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Bahá’í
BRIEFE
- Zeitschrift
- für Religion und Gesellschaft
- Nr. 62 / Dezember 1992
Kitáb-i-Aqdas:
Das “Heiligste Buch” Bahá’u’lláhs
Eine Betrachtung in Erwartung der englischen Gesamtausgabe
Bahá’í-Weltkongreß in New York
Wesen der Offenbarung
Vermächtnis von Rio
INHALT
Der Kitáb-i-Aqdas . . . . . . . . . . . 4
- Eine Betrachtung von Roland Philipp
Der zweite Bahá’í-Weltkongreß in New York . . . . . . . . . . . 15
- Nassim Berdjis
Stimmen zum Bahá’í-Weltkongreß . . . . . . . . . . . 19
- George Bush, Mario Cuomo und David N. Dinkins
Das Wesen der Offenbarung . . . . . . . . . . . 21
- David M. Earl
Fischteiche in Malaysia . . . . . . . . . . . 29
- Ein erfolgreiches Dorfprojekt
- Robert Blum
Eine neue, globale Sichtweise . . . . . . . . . . . 32
- Das Vermächtnis von Rio
Bahá’u’lláh —
Der Herr der Herrlichkeit . . . . . . . . . . . 38
- Buchbesprechung von Haide Faridani
Wir Weltbürger . . . . . . . . . . . 39
- Buchbesprechnung von Elke Pollak
- Berichtigung zu Ausgabe Nr. 61 der Bahá’í-Briefe:
- Beim Artikel “Die Achse der Einheit” sind auf Seite 5 zwei Fehler bei
- den Quellenangaben unterlaufen. Richtig muß es heißen:
- 2) ’Abdu’l-Bahá, Ansprachen in Paris, Bahá’í-Verlag 1963, S. 94
- 3) ebenda, S. 96
- Die Redaktion
Titelbild:
Das sanduhrenförmige Friedensdenkmal, das die Internationale Bahá’í-Gemeinde anläßlich des Erdgipfels in Rio errichtete.
Bahá’í-Briefe
- Heft 62
- Dezember 1992
- 20. Jahrgang
Die Bahá’í-Briefe wollen eine intensive Auseinandersetzung mit den Inhalten der Bahá’í-Religion fördern und auf der Grundlage zeitgemäßen Denkens zu einem Dialog mit allen beitragen, die sich um die Lösung der Weltprobleme mühen.
Herausgeber: Der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in Deutschland e.V., Hofheim-Langenhain
Redaktion:
Nassim Berdjis, Nawid Maher, Bijan Sobhani,
Uwe Still, Karl Türke jun.
Redaktionsanschrift: Bahá’í-Briefe, Redaktion, Eppsteiner Str. 89, D-6238 Hofheim 6.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge
stellen nicht notwendig die Meinung der Redaktion
oder des Herausgebers dar.
Die Bahá’í-Briefe erscheinen halbjährlich.
Abonnementpreis für vier Ausgaben 30,- DM.
Einzelpreis 8,50 DM.
Vertrieb und Bestellungen:
Bahá’í-Verlag Eppsteiner Str. 89
D-6238 Hofheim 6
© Bahá’í-Verlag GmbH 1992 ISSN 0005-3945
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- zum Heiligen Jahr
EDITORIAL
In dieser zweiten Ausgabe der Bahá’í-Briefe im Heiligen Jahr beschäftigt sich der Leitartikel von Roland Philipp mit dem Kitáb-i-Aqdas, dem Heiligsten Buch der Bahá’í-Offenbarung, das Anfang 1993 zum ersten Mal in seinem ganzen Umfang auf englisch veröffentlicht wird. Es enthält die grundlegenden Gesetze und Verordnungen Bahá’u’lláhs für eine künftige Weltordnung. Die Darstellung erlaubt einen Einblick in die von Bahá’u’lláh angestrebte Weltgesellschaft, in der die geistige Vervollkommnung des Menschen auf diesem Planeten das gesellschaftliche Zusammenleben bestimmen wird.
Die allgemeine Rolle der Gottesoffenbarung durch Religionsstifter steht im Mittelpunkt der Abhandlung von David M. Earl, der dieses Thema anhand der Bahá’í-Schriften beleuchtet. Außerdem behandelt die Buchbesprechung von Haide Faridani ein zum Heiligen Jahr auf deutsch erschienenes Standardwerk über Leben und Werk Bahá’u’lláhs, die umfangreiche und detailliert recherchierte Biographie Bahá’u’lláh — Der Herr der Herrlichkeit.
Auch in dieser Ausgabe öffnen die Bahá’í-Briefe das Fenster zur Welt mit Berichten über Hilfe zur Selbsthilfe in Malaysia, über vielfältige Ereignisse beim Umweltgipfel in Rio de Janeiro und über den zweiten Bahá’í-Weltkongreß in New York vom 23. bis 26. November 1992, an dem 27.000 Bahá’í aus etwa 180 Ländern und Gebieten teilnahmen.
Inzwischen sind zwei Drittel des Heiligen Jahres vorüber und die internationalen Hauptereignisse, d.h. die Feierlichkeiten zum 100. Jahrestag des Hinscheidens Bahá’u’lláhs im Heiligen Land Ende Mai und der Weltkongreß zur Hundertjahrfeier der Einsetzung des Bundes Bahá’u’lláhs sind bereits Geschichte geworden. Die verbleibenden Monate des Heiligen Jahres stehen im Schatten dieser Ereignisse und werden sicherlich von ihrer Ausstrahlung profitieren.
- Die Redaktion
- BAHA'Í
Der Kitáb-i-Aqdas[Bearbeiten]
In Erwartung der englischen Gesamtausgabe
- Eine Betrachtung von Roland Philipp
- Einführung
In diesen Tagen erscheint die englische Übersetzung des »Kitáb-i-Aqdas«,
des »Heiligsten Buches« Bahá’u’lláhs. Damit wird dieses »Mutterbuch« der
Bahá’í-Religion erstmals offiziell übersetzt in einer westlichen Sprache
zugänglich. Bahá’u’lláh hat darin Seine Gesetze, Gebote, Lehren und
Prinzipien zusammengefaßt. Sie werden für die Dauer Seiner göttlichen
Sendung Gültigkeit besitzen, also für mindestens tausend Jahre.
Dieser Artikel beleuchtet die heilsgeschichtliche Bedeutung dieses göttlichen Gesetzbuches, stellt die Geschichte seiner Offenbarung und Inkraftsetzung dar und zeigt einige grundlegende Aspekte seiner Gesetze und Gebote auf.
