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SONNE DER WAHRHEIT | ||
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI | ||
HEFT 6 | 10. JAHRGANG | AUG. 1930 |
Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i-Prinzipien[Bearbeiten]
1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.
Bahá’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die
Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“.
Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen
den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und
Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Bahá’u’lláh das Prinzip der Einheit der
Menschheit dar. Bahá’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie
alle im Meer der göttlichen Gnade.
2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.
In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.
3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.
Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.
4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.
Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.
5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.
Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.
6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.
Dies ist eine besondere Lehre Bahá’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.
7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.
Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.
8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.
Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.
9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.
Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.
10. Die soziale Frage muss gelöst werden.
Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Bahá’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.
11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.
Bahá’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weltsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.
12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.
Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.
Vor mehr als 50 Jahren befahl Bahá’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.
Bahá’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.
SONNE DER WAHRHEIT Organ der deutschen Bahá’i Herausgegeben vom Verlag des deutschen Bahá’i-Bundes, Stuttgart Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3 Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark |
Heft 6 | Stuttgart, im August 1930 Kama’l — Vollkommenheit 87 |
10. Jahrgang |
Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion
Inhalt: Das Heilige Buch der Gewißheit. — Die Bahá’i-Bewegung an deutschen Universitäten. — Allah il Allah. — Wie ein Lagerfeuer! — Leg’ Deine Hand. — Demut. — Der neue Tempel.
Worte 'Abdu'l-Bahá’s.[Bearbeiten]
"In diesem Zeitalter der Erleuchtung wenden sich die Herzen gegenseitiger Übereinstimmung und der Verbrüderung zu und die Gedanken der Einheit der Menschheit beschäftigen die Gemüter. Das Universalbewußtsein erwacht, was deutlich auf das Nahen der großen Einheit hinweist. Unschätzbare Wohltaten und Segen ergießen sich über die große menschliche Familie und die Verbrüderung wird sich vollziehen.“
„Star of the West“ Juniheft 1925.
Das Heilige Buch der Gewißheit[Bearbeiten]
(Fortsetzung)
(Kitab-El-Iqan aus der Feder von Bahá’u’lláh)
Aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt von Dr. A. Mühlschlegel
Wir werden jetzt erklären, wie die Sonne der Wirklichkeit, die Manifestation Gottes, der König der Himmel und der Erde ist, auch wenn niemand sie erkennen würde, und wie sie reich ist an allem Reichtum der Welt, auch wenn sie keinen Denar zu eigen hätte. So treten wir um euretwillen aus dem Geheimnis der Ursachen heraus und schenken euch die Edelsteine der Weisheit, auf daß ihr euch auf den Flügeln der Loslösung in Gefilde emporschwingen möget, die den Menschen unsichtbar sind.
Sinn und Ziel dieser Worte ist, denen, die mit reinem Gehör begabt sind, den lichten Seelen, zu beweisen und klar zu machen, daß die Sonnen der Wirklichkeit und die Spiegel der Einheit in verschiedenen Zeitaltern von den unsichtbaren Zelten in diese Welt der Materie herabkommen, um die Völker zu erziehen und Güte über alles Dasein auszuströmen, damit sie dann immer mit strahlender Gewalt und sieghafter Macht erscheinen. Diese köstlichen Edelsteine, diese geheimen Schatzkammern, sind die Erscheinung von Ihm, „Der tut, was Er will, und Der befiehlt, was Ihm beliebt“.
Für die gebildeten Menschen mit reinem Herzen ist es klar, daß das unsichtbare Wesen, die Identität des Einen geheiligt ist über alle Dinge. Er ist zu erhaben, um Sich zu erkennen zu geben, um zu erscheinen, um aufzusteigen oder hernieder zu kommen, um einzutreten oder herauszugehen. Er steht weit über dem höchsten Lobpreis aller, auch der Einsichtsvollsten. Von Ewigkeit her wird Er ewig in Seinem unsichtbaren Wesen sein. Auf ewig wird Er den Augen der Menschen verhüllt sein in Seinem letzten Wesen. „Die Blicke können Ihn nicht erreichen; Er aber sieht jeden Blick.“ (Koran VI, 103.) Denn es gibt kein Maß für Ihn und die Menschen gemeinsam und keinen Ausdruck des Vergleiches. Man kann nicht sagen: Er ist fern, noch nahe, noch zur Seite; man kann Ihn nicht zeigen. Denn alles, was in den Himmeln und auf Erden ist, besteht nur durch Sein Wort, und auf Seinen Wunsch, der Seinem Willen gleich ist, treten die Wesen aus dem Nichtsein in die Welt des Daseins.
Allmächtiger Gott! Es gibt auch keinen Ausdruck des Vergleiches zwischen Seinem Worte und dem der Menschen. „Gott heißt euch, Ihn zu fürchten. Denn zu Ihm werdet ihr zurückehren.“ (Koran III, 27.) Dieser Vers bestätigt meine Worte. Desgleichen, wenn es heißt: „Gott war, als noch nichts bestand.“ Welche Gedanken erweckt dieses Wort! Die Propheten, die Gelehrten, die Priester und die Weltweisen geben alle zu, daß sie nicht dazu gelangen können, diese Perle der Perlen zu erkennen, und daß sie unfähig sind, diese Wirklichkeit der Wirklichkeiten zu begreifen. Da die Tore geschlossen sind, durch welche dieses wahre Ich den Menschen zugänglich wäre, so sind durch Seine unendliche Barmherzigkeit, Dessen Barmherzigkeit alle Wesen umschließt und Dessen Gnade über allen Dingen ist, die strahlenden Edelsteine aus der Welt des Geistes auf dieser Erde in dem herrlichen Körper des Menschen erschienen, damit die Menschen ihrerseits zu Ebenbildern dieser ewigen Identität und dieses unendlichen Wesens werden können. Diese heiligen Spiegel, die Erscheinungsorte der Einheit, sind in allen Dingen der Sonne des Daseins und der kostbaren Wesenheit Ebenbild. Ihr Wissen ist Sein Wissen, ihre Kraft ist Seine Kraft, ihre Macht ist Seine Macht, ihre Schönheit Seine Schönheit, ihr Erscheinen Sein Erscheinen: Sie sind die Schatzkammern göttlichen Wissens und der Sitz höchster Weisheit, die Erscheinung unendlicher Güte, die Morgenröten ewiger Sonne, wie gesagt ist: „Kein Unterschied ist zwischen Euch und ihnen, als der, daß sie Eure Diener sind und Eure Geschöpfe.“ Was besagen will: „Ich bin Er und Er ist Ich“, wie man es in den Hadiss findet. Ich könnte noch zahlreiche ähnliche Worte anführen.
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Alles in den Himmeln und auf Erden ist also nur eine Offenbarung der Eigenschaften
und Namen Gottes, so sehr, daß in jedem Atom die Verklärung der Sonne der Wirklichkeit
sich wiederfindet. Nichts würde vorhanden sein ohne diese Verkörperung, und
nichts könnte ohne sie bestehen. Wieviele Sonnen des Wissens sind in dem kleinsten
Atom verborgen! Wieviele Meere der Weisheit sind in einem Tropfen Wasser enthalten!
Was wäre da gar vom Menschen zu sagen, der auf die höchste Stufe der Wesen
des Daseins gestellt ist! Alle Eigenschaften und Namen, die der Mensch Gott gibt,
finden sich in Ihm vollkommener als in irgend welchen anderen lebenden Wesen; denn in
der Tat, alle diese Namen bezeichnen nur Ihn selbst. Dies ist der Sinn der Worte:
„Der Mensch ist Mein Geheimnis und Ich bin sein Geheimnis“ und andere ähnliche,
ebenso tiefe, denen man in den heiligen Büchern begegnet.
Man findet im Koran: „Wir werden Unsere Zeichen über die vielen Länder der Erde und auf sie selbst hinstrahlen lassen.“ (Koran XLI, 53.) Und an anderer Stelle: „Es gibt auf der Erde Zeichen für die, welche glauben. Es gibt solche in euch selbst. Seht ihr sie nicht?“ (Koran LI, 20, 21.) Und ferner: „Seid nicht wie jene, welche Gott vergessen haben und welche Gott zum Vergessen ihrer selbst geführt hat.“ (Koran LIX, 19.)
Dies sind die Worte des Königs des Daseins — mögen die Seelen derer, die unter den Zelten der Erhabenheit ruhen, ein Opfer für Ihn sein! Alle, die gründlich sich selbst erkennen, gelangen darum auch zu der Erkenntnis ihres Herrn.
