Sonne der Wahrheit/Jahrgang 10/Heft 7/Text

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SONNE

DER

WAHRHEIT
 
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI
 
HEFT 7 10. JAHRGANG SEPT. 1930
 


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Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i-Prinzipien[Bearbeiten]

1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.


Bahá’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Bahá’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Bahá’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.


2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.

In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.


3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.

Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.


4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.

Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.


5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.

Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.


6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.

Dies ist eine besondere Lehre Bahá’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.


7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.

Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.


8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.

Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.


9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.

Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.


10. Die soziale Frage muss gelöst werden.

Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Bahá’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.


11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.

Bahá’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weltsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.


12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.

Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.

Vor mehr als 50 Jahren befahl Bahá’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.

Bahá’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.


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SONNE DER WAHRHEIT
Organ der deutschen Bahá’i
Herausgegeben vom Verlag des deutschen Bahá’i-Bundes, Stuttgart
Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3
Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark
Heft 7 Stuttgart, im September 1930
’Izzat — Macht 87
10. Jahrgang

Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion


Inhalt: Das Heilige Buch der Gewißheit. — Der universale Friede. — Professor Jouness Khan Akroukta aus Teheran erzählt von der Bahá’i-Religion in Persien


"Die Lehre Christi leuchtete im Licht der Wahrheit; ihre Anhänger wurden gelehrt, alle Menschen als Brüder zu lieben, keine Furcht zu haben, auch nicht vor dem Tod. Sie wurden gelehrt, ihren Nächsten zu lieben, sich selbst und ihr Eigeninteresse dem allgemeinen Wohl ihrer Mitmenschen zu opfern. Das erhabene Ziel Jesu Christi war, die Herzen aller Menschen zu Gottes strahlender Wahrheit zu führen. Wenn die Nachfolger Christi Seine Lehre treu und aufrichtig bis auf den heutigen Tag befolgt hätten, dann wäre die Erneuerung der göttlichen Botschaft, die Wiedererweckung der Christenheit nicht notwendig geworden, denn eine große herrliche Kultur würde jetzt auf der Welt herrschen und wir hätten das Himmelreich auf Erden ... “


‘Abdu’l-Bahá Abbas

aus Ansprachen in Paris, Kap. 7.


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Das Heilige Buch der Gewißheit[Bearbeiten]

(Fortsetzung)

(Kitab-El-Iqan aus der Feder von Bahá’u’lláh)

Aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt von Dr. A. Mühlschlegel


Zu jener Zeit, als Muhammeds Licht erstrahlte, sprach Er zum Volke: Ihr seid wieder auferweckt! Er sprach vom Leben, sprach vom Tode. Doch das genügte, um die Fahne der Empörung zu erheben und allem Spott das Tor zu öffnen. So sprach der Heilige Geist: „Und sagst du ihnen: ihr werdet wieder auferweckt vom Tode, so geben dir die Ungläubigen zur Antwort: das ist ja reine Magie!“ (Koran XI, 10.) Und anderswo: „Kann es sein, daß wir, einmal zu Staub verwandelt, hernach noch eine neue Schöpfung werden?“ (Koran XIII, 5.) Und in einer Anwandlung des Zorns sagt Er: „Sind wir denn der ersten Schöpfung müde, daß sie die Möglichkeit einer neuen Auferstehung bezweifeln?“

Die Wissenschaftler und Gelehrten, des Gotteswortes Bedeutung nicht erfassend, verstanden nicht das Wesentliche des göttlichen Planes. Sie wollten hier die Regeln der Grammatik brauchen und sprachen: Nach der Grammatik weisen diese Worte in die Zukunft. Doch wenn die Worte, wie auch oft in anderen Aussprüchen, nicht in der Zukunftsform geschrieben sind — dann wissen sie nicht weiter. - So auch: „Es ertönt die Posaune, der Tag der Verheißung ist da. Jede Seele macht sich auf — und mit ihr ein Führer, der sie leitet, und ein Zeuge.“ (Koran L, 19, 20.) Da können sie nicht sagen: das geht auf die Zukunft, nein, da ist verkündet, daß der Tag des Wiederaufstehens ganz gewiß ist, und Gabriel redet in der Form der Gegenwart, und schaut ihn, wie er ist.

Wie sind sie beschränkt und wahrnehmungslos! Sie konnten Muhammeds Posaune nicht erfassen, die doch so rein ist, und Gottes Ruf blieb ihnen fern. Noch heute warten sie auf die Posaune Israfils. Doch Israfil und andere gleich ihm, sie danken all ihr Dasein nur dem Worte Muhammeds: „Ach, wie verderblich ist es, was ihr euch da nahmt, statt dessen, was euch gut täte! Nun seid ihr gar Ungläubige geworden!“ Denn die Posaune, wovon der Koran spricht, ist jene Muhammeds; sie ist für alle Welt erschallt; und als Er sich in der Sache Gottes erhob, war der Tag der Auferstehung angebrochen. Die Nachlässigen, in ihrem Körper wie im Grabe eingekerkert, empfingen von Ihm den neuen Mantel des Glaubens. Er erweckte sie zu neuem, wunderbarem Leben. Von den Geheimnissen der Wiedergeburt, der Gemeinschaft, des Paradieses und der Hölle, sprach jene einzige Schönheit, von Gabriel erleuchtet, die Worte: „Sie werden den Kopf schütteln und fragen: wann wird dies sein? Dann sprich: das kann in Bälde sein.“ (Koran XVII, 53.) Ist das nicht genug für den, der tiefer denkt? Allmächtiger Gott! Wieviele Menschen waren abgeirrt, als Muhammed erschien und mit Ihm der Tag des Gerichts, als Seine offensichtlichen Zeichen der Welt leuchteten! Sie spotteten Seiner und fuhren fort, die Bilder anzubeten, die ihre Priester in furchtlos eitler Grübelei geschaffen. Sie hatten keine Augen für die Sonne von Gottes Güte und für den Morgentau von Gottes Gnade. Ach! Allezeit wird die Mücke den Dunghaufen suchen und allezeit wird sie der ewigen, heiligen Düfte beraubt bleiben. Allezeit wird die Fledermaus die Sonne fliehen.

Und Gleiches geschah immer wieder zur Zeit des Erscheinens einer jeden Gottesoffenbarung. Wie Christus gesagt hat: „Ihr müßt von neuem geboren werden“, und ein andermal: „Es sei denn, daß einer wiedergeboren werde aus Wasser und Geist, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Denn, was vom Fleische geboren ist, das ist Fleisch, und was vom Geiste geboren ist, das ist Geist.“ Mit anderen Worten: Wer nicht das Wasser göttlicher Belehrung hat und nicht den Heiligen Geist Christi, der ist nicht würdig, das Reich der Himmel zu betreten, denn alles an ihm ist noch von der Welt. Doch wer geboren wird aus Geist, der Seele Christi, der ist Geist. Und jeder, der geboren wird vom Geisteshauch der heiligen Gottesoffenbarungen [Seite 95] zur Zeit ihres Erscheinens, der ist lebendig, wiederauferstanden, und geht ein in das göttliche Paradies der Freundschaft; sonst aber warten seiner Tod, Vergessenheit, das Feuer des Unglaubens und Gottes Zorn. In allen heiligen Schriften sehen wir, daß jene, welche nicht den süßen Kelch der Belehrung gekostet haben und deren Herzen die Wohltaten des Heiligen Geistes nicht empfangen haben, als Tote gelten, der Hölle überliefert, der Erkenntnis des Herzens und des Erfassens beraubt sind. Wir mahnen euch an jenes schon genannte Wort: „Die Menschen haben wohl ein Herz; aber sie empfinden es nicht.“ (Koran VII, 178.) Und in den Evangelien steht geschrieben, daß eines Tags ein Jünger Christi, der seinen Vater verloren hatte, kam und um Erlaubnis bat, ihn zu begraben und hernach gleich wieder zu kommen. Jenes Vorbild der Loslösung aber sprach: „Lasset die Toten ihre Toten begraben!“

Auch wird erzählt, daß zwei Männer aus Kufs einstens Azrat-el-Amir (Ali) besuchten; der eine wollte sein Haus dem anderen verkaufen und dieser selbst wünschte den Kauf. Sie waren übereingekommen, zu ihm zu gehen zur Verfertigung und Ausführung des Vertrags. Und Ali sprach dem Schreiber vor: „Ein Toter hat von einem andern Toten sich ein Haus gekauft, dessen vier Seiten sind: Die erste der Sarg, die zweite das Grab, die dritte die Brücke, die vierte das Paradies oder die Hölle.“ Doch wären diese beiden Männer durch Alis erweckende Posaune erwacht und wären sie wieder auferstanden aus dem Grabe der Lässigkeit durch die Liebe der Offenbarung, so wären sie nicht wie Tote behandelt worden. Denn die Propheten und die Erkorenen haben stets übereinstimmend vom Wiederauferstehen und von den Heerscharen gesprochen. Und wenn die Menschen sich darein vertieften, verständen sie was Sarg bedeutet, Grab und Brücke, Paradies und Hölle. Ach! Alle Menschen sind begraben im Grabe ihrer Seele und im Sarge ihrer Leidenschaften.