- »Dein Reich komme«
Für den Beginn einer Abhandlung über den Kitáb-i-Aqdas drängt sich ein
Satz Bahá’u’lláhs regelrecht auf: »Gebe Gott, daß das Licht der Einheit die ganze
Erde umleuchte und allen ihren Völkern das Siegel ’Das Reich ist Gottes’ auf die
Stirn gedrückt werde.«1)
Das erinnert an eine Bitte im »Vater Unser«: »... dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden. ...«2)
Nach Bahá’í-Auffassung wird dieses Paradies auf Erden durchaus materielle, wenngleich nicht in allen Aspekten wörtliche Wirklichkeit gewinnen. Der Verfasser der Apokalypse hat versichert: »Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde, ... Und ich, Johannes, sah die Heilige Stadt, das neue Jerusalem, herniedersteigen aus dem Himmel von Gott her, gekleidet wie eine Braut, die geschmückt ist für ihren Mann. Und ich hörte eine laute Stimme vom Himmel her rufen: ’Sehet, das Zelt Gottes unter den Menschen! Er wird wohnen bei ihnen, und sie werden sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein als ihr Gott.«3)
▪ Der Tag Gottes
»Die Herabkunft des Neuen Jerusalem bezeichnet ein himmlisches Gesetz, das Gesetz, das die Gewähr für menschliches Glück bietet und aus der Welt Gottes hervorleuchtet.«4)
Ein neuer Tag Gottes kommt immer mit einem neuen Gesetz. Schon Christus hat dies in einem sehr plastischen Bild beschrieben: »Auch füllt man nicht neuen Wein in alte Schläuche. ... Neuen Wein füllt man in neue Schläuche, dann bleibt beides erhalten.«5)
[Seite 5]
Im Islam gibt es ebenfalls eine Fülle von Endzeiterwartungen. So soll der Verheißene
an diesem »Tag des Gerichts« eine Waage aufstellen. Bahá’u’lláh hat darauf Bezug
genommen: »Sie sagen: ’Wir sehen die Waage nicht.” Sprich: ’Freilich, bei meinem Herrn,
dem Gott der Barmherzigkeit. Keiner kann sie sehen außer den Einsichtsvollen.’«6)
In Seinem Heiligsten Buch mahnt Bahá’u’lláh: »Wäget das Buch Gottes nicht mit solchen Gewichten und Wissenschaften, wie sie bei euch im Schwange sind, denn das Buch selbst ist die untrügliche Waage, die unter den Menschen aufgestellt ist.«7)
▪ Die wandelnde Kraft des Wortes Gottes
Die Vision vom Paradies auf Erden ist untrennbar mit der Vorstellung einer ewigen Friedenszeit verbunden. Bahá’u’lláh hat in Seinen Schriften die Grundlagen für einen dauerhaften Weltfrieden dargelegt. Er sagt: »Die Wohlfahrt der Menschheit, ihr Friede und ihre Sicherheit sind unerreichbar, wenn nicht und ehe nicht ihre Einheit fest begründet ist.«8)
'Abdu'l-Bahá hat dazu erläutert, daß diese Einheit ethisch fundiert sein muß: »Heute ist der Weltfriede von großer Bedeutung, aber die Einheit des Gewissens ist dabei wesentlich, ...«9)
Und weiterführend: »Nichts als die himmlische Macht des Wortes Gottes .. ist fähig, die auseinandergehenden Gedanken, Gefühle, Ideen und Überzeugungen der Menschenkinder in Einklang zu bringen. «10)
Diese Einheit meint nicht Einheitlichkeit sondern Einheit in der Mannigfaltigkeit, nicht Reglementierung sondern »Einheit in Freiheit«11). Der aufgeklärte, sich seiner Individualität und seiner Freiheitsrechte bewußte Mensch kann in letzter Konsequenz durch nichts gezwungen werden, sich menschengemachten Gesetzen zu unterwerfen. Was aber ist wahre Freiheit für den Menschen? Bahá’u’lláh hat dies im Kitáb-i-Aqdas dargelegt: »Seht die Kleingeistigkeit der Menschen. Sie verlangen nach dem, was ihnen schadet, und verwerfen, was ihnen nützt. ... Wißt, daß die Verkörperung der Freiheit und ihr Sinnbild das Tier ist. Dem Menschen ziemt es, daß er sich in Schranken fügt, die ihn vor seiner eigenen Unwissenheit beschützen und vor dem Schaden des Unheilstifters bewahren. ... Sprich: Wahre Freiheit besteht in der Unterwerfung der Menschen unter Meine Gebote, so wenig ihr dies auch versteht.«12)
Daraus folgt, daß es ohne göttliches Gesetz, ohne das Bewußtsein einer transzendentalen Verantwortung für den Menschen keinen verbindlichen Maßstab gibt: »Die Religion ist wahrlich ein strahlendes Licht und eine uneinnehmbare Feste für den Schutz und die Wohlfahrt aller Völker der Welt; denn die Gottesfurcht treibt den Menschen, sich fest an alles Gute zu halten und alles Böse zu meiden. Würde die Lampe der Religion verdunkelt, so wären Chaos und Wirrnis die Folge, und die Lichter der Redlichkeit und Gerechtigkeit, der Ruhe und des Friedens würden nicht länger scheinen.«13)
Oft wird die Notwendigkeit der Religion mit dem Hinweis auf ein natürliches Gewissen des Menschen bezweifelt. 'Abdu'l-Bahá hat dazu folgende Erläuterung gegeben: »Manche stellen sich vor, ein angeborener Sinn für seine Würde bewahre den Menschen davor, Böses zu tun, und biete die Gewähr für seine geistige wie materielle Vervollkommnung. ... dieser natürliche Sinn für menschliche Würde (tritt) als Folge der Erziehung auf. ... Der Sinn dieser Ausführungen ist, zur Genüge
- BAHA'Í
Ein neuer Tag Gottes kommt immer mit einem neuen Gesetz.
