Sonne der Wahrheit/Jahrgang 12/Heft 11/Text
SONNE DER WAHRHEIT | ||
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI | ||
HEFT 11 | 12. JAHRGANG | JAN. 1933 |
Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i-Prinzipien[Bearbeiten]
1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.
Bahá’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Bahá’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Bahá’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.
2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.
In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.
3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.
Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.
4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.
Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.
5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.
Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.
6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.
Dies ist eine besondere Lehre Bahá’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.
7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.
Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.
8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.
Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.
9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.
Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.
10. Die soziale Frage muss gelöst werden.
Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Bahá’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.
11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.
Bahá’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weltsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.
12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.
Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.
Vor mehr als 50 Jahren befahl Bahá’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.
Bahá’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.
SONNE DER WAHRHEIT Organ der deutschen Bahá’i Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3 Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark |
Heft 11 | Stuttgart, im Januar 1933 Masá’il — (Fragen) 89 |
12. Jahrgang |
Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion
Inhalt: Das Leben nach dem Tode. — Dem scheidenden Jahre zum Gruß. — Zum Neuen Jahr. — Was ist die Bahá’i-Lehre und was will sie? — Sendschreiben Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláh an Papst Pius IX. — Göttliche Lebenskunst. — Eßlinger Bahá’i-Sommerwoche.
Gebet von Bahá’u’lláh
Erschaffe in mir ein reines Herz, Du mein Herr! Erneuere in mir eine ruhige Seele, Du meine Hoffnung! Mache mich durch den Geist des Befehles fest in deiner Sache, Du mein Geliebter! Zeige mir Deinen Pfad durch das Licht Deiner Führung, Du mein Verlangen! Gewähre, daß ich durch Deine größte Erhabenheit zu dem Himmel der Heiligkeit aufsteige, Du mein Ursprung! Mache mich glücklich, lasse die Düfte der Unsterblichkeit mich umwehen, Du Ewiger! Beruhige mich durch die Melodien der Ewigkeit, Du mein Gefährte! Beschirme mich durch die Schätze Deiner Präexistenz vor allem außer Dir, mein Gott! Beglücke mich durch die Offenbarung Deiner immerwährenden Identität, Du, der Du wirklicher bist als ich selbst es bin, Du, der Du in meinem tiefinnersten Herzen verborgen bist!
Das Leben nach dem Tode.[Bearbeiten]
II. Teil. (Schluß)
Zusammengestellt von den Bahá’i in Müritz (Mecklenburg)
Ewiges Leben und der Eintritt in das Königreich Gottes.
„Ihr habt mich über das ewige Leben und den Eintritt in das Königreich Gottes gefragt.
Der allgemeine Ausdruck für das Königreich ist ‚Himmel‘. Diese Bezeichnung ist aber nur ein Vergleich, keine Wirklichkeit oder Tatsache, denn das Königreich Gottes ist kein materieller Ort. Es ist über Zeit und Raum erhaben. Es ist eine geistige, eine göttliche Welt und der Mittelpunkt der Herrschaft Gottes. Es ist von allem Körperlichen frei und steht rein und heilig über den Vorstellungen der Menschen. Die Beschränkung auf den Raum ist dem Körper eigen und nicht dem Geiste. Raum und Zeit umgeben den Körper, aber nicht die Vernunft und den Geist. Bedenket, daß der Körper des Menschen auf einen kleinen Platz beschränkt ist. Er bedeckt nur zwei Spannen Erde. Aber der Geist des Menschen wandert in alle Länder und Himmelsrichtungen, ja sogar durch den grenzenlosen Himmelsraum. Er umgibt alles, was existiert, und macht in den höchsten Sphären und unbegrenzten Fernen Entdeckungen. Dies rührt daher, daß der Geist an keinen Ort gebunden ist. Für ihn ist Erde und Himmel eins. Er macht in beiden Entdeckungen. Aber der Körper ist auf den Raum beschränkt und kennt nichts, was außer ihm ist.
Es gibt zweierlei Leben: das des Körpers und das des Geistes. Das Leben des Körpers ist ein materielles, aber das des Geistes bringt die Existenz des Königreiches zum Ausdruck und besteht darin, den Geist Gottes zu empfangen und durch den Odem des Heiligen Geistes belebt zu werden. Wenn auch das materielle Leben vorhanden ist, so gilt es doch den Heiligen als absolute Nichtexistenz und als tot. So ist zum Beispiel der Mensch vorhanden und ebenso dieser Stein vorhanden. Aber welch ein Unterschied besteht zwischen dem Dasein des Menschen und dem des Steines! Wenn auch der Stein existiert, so ist er doch verglichen mit dem Dasein des Menschen — nicht existierend.
Das ewige Leben bedeutet für die Seele die Gabe des Heiligen Geistes, wie die Blume die Gaben der Jahreszeit, der Luft und der Düfte des Frühlings empfängt. Bedenket, diese Blume hatte ursprünglich ein Leben gleich dem des Minerals, aber durch das Kommen des Frühlings, durch die Gaben aus seinen Wolken und die Wärme der Sonne erlangte sie ein anderes Leben, ein Leben der äußersten Frische, Schönheit und des Duftes. Im Vergleich mit dem zweiten Leben dieser Blume war ihr erstes Leben tot.
Dies bedeutet, daß das Leben des Königreiches das Leben des Geistes, das ewige Leben ist, und daß es über dem Raum steht gleich dem Geiste des Menschen, der an keinen Raum gebunden ist. Wenn ihr zum Beispiel den menschlichen Körper untersucht, so werdet ihr keinen besonderen Ort für den Geist finden, denn er hat nirgends einen Sitz. Er ist nicht materiell. Seine Verbindung mit dem Körper gleicht der Verbindung der Sonne mit dem Spiegel. Die Sonne ist nicht innerhalb des Spiegels, aber sie hat Verbindung mit ihm.
So ist auch die Welt des Königreiches erhaben über alles, was durch das Auge oder durch die anderen Sinne, wie Gehör, Geruch, Geschmack oder Gefühl wahrgenommen werden kann. Wo hat die Vernunft, deren Dasein doch anerkannt wird, ihren Sitz im Menschen? Wenn ihr den Körper mit den Augen, den Ohren oder den anderen Sinnen. untersucht, so werdet ihr sie nicht finden, aber trotzdem ist sie vorhanden. Die Vernunft hat also keinen Ort, aber sie ist mit dem Gehirn verbunden. Ebenso ist es auch mit dem Reich Gottes. Wie die Liebe nirgends einen Ort hat, aber doch mit dem Herzen des Menschen verbunden ist, so hat auch das Königreich keinen Ort und ist dennoch mit dem Menschen verbunden.
Der Eintritt in das Reich Gottes erfolgt durch die Liebe zu Gott, durch Trennung
vom Irdischen, durch Heiligkeit und Keuschheit, durch Wahrhaftigkeit, Reinheit,
Standhaftigkeit, Ehrlichkeit und durch Aufopferung des Lebens.
