Sonne der Wahrheit/Jahrgang 10/Heft 8/Text

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SONNE

DER

WAHRHEIT
 
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI
 
HEFT 8 10. JAHRGANG OKT. 1930
 


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Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i-Prinzipien[Bearbeiten]

1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.


Bahá’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Bahá’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Bahá’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.


2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.

In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.


3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.

Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.


4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.

Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.


5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.

Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.


6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.

Dies ist eine besondere Lehre Bahá’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.


7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.

Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.


8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.

Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.


9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.

Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.


10. Die soziale Frage muss gelöst werden.

Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Bahá’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.


11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.

Bahá’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weltsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.


12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.

Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.

Vor mehr als 50 Jahren befahl Bahá’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.

Bahá’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.


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SONNE DER WAHRHEIT
Organ der deutschen Bahá’i
Herausgegeben vom Verlag des deutschen Bahá’i-Bundes, Stuttgart
Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3
Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark
Heft 8 Stuttgart, im Oktober 1930
’Ilm — Erkenntnis 87
10. Jahrgang

Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion


Inhalt: Das Heilige Buch der Gewißheit. — Über Aufrichtigkeit. — Der Bahá'i-Esperanto-Weltsprachgedanke. — Mit dem grünen Stern. — Das Gelöbnis des Propheten Muhammed an die Anhänger Christi. — 'Abdu'l-Bahá über Tolstoi. — Religion. — Die Doppelnatur des Menschen.



Eine der Lehren Bahá’u’lláhs besagt, daß die Religion ein mächtiges Bollwerk ist. Wenn das Gebäude der Religion ins Wanken gerät und erzittert, so wird Aufruhr und Chaos entstehen und die Ordnung der Dinge wird vollständig umgestürzt, denn in der Welt der Menschheit gibt es zwei Beschützer, um den Menschen vor dem Übeltun zu behüten. Der eine ist das Gesetz, das den Verbrecher bestraft. Das Gesetz aber verhütet nur das offensichtliche Verbrechen und nicht die geheime Sünde; wohingegen der ideale Beschützer, nämlich die Religion Gottes, beides verhütet, sowohl das offenkundige als das geheime Verbrechen, die Menschen erzieht, Moral lehrt, die Annahme von Tugenden erzwingt und die allumfassende Macht ist, welche die Glückseligkeit der Menschheit gerährleistet. Mit Religion ist aber das gemeint, was durch Forschung zur Gewißheit wird und nicht das, was sich lediglich auf Nachahmung stützt, also der Grundstein der göttlichen Religion und nicht menschliche Nachahmungen.


Bahá’u’lláh

aus „Friedensprogramm."


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Das Heilige Buch der Gewißheit[Bearbeiten]

(Fortsetzung)

(Kitab-El-Iqan aus der Feder von Bahá’u’lláh)

Aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt von Dr. A. Mühlschlegel

Als der Ewige, der Unsichtbare, das unerfaßbare Wesen, die Sonne Muhammeds vom Horizonte des Wissens und der Bedeutung aufgehen ließ, war der Gründe, deren sich die jüdischen Priester bedienten, um ihm zu widersprechen, einer, daß nach Moses kein Prophet mehr kommen sollte: „Wohl steht in dem Buche“, sagten sie, „daß eine Manifestation erstehen soll, doch nur, um dem Volke Gottes und Seinem Gesetze die höchste Entwicklung zu schenken, auf daß die Religion der Bibel die allumfassende werde. Also lautet Gottes Wort.“

Und der König der Einheit griff die Worte dieser Verirrten wieder auf und sprach: „Die Juden sagen: Die Hände Gottes seien gebunden; sie sagen, daß ihre Hände an ihren Nacken gefesselt seien! Daß sie verflucht seien um ihrer Lästerungen willen! Weit entfernt davon, die beiden Hände Gottes sind ausgestreckt.“ (Koran V, 69.) Und weiter: „Gottes Hand ist auf ihre Hände gelegt.“ (Koran XLVIII, 10.)

Die gelehrtesten Schriftdeuter sind sich nicht einig in der Auslegung dieser Verse. Doch betrachtet sie geistig: nicht so ist es, wie die Juden glaubten: Gott hätte, nachdem Er Moses geschaffen und zum Propheten gemacht, Seine Hand geschlossen und es Sich versagt, noch einen andern nach diesem zu entsenden. Welche bedeutungslose Auslegung! Wie weit entfernt ist sie von den Ufern der Weisheit und der Vernunft! Heute verurteilt jedermann diese eingebildeten Worte, die man seit mehr denn tausend Jahren liest. Seit mehr denn tausend Jahren tadelt man die Juden — und sagt doch öffentlich und insgeheim die gleichen Dinge wie sie. Wie jene gleichfalls sagten: alle Manifestationen sind begrenzt, die Tore der Barmherzigkeit sind verschlossen, keine Sonne wird mehr mit geistigem Morgenrot erscheinen, keine Welle wird sich mehr auf dem ewigen Meere erheben, niemand wird mehr aus den unsichtbaren Zelten Gottes hervorgehen ..., so sprechen die Toren auch heute noch. Was niemand zu sagen gewagt hätte, daß die allumfassende Güte und Barmherzigkeit eines Tages versiege, das verkünden sie, und allgemein hält man diese Irrlehre für wahr. Sie suchen das Feuer der Heiligen Bäume mit dem verdorbenen Wasser des Zweifels zu ersticken und merken nicht, daß der Bannkreis der Macht die Flamme der Einheit beschützt und beschirmt. Sie fühlen sich wohl in ihrem niederen Zustand, der sie der altheiligen Sehnsucht beraubt und sie auf immer von dem Wesen aller Ursachen entfernt.

Das größte Gut, den Menschen vorbehalten, ist Gottes Gegenwart und Gehorsam Seinen Gesetzen gegenüber, was immer jeder auch behaupten mag. Und dies bedeutet Gottes höchsten Lohn und Seine größte Güte zu Seinen Geschöpfen. Keiner jener Toren hat solche Wohltaten erlangt, keiner hat diese Ehre empfangen. Und wenn auch noch so viele Stellen in den Schriften die Wahrheit Unserer Worte klar erweisen, so leugnen sie es doch auch fernerhin und halten ihre eigenen Erklärungen aufrecht. „Welche nicht an Gottes Wort glauben und daran, daß sie vor Ihn gerufen werden, die verzweifeln an Seiner Barmherzigkeit. Eine schreckliche Strafe steht ihnen bevor.“ (Koran XXIX, 22.)

„Sie denken, eines Tages werden sie ihren Herrn wiedersehen und zu Ihm zurückkehren.“ (Koran II, 43.)

„Die, welche glaubten, am jüngsten Tage Gottes Angesicht zu schauen, sprechen dann: O! wie so oft wurde durch Gottes Gunst ein unabsehbares Heer durch eine kleine Schar besiegt!“ (Koran II, 250.)

„Wer hofft, eines Tages vor seinem Herrn zu erscheinen, der tue Gutes und verbinde mit der Anbetung, die dem Herrn gebührt, nicht die eines anderen Geschöpfes!“ (Koran XXII, 110.)

