Sonne der Wahrheit/Jahrgang 10/Heft 5/Text

Aus Bahaiworks
Wechseln zu:Navigation, Suche

[Seite 59]

SONNE

DER

WAHRHEIT
 
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI
 
HEFT 5 10. JAHRGANG JULI 1930
 


[Seite 60]

Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i-Prinzipien[Bearbeiten]

1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.

Bahá’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Bahá’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Bahá’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.


2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.

In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.


3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.

Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.


4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.

Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.


5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.

Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.


6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.

Dies ist eine besondere Lehre Bahá’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.


7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.

Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.


8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.

Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.


9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.

Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.


10. Die soziale Frage muss gelöst werden.

Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Bahá’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.


11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.

Bahá’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weltsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.


12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.

Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.

Vor mehr als 50 Jahren befahl Bahá’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.

Bahá’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.

[Seite 61]

SONNE DER WAHRHEIT
Organ der deutschen Bahá’i
Herausgegeben vom Verlag des deutschen Bahá’i-Bundes, Stuttgart
Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3
Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark
Heft 5 Stuttgart, im Juli 1930
Kalimát — Vollkommenheit 87
10. Jahrgang

Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion


Inhalt: Das Heilige Buch der Gewißheit. — Tablet ’Abdu’l- Bahá’s. — Die Bahá’i-Bewegung an deutschen Universitäten. — Was will die Bahá’i-Bewegung?


Worte von 'Abdu’l-Bahá[Bearbeiten]

„Arbeitet, arbeitet mit all euren Kräften; verbreitet die Lehre des Reiches Gottes auf Erden unter euren Mitmenschen. Lehrt die Selbstzufriedenen sich vor Gott zu demütigen, die Sünder sich zu bessern und erwartet freudigen Herzens das Kommen des Reiches Gottes.

Liebet euren Vater im Himmel und seid Ihm gehorsam. Verlaßt euch mit aller Bestimmtheit darauf, daß Seine Hilfe mit euch ist.

Wahrlich, ich sage euch, ihr werdet die Welt besiegen. Habt Glauben, Geduld und Mut. Wir stehen am Anfang einer großen Zeit. Ihr werdet den Erfolg haben, denn Gott ist mit euch!“

Aus Ansprachen in Paris.


[Seite 62]

Das Heilige Buch der Gewißheit[Bearbeiten]

(Fortsetzung)

(Kitab-El-Iqan aus der Feder von Bahá’u’lláh)

Aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt von Dr. A. Mühlschlegel


Die meisten Gelehrten verstanden nicht die Bedeutung der heiligen Verse. Sie wußten darum nicht, was sie unter dem „Tage des Gerichtes“ verstehen sollten, und ohne das geringste Nachdenken gaben sie die Auslegung, die ihre Einbildung ihnen einflüsterte. Gott ist Einer. Er ist Zeuge, daß, wenn sie sich in die in den Versen verborgenen Sinnbilder vertieft hätten, sie alles, was die Menschen sich ersehnen, auch erfaßt hätten. Und sie hätten durch die Güte des Barmherzigen die leuchtende Morgenröte der Bestätigung gefunden. So singt für euch die ewige Taube auf den Zweigen des Baumes Bahás, auf daß ihr in Gottes Willen auf den Pfaden des Wissens und der Weisheit wandelt.

Betrachten wir jetzt die Worte „Er wird Seine Engel senden“. Die „Engel“, das sind Menschen, die durch die geistige Kraft des Feuers der Gottesliebe alles vernichtet haben, was menschlich an ihnen war, und die sich mit den Eigenschaften der Cherubim geschmückt haben, wie ja auch der Imam Sadegg spricht: „Dies sind solche unter uns Schiiten, die sich hinter dem Throne Gottes halten.“

Wie tief sind diese Worte: „... die sich hinter dem Throne Gottes halten.“ Heißt das nicht letzthin: In Wirklichkeit gibt es keine wahren Schiiten?

An anderem Orte sagt der gleiche Imam: „Der Gläubige ist wie roter Schwefel. Habt ihr solchen je gesehen?“

Bewahret diesen Satz im Gedächtnis, der mehr kundtut als es scheinen mag; er beweist, daß es keinen wahrhaften Gläubigen gibt. — Die Menschen wissen die Düfte der Treue nicht zu erkennen und sie halten solche für Ungläubige, deren Reden doch gerade ihren Glauben beweisen. Diese heiligen Männer aber sind von den irdischen Zuständen nicht beeinflußt und erweisen so ihre Geistigkeit und ihre himmlische Art. Ihnen ist der Name „Engel“ gegeben.

Solches ist die Bedeutung dieser Worte, die uns in den heiligen Schriften übermittelt werden. Und da die Nachfolger Christi diese Bedeutung nicht erfaßten und keine Engel erscheinen sahen, wie sie und ihre Priester es erwarteten, so haben sie bis auf diesen Tag nicht an die heiligen Manifestationen geglaubt und sind der höchsten Wohltaten beraubt geblieben und der Wunder der ewigen Worte. So ist noch heutigen Tages der Zustand der Menschenseelen. Sie haben sich dessen nicht besonnen, daß, wenn in jedem Zeitalter die Zeichen einer Manifestation in dieser Welt erscheinen müßten, genau wie es geschrieben steht, es keine Widersacher gäbe. Wie aber dann die Guten von den Bösen scheiden, die Sünder von den Gerechten?

Würden diese Worte, die im Evangelium geschrieben stehen, im Irdischen sich erfüllen und würden die Engel herabkommen mit Jesus, dem Sohne Marias, auf den Wolken des Himmels, wer hätte da die Kraft, Ihn zu verleugnen und sich in Stolz zu verhärten? Alle Menschen wären von solcher Furcht ergriffen, daß sie, weit entfernt davon, leugnen oder annehmen zu wollen, überhaupt keines Wortes mächtig wären.

Doch weil die christlichen Priester dies nicht erfaßt haben, so haben sie Muhammed verleugnet und gesagt: Wenn Du der Verheißene bist, warum bist Du nicht von diesen Engeln begleitet, die, wie unsere Bücher verkünden, uns helfen müssen, Seine Sache weithin zu verbreiten, und eine Warnung seien für die Völker? Wie ja der herrlichste Herr gesagt hat: „... sofern nicht ein Engel herabkomme und predige mit ihm!“ (Koran XXV, 8.)

So schleichen sich in jedem Zeitalter Uneinigkeit und Widerspruch unter die Völker, die ihre Zeit damit zubringen, sich zu streiten und zu sagen: Diese Zeichen sind nicht eingetroffen, ähnliche andere auch nicht, und so fort. Solche Verirrungen kommen vor, weil sie sich auf ihre Priester berufen haben, welche diese einzigartigen Juwele, diese göttlichen Wesen verleugneten. Denn die [Seite 63] Priester ihrerseits, festgefahren auf ihrer niederen Stufe, sahen in jenen Ewigen Sonnen nur Gegner ihres Wissens und ihrer Einsicht und Hindernisse ihrer Bestrebungen. Sie legten die göttlichen Worte, die Worte der Hadith und der Briefe der Einheit in ihrem irdischen Sinne aus. Und sie, wie auch ihre Völker, gerieten unerbittlich immer weiter ab von den Wellen der Güte und Gnade Gottes.

Und dabei hätten sich doch die Priester unter die Fittiche dieser Hadith stellen sollen: „Unser Wort ist schwer und mühsam zu verstehen“, oder „Unsere Sache ist streng und hart, keiner kann sie ertragen, er sei denn ein Engel, ein Gottgesandter oder ein Diener, dessen Herzenstreue Gott erprobt hat.“

Sie wissen doch, daß sie keine dieser drei Bedingungen erfüllt haben. Bei den ersten beiden versteht sich das von selbst, was die dritte betrifft, so sind sie nicht als Sieger aus den Versuchungen Gottes hervorgegangen und der göttliche Prüfstein hat nur Enttäuschungen an ihnen erwiesen.

Gott, der Allmächtige! Wie können die Priester, die in der Lehre immer zu Zweifel und Einbildungen sich verleiten lassen, während sie doch die Wahrheit dieser Worte anerkennen, wie können sie behaupten, die schwierigen Grundlehren der göttlichen Fragen zu kennen und (die geheimnisvollen Edelsteine der heiligen Worte, wie können sie sagen: „Dieses Hadith, welches das Kommen Kahims vorhersagt, hat sich noch nicht erfüllt“, während sie doch gar nicht die Düfte der Bedeutung dieser Worte eingeatmet haben? Sie sind dessen nicht gewahr worden, daß im Gegenteil alle diese Zeichen schon gekommen sind und daß der Pfad der Sache derart geebnet ist, daß die Gläubigen mit der Schnelligkeit des Blitzes auf ihm eilen.

Und ihr wartet immer noch auf Zeichen?

O törichte Völker! Ihr wartet, wie die, welche euch vorangingen, gewartet haben! Ihr, die ihr heute behauptet, nicht ein einziges der Zeichen des Kommens neuer Gottgesandten, die durch die altheiligen Bücher verkündet sind, sei eingetroffen, wie man es einst bei Muhammed behauptet hat, wie wagt ihr da noch die Christen und andere als Ungläubige zu behandeln? Ihr mögt vergebens sagen, ihre Bücher seien abgeändert und nicht echt und kämen nicht von Gott, die Worte der Evangelien selbst bezeugen ihren göttlichen Ursprung; sie finden sich zudem im Koran wieder. Wahrlich, ich sage euch, nie haben die Menschen erfaßt, was unter der Änderung der Schriften zu verstehen ist.