[Seite 123]Das Leben nach dem Tode
Diese Erklärungen zeigen, daß der Mensch unsterblich ist und ewiges Leben besitzt. Denn für den, der an Gott glaubt und die Liebe zu Gott in sich trägt, ist das Leben vortrefflich, d. h. ewig. Aber das Leben jener Seelen, denen Gott verhüllt ist, ist dunkel. Im Vergleich zu dem Leben der Gläubigen ist ihr Leben Nichtexistenz.
Das Auge und der Nagel zum Beispiel sind beide lebendig, aber im Vergleich zu dem Leben des Auges ist das Leben des Nagels ein Nichts. Dieser Stein und dieser Mensch existieren beide, aber der Stein ist im Vergleich zu dem Dasein des Menschen nichtexistierend. Er hat kein Wesen. Erst wenn der Mensch stirbt und sein Körper aufgelöst wird, wird er dem Stein und der Erde gleich. Daher ist es klar, daß das Mineral im Vergleich zu dem Menschen nicht existiert.
So ist es auch mit den Seelen, denen Gott verhüllt ist. Wenn sie auch in dieser und in der anderen Welt leben, so sind sie doch im Vergleich zu dem heiligen Leben der Kinder des Königreiches Gottes tot und von Gott getrennt.“
(Aus „Beantwortete Fragen“, S. 305/308.)
Die Kraft wirksamer Fürbitte.
„Die Gnade wirkungsvoller Fürbitte ist eine der Vollkommenheiten, die die vorgeschrittenen Seelen, wie auch die Manifestationen Gottes haben. Jesus Christus hatte die Macht, für Seine Feinde um Vergebung zu bitten, als Er auf der Erde weilte, und sicher hat Er diese Macht jetzt noch. 'Abdu'l-Bahá erwähnte niemals den Namen einer verstorbenen Person, ohne zu sagen: ‚Möge Gott ihm vergeben!‘ oder Worte, die das gleiche bewirken. Auch Nachfolger von Propheten haben die Macht, für Seelen um Vergebung zu beten. Wir dürfen daher nicht denken, daß manche Seelen, die in absoluter Unkenntnis von Gott hinübergegangen sind, zum Dauerzustand des Leidens und des Unterganges verdammt sind. Die Kraft wirksamer Fürbitte für sie ist immer vorhanden...
Wer in der anderen Welt reich ist, kann dem Armen helfen, ebenso wie hier der Reiche dem Armen helfen kann. In allen Welten sind alle Wesen die Geschöpfe Gottes. Sie sind immer von Ihm abhängig. Sie sind nie unabhängig und können es nicht sein. Weil sie ihre Bedürfnisse bei Gott suchen, werden sie, je mehr sie flehen, desto reicher. Was ist ihre Ware, was ist ihr Wohlstand? Was ist in der anderen Welt Hilfe und Beistand? Es ist die Fürbitte. Unentwickelte Seelen müssen den Fortschritt durch die Gebete der geistig Reichen zu gewinnen suchen. Hernach können sie auch durch ihre eigenen Gebete Fortschritte machen.“ ('Abdu'l-Bahá.)
(Aus „Bahá’u’lláh und das Neue Zeitalter“, Seite 304/305.)
»... Wer entsprechend dem lebt, was für ihn vorgesehen wurde, für den werden die himmlischen Heerscharen und das Volk des allerhöchsten Paradieses und die, die im Dome der Größe wohnen, nach einem Befehl Gottes, des Teuersten, des Preiswürdigsten, beten.“ ('Abdu'l-Bahá.)
(Aus „Bahá’u’lláh und das Neue Zeitalter“, Seite 306.)
Die Grundlage jeder Erlösung.
Frage: „Im Kitábu’l-Aqdas heißt es: ‚Er gehört zu dem Volk des Irrtums, obwohl er alle guten Taten aufweist.‘ Welche Bedeutung hat dieser Vers? Antwort 'Abdu'l-Bahás: „Dieser gesegnete Vers will sagen, daß die Erkenntnis Gottes die Grundlage allen Erfolges und jeder Erlösung ist, und daß die guten Taten als Früchte des Glaubens die Resultate dieser Gotteserkenntnis sind.
Wenn der Mensch diese Erkenntnis nicht besitzt, dann wird er von Gott getrennt sein,
und wenn diese Trennung von Gott besteht, haben gute Taten keine vollkommene Wirkung.
Mit diesem Vers soll aber nicht gesagt sein, daß die von Gott getrennten Seelen
alle gleich sind, einerlei, ob sie gute oder böse Taten verrichten. Seine Bedeutung ist
vielmehr, daß die Gotteserkenntnis die Grundlage bildet, und daß die guten Taten
die Resultate dieser Erkenntnis sind. Aber dennoch ist es gewiß, daß zwischen den
guten Menschen und den Sündern und Gottlosen, denen Gott verhüllt ist, ein Unterschied
besteht. Ein Mensch zum Beispiel, dem Gott verhüllt ist, der aber doch gute Grundsätze
und einen guten Charakter hat,
[Seite 124]
verdient die Gnade Gottes, während ein Sünder mit schlechten Eigenschaften und einem
schlechten Charakter dieser Gaben und Segnungen Gottes beraubt ist. Hierin liegt der
Unterschied.
Dieser gesegnete Vers sagt uns also, daß gute Taten allein — ohne Gotteserkenntnis — nicht die Ursache ewiger Errettung, ewigen Erfolges und ewiger Glückseligkeit sein können und dem Menschen nicht zum Eintritt in das Königreich Gottes verhelfen.“
(Aus „Beantwortete Fragen“, S. 301/502.)
(III. Teil folgt.)
Dem scheidenden Jahr zum Gruß...[Bearbeiten]
Von Paul Häcker, Stuttgart
Noch einmal flutet Sonnengold
In alle dunklen Gründe,
Als ob es tiefer gründen sollt
In einem Flammenmeer voll Gnade,
In dem sich rein und reiner bade
Die Dämonie des Lebens,
Und nimmermehr vergebens
Sich an dem Göttlichen entzünde.
Zum Neuen Jahr.[Bearbeiten]
Von Paul Häcker, Stuttgart
Was das Alte
Immer wieder
Leise sagen
Wollte, Lieder,
Soll im Neuen
Neues künden
Und in allem
Zu Dir finden. —
Was ist die Bahá’i-Lehre und was will sie?[Bearbeiten]
Von Frau Dr. F. †
Die 19 Grundgesetze der Bahái-Lehre sind:
1. Der Kosmos wird eingeteilt in das Sichtbare-Endliche und das Unsichtbare-Unendliche.
Das Sichtbare, Endliche ist das Erschaffene, die Schöpfung, das Unsichtbare und Unendliche ist der Erschaffer, der Schöpfer, das heißt Gott. Gott der Schöpfer hat die Schöpfung geschaffen, ins Leben und Dasein gerufen: Es gibt also nur einen Gott und Schöpfer und Nichts außer Ihm, denn die Schöpfung gehört Ihm.