„Er hält die Geschicke des Weltalls in Seiner Hand und läßt uns Seine Wunder [Seite 111] deutlich schauen. Vielleicht werdet ihr endlich mit Gewißheit glauben, daß ihr euch eines Tages in der Gegenwart eures Herrn befinden werdet.“ (Koran XIII, 2.)

Alle diese Dinge, die auf das Erscheinen vor dem Gerichte hinweisen, sind mehr oder minder von den Menschen abgelehnt worden. Und doch hat es nichts Machtvolleres in allen Schriften gegeben — somit haben sie sich der herrlichen Stufe und der allerhöchsten Wohltat „Abha’s“ beraubt.

Bekanntlich bezieht sich das Kommen des Gerichts auf die Manifestation Gottes in den letzten Tagen. Ist dies aber eine allgemeine Manifestation, so ist sie schon allüberall gewesen. Wir haben ja gesehen, daß alles, was besteht, der Erscheinungsort des Königs der Wirklichkeit ist, und daß die Strahlen der Sonne, die sich offenbaren, sich im Spiegel aller Wesen zeigen. Wäre die Intelligenz der Menschen geistiger entwickelt, sie würden verstehen, daß nichts besteht außerhalb dieser Offenbarung des Königs der Wirklichkeit, da, wie ihr seht, alles von diesem göttlichen Licht zeugt. Sind nicht die Tore des Paradieses überall geöffnet in den Städten der Belehrung und der Weisheit, den Suchenden wohl zugänglich und jenen, die zu den Gärten des Wissens und des Könnens gelangt sind, wo die geistige Braut, in schönstem Schmucke prangend, ihrer wartet. Fast alle Verse im Koran sind mit ähnlichen Bildern erfüllt. „Gibt es ein einziges Ding, das nicht den Herrn verherrlicht?“ Dieser Vers bezeugt Meine Worte, wie auch jener, da Er spricht: „Wir haben alles gezählt und aufgezeichnet.“ (Koran LXXVIII, 29.)

Wenn also die Manifestation die göttliche Gegenwart in allen Dingen bedeutet, dann ist jeder von uns schon erschienen vor dem ewigen Antlitz des Königs ohnegleichen; und sie hat nichts Besonderes am jüngsten Tage.

Wenn es sich aber um eine ganz besondere Manifestation Gottes handelt, in Seiner eigenen Wesenheit, in der ewigen Erhabenheit Seines Wissens, wie gewisse Sufi glauben, die diese Manifestation die „Heiligste Güte“ nennen, so lassen wir dies einen Augenblick gelten. Dann würde das Erscheinen zum Gericht für die Menschen niemals stattfinden, denn diese Manifestation besteht nur in der unsichtbaren Wesenheit, zu welcher keiner vorzudringen vermag. „Der Weg ist geschlossen und die Frage ist verboten“, sagen die Hadiß. Die Herzen der reinsten Menschen können nicht bis dorthin gelangen, wie könnten es da die verfinsterten Herzen tiefstehender Menschen?

Doch, wenn es sich um die Gottesoffenbarung handelte, welche die Sufi diejenige der „Heiligen Güte“ nennen, so muß sie in die erschaffene Welt herabkommen, und keinen anderen Wohnsitz kann sie haben als in den ersten Menschen jeden Volkes, besonders den Propheten und Erwählten, denn es gibt ja keine Größeren als sie in der erschaffenen Welt, wie jeder anerkannt: Die göttlichen Namen und die ewigen Eigenschaften wohnen in ihnen. Sie sind die vollendeten Spiegel und alles, was sie widerspiegeln, besteht in Gott, sichtbar und unsichtbar. Man kann den Ursprung der Ursachen nicht erfassen, ohne diese Wesen zu erfassen, die alle das Licht Gottes tragen. Darum ist ein Hintreten vor diese Heiligen Persönlichkeiten ein Hintreten vor Gott. Ihr Wissen ist göttliches Wissen, ihr Antlitz Gottes Antlitz. Alles in diesen hehren Edelsteinen will nur verkünden: Gott ist „der Erste und der Letzte, der Sichtbare und der Verborgene, der Allwissende.“ (Koran LVII, 3.) Darum ist ein jeder vor Gott getreten, der die glänzenden Strahlen von diesen leuchtenden Sonnen empfangen hat, wann immer sie erschienen, und ist schon in die Stadt des ewigen Lebens eingetreten.

Und doch kann das von den Propheten verheißene große Erscheinen vor Gericht nur in den letzten Tagen geschehen, beim Erscheinen der göttlichen Seele in ihrer allumfassenden Manifestation, gemäß dem Sinn, der den „letzten Tagen“ beigemessen wird in allen Verheißungen der Heiligen Schriften. Läßt sich ein größerer Tag denn denken, ein herrlicherer, ein gesegneterer als jener Tag der großen Offenbarung? Und dennoch kümmern sich die Menschen nicht darum und berauben sich der Wohltaten, der göttlichen Barmherzigkeit, die sich wie Frühlingsregen auf sie ergießen. Wenn es doch auf jede [Seite 112] mögliche Art bewiesen worden ist, daß dieser Tag der größte sein wird und diese Sache die wichtigste, warum zweifelt dann der Mensch und läßt sich durch die Einwände der Skeptiker gewinnen?

Und was noch über diese Beweise, unwiderleglich für die Denkenden, hinausgeht: Kennst du nicht das berühmte Hadiß: „Die Auferstehung wird sein mit dem Kommen Kahims.“ Die Imame, welche das Licht der Führung sind, haben es ebenso ausgelegt und diesen Vers des Korans auf das Erscheinen Kahims bezogen. „Warten die Menschen darauf, daß Gott zu ihnen komme in dem Dunkel der Wolken, was sich nach allgemeiner Ansicht auf das bezieht, was an dem Tage der Auferstehung sich ereignen wird?“ (Forts. folgt)



’Abdu’l-Bahá im Vorhof zu Seinem Hause in Haifa


Über Aufrichtigkeit[Bearbeiten]

Worte von ‘Abdu’l-Bahá in Ramleh 1913.

