Sonne der Wahrheit/Jahrgang 10/Heft 1/Text

Aus Bahaiworks
Wechseln zu:Navigation, Suche

[Seite -1]

SONNE

DER

WAHRHEIT
 
ORGAN DER DEUTSCHEN BAHAI
 
HEFT 1 10. JAHRGANG MÄRZ 1930
 


[Seite 0]

Abdu’l-Bahás Erläuterung der Bahá’i-Prinzipien[Bearbeiten]

1. Die ganze Menschheit muss als Einheit betrachtet werden.

Bahá’u’lláh wandte Sich an die gesamte Menschheit mit den Worten: „Ihr seid alle die Blätter eines Zweigs und die Früchte eines Baumes“. Das heißt: die Menschheit gleicht einem Baum und die Nationen oder Völker gleichen den verschiedenen Aesten und Zweigen; die einzelnen Menschen aber gleichen den Blüten und Früchten dieses Baumes. In dieser Weise stellte Bahá’u’lláh das Prinzip der Einheit der Menschheit dar. Bahá’u’lláh verkündigte die Einheit der ganzen Menschheit, er versenkte sie alle im Meer der göttlichen Gnade.


2. Alle Menschen sollen die Wahrheit selbständig erforschen.

In religiösen Fragen sollte niemand blindlings seinen Eltern und Voreltern folgen. Jeder muß mit eigenen Augen sehen, mit eigenen Ohren hören und die Wahrheit suchen, denn die Religionen sind häufig nichts anderes als Nachahmungen des von den Eltern und Voreltern übernommenen Glaubens.


3. Alle Religionen haben eine gemeinsame Grundlage.

Alle göttlichen Verordnungen beruhen auf ein und derselben Wirklichkeit. Diese Grundlage ist die Wahrheit und bildet eine Einheit, nicht eine Mehrheit. Daher beruhen alle Religionen auf einer einheitlichen Grundlage. Im Laufe der Zeit sind gewisse Formen und Zeremonien der Religion beigefügt worden. Dieses bigotte menschliche Beiwerk ist unwesentlich und nebensächlich und verursacht die Abweichungen und Streitigkeiten unter den Religionen. Wenn wir aber diese äußere Form beiseite legen und die Wirklichkeit suchen, so zeigt sich, daß es nur eine göttliche Religion gibt.


4. Die Religion muss die Ursache der Einigkeit und Eintracht unter den Menschen sein.

Die Religion ist für die Menschheit die größte göttliche Gabe, die Ursache des wahren Lebens und hohen sittlichen Wertes; sie führt den Menschen zum ewigen Leben. Die Religion sollte weder Haß und Feindschaft noch Tyrannei und Ungerechtigkeiten verursachen. Gegenüber einer Religion, die zu Mißhelligkeit und Zwietracht, zu Spaltungen und Streitigkeiten führt, wäre Religionslosigkeit vorzuziehen. Die religiösen Lehren sind für die Seele das, was die Arznei für den Kranken ist. Wenn aber ein Heilmittel die Krankheit verschlimmert, so ist es besser, es nicht anzuwenden.


5. Die Religion muss mit Wissenschaft und Vernunft übereinstimmen.

Die Religion muß mit der Wissenschaft übereinstimmen und der Vernunft entsprechen, so daß die Wissenschaft die Religion, die Religion die Wissenschaft stützt. Diese beiden müssen unauflöslich miteinander verbunden sein.


6. Mann und Frau haben gleiche Rechte.

Dies ist eine besondere Lehre Bahá’u’lláhs, denn die früheren Religionen stellen die Männer über die Frauen. Töchter und Söhne müssen gleichwertige Erziehung und Bildung genießen. Dies wird viel zum Fortschritt und zur Einigung der Menschheit beitragen.


7. Vorurteile jeglicher Art müssen abgelegt werden.

Alle Propheten Gottes kamen, um die Menschen zu einigen, nicht um sie zu trennen. Sie kamen, um das Gesetz der Liebe zu verwirklichen, nicht um Feindschaft unter sie zu bringen. Daher müssen alle Vorurteile rassischer, völkischer, politischer oder religiöser Art abgelegt werden. Wir müssen zur Ursache der Einigung der ganzen Menschheit werden.


8. Der Weltfriede muss verwirklicht werden.

Alle Menschen und Nationen sollen sich bemühen, Frieden unter sich zu schließen. Sie sollen darnach streben, daß der universale Friede zwischen allen Regierungen, Religionen, Rassen und zwischen den Bewohnern der ganzen Welt verwirklicht wird. Die Errichtung des Weltfriedens ist heutzutage die wichtigste Angelegenheit. Die Verwirklichung dieses Prinzips ist eine schreiende Notwendigkeit unserer Zeit.


9. Beide Geschlechter sollen die beste geistige und sittliche Bildung und Erziehung geniessen.

Alle Menschen müssen erzogen und belehrt werden. Eine Forderung der Religion ist, daß jedermann erzogen werde und daß er die Möglichkeit habe, Wissen und Kenntnisse zu erwerben. Die Erziehung jedes Kindes ist unerläßliche Pflicht. Für Elternlose und Unbemittelte hat die Gemeinde zu sorgen.


10. Die soziale Frage muss gelöst werden.

Keiner der früheren Religionsstifter hat die soziale Frage in so umfassender, vergeistigter Weise gelöst wie Bahá’u’lláh. Er hat Anordnungen getroffen, welche die Wohlfahrt und das Glück der ganzen Menschheit sichern. Wenn sich der Reiche eines schönen, sorglosen Lebens erfreut, so hat auch der Arme ein Anrecht auf ein trautes Heim und ein sorgenfreies Dasein. Solange die bisherigen Verhältnisse dauern, wird kein wahrhaft glücklicher Zustand für den Menschen erreicht werden. Vor Gott sind alle Menschen gleich berechtigt, vor Ihm gibt es kein Ansehen der Person; alle stehen im Schutze seiner Gerechtigkeit.


11. Es muss eine Einheitssprache und Einheitsschrift eingeführt werden.

Bahá’u’lláh befahl die Einführung einer Welteinheitssprache. Es muß aus allen Ländern ein Ausschuß zusammentreten, der zur Erleichterung des internationalen Verkehrs entweder eine schon bestehende Sprache zur Weltsprache erklären oder eine neue Sprache als Weltsprache schaffen soll; diese Sprache muß in allen Schulen und Hochschulen der Welt gelehrt werden, damit dann niemand mehr nötig hat, außer dieser Sprache und seiner Muttersprache eine weitere zu erlernen.


12. Es muss ein Weltschiedsgerichtshof eingesetzt werden.

Nach dem Gebot Gottes soll durch das ernstliche Bestreben aller Menschen ein Weltschiedsgerichtshof geschaffen werden, der die Streitigkeiten aller Nationen schlichten soll und dessen Entscheidung sich jedermann unterzuordnen hat.

Vor mehr als 50 Jahren befahl Bahá’u’lláh der Menschheit, den Weltfrieden aufzurichten und rief alle Nationen zum „internationalen Ausgleich“, damit alle Grenzfragen sowie die Fragen nationaler Ehre, nationalen Eigentums und aller internationalen Lebensinteressen durch ein schiedsrichterliches „Haus der Gerechtigkeit" entschieden werden können.

Bahá’u’lláh verkündigte diese Prinzipien allen Herrschern der Welt. Sie sind der Geist und das Licht dieses Zeitalters. Von ihrer Verwirklichung hängt das Wohlergehen für unsere Zeit und das der gesamten Menschheit ab.

[Seite 1]

SONNE DER WAHRHEIT
Organ der deutschen Bahá’i
Herausgegeben vom Verlag des deutschen Bahá’i-Bundes, Stuttgart
Verantwortliche Schriftleitung: Alice Schwarz-Solivo, Stuttgart, Alexanderstraße 3
Preis vierteljährlich 1.80 Goldmark, im Ausland 2.– Goldmark
Heft 1 Stuttgart, im März 1930
Bahá — (Herrlichkeit) 86
10. Jahrgang

Motto: Einheit der Menschheit — Universaler Friede — Universale Religion


Inhalt: Bahá’i-Lehre und Politik. — Die Frühlingszeit. — Die soziale Seite der Bahá’i-Lehre — Das einfache Leben. — Glauben und Vertrauen. — Unser Flugdienst in Persien.


Gebet[Bearbeiten]

O mein Gott, o mein Gott!

Du siehst, wie ich Dir entgegeneile und wie ich mich festhalte an Deinem festlichen Gewand. Erleuchte mein äußeres und mein inneres Wesen mit dem Licht Deiner Erkenntnis.

O mein Gott, entziehe mir nicht das, was Du für Deine Erwählten bestimmt hast und gib, daß mich nichts fernhalten möge von dem, was Du in Deinem Buch geoffenbart hast.