- BAHA'Í
"Denn der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und die Frucht des Rechtes Sicherheit auf ewig.”
klar zu machen, daß die göttlichen Religionen, die heiligen Gebote und die himmlischen Lehren die unanfechtbare Grundlage menschlichen Glücks sind, und daß die Völker der Welt ohne dieses sichere Heilmittel auf keine wirkliche Linderung oder Erlösung von ihren Leiden hoffen können. Dieses Allheilmittel muß jedoch von einem weisen, erfahrenen Arzt angewandt werden, ...«14)
In den Worten Bahá’u’lláhs wird dieses Thema folgendermaßen formuliert: »Sei Zeuge, wie die Welt täglich von einem neuen Unheil heimgesucht wird. Ihre Trübsal wird immer tiefer. ...Ihr Siechtum nähert sich einem Zustand völliger Hoffnungslosigkeit, weil der wahre Arzt gehindert wird, das Heilmittel zu reichen, während ungeschickte Quacksalber begünstigt werden und volle Handlungsfreiheit genießen.«13)
- » Seht, ich mache alles neu.«
Wie sehr sich dieser Tag Gottes von den früheren Tagen göttlicher Offenbarung
unterscheidet, und wie wenig die Vergangenheit der Menschheit mit ihrer Zukunft
gemein hat, verkündet Gott Selbst mit aller Klarheit und Macht: »Seht, ich mache
alles neu.«16)
Im Lichte dieses Satzes wird die gegenwärtige umfassende Neugestaltung der menschlichen Gesellschaft als Zeitenwende erkennbar und erklärt die staunende Ratlosigkeit unserer Generation des Zwielichts. Wie sieht nun die Bauanleitung für diesen schwierigen Brückenschlag vom heutigen Weltaufruhr zu einem dauerhaften Frieden aus?
▪ Einheit der Menschheit und Weltfriede
Die persönliche Freiheit des Menschen und sein Anspruch auf Individualität müssen im zwischenmenschlichen, gesellschaftlichen und zwischenstaatlichen Bereich mit den berechtigten Bedürfnissen der jeweils anderen in Einklang gebracht werden. Einheit in Freiheit ist letztlich ohne Selbstbestimmungsrecht aller Völker nicht möglich. 'Abdu'l-Bahá schrieb dazu: »Heute ist ... die Aufgabe, die einem großen Herrscher zukommt, die Errichtung des Weltfriedens, denn darin liegt die Freiheit aller Völker beschlossen.«17)
▪ Gerechtigkeit und Recht
Die Voraussetzungen für einen dauerhaften Weltfrieden hat schon Jesaja unzweideutig klargelegt: »Denn der Gerechtigkeit Frucht wird Friede sein, und die Frucht des Rechtes Sicherheit auf ewig.«18)
Um die führende Rolle des Gesetzes zu sichern, muß sein Mißbrauch durch einzelne wirksam verhindert werden: »Das Gesetz muß herrschen und nicht der einzelne.«19)
Ohne eine tiefgreifende Neuordnung der menschlichen Gesellschaft ist dies nicht möglich. Bahá’u’lláh sagt auch klar und deutlich: »Bald wird die heutige Ordnung aufgerollt und eine neue an ihrer Statt entfaltet werden.« 20)
Die grundlegende Bedeutung der Gerechtigkeit ist in den Bahá’í-Schriften vielfältig dargelegt worden, wie beispielsweise in den zwei nachstehenden Zitaten: »Das Licht der Menschen ist Gerechtigkeit, löscht es nicht mit den widrigen Winden der Unterdrückung und Gewaltherrschaft. Das Ziel der Gerechtigkeit ist die Errichtung der Einheit unter den Menschen.« 21)
»O Volk Gottes! Was die Welt erzieht, ist die Gerechtigkeit, denn sie wird
[Seite 7]
von zwei Säulen getragen: Lohn und Strafe. Diese beiden Säulen sind die
Lebensquellen der Welt.«22)
Warum dabei die Religion entscheidend wirksamer als jedes menschengemachte Gesetz ist, hat 'Abdu'l-Bahá anschaulich erklärt: »...in der Menschenwelt gibt es zwei Wächter, die den Menschen vor dem Unrechttun bewahren: Der eine ist das Gesetz, das den Verbrecher bestraft; aber das Gesetz verhindert nur das offenkundige Verbrechen, nicht jedoch die geheime Sünde. Hingegen verhütet der ideale Wächter, die Religion Gottes, sowohl das offenkundige wie das geheime Verbrechen. ... Unter Religion aber ist das zu verstehen, was durch Forschen nach Wahrheit gesichert ist, nicht was lediglich auf Nachahmung beruht — also die Grundlagen der göttlichen Religionen, nicht menschliche Nachahmungen.« 23)
▪ Der Vormachtstreit von Kirche und Staat
Eines der dunkelsten Kapitel menschlicher Geschichte ist der immer wiederkehrende Vormachtkampf zwischen den weltlichen und religiösen Machthabern. Eine neue Weltordnung muß endlich auch die Harmonisierung weltlicher und geistlicher Macht sichern.
Bahá’u’lláh hat die für diesen epochalen Entwicklungssprung notwendigen Gesetze, Prinzipien und Institutionen im Kitáb-i-Aqdas angelegt. In einer Ansprache in New York hat 'Abdu'l-Bahá dazu folgende Erläuterung gegeben: »(Bahá’u’lláh) hat das Haus der Gerechtigkeit angeordnet und errichtet, das sowohl mit einer politischen als auch mit einer religiösen Funktion betraut ist, die vollkommene Vereinigung und Verschmelzung von Kirche und Staat.« 24)
▪ Der Bund Gottes
Friede und Sicherheit sind ohne Gerechtigkeit und Recht und ohne die Errichtung der Einheit der Menschheit unerreichbar. Ein Satz ’Abdu’l-Bahás gibt dazu einen entscheidenden Hinweis: »Es ist unzweifelhaft klar, daß der Angelpunkt der Einheit der Menschheit nichts anderes ist als die Kraft des Bundes.« 25)
Durch Sein Buch des Bundes sichert Bahá’u’lláh in dem hier angesprochenen, zwischen Ihm und Seinen Anhängern geschlossenen Kleineren Bund durch die Übergabe der zentralen Autorität im Glauben und die Einsetzung gesellschaftstragender Institutionen die unzerstörbare Einheit Seiner Sache. Der Kleinere Bund gründet sich auf jenen Ewigen Bund, in dem Gott der Menschheit verspricht, sie niemals allein zu lassen und sie immer zu führen, wenn die Menschen ihrerseits Seine Offenbarer anerkennen und Deren Gebote halten. Diese beiden Pflichten sind, wie Bahá’u’lláh im Kitáb-i-Aqdas ausführt, untrennbar miteinander verbunden, und keine von ihnen ist ohne die andere annehmbar.”26) Diese zweifache Bedingung hat auch schon Christus deutlich gemacht: »Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur, wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt.« 27)
Es gilt, die Offenbarer Gottes anzuerkennen und sich Ihnen in Liebe, Anbetung, Gehorsam und Standhaftigkeit zuzuwenden. Es gilt, zu glauben. Aber der Glaube allein erlöst auch noch nicht: »Wähnen die Menschen denn, sie würden in Ruhe gelassen, nur weil sie sagen: wir glauben — und sie würden keiner Prüfung unterworfen?« 28)
'Abdu'l-Bahá hat die dem Kleineren Bund Gottes innewohnende, selbstreinigende Kraft der Prüfung in einprägsame Worte gekleidet: »Der Bund Gottes
- BAHA'Í
“Es ist unzweifelhaft klar, daß der Angelpunkt der Einheit der Menschheit nichts anderes ist als die Kraft des Bundes.”
