie höre zu!
**) Verse = Bajan.
***) Bahá’u’lláh
Selbstverständlichkeiten[Bearbeiten]
Von Dr. H. Großmann, Weinheim (Schluß)
Aber — woher die Weisheit, daß alles immer bleiben muß, wie es seither gewesen ist?
Aus Vorurteil oder aus Gleichgültigkeit? Es ist bequem, im Alten zu verharren.
[Seite 31]
Einstmals sind die Menschen in Postkutschen gereist, und es war selbstverständlich so, heute
fahren sie mit der Eisenbahn oder im Auto, und dies ist auch selbstverständlich. Und
doch gab es Menschen, die, als die Eisenbahn aufkam, sich dagegen auflehnten, weil ihre
Eltern und Voreltern auch nicht mit der Eisenbahn gefahren waren.
Sich vom Vorurteil befreien heißt somit auch, nicht in Gewohnheitsmäßigkeit verharren. Wir müssen lernen, alles immer und immer wieder neu als etwas Neues aufzunehmen, mit jedem neuen Tage muß sich unser gestriges Erleben und von neuem offenbaren. So werden wir den rechten Abstand von den großen und kleinen Vorkommnissen des Lebens wahren, den wir brauchen, um sie frisch zu halten und im rechten Augenblick das Recht daraus zu lernen.
So finden wir den Weg zur neuen Zeit, der durch Bemühen und Erleben zur neuen, erwachenden Menschheit führt. Von ihr sagt ‘Abdu’l-Bahá: „Dies ist ein neues Zeitalter. Alle Horizonte sind erhellt, und die Welt wird wahrhaftig ein Garten und Paradies werden. Es ist die Stunde, die die Menschheit vereinigen und alle Rassen und Klassen zusammenführen wird.
In diesem gewaltigen Zeitalter besteht Gottes Gabe in der Erkenntnis der Einheit der menschlichen Art und der grundsätzlichen Einheit der Religionen.
Die Kriege werden aufhören und durch den Willen Gottes wird der höchste und größte Friede Wahrheit werden, die Welt wie eine neue Welt erscheinen und die Menschen alle wie Brüder leben.“
Auszug aus einem Tablet ‘Abdu’l-Bahás das 19-Tage-Fest betreffend[Bearbeiten]
El Báb gründete das 19-Tage-Fest. Bahá’u’lláh ermutigte dazu und wiederholte seine Festlegung; deshalb ist es von großer Wichtigkeit. Ihr müßt auf dessen Einführung den größten Nachdruck legen und ihm die höchste Bedeutung beimessen, damit es beständig werde und unaufhörlich stattfinde.
Die Gläubigen Gottes müssen zusammenkommen und miteinander in höchster Liebe, Freude und Geistigkeit verkehren. Sie müssen die größte Würde und Rücksicht an den Tag legen, geistige Lieder singen, belehrende Artikel und Tablets von ‘Abdu’l-Bahá lesen, einander ermutigen und von Liebe beseelt sein für die ganze Menschheit, Gott mit Freude und Geistigkeit anrufen, die Worte der Verherrlichung und des Lobpreises für Gott lesen und beredte Ansprachen halten. Der Gastgeber muß die Freunde persönlich bedienen. Er muß für das Wohlbefinden eines jeden Sorge tragen und größte Ergebenheit und Wohlwollen einem jeden gegenüber bekunden.
Wenn das 19-Tage-Fest in dieser Weise und nach den erwähnten Anordnungen gefeiert wird, dann wird dieses Abendmahl zum Heiligen Abendmahl, denn das Ergebnis ist dasselbe und die Wirkung ist dieselbe.
Es ist doch klar, daß das Heilige Abendmahl in Wirklichkeit in der Liebe Gottes, in Seiner Erkenntnis, in Seinen Lehren, in Seinen Gaben besteht.
———————
'Abdu'l-Bahás Worte beim 19-Tage-Fest, das am 16. Oktober 1912 im Heim von Mrs. Goodall, Oakland (Kalif.) gehalten wurde. (Übersetzt von der Geistigen Arbeitsgemeinschaft Eßlingen.)
