Sonne der Wahrheit/Jahrgang 11/Heft 10/Text

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SONNE

DER

WAHRHEIT
 
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI
 
HEFT 10 11. JAHRGANG DEZ. 1931
 


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Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i-Prinzipien[Bearbeiten]

1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.


Bahá’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Bahá’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Bahá’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.


2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.

In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.


3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.

Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.


4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.

Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.


5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.

Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.


6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.

Dies ist eine besondere Lehre Bahá’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.


7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.

Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.


8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.

Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.


9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.

Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.


10. Die soziale Frage muss gelöst werden.

Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Bahá’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.


11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.

Bahá’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weltsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.


12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.

Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.

Vor mehr als 50 Jahren befahl Bahá’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.

Bahá’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.


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SONNE DER WAHRHEIT
Organ der deutschen Bahá’i
Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3
Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark
Heft 10 Stuttgart, im Dezember 1931
Masá’il (Fragen) 87
11. Jahrgang

Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion


Inhalt: Aus dem Schatz der Erinnerungen an Abbas Effendi, ‘Abdu’l-Bahá. — Tablet an Pastor Heydorn, Hamburg, ’aleihi bahá’u’lláh el-abhá huwa alláh. — Mensch, Gott, Prophet. — Bahá’i-Verkündigung in Bibelworten. — Von ewiger Sehnsucht. — Am Weihnachtstage. — Der Schlüssel zur Welteinheit.



Worte von ‘Abdu’l-Bahá[Bearbeiten]

zu Miss Stevens 1910 in Haifa


Die ganze Schöpfung zeigt zwei Antlitze; wir sehen mit den sinnlichen Augen nur das bedingt Wahre, das stetig Wechselnde, das Vergängliche alles Irdischen. Nach unserem geistigen Erwachen erschauen wir mit den geöffneten und geschärften Seelenaugen das Unbedingte, das Polare in der Flucht der Erscheinungen, das Unvergängliche jenseits des Sinnlichen und Endlichen. Aus dem Saulus wird ein Paulus — zuvor vegetieren, ein Scheinleben, ein Trugdasein geführt — nachher leben, wirken, erkennen von Ewigkeitswerten; zuvor Sorgen- und Genußsklave, nachher der erstgeborene Sohn und freie Diener des Höchsten. — Bahá’i werden heißt: dieser Ritterschaft des Geistigen, des Ewigen angehören wollen!


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Aus dem Schatz der Erinnerungen an Abbas Effendi, 'Abdu'l-Bahá. Haifa 1906 - 11[Bearbeiten]

Dreizehnter Brief von Frau Dr. J. F. an Frau A. Schwarz, Stuttgart


Die Stellung der Propheten zur Kulturseligkeit und zur modernen Technik (betreffs Prophetie im allgemeinen und im besonderen).

Miß Stevens: Die gelehrten Geschichtsforscher, die Altertumskundigen, die Sprach-, Volks- und Religionsforscher des Westens rühmen dem Propheten Báb nach, daß er der erste Perser gewesen sei, welcher Kulturfreudigkeit predigte, westliche Reformen (wie Handels- und Industriebanken, Fahrstraßen, Verkehrsverbesserungen usw.) empfahl, das weibliche Geschlecht neben das männliche heben wollte, kurzum als ein moderner Prophet zu nennen ist, welcher seinem Zeitalter weit voraneilte. Von dem Schöpfer der Bahá’i-Lehre heißt es ähnlich und doch soll die Gesegnete Manifestation vor den großen Fortschritten der Technik gewarnt haben und es sollen Prophezeiungen aus der allerhöchsten Feder vorliegen, welche der Entwicklung des Maschinenzeitalters nichts Gutes voraussagt. Dürfen wir, verehrter Meister, Deine weise Zunge dafür bemühen?

Der Meister: O, meine Tochter, in deinen Aussagen, so widersprechend sie auch erscheinen mögen, liegt nichts Gegensätzliches! Wohl aber muß man die Tiefen und Höhen der prophetischen Erkenntnis nachdenkend durchwandern, um eine klare Anschauung über die Stellung des Menschen und des Menschengeschlechtes zur Technik zu erhalten.

Schon seine Heiligkeit der Báb und noch mehr die Gesegnete Vollkommenheit Bahá’u’lláh haben gelehrt, daß die Gottheit den Menschen befähigt hat, die Naturgesetze zu erkennen, zu erforschen und in seinen Dienst zu stellen. Wer mir dient, ist aber mein Diener und nicht mein Herr! Der kurzsichtige Mensch oder sagen wir besser der gottferne oder gottentfremdete ist jedoch immer geneigt, die Naturgesetze anzubeten und über sich herrschen zu lassen. Ein abendländischer Dichter (es ist wohl der deutsche Goethe im Zauberlehrling gemeint) hat einmal darüber gesagt: „Die Geister, die ich rief, die werd ich nimmer los.“ Wir sehen das schon an unserem Körperbau und Körperleben: gerade der moderne Abendländer kennt den Bau und die Gesetze der Leiblichkeit, beherrscht er somit seinen Leib mit seinem geistigen Denkvermögen? O nein, von Ausnahmen abgesehen ist er, der Mensch, der gefällige Diener, ja der Sklave seines irdischen Gefäßes! Gott will und alle Propheten lehren es, daß wir, um die Natur zu meistern, darüber hinauswachsen müssen. Wir sollen nicht weder, wie die armen Heiden, die Natur blind und abergläubisch fürchten und in sklavischer Angst anbeten, einen Fetisch aus ihr machen, noch sollen wir kulturselig uns unter die Natur so beugen, daß wir genießerisch und weichlich ihr dienen und damit ihre Gesetze entweder mißachten und mißbrauchen oder uns durch ihre Räder zermalmen lassen. Siehe, der Mensch ist durch die Art seiner Gehwerkzeuge als auf der Erde gehendes Geschöpf geschaffen, aber er erbaut Schiffe, legt Tunnels unter der Erde, durch das Wasser (Neuyork), fährt in Eisenbahnen unter Städten und Dörfern hinweg, der deutsche Graf (Zeppelin) — mit dem schwierigen Namen — erfindet gar Luftschiffe, ja der Mensch versteht selbst in die Untiefen des Meeres zu tauchen (Unterseeboote). Du wirst sagen, meine Tochter, gerade hier liegen die tatsächlichen Beweise, daß der Mensch die Natur meistert, sie unterwirft, sie bannt und beherrscht. Ich will dir jedoch die Schattenseite dieser scheinbar restlosen Beherrschung zeigen. Ein arabisches Sprichwort sagt: „Die Eile ist vom Teufel“, und ein bengalisches (indisches) lehrt: „Der Mensch, der Gutes tun will, hat immer Zeit und niemals Eile, aber alles Böse hat Flügel!“ Beides besagt dasselbe. Je mehr der Mensch die Verkehrsgeschwindigkeit steigern konnte, um so mehr wird er zum Sklaven der Zeit, er hat für nichts mehr Zeit — nicht für seinen [Seite 111] Körper, noch weniger für Seele und Geist, nicht für sich, nicht für seine Nächsten, er steht mehr und mehr unter der sausenden Peitsche des Zeitgottes. Nicht umsonst sagt der Deutsche: „Dem Glücklichen schlägt keine Stunde“, schon jagt der Amerikaner an ihm vorbei und schreit: „Zeit ist Geld und Geld ist alles.“ Die Gesegnete Vollkommenheit Bahá’u’lláh hat bereits mit prophetischen Augen in die Zeitenwende hinein und darüber hinaus in das neue Zeitalter der Maschinentechnik hineingeschaut. Seine prophetischen Worte waren: „Amerika wird die Alte Welt besiegen, nicht mit den Waffen des Krieges oder mit dem Schwert des Geistes, sondern mit seinem Industrialismus, seinem technischen Großbetrieb und mit der Aufblähung (Hypertrophie) des technischen Lebensraumes. Die Maschine wird die Zeit auffressen, nüchterne Zahlen und Formeln, eisige Tabellen und Meßapparate werden die Seele aufsaugen. Die mechanische Kraft mit ihren Symbolen und Ausdrücken wird die Menschen regieren, nein unterjochen und ausbeuten und zuletzt wird die Maschine den Menschen ganz aus dem Leben und der Arbeit verdrängen, worauf das Ende der Zeit für unsern Planeten heranrückt, denn man kann wohl Städte weitgehend mechanisieren, aber bei den Menschen gibt es eine Grenze.