- BAHA'Í
“So umfassend ist er, daß er alle Menschen umschließt, ehe sie seiner gewahr sind.”
ist wie ein unendliches, unergründliches Meer. Die Woge steigt und brandet und
wirft allen angesammelten Gischt ans Ufer.« 29)
Die unmittelbar bevorstehende Veröffentlichung des Kitáb-i-Aqdas in Englisch wird wohl eine solche steigende Woge auslösen.
- Das Mutterbuch
Der Hüter des Bahá’í-Glaubens, Shoghi Effendi bezeichnet den Kitáb-i-Aqdas in
seinem Buch Gott geht vorüber als »das Mutterbuch« der Sendung Bahá’u’lláhs
und als »das Musterbeispiel für Seine neue Weltordnung«30) und führt
weiter aus: »Die Gesetze und Gebote, die das Hauptthema dieses Buches bilden, hat
Bahá’u’lláh im besonderen als den ’Hauch des Lebens für alle erschaffenen Dinge’
bezeichnet, als ’die mächtigste Festung’, die ’Früchte’ an Seinem ’Baume’, ’die
vornehmsten Mittel zur Erhaltung der Ordnung und der Sicherheit der Völker in
der Welt’, als ’die Leuchten der Weisheit und der gütigen Vorsehung’, als ’die
süßen Düfte Seines Gewandes’ und ’die Schlüssel’ zu Seiner ’Barmherzigkeit’ für
Seine Geschöpfe.«31)
Bahá’u’lláh Selbst schreibt über Sein Heiligstes Buch: »Der Kitáb-i-Aqdas wurde so offenbart, daß er alle göttlich bestimmten Sendungen anzieht und umfängt. Selig ist, wer ihn liest, selig, wer ihn begreift, selig, wer darüber nachdenkt, selig, wer seine Bedeutung erwägt. So umfassend ist er, daß er alle Menschen umschließt, ehe sie seiner gewahr sind. Binnen kurzem werden seine unumschränkte Macht, sein durchdringender Einfluß und die Größe seiner Kraft auf Erden offenbar.«32)
▪ »Der erlesene Wein«
»Wähnt nicht, Wir hätten euch nur ein Gesetzbuch offenbart. Wir haben vielmehr den erlesenen Wein mit den Fingern der Macht und Kraft entsiegelt.« 33)
Der Kitáb-i-Aqdas enthält eine Vielzahl unterschiedlichster Themenbereiche. Die Gesetze stellen nur einen Teil davon dar. Diese Gesetzestexte unterscheiden sich nicht nur formal, sondern grundsätzlich von sonst üblichen Gesetzbüchern. Während nämlich weltliches Gesetz von den Menschen meist als einschränkend empfunden wird, geht vom göttlichen Gesetz eine belebende, befreiende Wirkung aus, wie sie eben erlesenem Wein zugeschrieben wird. Knappe Sätze eröffnen neue Ausblicke und Einsichten, und ihre Zusammenschau läßt den Wahrheitssucher die Herrlichkeit dieses zukünftigen Reiches Gottes auf Erden erahnen.
▪ Der einzelne und die Gesellschaft
Bei der Festlegung Seiner gesellschaftformenden Gesetze und Prinzipien unterscheidet Bahá’u’lláh deutlich zwischen den Bedürfnissen und Verpflichtungen des einzelnen und der Verantwortung und Aufgabe der Gesellschaft. Damit wird das weit verbreitete schwärmerische Vorurteil ausgeräumt, daß allein schon die Wandlung und Vergeistigung der einzelnen — z.B. nach den Grundsätzen der Bergpredigt — genüge, um das gedeihliche Zusammenleben aller Völker zu sichern.
Die Besonderheit der christlichen Nächstenliebe liegt im »aber«34) der
[Seite 9]
Bergpredigt! Die im Alten Testament auf den Mitjuden, und den Gast bezogene
Nächstenliebe35) wird um die Feindesliebe erweitert36) und
auf die Menschheit ausgedehnt”37). Jeder ist ein Nächster! Die Zeit
Seiner Wiederkunft ansprechend bekräftigt aber auch Christus, daß selbst diese
universelle Liebe allein nicht imstande ist, eine friedliche Zukunft der Menschen zu
sichern: »Und weil die Mißachtung von Gottes Gesetz überhand nimmt, wird die
Liebe bei vielen erkalten.«38)
Daher ist ein dauerhafter Weltfriede ohne allgemeinverbindliche Weltordnung nicht zu sichern, ohne grundlegende Wandlung des einzelnen nicht erreichbar: »Der Friede muß zuerst unter einzelnen Menschen gestiftet werden, bis er schließlich zum Frieden unter den Nationen führt.«39)
»Der Baldachin des Daseins ruht auf der Säule der Gerechtigkeit, nicht der Verzeihung, und das Leben der Menschheit hängt von der Gerechtigkeit und nicht vom Verzeihen ab.«40)
▪ Über die Gesetze
Die von Bahá’u’lláh offenbarten Gesetze und Gebote können in die drei Bereiche kultisch, persönlich und gesellschaftlich gegliedert werden.
Zum Kult
Die kultischen Gesetze behandeln Punkte wie das Tägliche Gebet, das Große Totengebet, das Haus der Andacht, das Fasten, die Trauung, die Beerdigung oder die Wallfahrt.
Die auffallend wenigen rituellen Vorschriften in der Bahá’í-Religion sind alle von Bahá’u’lláh Selbst verordnet. Die Bahá’í sind streng darauf bedacht, Seine schlichten Formen nicht zu erweitern oder sie mit sonst üblichen Gebräuchen zu vermischen.
Zur Person
Von der Geburt bis zum Tod
Die den persönlichen Bereich ordnenden Gesetze betreffen u.a. die Ehe, die Scheidung, oder im Fall einer Testamentslosigkeit die Erbfolge. Dieser Bereich wird in unserer säkularen Gesellschaft in der Regel durch das Zivilrecht abgedeckt. Entsprechend einem Grundprinzip der Bahá’í-Religion stehen ihre Gesetze und Gebote hinter den jeweiligen staatlichen zivil- und strafrechtlichen Regelungen zurück, sofern dabei nicht zentrales Glaubensgut, wie z.B. der Glaube an Gott und Seine Offenbarer, betroffen ist.
Äußere und innere Reinheit
Bahá’u’lláh legt im Kitáb-i-Aqdas auch eine große Zahl von geistigen Eigenschaften sowie von körperlichen und materiellen Geboten dar. Sie könnten vielleicht — bei aller gebotener Vorsicht — als Richtlinien für die notwendige Übereinstimmung äußerer und innerer Reinheit zusammengefaßt werden.
