Sonne der Wahrheit/Jahrgang 10/Heft 2/Text

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SONNE

DER

WAHRHEIT
 
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI
 
HEFT 2 10. JAHRGANG APRIL 1930
 


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Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i-Prinzipien[Bearbeiten]

1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.

Bahá’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Bahá’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Bahá’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.


2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.

In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.


3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.

Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.


4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.

Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.


5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.

Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.


6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.

Dies ist eine besondere Lehre Bahá’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.


7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.

Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.


8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.

Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.


9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.

Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.


10. Die soziale Frage muss gelöst werden.

Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Bahá’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.


11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.

Bahá’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weltsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.


12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.

Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.

Vor mehr als 50 Jahren befahl Bahá’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.

Bahá’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.

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SONNE DER WAHRHEIT
Organ der deutschen Bahá’i
Herausgegeben vom Verlag des deutschen Bahá’i-Bundes, Stuttgart
Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3
Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark
Heft 2 Stuttgart, im April 1930
Jal’al (Ruhm) 87
10. Jahrgang

Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion


Inhalt: Das Heilige Buch der Gewißheit. — Das Leben nach dem Tode. — Reise durch Frankreich. — Mitteilungen der Schriftleitung.




Gebet von 'Abdu’l-Bahá[Bearbeiten]

Er ist Gott

O Herr, mein Gott, mein innig Geliebter! Siehe Deine Diener, die Deine Stimme vernommen, ihr Ohr Deinem Wort geliehen und Deinem Ruf gelauscht haben. Sie haben an Dich geglaubt, Deine Wunder geschaut und Deine Beweise erkannt. Sie sind Deine Wege gewandelt, sie sind Deiner Führung gefolgt, haben Deine Mysterien entdeckt und die Geheimnisse Deines Buches, die Worte Deiner Schriften und die Botschaften Deiner Episteln und Tablets verstanden. Sie haben sich festgehalten am Saum Deines Gewandes und sich an Dein Kleid des Lichts und der Größe geklammert. Ihre Schritte wurden gestärkt durch Dein Bündnis und ihre Herzen gefestigt durch Dein Testament. O Herr! Trage Du in ihre Herzen die Flamme Deiner Göttlichen Anziehung und gewähre, daß der Vogel der Liebe und des Verstehens singen möge in ihren Herzen. Gewähre ihnen mächtige Zeichen, leuchtende Standarten und vollkommen wie Dein Wort zu sein. Erhebe durch sie Deine heilige Sache, entfalte Deine Banner und verkünde nah und fern Deine Wunder. Lasse durch sie Dein Wort triumphieren und stärke die Lenden derer, die Dich lieben. Löse ihre Zunge, um Deinen Namen zu preisen und inspiriere sie nach Deinem heiligen Willen und Wohlgefallen zu handeln. Erleuchte ihr Antlitz in Deinem Reich der Heiligkeit und mache ihre Freude vollkommen, indem Du ihnen hilfst, sich aufzumachen, zum Sieg für Deine Sache. O Herr! Wir sind schwach, hilf uns die Düfte Deiner Heiligkeit weiterzutragen, wir sind arm, mache uns reich mit den Schätzen der Göttlichen Einheit, nackt sind mir, kleide uns mit dem Gewand Deiner Gnade; sündig sind wir, vergib uns unsere Schuld in Deiner Barmherzigkeit, Deiner Gunst, Deiner Vergebung. Du, wahrlich, bist der Helfer, der Hilfreiche, der Gnädige, der Mächtige, der Gewaltige. Die Herrlichkeit aller Herrlichkeiten sei mit denen, die unerschütterlich und treu sind.

Aus dem Persischen übersetzt von Shoghi Effendi,

in Deutsch: Die geistige Arbeitsgemeinschaft, Stuttgart


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Das Heilige Buch der Gewißheit[Bearbeiten]

(Kitab-El-Iqan) Aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt von Dr. A. Mühlschlegel


Sprich:

Heute ist der Tag,

da der Beweis sich erfüllt,

das Wort sich offenbart,

der Grund erscheint.


Gott bestimmt euch,

was euch nützt,

und heißt euch tun,

was euch nähert

Ihm

dem Herrn aller Religionen.


Im Namen unseres Herrn, des Höchsten, des Erhabenen!

Geschrieben stehen diese Worte euch kund zu tun:

Niemals vermag der Mensch das Meer des Wissens zu entdecken, ehe er nicht frei geworden ist von allem Dasein. O Erdenvölker, löset euch von allen Banden, wollt ihr die Stufe erlangen, die euch Gott bereitet, und eingehn in das Königreich, das Er im Himmel des Beyan errichtet: hat.

Wer auf dem Pfad des Glaubens wandelt und nach dem Tranke lechzt vom Kelche der Gewißheit, muß seine Seele läutern, muß sie heiligen, befreit von jeglicher Verhaftung. Rein sei das Ohr von Worten menschlicher Art, rein sei das Herz vom Zweifel, der aus den großen Schleiern kommt, rein sei der Geist von allem Sorgenwahn der Welt, rein sei das Auge vom Anblick jener Dinge, die vergänglich. Gott sich befehlend, zu Ihm flehend ohne Unterlaß, so wandle seinen Pfad er hin, bis daß er würdig sei, das Licht der göttlichen Erkenntnis zu empfangen und der Ort zu werden, da Gnaden ohne Ende erscheinen.

Denn wenn der Mensch die Lehren Gottes und der Erwählten an Hand der Worte oder Taten von seinesgleichen, Gelehrten oder Ungelehrten, besprechen will, so wird er niemals in den Garten der Erkenntnis eingehn, niemals zum Quell der Weisheit und des Wissens vom einzigen König dringen und nimmermehr die ewige Stufe erreichen, noch aus dem Kelch der Nähe und des Friedens trinken.

Betrachtet die Vergangenheit! Wieviele Menschen jeden Standes erwarteten die Offenbarung Gottes in rein menschlicher Form, betend und von Minute zu Minute hoffend, ob nicht der Hauch der göttlichen Barmherzigkeit sich erhöbe und der Verheißene, geheimnisvoller Wolke entschwebend, herniederkäme auf die Erde. Und als das Tor der Güte aufgestoßen ward, die Wolken der Barmherzigkeit sich hoben, die Sonne der Wahrheit aufstieg über den Horizont der Macht, da glaubte keiner an Ihn und alle wandten sich von Seinem Anblick ab, der doch der Anblick Gottes war. Dies weisen uns alle Heiligen Bücher.

Und heute — bedenkt! Wie kamen jene, die Ihn suchten und erwarteten, dazu, Ihn zu befehden auf eine Art, daß Feder und Wort nicht fähig sind, es auszudrücken? Keine der reinen Manifestationen, keine der Morgenröten von Gottes Einheit konnte erscheinen, ohne Feindschaft und Haft bei allen zu erregen.

So spricht Gott:

„Wie sind doch Meine Diener unglücklich! Nicht ein Gesandter ist zu ihnen hingekommen, den sie nicht zum Ziele ihres Spottes gemacht.“ (Koran XXXVI, 29.)

„Ein jedes Volk hat sich verschworen wider seine Propheten und wollte mit Gewalt sie greifen, oder es stritt in eitler Rede, die Wahrheit zu ersticken.“ (Koran XL, 5.)

Und Worte gleicher Art, die aus den Wolken der Macht und aus dem Himmel der Erhabenheit herabgekommen, sind so zahllos, daß sie nicht alle bekannt sein können. Für Menschen der Einsicht und der Fassungskraft genügt das Syrat-el-Hud. Lest diesen Abschnitt immer wieder aufmerksam und denket nach, bis ihr das Auftreten der Propheten begreift und die Anfeindung, der sie von seiten der Verfluchten ausgesetzt waren. Vielleicht gelingt es euch dann auch, die Menschen aufzuscheuchen aus dem Zustand ihrer Lässigkeit, darinnen ihre Seele liegt, hin nach dem Hort der Einheit [Seite 3] und des Wissens, und sie das Wasser ewigen Wissens trinken und die Früchte der Erkenntnis Gottes, des Erhabenen, besitzen zu lassen.

Dies ist das heilige, ewige Los, den reinen Seelen vorbehalten an der göttlichen Tafel, die von den Himmeln niederkam.

Wenn ihr einmal die Qualen kennt, die diese herrlichen Sonnen zu erdulden hatten, und die Gründe ihrer Widersacher, dann werdet ihr schon sehr weise sein, und werdet ihr des Widerspruchs der Menschen gegen die Morgenröten der göttlichen Sonnen immer klarer euch bewußt, dann werdet ihr in eurer Religion und in der Sache Gottes immer mehr gefestigt und bestätigt werden. Auch wollen wir auf diesen Blättern hier uns die Geschichte einiger Propheten kurz vor Augen führen, um klarzulegen und um zu beweisen, daß in jedem Jahrhundert und in jedem Weltenalter die Menschen den Manifestationen der Macht und Herrlichkeit eine Behandlung zuteil werden ließen, die zu beschreiben sich die Feder sträubt. Vielleicht, daß diese folgenden Erzählungen etlichen die Mühsale ersparen, die hervorgerufen sind durch Gegenreden von Gelehrten oder Ungelehrten des jetzigen Jahrhunderts, und ihre Sicherheit und ihr Vertrauen festigen.