Doch wenn ihr wenige Tropfen trinkt vom reinen Wasser göttlicher Belehrung, dann wißt ihr auch: das wahre Leben ist das der Seele, nicht das des Körpers. Der Körper hat ja nur tierisches Leben, und wahrhaft leben können nur die, die ein erleuchtetes Herz besitzen, die vom Meer des Glaubens trinken und die Früchte der Gewißheit pflücken. Denn jenes Leben läßt den Tod nicht schmecken und jene Unsterblichkeit ist ewig. „Der Gläubige lebt in dieser und in der anderen Welt“, sagt das Hadiss. Bezöge dies sich auf das körperliche Leben, es hätte keinen Sinn; denn es ist ja gewiß, daß eines Tags der Gläubige sterben muß.

Andere Worte der Schriften behandeln das gleiche Thema. So jene Verse über Hamza-Said-Choada und Abu-Jahl*): „Wer tot war und wem wir das Leben gegeben, dem haben wir auch das Licht gegeben, unter den Menschen zu wandeln. Gleicht ein solcher jenen, die da in der Finsternis wandeln, und ihr nimmer entrinnen?“ (Kor. VI, 122.)

*) Zwei Oheime Muhammeds; der eine war gläubig, der andere ungläubig.


Hamza, er hatte, wie bekannt, das Kleid der Treue angelegt, wogegen Abu-Jahl in Unglauben und Widerspruch verharrte. Aus erhabener Göttlichkeit herab hat sich auf Hamza die Unsterblichkeit gesenkt, Abu-Jahl aber wurde zum Tode verdammt. Jedoch die Götzendiener blieben ungläubig und die Winde der Entfernung bliesen weiter. Sie riefen: „Wann ist Hamza denn geboren und wann ist er gestorben? Was ist das für ein Leben, das ihm geschenkt worden ist?” Und ohne diese heiligen Worte zu erfassen und ohne an die Reden der Getreuen sich zu halten, um einige Tropfen vom Kauther der Erläuterung zu erlangen, erfüllten sie die Welt mit Verwirrung. Ihr habt es ebenso in unseren Tagen feststellen können. Die Menschen, die in ihrer Mitte die geistige Sonne hatten, sie wollten, klein und groß, lieber den Toren folgen, den dunklen Mücken und den Offenbarungen des Satans, und ihm weiterhin ihre quälenden Fragen stellen; und, befangen in ihrer Torheit, trachteten sie nur darnach, ihnen nicht unangenehme Dinge zu sagen. Es ist so klar: die Mücke sucht nicht die balsamischen Lüfte des ewigen Moschus und fliegt nicht zu dem Garten göttlicher Blumen. Wie könnte sie sonst aber die duftenden Wohlgerüche einatmen und sie dann die [Seite 96] anderen atmen lassen? Es kann nicht anders sein.

Keiner wird das göttliche Mahl erreichen, der nicht an Gott geglaubt und sich nicht abgewandt hat von den Erscheinungen des Satans. So hat Gott durch die Feder der Herrlichkeit in den Tablets, die in den erhabenen Zelten verborgen sind, bestimmt, was sich heute ereignen soll.

Betrachtet ihr dieser Worte äußeren und inneren Sinn, so werden alle schwierigen Fragen — bisher dem Menschen Hemmnisse, die Bedeutung des Tages des Gerichtes zu erfassen — euch klar erscheinen. Und nichts mehr werdet ihr zu fragen haben. Gott gebe, daß es also sei! Dies ist mein Wunsch: ihr möchtet niemals arm und durstig von den göttlichen Meeresküsten heimkehren, ihr möchtet nie von dem geweihten, ewig ersehnten Lande wiederkehren, ohne zahllosen Reichtum von dort mitzubringen. Wir werden alsdann sehen, was eure Mühe, eure Einsicht taugt.

Wie dem auch sei — mit diesen Worten wollte ich euch zeigen, was man durch die Macht des Königs aller Könige hören soll. Und diese Macht, die durch ein einziges Wort, auch einen einzigen Buchstaben, über alles verfügt, ist sie nicht größer als die Macht der Könige der Erde, die mit Hilfe ihrer armen Untertanen sich mühsam Achtung zu verschaffen wissen und doch im Grunde nur verabscheut werden und immer Ungehorsam finden? Dagegen sie, die wahre Macht, sie hat mit einem einzigen Wort die ganze Welt sich unterworfen und allen Wesen Dasein verliehen. „O welch ein Unterschied zwischen dem Erdenstaub und dem König der Könige!“ Wie fände man ein Gleichnis! Nichts kann dem „Heiligen Reiche“ zur Seite gestellt werden, dessen demütige Diener die wahren Könige des Weltalls sind. Wir haben euch diese Erklärung der Macht gegeben, so wie es Menschen zu erkennen fähig sind. Doch dem Erscheinungspunkt des Daseins, so wunderbar zu schauen, sind noch viele andere Mächte zu eigen, die dieser Unterdrückte euch noch nicht erfaßbar machen kann; denn noch sind die Menschen dessen nicht würdig. Ehre sei Gott, der mächtiger ist, als wir wissen, und herrlicher, als wir zu künden vermögen! Beachtet nur das Eine: würde es sich um eine rein irdische Macht und Herrschaft handeln, durch welche die Gläubigen tausend Ehren empfangen würden, wogegen die Ungläubigen in ihrem Elend verlassen blieben, so könnte eine solche Macht nicht von dem Gotte der Herrlichkeit stammen, dessen Größe jeder anerkennt. Seht ihr denn nicht, wie in der Tat noch viele Länder den Ungläubigen gehören, die alle gegen Seine Wünsche handeln und sich von Ihm wenden, die Seiner Lehren nicht achten und tun, was Er verboten hat? In heutiger Zeit sind die Getreuen in Feindes Hand! All dies ist doch so klar wie der Tag. Wisse darum, du Sucher nach Wahrheit: Gott und Seine Erwählten achten nicht dieser irdischen Macht noch werden ihrer sie je achten.

Noch mehr: wenn es sich um irdische Macht und Eroberung handelte, wie würdet ihr dann deuten, wenn geschrieben stehet: „Unsere Heere erringen ihnen den Sieg.“ (Koran XXXVII, 173.) Und anderswo: "Sie wollen Gottes Licht ausblasen mit ihrem Munde. Doch Gott wird Sein Licht nur noch herrlicher strahlen lassen, den Ungläubigen zum Trotz.“ (Koran IX, 32.) Und anderswo: „Sein ist der Sieg über alles.“ — Der ganze Koran fast besteht aus solchen Ausdrücken. Und wollte man die Auslegung der Toren hören, wir würden schließlich alle diese heiligen Worte und ewigen Zeichen verleugnen. Denn kein Heer ist näher bei Gott gewesen als Hussein-Ibn-Ali (Der 3. Imam, Märtyrer.), und auf Erden war nicht seinesgleichen. Und ihr wißt, was ihm geschehen ist. Gottes Fluch sei auf den Ungetreuen! — Wenn ihr diese Worte wörtlich deutet, so treffen sie nicht im allermindesten die Erwählten und ihre Heere. Denn Hussein, der ganz offensichtlich ein Erwählter war, wurde gemartert im Lande Taf (Kerbela.), in tiefster Bedrückung, in tiefstem Elend.

Doch wenden wir uns jenen oben angeführten Stellen wieder zu! Wenn wir diese Stellen ganz wörtlich übersetzen wollten, wie könnten wir sie dann verstehen? Denn in der materiellen Welt ist Gottes Licht so oft verfinstert worden und oftmals wurden die ewigen Lampen ausgeblasen. Wo ist da [Seite 97] Gottes „Sieg“ zu finden? Was heißt da: „Gott will nur Sein Licht noch vollendeter machen?“ Wir haben doch gesehen, keiner der Entsandten Gottes hat Ruhe finden noch aus dem Kelch des Friedens trinken können. Der Haß, dem jeder unter ihnen zur Zielscheibe gedient, hat sie alle denkbaren Qualen erdulden lassen. Wie also sind da Gottes Worte zu erklären und Seine ewigen herrlichen Verse?

Ihre Bedeutung ist ja nicht jene, welche die Menschen landläufig erfassen: Sieg, Macht, Herrschaft will anderes sagen als sie denken. Schaut doch: Welch ein Sieg ist das gewesen, den Husseins Blut errungen hat, als es zur Erde floß? Und wie dann selbst der Staub der Erde noch den Sieg errang und Macht gewann über Leib und Geist der Menschen! Dieser Staub ließ Kranke genesen. Der Gläubige, der nur ein wenig mit nach Hause nahm, sah in ihm Schutz für alle Güter; solch einen Einfluß legte man ihm bei. Und wollte ich euch alle Geheimnisse dieser Macht erklären, ihr würdet sagen, ich messe ihm die Macht des Höchsten zu und sei unter die Schar der Ungläubigen geraten.