O mein Herr! Ich bitte Dich bei dem Wort, durch das die Berge des Aberglaubens fallen und die Himmel der Religionen auseinandergerissen werden, mich so fest in Deiner Sache und so standhaft in Deiner Liebe zu machen, daß das Geschrei der Irreführenden mich nicht abhält, mich Deinem Horizont zu nahen, noch daß die Gewalttätigkeit der Ungerechten mich daran verhindern möge, fest an Deinem Buch zu halten.

Wahrlich, Du hast die Macht alles zu tun, was Du willst! Du bist der alleinige Gott, der Allmissende, der Weise!

Bahá’u’lláh.



[Seite 2]


Bahá’i-Lehre und Politik[Bearbeiten]

Das Staatsideal nach den Lehren Bahá’u’lláh’s. Von Dr. Ernst Kliemke †. (Schluß)

Für die Staatsregierung und die Teilnahme des Volkes daran entscheidet die Tatsache, daß die Menschen verschieden sind, und daß der allgemeine Wohlstand am besten gedeiht, wenn jeder die Möglichkeit hat, seine Fähigkeiten und Talente individuell zu entwickeln und an den Platz zu kommen, an dem er sich am besten nützlich machen kann. Darum sollte im Staat weder irgendeine Klasse mit Sonderrechten, noch wahllos die gesamte Masse, die nicht nach Erfahrung und Vernunft, sondern nur nach Mehrheit entscheidet, regieren. Je höher und einflußreicher ein Amt ist, desto größere Anforderungen muß der Beamte erfüllen. Einerseits muß jedes Amt für jeden erreichbar sein, andrerseits aber darf es von niemandem ausgeübt werden, der nicht zufolge seiner Erfahrungen, Kenntnisse und seines Charakters auch dafür tauglich ist. Weder Parteiinteressen noch soziale oder finanzielle Stellung, familiärer oder freundschaftlicher Einfluß dürfen eine Rolle spielen.

Das Wahlsystem ruht auf den lokalen Bahá’i-Gemeinschaften. Es gibt allen Volljährigen das Stimmrecht. Gewählt werden die Mitglieder, denen man volles Vertrauen schenken kann. Aus den Tauglichen werden die Tauglichsten ausgewählt, gleichsam wie im Sieb das Feinere vom Gröberen geschieden wird, von den lokalen Oberhäuptern bis zu den Oberhäuptern des Staates.

Wie die politischen Einrichtungen zur Zeit auch in irgendeinem Staat beschaffen sein mögen, niemals würden die Bahá’i sie gewaltsam verändern. Aber nach und nach, in dem Maße, wie der Einfluß der Bahá’i-Prinzipien wächst, würde sich das politische Leben auch ohne eine solche Veränderung der Einrichtungen wandeln. Stellen wir uns vor, wie anders ein Parlament arbeiten würde — ohne daß seine Einrichtung geändert zu werden brauchte —, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder aus Bahá’i bestünde. Jeder Staat und die ganze Menschheit würden aus den Bahá’i-Prinzipien Nutzen ziehen. Darum kann jeder Mensch, der Kultur und Fortschritt will, nur wünschen, daß die Bahá’i-Prinzipien unter allen Völkern der Erde verbreitet werden und mehr und mehr die äußere wie die innere Politik eines jeden Staates beeinflussen möchten.

Es ist dazu nicht nötig, dem Namen nach Bahá’i zu sein. 'Abdu'l-Bahá (der Sohn und Nachfolger Bahá’u’lláhs) sagte, daß ein Mensch, der nach den Bahá’i-Prinzipien lebt, schon Bahá’i ist, auch wenn er diesen Namen niemals gehört hat. Denn „Bahá’i“ sein bedeutet einfach, die ganze Welt, die ganze Menschheit zu lieben und sich zu bemühen, ihr zu dienen und für den universalen Frieden und die universale Brüderschaft zu arbeiten.

Alle Politik hängt von den Menschen, die sie machen, ab. Egoistische Menschen machen egoistische Politik. Die Bahá’i-Lehre zielt darauf ab, Herz und Geist mit Liebe und Güte zu erfüllen, das Gemeinleben der Menschen so zu ordnen, daß sie zu ihrem eigenen Nutzen nach den Geboten der Liebe und Güte zu leben vermögen. Je mehr Menschen dies tun, je mehr Liebe und Güte das Gemeinleben durchdringt, desto besser, edler und segensvoller wird die Politik werden.

(Aus der im Bahá’i-Esperanto-Verlag, Wandsbeck, Postschließfach 8, erscheinenden Esperanto-Zeitschrift „La Nova Tago“, übersetzt von Marg. Walcker, Rostock.)



Die Frühlingszeit[Bearbeiten]

Aus den Schriften 'Abdu'l-Bahá’s. Aus dem Englischen übersetzt von Karl Klitzing, Schwerin i. M.

Star of the West. März 1929.

„Gelobt sei Gott! Der Frühling Gottes ist nahe. Dieses Jahrhundert ist wahrlich die Frühlingszeit. Die Welt des Geistes und das Reich der Seele sind durch seine Gaben erneuert und erfrischt worden. Er (der Frühling (Der Übersetzer.)) hat das [Seite 3] ganze Reich des Seins neu belebt. Auf der einen Seite leuchten die Lichter der Wirklichkeit, auf der anderen senden die Wolken der göttlichen Gnade die Fülle der himmlischen Freigebigkeit hernieder. Wunderbarer materieller Fortschritt ist wahrnehmbar und große geistige Offenbarungen sind im Gange. Wahrlich, diese Zeit kann das Wunder der Jahrhunderte genannt werden, denn sie ist erfüllt mit Offenbarungen des Übersinnlichen. Die Zeit ist gekommen, in welcher alle Menschen geeinigt werden und alle Rassen einem Vaterlande treu sein sollen, alle Religionen eine Religion werden und Vorurteile der Rasse und Religion verschwinden. Es ist der Tag, an dem die Einheit der Menschheit ihre Standarte hochhalten und der internationale Friede, gleich dem wahren Morgen, die Welt mit seinem Lichte überfluten wird.

(Die Verkündigung des Universalen Friedens, Seite 148.)


„Die Herrschaft des Königreichs ist eine Einheit. Der einzige Unterschied besteht darin, daß wenn die Frühlingszeit anbricht, eine neue und wunderbare Veränderung und Verjüngung an allen bestehenden Dingen sichtbar wird. Die Berge und Matten werden neu belebt. Die Bäume erhalten ein frisches und schönes Aussehen und sind mit strahlenden und leuchtenden Blättern, Blüten und Früchten bekleidet.

Ebenso bilden die vorhergehenden Manifestationen mit den folgenden Offenbarungen eine unzertrennliche Kette; ja, mehr noch: sie sind miteinander identisch. Da die Welt sich beständig entwickelt, werden die Strahlen stärker, die Ausgießung wird größer, und die Sonne erscheint im Zenit.“

(Tablets, Band 3, Seite 537.)


„Wenn der Frühling kommt, so liegt in seinem Erscheinen eine göttliche Weisheit. Gott hat ein besonderes Ziel, die Erde in ihrer Freigebigkeit wieder erscheinen zu lassen. Denn die abgestorbene Erde wird wieder zum Treiben gebracht, damit das Leben der Pflanzen und Blumen fortdauere und wieder hervorgebracht werden kann. Die Bäume treiben ihre Blätter und können in ihrer Art köstliche Früchte hervorbringen. Alle Vögel und Tiere, alle beseelten Wesen freuen sich über das Kommen des Frühlings und werden durch diesen neu belebt. Ist dem nicht so, so ist es nicht Frühling; es kann Herbst sein. Aber es ist möglich, daß der Frühling kommen kann, und dennoch ein Baum, der in schlechtem Boden wurzelt, keinen Anteil an diesen belebenden Kräften hat. Oder ein fruchtloser Baum kann keine Früchte tragen, obgleich die warme Sonne und die Frühlingsregen auf ihn herabkommen.

Ebenso vermag eine böse Seele aus dem Kommen einer Manifestation Gottes keinen Nutzen zu ziehen, keine Frucht hervorzubringen. Die göttliche Frühlingszeit, die in anderen Seelen geistige Blumen hervorbringt, vermag die Seele nicht zu veredeln, die böse ist. Ebenso wie alles durch die Schönheit des wirklichen Frühlings belebt, erfrischt und erneuert wird, so erhält im allgemeinen jede Seele von der Manifestation, wenn sie erscheint, einigermaßen Erleuchtung und Wachstum. Er (der Gottgesandte) ist der „Göttliche Frühling“, der nach dem langen Winter des Todes und der Untätigkeit erscheint. Die Weisheit Gottes wird in seinem Kommen sichtbar. Er schmückt die Seele des Menschen mit neuem Leben, göttlichen Eigenschaften und höheren geistigen Fähigkeiten. Hierdurch wird die Seele aufgeklärt und erleuchtet. Was dunkel, unklar und verworren ist, wird licht, verheißungsvoll und gelangt zu neuem Wachstum. So werden in der „Göttlichen Frühlingszeit“ die Blinden sehend, die Tauben hörend, die Stummen beredt, die Furchtsamen mutig und die Unachtsamen erwachen zu neuer Betätigung. Kurz gesagt, sie sind das Ebenbild dessen geworden, was sie nach Gottes Plan sein sollen, und worüber in den himmlischen Büchern gesagt ist, daß sie die wirkliche Stufe des Menschen sei. Dies ist die Macht, der Zweck und das Wesen des Himmlischen Frühlings“.