O mein Freund, ich schwöre bei Gott: wenn du dich darein vertiefst in das, was wir eben sagten, so wirst du die Tore des göttlichen Wissens und der unendlichen Weisheit sich vor dir öffnen sehen. Du wirst verstehen, daß alle Dinge nach ihrem Vermögen uns die Eigenschaften und die Merkmale Gottes zeigen, und dies so deutlich, daß du erkennen wirst, daß das Erscheinen göttlicher Namen allumfassend ist. Die Hadiss sagen: „Gibt es einen, der eine Eigenschaft besitzt, die Du nicht besitzest und der dennoch Dein Geschöpf wäre? Blind ist, wer Dich nicht erkennt!“ Und ferner: „Ich habe nie etwas gesehen, ohne daß Gott dort war, gewesen wäre oder hätte sein müssen.“ In den Hadiss von Kome’i findet man: „Vom ewigen Morgen her hat ein Licht gestrahlt, das seinen Glanz verbreitet über Gottes Offenbarung.“
Der Mensch, das würdigste und vollkommenste der Geschöpfe, ist fähiger als irgend ein anderes Wesen, die göttlichen Eigenschaften zu verkörpern und zu vereinen. Die Vollkommensten, die Besten unter den Menschen sind die Offenbarungen der Sonne der Wirklichkeit. Und man kann sagen: die anderen bestehen nur durch Ihren Willen, handeln nur durch Ihre Güte. „Wäre es nicht um deinetwillen gewesen, Ich hätte nicht die Himmel geschaffen.“ In ihrer heiligen Gegenwart ist nichts anderes mehr da, nichts hat mehr Wert; ihre Worte sind erhaben über allen anderen Worten und ihre Namen sind die reinsten. Ihre heiligen Persönlichkeiten sind die vollkommensten und ewigen Spiegel, sie strahlen den unsichtbaren Gott wieder mit all Seinen Namen und Merkmalen: Wissen, Kraft, Macht, Größe, Barmherzigkeit, Weisheit, Herrlichkeit, Großmut, Güte. Diese Eigenschaften sind allen göttlichen Manifestationen zu eigen, allen großen Propheten, allen Erwählten, wenn auch einige diese Eigenschaften in höherem Maße zu besitzen scheinen als die anderen. „Wir haben die einen Propheten über die anderen erhoben.“ (Koran II, 254.)
Ihr wisset also gewißlich, daß die Propheten und die Auserwählten Gottes die strahlenden Erscheinungsorte aller erhabenen Bezeichnungen und aller unendlichen Namen sind, mag es euch auch scheinen, die eine oder die andere göttliche Eigenschaft würde diesen höheren Wesen abgehen. Ihr habt nicht das Recht zu sagen, die Propheten seien ihrer beraubt gewesen. Alle Eigenschaften Gottes, Macht, Größe und andere, sind ihr Anteil, auch wenn sie nicht Allen in der Welt des Staubes offensichtlich sind. Daran darf niemand zweifeln.
Wahrlich, weil die Menschen die Erklärung der heiligen Worte nicht aus dem lauteren
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Quell göttlichen Wissens geschöpft haben, darum sind sie durstig und schmachten im
Tale des Zweifels und der Gleichgültigkeit. Sie halten sich von dem süßen frischen Quell
ferne und bleiben an den Flüssen der Bitterkeit fest gebannt.
So hat auch die Taube der Einheit gesprochen: „Sie werden den rechten Pfad sehen und werden ihn nicht einschlagen. Aber wenn sie den Weg der Entfremdung sehen, werden sie ihn einschlagen. So wird es geschehen, weil sie Meine Zeichen als Lügen beschimpft haben und ihnen kein Gehör schenkten.“ (Koran VII, 143/144.) Wenn die Menschen den Weg der Gerechtigkeit und der Freiheit sehen, so werden sie ihn nicht einschlagen, sondern sich davon abwenden. Aber wenn sie den Pfad des Niedergangs, des Irrtums und der Bosheit sehen, so werden sie glauben, dies sei der, welcher sie zu Gott führt. Und ihr Irrtum wird daher kommen, daß sie Unsere Worte fälschen und beim Erscheinen Unserer Zeichen gleichgültig sein werden.
Das ist, was wir sich zutragen sahen in dieser wunderbaren Sache. Tausende und Tausende göttlicher Worte der Weissagung sind enthüllt worden, und doch haben sich die Menschen ihr fern gehalten und haben auf jene gehört, die noch nicht das erste Wort davon erfaßten. So haben sie schließlich ganz klare Fragen in Zweifel gezogen und sich des Paradieses des Wissens von der Einheit und des Gartens der ewigen Weisheit beraubt. —
Kehren wir zurück zum Gegenstand unserer Besprechung. Ihr sagt: die Macht Kahims ist in allen Hadiss der Imame verkündet und dennoch hat niemand sie erkennen können, da Seine Jünger das Ziel vielfältiger Verfolgung waren und es noch sind, und da sie auf die letzte Stufe der Erniedrigung und Ohnmacht herabgedrückt waren.
Ja, die Macht, von der Bücher über Kahim sprechen, ist wahr und nicht anzuzweifeln. Aber dies ist kein Königreih und keine Macht, die jedermann erfassen könnte. Zunächst: Alle alten Propheten, die den Völkern die frohe Botschaft der nächsten Erscheinung verkündet haben, alle diese altheiligen Manifestationen haben in ihrem Buche von der Macht der folgenden Manifestation gesprochen. Und bei Kahim ist es nicht anders. Betrachten wir diese altheiligen Manifestationen, so können wir ohne Zögern ihnen Kraft und Macht und alle göttlichen Merkmale beimessen, und dies einzig, weil sie die Offenbarungen unsichtbarer Merkmale sind und die Morgendämmerung göttlicher Geheimnisse. Wir wissen, daß unter ihrer „Macht“ ihr Einfluß auf die ganze Welt zu verstehen ist, denn nicht aus freiem Willen sind sie, mit keiner sichtbaren Macht bekleidet, in dieser Welt erschienen. Ihr wißt sehr wohl: wenn die heiligen Bücher von Macht, Reichtum, Leben, Tod, Auferstehung sprechen, so ist dies nicht in dem Sinn, den man gemeinhin diesen Worten heutzutage beimißt. „Macht“ ist jene Kraft, die aus jeder Sonne der Wirklichkeit hervorbricht, die in sich selbst beruht und nur sich selber dient. Das ist jene innere Gewalt, die in ihrem Tun über allem Dasein thront, und die je nach der Fähigkeit der Welt und der Menschen erlebt werden kann.
Heute ist die Macht Muhammeds allen sichtbar. Aber denket daran, wie es im Anfang einst gewesen. Wie viel Leiden haben die Bösen und Ungläubigen unter den damaligen Priestern und ihre Schüler über dieses höchste Wesen gebracht! Sie schreckten nicht davor zurück, ihm Schmutz und Steine in den Weg zu werfen. Wie bekannt, haben sie mit ihren unsauberen und teuflischen Ränken nur nach Seiner Qual getrachtet und geglaubt, dadurch ihr Heil zu finden. Alle die Priester von damals, Abdullah-Obeï, Abu Amar-Rahnb, Kaib-Ibn-Achraf, Nasr-Ibn-Aris, behandelten Ihn als Lügner, als Toren und als noch Schlimmeres, was ich, bei Gott meine Zuflucht suchend, nicht wiederholen will: Meine Tinte würde versiegen, meine Feder würde sich sträuben und dieses Papier hier würde sich weigern, es zu bewahren. Ja, der Haß des Volkes und die Drangsal, die man Ihn erdulden ließ, wuchsen nur. Denn es ist klar: wenn die Priester einer Zeit sich von einem Menschen abwenden und Ihn als Ungläubigen behandeln, dann kommt über Ihn, was auch über mich selbst gekommen ist, und dessen ihr euch Rechenschaft geben könnet.
Darum hat Muhammed gesagt: „Kein
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Prophet hat so viel gelitten wie ich.“ Wieviel Qualen ließ man ihn erdulden, wie uns im
Forkan erzählt ist! Versetzt euch dorthin zurück und ihr werdet die Ereignisse dieser
Sache verstehen! Die Erbitterung, deren Ziel Er war, wuchs in einem solchen Grade, daß
Er sich zeitweilig von Seinen Jüngern trennen mußte. Denn jedesmal, wenn Er einen
von ihnen besuchte, war Sein Kommen für diesen Jünger die Ursache von Verfolgungen.
Ich werde euch hier die Verse anführen, die, auch wenn ihr ihren Sinn erfassen könnt,
euch jene Verfolgungen zeitlebens beklagen lassen werden. Sie sind Ihm inmitten der
schlimmsten Trübsale und der schlimmsten Qualen geoffenbart worden, als alle Welt
gegen Ihn stand. Gabriel kam vom Sudrat-el-Montahas, der Nähe, hernieder und sprach
zu Ihm: „Die Entfernung der Ungläubigen von der Wahrheit bedrückt Dich. Wahrlich,
könntest Du es, Du würdest ein Loch in die Welt bohren oder Du würdest eine Leiter
ergreifen, um in den Himmel zu steigen.“ (Koran VI, 35.) Mit anderen Worten: Es gab
keinen Weg für Muhammed, den Qualen, welche die Ungläubigen schufen, zu entfliehen,
als sich in der Erde zu verbergen oder in den Himmel zu entfliehen.
Und heute! Sehet, wieviele Könige sich auf Ihn berufen, wieviele Städte und Völker sich unter Seinem Namen bergen und stolz darauf sind, Ihm unterworfen zu sein. Auf den Lehrstühlen, von der Höhe der Minaretts tönt immer wieder Sein gesegneter Name in größtem Glanze. Und was jene Könige der Erde betrifft, die noch nicht an Ihn glauben und noch nicht das Kleid der Ungläubigkeit abgelegt haben, so bekennen und anerkennen sie doch die Größe und Erhabenheit dieser Sonne der Güte.