Desgleichen seht: man hatte ihn dereinst mit größter Grausamkeit gemartert, kein Mensch war da, ihm zu helfen, ihm die letzten Ehren zu erweisen und ihn zu begraben; und heute wallfahren von allen Gegenden der Welt die Menschen scharenweise herbei, nur um mit ihrem Haupt den Boden zu berühren, da er zum letzten Male weilte. Ist hier nicht Sieg und Macht des Himmels, Größe und Stärke Gottes? Sagt doch nicht, dies alles wäre erst nach seinem Tod hinzugekommen und er habe keinen Nutzen davon gehabt. O nein, er lebt allezeit im göttlichen Leben, er thront auf dem unnahbaren Diwan der Nähe, im Schatten der erhabenen Bäume der Begegnung. Die Edelsten der Menschheit sind immer bereit, ihr Leben, ihre Güter, ihre Seele auf dem Wege des Heißgeliebten zu opfern, und kein anderer Zustand lockte sie so wie dieser. Der Liebende ersehnt ja nur das Wohlgefallen der Geliebten und trachtet nur, ihr zu begegnen.

Wollte ich euch nur ein wenig die Geheimnisse des Märtyrertums erklären und seine Früchte, wahrlich, diese Zeilen könnten nicht genügen. Ich flehe zu Gott, Er lasse den Hauch Seiner Gnade wehen und schmücke die Geschöpfe des Daseins mit einem neuen Kleide. Sie werden dann die Geheimnisse der göttlichen Weisheit erfassen können, und Dank Seiner Güte aller Belehrung entwachsen. Bis heute ist kaum jemand zu dieser Stufe vorgedrungen, außer einer kleinen Zahl. Später werden wir sehen, was geschieht in Gottes Rat, der aus dem Zelte der Gebote kommt.

So erklären wir euch die Wunder des Göttlichen und verkünden euch den Gesang des Paradieses, auf daß ihr göttliche Erkenntnis erlanget und der Früchte des Wissens teilhaftig werdet.

Wir müssen also bestimmt wissen: Wenn auch diese erhabenen Sonnen im Staube erscheinen, so ruhen sie doch auf herrlichem Throne. Wenn sie auch in größter Armut erscheinen, so schweben sie doch über die Schwelle des Reichtums. Wenn sie auch heimgesucht sind durch die Hand des Feindes, so ruhen sie doch in Macht und Sieg. Wenn sie in schlimmster Erniedrigung sind, so herrschen sie doch in den Palästen ewiger Herrlichkeit. Wenn sie zu größter Ohnmacht herabgedrückt scheinen, so thronen sie doch auf dem Diwan der Kraft. So geschah es einst, daß Jesus, der Sohn Marias, inmitten Seiner Jünger saß und, vom Heiligen Geiste eingegeben, sprach: „O Menschen, meine Nahrung sind nur wilde Pflanzen, womit ich meinen Hunger stille. Mein Teppich ist der Erdboden. Meine Lampe in der Nacht ist der Schein des Mondes. Kein anderes Reittier kenne ich als meine Füße. Und doch — wer auf Erden ist reicher als ich?“

Bei Gott, ich schwöre: Hunderttausend Reichtümer hüllen solche Armut ein und hunderttausendfache Macht und Herrlichkeit folgen solcher Demütigung. Und könntet ihr nur ein Teilchen von der Bedeutung dieser Rede erfassen, ihr würdet verzichten auf diese Welt des Besitzes und würdet dann, dem Phönix gleich, euer Leben hingeben, auf daß es verzehrt werde in leuchtendem Feuer.

So sagt man auch, daß eines Tages Azrat-Sadek (Einer der 12 Imame.) einem seiner Jünger, der ihm seine Armut klagte, die Antwort gab: „Du bist reich und hast von dem Weine des Glücks getrunken.“ Der Arme frug sich, was dieser erleuchtete Geist wohl sagen wollte. „Wie, [Seite 98] ich bin reich und habe doch nicht das geringste Geld?“ „Hast du nicht meine Liebe?“ „Ja, Sohn Ressul-Allahs.“ (Muhammed.) „Würdest du sie um tausend Dinare tauschen?“ „Nicht um die Welt und alles, was darinnen ist, gäbe ich sie her.“ — „Wer solchen Reichtum hat, kann der sich arm nennen?“

Von Armut, Reichtum, Erniedrigung, Herrlichkeit, Macht und allem, was diesen Toren so bedeutsam erscheint, davon spricht Ressul-Allahs Sohn nicht. Denn es heißt: „O Menschen, ihr seid bedürftig. Ihr braucht Gott und Gott ist reich.“ Reichtum heißt also: all das, was Gott nicht ist, nicht zu besitzen. Armut dagegen heißt: der Wohltaten Gottes beraubt zu sein.

Einstmals hatten die Juden von Jesus, dem Sohne Marias, gefordert, Er solle gestehen, daß Er der Messias und der Prophet sei; dann wollten sie Ihn als Ungläubigen zu Tode verurteilen. Sie führten Ihn vor Pilatus und Kaiphas, dem Hohepriester Seiner Zeit, und die ersten Gelehrten waren versammelt. Zahlloses Volk war in der Versammlung und verspottete und schmähte Jesus, bis ein Verfluchter aus dem Volke vor Ihn hintrat und frug: „Hast Du nicht gesagt: Ich bin der Messias, der König der Könige, der Besitzer des Buches, der Auflöser des Sabbats?“ Da hob Jesus Sein Haupt und sprach: „Sehet ihr nicht des Menschen Sohn zur Rechten der Kraft und der Allmacht?“ Und hatte doch, dem Scheine nach, keine andere Kraft, als jene, die in Ihm war wie in jedem Lebewesen! Ihr wißt, was man mit Ihm getan und wie man gegen Ihn verfuhr, als sie Seine Antwort vernahmen. Sie marterten und töteten Ihn. So stieg Er zum vierten Himmel empor.

Auch steht im Evangelium Lukas: Christus besuchte eines Tages einen lahmen Juden, der auf dem Bette lag und Ihn auf den ersten Blick gleich erkannte und bat, Er möge ihn heilen. Jesus sprach: „O Mensch, deine Sünden sind dir vergeben.“ Da waren die, welche diesem Gespräche beiwohnten, empört: „Wer anders als Gott hat die Macht, die Sünden zu vergeben?“ Christus wandte Sich um und sprach: „Was ist schwerer zu sagen: ‚Stehe auf und nimm dein Bett?‘ oder: ‚Deine Sünden sind dir vergeben‘.“ Und damit ihr wißt, daß des Menschen Sohn auf Erden die Gewalt hat, die Sünden zu vergeben, sprach Er zu dem Juden: „Stehe auf und nimm dein Bett!“ und zur Stunde nahm dieser sein Bett und ging. Dies ist die wahre Mact und Kraft der Auserwählten. Ich gab euch diese verschiedenen Beispiele, weil ih euch die Bedeutung der Sinnbilder verständlich machen wollte, welche die Erwählten Gottes gebraucht haben, auf daß ihr euch bestätigt fühlen möget, daß Unruhe nicht euer Herz ergreife, und daß ihr in euch selbst die völlige Gewißheit findet. So wird der Wind von Gottes Wohlgefallen aus dem Garten des Willkommens wehen, und die Menschen werden in das ewige Reich gelangen. Ihr werdet auch verstehen, was Königreich bedeutet in den Heiligen Schriften, und ihr werdet sehen: Gleichwie die Juden und die Christen sich an die ewige Deutung ihrer Bücher klammerten und darum sich gegen Muhammed erhoben, so werden auch aus gleichen Gründen die Menschen unserer Zeit sich gegen den Punkt des Bejan erheben. Möge alles auf Erden ein Opfer für Ihn sein! Welche Toren! Sie wiederholen heute, ohne es zu wissen, das gleiche, was die Juden einst taten. Sind Gottes Worte über sie nicht wunderbar? „Lasse sie ihren eiteln Vergnügungen nachjagen!“ (Koran VI, 91.) „Bei deinem Leben, sie waren wie betäubt in ihrer Trunkenheit!“ (Koran XV, 72.)

(Forts. folgt)



Der universale Friede[Bearbeiten]

Von der Geistigen Arbeitsgemeinschaft in Schwerin (Mecklbg.)

Ein Grundprinzip der Bahá’i-Lehre lautet: „Der Weltfriede muß verwirklicht werden.“

Die Vision der Propheten.

Schon Jesaja spricht von der Zeit, da die Völker ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen werden. „Denn es wird kein Volk wider das andre [Seite 99] ein Schwert aufheben und werden hinfort nicht mehr kriegen lernen.“ (Jesaja 2, 4.)

Daniel sagt, daß Gott der Herr ein Königreich aufrichten wird, das nimmermehr zerstört und das ewig bleiben wird. (Daniel 2, 44.)

Auch Johannes der Offenbarer spricht von dem neuen Himmel und der neuen Erde. Es soll kein Leid, noch Geschrei, noch Schmerz mehr sein, denn „das Erste ist vergangen“. (Offenb. Joh. 21, 1 und 4.)