„O mein Gott, durch Deine Gnade öffnet sich im Leben eines jeden Menschen ein weites Tor mit goldenen Möglichkeiten. Es gibt einzelne Menschen, welche das Vorrecht haben in den Garten göttlichen Glücks einzutreten, die immer beten und wetteifern, um sich diese geistige Stufe zu bewahren. Andere schließen ihre Augen und lassen sich die Gelegenheit entgehen. Ich hatte für ... einen Palast aus Diamanden vorgesehen, er aber schätzte ihn nicht. Er folgte lieber seinem eigenen Verlangen, als daß er im Einklang mit meinem Wohlgefallen gelebt hätte. Wie oft ermahnte ich ihn, er möchte seinen [Seite 113] Willen dem Willen Gottes unterordnen. Fr hörte nicht. Ich liebte ihn, ich wünschte, daß er eine herrliche Sonne werden möge, welche das Licht der Heiligkeit ausstrahlt, aber er zog es vor, im Schmutz und im Sumpf menschlicher Leidenschaften zu waten. Bedenke, wie herzlich meine Liebe und wie tief meine Zuneigung zu ihm war. Ein Mensch muß in all seinen Handlungen und Gefühlen offen und ehrlich sein. Die „Geheiligte Vollkommenheit“ — Bahá’u’lláh — nahm alle Unterdrückung und Verfolgung auf Sich und verkündete dabei die göttlichen Lehren, damit die Menschen in allen ihren Handlungen aufrichtig gegeneinander sein möchten. Bei wiederholten Veranlassungen sagte die „Gesegnete Schönheit“: Während Christus drei Jahre lang Spott zu erleiden hatte und schließlich gekreuzigt wurde, wurden wir täglich, ja stündlich gemartert und nehmen doch alles dies geduldig hin, damit die Menschheit sich mit dem göttlichen Gewande der Aufrichtigkeit kleiden möge! Kein Anderer hätte die Bedrängnis und die Bedrückung, die gegen Bahá’u’lláh ausgeübt wurde, auch nur einen Augenblick ertragen können!“



Der Bahá’i-Esperanto - Weltsprachgedanke[Bearbeiten]

Von Adolf Spieth

Referat, gehalten in Eßlingen anläßlich der 2. Tagung der Weltgemeinschaft, 24. Mai 1926


Die Weltanschauung Dr. Zamenhofs

Der Bahá’i-Esperanto-Weltsprachgedanke heißt in Ihrem Programm der Punkt, über den ich zu Ihnen reden möchte. Aus diesem großen Gebiet, das beim 1. Bahá’i-Kongreß Herr Bieg schon behandelte, habe ich nun einen kleineren Abschnitt herausgegriffen, so daß das eigentliche Thema lautet: „Die Weltanschauung Dr. Zamenhofs, des Verfassers von Esperanto.“

Wie Sie alle wissen, ist eines der großen Prinzipien der Offenbarung Bahá’u’lláhs die Einführung einer Sprache als Weltsprache für alle Völker. Dieser Gedanke ist an und für sich zwar nicht ganz neu gewesen, wenigstens nicht für uns im Abendland. Ich denke da an die Wünsche des großen Pädagogen Amos Comenius (1634) und des Philosophen Leibniz, die sich in dieser Richtung bewegten. Um so auffallender ist es, daß plötzlich die ganz bestimmte Forderung einer Weltsprache da ist, und zwar ausgehend vom Morgenland, das sicher nicht von Comenius oder Leibniz beeinflußt war. Wiederum auffallend ist, daß zu derselben Zeit, da Bahá’u’lláh in Persien diese Verordnung der Menschheit gab, im Abendland der Weltsprachgedanke erneut auftauchte. Nur zwei Männern war ein Erfolg beschieden: Professor Schleyer in Konstanz mit Volapük und Dr. Zamenhof in Warschau ein Jahr später mit Esperanto.

Ich möchte nun Ihre Aufmerksamkeit noch darauf hinlenken, daß Dr. Zamenhof, der 1859 geboren, ein kleiner Knabe war, da Bahá’u’lláh Seine Mission erklärte, und zeitlich damit fällt bei dem kleinen Ludwig Lazaras Zamenhof der Gedanken zusammen, eine Welteinheitssprache zu schaffen, wenn er groß geworden sei, ein Gedanke, der ihn, wie er selbst sagte, in der frühesten Jugend ergriff und der ihn von dieser Zeit an niemals verließ. Unbewußt wurde so Zamenhof von einem Geist ergriffen, den er nicht kannte, von dem das Abendland nichts ahnte, und der in Esperanto einen sichtbaren Ausdruck im Abendland fand. Es ist dies für mich ein deutlicher Beweis, daß Esperanto eben kein totes Gebilde ist oder sein kann, wie das öfters schon behauptet wurde. Wohl finden wir bei Esperanto als künstlicher Sprache nicht diese ursprüngliche tiefste Einheit von Ursprache als Sinn, Kraft und Tat und dem Wesen eines Volkes, etwa des germanischen; ich meine ethymologisch betrachtet, was übrigens wohl neun Zehntel der Deutschen auch nicht mehr empfinden oder wissen. Übrigens ist Esperanto ja auch nicht willkürlich entstanden, d. h. daß für ein Ding einfach ein xbeliebiger Laut oder [Seite 114] Laute genommen wurde, sondern zum größten Teil gehören die Wurzelworte auch der indo-germanischen Sprachfamilie an. Esperanto kann und will ja die Muttersprache niemals verdrängen, sondern will eben ein Hilfsmittel sein, eine neue Möglichkeit des Verkehrs der Völker untereinander zu schaffen und daß dies möglich ist, zeigt Esperanto durch seinen Siegeslauf über die ganze Welt. Wären nicht in allen Völkern ähnliche Grundgefühle und -gedanken der alten ursprünglichen aber verlorenen Einheit vorhanden gewesen, so hätte Esperanto nicht überall Aufnahme gefunden. Daß das Menschengeschlecht eine Einheit war und heute noch sein kann und sich als solche erkennen soll, ist ja der erste Grundsatz der Bahá’i-Offenbarung. Wie sehr so Esperanto geeignet ist, die Bahá’i-Gedanken zu verbreiten und darum die Erlernung auch von 'Abdu'l-Bahá und Shoghi Effendi dringend gewünscht wird, zeigt Ihnen deutlich die Weltanschauung Dr. Zamenhofs, die er in einem kleinen Schriftchen, „Homaranismo“ betitelt, zum 8. Esperanto-Kongreß im Frühjahr 1913 geschrieben hat, zur Zeit, da ‘Abdu’l-Bahá Europa bereiste. Zwar betont Dr. Zamenhof im Vorwort, daß dies nur seine rein privaten Ansichten seien und nicht identisch seien mit der Esperantoidee, aber die Aufnahme, die seine Gedanken gerade in Esperantokreisen gefunden haben, so daß sie zur Gründung einer eigenen Zeitschrift in Lausanne führten, beweist, daß schließlich doch durch Esperanto der Boden bereitet wurde für die Privatweltanschauung Dr. Zamenhofs. Diese selbst will ich kurz anführen. Wie sehr sie sich mit der Bahá’i-Bewegung deckt, werden Sie leicht finden.

Zamenhof erhielt ein Tablet von 'Abdu'l-Bahá.

Der 1. Abschnitt von Dr. Zamenhofs Erklärungen heißt:

„Ich bin ein Menschenfreund; das bedeutet, daß ich mich in meinem Leben nach folgenden Prinzipien richte:

1. Ich bin ein Mensch und betrachte die ganze Menschheit als eine Familie, die Teilung der Menschheit in verschiedene gegensätzliche, feindliche Geschlechter, Stämme und völkisch-religiöse Gemeinschaften halte ich für eines der größten Übel, die mehr oder weniger bald verschwinden müssen und deren Abbau ich nach meinen Kräften beschleunigen muß. (1. Bahá’i-Prinzip.)