(Zehn Tage im Lichte Akkas, Seite 57.)


„Die Göttlichen Religionen sind wie der Fortschritt der Jahreszeiten. Wenn die Erde kahl und öde wird, und infolge von Frost und Kälte keine Spur des vergangenen Frühlings übrig bleibt, erwacht wieder der Lenz und kleidet alles in ein neues Gewand des Lebens. Die Wiesen werden frisch und grün; [Seite 4] die Bäume schmücken sich mit neuem Grün und bringen Früchte hervor. Dann kommt der Winter wieder und alle Spuren des Frühlings verschwinden. Dies ist der beständige Kreislauf der Jahreszeiten: Frühling — Winter, dann die Wiederkehr des Frühlings. Aber obgleich der Kalender sich verändert und die Jahre dahinschwinden, ist jedes neue Frühjahr die Wiederkehr des vergangenen. Dieser Frühling ist die Erneuerung des früheren. Frühlingszeit ist Frühlingszeit; ungeachtet dessen, wann und wie oft sie auch kommen mag.

Die Göttlichen Propheten sind wie das Kommen des Frühlings; jeder erneuert und belebt die Lehren des Propheten, der ihm voranging. Gerade so, wie Neubelebung, Frühlingsschauer und Schönheit für jede Frühlingszeit wesentlich sind, so ist das Wesen der Aufgabe und Erfüllung aller Propheten ein und dasselbe. Heute haben die religiösen Menschen die wesentliche Wirklichkeit des geistigen Frühlings aus den Augen verloren.“

(Die Verkündigung des Universalen Friedens, Seite 122.)


„Heutzutage ist Bahá’u’lláh der Sammelpunkt der Einheit der ganzen Menschheit, und der Glanz Seines Lichtes ist wieder im Osten aufgegangen. Er begründet die Einheit der Menschheit in der Welt. Er begründet die Harmonie und Übereinstimmung unter den verschiedenen Anhängern der religiösen Glaubensbekenntnisse, Benennungen, Sekten und Kulte dadurch, daß Er sie von den Fesseln überlieferter Nachahmungen und abergläubischer Handlungen befreite und sie zu der wirklichen Grundlage der göttlichen Religionen führte. Von dieser Grundlage gehen die Strahlen der Geistigkeit aus, welche sind: Einheit, Liebe zu Gott, hohe Moral und die Tugenden des Menschengeschlechts. Bahá’u’lláh erneuerte diese Prinzipien gerade so, wie das Kommen des Frühlings die Erde erneuert und allem Sichtbaren neues Leben verleiht. Denn die Lieblichkeit der früheren Frühlingszeit hatte abgenommen, die Belebung hatte aufgehört, die belebenden Winde tragen ihre Düfte nicht mehr weiter, der Winter und die trübe Jahreszeit waren angebrochen. Bahá’u’lláh kam, um das Leben der Welt durch diesen neuen und göttlichen Frühling zu verjüngen ... Die geistige Frühlingszeit ist angebrochen. Unaufhörliche Wohltaten und Begünstigungen sind sichtbar geworden. Gibt es eine größere Gabe als diese?“

(Die Verkündigung des Universalen Friedens, Seite 159.)


„Danket Gott, daß ihr in diesem strahlenden Jahrhundert ins Leben tratet, in dem die Gaben Gottes an allen Enden zum Vorschein gekommen sind, in der die Tore des Königreiches für euch geöffnet wurden, der Ruf Gottes erscholl und die Tugenden der menschlichen Welt sich in fortschreitender Entwicklung befinden. Der Tag ist angebrochen, an dem alle Dunkelheit zerstreut wird, und die Sonne der Wahrheit strahlend hervorbricht. Diese Zeit kann für die Welt mit dem Äquinoktium (Tag- und Nachtgleiche) in dem jährlichen Kreislauf verglichen werden, denn wahrlich, dies ist die Frühlingszeit Gottes. In den heiligen Büchern ist eine Verheißung enthalten, daß die Frühlingszeit Gottes sich selbst kund tun werde ... Zur Zeit des Frühlingsäquinoktiums ist in der Welt der Materie eine wunderbare vibrierende Kraft und neue Lebensbeseelung zu beobachten ... Die ganze Welt ist neu geboren, wieder auferstanden.

Ebenso erfüllen die geistigen Wohltaten und die Frühlingszeit Gottes die Welt der Menschheit mit neuem Geist und Leben. Alle Tugenden, die wirkungsvoll in das menschliche Herz gelegt wurden, werden von jener Wirklichkeit wie Blumen und Blüten aus den göttlichen Gärten offenbart. Es ist ein Tag der Freude, eine Zeit des Glückes, ein Zeitabschnitt geistigen Wachstums.“

(Die Verkündung des Universalen Friedens, Seite 35.)


Denket darüber nach, welch einen Einfluß es auf die Erde hätte, wenn kein Frühling mehr für sie anbrechen würde? Sie würde ohne Zweifel veröden, und das Leben würde auf ihr erlöschen. Die Erde bedarf jährlich eines neuen Frühlings. Es ist notwendig, daß neue Wohltat zum Vorschein kommt. Sollte dies nicht eintreten, so würde das Leben verlöschen. Ebenso hat die Welt des Geistes neues Leben notwendig; sie [Seite 5] bedarf neuer Anregung und Entwicklung, die Welt der Seelen einer neuen Wohltat, die Welt der Sittlichkeit einer Reformation und die Welt des göttlichen Glanzes beständig neuer Gaben. Wäre es nicht dieser Erfüllung wegen, so würde das Leben auf dieser Welt vernichtet und ausgelöscht werden. Der wichtige Faktor in der menschlichen Vervollkommnung ist der Geist. Im Bereich des Gemütes muß das Bedürfnis zur Entwicklung und Vervollkommnung vorhanden sein. Es muß sich im Reiche des menschlichen Geistes eine Umgestaltung vollziehen, sonst wird mit der Verbesserung der physischen Gestaltung allein kein Ergebnis erreicht werden... Denn die wesentliche Wirklichkeit ist der Geist, die Grundlage ist der Geist, das Leben des Menschen ist dem Geist zuzuschreiben, das Glück, die Gesinnung, das Strahlende, die Seligkeit des Menschen, sie alle sind dem Geist zuzuschreiben, und wenn in dem Geiste keine Erneuerung stattfindet, wird es im menschlichen Dasein keinen Erfolg geben.“

(Star of the West, Band 17, Seite 361.)


„Die Zeit ist für die Welt der Menschheit gekommen, die Standarte der Einheit der Menschheit zu hissen, damit die Solidarität und Einheit alle Nationen der Welt miteinander verbinden kann, damit dogmatische Formeln und abergläubische Handlungen ein Ende finden und damit die wahre Wirklichkeit, die allen von den Propheten gebrachten Religionen zu Grunde liegt, geoffenbart werden kann.

Es gibt nur diese eine Wirklichkeit. Sie ist die Liebe Gottes, der Fortschritt der Welt, die Einheit der Menschheit.

Diese Wirklichkeit ist das Band, welches die ganze menschliche Rasse vereinigen kann. Diese Wirklichkeit ist das Erreichen der Wohltaten des größten Friedens, durch Abschaffung der Kriegsführung.

Diese Wirklichkeit bedeutet Fortschritt, Lösung der ungeheueren Aufgaben des Lebens, Einheit der öffentlichen Meinung. Deshalb strebet, o ihr Menschen, und bemühet euch, daß diese Wirklichkeit die schwächeren Mächte im Leben überwinden kann, damit dieser König der Wirklichkeit über die ganze Menschheit allein regiere.

Auf diese Weise muß die Menschheit reformiert werden. Auf diese Weise kann eine neue Frühlingszeit eingeführt werden, und ein frischer Geist kann die Menschheit wieder beleben.

Die einzelnen Menschen werden, gleich gepflegten Bäumen, Blätter, Blüten und Früchte tragen, so daß die Erde das Aussehen des lange verheißenen und herrlichen Paradieses annehmen wird, so daß die große Gnadengabe, die erhabenen Tugenden der Menschheit auf Erden strahlen werden. Dann wird die bestehende Welt ihre Reife erreicht haben.

Dies ist meine Botschaft.“



Die soziale Seite der Bahá‘i-Lehre[Bearbeiten]

Aus Essay über die Bahá’i-Lehre, ihre Geschichte und soziale Seite, von Hippolite Dreyfus, deutsch von M.L. Fack. (Schlußkapitel).