So groß ist die äußere Macht, die, wie ihr seht, Ihm heute zu eigen ist; sie ist die gleiche für alle Propheten, sei es schon während ihres Lebens, sei es, nachdem sie zu ihrer wirklichen Heimat aufgestiegen sein werden. Die innere Macht, die ewig ersehnte, umgibt sie ständig und verläßt sie nie. Sie strahlt auf alles Dasein. Macht ist darum eines der Merkmale dieser Sonnen der Einheit. Weißt du nicht, wie durch Sein Wort allein Muhammed Licht von Finsternis schied, Freude von Trübsal, Glauben von Ungläubigkeit? Weissagungen und Verkündigungen über den Jüngsten Tag, die Auferstehung, das Buch, das Gericht und mehr noch sind in der Offenbarung Seines Wortes allein enthalten. Dieses Wort war Barmherzigkeit für die Gerechten, für jene, die es hörten und riefen: „O Gott, wir hören und gehorchen!“ Es war aber Züchtigung für die Verderbten, die es hörten und riefen: „Wir hören wohl, aber wir gehorchen nicht.“ Es war das Schwert Gottes, das die Gläubigen von den Schlechten scheidet, den Vater vom Sohne. Die Ihn anerkannten und die Ihn verleugneten, wurden Feinde. Wieviele Väter wandten sich von ihren Söhnen, wieviele Liebende haßten ihre Geliebten! Dieses Schwert war so geschärft und schneidend, daß es alle Verwandten trennte.
Aber auch wieviele Menschen wußte es einander nahe zu bringen, in welche der Satan seit langen Jahren den Keim gegenseitigen Hasses gepflanzt hatte! Wenn sie diese erhabene Sache erfaßt hatten, vereinte sie eine solche Zuneigung, daß sie vom gleichen Vater zu stammen schienen. „So wird Gott die Herzen derer vereinen, die sich von der Welt getrennt haben um Seinetwillen, an Seine Worte geglaubt und von dem Kelche der Güte getrunken haben, den die herrlichen Hände ihnen boten.“
Und weiter: Wieviele Menschen verschiedenen Glaubens, verschiedener Religion,
verschiedenen Charakters haben das neue Gewand der Einigung angelegt und von dem
Kelche der Einheit getrunken in der Gnade des herrlichen Paradieses und der
himmlischen balsamischen Gefilde! Dies will das berühmte Hadiss sagen: „Das Lamm und
der Wolf werden vom gleichen Quell trinken.“ Sehet an, wie töricht jene sind, die
nach dem Beispiele der Alten darauf warten, diese Tiere wirklich an einer Krippe
sich vereinen zu sehen. So ist der Zustand der Menschen. Man könnte sagen: nie haben
sie aus dem Kelche der Einheit getrunken noch einen Schritt getan auf dem Weg der
Unterscheidung. Was für eine Wohltat käme da der Welt zugute, wenn solche Dinge
wörtlich sich verwirklichten? Und wie zutreffend sind solche Verse: „Herzen haben
die
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Menschen — und fühlen nichts damit, Augen und sehen nichts damit.“ (Koran VII, 178.) Richtet
sich nicht durch diese wunderbaren Verse ein jeder selbst?
Jene, welche die Schönheit der Sache erkannt und angenommen haben, sahen alle ihre Sünden vergeben. Darum heißt es auch: Gott richtet die Menschen schnell und wandelt ihr Vergehen in gute Tat. Vertieft euch aufmerksam darein und schaut mit Weisheit nach dem Horizont des Wissens, dann wird euch all dies verständlich werden. Wer immer dem Gesetz der Liebe folgend schaut, empfängt vom Meer der höchsten Güte und aus den Wolken nimmer endender Barmherzigkeit das Leben ewigen Glaubens. Wer sich aber dem Gesetze nicht beugt, der ist dem ewigen Tod verfallen. Denn Tod und Leben sind hier vom Glauben abhängig. Und weil die Menschen solches nicht verstanden haben, so haben sie sich jeder Offenbarung entgegengestellt und ließen sich nicht leiten durch der Führung Sonne und sind der ewigen Schönheit nicht gefolgt.
Forts. folgt
Die Bahá'i-Bewegung an deutschen Universitäten[Bearbeiten]
Fortsetzung und Schluß.
Die Vorlesungen, mit Ausnahme derjenigen über Kunst, werden alle in den öffentlichen
Hörsälen der Universität abgehalten; aber diese Vorlesungen sind nur die Einführung in das
Studium, das in den Seminaren vertieft wird.
Z. B. liest Professor Dr. Hauer in der großen Aula vor vielleicht zweihundert Studenten, die seinen Eintritt mit lautem Beifall begrüßen, wenigstens war es an dem Tage so, als ich seine Vorlesung besuchte. Aber in sein Seminar kommen nur zwölf oder fünfzehn Studenten, und sie arbeiten zusammen, indem sie übersetzen und diskutieren.
Der Hauptnachdruck wird an einer deutschen Universität darauf gelegt, daß man die Fähigkeit, selbstständige Arbeit zu leisten, erlangt. Eine deutsche Universität ist in der Hauptsache ein Institut, an welchem ein Student die bedeutendsten Spezialisten findet, die zur Forschung auf ihrem Spezialgebiet berufen sind, und die sich die Aufgabe stellen, Männer und Frauen zu selbständiger Arbeit in den gewählten Fächern wie Jura, Theologie, Dozentenlaufbahn u. a. auszubilden.
Die Bonner Universität, an welcher zur Zeit gegen 7000 Studenten hören, ist das Institut, an dem der frühere Kaiser, der Kronprinz und andere Mitglieder des deutschen Kaiserhauses studiert haben. Sie ist berühmt durch die rechtswissenschaftliche und medizinische Fakultät und das orientalische Seminar. Diese schöne Stadt Bonn, Beethovens Geburtsort, ist sehr malerisch gelegen.
Professor Paul Kahle, Spezialist für Arabisch und Türkisch und ein berühmter hebräischer Gelehrter, veranstaltete für mich die Vorlesung über die Bahá’i-Bewegung. Bahá’i-Bücher lagen in der orientalischen Bücherei der Universität so zeitig auf, daß die Studenten vor der Vorlesung darin Einblick nehmen konnten. In dieser Auslage wurden zugleich die Bahá’i-Bücher gezeigt, die schon im Besitz der orientalischen Bücherei der Bonner Universität sind.
Professor Kahle, der ein Freund von Professor Edward G. Browne an der Universität Cambridge
war, stellte mich an jenem Abend vor und erwähnte bei seiner Einführung das Zusammentreffen
von Professor Browne mit Bahá’u’lláh und zitierte die Worte, die Bahá’u’lláh an diesen
abendländischen Gelehrten richtete. Er verlas auch ein Tablet ‘Abdu’l-Bahás an
einen deutschen Pastor, welches in einer deutschen Zeitung veröffentlicht worden war. Nach
dem Vortrag, dem eine Diskussion folgte, versammelten sich noch etwa 25 Personen, Professoren
mit ihren Frauen und einige im Spezialfach arbeitende Studenten in einem nahegelegenen
Restaurant, wo wir unsere Unterhaltung bis Mitternacht fortsetzten. Als wir uns erhoben, legte
der Professor der vergleichenden Religionen seine Hand freundschaftlich auf die Schulter
eines Kollegen, dem bedeutenden Gelehrten der islamischen Literatur, einem Muhammedaner
aus Indien, und sprach lächelnd: „Sie sind Muhammedaner und ich bin Christ. Ich empfinde
herzliche Zuneigung zu Ihnen, ich habe das Gefühl, daß Sie in Wahrheit mein Bruder sind.
Daher sind wir beide Bahá’i, denn Bahá’u’lláh lehrte dies.“ Unter dem Eindruck und der
Freudigkeit jenes glücklichen Abends wurden sie alle durch ihre Gesinnung zu „Bahá’i“
(Lichtträgern) erklärt. Ein anderer Professor gab seine Karte und sagte: „Senden Sie mir
einige Bücher Bahá’u’lláhs in Arabisch, ich werde sie
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ins Deutsche übersetzen.“ Danach begleiteten mich sämtliche Anwesenden in mein Hospiz.
Professor Dr. H. Bauer an der Universität Halle ist einer der bedeutendsten deutschen Gelehrten für Arabisch. Vor der Vorlesung zeigte er mir die große orientalische, schon im Jahre 1845 gegründete Bücherei für Deutschland. Er zeigte mir eine Zeitschrift, Organ der „Deutsch-Morgenländischen Gesellschaft“, welche den ersten in Deutschland erschienenen Bericht über den Bab enthält. Die Zeitschrift datiert von 1851. Er erbot sich liebenswürdigerweise eine Übersetzung ins Englische zu übertragen und mir zu senden.