Bahá’u’lláh verkündet, daß binnen kurzem diese nutzlosen Streitigkeiten und diese zerstörenden Kriege aufhören werden und der größte Friede kommen wird. Er sagt zu Professor Brown aus Cambridge anläßlich dessen Besuchs in Akka:

"... Trotz alledem wird es dahin kommen, daß diese furchtbaren Kämpfe, diese zerstörenden Kriege aufhören und der höchste Friede, der Friede aller Frieden, zustande kommt... Habt ihr dies in Europa nicht auch nötig? Ist dies nicht das, was Christus euch verhieß? ... Aber dennoch sehen wir, wie eure Könige und Regenten die Schätze ihrer Länder für die Zerstörung der menschlichen Rasse in größerem Maße aufwenden, als dafür ausgeben, was das Glück der Menschheit herbeiführen würde. Diese Kämpfe, dieses Blutvergießen und diese Uneinigkeiten müssen aufhören. Alle Menschen müssen zueinander sein, als ob sie einer Rasse und einer Familie angehörten. Es rühme sich keiner dessen, daß er sein Vaterland liebt, sondern dessen, daß er das ganze Menschengeschlecht mit seiner Liebe umfaßt.. .*


Sein Befehl an die Menschheit.

In dem Tablet (Sendschreiben) Ischrakat sagt Bahá’u’lláh: „Wir haben den dauernden Frieden befohlen, denn er ist das größte Mittel für den Schutz der Menschheit. Die Herrscher der Welt müssen sich übereinstimmend an diesen Befehl halten, denn er ist die Hauptursache der Sicherheit und Ruhe für die Welt...“


Die Ursachen des Krieges:

a) Religiöse Vorurteile.

‘Abdu’l-Bahá sagt hierüber:

„Von Anbeginn der Menschheitsgeschichte bis auf unsere Zeit haben die verschiedenen Religionen der Welt einander geächtet und sich gegenseitig als falsch angeklagt. Die einen haben die andern streng gemieden und Erbitterung und Groll gegen sie gehegt. Betrachtet die Geschichte der Religionskriege. Einer der größten Religionskriege, als Kreuzzug bekannt, dauerte über zweihundert Jahre. Zuweilen waren die Kreuzfahrer siegreich. Sie töteten und plünderten die Muhammedaner und machten sie zu ihren Gefangenen. Zuweilen siegten die Muhammedaner und brachten umgekehrt Blutvergießen und Verderben über die Kreuzfahrer.

So ging es zwei Jahrhunderte lang fort. Sie bekämpften einander wütend und schwächten sich aufs äußerste, bis sich die europäischen Religionskämpfer vom Osten zurückzogen und, die Asche der Verwüstung hinter sich lassend, ihre eigenen Nationen in einem Zustand der Verwirrung und des Aufruhrs vorfanden. Doch dies war nur einer der ‚Heiligen Kriege‘ ... “

In Paris sagte ‘Abdu’l-Bahá:

„Die Religion sollte alle Herzen einigen und veranlassen, daß die Kriege und Streitigkeiten von der Erde verschwinden. Sie sollte der geistigen Natur des Menschen zum Leben verhelfen und jeder Seele Licht und Kraft geben. Wenn die Religion zur Ursache der Abneigung, des Hasses und der Spaltung wird, dann wäre es besser, keine Religion zu besitzen, und sich von einer solchen Religion fernzuhalten, wäre eine wahre religiöse Handlung, denn es ist klar, daß es der Zweck eines Heilmittels ist, zu heilen. Wenn aber die Arznei das Leiden nur verschlimmert, dann ist es besser, diese wegzulassen. Eine Religion, die nicht die Ursache der Liebe und Einigkeit ist, ist keine Religion ..."

Und weiter:

".. . Die Hauptursachen der Uneinigkeit unter den Nationen sind die falschen Auslegungen der religiösen Lehren durch die Priester und Schriftgelehrten. Sie bringen ihren Zuhörern den Glauben bei, daß ihre eigene Religionsart die einzig wahre und Gott wohlgefällige sei, und daß die Anhänger anderer Bekenntnisse von dem alliebenden Vater verdammt und Seiner Gnade und Barmherzigkeit beraubt seien. Aus diesem Grunde entstehen unter den Völkern Unfrieden, Geringschätzung, Streit und Haß. [Seite 100] Wenn diese religiösen Vorurteile beseitigt werden könnten, dann würden sich die Nationen bald der Harmonie und des Friedens erfreuen...“


b) Völkische und patriotische Vorurteile

‘Abdu’l-Bahá sagt:

". . . Das Rassenvorurteil ist eine Verstandestäuschung, reiner Aberglaube, denn Gott erschuf uns alle als eine Rasse. Im Anfang gab es keine Unterschiede, denn wir alle sind Nachkommen Adams. Im Anfang gab es auch keine Abgrenzungen und Grenzpfähle zwischen den verschiedenen Ländern. In den Augen Gottes besteht kein Unterschied zwischen den verschiedenen Rassen. Warum sollte der Mensch ein solches Vorurteil aufstellen? Wie können wir den Krieg aufrechterhalten, wenn er durch ein Vorurteil verursacht wird? Gott erschuf die Menschen nicht, damit sie einander vernichten sollen. Alle Rassen, Stämme, Klassen und Bekenntnisse haben gleichen Anteil an den Gaben ihres himmlischen Vaters. Der einzige Unterschied liegt im Grade ihrer Aufrichtigkeit, in der Befolgung der Gesetze Gottes. Es gibt viele, die wie helleuchtende Fackeln sind, und andere, die wie die Sterne am Himmel der Menschheit leuchten. Diejenigen, die die Menschheit lieben, sind die vortrefflichsten unter ihnen, einerlei welcher Nation, welchem Bekenntnis oder welcher Farbe sie auch angehören mögen. Sie sind es, zu welchen Gott die gesegneten Worte sagen wird: ‚Ei du frommer und getreuer Knecht, du bist über wenigem getreu gewesen, ich will dich über viel setzen.‘ An jenem Tage wird Er nicht fragen: ‚Bist du ein Engländer, ein Franzose oder vielleicht ein Perser? Kommst du vom Osten oder vom Westen?‘

Der einzige wirkliche Unterschied besteht darin, daß es himmlisch und irdisch gesinnte Menschen gibt: die einen sind Diener der Menschheit, die sich in der Liebe des Allerhöchsten selbst aufopfern, Harmonie und Einigkeit bringen und ‚Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen‘ lehren. Die anderen sind selbstsüchtige Menschen, die ihre Brüder hassen, und in deren Herzen Vorurteile an Stelle liebevoller Freundlichkeit getreten sind und deren Einfluß Uneinigkeit und Streit verursacht...

Das politische Vorurteil ist gleichfalls verderblich: es ist eine der häufigsten Ursachen erbitterter Streitigkeiten unter den Menschen. Es gibt Menschen, denen es Vergnügen macht, Zwietracht zu säen. Sie hetzen ihre Landsleute zum Krieg gegen andere Nationen auf, und warum? Weil sie zum Nachteil aller anderen Länder nur an den Vorteil ihres eigenen Landes denken. Sie senden Armeen aus, um die Völker zu bekriegen und Länder zu zerstören. Dies alles geschieht, um in der Welt berühmt zu werden und um des Triumphes willen, damit von ihnen gesagt werde: ‚Dieses Land hat jenes andere besiegt und es unter das Joch einer stärkeren und mächtigeren Regierung gebracht.‘ Die Siege, die aber um den Preis von so viel Blut zustande kommen, sind nicht von Dauer. Der Sieger wird eines Tages der Besiegte sein... .“


c) Ländergier

In Paris sagte ‘Abdu’l-Bahá:

". . . Wie ist es möglich, daß die Menschen vom Morgen bis zum Abend kämpfen, einander töten und das Blut ihrer Nebenmenschen vergießen? Sie tun dies, um ein Stück Land zu erobern und es in Besitz zu nehmen. Wenn Tiere miteinander kämpfen, so haben sie eine unmittelbare und begreifliche Ursache für ihre Angriffe. Wie schrecklich ist es, daß Menschen, die doch dem höheren Reiche angehören, so tief sinken, daß sie einander erschlagen und Elend über ihre Nebenmenschen bringen, nur um ein Stück Land mehr zu besitzen!

... Wie mächtig ein Sieger auch sein mag, wie viele Länder er auch unterjocht, so ist er doch nicht imstande, irgend einen Teil dieser verwüsteten Länder dauernd im Besitz zu behalten, ausgenommen ein sehr kleines Stück — sein Grab. Wenn mehr Land zur Verbesserung der Zustände des Volkes, zur Verbreitung der Zivilisation nötig ist, so wird es sicherlich auch möglich sein, dieses auf friedlichem Wege zu erlangen .. .“


Die Mittel zur Herbeiführung des Friedens

a) Universale Sprache und Schrift

Eines der Prinzipien der Bahá’i-Lehre lautet: „Es muß eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden“, und in den Frohen Botschaften sagt Bahá’u’lláh: „... Die [Seite 101] Könige — möge Gott ihnen beistehen! oder die Minister auf Erden müssen miteinander beraten und entweder eine der bestehenden Sprachen oder eine neue Sprache zur Weltsprache bestimmen. In dieser sind alsdann die Kinder in den Schulen der ganzen Welt zu unterrichten, und dasselbe hat hinsichtlich einer Weltschrift gleichfalls zu geschehen. Ist dies einmal durchgeführt, dann wird die Erde als eine Heimat angesehen werden. Gesegnet ist, wer auf diese Stimme hört und durchführt, was von Gott, dem Herrn des größten Thrones, befohlen ist.“

In dem Tablet Ischrakat lesen wir:

". . . Durch Verbindung wurden alle Regionen der Welt stets mit dem Lichte der göttlichen Offenbarung erleuchtet. Sich mit einer Sprache und Schrift mit allen anderen Völkern bekannt zu machen, ist das beste Mittel hierzu.