Vaterlandsliebe.

Ich habe schon erwähnt, daß die beiden Pfeiler, auf welche sich die Geisteswissenschaft der Bahá’i stützt, Liebe und Arbeit seien. Ich habe auch schon erklärt, wie diese Liebe zunächst im Verhalten eines Bahá’i den verschiedenartigen Menschen gegenüber — gleichgültig, welcher Rasse oder Konfession diese angehören — zum Ausdruck kommt.

Wenige Ideen haben bisher großzügigere Handlungen und edlere Aufopferung gezeitigt, aber wenige haben auch, fürchte ich, so viel blinden Fanatismus und Bruderkämpfe auf dem Gewissen, als der Vaterlandsgedanke. Denn leider geschieht es mit großzügigen Gedanken aus der Masse gar oft, daß sie in den Händen Skrupelloser oder daran interessierter Minderheiten ein leicht zu handhabendes Werkzeug zur Befriedigung persönlicher Ziele werden. Auch im Tablet Ishrakat steht:

„Die herrlichste Frucht am Baume der Weisheit ist jenes erhabene Wort: ihr seid alle die Früchte eines Baumes und die Blätter eines Zweiges. Ruhm gebührt nicht [Seite 6] dem, der sein Vaterland liebt, sondern dem, der die ganze Menschheit liebt.“ (Les Préceptes du Béhaisme S. 57.)

Was bedeutet das? Daß es nicht genügt, nur Liebe zu seinem Vaterland zu haben, die jedem Individuum als gebieterische Notwendigkeit, das Heimatland gegen ihm drohende Gefahren zu verteidigen, angeboren und im Grunde nur eine Art Erhaltungstrieb ist. Wer sich der Würde seines Menschtums bewußt ist, muß über dies hinaus gehen: er muß die gleiche Liebe für die ganze Menschheit empfinden. Muß man deshalb einen solchen Menschen, wie gewisse Leute behaupten, als entartet ansehen? Gibt es keine Trennung zwischen Internationalismus und Antipatriotismus? Das Dörfchen mehr lieben als das Haus, das Land mehr als das Dorf und die ganze Welt mehr als das Land, heißt ja nicht, daß man sein Vaterhaus nicht liebte. Aber aus dieser Liebe zur Scholle, die so natürlich ist, daß man sie Mensch wie Tier zuschreiben kann, muß, zugleich mit der Achtung vor dem Heim unseres Nachbarn, die Vaterlandsliebe im höheren Sinn erwachsen. Wir müssen, indem wir bereit sind, in unser Heim jeden Mitmenschen aufzunehmen, gegenseitig das Vorurteil des Fremdfühlens verlieren und dazu gelangen, die ganze Welt als einheitliches Vaterland anzusehen, die bisher durch die erschwerte Verständigung und durch die noch partikularistischen Zivilisationen einer vorübergehenden künstlichen Trennung unterworfen wurde. Auf diese Weise wird der Vaterlandsgedanke an Gewalt und Feindseligkeit verlieren und es bedarf nur noch der bestmöglichen Entwicklung jeder Nation, als einem Teil zu dem großen universellen Vaterland.


Arbeit.

Wenn die Bahá’i-Lehre auch den größeren Teil der gefühlsmäßigen Seite der menschlichen Natur berührt, so vernachlässigt sie doch nicht die praktische Seite, und in diesem Sinne ist ihr Reich wohl auch von dieser Welt.

„O mein Diener, es gibt nichts Verachtungswürdigeres in dieser Welt als einen Menschen, der unnütz dahinlebt. Er ist wie ein Toter . . . Die besten Menschen sind die, die ihren Unterhalt verdienen und für sich und ihre Mitmenschen sorgen aus Liebe zu Gott, dem Herrn der Schöpfung.“ (Verborgene Worte)

Außerdem wird im Kitabu'l-Aqdas jedem Menschen ernstlich anbefohlen, einen Beruf, eine Kunst oder ein Handwerk auszuüben, wodurch er seinen Lebensunterhalt erwirbt und es ihm möglich ist, alle seine Hilfsquellen zu seinem und seiner Mitmenschen Wohl zu nützen. Der Müßiggang ist auf allen Gesellschaftsstufen und unter allen Himmelsstrichen die große Begünstigerin des Elends.

Als gewinnbringenden Beruf läßt die Bahá'i-Lehre den Priesterstand nicht zu. Somit ist die Pflicht der Ausübung einer praktischen Tätigkeit im Verein mit dem unumschränkten Verbot, für die Ausübung oder das Lehren der Religion ein Entgelt entgegenzunehmen, ein wirksames Hindernis für die eventuelle Einsetzung einer Priesterschaft innerhalb der Bahá’i-Lehre. Es ist bekannt, daß der Wegfall jeglicher priesterlicher Gewalt eines der grundlegenden Merkmale der Lehre Bahá’u’lláhs ist; und dieses Verbot einer materiellen Ordnung ist die praktische Bestätigung für zahlreiche Stellen in Seinen Werken, durch welche Er Seine Nachfolger vor allem warnt, was auch nur im entferntesten einem Priestertum ähneln könnte.

„Es ist euch untersagt, die Kanzel zu besteigen. Wer für euch beten will, der nehme Platz auf dem Diwan und erwähne von dort aus Gott, seinen Herrn, den Herrn aller Geschöpfe.“ (Kitabu'l-Aqdas S. 53 (französische Ausgabe))

Man braucht sich nicht darauf zu stützen, um zu zeigen, wie wichtig dieser eine Punkt der Organisation, so geringfügig er scheinen mag, in seinen Folgen ist: was würde das Blendwerk der Priester über die Menge vermögen, wenn sie, anstatt von ihren Kanzeln oder von den Stufen des Altars herab zu predigen, sich mitten unter sie mischten?

So ist nicht nur ein Mönchsdasein in jeglicher Gestalt zu verurteilen, sondern alles, was unter dem Deckmantel der Religion den Menschen von der Ausübung seiner weltlichen Tätigkeit abhält.

„O ihr Priester, verlaßt eure Glocken und kommt hervor aus euren Kirchen.“ [Seite 7] schrieb Bahá’u’lláh im Lohé-Aqdas, einer Epistel, die sich hauptsächlich an die Christen wandte (Verborgene Worte.) und ermahnte so die katholischen Priester, viel mehr in das Leben einzudringen und sich nicht in die Ehelosigkeit zu flüchten zum Schutz vor Schwierigkeiten und Aufgaben, die jedem Menschen auferlegt sind. Nur dann könnten sie wahrhaftig Priester sein, sonst aber würden sie sich stets um die schönste und wirksamste Predigt bringen, die Predigt des Beispiels.

Wir haben eben gesehen, daß die Bahá’i-Lehre vom Menschen verlangt, seine Arbeitskraft in gewinnbringender Weise zu betätigen, so daß er dabei seinen Lebensunterhalt findet. Demzufolge verkündet sie offiziell die Rechtmäßigkeit des persönlichen Besitzes und des erworbenen Vermögens.

„Wenn der Mensch anfängt, das Leben zu begreifen und in das Alter kommt, da er verständig wird, hat er ein Anrecht auf Reichtum und dieser Reichtum ist, wenn er in der Industrie oder im Handel erworben wird, lobenswert und von den Weisen gutgeheißen, vor allem für die, die sich aufgemacht haben, der Erziehung der Menschheit und der Belehrung des Volkes zu dienen.“ (Les Préceptes du Béhaisme S. 25.)

Hier ist kein Raum für gewisse Sammeltheorien der Kommunisten, die heutzutage so sehr beliebt sind und die für utopistisch veranlagte Gemüter verführerisch scheinen mögen, aber jede individuelle Initiative und jeden Fortschritt zerstören. Gerade indem die Bahá’i-Lehre das begünstigt, was zur Entwicklung des einzelnen beiträgt, versteht sie es, das Gesellschaftsleben zu heben.

Die Abgabe des neunzehnten Teils des Kapitals, wovon zuvor die Rede war, die die Beisteuer jedes einzelnen zu den sozialen Aufgaben darstellt, wird immer verhindern, daß von einzelnen zu große Vermögen zurückbehalten werden ohne Nutzen für die große Masse, da jede Vermehrung des Kapitals ihr unterworfen ist.

Beschlüsse wie die Sozialisierung des Produktionswesens, die Einschränkung des Gewinnes und die Regelung der Arbeitsteilung zur Schaffung gleicher Vorteile sind Maßnahmen, die ihr Gutes haben können. Aber das genügt nicht. Der Sozialismus kann sich nicht einzig und allein durch das Gesetz den Menschen aufzwingen lassen, er muß ihnen von Herzen kommen. Auf andere Weise, wenn die große Masse nicht bereit ist, alte Irrtümer aufzugeben und vorauszusetzen, daß derartige Maßnahmen nicht durch die geändert werden können, denen sie beschwerlich wären, wer sieht da nicht ein, daß sie Gefahr laufen würden, nur eine Enteignung der Minderheit ohne Nutzen für die Allgemeinheit zu bezwecken und die Gesellschaft in Verwirrung zu stürzen?