2. Ich sehe in jedem Menschen nur einen Menschen und ich werte jeden Menschen nur nach seinem persönlichen Wert und seinem Tun. Jede Beleidigung oder Herabsetzung eines Menschen deshalb, weil er einer andern Gemeinschaft, einer andern Sprache, einer andern Religion, einer andern gesellschaftlichen Klasse als ich angehöre, betrachte ich als Barbarei. (Verb.-Worte 69.)

3. Ich bin mir bewußt, daß ein Land nicht diesem oder jenem Volksstamm gehört, sondern daß alle Bewohner darin völlig gleichberechtigt sind, welcher Religion, Sitte, Sprache sie zugehören oder welche gesellschaftliche Rolle sie spielen. Die Übereinstimmung der Interessen eines Landes mit denen dieses oder jenes Volksstamms und die daraus entspringenden Vorwände, irgendwelche historische Rechte zu haben, die dem einen Stamm im Lande erlauben über den andern zu herrschen und ihnen das allernotwendigste und natürliche Recht am Vaterland verweigern, betrachte ich als ein Überbleibsel aus barbarischer Zeit, als nur das Recht der Faust und des Schwerts bestand.

4. Ich bin mir bewußt, daß jedes Reich und jede Provinz einen neutral-geographischen Namen tragen sollte, aber nicht den Namen irgend eines Stammes, einer Sprache oder Religion. Denn die Stammesnamen, welche noch viele Länder der alten Welt tragen, sind die Hauptursache, deretwegen die Bewohner eines Gebiets sich für die Herren über die Bewohner eines andern Gebiets halten. Bis zu der Zeit, da diese Länder einen neutralen Namen erhalten, muß ich, wenigstens in gegenseitiger Aussprache mit einem Gesinnungsgenossen, diese Länder nach ihren Hauptstädten nennen unter Beifügung des Wortes „Staat“, „Provinz“ usw.

5. Ich bin mir bewußt, daß in seinem privaten Leben jeder Mensch das völlige und unbestreitbare Recht hat, die Sprache oder Mundart zu sprechen, die ihm am bequemsten ist, und die Religion bekennen, die ihn am meisten befriedigt; aber im Zusammenleben, in der Gemeinschaft mit Menschen anderer Sprachen oder Religionen, muß er [Seite 115] sich bemühen, eine neutrale Sprache zu benützen und nach neutraler Ethik und Moral zu leben. Ich weiß, daß für die Bewohner eines und desselben Reiches oder einer Stadt die Rolle einer neutralen Sprache die Staatssprache oder die Kultursprache spielen kann, welche die Mehrzahl der örtlichen Bewohner sprechen, aber dies darf nur als ein Ausweg der Bequemlichkeit betrachtet werden, aber nicht als irgend ein demütiger Tribut, den die beherrschten Stämme den herrschenden schulden. Ich weiß, daß in den Orten, in denen verschiedene Stämme sich bekämpften, es zu wünschen ist, daß in den öffentlichen Einrichtungen eine neutrale Sprache benützt werde, oder daß wenigstens — die stammsprachlichen Kultureinrichtungen ausgenommen — dort auch Spezialschulen und kulturelle Einrichtungen bestehen mit einer neutralen Sprache, damit alle, die es wünschen, aus der Kultur schöpfen und ihre Kinder in einem unchauvinistischen, menschlich-neutralen Geist erziehen können.

6. Ich bin mir bewußt, daß die gegenseitigen Streitigkeiten unter den Menschen niemals aufhören werden, bis die Menschen sich angewöhnen, den Namen „Mensch“ viel höher zu stellen, als den Namen des „Stammes“, und da das sehr ungenaue Wort „Volk“ oft Anlaß zu Stammeshetzereien, Disputationen und Unzuträglichkeiten gibt und oft unlieb die Söhne desselben Landes oder sogar desselben Stammes teilt, deshalb antworte ich auf die Frage zu welchem Volk ich mich zähle mit: ich bin ein Menschheitsfreund; nur dann, wenn man mich genauer fragt nach Staat, Provinz, Sprache, Gebiet oder Religion, gebe ich darüber genaue Antworten.

7. Mein Vaterland nenne ich jenes Land, in dem ich geboren bin; mein Heimatland ist das Land, in dem ich einen dauernden Wohnsitz habe. Aber da für das unbestimmte Wort „Land“ auch die Worte „Vaterland“ und „Heimatland“ sehr ungenau sind und oft Disputationen und Unfrieden verursachen und die Söhne desselben Erdstrichs entzweien, darum vermeide ich in allen zweifelhaften Fällen diese ungenauen Worte und gebrauche statt ihrer die viel genaueren „Vaterland“, "Vaterstadt“, „Heimatland“, „Heimatstadt“.

8. Patriotismus heiße ich den Dienst zum Wohle aller meiner Landsleute, was für eine Tätigkeit, Sprache, Religion oder gesellschaftliche Rolle sie auch haben. Den Dienst speziell für die Interessen einer Gliedschaft oder den Haß gegen anders gesinnte Landsleute kann ich niemals Vaterlandsliebe nennen. Ich weiß, daß eine tiefe Liebe zu seinem Vaterland und zu seiner Heimat eine ganz natürliche und allen Menschen gemeinsame Sache ist und nur unnormale, äußere Umstände können diesen ganz natürlichen Sinn aufheben. Wenn daher in meiner Heimat alle Arbeiter ausgenützt werden für die Bequemlichkeit oder den Ruhm einer speziellen Gliedschaft, und das meine Begeisterung für soziale Arbeit wirkungslos macht oder mich sogar dazu bringt, von einer andern Heimat zu träumen, so darf ich dennoch nicht verzagen, sondern ich muß mich trösten mit dem Glauben, daß der unnormale Zustand in meiner Heimat früher oder später verschwinden wird und meine Söhne oder Enkel in den vollen Genuß dieses Enthusiasmus gelangen werden, den die Ungerechtigkeit meiner Landsleute in mir paralysierte.