2. Das Endliche, d. h. der Mensch, das Geschöpf kann das Unendliche, d. h. Gott den Schöpfer nicht fassen, nicht völlig erkennen. Deshalb sandte Gott, der Schöpfer der Reihe nach — die Propheten, Religionsstifter als Ausstrahlungen Seines Geistes, zu den Menschen, Seinen Geschöpfen.
3. Da es nur einen Gott gibt und nur einen Prophetencharakter als Wiederspiegelung des Göttlichen, so kann es auch nur eine Wahrheit, eine Religion, d. h. geistige Beziehung des Geschöpfs zu Gott, dem Schöpfer geben.
Demnach stellen alle Glaubensbekenntnisse nur eine mehr oder weniger unvollkommene Beziehung mit Gott, einen mehr oder weniger unvollkommenen Gottesdienst dar, jedoch der Grundgehalt aller Religionen ist derselbe, der der Vernunft und Wissenschaft nicht widerstreitet und ihr nicht widerspricht.
4. Aus der Einheit Gottes, der Einheit der Propheten, der Einheit der Religionen ergibt sich die Einheit, d.h. Brüderlichkeit des Menschengeschlechts.
5. Aus der Einheit und Brüderlichkeit der Menschen, welche in Einheit, d.h.
Harmonie dem Einen Gott dienen sollen, folgt die Verpflichtung, nicht nur jeden Streit,
Unfrieden, Krieg zu vermeiden, sondern vielmehr in Taten der Nächstenliebe
dem Völkerfrieden nachzustreben.
[Seite 125]
6. und 7. Durch einen Völkerbund und Einführung einer Welt-Einheitssprache neben der jeweiligen Muttersprache soll der Weltfrieden dauernd gesichert werden.
8. Jedes Glied der Menschheit hat dasselbe Anrecht auf die geistigen Güter von Religion, Wissenschaft und Kunst, deshalb sollen Mädchen und Knaben in allen Ständen dieselbe gute Erziehung und Schulung genießen (Einheitsschulwesen). Jeder Mensch soll in Stand gesetzt werden, selbst nach Wahrheit zu forschen.
9. Es besteht für jeden Menschen die Arbeits-, d. h. Berufspflicht. Alle Arbeitsunfähigen oder sonst Erwerbslosen unterstehen einer liebevollen Fürsorge der betreffenden Gemeinschaft.
10. Es sollen keine Rassen-, keine Geschlechts-, keine Geburtsvorrechte zugelassen werden; jede Art der Sklaverei oder Hörigkeit ist untersagt. Der Menschheitseinheit gebührt eine Rechtseinheit.
11. Da es weder Bettler noch Rentner, weder Hörige noch Sklavenhalter geben darf, muß durch ein weises Erbrecht, gerechte Steuern und geeignete soziale Gesetze jeder Kapitalismus oder sonstige Ausbeutung verhindert werden.
12. Vergehen gegen sich, gegen andere, gegen Gott werden nicht gerächt, sondern gesühnt, und wenn möglich soll der Verbrecher durch sühnende Strafe gebessert werden.
13. Jeder Erwachsene hat das Recht und die Pflicht auf Eheschließung und Familiengründung. Eltern und Gemeindevorsteher haben nur beratende Stimme dabei.
14. Die Ehe als die engste Gemeinschaft vor Gott darf nur dann gelöst werden, wenn es beide Beteiligten nach einem Jahr Bedenkzeit noch fordern.
15. Die Ehelosen (aus Muß oder Will) sollen in irgend einer Art den fürsorgebedürftigen Kindern stellvertretende Vater- oder Mutterpflichten übernehmen.
16. Für jedes Gemeindewesen, für jedes Land, für den überstaatlichen Völkerbund wird eine Zentralbehörde, das sogenannte Haus der Gerechtigkeit eingesetzt.
17. Die Gewißheit des Heils, d.h. der Erlösung von Sünde und Unwissenheit erlangt der Mensch weder durch seine fünf Sinne, noch durch die Vernunft (vernünftiges Denken), noch durch Überlieferung und Autoritätsglauben, sondern durch göttliche Inspiration, sei es direkt von Gott, oder indirekt durch dessen Manifestation.
18. Infolgedessen gibt es für den Bahai kein Lebensgebiet, wo er nicht Gehorsam und Opfer schuldet, den Erkenntnissen, den Offenbarungen und den Gesetzen der göttlichen Manifestation (Bahá’u’lláh).
19. Hat ein Mensch durch die Gnade Gottes, die Erleuchtung, d.h. Gotteserkenntnis vom „Propheten“, der Manifestation Gottes erhalten, so ist er ein Bahái und zählt zum Bahá’i-Weltbund. Jeder Bahá’i hat seine Erleuchtung und Erlösung zu bezeugen durch Taten der Liebe, der Toleranz und des Friedens. Er hat seine Gottes- und Welterkenntnis zu vergrößern und zu vertiefen, indem er auf die Bahá’i-Lehre hört, welche der Sohn des Stifters der Bahá’i-Lehre Abbas Effendi-'Abdu'l-Bahá in Haifa verkündete, auslegte und vorlebte, und deren Sachwalter dessen Enkelsohn, Shoghi Effendi, heute ist.
Sendschreiben Seiner Heiligkeit Bahá’u’lláh an Papst Pius IX.[Bearbeiten]
Übersetzung von O.G. aus der französischen Übertragung des Dr. Hippolyte Dreyfus, L’oeuvre de Bahá’u’lláh, Tome II, Editions Ernest Leroux, Paris, 1924
O Papst! Zerreiße die Schleier, denn der Herr der Herren ist gekommen im Schatten
der Wolken, und der Befehl ward erlassen von Gott, dem Unabhängigen, dem Allmächtigen!
Öffne die Vorhänge vermöge der Macht deines Herrn, dann steige auf zum
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Königreich der Namen und Attribute. Also befiehlt dir die Allerhöchste Feder in der Hand
deines Herrn, des Starken, des Mächtigen. Wahrlich, Er ist ein zweites Mal vom Himmel
gekommen, wie Er zum ersten Male von dort kam. Hüte dich, wie die Pharisäer Einwände
gegen Ihn zu erheben ohne Beweis und Grund. Aus Seiner Rechten fließt der
Kawther der Güte, aus Seiner Linken der Salsabil der Gerechtigkeit: vor Ihm her
wandeln die Engel des Himmels mit der Fahne der Verse in den Händen. Hab acht,
daß die Namen dich nicht fernhalten von Gott, dem Schöpfer der Erde und des
Himmels. Laß ab von der Welt und deiner eigenen Meinung und eile hin zu deinem
Meister, durch Den der Horizont erleuchtet ist, denn das Königreich ist mit Unserem
Namen Abhá geschmückt. Also ward der Befehl gegeben von Gott, dem Schöpfer der Dinge.