Langes Schweigen, der Meister scheint, in tiefe Gedanken versunken, innerlich rückwärts und vorwärts schauend. Nach langer Zeit — der Meister scheint die Anwesenden vergessen zu haben — wendet sich Miß Stevens nochmals an den Meister: „Dürfen wir fragen: Was lehrt der Prophet Bahá’u’lláh betreffs des Endes aller Zeiten?“

Der Meister: „Das Ende aller Dinge?“ frägst du, meine Tochter! Die Welt, d. h. das Universum ist ewig, die Erde ist nur ein Planet, auf dem das Naturleben Millionen und Millionen von Jahren alt ist. Das Leben auf der Erde ist nicht von Anfang an und auf einmal dagewesen, sondern es hat sich in Stufen und Graden entwickelt. Die Atome der Elemente sind zu ihrem naturgesetzlich erfolgendem Aufbau und ihrer Zusammensetzung prädisponiert (veranlagt), der kosmische Geist, der göttliche Urwille wirkt und schafft in dieser Art. Im Element, im Uratom wirkt der göttliche Urwille als Attraktion und Repulsion (Anziehung und Abstoßung), auf der nächsthöhern Stufe als organisches Leben, alsdann als animalisch-vegetierendes und endlich als geistiges Leben, das ins übergeistige aufzusteigen bestimmt ist. Was sich entwickelt, ist nicht etwa das körperliche Substrat (Unterlage), das vielmehr von Anfang an in seinen verschiedenen Spezies (Arten) vorliegt, die sich nur je innerhalb der eigenen Art zu höherer Vollkommenheit entwickeln, sondern der kosmische Geist, der göttliche Urwille entfaltet sich im Geschöpf, wie sich eine Blütenknospe immer völliger, immer reiner, immer schöner auseinanderlegt, um schließlich im vollkommen erlösten, ganz geläuterten Menschen in die Gottheit zurückzukehren, in der Gottheit unterzutauchen und zu verschmelzen. Der Mensch aber, welcher sich der Maschine ganz unterworfen hat, oder gar ihr geopfert wurde, kann nicht zu Lebzeiten über die niedern Stufen des menschlichen Bewußtseins sich hinaus entwickeln, seine geknechtete Seele, in den Banden von Zeit und Raum fixiert, kann nur unvollkommen vom kosmischen Geist belichtet werden, er wird nach seinem leiblichen Tode in der jenseitigen Welt weiter existieren und Gelegenheit zur Läuterung haben, nicht auf einer andern Erde oder einem andern Planeten, sondern in den unzählbaren geistlichen Welten Gottes. — Hat nicht unser Herr Jesus Christus — gepriesen sei seine Rede — gesagt: „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen, ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten!“ — Nicht eigene Anstrengung wird den Heimgegangenen zur Läuterung gereichen, sondern die Gnadengaben Gottes werden sie zur Läuterung bringen. Wird aber neun Zehntel der ganzen Menschheit der Dämonie der übersteigerten Technik anheimfallen, so kommt der Abschluß der Weltgeschichte unserer Erde. Der letzte der jüngsten Tage bricht an, da der Prophetenzyklus zu Ende gekommen ist und die Welt in Gott zurückkehrt, indem im Krachen und Bersten der Elemente alles in Ihm untergeht, was für die von Gott Abgewandten die Vernichtung, für die in Gott Ruhenden die Beseligung bedeutet, auch für die noch läuterungs- und entwicklungsbedürftigen [Seite 112] Seelen ist es triumphierendes Untersinken in Gottes unendliche Gnade und Barmherzigkeit. Und was ist die Lehre der Gesegneten Vollkommenheit Bahá’u’lláhs, wenn wir die Zeichen der Zeit erkennen und unsere Seelen sich erschauernd von der zunehmenden Dämonie des Maschinenzeitalters abwenden möchten?

Glaubet und schmecket, ihr Menschenkinder, die Wirklichkeit Gottes, in dieser Wirklichkeit ruht das Gestern, das Heute und das Morgen; in Ihm suchen ist zeitliche und ewige Glückseligkeit.

Niemand wagt für heute weitere Fragen, der Meister zieht Sich zur Andacht zurück: die Anwesenden sind entlassen.