9. In dem Bewußtsein, daß eine Sprache für den Menschen nicht Ziel sein darf, sondern nur Heilmittel, nicht Trennungsmittel, sondern Mittel der Einigung, und daß der sprachliche Chauvinismus eine der Hauptursachen des Hasses unter den Menschen ist, kann ich niemals eine Stammessprache oder Mundart als heilige, als mein Heilsgut betrachten, das ich darum lieben würde, noch sie zu meinem Schlachtbanner machen. Wenn man mich im einzelnen nach meiner Muttersprache fragt, nenne ich ohne Chauvinismus die Sprache oder Mundart, die ich in meiner Kindheit mit meinen Eltern sprach; wenn man mich im einzelnen nach meiner persönlichen Umgangssprache fragt, dann nenne ich — wiederum ohne mich durch chauvinistische Betrachtungen leiten zu lassen — die Sprache, die ich persönlich am besten beherrsche oder am liebsten benutze; aber wenn auch irgend eine meine Mutter- oder Umgangssprache ist, so muß ich doch noch eine neutrale Sprache besitzen, die meine Zeitgenossen für zwischenvölkische Beziehungen benützen, so daß ich nicht durch meine Schuld andern meine Sprache aufdrängen muß, und daß ich ein moralisches Recht habe, [Seite 116] zu wünschen, daß andere mir nicht die ihre aufzwingen und daß ich auf unchauvinistischer Grundlage der menschlich neutralen Kultur dienen kann.“

10. In dem Bewußtsein, daß die Religion nur eine Angelegenheit eines aufrichtigen Glaubens sein, aber nicht die Rolle eines vererbten völkischen Trennungsmittels spielen darf, nenne ich als meine Religion nur die Religion oder das an Religionsstelle stehende System, an das ich tatsächlich glaube. Welches nun aber diese Religion ist, bekenne ich nach den menschlich neutralen Prinzipien, d. h. nach denen der „Menschheitsfreunde“ im folgenden:

a) Die höchste, für mich nicht begreifbare Macht, die die Ursache der Ursachen in der materiellen und moralischen Welt ist, kann ich mit „Gott“ oder einem andern Namen benennen, aber ich weiß, daß jeder das Recht hat, das Wesen dieser Kraft sich vorzustellen, wie ihm sein Verstand und Herz oder die Lehren seiner Kirche es diktieren. Keiner darf mich deshalb hassen, verspotten oder verfolgen, weil sein Glaube über Gott anders ist als der meine.

b) Ich weiß, daß das Wesen der wahren religiösen Befehle, Verordnungen in dem Herzen jedes Menschen in Form des Gewissens schlummert und daß das Hauptsächlichste, für alle Menschen gültige Prinzip aller Verordnungen ist: „Tue andern so, wie du wünschest, daß andere dir tun.“ Alles andere in der Religion betrachte ich als Zugaben, welche jeder Mensch gemäß seinem Glauben berechtigt ist entweder als für ihn verpflichtende Worte Gottes zu halten oder als Erklärungen, welche vermischt mit Legenden uns verschiedenvölkische große Lehrer der Menschheit gaben und als Sitten, die von Menschen aufgestellt sind und deren Erfüllung oder Nichterfüllung von unserem Willen abhängt.

c) Wenn ich an nichts in den bestehenden geoffenbarten Religionen glaube, so darf ich auch nicht in einer von ihnen bleiben einzig aus völkischen Gründen und um durch mein Verbleiben die Menschen über meine Überzeugungen zu täuschen und so auf endlose Generationen vererbend eine schlechte Eigenschaft nähren, sondern ich muß — wenn die Gesetze meines Landes dies erlauben — unversteckt und öffentlich mich „freigläubig“ nennen, ohne daß ich aber meinen Freiglauben dem Atheismus gleichstelle, sondern ihm völlige Freiheit reserviere. Wenn in meinem Wohnort eine nach gemeinsamer Übereinkunft gegründete, organisierte stammes- und dogmatische Gemeinschaft von Freigläubigen besteht, der ich mich mit völliger Befriedigung für mein Gewissen und für die Bedürfnisse meines Herzens anschließen kann, dann muß ich — um meine religiöse Neutralität zu festigen, mich gegen Programmlosigkeit und gegen den Rückfall in einen stammesreligiösen Chauvinismus zu schützen — ganz offiziell dieser freidenkenden Gemeinschaft beitreten und für mich deren neutralen Namen annehmen, ebenso auch deren Anordnungen, deren unverbindlichen neutral-menschlichen Feste und Sitten, deren neutral-menschlichen Kalender usw. Bis zu dieser Zeit kann ich offiziell bei der Religionsgemeinschaft eingeschrieben bleiben, in der ich geboren bin, aber ich muß immer hinter ihren Namen das Wort „freigläubig“ setzen, um zu zeigen, daß ich mich zu ihr nur vorübergehend zähle nur zum Zweck der Registratur.



Mit dem grünen Stern ...[Bearbeiten]

Von Elsa Maria Großmann, Hamburg

Als ich von Finnland nach Schweden hinüberfuhr, vertraute ich meinem guten Stern. Denn ich kannte Schweden nicht und hatte dort weder Bekannte, noch konnte ich schwedisch sprechen oder verstehen.

Von Helsingfors aus schrieb ich an einen Delegierten der Universalen Esperanto-Vereinigung (U.E.A.), dessen Adresse ich erfahren hatte, und fragte an, ob es mir vielleicht möglich sein würde, bei einem Besuche in Stockholm mit dortigen Esperantisten zusammenzukommen. Luftpostwendend kam die Antwort, ich solle nur kommen und jemand von ihnen wäre bestimmt am Schiff.

[Seite 117] So erreichte ich denn an einem strahlenden Spätsommermorgen von Finnland her mit dem Dampfer kommend in langsamer Fahrt durch den wundervollen Schärengürtel die schwedische Hauptstadt. Ich hatte meinen Esperantostern unterwegs verloren und langte an im fremden Land, ohne denjenigen oder diejenige, die mich abholen wollten, zu kennen oder auch nur je im Leben einmal mit ihnen zusammen gewesen zu sein. Eine große Menschenmenge wartete am Lande auf Freunde und Bekannte, die mit unserm Schiff kamen. Als ich aus dem Zollgebäude trat, stand plötzlich jemand neben mir mit einem kleinen grünen Stern im Knopfloch. Ein einziges Wort, ein Händedruck, ein Lächeln auf beiden Seiten, und mit fröhlichem Herzen ging es über die Brücke des Verstehens in jenes Land, das mir im selben Augenblick zur Heimat wurde.

Ich kam in einem guten Hotel unter und ein Freund umsorgte mich, als hätten wir uns seit Jahren gekannt. Keine Mahlzeit brauchte ich alleine einzunehmen und keinen Spaziergang brauchte ich allein zu machen. Sie wurden zu einer Folge von unvergeßlichen Stunden, diese kurzen Tage in der schönen, königlichen Hauptstadt. Des Abends saßen wir beisammen in geselligem Kreis, zu dem sich mehrere Freunde nach Beendigung der anstrengenden Pflichten ihres Berufes einfanden, und, während über unsere Lippen die Worte der Welthilfssprache gingen, waren unsere Herzen abgestimmt auf die feine Sprache des Herzens, die da keine Grenzen kennt unter den Nationen dieser Erde und die nichts weiter anerkennen will, als die zarten, geistigen Beziehungen zwischen Mensch und Mensch.

Ich habe tags über wieder mit anderen der Freunde die Schönheiten und Sehenswürdigkeiten Stockholms genossen, habe in einer der monatlichen Versammlungen der Stockholmer Arbeiter-Esperantisten deren wundervolle Kameradschaft und Gastfreundlichkeit erfahren dürfen und habe zum Abschied aus dieser Stadt in einem blumengeschmückten Heim bei Musik und gemeinsamen Liedern noch einmal das erleben dürfen, was mir diese Tage als unzerstörbare Offenbarung brachten: daß es keine Grenzen mehr gibt zwischen den Völkern, zwischen den Rassen oder Klassen oder Religionen dieser Erde, sobald wir in uns die Grenzen niedergelegt haben, sobald wir in unserm Innern keinen andern Gedanken mehr aufkommen lassen wollen, als nur den an eine, gleiche, die Welt umfassende Menschheit.