Einer der Propheten war Noah. Als er die Menschen sah in ihrer Unwissenheit, wehklagte er und rief sie auf zum geistigen Mahle der Gottessache 950 Jahre lang, doch keiner gab ihm Antwort. Und soviel Übel schuf man diesem heiligen Manne jeden Tag und hoffte dabei, er werde daran sterben, und ging soweit in Spott und Hohn, daß davon gesagt ist: „Ein jedes Mal, wenn die Führer seines Volkes bei ihm vorübergingen, verspotteten sie ihn.“ „Spottet meiner nicht“, sprach Noah, „ich werde einst eurer spotten, wie ihr meiner spottet, und ihr werdet lernen müssen.“ (Koran XI, 40.)

Oft verhieß er seinen Jüngern das Kommen des Sieges auf eine bestimmte Zeit und seine Verheißung erfüllte sich nicht. Einige, in ihrer Erwartung enttäuscht, wurden abtrünnig, wie es geschrieben steht in zahlreichen berühmten Büchern, die ihr sicher gelesen habt, oder doch eines Tages lesen werdet, so daß zuletzt Noah nach dem Bericht nur 40 oder 72 Schüler bei sich hatte und ausrief: „Herr, lasse keinen der Ungetreuen fortbestehen!" (Koran LXXI, 27.)

Was war der Grund, der es vermochte, daß in solch ferner Zeit die Menschen wider ihre Propheten redeten, der sie verhinderte zu glauben und die Gewänder der Verleugnung mit denen der Treue zu vertauschen? Und auch, warum denn haben die Verheißungen von Gott sich nicht erfüllt und haben so viele Gründe zur Abkehr gebracht? Tiefen Nachsinnens bedarf es, um die Dinge des Unsichtbaren zu erfassen, um die Düfte des Minzenkrautes im Garten der Wirklichkeit zu atmen, um zu wissen, daß Gott von jeher Seine Geschöpfe hat auf die Probe stellen wollen und dies in Ewigkeiten wollen wird, um Licht von Finsternis zu scheiden, Gut von Böse, Wahr von Falsch, Glaube von Wahn, Glück von Elend, Dorn von Rose. So spricht Er ja: „Wähnen die Menschen denn, sie werden in Ruhe gelassen, nur weil sie sagen ‚wir glauben‘, und sie hätten keine Proben zu bestehen?“ (Koran XXIX, 1.)

Nach Noah stieg die Schönheit Huds am Horizonte der Erneuerung auf und 700 Jahre oder mehr nach den Berichten rief er die Menschen herbei zum Garten der Nähe des Herrlichen. Wieviele Trübsale ergossen sich auf ihn wie Regen! Je lauter er die Menschen rief, um so weniger glaubten sie, je mehr er sich um sie kümmerte, um so heftiger nur redeten sie gegen ihn. „Alle, die nicht glauben, werden die Last ihrer Ungläubigkeit tragen müssen; sie wird den Haß Gottes wider die Ungläubigen nur steigern und das Maß ihres Untergangs übervoll machen.“ (Koran XXXV, 37.)

Nach diesem ging die Manifestation des Propheten Saleh aus dem unsichtbaren geistigen Garten hervor. Er rief die Menschen zu den ewigen Quellen der Nähe und hundert Jahre oder mehr verkündete er ihnen Gottes Gebote und Verbote. Doch seine Mühen trugen keine Frucht, kein Zeichen ward gesehen und immer wieder mußte er [Seite 4] die Jünger lassen und in der Wüste Zuflucht suchen.

Und diese ewige Schönheit rief doch nur die Menschen nach der Stadt der Einheit, wie ja gesagt ist: „Wir sandten zu den Thamuditen ihren Bruder Saleh, der sprach zu ihnen: ‚O mein Volk, bete zu Gott, habe keinen, keinen andern Gott als Ihn!' (Koran XI, 64.)

Sie gaben ihm zur Antwort: "O Saleh, du warst das Ziel unserer Hoffnungen. Nun willst du uns verbieten anzubeten, was unsere Väter angebetet haben? Gar große Zweifel hegen wir zu diesem Gottesdienst, den du uns da verkündest.“ (Koran XI, 65.)

Doch des Propheten Warnung war vergebens. Das Ende kam und alle wurden sie zu Staub zurückgekehrt.

Später hat die Erhabenheit des „Freundes“ (Abraham) die Schleier abgelegt. Aufs neue ward der Führung Fahne aufgehißt. Er rief das Volk der Welt zum Lichte der Gerechtigkeit. Doch sein erlauchter Rat erregte eitel Eifersucht und Lässigkeit. Nur wenige waren ausgenommen. Sie hatten sich gelöst von allem außer Gott, und auf den Flügeln der Gewißheit schwangen sie sich nach der Stufe hin, die Gott weit über alle Fassungskraft erhöht hat. Berühmt ist die Geschichte Abrahams: wieviele Feinde hatten ihn umringt und schürten Eifersucht und Widerspruch! Nach dem Geschehnis mit dem „Feuer“ war diese Leuchte Gottes aus der Stadt verjagt, wie es in allen Büchern uns berichtet ist.

Seine Zeit ging zu Ende und die Moses’ brach an. Mit dem Stabe der Sache und der Reinheit des Wissens von der Höhe des Berges Paran, des Gesetzes Gottes, mit der Schlange der Macht und der Gewalt Gottes erschien er von dem Sinai des Lichts her in dieser Welt. Er berief alle Völker der Erde zum ewigen Königreiche und zu den Früchten des Baumes der Erfüllung. Ihr wißt, wie Pharao und sein Volk ihm widersprechen und wieviel Steine des Zweifels von den Ungläubigen auf diesen heiligen Baum geschleudert wurden. Ja, Pharao und sein Volk, sie suchten das Feuer des brennenden Busches durch das Wasser der Verleugnung und des Widerspruches zu ersticken. Sie wurden dessen nicht gewahr, daß nie ein Erdenwasser das Feuer Göttlichen Wissens löschen kann und daß die Leuchte von Gottes Macht durch feindliche Winde nimmer ausgeblasen wird. Nein, solches Wasser würde die Flamme neu entfachen und solcher Wind sie unterhalten. O schaut doch nur mit der Seele Augen und wandelt auf dem Pfad in Gottes Wohlgefallen, so werdet ihr’s erfassen.

Welch’ wundersame Worte sprach ein gläubiger Mann aus der Familie des Pharao, wie es der Herr der Herrlichkeit Seinem Vielgeliebten (Mohammed) enthüllt hat! „Wollt ihr einen Menschen töten, nur weil er sagt: Ich bete zu Gott meinem Herrn, der da kommt, von sichtbaren Zeichen begleitet? Ist er ein Lügner, so wird seine Lüge auf ihn zurückfallen, doch spricht er wahr, so wird er von den Übeln eines fallen lassen auf euch, mit denen er euch droht. Denn Gott ist nicht mit den Sündern und Lügnern.“ (Koran XL, 29.) Trotz alledem brachten sie schließlich diesen Gläubigen unter den härtesten Martern zu Tode. Der Fluch Gottes sei auf den Ungläubigen!

Vertieft euch in diese Geschehnisse! Warum traten diese Widersprüche in der Welt zutage, wenn ein wahrer Prophet vom Horizonte des Unendlichen her auf die Erde kam? Warum soviel Verderbnis, Unordnung, Ungerechtigkeit und Empörung? Und dabei hat doch jeder Prophet zu seiner Zeit den Völkern das Kommen seines Nachfolgers verkündet und die Zeichen der nächsten Manifestation schon angegeben, wie es die Schriften berichten. Obwohl man so sehr auf diese neue Manifestationen wartete und sie ersehnte, obwohl man ihre Zeichen kannte, warum war dennoch jeder Prophet und jeder Erwählte Gottes der Anlaß zu soviel Aufruhr und Ungehorsam? Wie ja auch gesagt ist: "Ein jedes Mal, wenn ein Entsandter eine Offenbarung euch gebracht, die euren Leidenschaften nicht entgegenkam, wart ihr in Hochmut aufgebläht, die einen habt als Lügner ihr behandelt, die andern habt ihr gar ermordet.“ (Koran II, 81.) Das heißt, ein jedes Mal, wenn einer der Propheten von eurem Herrn zu euch gekommen war gegen euren [Seite 5] Sinn, da seid ihr stolz geworden, habt ihm nicht geglaubt, habt ihn als Lügner behandelt und ein manches Mal habt ihr ihn gar getötet. Was war der Grund, weshalb die sichtbare Schönheit des Herrlichen so behandelt wurde? Denn die Ursachen, die damals am Glauben hinderten und den Völkern von damals die Augen verschlossen, sind heute noch die gleichen. Wollten wir behaupten, der Beweis Gottes wäre unvollkommen oder unvollständig und dadurch ein Grund zur Ungläubigkeit, so würden wir selbst wie Ungläubige handeln, denn nichts läge ferner der Güte des Barmherzigen und Seiner Gnade ohne Grenzen, als einen unter den Menschen zum Führer Seiner Geschöpfe zu erwählen, ohne ihm einen vollständigen und hinreichenden Beweis mitzugeben, und so die Menschen ihrer Ungläubigkeit wegen zu strafen. Im Gegenteil, von jeher ist die Güte des Königs des Daseins durch Seine Manifestationen Seinen Geschöpfen enthüllt worden. Nicht einen Augenblick höret sie auf, wie wohltätiger Regen auf die Menschen zu strömen. Nein, gewissen Leuten, die in den Tälern des Hochmuts und in den Wüsten des Stolzes und der Entfremdung wandeln, muß man die Ursache dieser Irrungen zuschreiben. Sie folgen ihren eigenen Gedanken und den Worten ihrer Priester und kommen somit dazu, nicht zu glauben und ihre Augen zu verschließen.