Preis sei Gott! Ihr seid die Gäste von Mrs. Goodall. Sie hat mit höchster Liebe
dieses Fest vorbereitet. Der Glanz der Barmherzigkeit Bahá’u’lláhs strahlt. Die Herzen
sind berührt von der Liebe Gottes. Die Augen sind zum Königreich Abhás gewandt. Dies
ist ein himmlisches Fest, eine hervorragende Versammlung, wahrlich sie ist lobenswert.
Die höchsten Heerscharen blicken auf diese Versammlung und verkünden laut: „Gesegnet
seid ihr! Gesegnet seid ihr! Gesegnet seid ihr, die Diener Bahá’u’lláhs. Gesegnet
ihr, Offenbarer des Glaubens! Gesegnet seid ihr mit solch strahlenden Gesichtern!
[Seite 32]
Gesegnet seid ihr, deren Herzen wie ein Rosengarten ist!
Bedenkt, welch große Gnade euch gewährt wurde, welche Gunst euch offenbart wurde, daß jetzt ‘Abdu’l-Bahá unter euch wandelt und von Bahá’u’lláh erzählt! Mit größter Liebe bin ich unter euch und grüße euch, jeden einzelnen von euch.
Der Mensch besitzt zweierlei Arten Empfänglichkeit: die eine hat körperlichen, die andere geistigen Charakter. Körperliche Empfänglichkeit hat bestimmte Mittel des Ausdrucks und ebenso hat die geistige ihre Mittel. Die materielle Empfänglichkeit hat ihre Ausdrucksvermittler im körperlichen Reich. Irdische Brüderschaft ist gebräuchlich entweder bei Familienangehörigen oder bei beruflichen Verbindungen oder bei einem Freundschaftsbündnis, gegründet auf Politik und Weisheit, oder bei einem Rassenverband, der diese Zuneigung vertritt, oder bei einer Vereinigung auf Grund der Vaterlandsliebe. Diese Empfindungen beruhen meistens auf äußerlicher Liebe, doch geistige Empfänglichkeiten, namentlich wirkliche Liebe und himmlische Brüderschaft, stammt von göttlichen Vermittlern her. Sie gehen hervor aus Glauben, oder sie kommen durch Erkenntnis, oder sie fließen aus der Gnade des Heiligen Geistes, oder sie entspringen dem Glanz der Sonne der Wirklichkeit.
Preis sei Gott! Ihr seid erfüllt mit geistigen Empfänglichkeiten, denn wahrlich, ihr habt euch in dieser Versammlung vereinigt durch die Liebe Gottes. Ihr seid durch die Gnade des Königreichs aufgefordert worden, die höchste Führung hat euch hierhergerufen. Die Macht der Anziehung hat euch hierhergezogen, die Gabe des Königreichs Abhás hat euch zu diesem Feste geladen. Dies sind geistige Empfindungen und Ausdrücke des Bewußtseins.
Ich bin glücklich, euch hier in Liebe vereint zu sehen. Bitte, esset weiter, dieweil ich rede. Seine Heiligkeit Christus lud eines Abends Seine Jünger zum Mahle, als sie bei Tische saßen, gab Er gewisse Lehren und unterwies sie in denselben. Zur Erinnerung an den Segen und die Ermahnungen wurde dieses Mahl „das Mahl des Herrn“ genannt, denn neben der irdischen Speise wurde auch das himmlische Manna gegeben, es kam auf sie herab. Es war wirklich das Mahl des Herrn. Ihr seid nun heute Abend in dieser Versammlung vereint und sitzet an dieser reichen Tafel. Preis sei Gott! Die leibliche Nahrung ist für euch vorbereitet, das himmlische Manna ist euch gleichfalls gegeben und dies besteht in der Liebe Gottes und der Erkenntnis Gottes. Ihr habt euren Blick dem Königreich Gottes zugewendet und Seine Vorsehung überschattet euch segnend. Die ewige Gnade umfaßt euch alle und das ewige Licht umgibt das All.