Zur Gesellschaft
Verbrechen und Strafe
Der strafrechtliche Bereich der Gesetze Bahá’u’lláhs bekräftigt, wie nicht anders zu erwarten, die ewig gültigen Verbote von Verbrechen und Vergehen, wie Mord, Totschlag, Brandstiftung, Unzucht oder Diebstahl. Bezüglich der dafür vorgesehenen Strafen erklärt das Universale Haus der Gerechtigkeit: »Sie sind indessen für einen zukünftigen Zustand der Gesellschaft vorgesehen und werden dann vom Universalen Haus der Gerechtigkeit ergänzt und eingeführt werden.« 41)
Die Strafnormen und andere von Bahá’u’lláh getroffene Regelungen weichen mitunter grundsätzlich, bisweilen nur in Feinheiten von den gesetzlichen Vorschriften früherer Offenbarungsreligionen, von den
- BAHA'Í
“Und weil die Mißachtung von Gottes Gesetz überhand nimmt, wird die Liebe bei vielen erkalten.”
- BAHA'Í
Besser als Abschreckung und Strafe ist aber zweifellos Erziehung.
verschiedenen Rechtsphilosophien und von den Vorstellungen der modernen Strafrechtslehre und der Kriminologie ab. Ein genaueres Studium dieser richtungsweisenden Veränderungen wird uns helfen, die eigentlichen Ursachen des heutigen Weltzustandes besser zu durchschauen und unser Verständnis für die noch zu bewältigenden Veränderungen zu vertiefen.
Strafzweck ist in der Ordnung Bahá’u’lláhs in erster Linie Vergeltung und Sühne, in zweiter Linie Abschreckung und Schutz der Gesellschaft. So wie der fehlbare Mensch der Führung durch göttliche Gesetze bedarf, so verlangt die Gerechtigkeit eine Bestrafung der Übeltäter, weil ansonsten die allgemeine Ordnung nicht aufrecht erhalten werden kann. Ein grundlegender, und praktisch allgemeiner Aspekt ist dabei, daß der Übeltäter durch die ihm auferlegte Strafe entsühnt wird, und zwar mit metaphysischer Wirkung: wofür ein Mensch in dieser Welt bestraft worden ist, dafür wird ihm Gott im Jenseits keine zusätzliche Strafe auferlegen.
Besser als Abschreckung und Strafe ist aber zweifellos Erziehung: »...das allerwichtigste ist, daß die Menschen so erzogen werden müssen, daß keine Verbrechen begangen werden; denn es ist möglich, die Menschen so wirksam zu erziehen, daß ihnen das Verbrechen selbst als die höchste Strafe und die schlimmste Verurteilung und Qual erscheint, sodaß sie es vermeiden und davor zurückschrecken, Verbrechen zu verüben.« 42)
Bahá’u’lláh hat dies mit bewegenden Worten veranschaulicht: »Wer im Heiligtum Gottes wohnt und den Ehrensitz ewiger Herrlichkeit einnimmt, wird sich weigern, selbst wenn er Hungers stürbe, die Hand widerrechtlich nach dem Eigentum seines Nächsten auszustrecken, wie niedrig und unwürdig dieser auch sei.« 43)
Die neue Weltordnung
Der institutionelle Bereich der Weltordnung Bahá’u’lláhs ist durch die im Kitáb-i-Aqdas begründete Einrichtung der Zwillingsinstitutionen des Hütertums und der Häuser der Gerechtigkeit gekennzeichnet.
Des weiteren besitzen jene, die Kraft ihrer Gelehrsamkeit berufen sind, die geistigen Grundlagen menschlicher Gemeinschaft zu bewahren und zu fördern, keine Macht mehr, da Entscheidungs- und gesetzgebende Gewalt gewählten Körperschaften übertragen ist, deren Mitglieder wiederum keinerlei Anteil an der Autorität dieser Körperschaft beanspruchen können.
Der Kleinere Bund legt eine unanfechtbare Grundlage für die Übergabe der zentralen Autorität des Bahá’í-Glaubens. Das Recht, die Heiligen Texte autoritativ auszulegen, ist dem Mittelpunkt des Bundes, ’Abdu’l-Bahá, und nach Ihm dem Hütertum vorbehalten, während das Recht göttlich geführter Gesetzgebung in all jenen Belangen, die nicht ausdrücklich im Heiligen Text geregelt sind, allein dem Universalen Haus der Gerechtigkeit zukommt. Da das Haus der Gerechtigkeit die von ihm erlassenen Gesetze auch wieder aufheben kann, ist dieser Ordnung in einer Welt, die stetem Wandel unterworfen ist, auch das wesentliche Element der Beweglichkeit gegeben.
Bahá’u’lláh Selbst bezeugt nach einer Erklärung Shoghi Effendis die Festigkeit dieses Bundes mit den Worten: »Dies ist der Tag, dem keine Nacht folgen wird."44)
Die Bahá’í-Verwaltungsordnung wirkt somit zugleich als Nucleus und als Modell der zukünftigen Weltfriedensordnung.
▪ Die Geschichte des Kitáb-i-Aqdas
Die Offenbarung
Die Geschichte der Offenbarung, der Verbreitung und der Inkraftsetzung des Kitáb-i-Aqdas ist ein wunderbares Beispiel des Prinzips fortschreitender Gottesoffenbarung. Es ist ein besonderes Merkmal der Bahá’í-Religion, daß vieles nur offenbart wurde, weil entsprechende Fragen gestellt worden waren, oder Wesentliches erst offenbart wurde, als die Gläubigen wiederholt danach fragten.
[Seite 11]
Mit der Offenbarung des Kitáb-i-Aqdas verhält es sich ebenso: »Einige Jahre lang
gelangten Bittgesuche aus verschiedenen Ländern in die Heiligste Gegenwart, die
inständig um die Gesetze Gottes baten, doch Wir hielten die Feder zurück, bis die
festgesetzte Stunde gekommen war. Alsdann erstrahlte die Sonne der Gesetze und
Gebote vom Horizont des Willens Gottes als ein Zeichen Seiner Gnade für die Völker
der Welt.« 45)
Bahá’u’lláh offenbarte den Kitáb-i-Aqdas in arabischer Sprache Anfang 1873 im Haus von ’Udí Khammár in ’Akká. In der Folge erlaubte Er Zaynu’l-Muqarribín, einem Seiner ergebenen Gefährten, einem erfahrenen, vormalig islamischen Rechtsgelehrten, Fragen zu stellen, die dieser in Hinblick auf die Einführung der Gesetze des Kitáb-i-Aqdas für angebracht hielt. Sie bilden zusammen mit den von Bahá’u’lláh gegebenen Antworten das Buch Fragen und Antworten, das eine Ergänzung des Buches Aqdas darstellt.