Alle, die lesen können, die wissen auch, daß zu jeder Zeit der Offenbarung dieser Sonnen der Wahrheit die Menschen, wenn sie ihre Augen, ihre Ohren und ihr Herz gereinigt hätten von dem, was sie gesehen, gehört oder begriffen, sie sicherlich nicht von der Schönheit Gottes abgewandt gewesen wären, noch dem Lande der Nähe der heiligen Manifestationen sich ferne gehalten hätten. Weil sie die Beweise Gottes haben wägen wollen mit dem, was sie von ihren Priestern her besaßen, und weil ihre schwache Einsicht nicht imstande war, diese zu erfassen, darum konnten solche noch so ungewöhnliche Ereignisse sich in der Welt begeben.

Zu allen Zeiten haben die Priester die Völker unter ihrem Joch gehalten und sie vom Ufer des Meeres der Einheit abgelenkt, die einen aus Machtliebe, die andern aus Unwissenheit. Ihretwegen mußten alle Propheten den Kelch des Märtyrertums trinken und sind zum höchsten Horizonte der Herrlichkeit entflogen. Wieviel Unrecht haben die Herrscher und Priester eines jeden Zeitalters diese Könige des Seins, diese kostbaren Kleinode erdulden lassen! Sie haben sich von dem unsterblichen Besitze abgewandt beim Anblick ihrer irdischen und vergänglichen Güter. Sie haben ihr Auge dem Licht des Vielgeliebten verschlossen und ihr Ohr dem wundersamen Singen der ersehnten Taube.

So lehren uns die heiligen Bücher den Zustand der Priester aller Völker. Es ist gesagt: „O ihr, die ihr die Schriften empfangen habt, was glaubet ihr nicht den Zeichen des Herrn, wo ihr doch deren Zeugen gewesen seid?“ (Koran III, 63.) Und auch: „O ihr, die ihr die Schriften empfangen habt, was kleidet ihr die Wahrheit in das Gewand der Lüge? Warum verbergt ihr sie, ihr, die ihr sie doch kennt?“ (Koran III, 64.)

Und an anderm Orte: „O ihr, die ihr die Schriften empfangen habt, was treibet ihr die Gläubigen vom Pfade Gottes zurück?“ (Koran III, 9.)

Es ist klar, daß die, welche die Schriften empfangen hatten, welche die Menschen vom rechten Wege abkehrten, immer die Priester gewesen sind, deren Namen und Zustand uns in den heiligen Büchern überliefert ist, deren Werke wir abschätzen können, wenn wir sie im Lichte Gottes prüfen. Ringet nach dem Erfassen durch jenes höchste Schauen, das euch zur göttlichen Erkenntnis führen wird im Einklang mit dem Wort des Ewigen. Dann werden euch alle Geheimnisse geistiger Weisheit vom Dome der Güte und Barmherzigkeit aus klar enthüllt.

Der Widerspruch der Menschen gegen die Propheten, ihre nichtigen Reden rühren nur von ihrer Torheit her. Denn niemals haben sie die Worte verstanden, welche die Erscheinungen von Gottes Schönheit verkündet haben, auf daß die folgenden Manifestationen erkannt würden. Die Menschen haben nicht die wirkliche Bedeutung erfaßt. So haben sie die Grenzen des Verderbens näher gerückt und die Fahne der Verwirrung [Seite 6] gehißt. Die Erklärung der Worte der ewigen Tauben steht wahrhaftig nur den Propheten Gottes zu und ihr Gesang kann nur von diesen ewigen Tauben gehört werden. Nie werden die ungerechten Ägypter den Wein trinken, der den gerechten Juden vorbehalten ist, und nie wird der ungläubige Pharao das Licht von Moses erfassen können. So spricht Er: „Niemand kennt die Deutung hievon denn Gott und die Menschen von echtem Wissen.“ (Koran III, 5.)

Indessen haben die Menschen immer die Auslegung der Bücher bei denen gesucht, deren Einsicht verschleiert war und die sich nicht die Mühe nahmen, das Wissen an der Quelle zu suchen. So haben alle Juden, nachdem die Zeit Moses vergangen war und der Glanz Jesus von der Morgenröte des Geistes her aufleuchtete, Ihn verleugnet und gesagt: der, den die Bibel verheißen hat, muß kommen, das Gesetz zu befestigen. Dieser junge Nazarener aber, der sich den Messias nennt, hat die Gesetze der Ehescheidung und den Sabbat, die von Moses stammen, gebrochen. Noch mehr, die Zeichen der Manifestation seien noch gar nicht erschienen. Noch heute warten die Juden auf den Messias, der in der Bibel verheißen ist. Wieviele heilige Manifestationen der Einheit und wieviele ewigen Lichter sind auf der Welt seit Moses schon erschienen!

Die Juden aber leben all die Zeit unter dem Einfluß der Seele Satans und des Zweifels, der ihm folgt. Sie warten, daß der erscheine, den sie in ihrer Einbildung erschaffen haben, mit den Zeichen, die sie ihm beimessen. So hat Gott sie gestraft, den Geist des Glaubens von ihnen genommen und sie mit Höllenfeuer gequält. Weil sie die Weissagungen der Bibel nicht verstanden und diese sich nicht dem Buchstaben nach erfüllten, wurden sie der Schönheit Jesus fern gehalten und gelangten nicht zum Schauen Gottes. Sie verharrten in der Erwartung und beraubten sich, an ihren irrigen Glaubenslehren stets sich klammernd, der klaren, reinen Quelle.

Um diese Darlegung euren Augen näher zu rücken, haben wir für einen der Gläubigen ein wunderbares Tablet in Arabisch geschrieben und wir werden jetzt nach euerm Wunsche zu euch davon hier sprechen, auf daß die schmachtenden Völker von den Wüsten der Entfremdung nach den Meeren der Nähe geleitet werden, daß sie von der Trennung erlöst und zu den Zelten der Begegnung geführt werden, und daß die Wolken der Verirrung verschwinden vor der Sonne der Führung, die sich über dem Horizonte des Geistes erhob. Ich befehle mich Gott, daß aus meiner Feder die Fluten des Lebens strömen mögen in die Herzen der Menschen, auf daß sie sich vom Bette der Nachlässigkeit erheben und auf den Gesang der Taube des Höchsten Paradieses hören, auf dem Baume, den Gott mit Seiner mächtigen Hand gepflanzt hat im Garten der Einheit.

Fortsetzung folgt.


Das Leben nach dem Tode[Bearbeiten]

Von der Geistigen Arbeitsgemeinschaft in Schwerin (Mecklenburg)

Nach der Bahá’i-Lehre ist die ganze physische Welt vergänglich. Die materiellen Körper sind aus Atomen zusammengesetzt. Jede Zusammensetzung aber ist zeitlich. Es ist ein unabwendbares Schicksal, daß die Lebenskraft, die die Zusammensetzung bewirkt, aufgebraucht und zerstört wird. Wenn diese Anziehungskraft aufhört, beginnt die Zersetzung, und es tritt jener Zustand ein, den wir Tod nennen. Daher sagt die Bibel: „...Denn du bist Erde und sollst zur Erde werden“ (1. Mose 3, 19).

Mit der Seele ist es anders. Diese ist nicht aus Atomen zusammengesetzt; sie besteht aus einer unteilbaren Substanz und ist daher ewig. Daher sagt die Bibel weiter: „Denn der Staub muß wieder zu der Erde kommen, wie er gewesen ist, und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat“ (Pred. 12, 7).

Der Geist des Menschen ist wie ein Lichtstrahl, der den Körper erleuchtet. Er ist unkörperlich und tritt weder ein noch aus, sondern ist mit dem Körper wie die Sonne mit dem Spiegel, in den sie scheint, verbunden. Der Tod ist die Auflösung für diese Verbindung.

[Seite 7] Die Bahá’i-Lehre sagt, daß der Geist des Menschen zur Zeit des Todes in das Reich des Lichtes eintritt, um zu immer höheren Stufen Fortschritte zu machen, bis er in die Gegenwart Gottes gelangt, und zwar in einer Daseinsform, die ewig sein und unveränderlich bleiben wird.

"... Die Feder ruht bei der Erwähnung dieser Stufe..."

Die Hand der höchsten Gnade wird den Geist lenken, auf eine Stufe zu gelangen, die durch Erklärungen nicht begriffen, noch von allen Kreaturen der Existenz erklärt werden kann. Gesegnet ist der Geist, der den Körper verläßt, rein von allen Zweifeln und den Vorurteilen aller Nationen.