Diese Tafel hat gleichfalls himmlischen Charakter, diese Speise ist das Manna vom Himmel. Ich hoffe zuversichtlich, daß das Ergebnis dieses Mahles jenem Mahle gleiche, das in höchster Liebe, zum Gedächtnis und höchsten Dienst, getrennt von allem außer Gott, gehalten wurde. Es soll euch miteinander verbinden in vollkommener Nachfolge und Freundschaft. Möget ihr euch alle vieler solcher Feste erfreuen! Sie sollen die Herzen stark machen und die Seelen dem Königreich Abhás zukehren. Dann werdet ihr mitwirken bei der Versöhnung aller Religionen und Rassen und einen Bund schaffen, der alle Nationen der Welt vereint. Auf diese Weise soll das Zelt der Menschheit aufgerichtet werden im Mittelpunkt der Erde und die Standarte des universalen Friedens soll wehen über der ganzen Welt. Denn in der Zukunft wird bezüglich des Mahles des Herrn kein Zweifel bestehen, denn es erzeugt Liebe und Freundschaft und wird die Ursache der Erleuchtung der Welt sein. Jedes Mahl, das Liebe und Einigkeit schafft, das die Ursache der Erleuchtung der Welt, des internationalen Friedens und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen ist, ist zweifellos das Mahl des Herrn.
Kurz: Seine Heiligkeit Bahá’u’lláh leuchtet künftig vom Horizont des Ostens wie die Sonne, welche ihre Strahlen über die Welt aussendet. Sein ganzes Leben lang rastete Er keinen Augenblick, noch ruhte Er am Abend. Er erduldete große Trübsale. Er war ein Gefangener, Er lag in Ketten, Er war verbannt. All diese Leiden ertrug Er, damit die vollkommene Nachfolgerschaft in Liebe die Herzen vereine.
Preis sei Gott! Die Arbeit Bahá’u’lláhs war nicht vergebens, denn in euren Herzen
[Seite 33]
wurde die Liebe geweckt. Ihr alle seid hier vereint in größter Liebe. Ich hoffe, daß ihr
die Ursache der Umformung der ganzen Menschheit zu einem Fest wie diesem werden
möget, wobei die Herzen aller verbunden sind, bei dem von aller Lippen die
Frohe Botschaft zu lesen ist. Die Welt der Menschheit wird dann einem Baum gleichen
und die Menschen werden seine Zweige, Zweiglein, Blüten und Früchte sein. Dies ist
mein Wunsch und mein Sehnen.
Mit größter Freude nahm ich an diesem Mahl teil.
Segen.
O gütiger Herr! Wahrlich, diese Versammlung sehnt sich nach Dir und verehrt Deine Schönheit. Wahrlich, diese Freunde sind entzündet vom Feuer Deiner Liebe, sie sind freudig, weil Du mit ihnen bist. Sie haben sich zu Deinem Königreich gewandt, sie suchen nur Dein Wohlgefallen, sie wünschen nur, in Deinen Fußtapfen zu wandeln und Deinen Willen zu tun. Kein Tag vergeht, an dem sie nicht Deiner gedenken, und sie sind stets bereit, Dir zu dienen. O Gott, erleuchte diese Herzen; o Gott, mache diese Lippen lächeln. Gib, daß diese Seelen den höchsten Grad der Geistigkeit unter der Menschheit erreichen! O Herr, gib, daß diese Seelen wirklich ausgezeichnet werden und mache sie zu Offenbarern Deiner guten Gaben! Scheine über sie mit Deinem Strahlenglanz, umhülle sie mit dem Hauch Deiner Vorsehung und gieße über sie den Regen der Gaben aus den Wolken Deiner Großmut! So werden diese Seelen wie die Blumen des Rosengartens wachsen mit frischem Grün und bei allen Menschen einen köstlichen Duft verbreiten.
O Herr, bestätige sie alle in Deinem Dienst und hilf ihnen, andere Seelen zu Dir zu führen. Erleuchte ihre Augen mit dem Licht Deiner großen Zeichen, erfülle ihr Gehör mit dem Wohlklang Deiner Melodien und beglücke sie durch die Harmonien deines Königreichs. Verleihe diesen Seelen das ewige Leben, führe sie alle zum Allerheiligsten, der Einheit der menschlichen Welt! Wahrlich, Du bist der Allmächtige! Wahrlich, Du bist der Machtvolle! Wahrlich, Du bist der Geber aller guten Gaben!
Das Leben nach dem Tode.[Bearbeiten]
I. Teil.
Zusammengestellt von der Arbeitsgemeinschaft Müritz (Mecklenburg). (Fortsetzung)
Die Befreiung des Geistes.