Mögen die falschen Vorstellungen dich nicht zurückhalten, nachdem die Sonne der
Gewißheit am Horizonte des Beyán von deinem Herrn, dem Starken, dem Wohlwollenden
gestrahlt hat. Kannst du in Palästen wohnen, da der König der Offenbarung in
der verfallensten Behausung weilt? Verlasse jene, die sich dort aufhalten, und eile in
Geistigkeit und Freude zum Königreiche hin. Sprich: „o Völker der Erde, zerstöret eure
Stätten der Nachlässigkeit mit den Händen der Macht und des Vertrauens und bauet in
euren Herzen die Galerie der Erkenntnis auf, damit der Barmherzige daselbst erstrahle.
Das ist es, was sich für euch schickt, während die Sonne auf euch scheint, und Der,
Welcher den entscheidenden Beweis besitzt, legt Zeugnis davon ab“.
Wahrlich, das sanfte Wehen Gottes hat sich in der Welt verbreitet, seit der Ersehnte in Seiner größten Herrlichkeit gekommen ist, und jeder Stein und aller Staub verkünden: „wahrlich, der Verheißene ist erschienen und das Reich ist Gottes, des Unabhängigen, des Starken, des Verzeihenden!“ Hab acht, daß nicht die Wissenschaften dich des Königs des Wissens berauben oder die Welt Dessen, Der sie erschaffen und sie sich selbst überlassen hat. Erhebe dich unter den Völkern der Welt im Namen deines Herrn; ergreife den Lebenskelch mit der Hand des Vertrauens, trinke zuerst daraus, dann gib unter denen, die Religion haben, jenen zu trinken, die vorwärtsstreben. Also scheint der Mond des Beyán am Horizonte der Weisheit und der Erklärung. Zerreiße die Schleier der Wissenschaft aus Furcht, sie möchten dich fernhalten von den Ufern Meines Namens, des Ewigen!
Denke daran, daß, als Jesus kam, der gelehrteste unter den Ulemá (Religionsgelehrte, Schriftgelehrte) seinerzeit in seiner eigenen Stadt den Rechtsspruch gegen Ihn fällte, während Fischer an Ihn glaubten: seid gewarnt, o ihr, die ihr Einsicht besitzt! Laß dich beschützen durch die Sonnen an den Himmeln der Namen, damit du nicht durch die Finsternis getäuscht und des Lichtes beraubt werdest. Prüfe, was in das Buch herniedergestiegen ist von deinem Herrn, dem Starken, dem Geber. Sprich: „O Versammlung der Ulemá, laßt eure Federn stillstehen, denn das Knirschen der Höchsten Feder läßt sich zwischen der Erde und dem Himmel vernehmen. Verlaßt, was ihr habt, und macht euch zu eigen, was Wir euch mit der Macht und dem Beweis gesandt haben. Wahrlich, sie ist gekommen, die Stunde, die im Wissen Gottes verborgen lag, und die Atome verkünden: „der Ewige ist gekommen, der Träger höchster Herrlichkeit!“ Eilt Ihm entgegen, o Völker der Erde, in Demut und Reue. Sprich: „Wahrlich, Ich habe Mich für euer Leben geopfert. Nun, da Ich ein zweites Mal zu euch komme, sehe Ich euch auf der Flucht vor Mir. Auch das Auge Meines Mitleids weint über eure Entfernung“. Glaubet an Gott, o ihr, die ihr Sehvermögen besitzt!
Betrachte jene, die sich Jesus widersetzt haben, als Er mit der Macht und der Entscheidung zu ihnen kam. Wie viele unter den Pharisäern warteten auf Seine Begegnung und wehklagten über das Getrenntsein von Ihm! Aber als der Wohlgeruch der Begegnung sich verbreitete und die Schönheit erschien, machten sie Ihm Einwände und leisteten Ihm Widerstand. Also entschleiern Wir dir, was in den Psalmen und Tablets verborgen war. Niemand gelangte zu Ihm außer einer kleinen Anzahl solcher, die sich keiner Beachtung unter der Menschen erfreuten: und heute rühmt sich Seines Namens jeder, der Ehre und Macht besitzt!
[Seite 127]
Betrachte gleicherweise unsere Zeit. Wie viele Mönche haben sich in Meinem Namen
in Klöster zurückgezogen; und als die festgesetzte Stunde kam und Wir ihnen die
Schönheit enthüllten, da anerkannten sie Uns nicht, nachdem sie Uns bei Sonnenauf- und
-untergang inbrünstig angerufen hatten: wir sehen sie Unserer Ära gegenüber geblendet
durch Unseren Namen. Ist das nicht etwas Erstaunliches? Sprich: „habt acht, daß die
Verkündigung euch des Verkündigten, die Anbetung des Angebeteten nicht beraube“.
Zerreißet die Schleier des Aberglaubens: er ist es, euer Herr, der Starke, der Allwissende.
Wahrlich, Er ist gekommen zur Belebung der Welt und zur Vereinigung aller ihrer
Bewohner. Eilet hin, o Völker, zum Dämmerungsort der Inspiration und zaudert
keinen Augenblick. Ihr lest das Evangelium und wendet euch nicht dem Herrn der
Herrlichkeit zu: das steht euch nicht an, o Doktorenkollegium! Sprich: wenn ihr diese
Sache ablehnt, auf Grund welchen Beweises habt ihr an Gott geglaubt? Zeigt ihn Uns. Also
ist der Befehl der Höchsten Feder von seiten eures Herrn Abhá in dieses Tablet
herniedergestiegen von dem Horizonte, an dem die Strahlen des Lichts hervorgebrochen sind.
Wie viele von den Dienern wurden umschleiert durch ihr eigenes Tun, das sie daran
gehindert hat, sich Gott zu nahen, Dem, Der die Seelen entsendet?
(Schluß folgt.)
Göttliche Lebenskunst[Bearbeiten]
Aus den Schriften von ‘Abdu’l-Bahá (Fortsetzung)
Zusammengestellt von Mary M. Rabb (Neuyork, Brentanos Publishers)
Übersetzt von Johanna von Werthern-Stuttgart
2. Kapitel: Einige Eigenschaften göttlicher Seelen
Wandelt, dieweil ihr das Licht habt, daß euch die Finsternis nicht überfalle. Wer in der Finsternis wandelt, der weiß nicht, wo er hingehet. Glaubet an das Licht, dieweil ihr’s habt, auf daß ihr des Lichtes Kinder seid. (Johannes 12, 35—36.)
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Ich erbitte von Gott, daß das göttliche Licht, von dem Johannes im 12. Kapitel spricht, seine Strahlen für immer über dich ergießen möge, daß du immer im Lichte wandeln mögest. Das Leben des Menschen in dieser Welt ist kurz und wird bald zu Ende gehen; darum muß man jeden Augenblick seines Lebens hochschätzen und dem nachstreben, was zu ewigem Ruhm führt.