Nicht von der Verwirrung erwarten die Bahá’i im Gegensatz zu gewissen aufgeklärten Theoretikern den Fortschritt, sondern von einem gewissenhaften und dauernden Sich-Üben in Liebe und Gemeinschaftlichkeit.

„O Kinder des Staubes, laßt die Reichen den Jammer des Armen beim Morgengrauen erfahren, damit ihre Sorglosigkeit ihnen nicht zum Verderben werde, und sie nicht ihres Anteils an den Segnungen des Baumes des Lebens verlustig gehen.“ „O ihr Reichen der Erde, Ich vertraue euch die Armen auf Erden an: sorget für sie und beschäftigt euch nicht einzig und allein mit eurem materiellen Wohlstand!“ (Verborgene Worte.)

Jahrelang ermahnte 'Abdu'l-Bahá Seine Zeitgenossen zur Betätigung solcher Menschenfreundlichkeit. Ehe die Freiheitsgedanken in Persien die feste Gestalt angenommen hatten, die in der heutigen Umwälzung gipfelt und trotz der Schwierigkeiten und Verzögerungen im Anfangsstadium gegenwärtig am Werk. ist, das Land zu regenerieren, kündigte Er Seinen Jüngern schon alles das an, was sie von der Beherzigung dieses Einigungsmittels zu erwarten hätten. Indem Er ihnen davon abriet, sich in politische Kämpfe einzulassen, welche nur solche heranziehen sollen, denen ihre Amtsverrichtung oder ihr Studium die notwendigen Befugnisse dazu gibt, fordert Er sie im Gegenteil auf, ihre Kräfte auf die Verwirklichung der Verbesserungen, die nur von ihnen abhingen, zu konzentrieren: Zusammenschlüsse zur Reinerhaltung der Lehre, Gesellschaften für wissenschaftliche Forschungen und Versammlungen zur Ausbildung der Ethik zu begründen. Mit einem Wort, ihren Fleiß auf solche Fragen zu verwenden, in denen die eigenste Initiative der Wegweiser für einen Staat sein kann und soll.

[Seite 8] Auf diese Weise erklärt sich die scheinbar passive Rolle, die die Bahá’i bei den gegenwärtigen Ereignissen in Persien und in der Türkei gespielt haben. Aber wenn sie sich auch von der Mitwirkung an Handlungen zurückhielten, die die öffentliche Ordnung gestört haben, kann sich doch niemand der Erkenntnis verschließen, daß die Veränderungen, die im Gange sind, hauptsächlich der allmählichen Einwirkung der freisinnigen und fortschrittlichen Ideen ihrer Lehre zuzuschreiben sind?

Ein so weitläufiges Thema wie das soeben gestreifte, hätte, da es das ganze Gebiet menschlicher Tätigkeit umfaßt, eigentlich eine ausführlichere Behandlung benötigt. Es sollte aber in dieser flüchtigen Skizze nur der universale Charakter der Bahá’i-Religion und ihre Moral gezeigt und angeführt werden, daß es wohl eine praktisch anwendbare Religion gibt, eine Art zu leben, die jedem Kreis zusagen wird und am meisten, wie ich glaube, der Entwicklung und dem besten Fortschritt des Einzelwesens und der Gesellschaft dient.

Das Ende der Herrschaft des Dogmas gibt den Weg für die menschliche Vernunft frei. Nicht mehr in den Geheimnissen verlassener Heiligtümer wird der Mensch das ewige Geheimnis suchen: die Wissenschaft wirft das Licht ihrer Fackel tagtäglich in das Reich der Natur, aus der auch das Übersinnliche nicht ausgeschlossen ist. Und in dieser Beziehung wird das Laboratorium den Tempel ersetzen. Aber die Religion bleibt immer die sicherste und für alle sozialen Organisationen so notwendige Grundlage und die einzig mögliche Verbindung zwischen den Volksgemeinschaften. Um ihr Ziel zu erreichen, braucht sie nicht stereotyp in ihrer ursprünglichen Form zu verharren: sie muß sich mit dem Fortschritt der Menschheit, dessen Urheber sie ist, umgestalten. Wenn die verschiedenen Kulte und Zeremonien, die fast noch alles sind, was von den früheren Religionsformen besteht, fallen, wenn kein Glaubensbekenntnis mehr aufgezwungen werden kann, brauchen nur unsere Handlungen mehr und mehr in moralischer Hinsicht dem Schönheitsideal zu entsprechen, über das wir uns alle einig sind. Mehr und mehr verstehen wir dann, daß wir, um das wahrhafte Leben zu leben, uns nur zu bemühen brauchen, mit allen unseren Kräften der göttlichen Schöpfung des Alls zu dienen!

Die Bahá’i-Lehre zeigt einem jeden den Weg, den er gehen muß, um dieses Ziel zu erreichen. Daraus erklärt sich ihr rascher Fortschritt in der Welt und die Tatsache, daß sie allen denen, die sich mit ihr befassen, als Inbegriff ihrer höchsten Erwartungen erscheint.


Das einfache Leben[Bearbeiten]

Das Leben ist so einfach, nicht kompliziert, einfach wie alles Wahre. Nur uns Menschen erscheint es kompliziert, weil wir den Schlüssel dazu nicht in Händen zu halten pflegen. Würden wir besser lernen, die Zusammenhänge zu erkennen, so würden wir oft weniger verzweifeln und uns besser hineinfinden in die Wechselfälle des Lebens.

Leben ist ein Stück Naturgesetz. Darum dürfte im wirklichen Leben genau so wenig Platz für Tragik sein, wie es in der übrigen Natur der Fall ist. Tragik ist ein Begriff, den der Mensch aus dem Gefühl seiner Unzulänglichkeit heraus geschaffen hat.

Die Wirklichkeit ist die: das Leben besteht wie alles Sein aus einer Kette naturgegebener Aufgaben mit zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten zu ihrer Lösung. Wir müssen die Aufgaben lösen, weil wir durch die Geburt in sie hineingestellt sind. Werden wir einfach von vornherein sagen: ich kann sie nicht lösen? Es gibt Menschen, die das tun, kraftlose Pessimisten, und sie haben es nicht anders verdient, wenn sich das Leben für sie anders gestaltet, als sie es sich wünschen.

Und es gibt Menschen, die versuchen zunächst, doch wenn ihnen nicht gleich die Meisterung der Lebensaufgaben glückt, so geben sie es auch auf. Aber das Leben hat für seine Aufgaben mancherlei Kombinationen. Probieren und probieren wir darum immer wieder die Lösung. Wenn wir nur die nötige Ausdauer und Zuversicht besitzen, müssen wir sie schließlich finden.

Was macht den Weisen zum bewundernswürdigen Vorbild? Die Ruhe und Sicherheit, mit der er den Fragen des Lebens begegnet. Er hat die Ruhe, weil er die Ordnung in allem Geschehen erkennt und weiß, daß es die Aufgabe [Seite 9] des Menschen ist, nicht blind in den Tag hineinzugehen und mit Willkür zu handeln, sondern bewußt sein Tun so zu gestalten, daß es der natürlichen Ordnung entspricht.

Allerdings: bewußtes natürliches Handeln bedingt Erkennen der natürlichen Ordnung. Diese Erkenntnis liegt im Menschen drin, er wäre wohl natürlich, hätte er sie nur nicht durch Aberglauben und blinde Nachahmung durch die Zeitalter hindurch verdorben, denn auch das Tier, so lange es nicht seinen ursprünglichen Lebensbedingungen entfremdet ist, empfindet die natürliche Ordnung. Aber durch Jahrtausende hindurch hat die Menschheit die Gabe des Verstandes statt zur Vertiefung ihrer Erkenntnis der natürlichen Zusammenhänge mißbraucht, um bloßen Einbildungen nachzujagen. In den Lehren der großen Manifestationen ist immer der Weg zur natürlichen Erkenntnis gegeben gewesen, zu allen Zeiten erscheinen sie, um die im Menschen ruhende Gabe des Erkennens zu wecken. Doch zumeist sind nur wenige bereit gewesen, ihrem Weg zu folgen. Und doch hat es wohl so sein müssen, daß durch Irrwege und Leid hindurch die Menschheit erst allmählich zur Reife hat heranwachsen müssen. Daß wir heute diesen Weg erkennen und uns der Entwicklung bewußt werden, ist die beste Gewähr, daß die Menschheit heute bereiter ist, als vor Jahrhunderten und Jahrtausenden, daß sie reifer den Fragen des Lebens gegenübersteht, als es frühere Zeitalter taten. Im aufrichtigen, voraussetzungslosen Studium der Worte und Schriften der Manifestationen finden wir das wirkliche einfache Leben wieder. Könnten wir uns eine schlichtere Erklärung dessen, was das Leben bedeutet, denken, als jenes „Das Leben zu leben heißt...“ von 'Abdu'l-Bahá? Diese Erklärung ist so gar nicht kompliziert und doch so erschöpfend, daß es keine Frage des Lebens gibt, auf die wir nicht daraus die Antwort entnehmen könnten. Die Lehren Bahá’u’lláhs und 'Abdu'l-Bahás bergen einen Schlüssel, der dem aufrichtigen Sucher immer die Pforte aufschließen wird zum Paradies der Erkenntnis. Sie sind der Ausgangspunkt wahrhaft unerschütterlicher Weisheit.