Die Nachtigall erfreut sich nimmer des engen Raumes im Käfig, vielmehr sehnt sie sich danach, baldigst ihre Flügel ausbreiten und sich himmelwärts emporschwingen zu können.
Wenn auch manche achtlosen, blöden Vögel mit dem beschränkten Raum, in dem sie sich bewegen, nicht zufrieden sind, so empfinden sie dennoch keine Sehnsucht danach, sich zu befreien, weil sie mit dem herrlichen Rosengarten in keiner Verbindung stehen.
Sie haben keine Ahnung, daß außerhalb des Käfigs die unermeßliche Welt sich ausdehnt. So kennen auch manche Menschen keine andere Existenz als das Leben im Käfig, daher fürchten sie den Tod und wollen so lange als irgend möglich an ihren Körper gebunden leben. Die Wohnstätte der himmlischen Nachtigall (des Geistes) ist aber der Himmel. Ihr Nest ist in der erhabenen Welt, wo sie mit hellen Augen das schauen kann, was außerhalb des Gesichtsfeldes des Käfigs liegt, woraus sich ihr unaufhörliches Verlangen erklärt, ihre Schwingen auszubreiten und sich nach jener unbekannten Welt emporzuschwingen.“
(Aus „Die Seelen nach dem Tode“, „Sonne der Wahrheit“, August 1921, Seite 97/98.)
„O Sohn der Weltlichkeit! Entzückend ist das Reich des Seins, o würdest du zu ihm gelangen. Herrlich ist das Reich der Ewigkeit, o würdest du dich über diese vergängliche Welt erheben. Süß ist die heilige Begeisterung, wenn du den geheimnisvollen Kelch aus den Händen der himmlischen Boten trinkst. Würdest du diese Stufe erlangen, so würdest du frei sein von Tod, Verderben, Mühsal und Sünde.“
(„Verborgene Worte“, Seite 50, Ziffer 70.)
In welcher Verbindung steht der Geist mit dem Körper?
„Es ist die gleiche Verbindung, wie sie die Sonne mit dem Spiegel hat. Der Tod ist die Benennung für die Auflösung dieser Verbindung.“
(Aus „Vom Tod und vom ewigen Leben“, „Sonne der Wahrheit“, Januar 1924, S. 164.)
„Über den Tod wisse, daß der Geist abstrakt und über alles geheiligt ist. Eintritt und Austritt, Aufstieg und Herniederkommen, Vereinigung und Trennung sind Zugehörigkeiten für materielle Dinge, aber nicht für den Geist. Folglich tritt der Geist des Menschen nicht in den materiellen Körper ein, sondern steht vielmehr mit ihm in „Verbindung“. Diese Verbindung ist gleich die des Spiegels und der Sonne. Diese tritt gleichfalls weder in den Spiegel ein, noch aus der Spiegelfläche heraus, noch wird sie völlig mit ihm identifiziert, aber die Sonne steht mit dem Spiegel in Verbindung und widerstrahlt sich darin. Wenn nun diese Verbindung aufhört, so ist dem Spiegel die Bestrahlung, die Schönheit und die Zurückstrahlung genommen.“
(Aus „Vom Tod und vom ewigen Leben“, „Sonne der Wahrheit“, Januar 1924, S. 164.)
Frage: „Was ist unter dem Spiegel göttlicher Widerstrahlung zu verstehen?“
Antwort ‘Abdu’l-Bahás: „Unter ‚Spiegel‘ ist der ganze Körper, vornehmlich das Gehirn zu verstehen. Der Körper enthält in seinem Aufbau viele Elemente, die sich während der Lebensdauer des Menschen fortgesetzt ändern. Bei der Auflösung des Körpers kehrt jedes Element in seinen ursprünglichen Zustand zurück. Der menschliche Körper ist wie der des Tieres. Den einzigen Unterschied bildet der Grad oder das Niveau der Erkenntnis. Hieraus geht hervor, daß nur die Erkenntnis oder der Geist nach dem Tode übrig bleibt. — Die Elektrizität ist an ihren Eigenschaften und Auswirkungen erkenntlich. Die Kraft der Erkenntnis wird an denselben Merkmalen erkannt. Nach dem Tode ist der Zustand der Seele ein derartiger, daß dies nicht in Worte gefaßt werden kann. Es ist ein Begreifen, ein Verstehen, das alle anderen Dinge, wie z. B. auch die Gefühlswelt, in sich einschließt.