- —————
Die Sonne ist das größte Glänzen, aber die ihr zugekehrte Fläche muß ein Spiegel sein, soll es zurückgestrahlt werden. Je reiner er ist, desto mehr Licht wird sich durch ihn widerspiegeln.
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Geistigkeit bedeutet ein gutes, reines Herz. Wenn das Herz rein ist, kann der Geist einziehen, und dann ist Wachstum natürlich und sicher. Ein jeder kennt die Beschaffenheit seiner Seele besser als die Seelen anderer. Unsere Verantwortung Gott gegenüber wächst mit unseren Jahren.
- —————
Wenn der Geist bestätigt und unterstützt wird von den Bestätigungen des Heiligen Geistes, dann wird seine Wirkung an allen Dingen der Welt der Existenz bemerkbar werden.
- —————
Wenn der Mensch nicht geistige Fortschritte macht in der Welt des Geistes, des Verstandes und des Herzens, kann er nicht allumfassende Resultate aus materiellem Emporsteigen gewinnen.
- —————
Das geistige Leben wird gekennzeichnet durch Einfachheit und Betrachtung, verbunden mit wohlüberlegter Tätigkeit.
- —————
Frage: Was kann ich tun, um ein wirklicher Knecht Gottes zu werden?
'Abdu'l-Bahá: „Lebe in Übereinstimmung mit den Lehren von Bahá’u’lláh. Lies sie
nicht nur. Es ist ein großer Unterschied zwischen einem Menschen, der die Worte von
[Seite 128]
Bahá’u’lláh nur liest, und einem, der versucht, sie zu leben. Lies die
Verborgenen Worte. Denke nach über ihre Bedeutungen und bringe sie
zum Ausdruck in deinem Leben. Alles, was ich sagen könnte, ist nur ein Tropfen dieser
unendlichen See. Meine Aufgabe ist es, die Schriften von Bahá’u’lláh zu erklären, zu
erläutern, auszulegen. Zum Beispiel: Wir müssen die Wirklichkeit erforschen; wir
müssen der Welt der Menschheit wahrhafte Liebe erzeigen; wir
müssen für die Errichtung des universalen Friedens arbeiten; wir müssen unser Leben
der Führung der Menschheit widmen, wir müssen gütig sein gegen alle Geschöpfe Gottes;
wir müssen den Ruf des Königreiches erheben; wir müssen uns kennzeichnen mit
geistigen Merkmalen; wir müssen in unseren Worten und Taten die Eigenschaften
der Heiligen aufweisen.
Ich erkläre bei Ihm, außer dem nichts wirklich besteht, wenn wir in Übereinstimmung mit einer der Lehren leben, so werden wir leuchtend werden, wie diese Lampe. Wenn wir wörtlich bekennen, daß Bahá’u’lláhs Prinzipien die Ursache von ewigem Heil sind, und das Mittel, Gottes Thron nahe zu kommen, und doch nicht nach ihren Unterweisungen leben, sind wir keine Bahá’is. Darum müssen wir Tag und Nacht für einander beten, so, daß uns geholfen werde, in unserem Leben den allumfassenden Geist Bahá’u’lláhs zum Ausdruck zu bringen.
- —————
Die Sache Gottes ist wie eine Hochschule. Die Gläubigen sind wie die Studenten. Die Schule wurde gegründet zur Erlangung von Wissenschaft und Künsten. Würden die Wissenschaft nicht in ihr gepflegt und die Schüler gefördert, so wäre der Zweck der Schule nicht erreicht. Die Lernenden müssen die Früchte ihres Studiums in ihrem Wissen, ihrem Verhalten und ihren Taten zeigen, sonst haben sie ihre Zeit vergeudet. Nun müssen die Freunde Gottes so leben und sich so verhalten, daß sie der Religion Gottes größeren Ruhm und größeren Erfolg gewinnen. Für sie muß die Sache Gottes eine dynamische Kraft sein, die ihr Leben umgestaltet, nicht eine Frage von Versammlungen, Ausschüssen, nichtigen Wortgefechten, unnötigen Debatten und politischer Drahtzieherei.
Was ist Zweck und Ziel des Ackerns, Pflügens, Säens der Saat und der Bewässerung? Steht ein anderer Gedanke hinter all diesen Arbeiten als die Ernte des Getreides? Wenn die Garben nur grün und frisch sind, aber keine Weizen- oder Gerstenkörner enthalten, so ist der Zweck nicht erreicht. Das Ziel war nicht das üppige Grün des Feldes, sondern die Fülle der Ernte. Ich hoffe, die Freunde werden sich aufs äußerste bemühen, ihr Leben mit überreicher Ernte zu krönen.
- —————
Frage: Wie kann man Ziel und Zweck seines Lebens verstehen?
‘Abdu’l-Bahá: Es gibt zwei Arten des Verstehens, eine objektive und eine subjektive. Zur Erklärung: Du siehst dieses Glas, oder dieses Wasser, und du verstehst in objektiver Weise ihre Bestandteile. Auf der anderen Seite kannst du Liebe, Verstand, Haß, Zorn, Trauer nicht sehen, aber du erkennst sie in subjektiver Weise durch ihre Zeichen und Äußerungen. Das erste ist materiell, das zweite geistig. Das erste ist äußerlich, das zweite intuitiv. Ich hoffe, daß du große Fortschritte machen mögest in der zweiten Art des Verstehens. Wende dein Antlitz zu Gott und sage:
O Gott! Belebe und erfreue meinen Geist! Läutere mein Herz! Entzünde meine Fähigkeiten! Ich lege alle meine Angelegenheiten in Deine Hände! Du bist mein Führer und meine Zuflucht. Ich will nicht mehr traurig und niedergeschlagen sein! Ich will ein glückliches und freudiges Wesen sein. O Gott! Ich will mich nicht mehr länger quälen. Ich will mich nicht mehr durch Unannehmlichkeiten niederdrücken lassen. Ich will nicht bei den unerfreulichen Dingen des Lebens verweilen. Du bist gütiger zu mir als ich selbst es bin. Ich weihe mich Dir, o Herr.
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Alle Dinge sind für den Menschen, der Mensch aber ist für Gott geschaffen. Der
Mensch ist vor allem anderen Erschaffenen ausgezeichnet. Der Mensch, der zum Teil
Tier ist, besitzt alle Eigenschaften des Mineralreiches, denn er hat einen Körper, zudem
besitzt er die Fähigkeit des Pflanzenreiches, Wachstum, und die Eigenschaft des
Tierreiches, Empfindung; und darüber wurden ihm Überlegungs- und Geisteskräfte [Seite 129]
geschenkt, durch welche er die Wirklichkeit der Dinge erkennen kann. Wenn er sichtbare
Dinge sieht und über sie nachdenkt, kann er die Wirklichkeit von Unbekanntem erkennen.