Wir haben schon in früheren Tablets befohlen, daß die Vertrauensmänner des „Hauses der Gerechtigkeit“ von den bestehenden Sprachen eine als Weltsprache auswählen oder eine neue Sprache als solche einführen müssen. In gleicher Weise bestimmten Wir, daß sie unter den verschiedenen Schriftarten eine auswählen und diese die Kinder in den Schulen der ganzen Welt lernen sollen, damit dadurch die ganze Welt als ein Vaterland angesehen werde .

In Paris sagte ‘Abdu’l- Bahá:

„Eine der Hauptursachen der Schwierigkeiten in Europa ist heute die Verschiedenheit der Sprachen. Wir nennen diesen einen Deutschen, jenen einen Italiener, dann begegnen wir einem Engländer, dann wieder einem Franzosen. Obwohl sie alle der menschlichen Rasse angehören, richtet doch die Sprache die größte Schranke zwischen ihnen auf. Wäre eine universale Hilfssprache eingeführt, dann würden sie sich alle als zusammengehörig betrachten :..

Ich hoffe, daß Esperanto angenommen wird als die Sprache für alle künftigen internationalen Konferenzen und Kongresse, damit alle Menschen nur zwei Sprachen zu erlernen brauchen: ihre Muttersprache und die internationale Sprache. Alsdann wird eine völlige Vereinigung zwischen allen Menschen auf Erden hergestellt sein. Seht, wie schwierig es heute ist, mit verschiedenen Völkern zu verkehren. Wenn jemand fünfzig Sprachen erlernt, so mag es dennoch geschehen, daß er durch ein Land reist, dessen Sprache er nicht kennt. Deshalb hoffe ich, daß ihr die größten Anstrengungen machen werdet, damit die Esperantosprache weit verbreitet werde.“

In einer Seiner Ansprachen in London sagte Er:

".. . Die Liebe und der Dienst am Esperanto werden nicht verloren gehen, aber es kann nicht ein Mensch allein eine Universalsprache schaffen. Sie muß von einem Abgeordnetenrat aller Länder gebildet werden und muß Worte aus verschiedenen Sprachen enthalten.“


b) Völkerbund

An die Königin Viktoria von England schrieb Bahá’u’lláh im Jahre 1865: „O Regenten der Erde! Schlichtet eure Streitfragen auf friedlichem Wege, dann habt ihr keine großen Armeen noch deren Ausrüstung mehr nötig, sondern nur noch so viele, als zum Schutz eurer Reiche und eurer Völker erforderlich ist. Vereinigt euch, o Herrscher der Erde, denn dadurch werden die Stürme der Uneinigkeit gelegt und eure Völker finden Ruhe... . Sollte sich einer von euch gegen einen anderen erheben, so tretet allesamt gegen ihn auf, denn ein solches Vorgehen ist alsdann gerechtfertigt... .“

In dem Buche „Die geheimnisvollen Mächte der Kultur“ schrieb ‘Abdu’l-Bahá im Jahre 1875:

»... Ja, die wahre Kultur wird ihr Banner inmitten der Welt entfalten, wenn edle Regenten mit hohem Ehrgeiz, die hellen Sonnen der Welt, mit humanistischer Begeisterung für das Wohl und das Glück der Menschheit mit festentschlossenem Herzen und kühnem Mut vorangehen und eine Konferenz über die Frage des universalen Friedens in die Wege leiten. Wenn daran festgehalten wird und die Mittel der Bekräftigung der Ansicht gefunden sind, so sollen sie eine Union aller Staaten in der. Welt schaffen und einen endgültigen Handelsvertrag schließen und strikte Allianz zwischen ihnen zur Bedingung machen, die nicht zu umgehen ist. Wenn die ganze Menschheit [Seite 102] durch deren Repräsentanten beraten und zur Zusammenarbeit aufgefordert würde, so würde dieser Vertrag, der in Wahrheit ein Vertrag für den universalen Frieden sein wird, als geheiligt und bindend von allen Völkern der Erde betrachtet werden. Es wäre die Pflicht der vereinigten Mächte der Welt, darauf zu achten, daß dieser umfassende Vertrag dauernde Gültigkeit behielte.

In einem solchen universalen Vertrag müßten das Reich, die Grenzgebiete und Landesgrenzen jeglichen Staates und die Handhabung der Gesetze der Regierung festgelegt werden. Alle Abkommen, Staatsangelegenheiten und Abmachungen zwischen den verschiedenen Regierungen sollten richtig formuliert vorgebracht werden. Über den Umfang der Kriegsrüstung jeder Regierung sollte ebenso ein endgültiges Abkommen getroffen werden, denn, wenn ein Staat Neigung zur Kriegsvorbereitung zeigen sollte, so würde dieses einen Alarm bilden für andere Staaten. Jedenfalls sollte die Basis dieser mächtigen Allianz so festgelegt sein, daß, wenn späterhin einer der Staaten einen Paragraphen verletzen sollte, die übrigen Nationen sich gegen diesen erheben und einen starken Druck auf ihn ausüben würden. Ja, die ganze Menschheit würde ihre Kräfte vereinigen, um jene Nation in Schach zu halten . . .“ (Vgl. „Sonne der Wahrheit“, Oktober 1929, Seite 116 ff.)


c) Weltschiedsgerichtshof

Ein anderes Prinzip der Bahá’i-Lehre lautet: „Zur Schlichtung internationaler Streitigkeiten muß ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.“

In Paris sagte ‘Abdu’l-Bahá:

„Durch jedes Volk und seine Regierung soll ein höchstes Schiedsgericht gewählt werden, bei dem sich die Abgeordneten von jedem Land und jeder Regierung in Einigkeit zu versammeln haben. Alle Streitfragen müssen vor diesen höchsten Gerichtshof gebracht werden, dessen erste Aufgabe es ist, den Krieg zu verhindern.“

In einem Brief an die Zentralorganisation für den Weltfrieden im Haag (Holland) schreibt ‘Abdu’l-Bahá:

"... Obgleich der Völkerbund ins Leben gerufen ist, so ist dieser doch nicht imstande, den ‚Weltfrieden‘ aufzurichten. Aber der Weltschiedsgerichtshof, den Bahá’u’lláh anordnet, wird diese heilige Aufgabe mit größter Energie und Macht erfüllen . . ."

Über die Einrichtung des Weltschiedsgerichtshofes nehmen wir auf die „Sonne der Wahrheit“, September 1929, Seite 103, Bezug.


d) Abrüstung

‘Abdu’l-Bahá sagt:

„Alle Regierungen der Welt müssen durch ein allgemeines Übereinkommen gleichzeitig abrüsten. Es würde nichts helfen, wenn die eine ihre Waffen niederlegte und die anderen würden sich weigern, dasselbe zu tun. Die Nationen der Welt müssen hinsichtlich dieser wichtigsten Angelegenheit übereinstimmen, damit sie gemeinsam die tödlichen Waffen zur Tötung ihrer Menschen endgültig niederlegen. Solange ein Volk seine Rüstungen zu Wasser und zu Lande vergrößert, werden andere Nationen dazu gezwungen sein, diesen zermürbenden Wettbewerb infolge ihrer natürlichen und eingebildeten Interessen mitzumachen.“

Und weiter sagte Er in Stuttgart:

„Das allernotwendigste ist die Organisation eines europäischen Kongresses, bei welchem die Delegierten der verschiedenen Großmächte die Möglichkeit einer allgemeinen Abrüstung zu beraten hätten, aber sie hören nicht auf eine derartige Anweisung. Vor dreißig Jahren schrieb ich an den Sultan Hamid: ‚Wenn Du Dein osmanisches Reich erhalten willst, dann mußt Du Deinen Untertanen vollkommene Freiheit und auch gleiche Rechte gewähren, ohne Ansehen ihrer Religion. Du mußt Deinem Volk eine Konstitution geben!‘ Er aber hörte nicht auf meinen Rat und heute nun könnt ihr die traurigen Resultate sehen.“


e) Gerechte Kriegsführung

'Abdu'l-Bahá erklärt:

„Es mag vorkommen, daß zu gegebener Zeit kriegerische und wilde Horden den politischen Körper eines Volkes wütend angreifen, in der Absicht, seine Glieder niederzumachen. Unter solchen Umständen ist eine Verteidigung notwendig.“

In dem Buche „Die geheimnisvollen Mächte der Kultur“ schreibt ‘Abdu’l-Bahá:

[Seite 103] »... Ja, sogar der Krieg ist manchmal der wirkliche Grund zum Frieden, und Zerstörung die Ursache des Wiederaufbaues. Wenn z. B. ein großer Herrscher einen Krieg wagen sollte gegen einen drohenden Feind oder um Vereinigung des ganzen Volkskörpers und des getrennten Königreiches willen, so möge er das Streitroß der Entscheidung in die Arena der Tapferkeit und des Muts drängen, kurz gesagt, sein Krieg kann völlig auf Friedensmelodien abgestimmt sein, und dann ist wahrlich diese Furie die Güte selbst und diese Unterdrückung reine Gerechtigkeit, dieser Krieg also die Ursache der Versöhnung. Heutigen Tages ist es die vornehmste Pflicht für einen mächtigen König, den universalen Frieden aufzurichten, denn dies bedeutet wahrlich die Freiheit für alle Völker der Erde...“

In der Bahá’i-Botschaft gibt es weitere Lehren, die zur Verwirklichung des universalen Friedens dienen. Wir möchten einige hiervon anführen: Die Vereinigung des Ostens und des Westens; keinen Widerstand zu leisten; die Gleichstellung von Mann und Frau; die Erziehung der Kinder usw.