Bei den Menschen gibt es Abstufungen. Es stehen nicht alle auf der gleichen Entwickelungsstufe. Beobachte die vielerlei Charaktere und vergleiche sie miteinander, z. B. zehn Kinder, die die gleiche Erziehung und Behandlung genießen und die gleiche Nahrung erhalten. Die Unterschiede werden sich herausstellen und werden klassifiziert werden können in: sich rasch entwickelnde, sich langsamer entwickelnde und beinahe stehen gebliebene Kinder.“
(Aus „Vom Tod und vom ewigen Leben“, „Sonne der Wahrheit“, Januar 1924, S. 164.)
Über den Zustand der Seelen.
". . . Hinsichtlich deiner Frage, ob alle Seelen ewiges Leben erlangen, wisse, daß das ewige Leben für diejenigen Seelen ist, denen Gott den Geist des Lebens eingehaucht hat, und alle anderen Seelen sind nichts weiter als geistig tot, wie Christus in dem Verse im Evangelium erwähnte (Ev, Matth. 8, 22.), und alle Seelen, die von Gott Sehkraft erlangt haben, erblicken die Seelen der Lebendigen (nachdem diese ihre Körper verlassen haben), die in der Gegenwart ihres Herrn weilen, und sie sehen auch die toten Seelen, die in der Dunkelheit der Nichtexistenz untergetaucht sind.
Und wisse, daß alle Seelen nach dem Wesen (Bilde) Gottes geschaffen worden sind, und daß alle zur Zeit ihrer Geburt gut sind. Jedoch verändern sie sich später, je nachdem sie Tugenden oder Fehler angenommen haben.
Nichtsdestoweniger sind die Wesen nach Graden und Stufen erschaffen, denn die
Fähigkeiten sind verschieden. Alle sind in ihrer eigenen Beschaffenheit und Stufe gut
und rein, bis sie ihre Seelen durch ihre eigenen Handlungen beflecken. Betrachte
den menschlichen Körper: seine Organe und Glieder — zum Beispiel das Gesicht, das Gehör,
den Geruch und das Gefühl. die Hände und die Nägel. Trotz der unter diesen Gliedern
bestehenden Verschiedenheit wird jedes in seiner eigenen Funktion geschätzt, es
sei denn, daß eines von ihnen versagt hat, so daß es eines Heilmittels bedarf,
und wenn die Arznei dann keinen Erfolg hat, muß
[Seite 35]
solch ein Teil oder Glied abgeschnitten und weggeworfen werden
(Vgl. Ev. Matth. 7, 19.).“
(gezeichnet) ‘Abdu’l-Bahá Abbas.
(Aus dem Französischen von Mrs. May Bolles Maxwell im Dezember 1902 ins Englische übersetzt. Deutsch von der Bahá'i-Bewegung in Ostseebad Müritz |Mecklenburg].)
Am letzten Tage.
»... Wie jede Seele ihre eigene Entwickelung hat, so muß auch jede Seele zuletzt allein vor Gott stehen. Niemand kann am letzten Tage für dich in der Gegenwart Gottes eintreten. Wie die Seele wächst, so vergrößern sich ihre Fähigkeiten. Diese bilden den Maßstab der Entwickelung. Liebe ist ein Beweis großer seelischer Fähigkeit. Wenn wir die Menschen lieben, wie Gott uns liebt, dann haben wir die vollkommene Stufe erreicht. Das ewige Leben ist uns dann eigen, und diese vergängliche Welt kann uns nichts mehr bieten. Jeden Tag sollst du Gutes tun, und wenn es nur durch das Sprechen eines freundlichen Wortes geschieht . . .“
(Aus „Geistige Entwickelung“, „Sonne der Wahrheit“, Juli 1922, Seite 74.)
„O Sohns des Seins! Ziehe dich jeden Tag selbst zur Rechenschaft, bevor du zur Verantwortung gezogen wirst, denn der Tod wird unangemeldet über dich kommen, und dann wirst du für deine Taten zur Rechenschaft gezogen."