Tablet an Pastor Heydorn, Hamburg, 'aleihi bahá’u’lláh el-abhá huwa alláh[Bearbeiten]

(Faksimile)

Veröffentlicht in „Der Islam“, Zeitschrift für Geschichte und Kultur des Islametischen Orients, 13. Band, 1923. Walter de Gruyter & Co., Berlin und Leipzig


„Geehrter Herr! Ihr Brief ist angekommen und von seinem Inhalt Kenntnis genommen worden. Sie haben nach dem Glaubensbekenntnis des 'Abdu’l-Bahá gefragt. Mein Glaubensbekenntnis ist die Einheit der Menschenwelt, d. h. die gesamte Menschheit ist die Herde Gottes und Gott ist der gütige Hirte. Zu dieser Herde gehören alle Menschen, welcher Religion und welchem Bekenntnis sie angehören mögen. Wir opponieren den Religionen nicht und bekämpfen sie nicht, wir rufen alle zur Einheit der Menschenwelt auf. Jedoch müssen alle Menschen aus der Quelle der Lehre des Bahá’u’lláh trinken, damit Krieg und Kampf und Streit und Plage aufhöre. Die gesamte Menschheit gleicht Vögeln von verschiedener Art; aber sie müssen an derselben Quelle zusammenkommen und an diesem Born ihren Durst stillen, dieser Quell sind die Lehren des Hazreti Bahá’u’lláh: 1. das Suchen nach der Wahrheit, 2. die Einheit der Menschenweelt, 3. die Religion muß Liebe und Eintracht bewirken, wenn sie nicht Liebe und Eintracht schafft, ist sie zwecklos, 4. die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen, 5. der Fanatismus der Religion, des Ritus, der Rasse, des Vaterlandes, zerstört das Gebäude der Menschheit. Alle Menschen bilden die Herde Gottes, sie bilden eine Rasse, und die Erde ist Heimat für alle. 6. Man muß sich von allem Autoritätsglauben (tagālīd) frei machen und sich an die Grundlage der göttlichen Religion halten, 7. die Einheit der Sprache. Man muß eine Sprache auswählen oder eine neue erfinden, die dann allgemeine Verkehrssprache ist, damit alle Mißverständnisse zwischen den Religionen, Rassen und Nationen aufhören. Ferner: die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, ferner: die allgemeine Verbreitung der Wissenschaften und der Kenntnisse, ferner: Connubium zwischen allen Religionen und Nationen, ferner: Recht und Gerechtigkeit, ferner: politische Einheit und dergleichen. Alle Menschen müssen aus der Quelle dieser Lehren trinken, damit die Fahne der Einheit der Menschheit soweit als möglich aufgerichtet wird.

Aber dieser Lehren sind viele. Ich habe sie hier nur kurz zusammengefaßt, schließt Ihr aus der Zusammenfassung auf die Ausführung im einzelnen. Gerade heute hat die Finsternis des Materialismus alle Horizonte umfangen. Ohne die himmlischen Lehren des Hazreti Bahá’u’lláh kann die Welt aus dieser Finsternis keine Rettung finden und nicht licht werden. Alle diese Lehren gehören in den Bereich der Ethik, irgendeine Religion der bestehenden Religionen greifen sie nicht an. Die Lehren des Hazreti Bahá’u’lláh sind geistiger Natur, sie sind himmlisch, sie sind Licht, sie sind frei, sie bedeuten Gewissensfreiheit. Sie bringen dem Menschen Errettung von der Welt des Staubes und lassen sie zu einer reinen Welt gelangen, sie sind der Hauch des heiligen Geistes, sie sind ewiges Leben, sie sind Lichter der Sonne der Wahrheit, sie bringen Licht in die Welt. Betrachtet nicht die Gegenwart, [Seite 113] später werden alle Dinge der Welt in Ordnung kommen. Der Messias sagt: Es sind die Tage der Hochzeit, in den Tagen der Hochzeit herrscht Unordnung, aber nachher wird Ordnung einkehren. Sei gegrüßt und gelobt.

Haifa, 6. Dezember 1919.

(gezeichnet) ‘Abdu’l-Bahá Abbas.



Mensch, Gott, Prophet[Bearbeiten]

Von Lydia Zamenhof, Warschau

Aus „La Nova Tago“. Übersetzt von Marg. und Charl. Walcker-Rostock


In dunklen Zeiten der Krise, wenn die Menschheit wie eine Herde blinder Schafe sich in weglose Wüstenei verirrt hat, erscheinen diejenigen, welche die Verirrten aus der Dunkelheit herausführen und uns als „Propheten“ bekannt sind. Unsichtbarer Nimbus umgibt ihre Häupter, unhörbare Musik ertönt, kaum wahrnehmbare Düfte entsteigen den geheimnisvollen Gärten. Sie erscheinen in Menschengestalt und sprechen im Namen Gottes, ermahnen, warnen und segnen in Seinem Namen.

Was ist ein Prophet? Ein Mensch oder ein Gott? Ein Geschöpf aus der Spezies „homo sapiens“ oder das „Ewige Geheimnis“ in Menschengestalt verkörpert?

Laßt uns vorher kurz darüber nachdenken: „was ist ein Mensch und was ist Gott?“ Durch das Studium der Biologie erfährt man, daß der Mensch aus Wasser, Kohle, Kalk usw. besteht. Viele wollen in dem Menschen nicht mehr sehen als mehr oder weniger vollkommene organische Anhäufungen von Materie, welche, wenn etwas im Organismus zerstört wird, nicht zu Grunde geht, weil die Physik lehrt, daß die Materie nicht vergeht, sondern von der Erde, den Pflanzen, Würmern und der Luft aufgesaugt wird, der bewußte Mensch mit seinen Gefühlen und allen erworbenen Fähigkeiten dagegen für immer verschwindet. Recht klein würde also der Unterschied zwischen Mensch und Tier sein, zwischen Buddha und dem Wurm, der sich seinen Weg unter der Erde bohrt.

Würde ich beim Anblick eines Menschen nur daran denken, daß er 50 kg wiegt und nur aus ungefähr 35 kg Wasser, dem Verhältnis entsprechenden Anteil Kohle und anderen Elementen besteht? Sind wir alle nichts anderes als diese Art Gebilde?

Nein — es existiert außer der Materie noch etwas, das uns fühlen, wünschen, leiden läßt, und mehr als dies, etwas, was uns von den Tieren unterscheidet, uns Intellekt verleiht und uns zu denkenden Menschen macht. „Ich denke — also bin ich“ — sagt der Philosoph. Meint er dies nur in bezug auf die physikalische Existenz der Materie?

Im Menschen existiert also außer dem physikalischen Körper etwas über diese Grenzen Hinausgehendes, was man nicht wahrnehmen kann durch Auge oder Ohr, was dennoch, wenn wir selbst es nicht unterdrücken, uns beherrscht, über alle Grade der Existenz erhebt und gleichsam aus uns eine Brücke bildet zwischen der niederen Welt der Geschöpfe und der überirdischen Welt des Schöpfers.

Der Mensch ist das vollkommenste Wesen in der Reihe der Geschöpfe. Nicht wegen seiner physikalischen Beschaffenheit, denn eine Eiche lebt länger als er, der Löwe ist stärker, der Adler sieht besser, das Pferd läuft schneller, der Hund hat einen feineren Geruchssinn. Er überragt aber die Regionen der Mineralien, Pflanzen und Tiere durch etwas, was wir nicht mit mathematischen Formeln erklären, noch durch treffende Worte definieren können, und was wir allgemein mit dem Wort „Geist benennen.