Dr. H. Grimmer, Professor der semitischen Sprachen an der Universität Münster ist einer der Kenner der alten sinaitischen Schriften. Er studierte die alten sinaitischen Briefe im Original auf dem Berg Sinai, und er bewies die Übereinstimmung der Zeitrechnung im alten Testament mit den dort niedergelegten Daten, z. B. das Datum des Auszuges Israels (2. Buch Moses). Er sagte zu mir: „Wenn die Bibel die Wahrheit spricht, so beweise ich die Wahrheit durch diese festgelegten Daten. Ich bin nicht ein Gläubiger nach der Bibel, sondern ich bin gläubig, weil ich ein Historiker bin. Ich liebe weder Legenden noch Fabeln, sondern nüchterne Geschichte.“ Dieser exakte Gelehrte wurde früher um einen kurzen Bericht über die Bahá’i-Bewegung für eine Enzyklopädie gebeten, den er damals schrieb. Einer der deutschen Professoren, die eine gewisse Zeit in Ägypten zubrachten, um Vorlesungen zu halten, ist Professor Littmann, Herausgeber der bemerkenswerten „Zeitschrift für Semitistik und verwandte Gebiete".
Ich hatte beabsichtigt, in Heidelberg im Hause eines der Professoren einen Vortrag zu halten. Die Vorbereitungen waren schon getroffen, seines leidenden Zustandes wegen aber mußte der Vortrag verschoben werden. Ich verbrachte jedoch einen Tag im Kreise der Professoren daselbst. Professor der arabischen Sprache Richard Hartmann kennt die Bahá’i-Lehre und hat darüber Vorlesungen gehalten. Er befand sich jedoch in der Türkei. Ich schrieb an die Bahá’i in Konstantinopel, damit sie ihn aufsuchen möchten. Die Stadt Heidelberg erhebt den Anspruch, die älteste Universität in Deutschland zu sein, sie wurde 1386 gegründet, und es ist sicher, daß diese berühmte alte Universitätsstadt an den Ausläufern des Odenwaldes ihren besonderen Charakter hat. Kein Wunder, daß Dichter durch den Geist ihrer Romantik inspiriert wurden. Die Tausenden von vornehmen Reisenden, die zum erstenmal Heidelberg besuchen, haben wohl niemals gehört, was eine deutsche Professorenfrau mir erzählte, als sie mich nach dem Bahnhof begleitete. Sie sagte, daß die Einwohner Heidelbergs täglich Nahrungsmittel stiften, um ein warmes Mittagessen den vielen Studenten, deren Mittel sehr beschränkt sind, zu verschaffen. (Diese Studentenhilfe besteht auch noch an anderen Universitäten.) Ich habe in keinem Land eine größere Studentenhilfe angetroffen als überall in Deutschland.
Die Kieler Universität kann sich einer prachtvollen Lage an der Seeküste rühmen. Die Professoren dort kennen die Bücher von Dr. Hyppolite Dreyfus, und einige von ihnen haben Vorträge über die Bahá’i-Lehre gehalten. Nach der Vorlesung an der Universität im Juni luden mich die beiden Professoren und ihre Damen, Professor Mandel (Religionsgeschichte) und Professor Schrader (Theologie), welch letzterer mehrere Jahre in Indien verbracht hat, ein. Professor Jacob (semitische Philologie), ein sehr liebenswürdiger Herr, konnte leider nicht mitkommen. Welcher Scharm lag in den vertraulichen Gesprächen über religiöses Innenleben, über die Zustände der Welt, die Hoffnungen auf höheres Menschentum und insbesondere über die Bahá'i-Bewegung, die wir nach den Vorträgen in allen deutschen Universitätsstädten hatten! Der gemeinsame Gang nach einem Restaurant, um eine Tasse Tee oder Gefrorenes zu genießen, gehörte zum Beschluß der Vorträge an den Universitäten. Bei der Kenntnis des Herzens, der Seele, der kulturellen Ideale des deutschen Volkes, würde es mich nicht in Erstaunen setzen, wenn aus dieser Volksgemeinschaft Deutschlands nicht jene hervorgingen, die die Welt zu einer neuen Menschenwürde führten.
Der Vortrag in Rostock konnte nicht an der Universität selbst gehalten werden, sondern
wurde durch Dr. Friedr. Witte, dem Vorsitzenden der Friedensgesellschaft, in einem Saal nahe
der Universität anberaumt. Einige Professoren und Studenten waren anwesend. Professor Arnold
Pöbel, ein großer Gelehrter für Assyrisch und Arabisch, welcher in der folgenden Woche
Rostock verlassen wollte, um in Chicago während des Sommersemesters zu lehren, sagte,
daß er beabsichtige, den Bahá’i-Tempel in Wilmette, einer Vorstadt von Chicago, zu
besichtigen. Ein anderer Rostocker Universitätsprofessor hielt während des Sommers Vorlesungen
in Maine, unweit Green Acres, der Bahá’i-Sommerkolonie. Dr. Witte verschenkte an jenem Abend
nahzu 50 der wichtigsten deutschen Bahá’i-Bücher. Er und Frau Witte luden zu einem Abend
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Professoren, Quäker, Rabbiner und andere Friedensfreunde ein.
Die Greifswalder Universität ist eine der kleinen reizvollen Universitäten des Nordens. Am Morgen vor dem Vortrage machten wir einen langen Spaziergang an dem hübschen Kanal entlang bis an die Küste der majestätischen Ostsee, wo die Studenten Wassersport treiben. Ich dinierte mit dem jungen Professor der semitischen Sprachen, Professor Erich Bauerlich, und nahm den Tee mit dem Professor für Englisch, Siljegren, einem Schweden, der früher an der Universität Lund lehrte. Professor Bauerlich führte mich an jenem Abend ein, erzählte ausführlich über die Zustände in Persien vor dem Erscheinen des Báb, als die Seher den zwölften Imam, einen Propheten, erwarteten und sich der Báb gleich einem Meteor am geistigen Himmel erhob. Nach der Vorlesung kamen die Professoren für Arabisch, Jura und für die englische, deutsche und russische Sprache sowie deren Freunde in das Hotel zu einer längeren Unterhaltung.
Die Universität Gießen ist eine jener kleinen hübschen Universitäten in Hessen. Nur die Feder eines Lowell könnte die Lieblichkeit jener erinnerungsreichen Junitage beschreiben. Die Vorlesung wurde daselbst in einer Kunsthalle der Universität abgehalten und erregte großes Interesse. Sie war von Professor Fischer (Englisch) veranstaltet, welcher auch an der Universität Pennsylvanien studiert hat.
An der Marburger Universität hielt ich keinen öffentlichen Vortrag, obgleich ich einige Professoren besuchte. Mr. Montfort Mills, ein internationaler Bahá’i, der in New York und Paris lebt, und zum Vorsitzenden des Programm-Komitees des Welt-Religions-Kongresses für 1930 vorgesehen ist, will Marburg besuchen. Er und Professor Otto (vergleichende Religionsgeschichte) sind in demselben Komitee und eine Zusammenkunft wird in Marburg stattfinden. Mehrere deutsche Universitätsprofessoren hoffen Mr. Mills zu sehen, wenn er den Westen Deutschlands besuchen wird.
Dies sind zwar nicht alle, doch die größte Mehrzahl der Universitäten in Deutschland. Auch schließt dieser gedrängte Bericht nicht die Zeitungsartikel und Besuche mit ein, welche ich späterhin machte. Von nun an werden sicherlich Nachrichten über die Bahá’i-Lehre, neue Bücher über die Bewegung, neue Übersetzungen in allen Sprachen diesen deutschen Universitäten zugesandt werden. Ein junger, persischer Bahá’i in New York City, welcher nur gerade sein eigenes Leben fristen kann, las eine kurze Mitteilung in einer Zeitung über diese Vorlesungen in Deutschland. Er hatte niemals die Rednerin gesehen, niemals einen deutschen Professor getroffen, ist niemals in Deutschland gewesen, aber er sandte 10 Dollar an die offizielle Bahá’i-Arbeitsgemeinschaft in seiner Stadt und bat, daß einige Bahá’i-Bücher an die deutschen Universitätsbibliotheken geschickt werden möchten. Einige Bahá'i-Freundinnen lasen es und sagten: „Wir wollen die Bahá’i-Zeitschrift ‚Star of the West‘ an jede Universität schicken.“ Bahá’i im Orient werden einige neue Bücher schicken. Leute, welche wirklich diese große Nation verstehen, werden nicht irre gehen, wenn sie glauben, daß an deutschen Universitäten, wohin das Saatkorn fiel, ein Eichbaum wächst.
Allah il Allah[Bearbeiten]
Von Herbert von Bomsdorff-Bergen.
Wer den Islam kennt, weiß, daß dieser, wie der Buddhismus, ein weitherziges Glaubensbekenntnis ist, trotzdem es von Fanatikern mit Feuer und Schwert verbreitet, den orientalischen Völkern aufgezwungen wurde. Die Kulturgeschichte ist reich an Widersprüchen. — Überall drängen sich die Fragen auf: Wer versteht den Sinn der Religion? Wer bemüht sich, den Zweck der Verschiedenheit der Glaubensbekenntnisse zu ergründen? Führt zu dem Ewigen, dem Allumschließenden nur ein Weg? — Achtet man die einfachste Wahrheit so wenig, daß nicht alle Menschen auf gleicher, geistiger Entwicklungsstufe stehen und jede Stufe einen Sonderweg zu dem großen, gemeinsamen Ziel darstellt?
Der gottverbunden Denkenden gibt es wenige! Sehr wenige! Der Moslim achtet die heiligen Bücher aller Völker: Die Bibel, die Weden, die Upanischaden, die Bayarad Gita, die Thora, weil er sie als göttliche Offenbarungen erkennt, ebenso hoch als den Koran, der bestimmt ist, ihm Lehrbuch zu sein. Jede Offenbarung der Wahrheit ist Gottes, Allvaters Wort: Allah il Allah!