("Verborgene Worte", Seite 13, Ziffer 31.)
Ewiges Leben.
„Ewiges Leben ist eine Gabe Gottes. Es gleicht dem Meer der Wirklichkeit. Die Gläubigen sind die Wogen dieses Meeres, ein großes Meer, dessen tausend Wogen eins sind. Ewiges Leben gleicht den Strahlen der Sonne, und die Gläubigen sind die Fenster oder Spiegel, durch die dieses Licht scheint. Die Sonne, die das Licht hervorbringt, ist ein und dieselbe. In diese Seelenfenster tritt dasselbe Licht ein und beleuchtet die verschiedenen Dinge in ihnen. Das himmlische Königreich gleicht einem Garten. Die Blumen — obgleich verschieden an Farbe und Geruch — empfangen doch ihr Wachstum, ihre Schönheit und Frische von dem einen Gott und entwickeln sich durch denselben göttlichen Hauch. — Die Wahrheit gleicht dem Licht, welches immer dasselbe ist. Die Seelen der Gläubigen sind wie ein Spiegel, der das Licht widerspiegelt. Wahrheit gleicht dem Licht einer Kerze, welches sich nicht ändert, wenn auch der Leuchter, der es enthält sich ändern mag. Die Rose bleibt jedes Jahr dieselbe schöne Blume, obschon sie in verschiedenen Gärten blüht.“
(Aus „Zehn Tage im Lichte Akkas“, „Sonne der Wahrheit“, April 1922, Seite 22.)
Die wahre Größe.
Frage: „Welches ist die wahre Größe des Menschen?“
Antwort 'Abdu'l-Bahás: „Seine geistigen Eigenschaften. Niemand kann seine geistigen Eigenschaften zerstören. Sie sind von Gott.“
(Aus „Zehn Tage im Lichte Akkas“, „Sonne der Wahrheit“, Mai 1922, Seite 41.)
(Fortsetzung folgt.)
Aus dem Gehorsam gegenüber den göttlichen Geboten erwächst der Segen[Bearbeiten]
Eine Zusammenstellung von E. Groth, Schwerin
O, daß du Meine Gebote merktest, so würde dein Friede sein wie ein Wasserstrom
und deine Gerechtigkeit wie Meereswellen. (Jesajas 48, 18.)
Gehorchet Meinem Wort, so will Ich euer Gott sein, und ihr sollt Mein Volk sein; und wandelt auf allen Wegen, die Ich euch gebiete, auf daß es euch wohl gehe. (Jeremias 7, 23)
Lieber, gehorche doch der Stimme des Herrn, die ich dir sage, so wird dir’s wohl
gehen, und du wirst lebend bleiben. (Jeremias 38, 20.)
[Seite 36]
So ihr Mich von ganzem Herzen suchen werdet, so will Ich Mich von euch finden lassen. (Jeremias 29, 13—14.)
. . . Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf daß ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. (Matthäus 5, V. 44, 45.)
. . . Lehrt sie (alle Völker) halten alles, was Ich euch befohlen habe, und siehe, Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. (Matthäus 28, 20.)
Wer Mich liebet, der wird Mein Wort halten, und Mein Vater wird ihn lieben, und Wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen. (Joh. 14, 23.)
So ihr Meine Gebote haltet, so bleibt ihr in Meiner Liebe, gleichwie ich Meines Vaters Gebote halte und bleibe in Seiner Liebe. (Johannes 15, 10.)
Nehmt das Wort an mit Sanftmut, das in euch gepflanzt wird, welches kann eure Seelen selig machen. (Jakobus 1, 21.)
Sei getreu bis an den Tod, so will Ich dir die Krone des Lebens geben. (Offenbarung 2, 10.)
—————
O Sohn des Seins! Liebe Mich, damit Ich dich liebe... (Bahá’u’lláh, Verb. W. A. 6.)
O Sohn des Seins! Halte Meine Gebote aus Liebe zu Mir und entsage deinen eigenen Begierden, wenn du Mein Wohlgefallen wünschest. (Bahá’u’lláh, Verb. W. A. 39.)