Es ist ein großes Unglück für zahllose Menschen, daß sie sich in eine Welt schlechten Schauspiels und schlechter Romane steigern. Ja, genau genommen, wie wenige sind frei von Schauspielerei? „Ich bin so nervös“, „ich bin so leidend“, „ich werde vom Schicksal verfolgt“, das ist ihre Ausdrucksweise. Sie gefallen sich in ihrer Nervosität, in ihrem Leiden und in ihren Schicksalsschlägen und erwarten von den andern als eine Selbstverständlichkeit, daß sie ihnen darum eine Sonderstellung gewähren, besonders auf sie Rücksicht nehmen, sie besonders schonen...

‘Abdu’l-Bahá war durch unsägliche Strapazen hindurchgegangen, die Seinen Körper auf das stärkste geschwächt hatten. Trotzdem hat Er ununterbrochen für die Menschheit geschafft, ein paar einzige Stunden Schlaf des Nachts waren Seine Erholung. Er hatte keine Zeit, nervös zu sein, keine Zeit, Leiden nachzuhängen, keine Zeit, Sein Schicksal zu beklagen. Im Gegenteil: Er war allezeit strahlend und aufrecht. Freilich: ‘Abdu’l-Bahá wußte, daß Leben Pflicht heißt, und daß die Erfüllung der Pflicht die Schönheit des Lebens bedeutet. Wer Seinen Weg geht, ‘Abdu’l-Bahás Weg der selbstverständlichen Pflichterfüllung, der wird auch den Schlüssel finden und erkennen, wie einfach und ohne Pose das Leben ist. Dann wird sich seinem Erkennen eine ständige Quelle der Freude erschließen.

Dr. H. Gr.



Glauben und Vertrauen[Bearbeiten]

Von Dr. Hermann Großmann, Weinheim

Selbst bei Menschen, die an sich religiös sind und an eine geistige Wirklichkeit neben der materiellen glauben, finden wir nur allzuoft, daß sie in ihrem Handeln der geistigen Wirklichkeit wenig Vertrauen schenken. Ihr Glaube wurzelt nur in einem unklaren Empfinden, nicht in einer bestimmten, klaren Vorstellung. Die geistige Wirklichkeit, an die sie glauben, ist für sie im Grunde keine Wirklichkeit sondern Traum, und darum ziehen sie vor, sich im entscheidenden Augenblick allein auf die materielle Wirklichkeit zu verlassen, die ihnen vertrauenswürdiger erscheint. Ein solcher bloßer Glaube, der nicht durch klare Anschauung und Erkennen zum Erleben geworden ist, läuft immer Gefahr, zusammenzubrechen, sobald ernstliche [Seite 10] Anforderungen an ihn gestellt werden. Und doch — wenn alle materielle Hoffnung zusammenbricht, dann regt sich wiederum im Menschen die letzte Hoffnung: der Glaube an irgend etwas, an irgend eine geistige Wirklichkeit, die ihm noch helfen könnte.

So erkennen wir die Mehrzahl der Menschen in einem ständigen Hin und Her zwischen geistiger und materieller Wirklichkeit pendelnd, ohne zu einer Entscheidung zum einen oder andern kommen zu können, und der Grund liegt im mangelnden Erkennen der geistigen Wirklichkeit.

Die primitiven Völker der Südsee und anderer Gegenden, Menschen, die noch in innigerer Verbindung mit der Natur leben, als es der Kulturmensch zu tun pflegt, besitzen in der Regel noch ein weit stärkeres Empfinden für die Wirklichkeit geistiger Kräfte, dessen Reste wir übrigens auch beim Kulturmenschen in allerhand abergläubischen Gebräuchen erhalten finden. Dieses Empfinden äußert sich in dem Gefühl einer gewissen Abhängigkeit, eines Unterworfenseins unter Kräfte, die mit dem Schleier der Mystik umgeben sind, und aus diesem Abhängigkeitsgefühl ergibt sich der Trieb, sich die unbekannten Kräfte geneigt zu machen, ein Verhalten, das durchaus demjenigen gegenüber den materiellen Kräften entspricht: wie sich der schwache Mensch die Gunst des starken durch Tributleistung und Bitten erkauft, so versucht er, durch Opfer und Beten die Gunst der mächtigen geistigen Kräfte zu gewinnen.

Mit zunehmender Entwicklung der materiellen Erkenntnis aber verliert sich dieses Verbundenheitsgefühl mit der geistigen Wirklichkeit mehr und mehr. Das Vertrauen auf die Wirksamkeit des Opfers und Gebetes schwindet in dem Maße, wie die Furcht vor den Kräften, denen sie entgegengebracht werden, schwindet. Aus der lebendigen Gottheit wird ein bloßer Götze, und wie dann eines Tages irgend ein vorwitziges Menschlein erkennt, daß der Götze ja nichts als ganz gewöhnliches Holz oder Stein ist, da schwindet auch der letzte Rest von Furcht vor der geistigen Wirklichkeit. Der Mensch hat seinen neuen Gott in der Materie gefunden, nur sie ist ihm wirklich, und so stellt er sein Vertrauen allein auf die materielle Kraft ein. Wo sich noch der Glaube an geistige Wirklichkeit hält, da erhält er sich gewohnheitsmäßig, verschwommen im Gefühl, ohne daß ihm irgend welche lebendige Kraft bleibt. — Bis irgend eine große Not den Menschen hilflos der Vernichtungskraft und der inneren Leere der Materie gegenüberstehen läßt und er sich wieder besinnt, daß da doch wohl einmal noch eine andere Wirklichkeit war als nur die der Materie.

Wenn wir uns aus diesem Pendelzustand herausreißen wollen, so bleibt nur ein Weg: wir müssen lernen, die geistige Wirklichkeit bewußt als genau so wirklich zu erkennen, wie wir es bei der materiellen tun, wir müssen sie aus der Erkenntnis heraus erleben, wie wir täglich die materielle Wirklichkeit erleben.

Wie können wir das? Gewisse Richtungen versuchen, sich durch eine Art fortgesetzter Selbstsuggestion in ein spontanes Erleben hineinzusteigern. Ein solches Erleben kann unter Umständen wertvoll sein, aber es bleibt etwas Aufsuggeriertes, etwas, das nicht unser Besitz geworden ist und darum auf die Dauer wieder verloren geht, wenn nicht die Anschauung und das Bewußtsein hinzutreten und den Glauben erhärten. Wir werden also unter allen Umständen uns bemühen müssen „sehen“ zu lernen. Freilich, dieses „sehen“ der geistigen Wirklichkeiten ist kein Sehen mit dem physischen Auge, aber wie der Mensch in den fünf Sinnen das Werkzeug besitzt, mit dem er die materiellen Eindrücke aufnimmt und im Verstand das Mittel, sie bewußt zu verarbeiten, so besitzt er auch in der Intuition das Werkzeug für das Erfassen der geistigen Eindrücke. Intuition ist nicht ohne weiteres gleichbedeutend mit Gefühl oder Empfinden, die nur verschwommen zu erfassen pflegen, das intuitive Erfassen ist vielmehr genau so sicher wie es uns das Erfassen mit den fünf physischen Sinnen zu sein pflegt. Lediglich dem Umstand, daß wir uns ganz auf die materielle Erkenntnis stützen, ist es zuzuschreiben, daß wir das Bewußtsein für die Regungen der Intuition verloren haben. Die Intuition regt sich im Grunde in jedem Menschen, aber er merkt es nicht. Er glaubt in ihren Regungen solche der Phantasie zu erkennen. Mit der aus der einseitigen materiell-gläubigen Einstellung heraus geborenen Überheblichkeit glaubt er der Intuition weniger als seiner materiellen Verstandesvorstellung. Er steht der Stimme der Intuition mit der aus der materiellen Beobachtung genommenen Anschauung vorurteilsvoll gegenüber und versteht sie darum falsch. Und doch ist fast alle [Seite 11] Kunst, fast jede große Erfindung nicht durch den Verstand, sondern durch die Intuition geboren.