Mein Freund, Ibrahim ben Mohamed, ist ein wahrer Philosoph, weil sein Wissen dem Urquell alles Wissens entstammt. Er ist ein Menschen- und Lebenskenner, da er sich dessen bewußt ist, was es bedeutet: ein Mensch zu sein. Er ehrt die Wahrheit dadurch, daß er sie zur Richtschnur seines Denkens, seines Handelns gemacht hat.
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Und weil er ein ganz einfacher Mensch ist, der nichts anderes will, wie seine Kulturbestimmung
zu erfüllen, so ist er ein ganz seltener Mensch. Ein Sonderling!
Ibrahim ben Mohamed kennt die Religionen aller Völker, auch das Christentum. Spricht er von Christus, so fügt er stets hinzu: Gott segne ihn! Das tun alle gebildeten Muhammedaner. Nicht aus Gewohnheit; aus Überzeugung, die dem die Ehre gibt, dem Ehre gebührt.
Der Orientale ist nicht nur höflicher wie der Europäer, er ist zum großen Teil auch gläubiger. Er schämt sich seines Glaubens nicht. Dadurch unterscheidet er sich wesentlich und vorteilhaft vom Abendländer, der sich so viel auf seine wissenschaftliche Bildung, die meist nichts von Herzens- und Gemütsbildung wissen will, zu gute tut. Fromm erscheinende Europäer sind meist Heuchler, Namenchristen.
Ibrahim ben Mohamed hält das Christentum für die geistigste Religion, weil es eigentlich keine Religion im Sinne von Glaubensbekenntnis ist. Es stellt den Tempel dar, der das höchste göttliche Geheimnis in sich birgt und allen offenbart, deren geistige Augen reif sind zum Schauen. Es ist der Tempel, zu dem die vielen Sonderreligionen pilgern werden, um die Taufe des Geistes zu erhalten, um die Gotteskindschaft zu erleben, wie Jesus Seine Lehre lebte und ihr dadurch das ewige Leben gab. Jede Wahrheit ist ein göttlicher Gedanke, weil der Gedanke an sich ein unlösbarer Teil vom Wesen seines Schöpfers ist, Ihm gleicht.
Das Leben aller reinen und der Wahrheit dienenden Menschen muß daher als eine Botschaft, als ein Wirken Gottes angesehen werden, ganz gleich, welchem Volke, welcher Glaubensgemeinschaft diese Reinen angehören.
Ibrahim ben Mohamed behauptet, es bedürfe keines historischen Beweises, daß Jesus gelebt hat. Seine von Ihm gelebte Lehre trage den unwiderlegbaren geistigen Beweis in sich, daß Gott uns die unermeßliche Gnade Seiner Offenbarung schenkte. Daß dieser höchste aller Gotteswege von dem enghorizontigen, menschlichen Verstand nicht begriffen wird, ist auch dem einfachsten Gemüte einleuchtend.
Der göttlichen Natur Jesu Christi entsprechend erfaßte Er alles rein geistig. Dem Materiellen stand Er fern, weil die Materie nicht geistigen Wesens ist. Trotzdem wußte Jesus die auf das Materielle eingestellte Sprache, die nichts von himmlischen Dingen in sich birgt, prachtvoll zu meistern, sie wunderbar bildhaft zu gestalten, sie zu vergeistigen. Das Wort, das Gott war, wurde Fleisch. Wir sahen es, vermochten aber nicht, es zu erleben. Alles, was wir Fortschritt, Zivilisation, Kultur nennen, kann uns niemals zu diesem Erleben führen, weil es uns die Sinne trübt, nicht reinigt. Reinheit ist die erste Bedingung zum Erleben der Wahrheit. Wer Wahrheit sucht, muß wahr sein, sonst findet er sie nie. Das Antlitz der Erde würde entschieden vornehmere Züge tragen, wenn es mehr Täter des Wortes und nicht so viel verständnislose, gemütlose Hörer gäbe!
„Die Christen bilden, wie wir Muhammedaner, einen Teil der Menschheit und diese hat sich von Gott unendlich weit entfernt, sie ist vielfach sogar gottesfeindlich in ihrem Denken und Handeln, wenn sich auch die Kirchen und Religionsgemeinschaften einer ziemlich großen Anzahl von Bekennern rühmen. Der Schein trügt. Die vielen Heuchler und Frömmler liefern den Beweis, bis wie weit die allesvergiftende Lüge den Geist verunreinigt hat. Arme Toren, die sich selbst betrügen! Satansdiener, die diesen Betrug noch begünstigen“, erklärte mir Ibrahim ben Mohamed auf meine Klage über den Tiefstand des Christentums in Europa.
Er fuhr fort: „Trotz der gewaltigen Stürme der letzten Zeiten schläft der Orient noch immer, wie von einem Narkotikum betäubt. Die Kultur des Abendlandes aber liegt im Sterben, mit ihr das herrliche, heroische Germanentum, der edelste Zweig der arischen Rasse, die der Welt das Licht brachte. Es stirbt — um neu zu werden.
Die göttliche Seele Jesu Christi schaute bis zu den fernsten Tagen dieser Erde. Die Grundgedanken
Seiner Lehre wirken in den Gleichnissen. Sie sind zeitlos und für alle Zeiten geltend. Ein
Spiegel für unsere Zeit könnte das Gleichnis vom barmherzigen Samariter im Evangelium
Lukas, Kapitel 10, sein. Obschon es in unseren Tagen sehr wenig Barmherzigkeit gibt, so
gleichen doch alle, die guten Willens sind, jenem Bedauernswerten, der auf dem Wege von Jericho
nach Hierosolyma unter die Räuber geriet, die ihn selbst der Kleider beraubten und den Wehrlosen
fast totschlugen. Der erste, der den Verwundeten sieht, ist ein Priester, ein Diener dessen, der
die Liebe gebot. Der Priester behauptet Gottes Diener zu sein! — Er beweist aber, daß
er es nicht ist, denn er geht an dem Gequälten vorüber. Aus Hartherzigkeit? — O, das würde
der fromme Herr ganz energisch bestreiten! Er hat es auch gar nicht nötig, der Wahrheit die
Ehre zu geben. Die billigsten Ausreden sind in großer Anzahl zu seiner Verfügung. Vielleicht
hat er notwendige Amtshandlung vorzunehmen; Gelder für den Tempel zu erheben, einem Gelage
beizuwohnen, einem Hochzeitsschmaus. Vielleicht wurde er gerufen, einem reichen Sünder die
letzten Lebensstunden zu erleichtern.
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Durch himmlischen Trost natürlich. Er wird es aber nicht versäumen, ihm die Verzeihung des
Himmels unter der Bedingung zuzusichern, daß der reiche Lüstling die Tempelkasse in seinem
Testament bedenkt. Vielleicht ist der Priester gar hellsehend in diesem Augenblick und erkennt,
daß der Blutende dort von Gott gestraft ist! Wie könnte er sich erlauben, einen zu berühren,
den Gott geschlagen hat! Am Ende ist es gar ein Selbstmörder! Mit diesem hat der
Tempel nichts mehr zu tun! Erleichtert atmet der Priester auf und geht eiligst davon und
beweist damit, daß es ihm nur um Amt und Priesterkleid zu tun war, daß er nie daran gedacht
hat, dem Gott der Liebe in Demut zu dienen! Er ist nicht der einzige, der den Tempel
verunreinigt. Er hat gar viele Artgenossen.
Kaum hat sich der Priester entfernt, so kommt ein anderer Gottesgelehrter, ein Levit. Der wird sicher dem Armen behilflich sein, denn er liest täglich die heiligen Bücher. Er muß unbedingt wissen, was Gott von den Menschen, in erster Linie von jenen, die sich Seine Diener nennen, verlangt. — Ja, wenn die göttlichen Gebote das Herz und das Gewissen des Leviten berührt hätten, würde er Barmherzigkeit üben, aber der fromme Herr ist — Verstandesmensch! — Es sieht's ja niemand! So kann er unbeschadet vorübergehen. Außerdem — Leviten sind keine Krankenpfleger! Mit so unästhetischen Dingen haben sie nichts zu tun. Sie sind Gelehrte. Ihre feinen Ohren sind an fromme Litaneien gewöhnt, an pathetische Reden, an sanftes Harfenspiel. Die Schmerzensschreie eines Hilfsbedürftigen verursachen eine unangenehme Gemütsstimmung. — Er entsinnt sich, in der Thora ist eine Stelle, die rechtfertigt ihn ganz bestimmt. Sich vorsichtig umsehend, geht er schnell von dannen. Du irrst dich, Levit! Die Thora macht dich zum Toren! Der tote Buchstabe wird dir nicht beistehen, wenn du Rechenschaft ablegen mußt. Dein Selbstbetrug wird dich teuer zu stehen kommen! — Gott ist die Liebe. Du hast ihn verhöhnt durch eine lieblose Tat.