O Menschensohn! Vernachlässige Meine Gesetze nicht, wenn du Meine Schönheit liebst, und vergiß Meinen Rat nicht, wenn du Meinen Willen zu erreichen hoffst. (Bahá’u’lláh, Verb. W. A. 40.)
O Sohn des Menschen! Verherrliche Meine Gebote, daß Ich dir die Geheimnisse der Unendlichkeit offenbare und dich mit den Lichtern der Ewigkeit erleuchte. (Bahá’u’lláh, Verb. W. A. 42.)
O Sohn des Menschen! Sei Mir untertan, daß Ich Mich zu dir herablassen kann und diene Meiner Sache, daß du siegreich in Mir sein mögest. (Bahá’u’lláh, Verb. W. A. 43.)
O Sohn des Seins! Gedenke Meiner auf Meiner Erde, damit Ich in Meinem Himmel deiner gedenke, und Unsere Augen sich so darin erfreuen mögen.(Bahá’u’lláh, Verb. W. A. 44.)
O meine Brüder! Höret Meine schönen Worte von Meiner süßen Zunge und trinket das Wasser des Lebens aus der Quelle Meiner Lippen. Das heißt, säet den Samen meiner Weisheit in den reinen Grund des Herzens und bewässert ihn mit eurer Überzeugung, dann wird die Hyazinthe Meiner Erkenntnis und Weisheit in der heiligen Stadt des Herzens aufkeimen und blühen. (Bahá’u’lláh, Verb. W. P. 32.)
Erhebt euch, o sterbliche Menschen! Seid treu den Geboten und standhaft in der Liebe zu Gott und bestätigt Mich, wodurch ihr näher zu Gott gelangt. (Bahá’u’lláh.)
. . . Beschränke deine Interessen, deine Arbeit und deine Bemühungen auf die Sache Gottes. Dann wird dich der Geist der Kraft und Macht bestätigen und das offenbarte Licht wird auf deiner Stirne leuchten. ('Abdu'l-Bahá.)
Opfere deinen Willen dem Willen Gottes. Wer seiner selbst vergißt, gewinnt das Königreich. Alles wird euer, wenn ihr allem entsaget. ('Abdu'l-Bahá.)
Das ist die Liebe zu Gott, daß wir Seine Gebote halten, und Seine Gebote sind nicht schwer. (1. Joh. 5, 3.)
In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an das Bahá’i-Bureau Stuttgart, Alexanderstr. 3, Nebengebäude, zu richten.
Geschichte und Bedeutung der Bahá’i-Lehre[Bearbeiten]
Die Bahá’i-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.
Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahá’i-Bewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahá’i-Religion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahá’i (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahá’i der Welt.
Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahá’i, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China usw. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.
In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).
Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (größtes heiliges Buch), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.
Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheitssprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.
Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, Seite 66.)
Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart
Fernsprecher Nr. 26168 / Postscheckkonto 25419 Stuttgart / Alexanderstr. 3, Nebengebäude
In unserem Verlag sind erschienen:
Bücher:
Verborgene Worte von Bahá’u’lláh. Worte der Weisheit und Gebete . . . —.80
Bahá’u’lláh, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. In Halbleinen gebunden . . . . . 2.00
in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 2.50
'Abdu'l-Bahá Abbas, Ansprachen in Paris über die Bahá’i-Lehre . . . . . . 2.50
Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, von Mirza Abul Fazl. . . . . 2.50
'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. In Ganzleinen gebunden . . . . . 3.--
Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase. Kartoniert M. 3.--, in Halbleinen gebunden . . . . 3.50
Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont. In Ganzleinen gebunden . . . . . 3.50
Beantwortete Fragen 'Abdu'l-Bahá Abbas', gesammelt von L. Clifford Barney . . . . 3.50
Broschüren:
Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit. Von Dr. jur. H. Dreyfus . . . -.30
Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás, ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") . . . -.30
Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey . . . . —.30
Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahá’i-Lehre von Dr. Hermann Grossmann, Weinheim (Bergstrasse) . . . . —.20
Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Grossmann, Weinheim (Bergstrasse) . . . . —.20
Sonne der Wahrheit, in Halbleinen gebunden je . . . . 6.--
Der Versand erfolgt gegen Nachnahme oder gegen Voreinsendung des Betrages.