Die erste Voraussetzung für die Erkenntnis der geistigen Wirklichkeit ist die Aufgabe des Vorurteils. Wir müssen in bezug auf Erkenntnis wie ein trockener Schwamm sein, der begierig aufsaugt; jedes Vorurteil, das in ihm ist, verringert seine Aufnahmefähigkeit. Nur wenn wir bereit sind, zum mindesten die Möglichkeit geistiger Wirklichkeit anzuerkennen, werden wir sie auch zuerkennen.

Wie wir indessen für unsere materielle Erkenntnis eines Lehrers bedürfen, der uns den Weg zu ihr zeigt, so bedürfen wir auch für unsere geistige Erkenntnis eines Führers. In den Schriften der großen religiösen Manifestationen, in den Worten Christi, Buddhas, Mohammeds finden wir den Weg zum geistigen Erkennen vorgezeichnet. Sie alle können uns Hilfe sein. Durch alle Zeiten hat ihr lebendiges Wort geleuchtet, einer nach dem andern hat es fortentwickelt im Schritt mit dem Wachstum der menschlichen Erkenntnis. So haben es Bahá’u’lláh und ‘Abdu’l-Bahá entsprechend der wissenschaftlichen Erkenntnis der Gegenwartsmenschheit wissenschaftlich klar entwickelt.

Zwar wird uns auch das göttliche Wort der Manifestationen im Anfang oft nichts geben können. Aber so ist es auch bisweilen in der Schule mit einem neuen Lehrer. Wir müssen uns erst auf seine Eigenart eingestellt haben, bis wir ihn recht verstehen. Haben wir uns aber auf ihn eingestellt, so vermögen wir ungehemmt seine Lehren in uns aufzunehmen. Darum sollten wir nie an der Kraft der Worte der Manifestation für uns zweifeln, sondern sie wieder und wieder studieren, bis sie für unser Erkennen Leben gewinnen. Dieses Studieren soll keineswegs ein gewaltsames Bemühen bedeuten, im Gegenteil: wir sollen still in uns werden und warten, bis uns ihr tieferer Sinn aufgeht.

’Abdu’l-Bahá sagt:

"Ein Verlangen darnach muß da sein“, und aus dem Verlangen wird dann das Erkennen kommen.

Materielles Wissen gibt uns eine gewisse Sicherheit. Wo wir die materiellen Gegebenheiten und Zusammenhänge kennen und unser Handeln nach ihnen einzustellen vermögen, fühlen wir uns materiell ruhig und geborgen. So gibt uns auch das geistige Wissen eine Sicherheit der geistigen Wirklichkeit gegenüber. Wenn wir also dieses doppelte Wissen erlangen, so werden wir nicht mehr schwanken, so wird uns nichts erschüttern können, weil dann dort, wo wir den materiellen Halt verlieren, der geistige Halt uns statt seiner stützen wird. Dies ist das Vertrauen, das aus dem durch Erkennen erhärteten geistigen Glauben kommt. Und für die geistige Sicherheit gibt es nicht wie bei der materiellen einen toten Punkt, ein Ende, wo sich uns alles auflöst, denn Auflösung, Zusammenbruch ist in Wirklichkeit nur eine Eigenschaft der zusammengesetzten Materie, nicht aber der geistigen Wirklichkeit. Wo unsere geistige Erkenntnis zusammenzubrechen scheint, da ist es immer nur ein scheinbarer Zusammenbruch, der daran liegt, daß wir nicht vorurteilslos und sorgfältig genug geforscht haben. Die geistige Wirklichkeit bleibt davon unberührt. Wir müssen dann eben noch stiller werden und noch mehr Durst in uns entwickeln, und wir werden bestimmt voranschreiten, bis uns schließlich keine Erkenntnis mehr zusammenbricht. Wohl werden wir klarer und klarer erkennen und immer das gewonnene Bild etwas verändern und ergänzen müssen, aber es wird dann nur noch ein Fortschritt und kein Rückschritt mehr sein. Wir können alle den Weg gehen, denn er ist für jeden einzelnen bereitet, nur müssen wir wollen und bereit sein, ihn zu gehen. Er erscheint oft unendlich lang, aber haben wir Geduld und erinnern wir uns, daß alles in der Natur der allmählichen Entwicklung und des Wachstums bedarf, und freuen wir uns an jedem Erreichten und seien wir dankbar dafür!

Wie überhaupt Dankbarkeit nie von uns vergessen werden sollte. Sie ist das Mittel, uns vor Überheblichkeit zu bewahren. Überheblichkeit aber trübt den Blick und ist der Feind aller geistigen Erkenntnis, der sie schließlich ganz zunichte macht, während der dankbare Mensch in seiner Dankbarkeit sich immer noch mehr zu neuer Erkenntnis und neuem geistigen Gewinn öffnet.

Zuerst geht unsere Erkenntnis von der materiellen Wirklichkeit aus und langsam gewinnt sie sich die geistige Wirklichkeit dazu, je mehr sie sie sich aber gewinnt, desto mehr sinkt unmerklich die materielle Wirklichkeit zurück, denn wir erkennen die raum- und zeitgebundene Materie nur als einen Ausfluß der geistigen [Seite 12] Wirklichkeit. So verliert schließlich die Materie ihre Herrschaft über uns, und wir werden stark in dem Bewußtsein einer neuen Welt, die kein Vergehen und keine Unvollkommenheit kennt. Wenn auch unser Körper noch in der materiellen Welt lebt, wird unser geistiger Teil doch schließlich in der geistigen Welt Heimatrecht gewonnen haben, das ihm keine materielle Macht mehr nehmen kann. Das ist die Bedeutung des Glaubens und das Ziel aller Religion: den Menschen zum Bewußtsein seines unvergänglichen Daseinsrechtes zu bringen und ihm daraus wahre Ruhe und wahren Frieden erstreben zu lassen.



Unser Flugdienst in Persien[Bearbeiten]

Buschir ist eine Hafenstadt am Persischen Meerbusen in der persischen Provinz Farsistan. Sie liegt 300 km südöstlich von der Mündung des Euphrat und 200 km von Schiras entfernt, mit dem es durch eine wichtige Karawanenstraße verbunden ist. Buschir liegt in völlig öder Gegend auf der Nordspitze einer niederen Landzunge. Die Einwohnerzahl beträgt schätzungsweise 15000 Seelen. Überaus heißes Klima. Sitz eines persischen Statthalters.

Mit dem Beginn des Jahres 1927 nahmen die Flugzeuge der Junkers - Luftverkehrsgesellschaft nach Persien ihren regelmäßigen Flugverkehr mit Persien auf, wofür sie das Monopol besitzen.

Ihre drei Linien sind

1. Pahlevi-Baku, mit Anschluß nach Moskau-Berlin,
2. Isphahan-Schiras-Buschir mit Dampferanschluß nach Indien,
3.Hamadan-Kermanscha-Kasrischirin mit Eisenbahn bzw. Fluganschluß nach Bagdad und Kairo (Ägypten).

Städte uralter Kultur werden überflogen, Gebiete von weitem Ausmaß, die vor über 2300 Jahren Alexander der Große mit seinem Heer durchzog.




Buschir, der südlichste Punkt der Fluglinie Berlin-Isphahan-Buschir

Aufgenommen vom Verkehrsflugzeug


Für Persien bedeutet eine Flugzeugverbindung sehr viel, nicht nur für Passagierverkehr, sondern auch für den Handel durch Beförderung von Fracht und Post. Aus Teheran trifft die Flugpost in knapp 5 Tagen in Berlin ein.

Wie rasch bewahrheiten sich auch hier die Worte ‘Abdu’l-Bahás, die Er 1913 in Stuttgart über den Verkehr nach dem Fernen Osten sprach, mit denen Er sagte, daß der zukünftige Verkehr von Ost und West mittels Flugzeuge in kurzer Frist in nahe Verbindung gebracht würde.



In der Sonne der Wahrheit finden nur solche Manuskripte Veröffentlichung, bezüglich deren Weiterverbreitung keine Vorbehalte gemacht werden. — Anfragen, schriftliche Beiträge und alle die Schriftleitung betreffenden Zuschriften beliebe man an die Schriftleitung: Stuttgart, Alexanderstr. 3 zu senden. — Bestellungen von Abonnements, Büchern und Broschüren sowie Geldsendungen sind an den Verlag des deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart, Alexanderstr. 3, Nebengebäude, zu richten.

[Seite 13]

Geschichte und Bedeutung der Bahá’i-Lehre[Bearbeiten]

Die Bahá’i-Bewegung tritt vor allem ein für die „Universale Religion" und den „Universalen Frieden“ — die Hoffnung aller Zeitalter. Sie zeigt den Weg und die Mittel, die zur Einigung der Menschheit unter dem hohen Banner der Liebe, Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit führen. Sie ist göttlich ihrem Ursprung nach, menschlich in ihrer Darstellung, praktisch für jede Lebenslage. In Glaubenssachen gilt bei ihr nichts als die Wahrheit, in den Handlungen nichts als das Gute, in ihren Beziehungen zu den Menschen nichts als liebevoller Dienst.