Wahrlich, er wendet sich der Atmosphäre des Wohlgefallens Gottes zu und tritt in das erhabene Paradies ein. Alle Engel des erhabenen Paradieses erwarten und umgeben diese Seele, und sie wird Gemeinschaft mit allen Propheten Gottes und Seinen Heiligen erreichen und wird mit ihnen sprechen und ihnen sagen, was sich in der Gottessache, der heiligen Lehre des Herrn des Universums zutrug. Wenn jemand erkennen könnte, was im Reich Gottes, der da Herr über Thron und Staub ist, vorbehalten ist, so würde er unverzüglich mit größter Sehnsucht nach dieser unumstößlich erhabenen, heiligen und glorreichen Stufe zu gelangen trachten ...“

Die Boten Gottes kommen, um die Menschheit zu erziehen und sie zu Gott zu führen. Christus sagte: „...Es sei denn, daß jemand von neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen“ (Ev. Joh. 3, 3). Und weiter: „Laß dich’s nicht wundern, daß ich dir gesagt habe: Ihr müsset von neuem geboren werden“ (Ev. Joh. 3, 7). Die Gottgesandten verhelfen der Menschheit durch ihre geistige Erziehung zur Wiedergeburt. ‘Abdu’l-Bahá sagt:

"... Geistige Erziehung ist die Erziehung zum Königreich Gottes. Durch sie erlangt der Mensch göttliche Eigenschaften, und dies ist die wahre Erziehung, denn in diesem Zustande tritt das Göttliche im Menschen in Erscheinung, und er wird zum Ausdruck der Worte: ‚Lasset Uns Menschen machen nach Unserem Bild und Gleichnis.‘ Dies ist das höchste Ziel und Gleichnis.“

Solche Menschen werden „zur Zeit ihres Todes in voller Heiligkeit und Loslösung und unter dem Verzicht auf alle irdischen Dinge die erhabene Stufe erreichen“, von der der Apostel Johannes (im 1. Joh. 3, 2) sagt: „Meine Lieben, wir sind nun Gottes Kinder, und ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Wir wissen aber, wenn es erscheinen wird, daß wir Ihm gleich sein werden, denn wir werden Ihn sehen, wie Er ist.“


Das Interesse der Abgeschiedenen für diese Welt.

‘Abdu’l-Bahá ist befragt worden, ob die Abgeschiedenen alles Bewußtsein und jedes Interesse an die Menschen und an Angelegenheiten dieser Welt verlieren. Er hat darauf geantwortet:

„Nein, die Abgeschiedenen behalten beides, sowohl das Interesse als auch die Erinnerung an die Menschen, die sie lieben.“

Weiter sagt Er:

"... Gleicherweise wird die Liebe, die gegenseitig empfunden wurde, in der Welt des Königreiches nicht vergessen werden. Ebenso wirst du das Leben, welches du in der materiellen Welt gelebt hast, in der geistigen Welt nicht vergessen.“


Die Entwicklung besonderer Eigenschaften.

Auf die Frage, ob wir Menschen besondere Eigenschaften entwickeln sollen, um besondere Vorteile oder Kräfte nach dem Tode zu erlangen, antwortete ‘Abdu’l-Bahá:

„Nein, der Mensch sollte alle Eigenschaften entwickeln, denn eine jede hat ihren besonderen Wert und ihre besondere Auswirkung.“


Das Beibehalten der individuellen Persönlichkeit.

'Abdu'l-Bahá sagt:

„Ihr werdet eure Persönlichkeit beibehalten und nicht in einem allgemeinen Geist aufgehn. Was den Zustand der menschlichen Seele nach dem Tode in dieser materiellen Welt anbelangt, so ist das Wesen der menschlichen Seele über die materielle Substanz erhaben und über die Verkörperung durch physische Dinge geheiligt. Sie ist ausschließlich leuchtend, körperlos. Sie ist ein blendendes Zeichen von Licht. Sie ist ein himmlisches Reich des Glanzes.

[Seite 8] Die Seelen, die nicht vom heiligen Geist neu belebt und angezogen sind, sind zu den Toten zu zählen, denn sie sind des Hauches des heiligen Geistes beraubt und sind nach dem leiblichen Tode in einem bestimmten Zustand, in dem sie Gefühl und Unterscheidung für ihre Umgebung besitzen. Im Vergleich zu den reinen Seelen, die durch den heiligen Geist belebt wurden, sind sie wie tot und leblos.“


Die Entwicklung des Menschen nach dem Tode.

'Abdu'l-Bahá sagt:

„Vollkommene Individualität ist nur der Stufe des Propheten zu eigen. Die Menschen, die ihm nachfolgen, stehen im Schutze seiner Stufe Nach dem Tode entwickelt sich der Mensch nicht durch eigenes Bemühen um Erkenntnis, sondern durch die Macht der göttlichen Gnade oder Enthüllung. Alle guten Taten, liebevolles Gedenken, Gebete und Hilfeleistungen von tieferstehenden Wesen helfen der Seele nach dem Tode voranzuschreiten.“


Fürbitte für die Verstorbenen.

Petrus kann niemals Christus werden. Alles, was in dem Zustand der Abhängigkeit für ihn möglich war, ist unendliche Vervollkommnung zu erlangen, denn jede existierende Wirklichkeit ist imstande, Fortschritte zu machen. Da nun der Geist des Menschen, nachdem er diesen materiellen Körper abgelegt hat, weiterlebt, und daher sicherlich jede Seele fähig ist, Fortschritte zu machen, so ist es erwünscht, um Förderung, Vergebung, Gnade, Wohlergehn und um Segen für einen Verstorbenen zu bitten, und dies schon deshalb, weil die Existenz entwicklungsfähig ist. Aus diesem Grunde ist in den Gebeten Bahá’u’lláhs für die Verstorbenen die Bitte um Vergebung der Sünden enthalten...

Der Reichtum in der anderen Welt besteht in der Nähe Gottes. Daher ist es sicher, daß es denjenigen, die in der Nähe Gottes sind, erlaubt ist, zu vermitteln, und diese Vermittlung wird von Gott gebilligt. Aber die Vermittlung in der anderen Welt ist eine andere als die Vermittlung in dieser Welt. Sie ist eine andere Wirklichkeit, die nicht mit Worten zum Ausdruck gebracht werden kann.

Wenn ein Reicher den Armen und Bedürftigen vor seinem Tode ein Legat vermacht und diesen damit einen Teil seines Reichtums schenkt, so kann es sein, daß diese Tat zum Anlaß seiner Vergebung und seines Fortschritts im göttlichen Reich wird.

So ist es auch, wenn Vater und Mutter die größten Schwierigkeiten und Mühsale für ihre Kinder erduldet haben und dann eines Tages, wenn die Kinder erwachsen sind, in die andere Welt hinübergehen. Kaum sind sie dort, so sehen sie in dieser anderen Welt die Belohnung der Mühe und Sorgfalt, die sie ihren Kindern angedeihen ließen. Deshalb müssen auch die Kinder ihren Eltern für all diese Mühe und Sorgfalt Liebe und Dankbarkeit entgegenbringen und nach deren Tod um Vergebung und Gnade für sie bitten. Für alle Liebe und Güte, die euch von euren Eltern erwiesen wurde, seid ihr um ihretwillen wiederum verpflichtet, den Armen zu geben und mit größter Ergebenheit und Demut um Vergebung der Sünden und um größte Gnade für die Eltern zu bitten..."


Leben und Tod keine Gegensätze.

Nach der Bahá’i-Lehre sind Leben und Tod keine Gegensätze. Der Tod bringt wenig Veränderung. Wenn der Geist der Verstorbenen in die himmlische Welt eintritt, ohne daß das geistige Wahrnehmungsvermögen entwickelt worden ist, kann er sich kaum vorstellen, daß er sich im himmlischen Paradiese befindet. In der geistigen Welt ist aber nur der Fortschritt möglich.

„Auf Erden kannst du dich erheben und fallen, aber im Himmel ist nur ununterbrochener Fortschritt und kein Fallen mehr möglich.”


Die Hilfe, die dem Abgeschiedenen in der geistigen Welt zuteil wird.

‘Abdu’l-Bahá ist befragt worden, welche Strafe diejenigen zu erwarten haben, die sich weigern, die Erkenntnis Gottes und das Licht Gottes aufzunehmen. Er hat darauf erwidert:

„Ihre Bestrafung wird darin bestehen, daß sie Gottes, des Herrn, beraubt sind.“

[Seite 9] Auf die Frage, ob dieser Zustand ewig währen werde, antwortete ‘Abdu’l-Bahá:

„Nein, denn Gottes Barmherzigkeit ist ohn’ Ende.“

Nach der Bahá’i-Lehre kann kein Mensch ohne Gott vollkommen glücklich sein. Die Glückseligkeit in der geistigen Welt besteht in der Nähe Gottes.

Über das Gleichnis vom armen Lazarus und vom reichen Manne sagt ‘Abdu’l-Bahá:

„... Der erste war geistig, während letzterer materiell war. Der eine stand auf der höchsten Stufe der Erkenntnis, der andere dagegen in den tiefsten Tiefen der Unwissenheit. Dieser Unterschied wird bestimmt von allen Menschen, nachdem sie diese irdische Welt verlassen haben, erkannt werden. Diese Verschiedenheit bezieht sich aber nicht auf einen Ort, sondern auf den Zustand der Seele und auf das Bewußtsein, denn das Königreich Gottes ist über Raum und Zeit erhaben. Es ist eine andere Welt und ein anderes Universum. Aber den heiligen Seelen ist die Gabe der Vermittlung der Erkenntnis verheißen, und sei dessen versichert, daß die geistig Geliebten in der göttlichen Welt einander erkennen werden. Sie werden auch die Vereinigung untereinander suchen, aber eine geistige Vereinigung...