Der Kitáb-i-Aqdas ist aber nicht die einzige Quelle der Gesetze und Gebote Bahá’u’lláhs. Vor allem in den nach dem Aqdas offenbarten Botschaften aus 'Akká finden wir neben Ergänzungen und Erklärungen auch eine Fülle weiterführender Prinzipien und Gebote.
Die Verbreitung
»In einem ... Sendschreiben deutet (Bahá’u’lláh) an, daß Er das Buch Aqdas noch nach dessen Offenbarung einige Zeit zurückgehalten habe, bevor es den Freunden in Persien gesandt wurde.« 46)
Dies geschah aber doch noch 1873, als Bahá’u’lláh einem damals in ’Akká weilenden Pilger47) gestattete, einzelne Abschnitte des Kitáb-i-Aqdas abzuschreiben und den Gläubigen in Persien zu bringen. Diesen ersten Textteilen folgten bald vollständige handschriftliche Kopien. 1891 wurde dann in Bombay im Auftrag von Bahá’u’lláh erstmals eine gedruckte 65-seitige authentische Ausgabe des Kitáb-i-Aqdas hergestellt.
Shoghi Effendi hat im Laufe seines Wirkens umfangreiche Teile des Buches Aqdas ins Englische übersetzt und den westlichen Bahá’í zukommen lassen. Es sind dies die in der Inhaltsübersicht und systematischen Darstellung der Gesetze und Gebote des Kitáb-i-Aqdas wiedergegebenen Abschnitte.
Wie das Universale Haus der Gerechtigkeit schreibt, sollte die Veröffentlichung des Heiligsten Buches Bahá’u’lláhs in einer westlichen Sprache schrittweise erfolgen: »Der Hüter erklärte, ein notwendiger Auftakt zur Veröffentlichung des Heiligsten Buches werde die Abfassung einer systematischen Darstellung seiner Gesetze und Gebote sein. Dem soll zu gegebener Zeit die komplette Übersetzung des Buches selbst folgen, ...« 48)
Diese systematische Darstellung hatte Shoghi Effendi als eine seiner Aufgaben für den Zehnjahresplan (1953-1963) festgelegt. Sein Tod 1957 verhinderte die Verwirklichung seiner Absicht. Gestützt auf die vom Hüter geleisteten Vorarbeiten stellte das Universale Haus der Gerechtigkeit dieses Werk im Rahmen des Neunjahresplanes (1964-1973) fertig. Die deutsche Ausgabe steht seit 1987 zur Verfügung.
Die englische Ausgabe
»(Der systematischen Darstellung) soll zu gegebener Zeit die komplette Übersetzung des Buches selbst folgen, von einem Sachverständigen-Gremium erarbeitet und mit einer Fülle eingehender Erläuterungen versehen. Solche Anmerkungen werden zweifellos Verweise auf die vielen Tablets Bahá’u’lláhs enthalten müssen, die den Aqdas ergänzen, auf die Auslegungen aus der Feder ’Abdu’l-Bahás wie aus den Schriften Shoghi Effendis. Sie müssen einzelne Passagen des Buches erläutern oder seine religiösen, kulturellen und historischen Bezüge ausführlich darstellen. Es leuchtet ein, daß dieses Buch, reich an Anspielungen und voll von Bezügen auf Gesetze und Gebräuche vorangegangener Offenbarungen, leicht von jedem mißdeutet werden kann, der mit jenen Gesetzen und Gebräuchen nicht vertraut,
- BAHA'Í
Der Kitáb-i-Aqdas ist aber nicht die einzige Quelle der Gesetze und Gebote Bahá’u’lláhs.
- BAHA'Í
“Die Gesetze Gottes gleichen fürwahr dem Meer und die Menschenkinder den Fischen, verstünden sie es doch!”
in den Lehren Bahá’u’lláhs ungenügend bewandert und über Dessen grundlegende Absichten nicht gründlich informiert ist.« 49)
Die »gegebene Zeit« ist nun gekommen. Nach einem jüngsten Brief des Universalen Hauses der Gerechtigkeit an die Nationalen Geistigen Räte ist mit der Veröffentlichung dieses Gesamtwerkes Anfang 1993 zu rechnen. Es steht zu hoffen, daß die deutsche Übersetzung rasch folgen wird.
Die Inkraftsetzung
Bahá’u’lláh verordnete, bei der Inkraftsetzung des Kitáb-i-Aqdas dem Prinzip der fortschreitenden Gottesoffenbarung zu folgen: »Die Gesetze Gottes gleichen fürwahr dem Meer und die Menschenkinder den Fischen, verstünden sie es doch! Angewandt werden müssen sie jedoch mit Feingefühl und Weisheit. ... Da die meisten Menschen schwach und weit entfernt sind von der göttlichen Absicht, muß man in jeder Lage Takt und Klugheit walten lassen, auf daß nichts geschehe, was Verwirrung und Streit hervorrufen oder Geschrei unter den Achtlosen erregen kann. Wahrlich, Seine Großmut übertrifft das ganze Weltall, und Seine Gnadengaben umfassen alle, die auf Erden wohnen. In einem Geist der Liebe und Duldsamkeit muß man die Menschheit zum Meere wahren Verstehens führen. Der Kitáb-i-Aqdas selbst legt beredtes Zeugnis ab für die liebevolle Vorsehung Gottes.« 50)
Auch in einem Brief, der im Auftrag Shoghi Effendis an einen Gläubigen geschrieben wurde, kommt dies zum Ausdruck: »Die Lehren Bahá’u’lláhs können nur nach und nach zur Geltung gebracht werden. Die Zeit muß reif werden, wenn das gewünschte Ergebnis erreicht werden soll.«51)
In einem Brief vom 9.Juni 1974 an den Nationalen Geistigen Rat der Bahá’í in Island hat das Universale Haus der Gerechtigkeit all jene Gesetze und Gebote des Aqdas aufgelistet, »die derzeit für die Freunde in der westlichen Welt nicht bindend sind«. Die einzige zwischenzeitliche Änderung ist die weltweite Inkraftsetzung des Gesetzes über das Huqúqu’lláh zu Ridván 1992.