Als ich in das kleine Städtchen Skara kam, stand im strömenden Regen schon ein älterer Herr am Bahnhof, um mich in Empfang zu nehmen, und als ich dann im Sonnenschein das Städtchen wieder verließ, hielt ich zwei Büchlein von ihm zum Andenken in meiner Hand, es waren kleine Werke bekannter Schriftsteller ins Esperanto übersetzt. Mit besonderer Freude hüte ich die Bändchen unter den Büchern meines Bücherschranks, wie ich den kleinen grünen Stern trage und bewahre, den einer der Stockholmer Freunde mir aus seinem Knopfloch löste, weil ich den meinigen verlor...

Die Stunden mit den Freunden in Kopenhagen fügten sich wie eine frische Rose zu diesem Kranz der zartesten Blumen, und, daß dieser Kranz nicht welken, sondern in all seiner strahlendsten Schönheit weiterbestehen möge, das verspreche ich dankbaren Herzens meinen Freunden in Dänemark und Schweden!



Das Gelöbnis des Propheten Muhammed an die Anhänger Christi.[Bearbeiten]

Übersetzt durch Anton F. Haddad, 1902

Aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt durch Elsa Maria Großmann

Als Beweis für die allgemeine Ungerechtigkeit und Unduldsamkeit der Christen gegenüber dem großen Propheten Muhammed und um zu zeigen, in welchem unglücklichen Irrtum sie sich befinden, wenn sie Ihm Haß und Grausamkeit gegenüber den Nachfolgern Christi vorwerfen, — um der Wahrheit willen und zur Aufklärung für Christen — seien nachstehend Muhammeds Worte, ein darauf bezüglicher rechtskräftiger Eid und feierliches Gelöbnis, angeführt.

Dieses Gelöbnis, das Muhammed Seinen Kalifen anvertraut hat, stellt einen gebieterischen Befehl an sie bezüglich ihres Verhaltens gegenüber den Nachfolgern Christi in der ganzen Welt dar. Das erwähnte Gelöbnis ist durch Muhammed den christlichen Mönchen von Sancta Catarina auf dem Berge Sinai vermittelt worden. Eine Abschrift davon wurde ins Türkische übersetzt, während das Original in Konstantinopel verwahrt wird. Die türkische Übersetzung [Seite 118] wurde von Naufal Effendi Naufal, einem Christen aus Tripolis in Syrien, ins Arabische übersetzt. Diese Übersetzung erwähnt er selbst in einem von ihm geschriebenen Buche, das als Sunnajat-ut-tarab bekannt ist. Das Gelöbnis lautet folgendermaßen:

„Dieses Schreiben ging aus von Muhammed Ibn Abdullah, dem Boten, dem Propheten, dem Getreuen, der zu allen Menschen gesandt ward als Bevollmächtigter Gottes gegenüber Seinen Geschöpfen, auf daß sie hiernach keine Entschuldigung mehr anbringen könnten gegen Gott... Wahrlich, Gott ist der Mächtige, der Weise. Dieses Schreiben ist gerichtet an die Bekenner des Islams als ein feierlicher Vertrag mit den Nachfolgern des Nazareners im Osten und Westen, fern und nah, den Arabern und den Fremden, den Bekannten und den Unbekannten.

Dieses Schreiben enthält das Gelöbnis, das Wir ihnen gaben, und der, welcher ihm nicht gehorcht, wird angesehen werden als ungehorsam und ein Übertreter gegenüber dem, was ihm befohlen wurde. Er wird angesehen werden als einer, der das Gelöbnis Gottes gelästert, an Seinen Bund nicht geglaubt, Seine Autorität verworfen, Seine Religion verschmäht und sich selber Seines Fluches wert gemacht hat, mag er nun Sultan oder irgend ein anderer Bekenner des Islams sein.

Wo auch immer Mönche, Gläubige und Pilger sich versammeln mögen, sei es auf Bergen, in Tälern, in Höhlen oder auf belebten Plätzen, in der Ebene, in Kirchen oder sonstigen Stätten der Verehrung, — wahrlich, Wir werden ihnen beistehen und sie und ihr Eigentum und ihr Gebaren schützen, durch Mich selbst, durch Meine Freunde und durch Meine Helfer, denn sie gehören zu Meinen Untertanen und unter Meinen Schutz.

Ich will sie von allem entbinden, was sie beunruhigen mag, von den Abgaben, die andere Lehenspflichtige zu zahlen haben. Sie brauchen von ihrem Einkommen nur das abzugeben, was ihnen selbst beliebt. Sie dürfen nicht beleidigt, nicht beunruhigt, in nichts beschränkt oder irgendwozu gezwungen werden. Ihre Richter sollen nicht gewechselt noch daran gehindert werden ihre Amtstätigkeit auszuüben, die Mönche nicht in der Ausübung ihrer religiösen Gebräuche gestört und die Einsiedler nicht davon abgehalten werden, in ihren Klausen zu verbleiben.

Es ist niemandem gestattet, die Pilger zu berauben, ihre Kleider oder Häuser der Anbetung zu zerstören oder zu beschädigen, oder irgendwelche Gegenstände aus diesen Häusern zu entfernen und sie in Häuser des Islams zu tragen. Und derjenige, der etwas aus ihnen entfernt, hat das Gebot Gottes gelästert und ist in Wahrheit ungehorsam gewesen gegenüber Seine Botschafter.

Von ihren Richtern, Mönchen und. denjenigen, deren Beschäftigung im Dienste Gottes besteht, soll keine Kopfsteuer erhoben werden, noch soll irgend etwas anderes von ihnen gefordert werden, seien es Geldstrafen oder Abgaben oder ungerechte Ansprüche. Wahrlich, Ich werde diese Übereinkunft halten, wo sie sich auch immer befinden mögen, sei es auf See oder auf dem Lande, im Osten oder im Westen, im Norden oder Süden, denn sie stehen unter Meinem Schutz und dem Bündnis Meiner Sicherheit gegen alle Dinge, die ihnen zuwider sind.

Keinerlei Abgaben oder Zehnte sollen von denen genommen werden, die sich in den Bergen dem Dienst Gottes weihen oder die die heiligen Stätten betreuen. Niemand hat das Recht, sich in ihre Angelegenheiten zu mischen oder sie zu verklagen. Wahrlich, man mag das irgend jemand anderem antun, aber nicht ihnen, vielmehr soll man ihnen in der Erntezeit einen Kadah für jeden Ardab Weizen geben (ungefähr fünf und einen halben Scheffel) als Versorgungsvorrat für sie, und niemand hat das Recht, ihnen zu sagen, das sei zu viel oder darf sie zur Zahlung irgend einer Abgabe veranlassen.