Sendschreiben Bahá’u’lláhs an die regierenden Häupter

Aus dem Gefängnis in Akka sandte Bahá’u’lláh an die regierenden Fürsten und den Papst Sendschreiben, in denen Er sie aufforderte, Ihm beizustehen, den Weltfrieden zu verwirklichen. In „Die Offenbarung von Bahá’u’lláh“ (Seite 29) und „Bahá’u’lláh und das Neue Zeitalter“ (Seite 373 ff.) sind diese Sendschreiben und die Erfüllung ihrer Warnungen näher besprochen.


Die Voraussage des Weltkrieges durch ‘Abdu’l-Bahá

Durch die Reisen nach Europa und Amerika beabsichtigte 'Abdu'l-Bahá die Menschen vor dem Weltkriege zu warnen. Er machte sie immer wieder auf die drohende Gefahr aufmerksam. Am 3. Juni 1912 war 'Abdu'l-Bahá in Amerika der Gast von Senator Gifford Pincot in Milford (Pa.), woselbst sich eine große Anzahl der bedeutendsten Staatsmänner und Regierungsbeamten eingefunden hatte. Auch hier sagte 'Abdu'l-Bahá das Kommen eines Weltkrieges voraus. Er sagte, daß der Krieg nicht in Amerika, sondern in Europa ausgetragen würde. Der Krieg würde in ganz Europa große Veränderungen hervorrufen und die Zentralisation großer Verwaltungen und die Beendigung der Selbständigkeit zusammenhängender Staaten zur Folge haben. („Star of the West“, September 1928, Seite 184.)

Wir verweisen weiter auf das Kapitel „Der große Krieg“ in „Bahá’u’lláh und das Neue Zeitalter“, Seite 382 ff.

Nachdem ‘Abdu’l-Bahá in das Morgenland zurückgekehrt war, sagte Fr:

„Wir fuhren über den Ozean und die Meere und klopften an den Toren Europas und Amerikas an und warnten die Menschen vor der großen Trübsal, aber sie schliefen so tief, daß sie nicht erweckt werden konnten.“

Über die

sozialen Unruhen nach dem Kriege

beziehen wir uns ebenfalls auf „Bahá’u’lláh und das Neue Zeitalter“, Seite 384 ff.


Der Anbruch des Friedens

‘Abdu’l-Bahá ist gefragt worden, ob der Friede auf Erden plötzlich zustande kommen werde. Er antwortete:

„Nein, er wird allmählich kommen. Eine Pflanze, die zu schnell wächst, besteht nur kurze Zeit. Ihr seid meine neuen Kinder“, sagte Er lächelnd. „Wenn eine Familie in Einigkeit lebt, so wird Großes erzielt. Ich will den Kreis erweitern. Wenn eine Stadt in völliger Harmonie ist, so werden größere Erfolge daraus hervorgehen. Durch einen Kontinent, der ganz und gar einig ist, werden ebenso andere Kontinente vereint werden. Dann wird die Zeit gekommen sein, die den größten Erfolg bringt, denn dann gehören alle Einwohner der Erde einer Heimat an.“


Das Friedenszentrum

‘Abdu’l-Bahá ist weiter gefragt worden, welche Stelle als Friedenszentrum gewählt werde. Er antwortete:

„Das erste Land, in dem die Fahne des Friedens zuerst erhoben wird, wird das Zentrum sein, sei es nun England, Deutschland oder Frankreich.“


Die Hoffnung ‘Abdu’l-Bahás auf Deutschland

In Stuttgart sagte 'Abdu'l-Bahá u. a.:

»... Dieses Jahrhundert ist das Jahrhundert des Lichts, das Zeitalter des Wissens, und [Seite 104] darum soll die Errungenschaft der Bestrebungen dieses Zeitalters die internationale Versöhnung sein. Seid versichert, daß das Banner des „Internationalen Friedens“ in diesem Zeitalter gehißt werden wird, denn der Geist unserer Zeit verlangt die Verwirklichung dieses Friedens. Alle Propheten Gottes sind die Gründer des Friedens und der Freundschaft gewesen. Der größte Begründer des Friedens und des Heils ist Jesus Christus gewesen. Doch die Welt hatte bis zur jetzigen Zeit noch nicht die Fähigkeit, Seine hohen Ideale aufzunehmen. Aber Gott sei es gedankt, daß unsere Zeit die Fähigkeit besitzt, diese wundervollen Lehren zu verstehen. Ich bin durch dieses Land gereist und finde es außerordentlich hoch kultiviert und wohl organisiert. Deutschland ist in der Tat eines der kultiviertesten und in der Wissenschaft hervorragendsten Länder der Welt. Das deutsche Land ist vielen anderen Ländern überlegen. Die Regierung ist gerecht. Die deutsche Nation ist eine sehr edle Nation, und von jedem Gesichtspunkt betrachtet ist sie ausgezeichnet. Deshalb ist das Deutsche Reich auch würdig, den Gedanken des internationalen Friedens in anderen Ländern zu verbreiten. Ein Mittelpunkt ist zur Verbreitung jeder guten Sache notwendig. Es ist mein größtes Hoffen, daß Deutschland der Mittelpunkt für die Verbreitung des allgemeinen Friedens werde..."

Zum Schluß Seiner Rede, die in der „Sonne der Wahrheit“, August 1924, Seite 98 ff., aufgezeichnet ist, sagte der Meister:

". . . Darum hoffe ich, daß das Licht des ‚Universalen Friedens‘ von Deutschland aus sich über die ganze Welt verbreiten werde. Ich will für das deutsche Volk und für dessen Regierung beten. Ich will göttliche Hilfe für sie erbitten, so daß jeder von euch ein Werkzeug für das Glück der Menschheit werden möge."


‘Abdu’l-Bahás Kampf mit Deutschland

'Abdu'l-Bahá sagte weiter:

". . . Auch wir kämpfen mit Deutschland und haben es besiegt. Dieser Kampf ist jedoch nicht ein Krieg, der den Tod bringt, sondern ein lebenbejahender Kampf. Es ist für Deutschland keine Niederlage, sondern ein Sieg, und dieser wird für Deutschlands ewigen Ruhm förderlich sein. Die Sache Gottes wird Deutschland unüberwindlich machen.“


Die Armee 'Abdu'l-Bahás

'Abdu'l-Bahá sagte weiter in Stuttgart:

»... Die große Bahá’i-Armee besteht aus unsichtbaren Engeln der Erhabenen Heerscharen. Unser Schwert ist das Wort des Lichtes, unsere Ausrüstung ist das Waffenzeug des Himmels. Wir kämpfen gegen die Mächte der Dunkelheit. Meine Soldaten, meine geliebten Soldaten, vorwärts, vorwärts! Fürchtet keine Niederlage! Seid unverzagten Mutes! Unser Befehlshaber ist Bahá’u’lláh. Aus dem Reiche der höchsten Herrlichkeit leitet Er diesen gewaltigen Kampf.

Er befiehlt uns: ‚Immer vorwärts, immer vorwärts! Zeigt die Stärke eurer Armee! Ihr werdet die Schatten der Unwissenheit zerteilen, Euer Kampf bringt neues Leben; ihr Kampf dagegen den Tod. Euer Krieg ist die Ursache der Erleuchtung der ganzen Menschheit; ihr Krieg ist der Anlaß, die Herzen zu brechen und zu betrüben. Euer Kampf bezweckt den Aufstieg; ihr Kampf ist der Anlaß der Zerstörung. Ihr habt keine Gefahr zu befürchten! Stürmt voran! Stürmt voran und greift den Feind an!

Jesus Christus kämpfte noch am Kreuz und Sein siegreiches Werk dauert durch Zeitalter und Jahrtausende fort!“


Ein Gebot ‘Abdu’l-Bahás.

In einer Seiner Ansprachen in Paris sagte ‘Abdu’l-Bahá:

»... Ich gebiete euch allen und jedem einzelnen alle eure Gedanken auf Lieb und Einigkeit zu konzentrieren. Wenn Kriegsgedanken in euch aufsteigen, so begegnet ihnen mit den stärkeren Gedanken des Friedens. Ein Gedanke des Hasses muß durch einen viel mächtigeren Gedanken der Liebe zerstört werden. Die Gedanken an Krieg zerstören alle Harmonie, alle Ruhe und alle Zufriedenheit.