Der Mensch ist das Höchste, aber nur in der Sphäre der Schöpfung. Die Schöpfung ist der Beschluß des Schöpfers. Wo ein Resultat ist, muß eine Ursache sein, wo ein Schöpfer ist, muß etwas Geschaffenes sein. Und wenn alle logischen Schlußfolgerungen hinfällig sein würden, eines bliebe — vielleicht das stärkste — das Empfinden von Gott, unvergleichlich in seiner Allgemeinheit, dieses unbeirrbare, treue Gefühl, welches [Seite 114] selbst dem Materialismus der letzten Epoche nicht zu entwurzeln gelang.

Wer ist ER und wo ist ER, dieser Schöpfer, den wir den Herrn der Welt nennen, „die Eine Ursache, das Ewige Geheimnis“ usw., wie ist Seine Natur, wie Sein Wesen?

Stelle dich vor ein Bild von Leonardo da Vinci und frage es, wer sein Urheber war, wer es schuf und wo es entstand. Das Bild würde nicht antworten, selbst wenn es sprechen könnte. Es könnte nur über das geniale Talent des Künstlers, über die Macht seiner Eingebung, über seinen künstlerischen Eifer, seine Arbeitsamkeit sprechen, doch nichts über seine Person. Es könnte also nur über die Eigenschaften des Schöpfers etwas sagen, nicht über ihn selbst. Weil ein Geschöpf nicht seinen Schöpfer versteht, der außerhalb seines Bereichs sich befindet. Nur der Schöpfer hat volles Bewußtsein über seine Schöpfung. Selbst wenn wir nichts wüßten über die Persönlichkeit des da Vinci und nur seine Werke kennen würden, genügte dies, ihn ein Genie zu nennen. Ein Künstler drückt sich durch Kunst, ein Schöpfer durch Schöpfung aus.

Wir, die ganze Welt und das ganze Reich der Schöpfung sind ein Zeugnis für den Schöpfer, welcher, indem Er allem Existenz gab, selbst außer und über allem blieb. Wir können nicht Sein Wesen, sondern Ihn nur durch Seine Schöpfung erkennen.

Wenn wir den Grad der Genialität eines Künstlers erkennen wollen, so beurteilen wir ihn nach seinem vollkommensten Werk. Nehmen wir also, um den Schöpfer zu erkennen, Seine erhabenste Schöpfung — den Menschen. Betrachten wir jedoch nicht den Menschen von der naturwissenschaftlichen Seite, denn in dieser Beziehung übertreffen ihn oft Tiere, sondern seinen Geist, weil gerade Gott diesen Geist nach Seinem Bilde, Ihm ähnlich schuf. Dieser Geist ist gleichsam Wasser, in welchem sich alles, was nahe ist, widerspiegelt. Fließt es ruhig seinen festgesetzten Weg, dann wird seine Oberfläche einem Spiegel gleichen, der getreu die Gesichter abbildet, die sich über ihn neigen. Wenn jedoch starke Winde irdischer Leidenschaften auf seiner Oberfläche Wellen hervorbringen und das Wasser kräuseln, dann wird auf den unruhigen Wellen anstatt des Spiegelbildes irgendeine unähnliche, zerrissene, verzerrte Form dem Beschauer erscheinen, welche sich zugleich mit der Wellenbewegung gleichsam irgendwohin verbergen und verschwinden will.

Um klarstes Wasser, das vollkommenste Bild zu finden, wenden wir uns an den Propheten.

Was ist ein Prophet? Ist er nur ein Mensch, nur etwas edler als andere oder Gott — das Ewige Sein —, welcher die Sphären Seiner Überlegenheit verlassend, sich in Menschengestalt verkörperte?

Ist ein Wesen, das ähnlich uns allen essen, trinken, schlafen muß, das mit uns lebt, mit uns leidet, unsere Sprache spricht, etwa kein Mensch, dessen Hände sich zu Fäusten ballen beim Erblicken des lästerlichen goldenen Kalbes oder dessen der, mit Nägeln am Kreuze angeschlagen, blutet oder dessen Füße anschwellen von eisernen Fesseln? Ist dies Wesen kein Mensch? Ist jedoch ein Wesen nicht mehr als ein Mensch, das Sklaven aus dem Lande der Unfreiheit herausführt und sie über alle derzeitigen Nationen erhöht? Der Sohn eines Zimmermannes, welcher sogar ungeachtet des Todeskampfes am Kreuze auf den Ruinen der alten Zivilisation eine neue aufrichtet? Ein einfacher, ungelehrter Kameltreiber, der von allen Seiten von Feinden verfolgt wird, seine wilde Sippe unterrichtet, für ihre Bildung sorgt und sie zivilisiert? Ein Verbannter aus fürstlicher Familie, der verurteilt zu lebenslänglicher Gefangenschaft in einem der schrecklichsten Gefängnisse der Welt, nicht zerbricht, sondern mit Majestät und Macht eines unsterblichen Königreiches die Regenten der Erde ermahnt und warnt, der von jenseits der dicken, undurchdringlichen Mauern seine fernen Jünger inspiriert und aus dem Ort der Dunkelheit Strahlen des neuen Tages in die Welt wirft? — Sind derartige Wesen nicht mehr als Menschen?

Im kalten, dunklen Raum kreist unser Planet. Irgendwo in weiter Ferne strahlt die gigantische Kugel, die Sonne. Die Sonne bleibt an ihrem Platz, und die Erde verläßt nicht ihren Weg. Kein Kontakt bestände zwischen den beiden Gestirnen, und unsere Erde würde dunkel und kalt sein, wenn nicht die Sonne ihr ihre Strahlen durch den geheimnisvollen Äther, durch die Regionen von [Seite 115] absoluter Kälte, senden würde. Wie das Geschehen in der Welt der Natur, so ist es auch in der Welt des Geistes. Die ewige Quelle des geistigen Lichts und der Wärme ist für uns in nicht vorstellbaren Sphären, und unsere Welt würde in Dunkelheit gehüllt sein, wenn aus dieser Quelle nicht goldene Strahlen zu uns gelangen würden, welche erleuchten, erwärmen und uns geistiges Leben geben. Wenn wir in unser von der Sonne erleuchtetes Zimmer treten und befriedigt feststellen, daß die Sonne dort ist, verstehen wir damit, daß das gigantische Gestirn seinen Platz verließ, um in unser kleines Kämmerlein überzusiedeln? Nein, es blieb, wo es war, zu uns kam nur sein Gesandter — ein Strahl. Doch dieser Strahl brachte uns das, was das Wesentlichste der Sonne ist — Licht und Wärme. Dieser Sonnenstrahl ist in der geistigen Welt ein Prophet.