Freilich wird in den Worten Gottes und der Imame von „Änderung“ gesprochen, die aufgeblähte Großtuer den Schriften zugefügt haben. Aber das ist unter besonderen Verhältnissen gesagt worden. So ist der eine Fall, wo davon die Rede ist, die Geschichte vom Sohn Surias. Als einstens die Bewohner Khaibers Muhammed frugen, welcher Art die Bestrafung des Ehebrechers oder der Ehebrecherin sei, sagte Er zu ihnen: „Gott hat befohlen, sie zu steinigen.“ Sie erwiderten, in der Bibel fände sich kein solches Gebot. Da frug er sie: „Wem von euren Priestern gehorchet ihr?“ Sie gehorchten dem Sohn Surias. Er ließ ihn kommen und sprach: „Ich beschwöre dich bei Gott, der dir eine Schleuse Seines Meeres geöffnet hat, himmlisches Manna hat herabregnen lassen, dich in den Schatten des Gewölkes gestellt, dich von Pharao und seinem Volke befreit hat und aus den Deinen sein auserwähltes Volk gemacht hat: sage uns, welches ist die Bestrafung der Ehebrecherin, die Moses befohlen hat?“ Er antwortete: „O Muhammed, das ist die Steinigung.“ — „Und warum ist dann unter euch Juden dieses Gesetz abgeschafft?“ — „Nach der Zerstörung Jerusalems durch Bochtun Nasr wurden fast alle Juden mit der Schärfe des Schwertes getroffen und nur sehr wenige von ihnen blieben am Leben. Da sie den mächtigen Amalekitern gegenüber in sehr kleiner Zahl waren, hielten die Priester einen Rat und sagten: Gebrauchen wir das Gesetz der Bibel, so werden die Überlebenden unter uns durch das Gesetz getötet werden. — Und sie unterdrückten die Todesstrafe.“

Darauf weist es auch hin, wenn Gabriel, das Herz des Propheten erleuchtend, sprach:

„Unter den Juden sind etliche, die Worte ihrer Schriften fälschen.“ (Koran IV, 48.)

[Seite 64] Dies ist eine der „Fälschungen“, um die es sich handelt, und dies bedeutet nicht, wie schwache Geister es glauben, daß alles, was Muhammed in der Bibel oder im Evangelium verkündet, apokryphisch ist und daß im Urwort das Gegenteil sich finden müßte.

Diese Behauptung wäre ebenso falsch als lächerlich: Ein Mensch, der an ein geoffenbartes Buch glaubt, — kann er es abändern? Und gar die Bibel, die für die ganze Welt geschrieben ward und nicht für Medina und Mekka allein? Die eigentlichen Fälscher sind sehr viel älter als die Priester des Korans, die heutigen Tages das Buch nach ihrem Geschmack und ihrem Gutdünken ausdeuten. Da die Juden zur Zeit Muhammeds nach ihren Vorstellungen die Bibel, die doch Sein Kommen verkündete, erklärt haben und da sie sich nicht mit den wahrhaftigen Erklärungen zufrieden gaben, so hat Gott sie zu Fälschern gemacht. Heute fahren die Priester des Forkan (Koran) darin fort, die Zeichen der nächsten Manifestation nach ihrer Einbildung auszudeuten.

An anderem Orte ist gesagt: „Eine gewisse Anzahl unter ihnen gehorchten dem Worte Gottes, aber in der Folgezeit, nachdem sie es erfaßt hatten, fälschten sie es, und sie wußten dies wohl.“ (Koran II, 70.) In diesen Versen handelt es sich darum, die Bedeutung des Wortes zu ändern, aber nicht es zu unterdrücken. So vermögen es die aufzufassen, die ein richtiges Verstehen besitzen.

“Und noch an anderem Orte: „Wehe denen, die das Buch mit ihren verderblichen Händen schreiben und sagen: Sehet, dies kommt von Gott!, nur um einen ganz niedrigen Vorteil daraus zu ziehen.“ (Koran II, 73.)

Dieser Fluch trifft die jüdischen Priester und Schriftgelehrten, die zahlreiche Werke geschrieben haben, um Muhammed zu verleugnen, um den Reichen zu Gefallen zu sein und weltliche Ehren zu gewinnen, und die so Taten der Untreue begingen. Sie haben gewisse Beweise ausgegeben, von denen ich nicht sprechen will, und haben behauptet, sie seien durch die Bibel gerechtfertigt.

Und in unseren Tagen, was ist da nicht von den unwissenden Priestern unserer Zeit gegen diese Sache geschrieben worden! Sie glauben, diese Taten voll Feindseligkeit ständen im Einklang mit den Worten der Bücher und entsprächen den Lehren der Imame. Aber groß ist ihr Irrtum!

Der Sinn meiner Ausführungen ist, euch klarzulegen: Unrecht tut, wer behauptet, diese Beweise, die wir aus den Evangelien genommen haben, seien gefälscht, oder wer sie ablehnt unter dem Vorwand, sich nur an den Koran und an die Hadith zu halten; das hieße eine Tat der Untreue begehen. Ja, wir haben gesehen, daß es Fälschungen in der Bibel gibt, wie wir es allen denen erklärt haben, die mit gesunder Fassungskraft begabt sind. Denn nur jene, welche die Schulen besucht haben und religiöse Gespräche gewohnt sind, besitzen diese gänzlich oberflächlichen Kenntnisse. Glaubet nicht, die Fälschung des Wortlautes beziehe sich auf das, was die Leute landläufig denken! Zudem hat Muhammed nur davon gesprochen, was die Juden betraf, wie ihr euch dessen vergewissern könnt, wenn ihr durch die Inseln des Wissens des Korans pilgert.

Die Toren der Erde sagen, die Christen besäßen nicht mehr die göttlichen Evangelien, die wieder zum Himmel hinaufgefahren seien, und werden nicht gewahr, daß sie damit Gott der Untreue und Schwäche bezichtigen. Denn nach dem Entschwinden der Schönheit Jesu, als er in den vierten Himmel emporgefahren war, wie hätte da das Buch Gottes, das Sein größter Beweis für die Menschen war, verschwinden können, zumal da von Jesus bis Muhammed die Menschen keine anderen Regeln, keine anderen Gesetze zu beobachten hatten? Und wie hätte da der Rächer unter ihnen erscheinen können und auf Grund wessen wären sie von dem geistigen König gerichtet und gestraft worden?

Noch mehr, man müßte glauben, die barmherzige Güte sei unterbrochen und die Gnadenpforten des Königs des Daseins seien geschlossen. Suchen wir Zuflucht weitab von diesem schrecklichen Gedanken, denn Er ist herrlicher als die Menschen wähnen!

O mein Freund, an diesem ewigen Morgen, da die Lichter „Gottes, des Lichtes der [Seite 65] Himmel und der Erde“ (Koran XXIV, 35.) die Welt umschlossen haben, da die Zelte des Schutzes und Schirmes „Gottes, der nur Sein Licht verbreiten will“ (Koran IX, 32.), aufgeschlagen sind, da die gewaltige Hand von „Ihm, in Dessen Hände alle Dinge ruhen“, ausgestreckt ist, legt euch das Gewand fleißiger Bemühungen an, um durch die Güte und Großmut Gottes in die heilige Stadt des „wir kommen von Gott” einzutreten und an den herrlichen Stätten des „wir kehren zu Ihm zurück“ zu wohnen. Möge es Gott gefallen, den Geist der Menschen zu reinigen von Wasser und Schlamm, um ihn der unendlichen Stufen der Belehrung teilhaftig werden zu lassen. Dann können sie Ihn in solcher Art erfassen, daß sie nicht mehr nach Beweisen zu fragen brauchen, noch zu eitlem Gerede Zuflucht nehmen.

O du lieber Frager, wenn du dich auf die Höhen des Geistes schwingst, so wirst du sehen, daß Gott ganz und gar überall ist, so daß du keinen anderen finden kannst, außer Ihm. Gott war vor jeglichem Ding. Die Heiligkeit der Stufe, die du erreichen wirst, braucht dann nicht besprochen und bewiesen zu werden. Wenn du in den heiligen Reichen der Wirklichkeit wandelst, wirst du finden, daß man die Dinge nur durch Gott erkennt und daß Er allein durch Ihn Selbst erkannt wird.

Und wenn ihr euch endlich auf die Erde des Beweises niederlasset, dann begnüget euch damit, daß Gott Selbst gesagt hat: „Genügt es ihnen nicht, daß Wir dir das Buch gesandt haben?“ (Koran XXIX, 50.) Dies ist der Beweis, den Er aufgestellt hat, und nie wird es einen größeren geben. Sein Wort ist Sein Beweis und Sein Dasein ist der beste Grund dazu.

Heute verlangen wir von dem Volke des Beyan, von den Lehrern des Beyan, von den Gelehrten des Beyan, von den Schriftkundigen des Beyan, von den Zeugen des Beyan, nicht die Gebote zu vergessen, die Gott ihnen in den Büchern gegeben hat, und immer auf den Ursprung der Ursachen zu schauen, und zu warten auf das Erscheinen der Perle der Perlen, der Wahrheit der Wahrheiten, des Lichtes der Lichter. Sie sollen nicht an etliche falsch verstandene Sätze aus dem Buche sich klammern und nicht die Ungerechtigkeiten der Völker des Koran aufs neue beginnen. Denn dieser König der Einheit hat die Gewalt, mit einem einzigen Wort den Beyan und sein Volk verschwinden zu lassen oder allem das ewige Leben zu schenken und sie aufzuerwecken von den Gräbern des Verlangens und der Begierden.