Die Abgaben, die denjenigen, die Besitztümer haben, abgefordert werden — den Wohlhabenden und Kaufleuten —, dürfen zwölf Dirhams (d. i. ungefähr 45 cents.) auf den Kopf für das Jahr nicht überschreiten.

Sie sollen von niemandem gezwungen werden, in den Krieg zu ziehen und Waffen zu tragen, denn die Islamiten haben für sie zu kämpfen. Streitet nicht und führt keine Erörterungen mit ihnen, sondern handelt nach dem Verse des Korans, nämlich: ‚Streitet nicht und führt keine Erörterungen mit dem Volk des Buches, es sei denn in den Dingen des Guten.‘ So sollen sie begünstigt leben und beschützt durch die ‚Rufer zur Religion‘ (Islamiten) vor allem, was sie kränken möchte, wo immer sie sich befinden und an jedem Orte, da sie wohnen mögen.

Sollte eine Christin einem Muselmann angetraut werden, so darf eine solche Heirat nur mit ihrer Zustimmung erfolgen und sie darf nicht davon abgehalten werden, zum Beten in ihre Kirche zu gehen. Ihre Kirchen sollen geehrt werden und man darf sie nicht hindern, Kirchen zu errichten und Klöster aufzubauen.

Sie dürfen nicht gezwungen werden, Waffen oder Steine zu tragen, hingegen müssen die [Seite 119] Islamiten sie beschützen und verteidigen gegen andere. Es ist jedem Einzelnen der islamitischen Nation ausdrücklich zur Pflicht gemacht, diesem Gelöbnis bis zum Tage der Auferstehung und dem Ende der Welt weder zu widersprechen, noch es zu verletzen.“

Dies ist das Gelöbnis, welches Muhammed Ibn Abdullah der christlichen Nation gab und dessen Erfüllung und Verbreitung von all den Zeugen verabredet wurde, die bisher ihren Namen daran knüpften. Es wurde wie folgt von den großen Helfern Muhammeds gezeichnet:

Ali Ibn Abi Talib, Abou Bekr Ibn Kahafat, Omar Ibn El-Khattab, Ottman Ibn Affan, Aboul Darda, Abou Harirat, Abdullah Ibn Masood, Abbas Ibn Abdoul Mottaleb, El-Fadhl Ibn Abbas, Ezzobier Ibn El-Awam, Talhat Ibn Abdullah, Said Ibn Tahabit, Abou Hanifa Ibn Attaba, Hashim Ibn Obied, Maaszam Ibn Karieh, El-Harith Ibn Thabit, Abdoul Azim Ibn Hassan, Abdullah Ibn Omar Ibn El-Aas, Aamir Ibn Yasir.

Dieses Gelöbnis wurde geschrieben durch die Hand von Ali Ibn Abi Talib am Verehrungsorte des Propheten am dritten Tage des Moharrem im zweiten Jahre des El-Hajrih.



'Abdu'l-Bahá über Tolstoi[Bearbeiten]

„Ich halte Tolstoi für einen wahrhaftigen Bahá’i, weil er nach den Weisungen Bahá’u’lláhs lebte und handelte, weil er seinen ganzen Besitz unter sich und seinen Pächtern teilte. Viele Übersetzungen der heiligen Tablets wurden ihm zugesandt. Am Ende seines Lebens war er im Begriff, ein Buch über die heilige Sache zu schreiben, wenn ihn der Tod nicht zuvor ereilt hätte. Solange er lebte, lauschte ganz Europa auf seine Äußerungen, und seine Werke sind in vielen Sprachen übersetzt!“



Religion[Bearbeiten]

Nachdenkliches von Dr. Hermann Großmann, Weinheim

Selbst wenn alles das, was das Religiöse im Menschen ausmacht: Gott; Ewigkeit, Unsterblichkeit, nicht wäre, so müßte sich der Mensch doch eine Religion machen, an die er glaubt, weil anders sein innerer Trieb ihn nicht ruhen läßt. Religion ist letzten Endes immer abstrakt, wir können keinen Ersatz dafür im Materiellen oder in einer materialistischen Weltanschauung finden, die die Frage des abstrakten Geistes unberührt läßt, denn die Tatsache, daß wir ein abstrakt Geistiges denken, ist ein Beweis dafür, daß es irgend ein Sein, anders als die Materie geartet, geben muß, das dieses Denken hervorruft. Wir können aber keinen Frieden gewinnen, ohne uns mit allen Fragen des Seins auseinanderzusetzen. Die Frage des Abstrakt-Religiösen beiseite zu lassen, heißt, vor einer ungelösten Aufgabe, die wir später oder früher doch lösen müssen, feige zu fliehen, sie abzulehnen aber bedeutet, sich ein Glied aus dem lebendigen Organismus zu reißen. Im ersten Fall werden wir niemals zur wirklichen Ruhe, im zweiten nicht aus den Schmerzen gelangen.

Gott ist die Urursache, der letzte verborgene Grund allen Seins, alles dessen, was wir in seiner Wirkung erfassen. Können wir dann einen Gott leugnen? So wenig, als wir jede andere Ursache in der Flucht der Erscheinungen zu leugnen vermögen, denn alles Geschehen bedingt einen Anlaß und alles Erschaffene ein Etwas das es schuf. Mögen wir dieses Etwas Gott nennen oder irgendwie sonst, es bleibt, was es ist, unerforschlich, verborgen.

Wir Menschen aber fühlen, daß wir ein Teil sind des Erschaffenen und darum mit dem Schöpfer verwandt. Die Wirkung fühlt die Beziehung zum Anlaß. Darum lieben wir Gott, sehen in Ihm unsern Vater. Mögen wir Ihn immer empfinden, wie wir es mögen: jedes Empfinden kann gut sein, bleiben wir uns dessen bewußt, daß es nicht die Wirklichkeit Gottes selbst, sondern nur ein Bild von dem unerfaßlichen Uranlaß ist.

Gestern und heute, morgen, alle Zeit, Werden und Vergehen sind Eigentümlichkeiten nur unseres physischen Seins, der Materie. Darum ist Gott ewig, denn Er ist nicht Materie. Auch der Raum kann nicht ohne Materie, die ihn bildet, bestehen, auch er ist nicht im geistigen Sein. Darum ist auch die Frage, von wannen Gott kommt, nur materieller Betrachtung entsprungen und unanwendbar auf alles Abstrakte.

[Seite 120] Wenn aber allein die Materie vergänglich, ewig dagegen der Geist ist, warum schenken wir dann unser Vertrauen allein der Materie? Das geistige Sein ist nicht weniger wirklich als sie, nur müssen wir lernen, es zu erschauen. Haben wir aber einmal begonnen, es zu erschauen, so eröffnet sich uns eine neue, unermeßliche Welt. Wie wir die Gesetze der Materie erforschen, so werden wir dann die Gesetze des Geistes erforschen, und wie uns die Kenntnis der materiellen Gesetze der Materie gegenüber Sicherheit gibt, so wird uns die Erkenntnis der geistigen Gesetze Gewißheit und Zuversicht schenken, die größer ist als alles materielle Vertrauen, denn das Sein, aus dem sie uns kommt, ist nicht vergänglich wie die Materie, aus deren Kenntnis die materielle Sicherheit kommt.