Und ein Prophet ist gleich dem Mond. Er wirft Glanz auf die Erde, doch sein Glanz ist nicht von ihm selbst. Nur das sendet er zur Erde, was er selbst von der Sonne empfing. Ich kann nicht umhin, die Worte Christi an dieser Stelle anzuführen, welcher, über den kommenden Geist der Wahrheit sprechend, sagte: „Er wird nicht aus sich selbst sprechen, sondern was er hören wird, das wird er sagen.“

Also ist ein Prophet nicht Gott, weil Gott nicht in einen menschlichen Körper eintritt, wie die Sonne von ihrer Höhe nicht herabsteigt, um in unser Zimmerchen einzutreten. Er ist nur der Widerschein dieses riesengroßen, lebengebenden Gestirns, nur ein Echo, das die Töne der Musik der Ewigkeit unseren Ohren bringt.

Stelle dich in einen Wald oder ein Gebirge und rufe aus: „Ich“. Die Bäume, die Felsen werden durch Echo widerholen „ich“ und deine Stimme dorthin tragen, wo sie selbst nicht erreicht würde. Bedeutet dies, daß die Bäume und Felsen falsch rufen, daß sie irgend jemandes Wort übermäßig gebrauchen? Nein, hinter der Ruhe der Bäume und Steine ist immer die Stimme des Rufenden, nicht sie, sondern er sprach. Und so oft ein Prophet in seinem Wort „Ich“ sagt und im Schreiben dieses Fürwort mit dem großen Buchstaben beginnt, alsdann spricht er nicht in seinem Namen, noch behauptet er, Gott zu sein. Er ist nur gehorsames Echo, das widerholt, was es hört.

Auf solche Weise unterscheiden wir im Propheten zwei Elemente: das menschliche und das göttliche. Ein Prophet-Mensch wird geboren, leidet und stirbt, und nach Jahrhunderten oder Jahrtausenden kommt nach ihm ein anderer Prophet-Mensch. Und wenn auch dieser andere in einem anderen Land und zu anderer Zeit erscheint, eine andere Sprache spricht, ist doch nur seine menschliche Hülle neu. Der göttliche Strahl, der aus der alten Fackel leuchtete, bleibt derselbe, wenn auch in neuer Lampe. Durch neuen Mund spricht die „Alte Stimme“, ein neues Instrument spielt die „Ewige Musik“. Wenn die Stimme und die Melodie dieselben sind, ist der andere Mund, das andere Instrument von Bedeutung? Wenn die Lehre dieselbe ist, ist es dann wichtig, daß ein neuer Lehrer sie predigt?

Doch manche werden den Vorwurf machen, daß die Lehren nicht dieselben sind.

Nehmen wir die Schule als Beispiel.

In der Klasse, die vorbereitet, erfährt das Kind, daß zwei und zwei = vier sind. Wird in der folgenden Klasse dieses Wissen geändert? Nein, nur bereichert. Wenn an Stelle einer langen Summe gleicher Zahlen ein Lehrer eine entsprechende Multiplikation verlangt, so sind das keine Veränderungen, sondern nur Fortschritt. Wenn anstatt einer schweren Multiplikation vielziffriger Zahlen ein Lehrer ein Logarithmen-System darstellt, steht dieses den vorher erkannten Regeln entgegen? Ebenso bestehen in den wesentlichen Lehren der Propheten keine Gegensätze, der eine bringt nur die Fortsetzung des vorhergehenden, und jeder Prophet ist Erzieher nach dem Plan des einen Allerhöchsten Erziehers. Manchmal können die Pläne der verschiedenen Schulen sogar etwas von einander abweichen, sie können mehr humanistisch oder mehr real, theoretischer oder praktischer sein, denn das hängt von den Fähigkeiten der Zöglinge, ihren späteren Berufen, den Bedürfnissen der Umgebung, in welcher sie leben, ab, und weise ist der Erzieher, welcher den Plan nicht zur Erstarrung kommen läßt, sondern ihn der Notwendigkeit gemäß verschieden gestaltet. Das Ziel ist immer dasselbe: die Erziehung [Seite 116] zu gebildeten Menschen und zu guten Gliedern der Gesellschaft.

Eine tatsächliche Abweichung zwischen den Lehren der verschiedenen Propheten besteht nicht. Sie alle sind Träger des einen Evangeliums, Strahlen der einen Sonne, Echo der einen Stimme und singen immer dasselbe Lied.

Das Hauptmotiv dieses Liedes ist Liebe. Christus, welcher gefragt wurde, welches das wichtigste Gebot der Gesetze sei, antwortete: „Liebe den Ewigen, deinen Gott von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt.“ Und Er fügte das zweite hinzu: „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst.“ Liebe lehrt Buddha, und Bahá’u’lláh stellt sie als Ursache und Ziel des Glaubens dar, denn Gott sagt durch Seinen Mund: „Verhüllt in Meinem unvordenklichen Wesen und in Meinem ewigen Sein fühlte Ich Meine Liebe zu dir; deshalb erschuf Ich dich, verlieh dir Mein Ebenbild und offenbarte dir Meine Schönheit.“ Die Bedingung dieser Liebe muß auf Gegenseitigkeit beruhen, denn Er sagte: „Liebe Mich, damit Ich dich liebe. Wenn du Mich nicht liebst, kann Meine Liebe dich niemals erreichen.“ Und vollkommen selbstlos muß diese Liebe sein: „Wenn du Mich liebst, dann wende dich ab von dir selbst; wenn du Mein Wohlgefallen suchst, dann trage nicht Sorge um das eigne, damit du in Mir stirbst und Ich ewig in dir lebe.“ Lehrte Christus nicht das gleiche Opfer des Selbst, indem Er sagte: „Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folget Mir nach, der ist Meiner nicht wert.” „Wer sein Leben findet, der wird es verlieren, und wer sein Leben um Meinetwillen verliert, der wird es finden.“

Schon seit langem verschwanden die Propheten der Vergangenheit von dieser Welt. Doch nur die Propheten-Menschen verschwanden. Himmel und Erde werden vergehen, aber ihre Worte werden nicht vergehen. Die göttliche Inspiration, welche durch den Mund aller aus ihnen sprach, starb nicht, sondern wird gleich dem Phönix aus der eigenen Asche immer wieder geboren. Siehe da, am heutigen Tage ertönt sein Gesang von neuem. Wer Ohren hat, der höre!

(Vortrag, gehalten anläßlich der Bahá’i-Zusammenkunft auf dem XXII. „Universala Esperanto-Kongreso“ in Oxford (England) am 8. August 1930.)



Bahá’i-Verkündigung in Bibelworten[Bearbeiten]

Material für die Arbeit an der Jugend, zusammengestellt von Emil Jörn, Warnemünde

Vorbemerkung: Alle Bahá’i-Arbeit und ganz besonders die Arbeit an größeren Kindern und Jugendlichen soll bodenständig sein. Wenn wir bedenken, wie die Jugend heute umworben wird, dann werden wir es verstehen und billigen, daß die Eltern und auch die Kinder selbst so streng alles prüfen, was an sie herangebracht wird. Bodenständig aber ist die religiöse Verkündigung dann immer — das muß ganz besonders betont werden —, wenn unser Lehren und Leben wirklichen Geist, d. h. die Düfte Gottes atmet. Dann lösen sich alle Fesseln, dann fühlen sich die Seelen zu einander hingezogen, und alles wird gut.