Weiter heißt es in der heiligen Lehre:

"... Die durch die Vermittlung des Propheten vollkommen erlösten Seelen, die auserwählten Gläubigen mit der verliehenen und erworbenen Vollkommenheit haben ihren eigenen Willen in den Willen Gottes versenkt und sind für den unmittelbaren Eintritt in das ewige Reich Gottes reif geworden. Die Menschen aber, die im Sinnlichen leben und vergehen, lassen sich vom „Logos“ nicht zu einer höheren Geistigkeit emporheben. Sie lassen sich vom höheren Lichte, von der Geistessonne des Logos, nur unvollkommen erleuchten. Sie mögen sich ihrer Unvollkommenheit mehr oder weniger klar bewußt sein, sie wollen und können sich aber aus der vergänglichen Welt der Sinne und ihrer Begierden nicht völlig losreißen und werden ihre Läuterung noch im Jenseits abschließen müssen. „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen“, sagt Christus. Ja, wahrlich, auch für die Schwachen und Unvermögenden und Irrenden ist im Reich Gottes gesorgt. Nicht auf irdischen Planeten spielt sich die Weiterentwicklung und Läuterung der unvollkommen ausgereiften Seelen ab, sondern in den ungezählten geistigen Welten Gottes. Auch nicht durch eigene Anstrengung und in ermüdender Buße, sondern im schöpferischen Licht, in der verklärenden Barmherzigkeit und der läuternden Gnade Gottes, des Ewigen, Allmächtigen und Allgütigen. Die Fürbitte aller Heiligen und Propheten helfen dem Strebenden aus seiner irdischen Mangelhaftigkeit und begleiten und fördern seine himmlische Läuterung und ewige Vollendung.


Reïnkarnation.

Über „Reïnkarnation“ liegen sehr viele hochinteressante Erklärungen ’Abdu’l-Bahás vor, die wir wegen Mangel an Raum nicht genügend anführen können. Wer über dieses Thema weiteres erfahren möchte, möge die heiligen Lehren selbst studieren. ‘Abdu’l-Bahá sagt u. a.:

"... Was aus dem Glauben an Reïnkarnation und Seelenwanderung gefolgert wird, ist eine kindliche Einbildung. Diejenigen, die an Reïnkarnation und Seelenwanderung glauben, betrachten den Körper als ein Gefäß, in dem der Geist enthalten ist, wie Wasser in einem Kelch, das in einen anderen gegossen werden kann. Dies ist eine kindliche Vorstellung. Sie wissen nicht, daß der Geist ein unkörperliches Wesen ist, und daß er weder eintritt noch austritt, sondern nur mit dem Körper verbunden ist, wie die Sonne mit dem Spiegel, in den sie scheint. Wenn es wirklich so wäre, wie diese Menschen glauben, und der Geist durch öftere Wiederkehr in diese materielle Welt die verschiedenen Stufen durchwandern und dadurch zur höchsten Vollkommenheit gelangen würde, dann wäre es besser, wenn Gott das Leben des Menschen in der materiellen Welt verlängern würde, bis er die Vollkommenheit erlangt hat. Dann würde es für den Menschen nicht nötig sein, den Kelch des Todes zu leeren oder ein zweites Mal zu leben...“


Das Wiedererkennen in der geistigen Welt.

Es wurde die Frage. gestellt, wie man ohne materiellen Körper die verschiedenen [Seite 10] Wesenheiten und Charaktere erkennen könnte, wenn sich die Abgeschiedenen im gleichen Zustand und auf derselben Stufe der Existenz befänden.

‘Abdu’l-Bahá antwortete:

„Wenn mehrere Menschen zugleich in einen Spiegel schauen, so sehen sie alle die verschiedenen Persönlichkeiten, ihre Merkmale und Bewegungen, und dennoch ist es nur im Spiegelglas. Ihr tragt in eurem Sinn vielerlei Gedanken, aber alle diese sind persönlicher Natur und getrennt voneinander. Du magst vielleicht Hunderte von Freunden haben, rufst du sie dir aber ins Gedächtnis, so verwechselst du den einen mit dem andern nicht. Ein jeder ist für sich und abgesondert, da jeder seine persönlichen Eigenheiten und seine Merkmale hat.“

Weiter sagt ‘Abdu’l-Bahá:

„... Bezüglich der Frage, ob sich die Seelen in der geistigen Welt untereinander erkennen, sei gesagt: Diese Tatsache ist gewiß, denn das Königreich Gottes ist die Welt des Schauens aller verborgenen Wirklichkeiten. Wenn der Mensch die verborgenen Dinge, an welchen er während seines irdischen Daseins achtlos vorübergeht, in der himmlischen Welt entdeckt und ihre Wesenheit erkennt, wieviel mehr wird er die Personen; mit denen er hier verkehrte, wiedererkennen. Ohne Zweifel werden diese heiligen Seelen, die mit reinen Augen und geistigem Schauen begnadet sind, in alle Geheimnisse des ganzen Königreiches des Lichtes eingeweiht werden und die offenbarte Schönheit Gottes schauen. Gleicherweise werden sie allen Freunden Gottes der vergangenen und der gegenwärtigen Zeiten in der himmlischen Gemeinschaft begegnen .. .“


Die Wiedervereinigung mit Abgeschiedenen in der geistigen Welt.

Auf eine Frage, ob eine Wiedervereinigung mit Verstorbenen in der geistigen Welt sogleich eintrete, antwortete 'Abdu'l-Bahá, daß dies von den Stufen der betreffenden Seelen abhängig sei. Wenn die betreffenden Seelen den gleichen Entwicklungsgrad besitzen, so werden sie unverzüglich nach dem Tode miteinander vereint.


Die Herrlichkeit des jenseitigen Lebens.

In den „Verborgenen Worten“ heißt es:

„O Sohn des Erhabenen! Den Tod habe Ich gleich einer frohen Botschaft für dich verordnet; warum bist du seinetwegen in Sorge? Das Licht schuf Ich, um dich zu erleuchten; warum verhüllst du dich vor ihm?“

Zu einer trauernden Mutter sagte ‘Abdu’lBahá:

„Sei über den Tod deiner lieben Tochter nicht traurig. Dieser göttliche Vogel flog hinweg in den Rosenhain des Barmherzigen, und diese Menschenblume eilte zu dem Garten des Reiches El Abhás. Dieser Tropfen kehrte zum größten Meer zurück, dieser Lichtstrahl fiel in das größte Königreich zurück. Sei glücklich und dankbar, denn du wirst ihr Antlitz im göttlichen Reich strahlen sehen, und wirst sie als eine Leuchte unter der Gemeinschaft der himmlischen Geister erkennen.“

Bahá’u’lláh hat ein Sendschreiben offenbart, welches die Bezeichnung „Tablet der geistigen Welt“ trägt. In diesem sind die Herrlichkeiten des geistigen Königreiches so wunderbar geschildert, daß alle, die es lesen, von heißem Verlangen erfüllt werden, diese, Welt zu verlassen und in den nächsten Zustand einzutreten.


Wie soll man dem Tode entgegensehen?

„Wie blickt ein Mensch dem Ziel einer Reise entgegen? Ich meine voll Hoffnung und froher Erwartung. Ebenso ist es mit dem Ende der Reise durch dieses irdische Leben. In der nächsten Welt wird sich der Mensch von vielen Unzulänglichkeiten befreit fühlen, unter denen er auf Erden litt. Die, welche durch den Tod gegangen sind, leben in einer Sphäre, die der unsrigen nicht unähnlich ist. Ihre Arbeit, die Arbeit im Königreich, ist auch die unsrige, doch ist sie losgelöst von dem, was wir „Zeit und Ort“ nennen. Unsere Zeit bemißt sich nach der Sonne. Eine Zeit, in der es weder Sonnenaufgang noch Sonnenuntergang gibt, besteht für den Menschen nicht. Die von der Erde Geschiedenen unterscheiden sich durch verschiedene Eigenschaften von denen, die noch auf Erden sind. Dennoch gibt es keine wirkliche Trennung voneinander...“

[Seite 11] Die Verbindung mit Verstorbenen.

‘Abdu’l-Bahá wurde gefragt, ob es möglich wäre, eine Verbindung mit Verstorbenen herzustellen, und ob es klug und ratsam wäre, spiritistischen Sitzungen beizuwohnen oder sich mit Tischrücken, Geisterklopfen usw. zu befassen.

Der Meister antwortete, daß dieses Klopfen usw. materieller Art wäre und vom Stofflichen ausgehe. Notwendig sei, sich über das Materielle zu den Reichen der reinen Geistigkeit zu erheben. Tischrücken und ähnliches sei materiell, ein natürliches Resultat und nichts Geistiges.

Es sei aber möglich, mit den Toten (durch den Zustand des Gemütes und des Herzens) geistig zu verkehren.

'Abdu'l-Bahá erklärte weiter, daß wenn zwei Menschen - z. B. Mann und Frau - in diesem Leben vollständig miteinander verbunden sind, ihre Seelen alsdann wie eine Seele seien.

Diese Einigung des Herzens und der Seele wird, wenn eines von ihnen stirbt, durch den Vorgang, den wir "Tod" nennen, nicht berührt. Der Meister erklärte:

"...Im Gebet entsteht eine Vereinigung der Stufen, ein Verschmelzen der Zustände. Bete für di Verstorbenen, wie sie für dich beten! Wenn du es nicht gewahrst und du dich in einem aufnahmefähigen Zustand befindest, ist es ihnen möglich, sich dir zu verstehen zu geben, besonders wenn du in Nöten bist. Dies kann sich manchmal im Schlaf ereignen. Es besteht aber keine phänomenale Verbindung. Das, was eine phänomenale Verbindung zu sein scheint, bedarf einer anderen Erklärung ...“


Die Einheit der beiden Welten.