Der Überfallene glaubt sein Ende sei gekommen. Seine fast erloschenen Augen wenden sich angsterfüllt zur Sonne, die glühende Strahlen zur Erde sendet. — Ein Samariter naht. Ein Mensch, der von allen Streng- und Rechtgläubigen als Heide, als Ketzer, als Gottloser verachtet wird. Dieser sieht den Gequälten, springt schnell von seinem Esel herab. Er fragt nicht: Welchem Volk gehörst du an? — Was glaubst du? — Sein Herz und sein Gewissen sagen ihm: hier mußt du helfen, wer der Mensch auch sei, der Hilfe braucht. Mit dünkelhafter Frömmigkeit hat der Samariter nichts gemein, auch nichts mit Haß. Der Hilfsbedürftige belehrt ihn, daß es nur eine wahre Religion gibt, die werktätige Liebe. Sofort weiß er, was er zu tun hat: Die Wunden sorgfältig verbinden, den Kranken in Pflege geben, ihm einige freundliche Worte, die von Herzen kommen, zum Abschied sagen, nachdem der Leidende in sicherer Hut ist. Jesus schließt Sein Gleichnis mit den Worten: So gehe hin und handle ebenso!
Wer tut es? — Wenn’s die Leute sehen, vielleicht hie und da einer! Mit einem Stolz ohnegleichen nennen sich so viele: Christen. Sie behaupten sogar, den einzigen Weg zu wissen und zu gehen, der nach einem an sich unbedeutenden Erdenleben gleich zur ewigen Seligkeit führen soll! Sie finden auch Urteilslose, die ihnen das ohne weiteres glauben, die sich von jenem Stolz blenden lassen. Es gibt nur einen Stolz, der die Demut nicht zur Phrase macht, das ist der tief im Herzen und im Gewissen wurzelnde Grundsatz: Zu stolz zu sein, ein Unrecht zu begehen!
Das schwerste Unrecht eines Christen ist die Lieblosigkeit. Durch dieses Verbrechen wird euer Heiland, der auch der Sohn Allahs war, heute noch nach Golgatha geschleift. Solange ihr euch nicht durch die Tat zu Arimathia bekennt, habt ihr kein Recht, euch Christen zu nennen! Ihr gleicht dem verlorenen Sohn und euer größtes Unglück besteht darin, daß ihr es nicht erkennt, daß ihr wähnt, nahe dem Vaterhause zu sein. Dabei betreut ihr immer noch jene unreinen Tiere und eßt die Treber, die für sie allein bestimmt sind! — Wir Muhammedaner sind keineswegs besser als ihr. Auch bei uns herrschen Lieblosigkeit und Streit um die Bedeutung des Wortes im Koran.
Die meisten von uns sind noch fern der einzig wahren Religion der Menschlichkeit, deren
Fundament die selbstlose Liebe ist, auf dem die goldenen Säulen, Barmherzigkeit, Frieden und
Güte, stehen. Du wirst sagen, diese einzig wahre Religion ist eben das Christentum! Ich stimme
dir zu und betone: das wahre Christentum! Nichts wäre also selbstverständlicher, wie wenn
ich Christ würde? — Ich könnte dich fragen: Bist du Christ? Du würdest lächeln: müßige Frage!
Sie ist aber ernster als du glaubst. Sie fordert eine weitere: Glaubst du zweifelsfrei an
Christum? Du wirst sagen: Ja. Ich frage nun: Bist du überzeugt, daß Christus stets die reine
Wahrheit sprach, auch damit: Wer an mich glaubt, der wird die Werke auch tun, die ich tue?
Du antwortest: Ja! Ich aber frage dich: Mein Freund, wo sind die Werke? — Du wirst verlegen!
Ein jeder Ehrliche, der sich Christ nennt,
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wird auf diese Frage schweigen müssen oder antworten: Wir sind erst Werdende! Freilich
sagt Jesus: Ihr sollt vollkommen sein (nicht erst werden!) wie euer Vater im Himmel vollkommen
ist! — Doch wir stehen geistig und sittlich so tief, daß uns dieses Ideal unerreichbar
erscheint! Für mich ist es an sich belanglos, in welchem Glauben ich erzogen wurde! Ich weiß,
daß mir die Religion meiner Väter viel gegeben hat, daß sie in mir den Sinn für Höheres weckte.
Es wäre also widersinnig, weil undankbar, ihr den Rücken zu kehren, wenn auch der flügge
gewordene Vogel einmal das Nest doch verlassen muß!
Ich bin bemüht, ein Mensch zu sein, der jeder Erscheinungsform der Wahrheit vorurteilslos gegenübersteht, der dankbar annimmt, was ihm an Geistesgütern Wertvolles geboten wird. Der Kluge nimmt aber nur so viel auf, als er in die Tat umsetzen kann!
Auf diesem Wege werden mir Erkenntnisse. So gelange ich, nach und nach, zur Vollkommenheit, zu dem, das in diesem Sein vollkommen genannt wird.
Alle, die sich auf dem beschwerlichen Wege zur Höhe je befanden, waren einsame Wanderer. Der Weg ist schmal und nie gefahrlos. Je höher er führt, je steiler wird er. Und einmal kommt die Nacht gänzlicher Verlassenheit. In Seinen schwersten Menschheitsstunden stand der Gottessohn ganz allein, inmitten furchtbarster Einsamkeit.
Treu bis zum Tode waren Ihm nur drei Menschen: Seine Mutter, die edelste, die königlichste Frau, die je gelebt, Maria Magdalena, die Er aus der Finsternis zum Licht geführt, und Johannes, der einzige, dem Er Sein göttliches Geheimnis offenbarte.
Ich liebe Jesum, weil Er ein Mensch in des Wortes vornehmster Bedeutung war. In Seinem reinen, königlichen Menschentum ist Seine Gottheit allein begründet. Der vollkommene Mensch ist Gottes Ebenbild, ist eins mit dem Vater, mit Allvater, Gott, Allah, Bramah.
Ein äußerliches Bekenntnis zum Christentum müßte mich, notwendigerweise, zu einem der christlichen Sonderbekenntnisse führen, denn sage ich, ich sei Christ, so fragt man mich: welcher Kirche, welchem Glauben gehören Sie an? Christ sein genügt ihnen nicht, die von sich sagen: sie sind Christen! Und vielleicht würde mich der Begriff Konfession meinem Ideal entfremden, er bedeutet Sonderheit, nicht Einheit. Sonderheit ist Täuschung, wie die Vielheit. Es gibt nur eine Wahrheit, einen Gott! Unter wahrhaften Christen kann es keinen Streit über die Wahrheit geben. Wer die Wahrheit zum Streitobjekt macht, kennt sie ganz bestimmt nicht.
Streit bringt die Menschen in Knechtschaft. Die Wahrheit aber macht, nach Christi eigenen Worten, die Menschen frei, denn sie allein erlöst uns von den Mächten der Tiefe.
Der unendliche Schöpfergeist läßt sich nicht in starre Dogmen zwingen und Christi Lehre ist nur lebendig durch die Tat im Sinne Christi! Sie offenbart sich in allem wahrhaft Guten, das wir tun, ganz gleich, ob wir es als Christen oder als Muhammedaner vollbringen. Gutes tun wir nur als Kinder Gottes! Allah il Allah!“
„Du hast wahr gesprochen, Ibrahim“, entgegnete ich, „jeder gute Weg ist ein Weg zu Gott. Jede Religion ist gut, vorausgesetzt, daß der Mensch gut ist, der sich zu ihr bekennt. Das wollen aber gerade die Rechtgläubigen, wie sie sich mit besonderem Stolz nennen, nicht zugeben. Sie behaupten, ihr Weg sei der allein richtige, ihr Glaube der allein wahre, sie nennen die anderen Ketzer, Ungläubige, Heiden. Sie bedenken nicht, daß sie damit am schwersten gegen Gottes Gebote, gegen Christi Lehre verstoßen. Sie wissen nicht, daß die Seelen auf den verschiedensten Wegen zur Erde kamen, deshalb auch den Rückweg so nehmen müssen, wie es ihrer Eigenart entspricht. — Jene Hochmütigen sind noch stolz auf ihre Engherzigkeit und Unwissenheit. Jesus kennzeichnete die, die auf dem rechten Wege sich befinden, so klar, daß sie nicht zu verkennen sind: Liebet einander, wie ich euch geliebet habe, daran allein will ich erkennen, daß ihr meine wahren Jünger seid!“
Ibrahim ben Mohamed erhob sich, verbeugte sich tief und sprach feierlich: „Gott segne Ihn! Er sei bedankt für das große Licht, das Er der Menschheit brachte!“
Wie ein Lagerfeuer![Bearbeiten]
Von G. I. Bertelink, Enschede (Holland)
Ein Lagerfeuer hat für mich große Bedeutung! — Es weckt Gedanken von Ruhe und Frieden,
es bringt eine Stimmung von Bruderschaft und Einheit! — Es legt Bande, die nicht leicht wieder
zerbrochen werden können: das Lagerfeuer, das jetzt hoch aufflackert, dann wieder zusammensinkt
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Bahji mit dem Grabgebäude Bahá’u’lláhs zwischen den Pynien.
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zu einigen kleinen Zungen. — Aber nachher doch wieder zur großen leuchtenden Flamme
wird, sobald sich jemand bemüht, es flink wieder anzufachen! —
Ein Lagerfeuer, so mitten im Wald, erhellt einen großen Kreis, und wirft bald hier bald dort lichte Flecken zwischen den Bäumen hindurch! Aufwärts Funken schießend, Funken, die ihren Nutzen hatten, die ihren Dienst getan haben — und leuchtend abziehen, gen Himmel.