Wenn ein Mensch die Erde aufmerksam betrachtet, so stellt sie sich ihm als weite
Fläche dar, aber durch seine Vorstellungskraft findet er, daß sie die Form einer Kugel
hat. Diese Vorstellungskraft kann niemals im Tierreich gefunden werden: aber der
Mensch kann durch diese Kraft beweisen, daß die Sonne ein Mittelpunkt ist und daß
andere Weltkörper um sie kreisen. Diese Urteilskraft, die nur der Mensch besitzt,
beweist seine Bevorzugung; denn die Eigenschaften und Fähigkeiten der anderen Dinge
und Substanzen sind für den Menschen geschaffen, und über dies wurden ihm
Eigenschaften verliehen, mit denen kein anderes Reich begabt ist. Alles ist
für den Menschen.
Wir sprechen nun in Beispielen, wie Christus in Gleichnissen sprach. Die Welt ist wie ein Baum; das Mineralreich ist seine Wurzel, das Pflanzenreich kann mit den Zweigen verglichen werden, das Tierreich mit den Blüten und der Mensch mit den Früchten an diesem Baume. Der Baum ist nur wegen seiner Früchte da. Wenn der Gärtner keine Früchte erwartete, würde er den Baum nicht pflanzen. In derselben Weise ist alles für den Menschen.
Es gibt zwei Seiten beim Menschen. Eine ist göttlich, die andere weltlich, eine ist erleuchtet, die andere dunkel, eine ist engelhaft, die andere teuflisch. Der Mensch ist den Tieren gleich in allen Bedingungen der Sinne, denn alle tierischen Eigenschaften existieren in ihm. Göttliche und teuflische Eigenschaften sind gleicherweise im Menschen vorhanden; Wissen und Torheit, Führerschaft und Irrtum, Wahrheit und Falschheit, Freigebigkeit und Geiz, Neigung zu Gott und Hang zum Teufel, Keuschheit und Reinheit, Verderbnis und Laster; Tapferkeit und Feigheit, Gutes und Böses; alles ist im Menschen vorhanden.
Wenn die engelhafte Seite stärker wird und die göttliche Macht und Herrlichkeit den Menschen umgibt, dann findet die zweite Geburt statt und ewiges Leben wird aus diesem Geschehen gewonnen. Der Mensch wird das vornehmste unter den Geschöpfen. Wenn auf der anderen Seite sinnliche Eigenschaften überwiegen und wenn irdische Dunkelheit und sinnliche Leidenschaften vorherrschen, wenn sie im Menschen nur die weltlichen Gefühle treffen und ihn als Gefangenen schlechter Eigenschaften und immerwährendem Tode verfallen finden, dann ist solch ein Mensch das niedrigste und verworfenste unter allen Geschöpfen. In solchem Menschen existiert keine göttliche Kraft. Ein Tier kann wegen seiner Grausamkeit und Ungerechtigkeit nicht als ungerecht und böse bezeichnet werden, denn es ist nicht, wie der Mensch, mit göttlichen Kräften begabt worden. Wenn aber der Mensch in ebensolche böse Zustände verfällt, so ist es klar, daß er der nicht-göttlichen Seite seines Wesens erlaubte, über die göttlichen Eigenschaften zu herrschen, mit denen er beschenkt wurde. Dies zeigt die Niedrigkeit und Gemeinheit, die in der menschlichen Natur existiert.
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Der Adel und Ruhm des Menschen besteht darin, daß er, inmitten aller Geschöpfe, der Dämmerungsort der Rechtschaffenheit ist. Kann der Mensch sich eine größere Segnung denken, als das Bewußtsein, daß durch Gottes Hilfe die Mittel für Behaglichkeit, Frieden und Wohlgedeihen der Menschheit in seine Hand gelegt sind?
Nein, es gibt keine vollkommenere Freude, kein größeres Glück als dies. Wie lange sollten wir unsere eigenen selbstischen Wünsche zu erfüllen suchen? Sinn und innere Fähigkeiten wurden uns gegeben, damit wir sie zum Wohle der Menschheit anwenden, und damit wir von der niedrigen Natur des Menschen erhoben werden mögen durch die Festigkeit und Gerechtigkeit unseres Urteils, und damit wir fortwährend Gutes zu tun vermögen.
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Wie edel und gut ist der Mensch, wenn er nur die Stätte erreicht, die ihm bereitet ist. Und wie nieder und verächtlich, wenn er seine Augen dem allgemeinen Wohl verschließt und seine wertvollen Fähigkeiten zu eigenen selbstischen Wünschen nützt. Das größte Glück liegt im Glücke anderer.
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(Fortsetzung folgt.)
Die Eßlinger Bahá’i-Sommerwoche (13.—21. August 1932)[Bearbeiten]
(Fortsetzung)
Damit kommen wir zum nächsten Thema unserer Arbeitswoche:
Das Wesen der Manifestation.
Der Unterschied zwischen dem menschlichen Geist und dem heiligen Geist der Manifestation ist der Unterschied zwischen Emanation und Offenbarung. Der menschliche Geist geht durch Emanation von Gott hervor. Er offenbart Gott nicht, d. h. es hat sich kein Teil der göttlichen Wirklichkeit losgelöst, um in den Körper des Menschen einzutreten. Das Hervorgehen des heiligen Geistes in der Manifestation ist das Hervorgehen durch Offenbarung, d. h. es ist die göttliche Erscheinung im menschlichen Tempel (Körper). Er offenbart die Eigenschaften Gottes. Das Hervorgehen des heiligen Geistes von Gott ist natürlich nicht so zu verstehen, als ob sich die göttliche Wirklichkeit geteilt hätte und von der Höhe der Heiligkeit herabgestiegen wäre. Es ist vielmehr so zu verstehen, daß sich die Gottheit in dem Seelenspiegel der Manifestation am vollkommensten zeigt. Alle Strahlen der Sonne der Wirklichkeit werden ın dessen Brennpunkt vereinigt und reflektiert. Deshalb bleibt die Sonne der Wirklichkeit doch die gleiche, bei ihr gibt es keine Veränderung. — 'Abdu’l-Bahá bezeichnet die Manifestationen auch als unabhängige Propheten im Gegensatz zu den abhängigen. Die ersteren empfangen ohne Vermittler Gaben von der Wesenheit Gottes. Sie gleichen der Sonne. Die letzteren empfangen die Gaben durch die unabhängigen Propheten. Sie gleichen dem Mond, der sein Licht von der Sonne empfängt. — Die Gottgesandten (Manifestationen) unterscheiden sich also von allen anderen Menschen durch die Stufe des Erscheinens des Göttlichen, durch den heiligen Geist. Gott will durch sie den Menschen Seinen Wilen kundgeben.