Gedanken der Liebe wirken aufbauend zur Brüderlichkeit, Frieden, Freundschaft und Glückseligkeit. Wenn die Soldaten dieser Welt ihre Schwerter ziehen, um zu töten, dann müssen die Soldaten Gottes einander die Hände reichen. Auf diese Weise mag [Seite 105] durch Gottes Gnade alle Grausamkeit der Menschen verschwinden. Alsdann werden sie mit reinem Herzen und aufrichtiger Seele arbeiten. Denket nicht, daß der Weltfriede und andere Ideale nicht verwirklicht werden können, denn bei Gott ist kein Ding unmöglich. Wenn ihr mit allen Völkern und Rassen auf Erden Freundschaft von ganzem Herzen wünschet, dann werden sich eure Gedanken geistig und positiv verbreiten. Euer Wunsch wird auch der Wunsch der anderen sein. Er wird immer stärker und stärker werden, bis er in den Geist aller Menschen eingedrungen ist...


Über das Kommen des größten Friedens

sagt 'Abdu'l-Bahá in den „Beantworteten Fragen“ u. a.:

„In diesem wunderbaren Zyklus wird die Erde umgestaltet und die Menschheit mit Frieden und Schönheit gekleidet. An Stelle von Zank, Streit und Mordtaten werden Harmonie, Wahrheit und Schönheit treten. Unter den Nationen, Völkern, Rassen und Ländern wird Liebe und Freundschaft zustande kommen. Gemeinschaftliches Zusammenarbeiten und eine allgemeine Harmonie wird erreicht und der Krieg zuletzt gänzlich beseitigt werden .... Der universale Friede wird sein Zelt auf der Erde errichten, und der gesegnete Baum des Lebens wird seine Zweige so weit ausbreiten, daß er den Osten und den Westen überschatten wird. Starke und Schwache, Reiche und Arme, gegnerische Sekten und feindliche Nationen, die zueinander stehen wie der Wolf zum Lamm, der Leopard zum Zicklein, der Löwe zum Kalb werden miteinander in vollkommener Liebe, Freundschaft, Gerechtigkeit und Aufrictigkeit verkehren. Die Welt wird erfüllt sein mit Wissen, mit Erkenntnis der Wirklichkeit der Geheimnisse des Seins und mit der Erkenntnis Gottes.“

Wer sich näher mit der Frage des universalen Friedens beschäftigen möchte, lese auch die Artikel „Kann die menschliche Natur verändert werden?“, „Sonne der Wahrheit“, September 1929, Seite 107 ff., „Veränderung der menschlichen Natur“, „Sonne der Wahrheit“, , September 1929, Seite 108 ff. und „Die Frühlingszeit“, „Sonne der Wahrheit“, März 1930, Seite'2 ff., nach.

‘Abdu’l-Bahás Brief an den Verlag der „Times“

Wir möchten die vorstehende Zusammenstellung der Auszüge aus der Bahá’i-Lehre über den universalen Frieden mit dem folgenden Auszuge aus einem Briefe 'Abdu'l-Bahás an den Verlag der „Times“ vom 4. Oktober 1914 über dieses Thema abschließen. Es heißt in dem Briefe:

"... Während das Unglück, das der Krieg bedeutet, den Weisen und Gelehrten schon längst klar ist, so ist es jetzt mit aller Deutlichkeit allen Menschen klar geworden. Kein gesunder Menschenverstand kann heute die Tatsache leugnen, daß der Krieg das fürchterlichste Unglück für die Menschheit ist, daß er die göttlichen Grundlagen zerstört, daß er die Ursache des schrecklichsten Todes ist, daß der Krieg Zerstörung bevölkerter, fortgeschrittener Städte bedeutet, daß er das weltvernichtende Feuer, die zerstörendste Katastrophe und das bedauernswerteste Unglück ist. Das Schreien und Wehklagen steigt aus jedem Lande zum Himmel empor. Der Jammer und die Klagen haben einen mächtigen Widerhall an den Grundsäulen der Erde gefunden. Die zivilisierten Länder sind gestürzt. Die Augen vergießen Tränen beim Jammern über die vaterlosen Kinder. Die Herzen brennen gramerfüllt beim durchdringenden Schluchzen und fassungslosen Klagen der hilflos umherirrenden Frauen. Der Geist trostloser Mütter ist durch endlosen Kummer und tiefes Leid gestört, und der qualvolle Anblick der sich zu Recht beklagenden Väter steigt zum Thron des Allmächtigen empor. Wehe, die Welt der Schöpfung ist gänzlich ihrer natürlichen Ruhe beraubt. Das Klirren der Waffen, der Knall der Gewehre und das Dröhnen der Kanonen wird wie das Rollen des Donners am Himmelsgewölbe vernommen, und die explodierenden Geschosse haben den Kampfplatz in einen Totenacker verwandelt, der die Leichname von tausenden und abertausenden junger Menschen birgt, die Blüte vieler Länder, die einmal wichtige Faktoren in der sich entfaltenden Zivilisation der Zukunft gewesen wären. Was ich auch anführen mag, die Resultate dieses Verbrechens, das an der Menschheit begangen wird, sind schlimmer, [Seite 106]





Aufgang von der schwäbischen Kolonie in Haifa zum Mausoleum auf dem Karmel.


[Seite 107] als dies jemals durch die Feder oder mit Worten geschildert werden kann.

O ihr Regierenden der Welt, seid barmherzig gegen die Menschheit! O ihr Nationen der Erde, schaut auf das Schlachtfeld dieses fürchterlichen Gemetzels und Blutbades! O ihr Weisen der Menschheit, forscht liebevoll nach den Verhältnissen der Bedrückten! O ihr Philosophen des Abendlandes, ergründet ernstlich die Ursachen, die zu diesem gigantischen Kampf, der seinesgleichen nicht hat, führte! O ihr weisen Führer der Welt, denkt ernstlich darüber nach, damit ihr ein Gegenmittel für die Folgen dieser chronischen zerstörenden Krankheit findet! O ihr Intellektuellen der Menschheit, erfindet Mittel, diesem allgemeinen Morden und Blutvergießen Einhalt zu tun. Es ist jetzt höchste Zeit! Es ist jetzt die richtige Zeit dafür! Erhebt euch, macht alle Anstrengungen, entrollt die Fahne des ‚Universalen Friedens‘ und hemmt die unwiderstehliche Furie dieser rasenden Flamme, die Verwüstung und Ruin überall hinträgt ... .“


Gebet ‘Abdu’l-Bahás für den „Universalen Frieden“.

„O Du gütiger Herr! Du hast die ganze Menschheit aus einem Stamm erschaffen. Du bestimmtest, daß alle dem gleichen Haushalt angehören sollen. In Deiner heiligen Gegenwart befinden sich alle Deine Diener, und die ganze Menschheit findet unter Deinem Zelt Schutz. Alle haben sich um Deinen Gabentisch versammelt. Alle werden durch das Licht Deiner Vorsehung erleuchtet.

O Gott! Du bist zu allen gütig, Du sorgst für alle, Du beschützest alle, Du verleihst allen Leben, Du stattest alle mit Talenten und Fähigkeiten aus, und alle sind in das Meer Deiner Barmherzigkeit versenkt.

O Du gütiger Herr! Vereinige alle. Gib, daß die Religionen in Einklang kommen und mache alle Nationen zu einer Nation, so daß sie einander wie eine Familie und die ganze Erde als ein Heim ansehen. Möchten sie doch alle in vollkommener Harmonie zusammen leben.

O Gott! Richte das Banner der Einheit der Menschheit hoch auf!

O Gott! Errichte den höchsten und größten Frieden!

Verbinde Du, o Gott, die Herzen miteinander.

O Du gütiger Gott und Vater! Entzücke unsere Herzen durch den Duft Deiner Liebe. Erleuchte unsere Augen mit dem Lichte Deiner Führung. Ergötze unser Ohr durch die melodischen Töne Deines Wortes und beschütze uns alle in der Feste Deiner Vorsehung.

Du bist der Kraftvolle, der alle Macht besitzt. Du bist der Vergebende und Der, welcher die Mängel der ganzen Menschheit übersieht.“



Professor Jouness Khan Afroukta aus Teheran erzählt von der Bahái-Religion in Persien[Bearbeiten]

Ein Interview, veröffentlicht in der Zeitung „Aftenposten“, Oslo, vom 5. September 1929

Ex oriente lux! Der Osten ist der große und unerschöpflihe Ausgangspunkt für neue Religionen und ist es schon durch Jahrtausende gewesen, ehe der Westen bekannt wurde als die Welt der mechanischen Technik, durch Jahrtausende, ehe Kipling schrieb, daß „never the twain shall meet“. Es ist verführerisch, sich solchen Betrachtungen hinzugeben, wenn man sich dem Vertreter einer verhältnismäßig neuen persischen Religionsrichtung gegenübersieht, die sich die gleichen weltumfassenden Ziele gesetzt hat, wie die bisherigen Weltreligionen, die einst ebenso bescheiden angefangen haben. Und man kann auch nicht unterlassen, anachronistische Gedankensprünge zu machen, indem man sich Buddha oder Muhammed als Interviewobjekte denkt. Der Professor der Medizin an der Universität Teheran Dr. Youness Khan Afroukta ist, wie er selbst sagt, einer der gehorsamsten Diener in der Bahá'i-Bewegung und hierhergekommen auf einer Studienreise, nachdem er vor einigen Tagen an der religiösen Friedenskonferenz in Frankfurt teilgenommen hatte.