Ein Lagerfeuer ist ein Zentrum, ein Mittelpunkt, worum wir uns sammeln, wir halten es im Auge, wenn wir in der Nacht wandern. Bei so einer nächtlichen Wanderung gehen mit einemmal die Augen auf für die Schönheit des Feuers, für den allesbeherrschenden Mittelpunkt! — Dunkelheit ringsumher — nicht allezeit können wir das Feuer sehen. Da fühlen wir denn den Druck der Nacht, die kühle Beklommenheit des nächtlichen Nebels! — Aber dann dringen wir durch die schwarzen Bäume, die wie große Pfähle uns noch von dem Feuer scheiden — und überwinden alle Hindernisse und dringen durch zu unserem Endziel, zu dem winkenden, uns so gern erwärmenden Feuer. Und wie glücklich sind wir nun an diesem Feuer, das die Umgegend erleuchtet und Menschen aus weiter Ferne zu sich zieht. So ist der Geist Christi Jesu, so ist nun der Geist Bahá’u’lláhs — so ist Gottes Liebe. Für uns Menschen bald hoch aufgestiegen, bald wieder herniedergesunken durch Umstände aller Art. — Aber jeder; der einmal sich gewärmt hat an diesem Lagerfeuer der Liebe, seine Umgebung gesehen hat durch des Feuers Licht, der findet immer wieder zurück, durch den dunkelsten Wald, von den schlimmsten Irrwegen kommt er zurück. Wie freut er sich dann, das Feuer zu sehen. Zwar mitten in einem dunklen Wald, umgeben von Un- und Aberglaube! Da ist es gut, Wandergefährten zu haben, die mithelfen, das Feuer lebendig zu halten, die sorgen, daß keiner ein erlöschtes Feuer findet. Nein, die durch ihre Einheit in Glauben und Liebe ein so großes Feuer emporlodern lassen, daß noch viele, viele Menschen, die bis dahin im dunklen Busch umhergeirrt waren, den guten Weg finden. Wie schön ist es, ein Wanderer zu sein! Wie schön ist es, Wandergesellen zu haben! Die, wenn einer auch einmal verirrt, sich bemühen werden, Holz zu suchen und ihr Licht umherscheinen zu lassen.
So ist das Leben schön zu leben!
(Deutsch von Käthe Braun.)
Leg‘ Deine Hand...[Bearbeiten]
Leg’ Deine Hand auf meine Augen,
Damit sie sehend werden
Und nicht nach niedern Gütern suchen
Und nach den Kronen dieser Erden.
Leg’ Deine Hand auf meine Lippen,
Damit sie sprechen lernen
Und sich im süßen Wohllaut Deines Worts
Von dieser Welten Rausch entfernen.
Leg’ Deine Hand auf meine Hände,
Damit sie Taten finden
Und in der Liebe reinem Reich
Der Welten Lockung überwinden.
E. M. Gr.
Demut[Bearbeiten]
Von der Geistigen Arbeitsgemeinschaft in Schwerin (Mecklenburg).
Demut erhöht, Stolz erniedrigt
In den Sprüchen (29, 23) heißt es:
„Die Hoffart des Menschen wird ihn stürzen; aber der Demütige wird Ehre empfahen.“
Bahá’u’lláh sagt:
„Wahrlich, durch Demut wird der Mensch zu dem Himmel des Ruhmes und der Macht emporgehoben, durch Stolz dagegen wird er zu der niedrigsten Stufe herabgewürdigt.“
Das Zeichen des Fortschrittes
Im Evangelium Lukas, Kapitel 18, gibt Christus das Gleichnis vom Pharisäer und
Zöllner. Beide waren in den Tempel gegangen, um zu beten. Der Pharisäer betete: „Ich
danke Dir, Gott, daß ich nicht bin wie die
[Seite 90]
anderen Leute ... .“ Der Zöllner schlug an seine Brust und sprach: „Gott sei mir Sünder
gnädig!“ Christus schließt dieses Gleichnis mit den Worten: „... Denn wer sich
selbst erhöhet, der wird erniedrigt werden, und wer sich selbst erniedrigt, der wird
erhöhet werden.“
‘Abdu’l-Bahá lehrt:
». . . Mit sich selbst unzufrieden zu sein, ist ein Zeichen des Fortschrittes. Die Seele, die mit sich selbst zufrieden ist, ist die Offenbarung des Satans, und wer mit sich selbst unzufrieden ist, ist die Offenbarung des Barmherzigen. Wenn jemand tausend gute Eigenschaften hat, so darf er nicht auf diese blicken, nein, er soll vielmehr danach streben, seine eigenen Mängel und Unvollkommenheiten herauszufinden. Wie sehr ein Mensch auch Fortschritte machen wird, er ist dennoch unvollkommen, weil es immer noch eine Stufe über ihm gibt. Zu dieser Stufe blickt er aber nicht eher empor und trachtet nicht eher danach, sie zu erlangen, als bis er mit seinem eigenen Zustand unzufrieden ist..."
Dienen ist eine Größe
Nach dem Evangelium Johannis, Kapitel 13, war Christus mit Seinen Jüngern zum Abendmahl zusammen gewesen. Nach dem Abendmahl stand Er auf, goß Wasser in ein Becken, wusch Seinen Jüngern die Füße und trocknete sie mit dem Schurze, den Er umgetan hatte. Er schließt Seine Handlung mit den Worten: „ . . . Ein Beispiel habe ich euch gegeben, daß ihr tut, wie ich euch getan habe . . . "
Weiter spricht Er:
» . . . Der Größte unter euch soll euer Diener sein. . . .“ (Ev. Matth. 23, 11.)
Und:
" . . . Wahrlich, ich sage euch, was ihr nicht getan habt einem unter diesen Geringsten, das habt ihr mir auch nicht getan . . . “ (Ev. Matth. 25, 45.) \
Bahá’u’lláh gebietet:
„ . . . Jeder Bahá’i aber muß den anderen im Dienen und Erweisen von Liebe zu übertreffen suchen. Dies ist allen zur Pflicht gemacht. Gesegnet sind diejenigen, die sie erfüllen.“
‘Abdu’l-Bahá lehrt:
„Laßt euer Leben ein Ausfluß des Reiches Christi sein. Er kam nicht, um Sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen... In der Religion Bahá’u’lláhs sind alle Diener und Dienerinnen, Brüder und Schwestern. Sobald man sich für ein wenig besser, für ein wenig höher hält als die übrigen, befindet man sich in einer gefährlichen Lage, und solange man die Samenkörner solch übler Gedanken nicht wegwirft, ist man kein taugliches Werkzeug für den Dienst im Königreich Gottes... ."
Weiter gebietet Er:
"... Demütig zu sein. Den anderen zu dienen und uns stets geringer zu achten als irgendeinen unserer Mitmenschen .. ."
Und weiter:
" . . . Strenge dich auf jede mögliche Weise an, etwas Gutes zu tun, jemandem einen Dienst zu erweisen. Tue dies täglich, einerlei, wie klein oder unbedeutend die Tat der Güte sei. Sogar ein Lächeln gilt für viel...“
". . . Die Pflicht der Gläubigen Gottes ist, Diener ihrer Nebenmenschen zu sein und die Würde eines jeden zu beachten. Ich bin der Diener der Freunde Gottes . . .“
Das Fest der „Neunzehn Tage“
In welchem Geiste die Freunde der Bahá’i-Lehre bei dem Feste der „Neunzehn Tage“ versammelt sein sollen, geht aus den folgenden Worten ‘Abdu’l-Bahás hervor:
»... Jeder von euch muß darüber nachdenken, wie er die anderen Mitglieder der Versammlung glücklich machen und erfreuen kann. Jeder muß alle Anwesenden als besser und größer denn sich selbst ansehen, und jeder muß sich selbst als den Geringsten betrachten. Denket: Seine (Des Nächsten) Stufe ist hoch, und meine Stufe ist niedrig. Wenn ihr in Übereinstimmung mit diesem Gebot lebt und handelt, dann bietet euch dieses Fest himmlische Speise. Dieses Abendmahl ist das Abendmahl des Herrn, und ich bin der Diener einer solchen Versammlung.“
Der Größte im Himmelreich
Nach dem Evangelium Matthäus, Kapitel 18, traten die Jünger Jesu an ihren Meister heran und sprachen: „Wer ist doch der Größte im Himmelreich?“ Jesus rief ein Kind zu sich, stellte es in ihre Mitte und sprach: „Wahrlich, ich sage euch: Es sei denn, daß ihr euch umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Wer nun sich selbst niedriget wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich.“
Zu diesem Kindersinn will ‘Abdu’l-Bahá Seine Freunde führen, wenn Er sie in dem „Gebet der Demut“ beten lehrt:
„O Du unvergleichlicher Herr! Sei diesem hilflosen Kinde ein Beschützer. Sei gütig und vergib diesem schwachen und hilflosen Kinde . . . “
Die Demut des Bahá’i-Lehrers
Bahá’u’lláh sagt:
». . Gesegnet ist der Wissende, der mit seiner Kenntnis nicht prahlt und die unter ihm Stehenden nicht verachtet . . .“
'Abdu'l-Bahá lehrt:
„Diejenigen, die in Wirklichkeit Autorität besitzen, sind durch ihre Demut und Selbstaufopferung bekannt; sie zeigen den Freunden gegenüber keine überlegene Haltung . . .“
Und weiter:
» . . . Der Bahá’i-Lehrer soll sich nicht selbst für weise und andere für unwissend halten. Solche Gedanken werden zur Ursache des Stolzes, und der Stolz ist wiederum der Grund, warum er keinen Einfluß auf seine Zuhörer hat. Der Bahá’i-Lehrer soll für sich selbst keinen Vorrang beanspruchen. Er soll mit den anderen in größter Freundlichkeit, Demut und Bescheidenheit verkehren. Diese Art der Rede hat Wirkung; sie wird zur Ursache der Erziehung für die Seelen der anderen. . ."