Zur Aufklärung für diejenigen, die noch wenig oder nichts von der Bahá’i-Bewegung wissen, führen wir hier Folgendes an: „Die Bahá’i-Religion ging aus dem Babismus hervor. Sie ist die Religion der Nachfolger Bahá’u’lláhs. Mirza Hussein Ali Nuri (welches sein eigentlicher Name war) wurde im Jahre 1817 in Teheran (Persien) geboren. Vom Jahr 1844 an war er einer der angesehensten Anhänger des Bab und widmete sich der Verbreitung seiner Lehren in Persien. Nach dem Märtyrertod des Bab wurde er mit den Hauptanhängern desselben von der türkischen Regierung nach Bagdad und später nach Konstantinopel und Adrianopel verbannt. In Bagdad verkündete er seine göttliche Sendung (als „Der, den Gott offenbaren werde") und erklärte, daß er der sei, den der Bab in seinen Schriften als die „Große Manifestation", die in den letzten Tagen kommen werde, angekündigt und verheißen hatte. In seinen Briefen an die Regenten der bedeutendsten Staaten Europas forderte er diese auf, sie möchten ihm bei der Hochhaltung der Religion und bei der Einführung des universalen Friedens beistehen. Nach dem öffentlichen Hervortreten Bahá’u’lláhs wurden seine Anhänger, die ihn als den Verheißenen anerkannten, Bahá’i (Kinder des Lichts) genannt. Im Jahr 1868 wurde Bahá’u’lláh vom Sultan der Türkei nach Akka in Syrien verbannt, wo er den größten Teil seiner lehrreichen Werke verfaßte und wo er am 28. Mai 1892 starb. Zuvor übertrug er seinem Sohn Abbas Effendi ('Abdu'l-Bahá) die Verbreitung seiner Lehre und bestimmte ihn zum Mittelpunkt und Lehrer für alle Bahá’i der Welt.

Es gibt nicht nur in den mohammedanischen Ländern Bahá’i, sondern auch in allen Ländern Europas, sowie in Amerika, Japan, Indien, China usw. Dies kommt daher, daß Bahá’u’lláh den Babismus, der mehr nationale Bedeutung hatte, in eine universale Religion umwandelte, die als die Erfüllung und Vollendung aller bisherigen Religionen gelten kann. Die Juden erwarten den Messias, die Christen das Wiederkommen Christi, die Mohammedaner den Mahdi, die Buddhisten den fünften Buddha, die Zoroastrier den Schah Bahram, die Hindus die Wiederverkörperung Krischnas und die Atheisten — eine bessere soziale Organisation.

In Bahá’u’lláh sind alle diese Erwartungen erfüllt. Seine Lehre beseitigt alle Eifersucht und Feindseligkeit, die zwischen den verschiedenen Religionen besteht; sie befreit die Religionen von ihren Verfälschungen, die im Lauf der Zeit durch Einführung von Dogmen und Riten entstanden und bringt sie alle durch Wiederherstellung ihrer ursprünglichen Reinheit in Einklang. Das einzige Dogma der Lehre ist der Glaube an den einigen Gott und an seine Manifestationen (Zoroaster, Buddha, Mose, Jesus, Mohammed, Bahá’u’lláh).

Die Hauptschriften Bahá’u’lláhs sind der Kitab el Iqhan (Buch der Gewißheit), der Kitab el Akdas (Buch der Gesetze), der Kitab el Ahd (Buch des Bundes) und zahlreiche Sendschreiben, genannt „Tablets“, die er an die wichtigsten Herrscher oder an Privatpersonen richtete. Rituale haben keinen Platz in dieser Religion; letztere muß vielmehr in allen Handlungen des Lebens zum Ausdruck kommen und in wahrer Gottes- und Nächstenliebe gipfeln. Jedermann muß einen Beruf haben und ihn ausüben. Gute Erziehung der Kinder ist zur Pflicht gemacht und geregelt.

Streitfragen, welche nicht anders beigelegt werden können, sind der Entscheidung des Zivilgesetzes jeden Landes und dem Bait’ul’Adl oder „Haus der Gerechtigkeit“, das durch Bahá’u’lláh eingesetzt wurde, unterworfen. Achtung gegenüber jeder Regierungs- und Staatseinrichtung ist als einem Teil der Achtung, die wir Gott schulden, gefordert. Um die Kriege aus der Welt zu schaffen, ist ein internationaler Schiedsgerichtshof zu errichten. Auch soll neben der Muttersprache eine universale Einheits-Sprache eingeführt werden. „Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres“ sagt Bahá’u’lláh.

Es ist also weniger die Einführung einer neuen Religion, als die Erneuerung und Vereinigung aller Religionen, was heute von 'Abdu'l-Bahá erstrebt wird. (Vgl. Nouveau, Larousse, illustré supplement, Seite 66.)

[Seite 14] Verlag des Deutschen Bahá’i-Bundes G.m.b.H., Stuttgart

Fernsprecher Nr. 26168 — — Postscheckkonto 25419 Stuttgart — — Alexanderstr. 3, Nebengebäude


In unserem Verlag sind erschienen:


Bücher:

Verborgene Worte von Bahá’u’lláh. Deutsch von A. Schwarz und W. Herrigel, 1924 1.--

Bahá’u’lláh, Frohe Botschaften, Worte des Paradieses, Tablet Tarasat, Tablet Taschalliat, Tablet Ischrakat. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1921, in Halbleinen gebunden . . . 2.50

in feinstem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.--

'Abdu'l-Bahá Abbas, Ansprachen über die Bahá’i-Lehre. Deutsch von W. Herrigel, 1921, in Halbleinen gebunden . . . . . 3.00

in festem Ganzleinen gebunden . . . . . 3.50

Geschichte und Wahrheitsbeweise der Bahá’i-Religion, von Mirza Abul Fazl. Deutsch von W. Herrigel, 1919, in Halbleinen geb. . . . . 4.50

In Ganzleinen gebunden . . . . 5.--

'Abdu'l-Bahá Abbas’ Leben und Lehren, von Myron H. Phelps. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1922, in Ganzleinen gebunden . . . . 4.--

Die Bahá’i-Offenbarung, ein Lehrbuch von Thornton Chase, deutsch von W. Herrigel, 1925, kartoniert M. 4.--, in Halbleinen gebunden . . . . 4.60

Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter, ein Lehrbuch von Dr. J. E. Esslemont, deutsch von W. Herrigel und H. Küstner. 1927. In Ganzleinen gebunden . . . . . 4.50

Beantwortete Fragen 'Abdu'l-Bahá Abbas', gesammelt und in englischer Sprache herausgegeben von L. Clifford Barney, deutsche Übersetzung von W. Herrigel, 1929 . . . . . 5.--


Broschüren:

Bahá’i-Perlen, Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1922 . . . . -.20

Ehe Abraham war, war Ich, v. Thornton Chase. Deutsch v. W.Herrigel, 1911 . . . . -.20

Die Universale Weltreligion, Ein Blick in die Bahai-Lehre von A. T. Schwarz, 1919. . . . -.50

Die Offenbarung Bahá’u’lláhs, von J.D. Brittingham. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1910 . . . -.50

Einheitsreligion. Ihre Wirkung auf Staat, Erziehung, Sozialpolitik, Frauenrechte und die einzelne Persönlichkeit, von Dr. jur. H. Dreyfus, Deutsch von Wilhelm Herrigel. 2. Auflage 1920 . . . -.50

Die Bahá’i-Bewegung im allgemeinen und ihre großen Wirkungen in Indien, nach Berichten eines Amerikaners zusammengestellt und mit Vorwort versehen von Wilhelm Herrigel, Stuttgart 1922 . . . . -.50

Eine Botschaft an die Juden, von Abdul Baha Abbas. Deutsch v. W. Herrigel, 1912 . . . -.20


Das Hinscheiden 'Abdu'l-Bahás, ("The Passing of 'Abdu'l-Bahá") Deutsch von Alice T. Schwarz, 1922 . . . -.50

Das neue Zeitalter von Ch. M. Remey. Deutsch von Wilhelm Herrigel, 1923 . . . . —.50

Die soziale Frage und ihre Lösung im Sinne der Bahá’i-Lehre von Dr. Hermann Grossmann, Hamburg 1923 . . . . —.20

Religiöse Lichtblicke, Einige Erläuterungen zur Bahá’i-Botschaft, aus dem Französ. übersetzt von Albert Renftle, 2. erweiterte Auflage, 1928 . . . . --.30

Die Bahá’i-Bewegung, Geschichte, Lehren und Bedeutung. von Dr. Hermann Großmann-Wandsbek . . . . . --.20

Sonne der Wahrheit, Jahrgang 3 - 8 in Halbleinen gebunden je . . . . 9.--

Der Versand erfolgt gegen Nachnahme oder gegen Voreinsendung des Betrages.