Seid achtsam und wachet, denn am Ende wird der einzige Wunsch der Menschen sein, an Ihn zu glauben und zur Begegnung mit Ihm zu gelangen. „Gerechtigkeit heißt nicht, sich nach Osten und nach Westen wenden, sondern an Gott zu glauben bis an den jüngsten Tag.“ (Koran II, 172.)

O Völker des Beyan, höret jetzt, was wir euch von Gott aus befohlen haben, auf daß ihr ruhen möget in dem Schatten, der sich ausbreiten wird in den Tagen des Herrn.

(Fortsetzung folgt.)



Tablet ’Abdu’l-Bahá’s[Bearbeiten]

Aus „Tablets of ’Abdu’l-Bahá“. Übersetzt von E. Traunecker.


„An die Glieder des Hauses der Gerechtigkeit, an die Diener des Bundes und an die treuen Anbeter an der heiligen Schwelle der Schönheit El-Abhás.“

O du Gemeinschaft, der die Heerscharen aus dem Reiche El-Abhá zur Seite stehen!

Gesegnet seid ihr, die ihr versammelt seid im Schatten des Wortes Gottes, die ihr bleibet in der Höhle des Bundes Gottes, die ihr getröstet seid durch das Verweilen im Paradiese El-Abhás, die ihr fröhlich bewegt seid durch die Lüfte, welche vom Ausgangspunkt der Vorsehung Gottes wehen, und die ihr euch erhoben habt, der Sache Gottes zu dienen, die Religion Gottes zu verbreiten, das Wort Gottes zu verkünden und die [Seite 66]



Haifa. Im Vordergrund die neu angelegten Gartenanlagen. Oberhalb des Mausoleums die Piniengruppe, der einstige Lieblingsplatz Bahá’u’lláh’s


[Seite 67] Standarte der Heiligkeit in jenen Ländern und Himmelsstrichen aufzurichten.

Bei dem Leben El-Abhás. Wahrlich, die vollkommene und göttliche Macht wird euch beseelen mit der Gnade des heiligen Geistes und euch befähigen, Taten zu vollbringen, wie das Auge der Existenz noch nie etwas Ähnliches gesehen hat.

O Gemeinschaft des Bundes! Wahrlich, die Schönheit El-Abhás hat die größte Hilfe den Geliebten verheißen, welche fest sind in dem Bund und wird sie bestätigen durch die höchste Macht. Ihr werdet sicher in eurer erleuchteten Versammlung solche Zeichen finden, die euch Herz und Seele erleuchten werden. Erfasset den Saum des Gewandes des Erhabenen und tut euer bestes, den Bund Gottes zu verbreiten und entzündet zu sein durch das Feuer der Liebe Gottes, damit euer Herz freudig bewegt sein möge durch die Düfte der Demut, welche von dem Herzen ‘Abdu’l-Bahás ausgehen. Stehet fest, stärket euer Herz und verlaßt euch auf die ewig währende Gnade, welche unaufhörlich von dem Königreiche El-Abhás auf euch herabfließt. Wisset, wahrlich, die Lichter Bahás werden während eurer Versammlung auf euch herableuchten aus dem strahlenden Paradies.

Es wird euch zur Pflicht gemacht, Einigkeit und Harmonie zu pflegen! Es wird euch zur Pflicht gemacht, daß ihr euch untereinander verwandt fühlet und völlig eins seid, so daß ihr wie die Pleiaden nach Körper und Seele geeinigt seid und euch einander anreiht wie glänzende Perlen an einer Schnur. Dadurch wird der Grund gelegt, der Beweis erbracht, eure Sterne werden aufstrahlen und eure Seelen werden beglückt sein.

Wenn ihr die Versammlung der geistigen Beratung betretet, so sprecht das folgende Gebet, wenn euer Herz von der Liebe Gottes erfüllt ist und eure Zunge von nichts anderem redet als immer von Gott, damit die höchste Macht euch mit größter Hilfe bestätigen möge:

O mein Gott! O mein Gott! Wir sind Diener, die ihr Angesicht aufrichtig Deinem Erhabenen Antlitz zugewendet haben, die sich getrennt haben an diesem großen Tag von allem außer Dir und in dieser glorreichen Versammlung beisammen sind, von dem einmütigen Wunsche beseelt und mit dem einen Gedanken, Dein Wort unter Deinen Geschöpfen zu verbreiten.

O mein Herr! O mein Herr! Laß uns Zeichen der Führung werden, Standarten Deiner geoffenbarten Religion in der ganzen Welt, Diener Deines großen Bundes — o unser Erhabener Herr! — Erscheinungen Deiner Einheit in Deinem Königreiche, und Sterne, welche nach allen Richtungen ausstrahlen.

O Herr! Mache uns zu einem bewegten Meer durch die Wogen Deiner großen Gnadenfülle, zu Flüssen, welche von den Bergen Deines glorreichen Königreichs hervorströmen, zu reinen Früchten an dem Baum Deiner erhabenen Sache, zu Pflanzen, welche frisch und belebt sind durch das Wehen Deiner Gaben in Deinem wunderbaren Weinberg.

O Herr! Laß unsere Seele abhängig sein von den Zeichen Deiner Einheit, daß wir werden mögen wie die Wellen einer bewegten See; daß wir übereinstimmen wie die Strahlen eines glänzenden Lichtes, damit unsere Gedanken, Ansichten und Gefühle wie eine Wirklichkeit werden und wir den Geist der Übereinstimmung in alle Länder tragen. Wahrlich, Du bist der Wohltätige, der Gebende! Wahrlich, Du bist der Verleihende, der Mächtige, der Liebende, der Barmherzige!

O ihr, die ihr aufrichtig seid! O ihr, die ihr gefesselt seid! O ihr, die ihr Verlangen tragt. O ihr, die ihr euch erhoben habt zum Dienste der Sache Gottes, zur Förderung des Wortes Gottes, zum Verbreiten der Düfte Gottes!

Wahrlich, ich las euren inhaltsreichen Brief, seinen schönen Aufbau, die beredten Worte und den tiefen Sinn desselben. Ich pries Gott und rühmte Ihn, daß Er euch stärke und bestätige im Dienste in Seinem glorreichen Weinberg. Euer Angesicht wird erleuchtet sein vom Glanz des Gebets zu Gott, von der Anrufung und der Demut und Unterwürfigkeit den Freunden gegenüber, und eure Versammlung wird zu einem Magnet werden für das Licht aus Seinem großen Königreich.

Es wird euch zur Pflicht gemacht, der Zeichen {{page|68|file=Sonne_der_Wahrheit_Jg_10_Nr_05.pdf|page=10}'Abdu'l-Bahá} Gottes eingedenk zu sein und darüber nachzudenken, zu Gott zu flehen und ganz selbstlos zu sein und der Sache Gottes zu dienen. Er wird euch zu Zeichen der Führung machen unter den Menschen, zu strahlenden Sternen an dem erhabenen Horizont und zu fruchtbaren Bäumen in dem Paradies El-Abhás.

Dann wisset, daß 'Abdu'l-Bahá froh und glücklich ist, glückselig über die großen frohen Botschaften, trotzdem Er in diesem fernen Gefängnis weilt. (Akka in Syrien — dem hl. Land.)

Bei dem Leben El-Abhás! — Dieses Gefängnis ist mein erhabenes Paradies, mein höchster Wunsch, die Freude meines Herzens und das Aufatmen meiner Brust, mein Obdach, mein Asyl, meine Zuflucht und mein hoher Schutz. Im Gefängnis verherrliche ich den Ruhm der Engel des Himmels und der Erhabenen Heerscharen.

Seid fröhlich, o Freunde Gottes, bei dieser Beschränkung, welche eine Ursache der Freiheit ist, diesem Gefängnis, das zum Mittel der Errettung für viele wird, und diesem Leiden, welches der beste Anlaß ist zu großem Trost. Wahrlich, bei Gott, ich möchte dieses Gefängnis nicht tauschen mit dem Thron der Herrschaft aller Horizonte und möchte diese Begrenzung nicht für alle Behaglichkeit und Freuden dieser Welt hingeben.

Wahrlich, ich hoffe, durch die Güte meines Herrn und durch Seine Gnade, Treue und Freigebigkeit, in Seinem Pfad gekreuzigt zu werden, und daß meine Brust zur Zielscheibe für Tausende von Kugeln würde, oder daß ich in das tiefe Meer versenkt, oder in der Wildnis und unfruchtbaren Einöde ausgesetzt würde. Dies ist mein erhabenes Ziel, mein höchster Wunsch, die Belebung meines Geistes, das Stillen meines Sehnens und das Verlangen meiner Augen.

Und ihr, o Freunde Gottes: Stehet fest in der Sache Gottes mit solcher Beharrlichkeit, die selbst durch das größte Unheil dieser Welt nicht erschüttert werden kann. Seid nicht beunruhigt wegen irgend etwas unter irgend welchen Umständen. Seid wie erhabene Berge, Morgensterne am Horizont der Existenz, strahlende Lichter in den Versammlungen der Einheit, gütige Seelen und reinen Herzens gegen die Freunde.