». . . Wo keine Demut ist, da ist kein Erfolg. Wo Eitelkeit ist, da ist Mißerfolg . . .“
». . . Sollte jemand bei einer Auseinandersetzung im Recht sein, wobei ihn aber seine Minderheit an der Durchführung seiner Sache hindert, und er läßt sich herbei, seinen Standpunkt in demütiger Weise um der Einigkeit und des Friedens willen zu opfern, anstatt auf demselben zu beharren, so wird Gott dieses Opfer annehmen, und binnen kurzem wird diese seine rechtmäßige Sache mit Hilfe Gottes ohne weitere Auseinandersetzungen durchgeführt werden, während ohne Opfer und Unterwürfigkeit großer Schaden angerichtet werden kann. Die Freunde müssen darauf bedacht sein, sich selbst jederzeit in den Schatten zu stellen. Den Beifall der Menschen zu suchen verursacht oftmals, daß wir den Beifall Gottes gefährden . . ."
Was ist Eitelkeit?
„Eitelkeit ist eine Form der Eigenliebe, ein übergroßer Wunsch, die eigene Persönlichkeit in den Vordergrund zu stellen, für das eigene Äußere oder unser Tun den Beifall Fremder zu erlangen. Es ist dies eine Einbildung über sich selbst oder eine Autosuggestion. Eitelkeit ist eine satanische Eigenschaft. Ein verständiger Mensch ist niemals weder eitel noch brüstet er sich im Gedanken an eine persönliche Überlegenheit anderen gegenüber. Nein, er ist vielmehr bescheiden und demütig, und dadurch, daß er sich selbst für geringer als andere einschätzt, fördert er unwissentlich seine eigene Geistesstufe.“
('Abdu'l-Bahá.)
Loslösung von der Eigenliebe
In einem Tablet (Sendschreiben) nach Amerika schrieb 'Abdu'l-Bahá:
„Du betest demütig um etliche Dinge, die wohl wert sind, erlangt zu werden. Du bittest
um Sündenvergebung, um Einigkeit und Frieden; du suchst, in die Nähe Gottes zu
gelangen; du erhoffst Befreiung von deiner Selbstsucht und Ablegung deines Eigenwillens,
um den Willen Gottes tun zu können; du hoffst auf fortschreitende Erkenntnis; du
wünschest Gott zu dienen; du bittest, daß deine Familie in dem Feuer der Liebe Gottes
erglühe, und Er das Licht der göttlichen Erkenntnis über sie ausgieße. Alles dies ist
wert, erbeten zu werden, ganz besonders die
[Seite 92]
Erlösung von der Eigenliebe. Diese ist eine schlechte Eigenschaft und der Anlaß zur
Erniedrigung vieler wertvoller Seelen in der Welt. Wenn der Mensch alle guten Eigenschaften
besitzt, jedoch selbstsüchtig ist, so treten alle anderen Tugenden nicht mehr in
Erscheinung.“
In London sagte ‘Abdu’l-Bahá einmal:
„Das reine Herz ist von Selbstsucht vollkommen losgelöst. Selbstlos sein heißt rein sein.“
Weiter sagt Er:
". . . Wenn sich jemand selbst lobt, so ist das ein Zeichen der Selbstsucht . . ."
". . . Wenn die Eigensucht im Meer der göttlichen Liebe untergeht, so haben die dunklen Mächte auf die Seele keinen Einfluß mehr . . ."
". . . Wer von sich selbst eingenommen ist, wandert in der Wüste der Achtlosigkeit und der späteren Reue. Der Hauptschlüssel zur Selbstbemeisterung ist, sein Selbst zu vergessen. Der Weg zur Höhe des Lebens ist der Pfad der Entsagung . . ."
Demütiges Gebet
„O Du Allmächtiger! Ich bin ein Sünder, Du bist der Verzeihende! Ich bin voll Mängel, doch Du bist der Mitleidige! Ich wandle in der Finsternis des Irrtums, doch Du bist das Licht der Vergebung.
Darum, o Du allgütiger Gott, vergib mir meine Sünden, verleihe mir Deine Gaben, übersieh meine Fehler, versorge mich mit einem Obdach, tauche mich ein in den Quell Deiner Geduld und heile mich von aller Krankheit und allem Siechtum.
Reinige und heilige mich. Gib mir Teil an der Ausstrahlung der Heiligkeit, damit mein Kummer und meine Traurigkeit schwinden und Freude und Glückseligkeit über mich kommen, damit Kleinmut und Hoffnungslosigkeit sich in Freudigkeit und Vertrauen wandele und Mut an Stelle der Furcht trete.
Wahrlich, Du bist der Vergebende, der Mitleidige, und Du bist der Großmütige, der Geliebte!“ (‘Abdu’l-Bahá.)
Der neue Tempel[Bearbeiten]
Hoch wölbt sich eines Tempels Bau
ins ungetrübte Himmelsblau:
Der ganzen Menschheit still Gebet
zu einem Vaterherzen geht,
Und jeder sucht das gleiche Ziel,
da ihn der Herr erlösen will.
Kommt, Brüder, reichet euch die Hand . . .
Ein Gott, ein Weg, ein Vaterland!
- M.L.F.
In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung
keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an den Verlag des deutschen Bahá’i-Bundes
G.m.b.H., Stuttgart, Alexanderstr. 3, Nebengebäude, zu richten.
Geschichte und Bedeutung der Bahá’i-Lehre[Bearbeiten]
Die Bahá’i-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.
Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahá’i-Bewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahá’i-Religion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahá’i (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahá’i der Welt.
Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahá’i, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China usw. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.
In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).
Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Iqhan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.
Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.
Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, Seite 66.)
Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart
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In unserem Verlag sind erschienen:
Bücher:
Verborgene Worte von Bahá’u’lláh. Deutsch von A. Schwarz und W. Herrigel, 1924 1.--
Bahá’u’lláh, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1921, in Halbleinen gebunden . . . 2.50
in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.--
'Abdu'l-Bahá Abbas, Ansprachen über die Bahá’i-Lehre. Deutsch von W. Herrigel, 1921, in Halbleinen gebunden . . . . . 3.00
in festem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.50
Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, von Mirza Abul Fazl. Deutsch von W. Herrigel, 1919, in Halbleinen geb. . . . . 4.50
In Ganzleinen gebunden . . . . 5.--
'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1922, in Ganzleinen gebunden . . . . 4.--
Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase, deutsch von W. Herrigel, 1925, kartoniert M. 4.--, in Halbleinen gebunden . . . . 4.60
Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont, deutsch von W. Herrigel und H. Küstner. 1927. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.50
Beantwortete Fragen 'Abdu'l-Bahá Abbas', gesammelt und in englischer Sprache herausgegeben von L. Clifford Barney, deutsche Übersetzung von W. Herrigel, 1929 . . . . . 5.--
Broschüren:
Bahá’i-Perlen, Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1922 . . . . -.20
Ehe Abraham war, war Ich, v. Thornton Chase. Deutsch v. W.Herrigel, 1911 . . . . -.20
Die Universale Weltreligion, Ein Blick in die Bahai-Lehre von A. T. Schwarz, 1919. . . . -.50
Die Offenbarung Bahá’u’lláhs, von J.D. Brittingham. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1910 . . . -.50
Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit, von Dr. jur. H. Dreyfus, Deutsch von Wilhelm Herrigel. 2. Auflage 1920 . . . -.50
Die Bahá’i-Bewegung im allgemeinen und ihre großen Wirkungen in Indien, nach Berichten eines Amerikaners zusammengestellt und mit Vorwort versehen von Wilhelm Herrigel, Stuttgart 1922 . . . . -.50
Eine Botschaft an die Juden, von Abdul Baha Abbas. Deutsch v. W. Herrigel, 1912 . . . -.20
Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás, ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") Deutsch von Alice T. Schwarz, 1922 . . . -.50
Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1923 . . . . —.50
Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahá’i-Lehre von Dr. Hermann Grossmann, Hamburg 1923 . . . . —.20
Religiöse Lichtblicke, Einige Erläuterungen zur Bahá’i-Botschaft, aus dem Französ. übersetzt von Albert Renftle, 2. erweiterte Auflage, 1928 . . . . --.30
Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Großmann-Wandsbek . . . . . --.20
Sonne der Wahrheit, Jahrgang 3 - 8 in Halbleinen gebunden je . . . . 9.--
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