- »Eine neue Schöpfung«
▪ Innere und äußere Herausforderung
Mit der Veröffentlichung des Kitáb-i-Aqdas auf Englisch stehen Bahá’í und Nicht-Bahá’í vor der Herausforderung des Ungewohnten. Die große Spannung zwischen Zeitgeist und göttlicher Absicht erklärt sich aus dem Ziel Bahá’u’lláhs, die Menschen durch einen grundlegenden Wandlungsprozeß in ihr Zeitalter der Reife zu führen: »Wahrlich, Wir haben jede Seele verhauchen lassen kraft Unserer unwiderstehlichen, allunterwerfenden Herrschaft. Wir haben sodann eine neue Schöpfung ins Dasein gerufen, als ein Zeichen unserer Gnade für die Menschen.« 52)
Das heutige Erscheinungsbild der Menschheit zeigt nicht ihr wahres Wesen, sondern ist nur der Ausdruck der Unvollkommenheit früherer Zeitalter: »Die Bahá’í-Religion betrachtet die gegenwärtige Verwirrung in der Welt und den verhängnisvollen Zustand der menschlichen Belange als eine natürliche Phase in einem unaufhaltsamen organischen Prozeß, hin zur Einigung der Menschheit in einer einzigen Gesellschaftsordnung, deren Grenzen die des Planeten sind. Wie der Mensch als Einzelwesen, hat die Menschheit als Gattung die Entwicklungsstufen des Säuglings und des Kindes durchlaufen, ist nun auf dem Höhepunkt ihrer ungestümen Jugend und nähert sich ihrer lang erwarteten Mündigkeit.« 53)
[Seite 13]
Die Bahá’í sind sich dieser Zusammenhänge wohl bewußt. Da aber auch
wir in dieser gegenwärtigen, unvollkommenen Welt leben, stehen unsere
Vorstellungen und Erwartungen oft genug in einem gewissen Gegensatz zu
den Ratschlägen des göttlichen Arztes. Diese geistige Wiedergeburt des
einzelnen und der ganzen Welt kann daher kaum ohne Schmerzen abgehen.
▪ Zum Selbststudium
Es gilt, sich dem Mutterbuch der Bahá’í-Religion, dem Verwahrungsort des Willens Gottes für dieses Zeitalter, zuzuwenden: »Dieses Buch ist nichts anderes als Gottes urewige Lampe für die ganze Welt und Sein gerader Pfad unter den Menschen.« 54)
Eingedenk der Bedeutung des Werkes und des Ernstes der Aufgabe empfiehlt es sich, bei unserem forschenden Streben die folgende Anleitung 'Abdu'l-Bahás im Sinn zu behalten: »Ihr müßt Tag und Nacht danach streben, daß ihr zu den Bedeutungen des himmlischen Königreiches gelangt, daß ihr das Zeichen der Göttlichkeit gewahrt, Gewißheit im Göttlichen Wissen erhaltet und erkennt, daß diese Welt einen Schöpfer, einen Lebensspender, einen Erhalter, einen Baumeister hat; daß ihr dies durch Beweise und klaren Augenschein wißt, nicht durch Empfindungen — nein, vielmehr durch entscheidende Argumente und wirkliches Schauen; das heißt, daß ihr es so klar erschaut, wie das äußere Auge die Sonne wahrnimmt.« 55)
Glauben ist eben keine Sache blinden Fürwahrhaltens, sondern bewußter Erkenntnis. 56)
Um eine Vorstellung der vielfältigen Inhalte des Buches Aqdas zu gewinnen, empfiehlt sich neben einem Studium der Inhaltsübersicht vor allem der dem Kitáb-i-Aqdas gewidmete Abschnitt in Shoghi Effendis umfassendem Geschichtswerk Gott geht vorüber. Auf den Seiten 242-248 würdigt der Hüter die besondere Bedeutung und Stufe dieses Buches und faßt seine Inhalte zusammen.
Mit Sicherheit wird eine Fülle von Fragen auftauchen, bei manchen vielleicht sogar Zweifel. Wir sollten alle Möglichkeiten nützen, sie zu klären. Letztlich steht jedem auch die Möglichkeit offen, alle Fragen und Zweifel an die höchste Institution der Sache Bahá’u’lláhs, das Universale Haus der Gerechtigkeit, heranzutragen, dessen unfehlbarer, liebevoller und geduldiger Führung wir uns stets anvertrauen können.
▪ Zur Tat
Ein wesentlicher Faktor des Lernens ist das Üben, und Shoghi Effendi hat uns dafür eine äußerst praktische Anleitung gegeben: »Oft ist es für uns schwer Dinge zu tun, weil sie sich so sehr vom uns Gewohnten unterscheiden, und nicht weil sie an sich so besonders schwierig wären. ... Bahá’u’lláh hätte uns diese Dinge nicht gegeben, wenn sie nicht von größtem Nutzen für uns wären. ... (Wir) müssen ... es auf uns nehmen, diesen Geboten zu gehorchen, wenngleich wir ihre Notwendigkeit anfänglich nicht erkennen können. Wenn wir ihnen gehorchen, werden wir in uns allmählich den Nutzen entdecken, den sie uns vermitteln.« 57)
Mitunter entspringt klare Schau eben nicht dem Denken sondern dem Tun.
- BAHA'Í
“Bahá’u’lláh hätte uns diese Dinge nicht gegeben, wenn sie nicht von größtem Nutzen für uns wären.”
- BAHA'Í
“Diese großen Unterdrückungen ...bereiten die Menschheit auf das Kommen der Größten Gerechtigkeit vor.”
Einige Worte zum Schluß!