Im 17. Kapitel des Evangeliums Matthäus lesen wir, daß Christus die Jünger Petrus, Jakobus und Johannes auf einen hohen Berg führte. Dort erschienen ihnen Moses und Elias, die mit Christus redeten.

Petrus sagte: „Herr, hier ist gut sein. Willst du, so wollen wir hier drei Hütten machen, Dir eine, Moses eine und Elias eine.“

Nach der Bahá’i-Lehre ist die geistige Gemeinschaft zwischen den Menschen, die noch auf Erden weilen und die sich schon in den geistigen Welten befinden, beständig vorhanden. Das ganze Universum ist ein Organismus und bildet eine Einheit, die von den gleichen Gesetzen erfüllt ist. Die Menschen der diesseitigen und jenseitigen Welt stehen miteinander in Verbindung wie die Glieder des menschlichen Körpers. Den Propheten ist diese Gemeinschaft mit den Wesen der geistigen Welten so vertraut wie der Verkehr mit den Menschen dieser Welt.

'Abdu'l-Bahá sagt:

„... Zwischen den geistigen Seelen gibt es geistiges Verstehen, geistige Wahrnehmung und Gemeinschaft, die rein ist von Einbildungen und Phantasiegebilden, eine Vereinigung, die über Zeit und Raum geheiligt ist. So steht in den Evangelien geschrieben, daß Moses und Elias auf dem Berg Tabor zu Christus kamen, und es ist klar, daß dies keine materielle Zusammenkunft war. Es war ein geistiger Zustand, der wie eine physische Zusammenkunft zum Ausdruck kommt .. .“

In London sagte 'Abdu'l-Bahá einst:

„Die Getreuen werden immer durch die Gegenwart der Erhabenen Heerscharen gestützt. Bei diesen ist Jesus und Moses, Elias und Bahá’u’lláh und andere erhabene Seelen, auch die Märtyrer gehören dazu.“


Geistige Entdeckungen.

„Die Bahá’i-Lehre sagt, daß es zwei Arten von geistigen Wahrnehmungen gibt.

„Die eine Art besteht in den Offenbarungen der Propheten und den geistigen Enthüllungen der Auserwählten. Die Visionen der Propheten sind keine Träume. Nein, sie sind geistige Wahrnehmungen, sie sind Wirklichkeit. Sie sagen z. B.: ‚Ich sah jemand in einer gewissen Gestalt, und ich sprach zu ihm und erhielt Antwort.‘ Eine solche Vision geht im wachen Zustand vor sich und nicht im Schlaf. Sie ist eine geistige Wahrnehmung, die sich zeigt, als ob sie eine Erscheinung im Traume wäre.

Die andere Art der geistigen Wahrnehmungen beruht lediglich auf Einbildungen. Aber diese Einbildungen werden derart verkörpert, daß arglose Menschen glauben, es sei Wirklichkeit. Der klarste Beweis hierfür ist, daß von diesem Geisterzitieren noch niemals Resultate oder Früchte hervorgebracht wurden. Nein, es sind nur Erzählungen und Gerüchte .. .“

[Seite 12]

Sollen wir die Entwicklung überirdischer seelischer Fähigkeiten vorzeitig zu verstehen suchen?

'Abdu'l-Bahá sagt:

„Sich mit übersinnlichen Kräften abzugeben, während man auf dieser Welt weilt, wirkt auf den Zustand der Seele in der nächsten Welt störend. Diese Kräfte sind wirklich, treten aber normalerweise auf dieser Ebene nicht in Erscheinung. Das Kind im Mutterleib hat seine Augen, Ohren, Hände, Füße usw., aber sie treten nicht in Tätigkeit. Der ganze Zweck des Lebens in der materiellen Welt ist, zur Welt der Wirklichkeit hindurchzudringen, woselbst diese Kräfte dann in Tätigkeit treten. Sie gehören jener Welt zu.“


Himmel und Hölle.

Nach der Bahá’i-Lehre haben die Bezeichnungen von Himmel und Hölle, die in der Bibel und in anderen heiligen Schriften enthalten sind, keine wörtliche, sondern eine symbolische Bedeutung. Bahá’u’lláh offenbarte ein Tablet, in dem Er sagt:

„Ein gottloser Mensch fragte: ‚Was ist das Paradies?‘ Wir antworteten: ‚Das Paradies ‚ist da, wo ich lebe, die Hölle ist da, wo du lebst, inmitten Krankheit und Greuel‘."

Über Seine Gefangenschaft schrieb 'Abdu'l-Bahá:

„...Grämet euch nicht über meine Gefangenschaft und über mein Unglück. Denn dieses Gefängnis ist mein herrlicher Garten, mein Paradies und mein Thron der Herrschaft unter den Menschen .. .“

Himmel und Hölle sind nach der Bahá’i-Lehre keine Örtlichkeiten, sondern Zustände des Geistes und des Herzens.

Es heißt:

„... Die Wissenschaft beweist, daß es keinen Himmel oder ein Firmament gibt, sondern daß dies ein grenzenloser Raum und ein Weltall ist. In diesem grenzenlosen Raum bewegen sich die Himmelskörper und ziehen dort ihre Bahnen. Aber der ‚Himmel‘ von dem Christus spricht, ist die unsichtbare Welt, welche über Gesicht und Fassungskraft des gewöhnlichen Menschen hinausreicht. Es ist der geistige Zustand. Es ist der Wille Gottes. Die Sonne an diesem Himmel wird niemals untergehn. In ihm leuchten der Mond und die Sterne für immer. Er ist das grenzenlose Reich Gottes. Er ist über jeden Begriff von Raum und Zeit erhaben. Christus ist immer in ihm, Elias und alle heiligen Propheten leben ewig darin. Er ist über alle Fassungskraft erhaben ..

Weiter heißt es:

„Wenn die Menschen durch das Licht des Glaubens von der Dunkelheit der Sünden befreit, vom Strahl der Sonne der Wahrheit erleuchtet und durch alle Tugenden geadelt werden, so erachten sie dies für den größten Segen, und sie wissen, daß dies das Paradies ist. Ebenso erachten sie der Welt der Natur unterworfen zu sein, für eine geistige Bestrafung. Gott gegenüber verhüllt zu sein, gewalttätig und unwissend zu sein, in tierische Lust zu verfallen, mit tierischen Fehlern behaftet zu sein, mit schlechter Charaktereigenschaft gezeichnet zu sein,..... dies sind die größten Strafen und Qualen.

Die Belohnungen in der anderen Welt sind die Vollkommenheiten und der Friede, die man in den geistigen Welten erlangt, nachdem man diese Welt verlassen hat ... die geistigen Gnaden, die verschiedenen geistigen Gaben im Reich Gottes, die Erfüllung der Wünsche des Herzens und der Seele, und die Begegnung mit Gott in der Welt der Ewigkeit. In gleicher Weise bestehen die Strafen in der anderen Welt darin, der besonderen göttlichen Segnungen und der absoluten Gnaden beraubt zu sein und auf die niedrigsten Stufen der Existenz herabzusinken. Wer dieser göttlichen Gnaden beraubt ist, wird, obgleich er nach dem Tode weiterbesteht, vom Volke der Wahrheit für tot gehalten .. .“

Christus sagte:

...Denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch.“

‘Abdu’l-Bahá sagt:

»... Das Himmelreich ist in deiner Seele. Laß alle Leute sehen, daß du das Licht in dir hast, damit sie erkennen möchten, was sie selbst nicht besitzen.“

Und weiter:

„Gute Gedanken, gute Vorsätze und gute Taten bringen den Menschen näher zu Gott, und das ist der Himmel. Die Hölle ist jener [Seite 13] Seelenzustand, in dem böse Gedanken und Absichten vorherrschen, der Mensch seinen sinnlichen Begierden frönt und an den materiellen Dingen haftet. In diesem Zustand ist der Mensch von Gott getrennt, und unter seiner geistigen Unwissenheit leidet er. Die Erlösung — der Himmel — ist die bewußte Verwirklichung Gottes in diesem Leben, die durch Liebe, Güte und gute Taten erlangt wird.“


Reise durch Frankreich[Bearbeiten]

Von Dr. H.G.


„Diese Welt ist eine Heimat,

Laßt sie eine solche in Einigkeit sein.“


'Abdu'l-Bahá hat oft darauf hingewiesen, wie nützlich und nötig es sei, zur Förderung der Einheit Reisen zu unternehmen.

In der Tat: Bahá’i reisen viel, oft unter großen finanziellen Opfern. Ist es Reiselust, die uns hinaustreibt? Manche lockt es, neue Landschaften, neue Völker, neue Sitten kennen zu lernen, weil es interessant ist, und es ist recht so. Aber nur deshalb? Nein, der Bahá’i hat nicht Zeit, nur dem Interessanten nachzujagen. Ist nicht so unendlich viel zu tun? Ruht nicht auf jedem einzelnen von uns die ganze schwere Verantwortlichkeit einer neuen — besseren Zeit? Denkst du: „Es sind ja auch noch andere da, die dafür arbeiten, ich kann schon einmal müßig sein?" Hat sich ‘Abdu’l-Bahá je Zeit gegönnt und andern die Arbeit überlassen?