Seid Zeichen der Führung! Lichter der Frömmigkeit, trennt euch von der Welt und klammert euch an das feste Seil. Seid Träger des Geistes, des Lebens. Bleibet in der Arche der Sicherheit. Werdet zu Offenbarungen der Barmherzigkeit, zu aufgehenden Sternen der Geheimnisse der Existenz und zu Punkten der Offenbarung. Seid Quellen des Lichts, gespeist durch den heiligen Geist, zu Gott hingezogen, erhaben über alle Dinge, erhebt euch über menschliche Eigenschaften und kleidet euch mit den Attributen der Engel des Himmels — damit ihr zu der größten Gabe in diesem großen Jahrhundert und Zeitalter gelanget.

Bei dem Leben El-Abhás! Niemand wird diese große Gunst erlangen, außer dem, der sich loslöst von dieser Welt und angezogen ist von der Liebe Gottes, der abgestorben ist für die Wünsche und das Verlangen des Egos, aufrichtig gegen Gott in allen Dingen, sanft, demütig, bittend, verteidigend und bescheiden vor Gott.

O ihr, die ihr fest seid im Bunde!

Der Bericht der Geistigen Versammlung, den ihr sandtet, wurde empfangen; sein Inhalt war eine Quelle lieblich duftenden Wohlgeruchs und der Geistigkeit. Es machte mir Freude, die Namen der Mitglieder zu lesen.

Die Unterschrift dieser Versammlung sollte lauten: Geistige Versammlung, Haus der Geistigkeit, und hierin liegt die Weisheit begründet, daß die Regierung hernach von dem Ausdruck „Haus der Gerechtigkeit“ nicht darauf schließt, daß dies ein Gerichtshof unterzeichnet hat, der sich auch mit politischen Angelegenheiten befassen könnte oder sich zu irgend einer Zeit sogar in Regierungsgeschäfte einmischen würde.

Sonst würde es später viele Feinde geben. Sie würden diese Sache als Ursache zur Störung der Regierung benützen und um die Gedanken der Öffentlichkeit zu verwirren. Die Absicht ist, bekannt zu machen, daß durch den Ausdruck „Geistige Versammlung“ („Haus der Geistigkeit“) jene Versammlung nicht die leiseste Beziehung zu materiellen Dingen hat, und daß ihr ganzes Ziel und ihre Beratungen lediglich auf [Seite 69] geistige Dinge eingestellt sind. Dies wurde auch in ganz Persien angeordnet.

O mein Gott! O mein Gott!

Dies sind die Diener, die sich Deinem Königreich zugewendet haben und auf Deine Stimme horchten. Ihr Herz wurde geweitet durch Deinen Ruf, antwortete auf Deine Aufforderung, wurde angezogen von Deiner Schönheit, anerkannte Deine Beweise, glaubte an Deine Zeichen, bezeugte Deine Einheit und erhob sich zu dem Dienst Deiner Sache und zur Förderung Deines Wortes.

O Herr! O Herr! Made sie zu Leuchten der Führung, zu Lichtern, die auf dem erhabenen Gipfel schimmern, zu funkelnden Sternen am Himmel, zu heiligen Engeln, die sich auf der Erde bewegen, und zu fruchtbringenden Bäumen mit köstlichen und wohlschmeckenden Früchten.

O Herr! O Herr! Wandle ihren Charakter, läutere ihr Bewußtsein, reinige ihr Herz und erleuchte ihr Angesicht. Wahrlich, Du bist der Machtvolle, der Köstliche, der Beschützende!

O ihr Geistigen! Die Wahlvorschriften sind diejenigen, welche in eurem Lande gebräuchlich sind. Die Zeitdauer der Wahl ist fünf Jahre.

O Herr! O Herr! Segne diese geistige Versammlung, stärke sie durch Deine Macht, zur Ausbreitung Deiner göttlichen Wohlgerüche, lasse sie Deinen Willen befolgen, welcher sich auswirkt in den Wirklichkeiten aller Dinge, und stehe ihnen bei durch eine Bestätigung, die ihresgleichen in irgend einem früheren Zeitalter nicht hat. Denn diese sind die Diener Deiner Diener, und Du hast sie mit diesem Diadem gekrönt, dessen strahlende Edelsteine aus dem Reiche Abhás überallhin scheinen werden.

Wahrlich, Du bist der Mächtige, der Gewaltige, der Gebende!“



Die Bahá’i-Bewegung an deutschen Universitäten[Bearbeiten]

Von Martha L. Root. Übersetzt von der Geistigen Arbeitsgemeinschaft Rostock.


M. L. Root, Journalistin und Weltreisende im Interesse der Bahá’i-Bewegung, gibt uns einen Bericht ihrer besonderen Erfahrungen an einigen der führenden Universitäten Deutschlands, wo sie besonders an Seminaren der orientalischen Sprachen und Philosophie große geistige Führer und tiefe Erfassung der Lehren und des Lebens 'Abdu'l-Bahás fand. Schwerlich wird in anderen Ländern an großen Universitäten mit alter Tradition solche Gedankenfreiheit gefunden werden.


Wann werden große deutsche Gelehrte, wie z. B. Graf Gobineau, Frankreich, Baron Rosen, Rußland, und Professor Brown, England, in den nahen Osten und nach Persien gehen, um dort nach der Wahrheit zur Beleuchtung der Geschichte der Bahá’i-Bewegung zu forschen, und wer von diesen bedeutenden Gelehrten der deutschen Republik wird die Werke von Bahá’u’lláh und ‘Abdu’l-Bahá aus der persischen und arabischen Sprache direkt ins klassische Deutsch übersetzen? Etliche von ihnen werden es sicher tun, denn kein Volk der Welt hat größere Wahrheitssucher als das deutsche. Keine Nation kauft so viele Bücher über alle modernen religiösen Probleme der Gegenwart, wie dieses Land. Kein Volk arbeitet unermüdlicher, denn für die Deutschen ist keine Arbeit zu anstrengend, keine Stunde zu spät, sich dem Suchen und Forschen hinzugeben, und was sie entdecken und prüfen, verbreiten sie bis an die entferntesten meerumspülten Gestade.

Ich sah auf meinen Reisen durch die nordischen Länder, wie der religiöse Gedanke von Deutschland aus Finnland, Schweden, Norwegen und Dänemark beeinflußt hat. Wie viele Statuen von früheren Gelehrten tragen deutsche Namen. Als seiner Zeit Martin Luther mit seiner Reformation auftrat, trugen Schüler Luthers seine Lehren nach Skandinavien, und die Früchte sind die Staatskirchen in jenen kraftvollen nordischen Ländern, die im letzten Sommer einen internationalen Kongreß lutherischer Kirchen zusammenberiefen.

Daher erschien es mir als ein außerordentliches Vorrecht, die meisten Universitäten Deutschlands besuchen zu können und Ansprachen über die Bahá’i-Bewegung zu halten sowie die Professoren zu sprechen, von denen einige ein eingehendes Studium über die Lehren Bahá’u’lláhs betreiben.

Laßt die Flieger die Luft erobern und über die Meere steuern, wenn wir aber eine [Seite 70] universale Religion sich vor unsern Augen entwickeln sehen und zur selben Zeit alle Einwände widerlegen können, wenn Landesfürsten, große Gelehrte, Staatsmänner und Millionen anderer Menschen an der Arbeit sind, die ihrerseits zu einer neuen geistigen Zivilisation beitragen, so bedeutet dies die Eroberung des geistigen Ozeans für die nächsten Jahrhunderte.

Die Bahá’i-Bewegung bringt aufrichtigen und vorurteilslosen Gelehrten, welche die Lehre studieren und sich bemühen, sie wissenschaftlich darzustellen, auch großen Gewinn. Orientalisten, die der persischen und arabischen Sprache mächtig sind, die die religiösen Bewegungen im Orient kennen und Anerkennung für ihre vorzüglichen Übersetzungen ähnlicher Art ernteten, werden finden, daß die Worte von Bahá’u’lláh einen wundervoll schöpferischen Einfluß haben, besonders wenn sie in der persischen oder arabischen Originalsprache gelesen werden.

Geheimer Hofrat Professor Dr. August Fischer, Professor der orientalischen Philologie an der Universität Leipzig, Direktor des semitischen Instituts der Universität und Präsident des Leipziger Zweiges der weltberühmten deutsch-orientalischen Vereinigung ist dabei, die Bahá’i-Lehre eingehend zu studieren. Eine Anzahl ausgezeichneter Amerikaner sind Mitglieder dieser großen orientalischen Vereinigung, und Studenten der Vereinigten Staaten wählen das Leipziger Orientalische Seminar für ihre Studien der semitischen und islamischen Sprachen. Professor Fischer hat über die Bahá’i-Lehre an der Leipziger Universität gelesen. Er ist ein tiefer Denker und ein vorzüglicher und geistreicher Redner. Als ich im Juni an dieser Universität sprach, führte mich Professor Fischer ein und sprach über die Geschichte der Bewegung. Er erwähnte auch das erste Auftreten der Bahá’i-Bewegung in Deutschland und sprach von der Hamburger Orientalischen Revue „Der Islam“. Er las folgendes aus einem Tablet ‘Abdu’l-Bahás an einen deutschen Geistlichen vor, was von geschichtlichem Interesse ist:

„Euer Brief ist angekommen und ich habe ihn gelesen. Ihr fragt nach dem Glauben 'Abdu'l-Bahás. Mein Glaube ist die Einheit aller menschlichen Wesen, was bedeutet, daß das ganze Menschengeschlecht die Herde Gottes und Gott der gütige Hirte ist. Alle Menschen, zu welcher Religion oder welchem Glauben sie sich auch bekennen, gehören Ihm an. Wir widersetzen uns nicht irgend welcher Religion, aber wir rufen alle Menschen auf, sich zu verbinden im Gedanken der Einheit des Menschengeschlechts.