Das Ziel der Manifestationen besteht darin, die Menschheit zur Erkenntnis und Verwirklichung der für sie im Schöpfungsplan enthaltenen Naturgegebenheiten zu führen. „Da nun die geheiligten universalen Manifestationen Gottes das Wesen und die Eigenschaften der Geschöpfe umfassen und die existierenden Wesen in sich schließen und übertreffen und alle Dinge verstehen. so ist ihr Wissen göttlich und kein erworbenes Wissen, d. h. es ist eine heilige Gabe, eine göttliche Offenbarung. — Die universalen Manifestationen haben Kenntnis von der Wirklichkeit der Geheimnisse aller Wesen und deshalb setzen sie Gesetze ein, die dem Zustand der Menschen angemessen sind; denn die Religion ist die wesentliche, von der Wirklichkeit der Dinge herrührende Verbindung. Wenn (die Manifestation, d. h. der heilige Gesetzgeber, nicht von der Wirklichkeit der Wesen unterrichtet wäre, dann würde Er die wesentliche, von der Wirklichkeit der Dinge herrührende Verbindung nicht begreifen und wäre sicherlich nicht fähig, eine Religion einzusetzen, die der Wirklichkeit entspricht und den tatsächlichen Zuständen angepaßt ist.“ (Beantwortete Fragen, Kap. 40)
Wie die Sonne die belebende Ursache des Wachstums und der Entwicklung aller maieriellen Wesen ist, so scheint die heilige Manifestation auf die Welten des Geistes und ruft einen neuen geistigen Frühling hervor. Die Erleuchtung der Gedankenwelt geht von ihrem Lichte aus.
Die Mittel der Manifestation zur Erreichung ihres Zieles sind die Kraft ihres Geistes, ihre Lehre, (Buch) ihr Leben und ihr Beispiel.
Ihre Wirkung ist als die Wirkung eines geistigen Kraftsenders aufzufassen, der durch den heiligen Geist gespeist wird. Sie hält auch über den Tod der Manifestation hinaus an, ja oft ist sie dann am stärksten.
Die verschiedenen Manifestationen (Abraham, Moses, Christus, Muhammed, Báb, Bahá’u’lláh)
sind als aufeinanderfolgende Lehrer in einem großen Lehrplan zu betrachten. Wie der
Lehrer bei der Auswahl und Darbietung der Bildungsgüter auf die kindliche Entwicklungsstufe
Rücksicht nimmt, so haben sich auch die Lehren der verschiedenen Manifestationen
der Entwicklungsstufe des Volkes angepaßt. Ihre Zielstellungen sind als Etappenziele
aufzufassen, die aber alle auf dem Wege zum höchsten Ziele, der Erkenntnis Gottes,
liegen. Die einzelnen Lehren sind demnach nichts voneinander Abgeschlossenes,
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sondern als eine aufsteigende Linie anzusehen, die zugleich die fortschreitende
Entwicklung der Menschheit darstellt. 'Abdu'l-Bahá sagt einmal: „Die göttlichen
Manifestationen sind viele verschiedene Spiegel, weil jede eine besondere Individualität hat,
aber das, was in diesen verschiedenen Spiegeln widergespiegelt wird, ist ein und dieselbe
Sonne (Beantwortete Fragen, Kap. 39)“, oder „die Mission der Propheten ist es, die Menschheit
zu erziehen, damit sich dieses Stückchen Kohle in einen Diamant verwandle und dieser fruchtlose
Baum zu einem fruchtbaren veredelt werde, der die süßesten und köstlichsten Früchte trägt.“
Alle Botschafter Gottes wurden gesandt, um die Seele der Menschheit derart zu erziehen, daß sie aus ihrem unentwickelten Zustand die aufeinanderfolgenden Stufen der Entwicklung durchläuft.
Die Kraft, sich ohne äußere Hilfe durchzusetzen, die umwandelnde Wirkung durch ihre Lehre, ihr heiliges Buch und ihr Beispiel, außerdem die Prophezeiungen und Wunder sind Beweise für die Manifestationen.
Das vierte Thema lautete:
Die Stellung der Menschen im Weltgesetz.
Das große Naturgesetz der Liebe (Anziehung) ist die Ursache des Lebens. Sie ist das höchste Gesetz in diesem Weltall Gottes. Sie ist das Gesetz der Ordnung zwischen den einzelnen Atomen, durch das sie in der materiellen Welt im richtigen Verhältnis verteilt und zu zusammengesetzten Massen vereinigt werden. Sie ist die magnetische Kraft, welche die Planeten und Sterne in ihren Bahnen hält. — Diesem Naturgesetz ist auch der Mensch als Teil der Natur unterworfen. Er ist gebunden durch das Gesetz von Ursache und Wirkung.
Bei den Wirkungen unterscheiden wir zwischen unbedingten und bedingten. Erstere sind unausweichlich. Die Ursache Geburt z. B. hat die Wirkung Tod. Auch Schlaf, Unglück und Mißgeschick sind nicht allein dem freien Willen des Menschen überlassen.
Die bedingten Wirkungen sind durch Willenshandlungen abwandelbar. Ist doch der Mensch das einzige erschaffene Wesen, dem die Kraft des Verstandes eigen ist, die ihn befähigt, die Naturgesetze zu kontrollieren und teilweise seinen Bedürfnissen dienstbar zu machen. Durch Kombination verschiedener Ursachen kann er die Wirkung abändern bzw. eine unerwünschte Wirkung verhindern. Es ist z. B. möglich, durch rechtzeitiges Absteifen die Einsturzgefahr bei einem Hause zu beseitigen. Dies trifft natürlich nur dann zu, wenn wir überhaupt die Ursache der Einsturzgefahr erkennen und durch Erfahrung die Wirkung der kombinierten Ursachen im voraus wissen.
Oft jedoch ist es nicht vorauszusehen, ob eine Ursache bedingte oder unbedingte Wirkung hat. Die Klugheit gebietet, alle Wirkungen als bedingte anzusehen, damit wir die Möglichkeit haben, unser Leben selbst zu gestalten. Doch sollten wir gleichwohl stets auf unbedingte Wirkungen gefaßt sein, damit wir nicht durch Mißerfolge enttäuscht werden.
Die Kraft des Verstandes ist aber ein Geschenk Gottes und mithin in sein Ermessen
gestellt. Sie mag so groß sein, als sie will, mit ihr allein kommen wir nicht zur
Vervollkommnung. Wir sind vielmehr auf die Hilfe Gottes, auf seine Gnade angewiesen.