Aber die Wogen des Ungeistes und die Sinnlichkeit nehmen heute so ungeheuer zu, daß man sich oft vorkommt wie Splitter auf dem Ozean. Das Auge des Glaubens sieht freilich tiefer, aber öfter, sehr oft, meine ich, sieht der Lehrende sich heute gezwungen, sich in die Sprache der Symbole und der überlieferten Worte zu retten. Auch Christus sprach ja in Gleichnissen, als er sah, daß man ihn gar nicht mehr verstehen konnte.

Die folgenden Worte sind nur wenige Tropfen aus dem Meer der göttlichen Lehren. Wir lassen sie zu den Gärtleinstunden drucken und senden sie als Grüße an Freunde, von denen wir wissen, daß sie uns verstehen und durch ihre Gesinnung unsere Arbeit stützen.

„Unser Herr ist ein großer Gott und ist unbegreiflich, wie Er regiert.” Psalm 147, 5.

„Haben wir nicht alle einen Vater? Hat uns nicht ein Gott geschaffen? Warum verachten wir denn einer den andern und entheiligen den Bund?“ Maleachi 2, 10. [Seite 117]

„Macht keusch eure Seelen durch Gehorsam gegen den Geist zu ungefärbter Bruderliebe.“ 1. Petri 1, 22.

„Nur noch eine kleine Weile“, spricht der Herr der Heerscharen, „so erschüttere Ich den Himmel und die Erde, das Meer und das Trockene, Ich bringe alle Völker in Erregung, daß die Kleinodien aller Völker herbeikommen sollen, und Mein Haus erfülle ich mit Herrlichkeit.“ Haggai 2, 7 ff.

„Mein Haus wird heißen ein Bethaus für alle Völker.“ Jes. 56, 7.

„Wir beten Tag und Nacht für alle Völker der Erde.“ ‘Abdu’l-Bahá.

„Wahrlich, wir sind gekommen, um die Menschen zu versöhnen und zu einigen, denn die meisten mißverstehen einander.“ Bahá’u’lláh.

„Seid alle Brüder und Schwestern einer Welt und einer Heimat.“ Bahá’u’lláh.

„Danach will Ich den Völkern reine Lippen geben, daß sie alle sollen des Herrn Namen anrufen und Ihm dienen in Eintracht.“ Ephes. 3, 9.

„Und der Herr wird König sein in über alle Lande. Zu der Zeit wird der Herr nur einer sein und Sein Name nur einer.” Sacharja 14, 9.

„Zu der Zeit wird auf den Schellen der Rosse stehen: Heilig dem Herrn! Und werden die Kessel im Hause des Herrn gleich sein wie die Becken vor dem Altar.“ Sacharja 14, 20.

„Wer überwindet, der soll mit weißen Kleidern angetan werden.“ Offb. 3, 5.

„Wer überwindet, dem will ich geben, mit Mir auf Meinem Stuhl zu sitzen.“ Offb. 3, 21.

„Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, kommen wird, der wird euch in alle Wahrheit leiten.“ Joh. 16, 13.

„Die Heiden sollen sehen deine Gerechtigkeit und alle Könige deine Herrlichkeit; und du sollst mit einem neuen Namen genannt werden, den des Herrn Mund nennen wird.“ Jes. 62, 2.

„Der Herr wird seine Knechte mit einem andern Namen nennen.” ]es. 65, 15.

„Christus ist einmal geopfert, wegzunehmen vieler Sünden; zum andern Mal wird Er ohne Sünde erscheinen denen, die auf Ihn warten zur Seligkeit.“ Hebr. 9, 28.

„Er wird richten unter den Nationen und wird strafen viele Völker. Dann werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andre ein Schwert aufheben und werden hinfort nicht mehr Kriegführen lernen.“ Jes. 2, 4.

„So bekehre dich nun zu deinem Gott, halte Recht und Barmherzigkeit und hoffe auf deinen Gott.“ Hosea 12, 7.

„Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir verlangt, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.” Micha 6, 8.

„Ich will mich freuen des Herrn und fröhlich sein in Gott, meinem Heil.“ Habak. 3, 18.

„Ich habe noch andere Schafe, die sind nicht aus diesem Stalle, und dieselben muß ich herführen, und sie werden Meine Stimme hören, und es wird eine Herde und ein Hirte sein.“ Joh. 10, 16.


„Eine Herde und ein Hirt!
Wie wird dann dir sein, o Erde,
wenn sein Tag erscheinen wird!
Freue dich, du kleine Herde;
mach dich auf und werde licht:
Jesus hält, was Er verspricht.“

F. Ad. Krummacher (Mecklb. Kirchengesangbuch Nr. 121).


„Wer die Wahrheit tut, der kommt an das Licht.“ Joh. 3, 21.

„Wer überwindet, dem will Ich zu essen geben von dem verborgenen Manna und will ihm geben einen weißen Stein und auf dem Stein einen neuen Namen geschrieben, den niemand kennt, denn der ihn empfängt.“ Offb. 2, 17.

„Wer überwindet, den will Ich machen zum Pfeiler im Tempel Meines Gottes, und soll nicht mehr hinausgehen; und will auf ihn schreiben den Namen Meines Gottes und den Namen des neuen Jerusalem, der Stadt Meines Gottes, und Meinen Namen, den neuen.“ Offb. 3, 12.

„Wenn Ich gleich viel tausend Gebote Meines Gesetzes schreibe, so wird’s doch geachtet wie eine fremde Lehre.“ Hosea 8, 12.

„Wenn ich ein Irrgeist wäre und ein Lügenprediger und predigte, wie sie saufen [Seite 118] und schwelgen sollten, das wäre ein Prediger für dies Volk.“ Micha 2, 11.

„Weh denen, die Helden sind im Weinsaufen.“ Jes. 5, 22.

„Du sollst in kein Trinkhaus gehen.“ Jer. 16, 8.

„Woher kommt Streit und Krieg unter euch? Kommt’s nicht daher: aus euren Wollüsten, die da streiten in euren Gliedern?“ Jakobus 4, 1.

„So sich jemand unter euch läßt dünken, er diene Gott, und hält seine Zunge nicht im Zaum, sondern täuscht sein Herz, des Gottesdienst ist eitel.“ Jakobus 1, 26.

„Wer mit seinem Bruder zürnt, ist des Gerichtes schuldig.“ Matth. 5.