Die Welt ist da, daß wir uns daran freuen. O gewiß, das ist einer der schönsten Gedanken der Bahá’i-Lehre, diese aufrichtige, gewollte Freude: wir wollen, wir sollen uns freuen! Aber freuen, indem wir Gott danken und uns mit Ihm verbunden fühlen. Das ist das Besondere in der Bahá’i-Freudigkeit. Und das meine ich, wenn ich sage, daß der Bahá’i nicht Zeit hat, nur zu genießen.

Mit Gott verbunden sein in jeder Stunde, in jedem Augenblick, Ihn lieben, Ihm danken heißt verbunden sein mit Seiner Schöpfung, Seine Geschöpfe lieben, unsere Dankbarkeit gegen Ihn ihnen erzeigen. Das ist die erste Pflicht des Bahá’i, das ist seine ständige Arbeit, und alles andere, was wir tun, um unsere Liebe zu betätigen, ergibt sich aus ihm.

Es hilft nicht viel, daß wir fremde Völker, fremde Sitten kennen lernen, selbst, daß wir uns mit ihnen vertraut machen, wenn wir nicht den rechten Geist bei uns haben, wenn dieses Kennenlernen nicht zum Erlebnis und das Erlebnis nicht zum Gebet wird: „Gott, ich danke Dir, daß Du mich sehen lehrst, denn meine Augen waren gehalten. Ich danke Dir, daß Du mich lehrst, nicht nur die Materie, sondern den Geist in ihr zu erkennen. Der Geist schreit nach der Liebe, der Geist schreit nach dem Menschen, daß er sein Vorurteil abtut, daß er sein Herz weitet und öffnet, der Geist schreit nach der Einheit, nach Liebe und Verstehen. Gott, laß mich auch erfüllt sein mit diesem Geist, mich ein Werkzeug sein um des großen heiligen Friedens unter den Völkern und der Menschheit willen!“

Wenn du so reist, dann gehorchst du dem Gebot, als Bahá’i in andere Länder, zu anderen Völkern zu gehn.

Aber die Pflicht liegt nicht immer nur in der Ferne. Vielleiht ist es für uns Abendländer leichter, die Einheit mit dem Orient zu finden, denn der Orient lag uns bisher so fern, daß er uns fremd genug war, um uns bereit zu finden, ihn kennen zu lernen. Bist du ebenso bereit, die Völker, die dir so nahe sind und deren Namen dir so geläufig sind, daß du kein Nachdenken mehr daran verwendest, offenen Herzens, ohne Vorurteil kennen, lieben und dem deinen gleich empfinden zu lernen? Bist du, Deutscher, bereit, den Franzosen in jeder Hinsicht als deinen Bruder fühlen zu lernen, du, Engländer, den Amerikaner als Sohn deines eigenen Volkes, das doch die ganze Menschheit sein sollte, zu empfangen — nicht nur mit äußerer Höflichkeit und angenommenem verbindlichen Wesen, sondern aus deinem Herzen heraus? Sei einmal ehrlich! — Vielleicht ist es besser, etwas weniger zu reisen, dafür aber immer Gottes Geist als Reisebegleiter mit sich zu [Seite 14] bitten. Das kannst du auch als Geschäftsmann und im vornehmen Luxushotel.

Und noch eins: glaub nicht immer, daß du eine kulturelle Mission zu erfüllen hast, wenn du in andere Länder hinausziehst. Zugegeben, daß dein Land eine große Kultur hat, gleichviel, welches dein Land ist, aber andere Länder haben auch große Kultur, und zum mindesten wirst du in jedem Land etwas finden, das für dich zu lernen wert ist — nicht, daß die andern nur von dir lernen müßten. Ist es Hochmut, daß wir gar so gern unser Land mit seinen Sitten und Einrichtungen über alle andern stellen? Wir wollen es mit verstehenden Herzen betrachten: gewiß, wir haben unser Land lieb, seine Sitten und Eigenarten sind uns vertraut, wir haben die Brauchbarkeit und Zweckmäßigkeit seiner Ordnung erkannt, deshalb glauben wir, daß in unserm Land alles am besten sei. Aber so denken andere Nationen auch. Ist das nicht ein Grund, nachdenklich zu werden? Gott hat eine Welt der Mannigfaltigkeit und mancherlei Zweckmäßigkeiten geschaffen, nicht nur eine alleinig richtige! In Deutschland stehen die Telegraphenstangen an den Eisenbahnstrecken gerade. Das sieht ordentlich aus und erscheint uns selbstverständlich. In Frankreich neigen sie sich der den Kurven entgegengesetzten Richtung zu, damit sie dem Zug der Telegraphendrähte besser widerstehen können. Erscheint das nicht auch selbstverständlich? Was besser ist? Jedes Land hat seine Erfahrung und wird behaupten, daß seine Art die beste ist. Und vielleicht haben beide recht. Wir müssen darum nicht unter allen Umständen allein recht haben wollen.

Das ist auch Toleranz!

Vor zwölf Jahren ist zwischen Frankreich und Deutschland Krieg gewesen. Noch heute bemüht man sich auf jeder Seite, dem andern die Schuld am Kriege nachzuweisen. Sind damit die Millionen von Toten und Krüppeln wieder lebendig gemacht? Fahr mit der Eisenbahn: Überall an der Strecke liegen die Friedhöfe mit ihren reihenweisen schlichten Gräbern, von denen eines wie das andere ist. Es sind die Kriegergräber, und die Namen darauf sind die Namen von hüben und drüben. Und der Gewinn? Hüben und drüben ächzt das Land unter der Last, die der Krieg ihm als Erbe gelassen hat. Auch Frankreich? Trotz der „Reparationen“, die es empfängt? Tatsache ist, daß trotz der Reparationen auch Frankreich sich schwer unter der Steuerlast beugt, seine Wirtschaft kämpft; etwas mehr oder weniger, ist das das Entscheidende, wenn man nach dem Gewinn eines großen Krieges fragt? Rentner, die ihr Vermögen verloren haben und hungern, Familien, deren Ernährer, deren beste Söhne auf den Friedhöfen in den Reihen mit den vielen gleichen Grabkreuzen ruhen, das ist der „Gewinn“ hüben und drüben, den keine „Reparationen“ aufwiegen können.

Laßt uns die Kriegsschuldfrage begraben, denn an der Vergangenheit haben wir uns alle schuldig gemacht wie Kinder, die nicht wissen, was sie tun. Aber denken wir daran, daß wir seit dem großen Krieg keine Kinder mehr sind — hüben und drüben —, daß wir gereift sind und eine entsetzliche Pflicht auf uns ruht: zu schaffen, zu schaffen und zu schaffen, daß nie wieder Krieg wird, nicht hüben, nicht drüben, nicht bei uns Deutschen, nicht bei euch Franzosen, euch Engländern, euch Amerikanern. Wißt ihr noch, daß ihr einmal mit der Waffe gegeneinander gestanden habt, wißt ihr noch, wie es war, als die Granaten den Boden durchfurcht haben, bei Verdun, in der Champagne, in Flandern? Wißt ihr noch, wie es getan hat, wenn eure Kameraden aufgestöhnt haben unter den Splittern, die sie zerrissen haben, wenn ihr dabeigestanden habt, die Zähne aufeinandergebissen und innerlich betend: „Herr, Herr hilf!“ und konntet nicht helfen und mußtet sehen, wie sich ihr Leben in Zuckungen verlor...

Vor mir auf der Bank im Eisenbahnabteil schläft ein französischer Soldat. Er trägt die Uniform, gegen die ich da draußen im Feld einmal gekämpft habe, und die Landschaft, durch die wir fahren, ist dieselbe, in der wir uns vor Jahren — es ist nicht sehr lange her — eingegraben und an deren Boden wir geklebt haben, wenn die Maschinengewehrgarben ihren Hagel so flach — so unheimlich flach über uns hinfegen ließen. Haben wir nicht alle damals nur unsere Pflicht getan? Wenigstens hatte man gesagt, daß es unsere Pflicht sei. Heute erkennen wir eine andere [Seite 15] Pflicht, und es ist ein seltsames Gefühl der Verbundenheit, das mich überkommt, ein Gefühl, das weinen machen möchte vor Freude, wie ich in Paris durch die Straßen gehe und auf großen Plakaten einen Aufruf der französischen Friedenskameraden gegen die Kriegsgreuel sehe. In Deutschland haben wir uns nach dem unglücklichen Kriegsausgang allmählich daran gewöhnt, uns in der Rolle des friedliebenden Volkes zu gefallen, aber in Frankreich? Überhaupt wie anders erscheint vieles, als es sich im Spiegel der Presse ausnimmt. Aber ich glaube, es gehört in Frankreich mehr Mut dazu, öffentlich als Kriegsdienstgegner aufzutreten als in Deutschland. Nennt man sie in Frankreich vielleicht auch, wie in so vielen andern Ländern, Vaterlandsverräter? Doch sie werden wohl lieber diesen Schmähnamen hinnehmen, als daß man ihnen eines Tages vorwerfen könnte, Menschheitsverräter zu sein. „Rühme dich nicht, wenn du dein Vaterland liebst, rühme dich lieber dessen, daß du die ganze Menschheit mit deiner Liebe umfaßt“ (Bahá’u’lláh). Weil ich mein Vaterland liebe, muß ich alles tun, was in meinen Kräften steht, daß es nie wieder die Schrecken eines Krieges zu kosten bekommt.