Wir verstehen unter Gnade die Summe aller jener Naturgegebenheiten, die zum geistigen
und materiellen Besten der Menschheit wie des Einzelnen wirken, ohne daß wir uns
ihrer bewußt zu werden brauchen. — Bei einer Aussprache über den freien Willen des
Menschen sagt 'Abdu'l-Bahá: „Obgleich dem Menschen also die Wahl zwischen dem Guten
und dem Bösen überlassen ist, ist er doch unter allen Umständen von der stützenden
Hilfe des Lebens abhängig, die nur von dem Allmächtigen kommt. Das Reich Gottes ist
sehr groß, und alle Wesen sind Gefangene in der Hand Seiner Macht. Der Diener kann
nichts durch seinen eigenen Willen tun. Gott ist machtvoll, allmächtig und der Helfer aller
Wesen. (Beantwortete Fragen, Kap. 70)“ — Die Gnade Gottes setzt dort ein,
wo unsere menschlichen Fähigkeiten versagen, die jedoch nach Möglichkeit ausgeschöpft
werden müssen, denn nur „wer strebend sich bemüht, den können wir erlösen“ (Goethe).
So sind wohl auch die Worte Bahá’u’lláhs zu verstehen: „O Sohn des Seins!
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Liebe Mich, damit Ich dich liebe. Wenn du Mich nicht liebst, kann Meine Liebe niemals
zu dir gelangen. Merke dir dies, o Diener!“ (Verborgene Worte, arab. Nr. 5)
Der Sinn des Lebens
war das letzte Thema der philosophischen Reihe. — Die Aufgabe unseres Lebens besteht darin, alle diejenigen Organe zu entwickeln, die wir für das spätere Leben, dessen Form wir noch nicht erkennen können, benötigen, so wie der Embryo vorgeburtlich alle Organe entwickelt, die er nach der Geburt benötigt. Daß wir uns der neuen Organe noch nicht bewußt werden, ist kein Zeichen gegen ihr Vorhandensein, genau so wenig wie die Unbewußtheit der gegenwärtigen Sinne und Organe beim Embryo gegen ihr Vorhandensein gesprochen hat.
Das Leben der Bahá’i ist jedoch nicht ausschließlich vom Nützlichkeitsstandpunkt (von der Frage, wie verhalte ich mich hier, um die Organe für dort zu entwickeln) zu betrachten. Es ist vielmehr zu bedenken, daß wir auch hier Glieder im großen kosmischen Organismus sind, in dem ein Teil vom anderen abhängt und daher mit ihm zusammenwirken muß, Es gilt daher das Gebot des Dienstes, d. h. Überwindung alles dessen, was das naturgegebene (naturgewollte) Zusammenwirken behindert. Dieses Gebot des Dienstes ist einmal materiell aufzufassen und bedeutet Frieden halten, hilfsbereit sein usw. Es ist zum andern geistig aufzufassen und bedeutet das Gebot der Liebe, Überwindung des Unguten, Unschönen und Unwahren. Materielles und geistiges Dienen ist praktisch untrennbar. Die sittliche Tat ist die höchste Forderung. „Wenn wir wahre Bahá’i sind, ist es nicht nötig, viel darüber zu sprechen. Unsere Taten werden uns eine Hilfe sein auf Erden, sie werden Zivilisation verbreiten, sie werden eine Hilfe für den Fortschritt in der Wissenschaft und die Ursache für die Entwicklung der Künste sein. Ohne Taten kann in der materiellen Welt nichts ausgeführt oder vollendet werden, ebensowenig können Worte, die nicht durch Taten unterstützt werden, einen Menschen ins geistige Königreich führen." (Ansprachen in Paris, Kap. 26)
Gegenstand des Lebens ist die materielle und die geistige Welt. Die materielle Welt ist gekennzeichnet durch Zusammensetzung und Auflösung. „Die ganze physische Schöpfung ist vergänglich. Diese materiellen Körper sind zusammengesetzt aus Atomen; sobald sich diese trennen, beginnt die Zersetzung, und dann tritt jener Zustand ein, den wir Tod nennen. Diese Zusammensetzung der Atome, die den Körper oder die sterblichen Elemente eines erschaffenen Wesens ausmacht, ist zeitlich. Wenn die Anziehungskraft, die diese Atome zusammenhält, zurückgezogen wird, dann hört der Körper als solcher auf zu existieren.“ (Ansprachen in Paris, Kap. 29) Wenn die materielle Welt der Auflösung unterworfen ist, so kann es nicht das Ziel unseres Lebens sein, uns auf sie allein zu konzentrieren. Sie ist für uns ständige Quelle des Kummers und damit der Schwächung, weil sie uns immer wieder Enttäuschung und Rückschritt bringt; denn alle materiellen Dinge machen bis zu einem gewissen Punkt Fortschritte, dann fangen sie an, wieder abzunehmen. Dies ist das Gesetz, das die ganze physische Schöpfung regiert. Vervollkommnung in materiellen Dingen ist angenehm für den Menschen, aber nur dadurch, daß wir uns im Geistigen ebenso vervollkommnen wie im Materiellen, können wir wirkliche Fortschritte machen. Ein Mensch, der mit seinen Gedanken in der geistigen Welt lebt, kennt nur Freude.
(Fortsetzung folgt.)
In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung
keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an das Bahá’i-Bureau Stuttgart, Alexanderstr. 3, Nebengebäude, zu richten.
Geschichte und Bedeutung der Bahá’i-Lehre[Bearbeiten]
Die Bahá’i-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.
Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahá’i-Bewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahá’i-Religion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahá’i (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahá’i der Welt.
Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahá’i, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China usw. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.
In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).
Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (größtes heiliges Buch), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.
Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheitssprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.
Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, Seite 66.)
Der Geistige Nationalrat der Deutschen Bahá’i e.V., Stuttgart
Fernsprecher Nr. 26168 / Postscheckkonto 19340 Stuttgart / Alexanderstr. 3, Nebengebäude
Von unserer Verlagsabteilung sind zu beziehen:
Bücher:
Verborgene Worte von Bahá’u’lláh. Worte der Weisheit und Gebete . . . —.80
gebunden 1.--
Bahá’u’lláh, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. In Halbleinen gebunden . . . . . 2.00
in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 2.50
'Abdu'l-Bahá Abbas, Ansprachen in Paris über die Bahá’i-Lehre . . . . . . 2.--
Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, von Mirza Abul Fazl. . . . . 2.--
'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. In Ganzleinen gebunden . . . . . 2.--
Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase. . . . . . . 2.--
Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont. In Ganzleinen gebunden . . . . . 2.50
Beantwortete Fragen 'Abdu'l-Bahá Abbas', gesammelt von L. Clifford Barney . . . . 2.50
Broschüren:
Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit. Von Dr. jur. H. Dreyfus . . . -.30
Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás, ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") . . . -.30
Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey . . . . —.30
Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahá’i-Lehre von Dr. Hermann Grossmann, Weinheim (Bergstrasse) . . . . —.20
Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Grossmann, Weinheim (Bergstrasse) . . . . —.20
Sonne der Wahrheit, Jahrgang in Halbleinen gebunden je . . . . 6.--
Sendschreiben 'Abdu'l-Bahá's an die Haager Friedenskonferenz 1919 . . . . . --.30
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