„Ärgert dich deine rechte Hand, so haue sie ab und wirf sie von dir; es ist dir besser, daß eines deiner Glieder verderbe, als daß der ganze Leib in die Hölle geworfen werde.

Ärgert dich dein rechtes Auge, so reiß es aus und wirf es von dir: es ist dir besser, daß eins deiner Glieder verderbe, als daß der ganze Leib in die Hölle geworfen werde.“ Matth. 5.

„Eure Rede sei ein wahrhaftes Ja oder Nein; was darüber ist, ist vom Übel.“ Matth. 5.

„Ihr gabt gehört, daß gesagt ist: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Ich aber sage euch, daß ihr nicht widerstreben sollt dem Übel. Wenn dir jemand einen Streich gibt auf den rechten Backen, dem biete den andern auch dar. Und so jemand mit dir rechten will und deinen Rock nehmen, dem laß auch den Mantel. Und so dich jemand nötigt eine Meile, so gehe mit ihm zwei. Gib dem, der dich bittet, und wende dich nicht von dem ab, der dir abbringen will.“ Matth. 5.

„Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen.” Matth. 5.

„Wer nicht lieb hat, der kennt Gott nicht; denn Gott ist Liebe.“ 1. Joh. 4, 8.

„Wenn du ein Mahl machst, so lade die Armen, die Krüppel, die Lahmen und die Blinden ein.“ Matth. 14, 13.

„Ich habe keine größere Freude denn die, wenn ich höre, daß meine Kinder in der Wahrheit wandeln.“ 3. Joh. 1, 4.



Von ewiger Sehnsucht[Bearbeiten]

Von Paul Häcker, Stuttgart

In stillen Stunden löst sich die Sehnsucht aus den Niederungen des Lebens los und will mit allem Ewigen verbunden werden. Zu allen Zeiten, in allen Völkern und Nationen und in jeder Menschenseele klingt ein tiefes und trunkenes Lied der Sehnsucht. Aus allen Religionen wird ein stiller Weg aufgezeigt, der nirgends anders als in der Sehnsucht endet und in der Sehnsucht Weg und Ziel ins Grenzenlose schaut. Alles Menschenleid sehnt sich nach Erlösung. — Alle Glückseligkeit, auch jene, die nur leise im Herzen anklingen darf, sehnt sich nach Erfüllung. Es gibt nichts im ganzen Menschenleben, das nicht an die Sehnsucht anklingen möchte.

Die Sehnsucht ist von Ewigkeit her in allen Lebewesen verhaftet. Wenn es gar keinen Beweis für die Ewigkeit gebe, dann ist immer noch die Sehnsucht das leise und zarte Erinnern an ein Unvergängliches, an ein immer Wiederkehrendes, an ein Gleiten durch Tiefen und Höhen, das nichts anderes kennt als restlos tiefe Sehnsucht nach dem Allerheiligsten, nach dem, was mit Worten gar nicht auszudrücken vermag. Nur ein tiefes und heiliges Erfühlen um der Dinge letzten Sinn vermag in dieses nicht Auszudenkende und nicht zu Bezeichnende einzudringen. Dann aber ist der Glaube des Lebens liebstes Kind, denn er allein vermag im tiefsten Sinne einzuführen in das heiligste Mysterium des Lebens, das in weltweiter Sehnsucht einen Pfad und ein Ziel ertastet zu der Seele des andern und zu der Weltseele, aus der alles Sehnen in die Seele des Einzelnen als lebensnotwendiges Element einging.

Wer die Sehnsucht in sich erdrosselt und abtöten will, stirbt am Leben und an sich [Seite 119] selber. Nur was aus reiner und tiefer Sehnsucht werden will, ist wert in den Lebenskreis einzuklingen, der alles fördert und letzte Tiefen und Schauungen in der Seele des Menschen offenbart.

Sehnsucht ist des Lebens Urelement und ohne Sehnsucht gibt es keine Entwicklung und keinen Weg in die Ewigkeit und das grenzenlose Sein. Ohne Sehnsucht gibt es keinen Pfad zur Liebe und kein Erfühlen um des Nächsten Leid und kein Ertasten der Seele des andern, die voll Erwartung und Hoffnung sich Seele in Seele erschließen will. Ohne Sehnsucht ist das Leben einfach unmöglich und nur aus ewig quellender Sehnsucht kann neues Leben werden. Sehnsucht ist der Weg zu Gott, ist der Weg zur Erfüllung im endlich unendlichen Sein. Aus allen Tiefen bricht sich der Strom des Lebens und will sich verbinden mit dem Meer der Liebe. Was oft nur leise nach Innen tastet, löst sich aus in der Sehnsucht nach oben in ewig gestaltende Werte. Wer die Sehnsucht in sich ins riesengroße wachsen läßt, ist auf dem Pfad, sich restlos wiederzufinden mit dem einmal verloren gegangenen Heimatsgedanken, der die Seele einfängt in Gottes treuer unvergänglicher Liebe und der müden Seele gerne die Sehnsucht erfüllt nach den ewigen Sternen.

Riesengroß reiht sich die Sehnsucht in das Bild des Lebens ein und gestaltet es über sich hinaus in das tiefe Verlieren an das andere, — in das Hineinfinden zu dem, was die Seele des andern bewegt. Und dem nachzugehen ist des Lebens tiefste und reinste Erfüllung, endlich einmal das erreicht zu haben — dem andern alles sein in leuchtender, vorbildlicher Sehnsucht zur Ewigkeit, die in das Reich der Liebe rein und zart einzudringen vermag, weil die ewige Sehnsucht nur das Reine erklingen läßt in ewiger, nie zerstörbaren Liebe.



Am Weihnachtstage[Bearbeiten]

Von Annette v. Droste-Hülshoff


Still ist die Nacht; in seinem Zelt geborgen,
der Schriftgelehrte späht mit finstren Sorgen,
wann Judas mächtiger Tyrann erscheint;
den Vorhang lüftet er, nachstarrend lange
dem Stern, der gleitet über Äthers Wange,
wie Freudenzähre, die der Himmel weint.


Und fern vom Zelte über einem Stalle,
da ist’s, als ob aufs nied’re Dach er falle;
in tausend Radien sein Licht er gießt.
Ein Meteor, so dachte der Gelehrte,
als langsam er zu seinen Büchern kehrte.
O weißt du, wen das nied’re Dach umschließt?


In einer Krippe ruht ein neugeboren
und schlummernd Kindlein, wie im Traum verloren
die Mutter knieet, Weib und Jungfrau doch.
Ein ernster, schlichter Mann rückt tief erschüttert
das Lager ihnen; seine Rechte zittert
dem Schleier nahe um den Mantel noch.