Alle Menschen aber müssen von dem Quell der Lehren Bahá’u’lláhs trinken, damit Krieg und Kämpfe, Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten aufhören.

Das ganze Menschengeschlecht ist mit Vögeln von verschiedenen Farben und Eigenschaften zu vergleichen, aber sie müssen sich vereinigen und ihren Durst an diesem Quell löschen, und dieser Quell enthält die Lehren von Bahá’u’lláh. Es sind folgende:

1. Das Suchen nach Wahrheit.

2. Die Einheit des Menschgeschlechts.

3. Die Religion muß Liebe und Einheit hervorrufen; wenn sie es nicht tut, so hat sie ihren Zweck verfehlt.

4. Religion muß im Einklang mit der Wissenschaft stehen.

5. Fanatismus in Religion, in Kultur, in Rasse und im Natonalismus zerstört die ganze Ordnung des Menschengeschlechts. Alle Menschen gehören zu der Herde Gottes, die Erde ist eine Heimat.

6. Der Mensch muß sich frei machen von dem Glauben irgend einer Autorität und sich nur an die Prinzipien der Religion Gottes halten.

7. Die Einheitssprache. Neben der Landessprache muß eine Sprache erwählt oder eine erfunden werden als universale Sprache, so daß Mißverständnisse zwischen Religionen, Rassen und Nationen aufhören mögen.

Ferner gleiche Rechte für Mann und Frau; Wissen und Erziehung für jeden; Übereinstimmung aller Religionen und Nationen; Recht und Gerechtigkeit sowie politische Einheit und andere Prinzipien mehr.

Alle Menschen müssen von diesem Quell trinken; dann kann die Flagge der Einheit des Menschengeschlechts gehißt werden.

Die himmlischen Lehren von Bahá’u’lláh gehören dem Reich der Ethik an und bekämpfen keine Religion. Die Lehren sind geistig erhaben, sie geben Freiheit des Gewissens; sie sind Licht und retten den Menschen aus der Finsternis. Sie sind der Odem des heiligen Geistes, des ewigen Lebens, der Wahrheit, und sie erleuchten die Welt.

Gruß und Lob sei auf Euch.

Haifa, den 6. Dezember 1919.

‘Abdu’l-Bahá-Abbás.


Mehrere Orientalisten und Theologen nahmen an der Diskussion teil, welche dieser Vorlesung an der Universität folgte. Ein junger Mann war zugegen, der eine Abhandlung über den Fortschritt der Bahá’i-Bewegung in Europa schreibt.

Als Gast im Heim von Professor Fischer sah ich die Zeitschrift „Der Islam“, die eine wichtige europäische Übersicht mit ausgezeichneten Artikeln enthält. Er sprach über die deutschorientalische Vereinigung, und es ist ein [Seite 71] interessantes Zusammentreffen, daß diese Zeitschrift fast zu derselben Zeit gegründet wurde, als der Báb Seine Mission erklärte.

Die Bibliothek der deutsch-orientalischen Vereinigung ist jetzt in Halle und von dort werden religiöse und kulturelle Bücher in allen orientalischen Sprachen verliehen und an Orientalisten in der ganzen Welt verschickt. Die französischen Übersetzungen von Bahá’u’lláhs Werken durch Dr. Hippolyte Dreyfus sind sehr von dieser Bibliothek gesucht und auch an allen anderen deutschen Universitäten gut bekannt.

Frankfurt a. M. Professor Joseph Horowitz, Professor der semitischen Sprachen und islamischen Zivilisation an der Universität Frankfurt a. M. hat nicht nur die heilige Sache gründlich studiert, sondern berührte auf dem Wege nach Jerusalem vor drei Jahren auch Haifa und besuchte Shoghi Effendi.

Er legte dem Hüter der Bahá’i-Bewegung folgende Frage vor: „Wenn sich Menschen der Bahá’i-Bewegung anzuschließen wünschen, wird von ihnen erwartet, daß sie ihre eigene Religion aufgeben?“ Er war sehr erfreut über Shoghi Effendis klare Darlegung, daß man in seiner eigenen Kirche verbleiben und doch Bahá’i sein kann.

Ehe ich Ihnen, meine Leser, erzähle, was Professor Horowitz über diese Lehre gesagt hat anläßlich einer kurzen Unterhaltung, welche ich am Tage vor der Vorlesung in der Universität im Juni mit ihm führte, ist zu erwähnen, daß er in seiner Eigenschaft als Professor der semitischen Sprachen und islamischen Zivilisation an der Frankfurter Universität als Direktor des orientalischen Seminars daselbst auch Mitglied der Board of governors der hebräischen Universität in Jerusalem ist. Er organisierte die letztere, war zweimal dort und möchte dabei bleiben, des öfteren dorthin zu gehen. Er kennt den Osten sehr genau, da er acht Jahre lang Professor für Arabisch an der mohammedanisch-englisch-orientalischen Hochschule in Aligash, der vereinigten indischen Provinzen, war. Es ist das größte muhammedanische Erziehungsinstitut von Indien und ist inzwischen in die Moslem-Universität von Indien umgewandelt worden. Er lieh mir freundlicherweise ein Exemplar der neuen Ausgabe von Professor Edward G. Browns Buch: „Ein Jahr unter den Persern“, das viel über die Babisten und Bahá’i erzählt.

Professor Horowitz war ein Freund von Professor Brown. Wir sprachen zusammen über Bahá’u’lláh, und er sagte: „Bahá’u’lláhs Idee der Vereinigung der Religionen ist ausgezeichnet, aber ich sehe gerade eine Schwierigkeit in den Bahá’i-Forderungen für europäische Gelehrte, es ist dies die Frage die offenbarten Schriften betreffend.“ Der Professor sagte: „Viele glaubten nicht an eine geoffenbarte Schrift im buchstäblichen Sinne; Durchschnittsmenschen sind geneigter, an eine Schrift zu glauben, welche vor tausend Jahren kam, als an eine solche, die heute kommt. Dies ist für Europäer recht schwierig.“ Fortfahrend sagte er: „In Bahá’u’lláhs Zeit forderten Seine Anhänger, Ihn als Offenbarten zu betrachten. Was für eine hohe Meinung man von Seinen außergewöhnlichen Schriften auch haben kann, man kann sie schwer als das Wort Gottes ansehen.“ Professor Horowitz erwähnte dann Dr. Hertmann Römer in Deutschland, welcher über die Bahá’i-Bewegung in Württemberg schrieb, und dessen Buch „Die Babi Bahá’i" die Geschichte hauptsächlich vom Standpunkt eines Missionars beleuchtet. Dr. Römer behauptet, daß man nicht über die Tatsache hinwegkommen könne, daß der springende Punkt bei den Bahá’i der Glaube an den Gottgesandten ist. Professor Horowitz ist der Ansicht, daß dies der Hauptpunkt ist, wo Angriffe einsetzen werden. Die Lehren kann man nicht angreifen, sie sind gesund, ja sehr erhaben.

Ich sagte ihm: „Wie nennen Sie das, was Buddha unter dem Lotosbaum erhielt? Wie würden Sie das nennen, was Moses von dem brennenden Busch empfing, und die Tafeln aus Stein, jene Befehle, welche bis zum heutigen Tage Richtschnur sind? Was empfing Muhammed, als Er die Stimme des Engels Gabriel sagen hörte: ‚Höre, du bist der Prophet des Herrn!' Wenn man eine Wahrheit empfängt, ein Wort Gottes, wie würden wir es heute nennen?“

Er erwiderte: „Anstatt zu sagen, es ist inspiriert und das Wort Gottes, würden Intellektuelle sagen, es ist das Resultat von Bahá’u’lláhs Nachdenken.“

In edlem Sinne: „Göttliche Dinge kommen zu dem, welcher rein ist in seinem Denken.“

Als 'Abdu'l-Bahá, der Sohn von Bahá’u’lláh, über denselben Punkt sprach, erklärte Er einmal: Die Bahá’i glauben, daß die Inkarnation des Wortes Gottes, d. h. der Wechsel der göttlichen Natur in die menschliche und die Umbildung des Unendlichen in das Endliche niemals sein kann. Sie glauben, daß der Báb und Bahá’u’lláh Manifestationen eines universalen Befehls für die Menschheit sind. Es ist klar, daß das Ewige nicht vergänglich sein kann, noch das Vergängliche ewig. Umgestaltung der Natur ist unmöglich.

Der vollkommene Mensch, die Manifestation, ist gleich einem klaren Spiegel, in welchem die [Seite 72] Sonne der Wirklichkeit sichtbar und augenscheinlich ist, reflektierend in ihrer unendlichen Güte.

Zugegeben, daß dieser Punkt in den großen Lehren des Báb und Bahá’u’lláhs schwer glaubhaft ist; diese Frage liegt im Augenblick offen. 'Abdu'l-Bahá sagte: „Wenn ihr sprecht, so sprecht, wie ich in Amerika sprach, sprecht von den Prinzipien, denn die Menschen werden beginnen sich zu fragen, ‚war Bahá’u’lláh ein Prophet'?“

Dieser Punkt wurde näher beleuchtet, denn nachdem ich an der Universität Halle gesprochen hatte, traten fünf Studenten an das Podium und fragten: „War Bahá’u’lláh ein Gelehrter? Hat Er an vielen Schulen studiert, oder war Sein Wissen intuitiv? Denken Sie wirklich, Er könnte ein Prophet gewesen sein?“

Professor Horowitz sowohl als auch einige andere große Orientalisten wollen nicht die alten Lehren über Inspiration und speziell göttliche Offenbarungen anerkennen; aber er hat eine sehr hohe Meinung von den menschenwürdigen Lehren und dem Geist der religiösen Toleranz in Bahá’u’lláhs Prinzipien. Seine Ansicht ist, daß Menschen, welche nach den höchsten Idealen in ihrer eigenen Religion leben, im wesentlichen übereinstimmen mit allen andern Religionen. Unterschiede liegen nur in den Dogmen und Ritualen.