Wenn nur im abstrakten Geist Dauer und damit wirkliches Sein ist, was bedeutet uns dann die Materie? Wir alle tragen zwei Wesen in uns, das eine der Materie, das andre dem Geist zugewendet, unvollkommen das eine, zur Vollkommenheit strebend das andere, und im Ringen darum, vollkommen zw werden, ist die Materie ein Mittel zu unsrer Entfaltung. Aber wir sollen sie nicht wegen ihrer Unvollkommenheit hassen. Geist und Materie sollen sein wie zwei Brüder, der Geist lernt aus der Materie, aber aus dem, was er gelernt hat, soll er sie wieder veredeln und heben, ist sie doch unser Freund, der uns zur Entwicklung hilft. Innerlich sollte sich der Mensch von der Materie befreien, aber je mehr er sich frei macht, desto mehr lernt er, sich ihrer in Wahrheit zu freuen als einer Gabe, die ihm zur Nutznießung zeitlich verliehen ist. Er wünscht nicht, sie durchaus zu besitzen und vermag darum sich von ihr jederzeit leichten Herzens zu trennen.



Die Doppelnatur des Menschen[Bearbeiten]

Von E. Jörn, Warnemünde

Veröffentlicht am 10. November 1929 in der „Warnemünder Zeitung”.

In jedem Menschen gibt es zwei Naturen: eine geistige oder höhere und eine materielle oder niedere Natur. In der einen nähert er sich Gott, in der andern lebt er nur für diese Welt. Zeichen dieser beiden Naturen sind in jedem Menschen zu finden. In seiner materiellen Natur kommt Unwahrheit, Grausamkeit und Ungerechtigkeit zum Ausdruck. Diese sind die Früchte seiner niederen Natur. Die Eigenschaften seiner göttlichen Natur kommen in Liebe, Barmherzigkeit, Freundlichkeit, Wahrhaftigkeit und Gerechtigkeit zum Vorschein. Alle diese Eigenschaften sind der Ausdruck seiner höheren Natur. Jede gute Gewohnheit, jede edle Eigenschaft gehört der geistigen Natur des Menschen an, während alle seine Unvollkommenheiten und sündhaften Handlungen aus seiner materiellen Natur hervorgehen. Wenn die göttliche Natur des Menschen die menschliche beherrscht, dann haben wir einen Heiligen...

Heilige sind Menschen, die sich von der materiellen Welt befreit und die Sünde überwunden haben. Sie leben in der Welt, aber sie sind nicht von der Weit, ihre Gedanken befinden sich fortwährend in der Welt des Geistes. Sie bringen ihr Leben zu in Heiligkeit und ihre Taten weisen Liebe, Gerechtigkeit und Güte auf. Sie sind erleuchtet aus der Höhe, sie sind wie helle und leuchtende Lampen in den dunklen Orten der Erde. Solcher Art sind die Heiligen Gottes.

Bittet Gott, daß er euch stärken möge in den göttlichen Tugenden, damit ihr in der Welt sein möget wie Engel und wie Leuchttürme, um denen, die verständigen Herzens sind, die Geheimnisse des Königreiches zu enthüllen. Gott sendet Seine Propheten in die Welt, um die Menschen zu belehren und zu erleuchten, um ihnen die Geheimnisse des Heiligen Geistes zu erklären und sie zu befähigen, das Licht widerzuspiegeln, damit auch sie wieder die Quelle der Führung (für andere) werden möchten. Die himmlischen Bücher, die Bibel, der Koran und die andern heiligen Schriften sind uns von Gott gegeben als Führer auf dem Wege der göttlichen Tugenden, der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens.



In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an den Verlag des deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart, Alexanderstr. 3, Nebengebäude, zu richten.


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Geschichte und Bedeutung der Bahá’i-Lehre[Bearbeiten]

Die Bahá’i-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.

Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahá’i-Bewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahá’i-Religion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahá’i (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahá’i der Welt.

Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahá’i, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China usw. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.

In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).

Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Iqhan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.

Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.

Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, Seite 66.)


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Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart

Fernsprecher Nr. 26168 — — Postscheckkonto 25419 Stuttgart — — Alexanderstr. 3, Nebengebäude

In unserem Verlag sind erschienen:


Bücher:

Verborgene Worte von Bahá’u’lláh. Deutsch von A. Schwarz und W. Herrigel, 1924 1.--

Bahá’u’lláh, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1921, in Halbleinen gebunden . . . 2.50

in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.--

'Abdu'l-Bahá Abbas, Ansprachen über die Bahá’i-Lehre. Deutsch von W. Herrigel, 1921, in Halbleinen gebunden . . . . . 3.00

in festem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.50

Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, von Mirza Abul Fazl. Deutsch von W. Herrigel, 1919, in Halbleinen geb. . . . . 4.50

In Ganzleinen gebunden . . . . 5.--

'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1922, in Ganzleinen gebunden . . . . 4.--

Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase, deutsch von W. Herrigel, 1925, kartoniert M. 4.--, in Halbleinen gebunden . . . . 4.60

Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont, deutsch von W. Herrigel und H. Küstner. 1927. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.50

Beantwortete Fragen 'Abdu'l-Bahá Abbas', gesammelt und in englischer Sprache herausgegeben von L. Clifford Barney, deutsche Übersetzung von W. Herrigel, 1929 . . . . . 5.--


Broschüren:

Bahá’i-Perlen, Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1922 . . . . -.20

Ehe Abraham war, war Ich, v. Thornton Chase. Deutsch v. W.Herrigel, 1911 . . . . -.20

Die Universale Weltreligion, Ein Blick in die Bahai-Lehre von A. T. Schwarz, 1919. . . . -.50

Die Offenbarung Bahá’u’lláhs, von J.D. Brittingham. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1910 . . . -.50

Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit, von Dr. jur. H. Dreyfus, Deutsch von Wilhelm Herrigel. 2. Auflage 1920 . . . -.50

Die Bahá’i-Bewegung im allgemeinen und ihre großen Wirkungen in Indien, nach Berichten eines Amerikaners zusammengestellt und mit Vorwort versehen von Wilhelm Herrigel, Stuttgart 1922 . . . . -.50

Eine Botschaft an die Juden, von Abdul Baha Abbas. Deutsch v. W. Herrigel, 1912 . . . -.20


Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás, ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") Deutsch von Alice T. Schwarz, 1922 . . . -.50

Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1923 . . . . —.50

Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahá’i-Lehre von Dr. Hermann Grossmann, Hamburg 1923 . . . . —.20

Religiöse Lichtblicke, Einige Erläuterungen zur Bahá’i-Botschaft, aus dem Französ. übersetzt von Albert Renftle, 2. erweiterte Auflage, 1928 . . . . --.30

Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Großmann-Wandsbek . . . . . --.20

Sonne der Wahrheit, Jahrgang 3 - 8 in Halbleinen gebunden je . . . . 9.--

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