Viele von uns in Deutschland beginnen im stillen in unserer durch den Vertrag von Versailles erzwungenen Wehrlosigkeit einen — wohl unbeabsichtigten — Schutz zu erkennen, der uns hoffentlich vor der Teilnahme an etwaigen neuen kriegerischen Verwickelungen bewahrt. Sie sind froh darum, daß wir ungestört den Weg des Friedens gehen können, statt unseren Scharfsinn und unsere Kraft in erster Linie den Mitteln des Krieges zuwenden zu müssen. Sie denken: wenn noch einmal eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen den Völkern kommen muß — mag sie die übrigen Nationen ergreifen, mögen sie sich gegenseitig vernichten, wenn nur wir nicht von ihrem Kriege berührt werden. — Aber ein neuer Krieg der großen Nationen wird alle Länder in Mitleidenschaft ziehen, und ist es nicht unsere Gattung, die sich dann zerfleischt? Hören wir auf, vom engen nur nationalen Standpunkt aus das Weltgeschehen zu betrachten: Krieg ist schrecklich für die Menschheit, gleichviel, wo immer er wütet. Wenn wir nicht allgemein das Schreckgespenst des Krieges bannen, werden wir seiner nicht Herr werden und erleben, daß, während wir den Schlaf des Friedens zu schlafen glaubten, seine Fackel auch unser Haus aufs neue in Flammen gesetzt hat.

Als der Weltkrieg seinem Ende zuneigte, da herrschte an der Front zwischen den beiden Nachbarnationen Frankreich und Deutschland kaum noch ein Gefühl des Hasses. Die Völker waren die Sinnlosigkeit eines langen zermürbenden Kampfes müde geworden und hatten sich zum Teil gegenseitig achten gelernt. Systematische Verhetzung hat seitdem viel davon wieder ins Gegenteil umgewandelt, und wenn wir nicht unsere ganze Kraft dagegensetzen, wird im Laufe der Zeit die chauvinistisch-nationalistische Propaganda eines Teiles der Presse, verschiedener Parteien und verantwortlicher Persönlichkeiten auf beiden Seiten weiter an Boden gewinnen. Sollten die Kämpfer für den Frieden weniger rege, weniger ausdauernd und weniger von ihrem Ziel durchdrungen sein als die Kämpfer des Krieges? Wollen wir warten, bis ein neuer, noch entsetzlicherer Weltkrieg die Reste der Menschheit durch allertiefstes Elend endlich, endlich nach Frieden schreien läßt?

Vor uns steht die Zeit als dringender Mahner: „Unter meiner Toga berge ich beides, Krieg und Frieden. Wählet!“


Mitteilungen der Schriftleitung[Bearbeiten]

Unser verehrter Bahá’i-Freund Dr. Jounes Khan Afroakta aus Teheran läßt in einem Brief an die Redaktion alle deutsche Freunde, von Haifa aus, allerherzlichst grüßen. Er sagt, daß er niemals die liebevolle Aufnahme, die er in den Ortsgruppen und bei einzelnen Freunden fand, vergessen werde. Im besonderen gedenkt er dankbaren Herzens der Aufopferung und Gastfreundschaft, die er in Schwerin, Leipzig und in [Seite 16] Karlsruhe in Baden gefunden habe, vor allem bei Herrn A. Renftle und Frau Dr. Brauns daselbst. Sein Weg führt ihn zunächst in die Heimat, wo er sich kurze Zeit aufhalten wird, von da wird er eine Reise nach Amerika antreten.


Bahá’i-Tagung

Wie bereits durch Rundschreiben den Geistigen Arbeitsgemeinschaften mitgeteilt, findet an Ostern in Stuttgart eine Zusammenkunft statt, wozu die Nationalratsdelegierten und selbstverständlich auch sämtliche eingetragenen Freunde herzlich eingeladen sind.

Am 20. April, abends 7 Uhr, findet eine Begrüßung und geselliges Beisammensein im Bürgermuseum, Langestraße 4, statt. Am Sonntag, vormittags 10 Uhr, wird der Nationalrat im Einvernehmen mit Shoghi Effendi von den Nationalratsdelegierten neu gewählt, darnach geselliges Beisammensein ab 11 Uhr, mit Vortrag. Nachmittags Weihung des Bahá’i-Grundstücks in Eßlingen. Wir freuen uns, wenn wir unsere Freunde recht zahlreich begrüßen dürfen. Möge der Segen unseres geliebten Meisters auf unserer Arbeit ruhen.


Zu unserer Veröffentlichung des hl. Buches der Gewißheit:

Der Kitab-El-Iqan, mit dessen Veröffentlichung wir in dieser Nummer beginnen, ist eines der frühesten Werke Bahá’u’lláhs. Mehrere Abschnitte des Buches lassen darauf schließen, daß es um das Jahr 1862 in Bagdad verfaßt wurde, noch bevor Bahá’u’lláh Seine Mission, außer an einige wenige, kundgegeben hatte. Seine öffentliche Erklärung fand 1866 in Adrianopel statt. Ein Familienglied des Báb, ein Onkel desselben, hatte die Frage an Mirza Hussein Ali gestellt, wie ein Mensch sich einen Propheten nennen und wie sein eigener Neffe behaupten könne, der „Kahim“, der „Imam Mahdi“ zu sein, dessen Wiederkunft von den Hadiss vorausgesagt sei und der dem Tag des Gerichts, der Manifestation Gottes vorausgehen werde. Bahá’u’lláh erwiderte ihm durch das Tablet, das unter dem Namen „Kitab-El-Iqan“ bekannt ist.


Kommt, laßt uns gehen auf den Berg,

Zu Ihm, dem besten Vater, —

Dem Dämmerungsort von Seinem Werk, —

Dem wunderbaren Rater;

Sein Antlitz spiegelt Allgewalt

Und Größe seiner Liebe,

Sein Odem leihet Wohlgestalt

Unwandelbarem Triebe

Der Sehnsucht Stern allein erhebt

Hoch über alle Plage,

Seit Seiner Führung Himmel bebt

„An Gottes Größtem Tage“.


Carl Goll.


In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an den Verlag des deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart, Alexanderstr. 3, Nebengebäude, zu richten.


[Seite 17]

Geschichte und Bedeutung der Bahá’i-Lehre[Bearbeiten]

Die Bahá’i-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.

Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahá’i-Bewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahá’i-Religion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahá’i (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahá’i der Welt.

Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahá’i, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China usw. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.

In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).

Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Iqhan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.

Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.

Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, Seite 66.)

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Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart

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In unserem Verlag sind erschienen:


Bücher:

Verborgene Worte von Bahá’u’lláh. Deutsch von A. Schwarz und W. Herrigel, 1924 1.--

Bahá’u’lláh, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1921, in Halbleinen gebunden . . . 2.50

in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.--

'Abdu'l-Bahá Abbas, Ansprachen über die Bahá’i-Lehre. Deutsch von W. Herrigel, 1921, in Halbleinen gebunden . . . . . 3.00

in festem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.50

Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, von Mirza Abul Fazl. Deutsch von W. Herrigel, 1919, in Halbleinen geb. . . . . 4.50

In Ganzleinen gebunden . . . . 5.--

'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1922, in Ganzleinen gebunden . . . . 4.--

Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase, deutsch von W. Herrigel, 1925, kartoniert M. 4.--, in Halbleinen gebunden . . . . 4.60

Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont, deutsch von W. Herrigel und H. Küstner. 1927. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.50

Beantwortete Fragen 'Abdu'l-Bahá Abbas', gesammelt und in englischer Sprache herausgegeben von L. Clifford Barney, deutsche Übersetzung von W. Herrigel, 1929 . . . . . 5.--


Broschüren:

Bahá’i-Perlen, Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1922 . . . . -.20

Ehe Abraham war, war Ich, v. Thornton Chase. Deutsch v. W.Herrigel, 1911 . . . . -.20

Die Universale Weltreligion, Ein Blick in die Bahai-Lehre von A. T. Schwarz, 1919. . . . -.50

Die Offenbarung Bahá’u’lláhs, von J.D. Brittingham. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1910 . . . -.50

Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit, von Dr. jur. H. Dreyfus, Deutsch von Wilhelm Herrigel. 2. Auflage 1920 . . . -.50

Die Bahá’i-Bewegung im allgemeinen und ihre großen Wirkungen in Indien, nach Berichten eines Amerikaners zusammengestellt und mit Vorwort versehen von Wilhelm Herrigel, Stuttgart 1922 . . . . -.50

Eine Botschaft an die Juden, von Abdul Baha Abbas. Deutsch v. W. Herrigel, 1912 . . . -.20


Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás, ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") Deutsch von Alice T. Schwarz, 1922 . . . -.50

Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1923 . . . . —.50

Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahá’i-Lehre von Dr. Hermann Grossmann, Hamburg 1923 . . . . —.20

Religiöse Lichtblicke, Einige Erläuterungen zur Bahá’i-Botschaft, aus dem Französ. übersetzt von Albert Renftle, 2. erweiterte Auflage, 1928 . . . . --.30

Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Großmann-Wandsbek . . . . . --.20

Sonne der Wahrheit, Jahrgang 3 - 8 in Halbleinen gebunden je . . . . 9.--

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