Er ist persönlich der Ansicht, daß in den Lehren sehr viel enthalten ist, was man den Menschen sagen muß, die sich zu streng an die äußeren Formen des Gottesdienstes halten und an die Lebensweise, in welcher sie groß geworden sind. „Es liegt hierin etwas Stärkendes“, sagte er, „aber sie müßten niemals so weit gehen, zu sagen, daß andere nicht recht haben; eine Religion mag ebenso gut sein wie die andere, wenn man sich an ihren Geist hält. Menschen, welche wirklich religiös sind, verstehen sich untereinander. Ein Heiliger einer Religion wird oft auch als Heiliger von Menschen anderer Konfession angesehen.“

„Wie oft“, sagt Professor Horowitz, „sieht man im Osten Menschen sich in Ehrfurcht vor dem Grabe eines Heiligen beugen, obgleich letzterer nicht ihres Glaubens ist, denn sie haben das Gefühl, daß Gott nahe sein muß da, wo die Überreste eines Heiligen liegen.“

Professor Horowitz sprach sehr achtungsvoll von der Bahá’i-Lehre und ihren Auswirkungen, die so wertvoll für das 20. Jahrhundert sind.

Als ich auf das Buch von Professor Brown und den Bericht Dr. Römers zu sprechen kam, worin behauptet wird, daß einige Bahá’i nicht nach diesen Lehren gelebt haben sollen, erklärte ich, daß in der universalen Bahá’i-Religion jeder Menschentyp vorkommt und sich zu höherer Geistigkeit entwickeln kann. Keiner kann an einem Tage in irgend einer Religion vollkommen werden. Dann stellte Professor Horowitz folgendes als seine Auffassung hin: „Man kann nicht über den Geist der Bahá’i-Lehre oder irgend einer anderen Religon nach der Art urteilen, wie die Anhänger sie leben. Das ist nicht der Prüfstein der Religion.

Der Prüfstein ist: Welches sind die höchsten Ideale, die von der Gemeinde angenommen sind? Man kann irgendeine Religion oder Nation herabsetzen, durch Kritik an dem, was einige tun, aber es kommt doch darauf an, daß man die Ideale erkennt! Jene, welche versuchen, diese hohen Ideale hochzuhalten, sind gut.

Im Osten und im Westen habe ich Leute unter den Indern, Christen, Hindus, Muhammedanern und Bahá’i gefunden, vor welchen ich große Achtung habe. Wenn doch die Menschen sich freimachen könnten von Namen, und das Wesen der Wahrheit suchten, denn alle Weltlehrer haben nämlich dasselbe gelehrt, und zwar jeder der Fähigkeit der Menschheit in ihrer Zeitepoche entsprechend.“

Die Ausdrücke: Manifestation, Prophet, offenbartes Wort mögen verschiedenartig von verschiedenen Gläubigen und sogar Nichtgläubigen ausgelegt worden sein, aber laßt sie erst die Probe bestehen, ob sie der Menschheit eine moralische geistige Erziehung als universales Ziel bringen.

Die Sonne, welchen Namen man ihr auch geben mag, strömt Licht, Leben und Wärme aus, hat sie diese Eigenschaften nicht, so ist es nicht die Sonne.

Bei der Vorlesung an der Hamburger Universität, in dem Orientalischen Seminar, sagte Strohtmann, Professor der islamischen Kultur und Sprachen und gegenwärtiger Herausgeber von „Der Islam“ — ein sehr feuriger Christ —: „Die Bahá’i-Bewegung ist gut, sie lehrt Christen, wie sie das Leben eines Christen leben sollten.“ Das war in der Tat eine sehr hohe Anerkennung, und so lebte Bahá’u’lláh auch in Wirklichkeit.

Bahá’u’lláh lehrte, daß christlicher Geist in allen Religionen lebt, darum muß man sich mit allen Religionen in Freude und Eintracht verbinden.

Dr. Hermann Großmann aus Hamburg-Wandsbek, der an dieser Vorlesung teilnahm und vor sieben Jahren von der Bahá’i-Lehre hörte, als er an der Universität Leipzig studierte, ist jetzt der Herausgeber von zwei Bahá’i-Zeitschriften: [Seite 73] „La Nova Tago“, eine Esperanto-Zeitschrift; das „Rosengärtlein“, eine deutsche Kinderzeitschrift.

Ein anderer bedeutender Professor an einer hervorragenden Universität hatte noch nicht viel über die Bahá’i-Lehre gehört, als ich ihn aufsuchte, um ihn zu bitten, eine Vorlesung darüber zu halten. Er lauschte aufmerksam, aber plötzlich sagte er: „Lassen Sie mich Ihnen etwas sagen, Miß Root, Sie verschwenden Ihre Zeit in Deutschland, Europäer werden niemals eine solche Lehre annehmen.“ Er war so aufrichtig, so ehrlich! Aber später veranstaltete dieser Professor und seine Kollegen eine große Vorlesung an ihrer Universität, und sie saßen in der vorderen Reihe. Andere Unterhaltungen folgten und der Geist dieses Professors kennzeichnet ihn als eine der höchsten Leuchten in der wahren deutschen Kultur und des christlichen Strebens.

Es zeigt Ihnen also, lieber Leser, wie ehrlich der deutsche Gelehrte bei der Verbreitung der Wahrheit ist.

Die Berliner Universität ist die größte Universität in Deutschland. Sie liegt in der Nähe der Staatsbibliothek, der zweitgrößten Bücherei der Welt. Das Britische Museum steht an erster, jene Staatsbibliothek an zweiter Stelle unter den Weltbibliotheken. Bei allen Universitätsvorlesungen hatte ich eine Auswahl von Bahá’i-Büchern in verschiedenen Sprachen bei mir. Professor G. Weil und Professor Dr. Gottschalk an der Staatsbibliothek waren für diese Auswahl interessiert, die bei der Vorlesung an der Berliner Universität am 28. Februar auflag. Sie baten um die Erlaubnis, die Auswahl zur Staatsbibliothek für drei Tage mitnehmen zu dürfen, um Einsicht zu nehmen. Sie taten dies, und danach forderten sie von den verschiedenen Verlegern von jedem Buch in fremder Sprache ein Exemplar zu eigenem Gebrauch. Sie haben eine Sammlung von persischen und arabischen Bahá’i-Manuskripten und wünschen ihre Sammlung an Bahá’i-Schriften so vollständig wie möglich zu machen.

Professor Weil erzählte, daß er im letzten Frühling bei seiner Anwesenheit in Palästina 'Abdu'l-Bahás Garten in Haifa aufgesucht habe und darin eine Stunde auf und nieder gegangen sei, voll Freude über die Schönheit desselben und in Gedanken an den Fortschritt der Bahá’i-Lehre.

Professor Dr. Mittwoch, Direktor des Seminars für Orientalische Sprachen, hatte eine Vorlesung an der Berliner Universität veranstaltet. Er hatte den Vorsitz und hielt eine ausgezeichnete Ansprache. Professor Dr. Kampffmeyer, Professor der arabischen Sprache, sprach auch äußerst interessant. Professor Dr. Franz Babinger an dieser Universität bearbeitet die dritte Auflage von „Vorlesungen über den Islam“, von dem letzten großen Orientalisten, Professor Goldziher, Budapest, verfaßt, der ‘Abdu’l-Bahá persönlich kannte und in diesem Buch über die Bahá’i-Bewegung geschrieben hat. Professor Dr. Babinger fügte zwanzig Seiten hinzu, in denen er die neuesten Abschnitte in der Bahá’i-Geschichte hinzufügt, zugleich mit dem Verzeichnis der Bücher, die in verschiedenen Sprachen herauskamen.

Ein Vetter von Professor Dr. Babinger, Dr. Oskar von Niedermeyer, ein Archäologe, hat über Persien und Afghanistan geschrieben. In einer seiner Schriften erzählt er über das Zusammensein mit 'Abdu'l-Bahá.

Ich hatte gehofft, daß Dr. von Niedermeyer, welcher zu jener Zeit von Moskau nach München reiste, sich einen Tag in Berlin aufhalten würde, um in dieser Vorlesung einige Worte über seinen Besuch bei 'Abdu'l-Bahá zu sagen, aber er hatte leider keine Zeit.

Einige Professoren an der Berliner Universität haben über die Bahá'i-Bewegung in Büchern und Enzyklopädien geschrieben. Eine Anzahl Professoren haben über die Bahá’i-Lehre Vorlesungen gehalten, und die Bahá’i-Bewegung ist daselbst gut bekannt.

'Abdu'l-Bahás Bild hängt in einer der Hallen der Berliner Universität, wie ich hörte, und von anderen Universitäten trafen Briefe ein, welche lauteten:: „Wir danken Ihnen für die Photographie von 'Abdu’l-Bahá. Wir haben sie eingerahmt und in unser Seminar gehängt, damit unsere Mitglieder sich daran freuen mögen.“

Sechs Universitäten beabsichtigen, eines von Bahá’u’lláhs arabischen Werken als Textbuch für seminaristische Übungen im nächsten Jahr zu verwenden.