Und an der Türe stehn geringe Leute,
mühsel’ge Hirten, doch die ersten heute,
und in den Lüften klingt es süß und lind,
verlor’ne Töne von der Engel Liede:
„Dem höchsten Ehr’ und allen Menschen Friede,
die eines guten Willens sind.“



Der Schlüssel zur Welteinheit[Bearbeiten]

Von Louise Drake Wright, Genf (Schweiz) 1930

Deutsch von Ella Groth, Schwerin (Mecklenburg)

Das Interesse der Welt ist unlängst durch die Entdeckung eines neuen Planeten, der ein neunter nachbarlicher Planet des Neptun zu sein scheint und außerhalb von dessen Bahn kreist, aufs neue angeregt worden. Es wurde ein mächtiges Teleskop errichtet, das . [Seite 120] hinreichend stark genug ist, um dieses unbekannte Gestirn unseres Sonnensystems zu erforschen.

Man ist der Meinung, daß sich hier neue und ungeahnte Aspekte eröffnen. Wenn diese Ansicht sich bestätigt, werden vielleicht manche sorgfältige Berechnungen der Vergangenheit, die eine zuverlässige und wohlgeordnete Stufenleiter unserer Forschungen bildeten, eine Änderung erfahren, da dessen Nähe, der Einfluß und das Licht dieses unmeßbaren Magneten in Betracht gezogen werden müssen.

Wie jede bemerkenswerte wissenschaftliche Entdeckung eine neue Beurteilung früherer Voraussetzungen erfordert und neue Möglichkeiten eröffnet, stellt im Reich der göttlichen Offenbarung jeder Lichtbringer eingewurzelte Vorstellungen ins wahre Licht und bringt umfassende und wohltätige Reformen, die in engster Verbindung mit den ewigen, unwandelbaren Gesetzen stehen.

Da nun naturwissenschaftliche Forschungen unserer Einbildungskraft in mancher Beziehung vorausgeeilt sind, werden bei intelligenten Menschen fortschrittliche Ansichten im allgemeinen sehr willkommen geheißen. Wir kerkern unsere Gallilläi nicht mehr unter der Anklage wissenschaftlichen Abenteurertums ein. Dagegen wird auf dem Gebiet der göttlichen Forschung noch an ursprüngliche Methoden, bei denen Mißtrauen, Furcht und Verurteilung die Hauptrolle spielen, festgehalten.

Ein Gottgesandter, von unaussprechlicher Heiligkeit, der im vergangenen Jahrhundert den Schlüssel zu Welteinheit und zum Weltfrieden in der Hand hielt, wurde vierzig Jahre lang gefangen gehalten, erduldete alles Elend und ertrug jegliche Beleidigung, die nur irgend je erduldet wurde. Nichtsdestoweniger strahlte dieses größte Licht himmlischen Glanzes ungehindert, trotz aller Widerstände, über die Welt hin und wurde denen sichtbar, die das Teleskop des Geistes, den Verstand, den geistigen Forderungen und Werten anpassen und seine klare Linse direkt auf diese allumfassende neue Offenbarung Gottes richten.

Der Zyklus dieser neuen Offenbarung wurde der Welt durch drei Persönlichkeiten oder Vermittler bekanntgegeben. Der erste war der Báb, der als Herold der Offenbarung anzusehen ist.

Dann offenbarte Sich Bahá’u’lláh, der Lichtbringer, selbst als Manifestation der Göttlichkeit und tat Seine Sendung kund.

Sein ältester Sohn, ‘Abdu’l-Bahá, wurde danach als der Ausleger und Erklärer der Offenbarungen und als das lebendige Beispiel für Seine Lehren anerkannt.

Die geistige Hohheit und auserlesene Persönlichkeit von Ali Muhammed, dem Báb, zog, unmittelbar nachdem er sich selbst als Herold des „Einen, den Gott offenbaren werde“, erklärte, eine große Anzahl von Bekennern des muhammedanischen Glaubens an, Tausende seiner Anhänger wurden von dem Feuer seines überirdischen Wesens und seiner hinreißenden geistigen Schönheit derart ergriffen, daß sie lieber unbeschreibliches Märtyrertum erduldeten, als sich von ihm zu trennen, Andererseits stieß seine Forderung bei strenggläubigen Anhängern, an alten Gebräuchen hängenden, die altübernommene zärtlich gehegte Riten und Aberglauben ablegen sollten, auf leidenschaftlichen Widerstand. Er ging auch auf die allerkleinsten Einzelheiten in bezug auf ihre Lebensweise ein, stellte u. a. eine neue Ernährungstherapie auf, und erzog sie sorgsam in hygienischer Hinsicht. Er war ein Orkan, der die Bäume ihres Daseins erschütterte, ein Pflug zur Ausrottung alter Wurzeln; er bearbeitete den Boden ihres Verstandes und ihrer Herzen, um sie für das wichtige, nahe bevorstehende Ereignis vorzubereiten. Eine Manifestation Gottes war im Begriff, sich zu erklären. Wer würde sie bewillkommnen? Nicht die in der Vergangenheit lebenden, von Wällen des Vorurteils Umgebenen, noch die von Selbstgerechtigkeit Erfüllten.

(Schluß folgt)



In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an das Bahá’i-Bureau Stuttgart, Alexanderstr. 3, Nebengebäude, zu richten.


[Seite 121]


Geschichte und Bedeutung der Bahá’i-Lehre[Bearbeiten]

Die Bahá’i-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.

Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahá’i-Bewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahá’i-Religion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahá’i (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahá’i der Welt.

Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahá’i, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China usw. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.

In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).

Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Ighan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.

Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.

Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, Seite 66.)


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Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart

Fernsprecher Nr. 26168 / Postscheckkonto 25419 Stuttgart / Alexanderstr. 3, Nebengebäude

In unserem Verlag sind erschienen:


Bücher:

Verborgene Worte von Bahá’u’lláh. Worte der Weisheit und Gebete . . . 1.--

Bahá’u’lláh, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. In Halbleinen gebunden . . . . . 2.50

in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.--

'Abdu'l-Bahá Abbas, Ansprachen in Paris über die Bahá’i-Lehre . . . . . . 3.--

Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, von Mirza Abul Fazl. . . . . 3.50

'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.--

Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase. Kartoniert M. 4.--, in Halbleinen gebunden . . . . 4.60

Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.50

Beantwortete Fragen 'Abdu'l-Bahá Abbas', gesammelt von L. Clifford Barney . . . . 5.--


Broschüren:

Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit. Von Dr. jur. H. Dreyfus . . . -.50

Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás, ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") . . . -.50

Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey . . . . —.50

Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahá’i-Lehre von Dr. Hermann Grossmann, Weinheim (Bergstrasse) . . . . —.20

Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Grossmann, Weinheim (Bergstrasse) . . . . —.20

Sonne der Wahrheit, Jahrgang 3 - 9 in Halbleinen gebunden je . . . . 9.--

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