Der Professor, der nach Kleidung und Hautfarbe gut von der Balkanhalbinsel stammen könnte, erzählt uns von der Bahá’i-Bewegung:

[Seite 108] Der Vorläufer der Bahá’i-Bewegung war ein junger Mann mit Namen Bab. Er begann im Jahre 1844 zu lehren und prophezeite, daß ein größerer als er kommen werde, der eine neue Zeit in Religion und Kultur heraufführen werde. Er starb den Märtyrertod 31 Jahre alt. Der Begründer, der Größere, der kommen sollte, war Bahá’u’lláh — der Name bedeutet „Gottes Herrlichkeit“ —, der vor mehr als 60 Jahren die Grundsätze der Bewegung aufstellite und erklärte, daß er derjenige sei, den Bab und die früheren Propheten verheißen hätten. Er wurde ebenfalls verfolgt und aus Persien verbannt und starb 1892 in der Festung Akka in Palästina. Sein Sohn ‘Abdu’l-Bahá — „Diener Gottes“ — verblieb in der Gefangenschaft, bis 1908 die alte Regierung in der Türkei gestürzt wurde. Später reiste er umher und gab seine Lehre weiter bis zu seinem Tode im Jahre 1921. Seitdem befindet sich das Zentrum der Bahá’i-Bewegung in Palästina, wo sein ältester Enkel Shoghi Effendi als Führer für alle Bahá’i lebt.

„Was bezweckt eigentlich die Bahá’i-Lehre?“

„Sie ist die Quintessenz aller Religionen. Sie erkennt sie alle an und arbeitet für die Einheit der Menschen im Glauben und im Frieden. Wir alle sind Blätter eines Baumes, Blumen in einem Garten. Darum arbeiten wir für den Frieden unter den Völkern, für einen Bund der Völker und für eine internationale Sprache. Der Osten und der Westen sollen sich begegnen und vereinigen. Glaube und Vernunft müssen Hand in Hand gehen, die Gegensätze zwischen den Ständen und Geschledhtern müssen ausgeglichen werden. So lauten einige ihrer zwölf Grundsätze.“

„Hat die Bahá’i-Bewegung in ihrem eigenen Land Fortschritte gemacht?“

„Ja, durch Leiden und Märtyrertum. Es gab eine Zeit, wo es lebensgefährlih war, der Bewegung anzugehören. Mein Vater z. B. hat jahrelang in Ketten im unterirdischen Gefängnis gelegen. Aber die Bewegung wuchs beständig, und der jetzige Schah, Riza Khan, der selbst Muhammedaner ist, duldet uns, weil er ein fortschrittsfreundlicher Mann ist. Unsere Anhänger gehören im großen und ganzen den intellektuellen Klassen an. Ich glaube sagen zu können, daß man es den Toleranzgrundsätzen der Bahá’i-Bewegung verdankt, daß die gewaltigen religiösen Gegensätze in Persien sich ausgeglichen haben. Wir haben ja in Persien Anhänger der Lehre Zoroasters, des Christentums, des Islams und des Judentums, und einst war es so, daß, wenn ein Jude ein Stückchen Zucker im Hause eines Muhammedaners berührt hatte, dieses unrein war und fortgeworfen werden mußte. Nun dulden sich alle gegenseitig. Die Bahá’i-Lehre ist mit ihnen allen einig.“

„Wie viele Bahá’i gibt es in Persien?“

„Lord Curzon schätzte die Anzahl der Bahá’i in den neunziger Jahren auf etwa eine Million. Aber es gibt viel mehr. Wir haben Versammlungen von Tausenden in allen persischen Städten. Wir haben Tempel oder Kirchen aber keinen Priesterstand. Die ganze Organisation wird geleitet von einem Rat von neun Menschen, und an der Spitze aller Bahá’i steht Shoghi Effendi, der die göttliche Inspiration hat. Wir haben heilige Schriften von Bahá’u’lláh und 'Abdu'l-Bahá.“

„Glauben Sie, daß ihre Religion Aussichten hat, im Westen Anhänger zu gewinnen?“

„Ja, in Deutschland gibt es schon vielfach Bahá’i-Gruppen; in London ist eine große Gemeinde, und in Amerika gibt es viele Gemeinden. Frankreich hat nur wenige, aber eifrige Anhänger unserer Sache. Der Orientalist Hippolyte Dreyfus, der im vorigen Jahr starb, war Bahá’i.“

„Und Norwegen?“

„Hier gibt es nur zwei bis drei Bahá’i.“

„Sie erwähnten Riza Khan. Können Sie mir etwas über seine Regierung in Persien sagen?

„Wie Sie wissen, war er ein Mann aus den niederen Ständen, ein Soldat, der sich durch einen Staatsstreich emporgeschwungen hat. Er ist jedoch ein politisches Genie. Er ist liberal und empfänglich für die Kultur und Technik vom Westen her. Er achtet alle Manschen in gleihem Maße. Die Juden genießen jetzt z. B. die gleiche Behandlung wie andere ieute. Und seine Außenpolitik ist sehr weise. Der Bolschewismus hat keine Aussichten, in Persien Anhänger zu gewinnen.“

Jetzt steckt der Photograph den Kopf zur Tür herein, um Professor Afroukta zu verewigen. Und der Professor setzt sich willig zurecht.

Hier gibt es kein muhammedanisches Bildverbot, aber wir sind dennoch im Orient; wir müssen nämlich dem Professor versprechen, daß sein Bild weit unter dem Bild des Propheten ‘Abdu’l-Bahá seinen Platz erhalten wird, — denn er ist nur einer unter den gehorsamen geringen Dienern des Propheten.

Aus dem Norwegischen übersetzt von Chr. v. H., eingesandt von der Bahá’i- Arbeitsgemeinschaft Rostock.


In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an den Verlag des deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart, Alexanderstr. 3, Nebengebäude, zu richten.


[Seite 109]


Geschichte und Bedeutung der Bahá’i-Lehre[Bearbeiten]

Die Bahá’i-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.

Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahá’i-Bewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahá’i-Religion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahá’i (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahá’i der Welt.

Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahá’i, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China usw. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.

In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).

Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Iqhan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.

Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.

Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, Seite 66.)


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Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart

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In unserem Verlag sind erschienen:


Bücher:

Verborgene Worte von Bahá’u’lláh. Deutsch von A. Schwarz und W. Herrigel, 1924 1.--

Bahá’u’lláh, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1921, in Halbleinen gebunden . . . 2.50

in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.--

'Abdu'l-Bahá Abbas, Ansprachen über die Bahá’i-Lehre. Deutsch von W. Herrigel, 1921, in Halbleinen gebunden . . . . . 3.00

in festem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.50

Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, von Mirza Abul Fazl. Deutsch von W. Herrigel, 1919, in Halbleinen geb. . . . . 4.50

In Ganzleinen gebunden . . . . 5.--

'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1922, in Ganzleinen gebunden . . . . 4.--

Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase, deutsch von W. Herrigel, 1925, kartoniert M. 4.--, in Halbleinen gebunden . . . . 4.60

Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont, deutsch von W. Herrigel und H. Küstner. 1927. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.50

Beantwortete Fragen 'Abdu'l-Bahá Abbas', gesammelt und in englischer Sprache herausgegeben von L. Clifford Barney, deutsche Übersetzung von W. Herrigel, 1929 . . . . . 5.--


Broschüren:

Bahá’i-Perlen, Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1922 . . . . -.20

Ehe Abraham war, war Ich, v. Thornton Chase. Deutsch v. W.Herrigel, 1911 . . . . -.20

Die Universale Weltreligion, Ein Blick in die Bahai-Lehre von A. T. Schwarz, 1919. . . . -.50

Die Offenbarung Bahá’u’lláhs, von J.D. Brittingham. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1910 . . . -.50

Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit, von Dr. jur. H. Dreyfus, Deutsch von Wilhelm Herrigel. 2. Auflage 1920 . . . -.50

Die Bahá’i-Bewegung im allgemeinen und ihre großen Wirkungen in Indien, nach Berichten eines Amerikaners zusammengestellt und mit Vorwort versehen von Wilhelm Herrigel, Stuttgart 1922 . . . . -.50

Eine Botschaft an die Juden, von Abdul Baha Abbas. Deutsch v. W. Herrigel, 1912 . . . -.20


Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás, ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") Deutsch von Alice T. Schwarz, 1922 . . . -.50

Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1923 . . . . —.50

Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahá’i-Lehre von Dr. Hermann Grossmann, Hamburg 1923 . . . . —.20

Religiöse Lichtblicke, Einige Erläuterungen zur Bahá’i-Botschaft, aus dem Französ. übersetzt von Albert Renftle, 2. erweiterte Auflage, 1928 . . . . --.30

Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Großmann-Wandsbek . . . . . --.20

Sonne der Wahrheit, Jahrgang 3 - 8 in Halbleinen gebunden je . . . . 9.--

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