Aus „Star of the West“ Oktober 1929.


Die Münchener Universität ist die zweitgrößte Universität in Deutschland, an der annähernd 8000 Studenten hören. Dr. F. R. Merkel, Professor der vergleichenden Religionsgeschichte, veranstaltete eine Reihe von Vorlesungen über neue religiöse Bewegungen. Er plante in dankenswerter Weise, daß eine von diesen eine Bahá’i-Vorlesung sein sollte. Frau Alice Schwarz aus Stuttgart war in jenen Tagen in München. Am 12. Dezember 1928 sprach sie glänzend und mit tiefer Liebe und großer Kenntnis über die Geschichte und die Prinzipien der Bahá’i-Sache, und ich sprach über den Fortschritt der Bahá’i-Bewegung in den fünf Erdteilen.

[Seite 74] Frau Schwarz ist Herausgeberin der deutschen Bahá’i-Zeitung „Die Sonne der Wahrheit“; sie und ihr Gatte, Kommerzienrat Konsul Schwarz, kannten ‘Abdu’l-Bahá persönlich; sie hatten Ihn in Stuttgart empfangen, Ihn in Paris im Mai 1913 besucht, und haben Shoghi Effendi, den Hüter der Bahá’i-Sache, in Haifa 1919 besucht. Frau Schwarz kennt die Lehren gut. Die Münchener Vorlesung wurde mit großer Begeisterung aufgenommen; durch Beifallsbezeugungen bekräftigten die Hörer die Aufforderung, die Vorlesung und Diskussion noch eine zweite Stunde fortzusetzen.

In dieser zweiten Stunde sprach auch Studienprofessor Dr. Merkel und viele Fragen wurden gestellt und beantwortet. Am nächsten Morgen kamen einige stark interessierte Studenten nach dem Hotel, wo eine Unterredung von drei Stunden mit den Rednerinnen des Vorabends stattfand, von der die Studenten sehr beglückt und befriedigt waren.

An fast allen Universitäten sind gewisse Fragen in den Diskussionen aufgeworfen worden, nämlich: mehr Einzelheiten zu erfahren, wieviele Bahá’i es heute in der Welt gibt? Welches sind die wissenschaftlichen Bahá’i-Beweise über das Leben nach dem Tode? Was ist die Bahá’i-Organisation, und in welcher Beziehung steht die Bahá’i-Bewegung zum Babismus, Muhammedanismus, Christentum und Judentum?

Breslau, im äußersten Osten von Deutschland gelegen, das Tor für Polen, Rußland und den Osten, besitzt eine der größten und interessantesten Universitäten Deutschlands, an der ungefähr 5000 Studenten immatrikuliert sind. Professor Carl Brockelmann veranstaltete die Vorlesung dort in der Halle des Orientalischen Seminars. Er sprach in beredten Worten über die Sache. Unter den Anwesenden waren Professoren der arabischen, persischen und türkischen Sprache, Professoren der Theologie und Professoren der Germanistik sowie Studenten aus dem Osten, den Vereinigten Staaten und deutsche Studenten zugegen.

An fast allen Universitäten war die Zuhörerschaft mehr oder weniger kosmopolitisch, denn zu den deutschen Universitäten kommen Studenten und auch Professoren aus vielen Ländern. Ich erfuhr, daß einige von den sehr fortgeschrittenen deutschen Studenten, die für ein spezielles Fach arbeiteten, ein oder zwei Semester an der Universität Oxford oder Cambridge studiert hatten. Studenten mit Stipendien aus den Vereinigten Staaten waren an fast jeder deutschen Universität, welche ich besuchte, vertreten.

Die Göttinger Universität interessierte mich, weil in Göttingen Professor emer. Dr. Friedrich Karl Andreas lebt, ein Gelehrter des Persischen, jetzt ein Mann von mehr als achtzig Jahren, der früher sieben Jahre in Persien gelebt und ein kleines Buch über die Babis geschrieben hat. Er war sehr gütig und freundlich und würde gern einige Bücher von Bahá’u’lláh in die deutsche Sprache übersetzen; er sagte auch, er wollte seinen Schülern von dieser Bewegung erzählen.

Der wohlbekannte Professor der semitischen Sprachen, Professor Mark Lidzbarski, ist kürzlich in den Ruhestand getreten und sein Nachfolger war noch nicht eingetroffen, deshalb konnte eine öffentliche Vorlesung im Juni nicht stattfinden.

Amerikaner mögen Interesse daran haben, zu erfahren, daß Benjamin Franklin im Jahre 1766 an die Göttinger Universität kam, um Studien an einer deutschen Hochschule zu machen, mit der Absicht, seine Erfahrungen später bei der Gründung der Universität in Pennsylvanien zu verwenden.

George Bancroft, Henry Wadsworth, Longfellow, John Lathrop Motley, B. L. Gildersleeve, Albert Harkness, J. Pierpont Morgan sind nur einige wenige Namen von hervorragenden Männern in den Vereinigten Staaten, welche an dieser deutschen Universität studierten, die zwischen Harz-Wesergebirge und dem Thüringer Wald liegt. Hier war es auch, wo Bismarck seine Universitätsschulung erhielt, und wo Wilhelm Weber mit Gauß den elektrischen Telegraphen erfand.

Die Universitätsbibliothek mit ihren 700 000 Bänden enthält einige von den am meisten bekannten Bahá’i-Büchern. Jede Bibliothek in Deutschland hat Bahá’i-Bände, und die Universitätskreise sind begeistert gewesen über die „Bahá’i World“, ein Buch, das in diesem Jahre erschienen ist, und welches über den Fortschritt der Bahá’i-Bewegung in der ganzen Welt in den letzten zwei Jahren berichtet.

Professor Jakob Wilhelm Hauer an der Tübinger Universität sagte, daß er auf die Bahá’i-Bewegung aufmerksam wurde, als ein Freund von ihm ein Buch schrieb, das etwas gegen dieselbe gerichtet war. Im Jahre 1912/13 studierte Professor Hauer an der Universität Oxford, und ein dortiger Freund von ihm war ein Bahá’i aus Hamadan in Persien. „Er war einer der edelsten Männer, die ich jemals in meinem Leben getroffen habe“, sagte dieser Tübinger Professor. „Dann kam der Krieg, er ging nach Europa, und ich wurde in England interniert. Ich [Seite 75] begann, über die Bahá’i-Lehren zu lesen, und in jener Zeit war Professor Edward G. Brown unsere höchste Autorität.“

Professor Hauer ging später nach Ägypten, Palästina und Syrien, und er sagte, daß er an der Beyruter Universität von einem jungen Manne sehr angezogen gewesen sei, der ein Bahá’i war.

Als Professor Hauer von Palästina nach Syrien reiste, kam er auch nach Akka und sah das Grab von Bahá’u’lláh. In Ägypten und Syrien suchte und sammelte er eine schöne Kollektion von Bahá’u’lláhs Büchern und Schriften in persischer und arabischer Sprache und ist der Ansicht, daß dies heute die schönste Sammlung in Deutschland ist.

Professor Hauer ist eine große geistige Kraft und ein praktischer Ratgeber und Helfer in der deutschen Jugendbewegung. Im letzten Jahre traf er eine Anzahl von Bahá’i-Freunden in Genf, und seitdem hat er verschiedene Bücher über die Bahá’i-Geschichte und -Lehre gelesen.

Augenblicklich sammelt Professor Hauer so viele Bahá’i-Bücher und -Schriften wie möglich für das Orientalische Seminar der Tübinger Universität, welches er im Jahre 1922 gründete.

Er ist Professor der Indologie und vergleichenden Religionswissenschaft. In diesem Seminar arbeiten er und seine Studenten zusammen, und es ist möglich, daß sie einige von Bahá’u’lláhs großen Werken direkt aus dem Original übersetzen werden.

Ich bewunderte sein Feuer und seine Begeisterung als er sagte: „Wir möchten eine große reichhaltige Sammlung bekommen. Wir möchten die Quellen von allen Religionen in diesem Seminar sammeln. Ich möchte die Bahá’i-Bewegung studieren nicht aus zweiter oder dritter Hand, sondern aus ihrer Haupt-, aus ihrer Urquelle, und zwar aus den Schriften des Báb, Bahá’u’lláhs und ‘Abdu’l-Bahás.“

Es scheint mir wichtig zu sein, hier zu erklären, daß eine deutsche Universität nicht ganz dasselbe ist, was eine amerikanische oder französische Universität ist. Die Professoren (sie werden von der Regierung ernannt, aber von Universitäten vorgeschlagen) kündigen ihre Vorlesungen für das Jahr an und bestimmen Zeit und Ort. Jeder Student wählt sich diejenigen Vorlesungen aus, die er zu belegen wünscht, teilt seine Wahl der Registratur der Universität mit und bezahlt die Kolleggelder an die letztere.

(Fortsetzung folgt.)



Was will die Bahái-Bewegung?[Bearbeiten]

Von Dr. H. Großmann-Weinheim

Die heutige Welt ist im Begriff, sich ihr Grab zu bereiten. In einer Zeit, da die wirtschaftliche Verflechtung der Länder zur Weltwirtschaft gebieterisch ein inniges Zusammenwirken aller Nationen fordert, zerreißt politische Leidenschaftlichkeit und nationale Kurzsichtigkeit mehr und mehr das letzte Band, das die Völker noch verbindet, und bereitet so der widernatürlich auseinandergetrennten Wirtschaft Krisis auf Krisis. Eine Fortentwicklung dieser Politik muß die Völker zum wirtschaftlichen Untergang und damit zum Verhungern bringen. Zu einer Zeit, da der wachsende Fortschritt der Technik und der Chemie mit seinen sich überstürzenden Erfindungen gebieterisch den Frieden unter den Nationen fordert und die Wunden des letzten fürchterlichen Ringens noch nicht vernarbt sind, rasseln viele Politiker und die Blinden unter den Menschen wieder mit dem Schwerte und beschwören das Schreckgespenst eines neuen Krieges herauf. Ein neuer Krieg aber würde nicht, wie es der zurückliegende Weltkrieg noch getan hat, an der Front halt machen, sondern Kämpfer wie Nichtkämpfer, Frauen, Männer und Kinder vernichten und nicht eher ruhen, als bis das eine Volk ausgerottet und das andere, das Siegervolk, verblutet ist. Nicht mehr die Kanonen werden entscheiden, sondern das gefährlichste Giftgas, und wenige Stunden werden genügen, um riesige Städte und blühende Gebiete, die der eiserne Fleiß von Generationen aufgebaut hat, in Friedhöfe zu verwandeln. Und nur allein um gerüstet zu sein, geben einzelne Völker heute bereits mehrere Milliarden jährlich aus, wodurch sie ihren Volkswohlstand langsam aber sicher dem Untergang entgegen treiben.

Zu einer Zeit, in der die wirtschaftliche und soziale Not eindringlich die freudige Zusammenarbeit aller Schichten in gemeinsamem [Seite 76] Aufbau fordert, spaltet Klassenpolitik und der Hader unter den Parteien und Verbänden die soziale Kluft und den Gegensatz zwischen Kapital und sozialer Abhängigkeit nur noch tiefer, statt in gerechter gegenseitiger Verständigung die Kräfte zum Aufstieg Aller freizumachen. Wohl erscheint heute im Ringen gegen die wirtschaftliche Unterdrückung die Stärkung eines gewissen Solidaritätsbewußtseins notwendig, aber sie darf nicht zu Verhetzung und zur Volkszerklüftung führen.

Zu einer Zeit, in der das Zusammenrücken der Völker durch die rasche Entwicklung der Verkehrsmöglichkeiten in der internationalen Entwicklung der Wissenschaft seinen Ausdruck findet und die unter dem gegenseitigen Einfluß erfolgende Umgestaltung der Anschauungen dringend eine geistige Annäherung sucht, türmt religiöses Vorurteil und dogmatische Erstarrung die trennende Mauer zwischen den Religionen und zwischen Religion und Wissenschaft höher und höher.

Überall statt der so bitter notwendigen Entwicklung zur Einheit und Einigkeit Verschärfung der Gegensätze und Vergrößerung der Zerrissenheit.

Hier zu helfen, ehe es zu spät ist, das ist das große Ziel der Bahá’i-Bewegung und die Aufgabe jedes einzelnen Bahá’i. Sie bietet eine Anschauungsweise, die die Grundlage zum Aufstieg bedeutet und einen praktischen Weg, auf dem der Aufstieg zu erfolgen vermag. Mit ihrer über die ganze Welt verbreiteten, mehrere Millionen zählenden Anhängerschaft ist sie als erste berufen, das große Beispiel des Willens zur Einheit zu geben, und ihrem Einfluß ist es nicht zum letzten zu danken, wenn trotz aller Widersätzlichkeiten die Einkehr doch zu dämmern beginnt. Aber die Rettung ist nur möglich, wenn alle den Ernst der Lage erkennen und sich auf dem einzig möglichen Weg der Überwindung aller Vorurteile, der gegenseitigen Achtung und der freudigen Zusammenarbeit finden. Nicht durch Uniformierung der Welt nach einer Idee können wir die Weltharmonie schaffen, sondern nur im Zusammenklang und unter respektvoller Wahrung der verschiedenen Veranlagungen und Eigenarten auf rassischem, nationalem, sozialem, wirtschaftlichem und religiösem Gebiet in der Erkenntnis des Gemeinsamen und der notwendigen völligen Gleichberechtigung. Wer sich nicht mitschuldig machen will am Untergang, darf nicht gleichgültig und untätig beiseite stehen. Die Kraft des Einzelnen ist zwar gering, aber viele Kräfte zusammengelegt, werden eine ungeheure Macht bedeuten, und sie wird doppelt stark sein, da sie keinen Ehrgeiz für sich selber, sondern nur das Wohl und den Fortschritt der Menschheit will. „Wir wünschen nur das Wohl der Welt und die Glückseligkeit der Nationen“, sagt Bahá’u’lláh, „dennoch hält man uns für Anstifter von Streit und Aufruhr, die Fesseln und Verbannung verdienen. Wir wünschen, daß alle Völker in einem Glauben vereint und alle Menschen Brüder werden, daß das Band der Liebe und Einigkeit zwischen den Menschen gestärkt werde, daß die Verschiedenheiten in der Religion verschwinden und die Unterschiede, die zwischen den Rassen gemacht werden, aufhören. Was ist nun Schädliches an diesen Bestrebungen? Aber trotz alledem wird es dahin kommen, daß diese furchtbaren Kämpfe, diese zerstörenden Kriege aufhören und der höchste Frieden, der Friede aller Frieden, zustande kommt. Habt ihr dies in Europa nicht auch nötig? Ist dies nicht das, was euch Christus verhieß? Aber dennoch sehen wir, wie eure Könige und Regenten die Schätze ihrer Länder mehr für die Zerstörung der menschlichen Rasse verschwenden, als sie für das auszugeben, was die Glückseligkeit der Menschheit bringen würde. Diese Kämpfe, dieses Blutvergießen und diese Uneinigkeiten müssen aufhören, alle Menschen müssen sein, als ob sie einer Rasse und einer Familie angehören würden. Es rühme sich keiner dessen, daß er sein Vaterland liebt, sondern dessen, daß er das ganze Menschengeschlecht mit seiner Liebe umfaßt.“


In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an den Verlag des deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart, Alexanderstr. 3, Nebengebäude, zu richten.


[Seite 77]

Geschichte und Bedeutung der Bahá’i-Lehre[Bearbeiten]

Die Bahá’i-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.

Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahá’i-Bewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahá’i-Religion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahá’i (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahá’i der Welt.

Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahá’i, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China usw. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.

In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).

Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Iqhan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.

Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.

Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, Seite 66.)

[Seite 78]

Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart

Fernsprecher Nr. 26168 — — Postscheckkonto 25419 Stuttgart — — Alexanderstr. 3, Nebengebäude


In unserem Verlag sind erschienen:


Bücher:

Verborgene Worte von Bahá’u’lláh. Deutsch von A. Schwarz und W. Herrigel, 1924 1.--

Bahá’u’lláh, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1921, in Halbleinen gebunden . . . 2.50

in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.--

'Abdu'l-Bahá Abbas, Ansprachen über die Bahá’i-Lehre. Deutsch von W. Herrigel, 1921, in Halbleinen gebunden . . . . . 3.00

in festem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.50

Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, von Mirza Abul Fazl. Deutsch von W. Herrigel, 1919, in Halbleinen geb. . . . . 4.50

In Ganzleinen gebunden . . . . 5.--

'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1922, in Ganzleinen gebunden . . . . 4.--

Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase, deutsch von W. Herrigel, 1925, kartoniert M. 4.--, in Halbleinen gebunden . . . . 4.60

Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont, deutsch von W. Herrigel und H. Küstner. 1927. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.50

Beantwortete Fragen 'Abdu'l-Bahá Abbas', gesammelt und in englischer Sprache herausgegeben von L. Clifford Barney, deutsche Übersetzung von W. Herrigel, 1929 . . . . . 5.--


Broschüren:

Bahá’i-Perlen, Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1922 . . . . -.20

Ehe Abraham war, war Ich, v. Thornton Chase. Deutsch v. W.Herrigel, 1911 . . . . -.20

Die Universale Weltreligion, Ein Blick in die Bahai-Lehre von A. T. Schwarz, 1919. . . . -.50

Die Offenbarung Bahá’u’lláhs, von J.D. Brittingham. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1910 . . . -.50

Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit, von Dr. jur. H. Dreyfus, Deutsch von Wilhelm Herrigel. 2. Auflage 1920 . . . -.50

Die Bahá’i-Bewegung im allgemeinen und ihre großen Wirkungen in Indien, nach Berichten eines Amerikaners zusammengestellt und mit Vorwort versehen von Wilhelm Herrigel, Stuttgart 1922 . . . . -.50

Eine Botschaft an die Juden, von Abdul Baha Abbas. Deutsch v. W. Herrigel, 1912 . . . -.20


Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás, ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") Deutsch von Alice T. Schwarz, 1922 . . . -.50

Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1923 . . . . —.50

Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahá’i-Lehre von Dr. Hermann Grossmann, Hamburg 1923 . . . . —.20

Religiöse Lichtblicke, Einige Erläuterungen zur Bahá’i-Botschaft, aus dem Französ. übersetzt von Albert Renftle, 2. erweiterte Auflage, 1928 . . . . --.30

Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Großmann-Wandsbek . . . . . --.20

Sonne der Wahrheit, Jahrgang 3 - 8 in Halbleinen gebunden je . . . . 9.--

Der Versand erfolgt gegen Nachnahme oder gegen Voreinsendung des Betrages.