▪ Das Versprechen:
»Dies ist der Tag, da die unsichtbare Welt ausruft: ’Groß ist deine Glückseligkeit, o Erde, denn du bist zum Schemel deines Gottes gemacht und zum Sitz Seines mächtigen Thrones erkoren!’« 58)
▪ Der Weg:
»’Diese großen Unterdrückungen ... bereiten die Menschheit auf das Kommen der Größten Gerechtigkeit vor.’ Diese Größte Gerechtigkeit ist jene Gerechtigkeit, auf der sich der Bau des Größten Friedens allein gründen kann und muß, während der größte Friede hinwiederum jene größte Weltkultur einleiten wird, die für immer mit Dem verbunden sein wird, der den Größten Namen trägt.« 59)
▪ Die feste Grundlage:
»Selig ist der Mensch, der seinen Glauben an Gott und Seine Zeichen bekennt und anerkennt: ’Er soll nicht befragt werden über Sein Tun.’ ... Würde Er für rechtmäßig erklären, was seit unvordenklichen Zeiten verboten war, und verbieten, was zu allen Zeiten als rechtmäßig galt, so hätte niemand das Recht, Seine Allgewalt in Frage zu stellen. ... Wer immer diese hehre und grundlegende Wahrheit nicht anerkennt, wer diese höchst erhabene Stufe nicht erreicht, den werden die Stürme des Zweifels schütteln, und die Reden der Ungläubigen werden seine Seele verwirren. ... Dies ist die Lehre, die Gott dir erteilt, eine Lehre, die dich von jeglichem Zweifel und jeder Verwirrung befreien und dich befähigen wird, im Diesseits wie im Jenseits Erlösung zu finden.« 60)
▪ Der Aufruf Bahá’u’lláhs:
»Die Welt ist aus dem Gleichgewicht geraten durch die Schwungkraft dieser größten, dieser neuen Weltordnung. Das geregelte Leben der Menschen ist aufgewühlt durch das Wirken dieses einzigartigen, dieses wundersamen Systems, desgleichen kein sterbliches Auge je gesehen hat. Versenkt euch in das Meer meiner Worte, damit ihr seine Geheimnisse ergründet und alle Perlen der Weisheit entdeckt, die in seinen Tiefen verborgen liegen.« 61)
▪ Die Anleitung 'Abdu'l-Bahás:
»Richte deine Aufmerksamkeit auf die heiligen Sendschreiben. Lies Ishráqát, Tajallíyyát, die Worte des Paradieses, die Frohen Botschaften, Tarázát62), das Heiligste Buch. Dann wirst du sehen, daß diese himmlischen Lehren heutzutage das Heilmittel für eine kranke, leidende Welt, heilender Balsam für die Wunden am Körper der Menschheit sind. Sie sind der Geist des Lebens, die Arche der Erlösung, der Magnet, der ewige Herrlichkeit anzieht, die bewegende Kraft des Ansporns für des Menschen innerstes Wesen.”63)
▪ Der Schlüssel:
»Sprich: In Meinen Gesetzen ist der süße Duft Meines Gewandes wahrzunehmen, und mit ihrer Hilfe werden die Banner des Sieges auf den höchsten Höhen gehißt. Die Zunge Meiner Macht richtet aus den Himmeln Meiner allmächtigen Herrlichkeit diese Worte an Meine Schöpfung: ’Haltet Meine Gesetze aus Liebe zu Meiner Schönheit!’« 64)
- 1) Bahá’u’lláh , Ährenlese, Bahá’í-Verlag 1980, 3. rev. Aufl., Kap. 7:3
- 2) Mt.6: 10
- 3) Off.21:2-3
- 4) ’Abdu’l-Bahá, Briefe und Botschaften, Bahá’í-Verlag 1992, Kap. 29:7
- 5) Mt.9:17
- 6) Bahá’u’lláh, Brief an den Sohn des Wolfes, Bahá’í-Verlag 1966, S.118
- 7) Bahá’u’lláh, Kitáb-i-Aqdas, zit.in Inhaltsübersicht und systematische Darstellung der Gesetze und Gebote des Kitáb-i-Aqdas, Bahá’í-Verlag 1987, S.40
- 8) Bahá’u’lláh, Ährenlese 131:2
- 9) 'Abdu'l-Bahá, zit.in Frieden, Bahá’í-Verlag 1986, S.18
- 10) 'Abdu'l-Bahá, zit. in Shoghi Effendi, Die Weltordnung Bahá’u’lláhs, Bahá’í-Verlag 1977, S.68ff
- 11) 'Abdu'l-Bahá, 3. Lichtstrahl der Einheit, siehe Weltordnung S.64
- 12) Bahá’u’lláh, Kitáb-i-Aqdas, Inhaltsübersicht S.42ff
- 13) Bahá’u’lláh, Ishráqát, Botschaften aus 'Akkä, Bahá’í-Verlag 1982, 8:53
- 14) 'Abdu'l-Bahá, Das Geheimnis göttlicher Kultur, Bahá’í-Verlag 1973, S.88ff
- 15) Bahá’u’lláh, Ährenlese 16:3
- 16) Off. 21:5
- 17) 'Abdu'l-Bahá, Geheimnis S.68
- 18) Jes. 32/17
- 19) 'Abdu'l-Bahá, Ansprachen in Paris, Bahá’í-Verlag 1973, 6. Auflage, S.104
- 20) Bahá’u’lláh, Ährenlese 4:2
- 21) Bahá’u’lláh, zit.in Shoghi Effendi, Das Kommen Göttlicher Gerechtigkeit, Bahá’í-Verlag 1969, S.46
- 22) Bahá’u’lláh, Botschaften aus ’Akká 3:25
- 23) ’Abdu’l-Bahá, Briefe und Botschaften 227:21
- 24) 'Abdu'l-Bahá, The Promulgation of Universal Peace S.455, zit. nach Deutsche Bahá’í-Nachrichten März 1991, S.14
- 25) 'Abdu'l-Bahá, zit.in Shoghi Effendi, Gott geht vorüber, Bahá’í-Verlag 1974, 2. Auflage, S.271
- 26) Bahá’u’lláh, Kitáb-i-Aqdas, Inhaltsübersicht S.25
- 27) Mt.7:2l
- 28) Qur’an 29:9, zit.in Bahá’u’lláh, Buch der Gewißheit, Bahá’í-Verlag 1978, 3. Auflage, S.16
- 29) 'Abdu'l-Bahá, Briefe und Botschaften 189:2
- 30) Shoghi Effendi, Gott geht vorüber, S.243
- 31) Shoghi Effendi, Gott geht vorüber, S.246
- 32) Bahá’u’lláh, Botschaften aus 'Akká 13:20
- 33) Bahá’u’lláh, Kitáb-i-Aqdas, Inhaltsübersicht S.26ff
- 34) "Ich aber sage euch,..." erstmals bei Mt. 5:22
- 35) 3.Mose 19:18,34
- 36) Mt. 5:43ff
- 37) Lk 10:30ff
- 38) Mt.24:12
- 39) 'Abdu'l-Bahá, zit. in Frieden S.17
- 40) 'Abdu'l-Bahá, zit. in Shoghi Effendi, Das Kommen Göttlicher Gerechtigkeit S.48
- 41) Inhaltsübersicht S.94
- 42) ’Abdu’l-Bahá, Beantwortete Fragen, Bahá’í-Verlag 1962, Kap. 77:3
- 43) Bahá’u’lláh, Ährenlese 137:3
- 44) im Auftrag des Hüters an einen Gläubigen, 25.November 1948, Lights of Guidance, Nr. 1047, zit. nach Gott geht vorüber S.110, vergleiche auch Sacharja 14:7 mit Bezug auf Mk. 13:32
- 45) Bahá’u’lláh, zit.in Inhaltsübersicht S.15
- 46) Inhaltsübersicht S.15
- 47) Jamál-i-Burújirdi, siehe Adib Taherzadeh, Die Offenbarung Bahá’u’lláhs, Bd. 3, S.333, Bahá’í-Verlag 1992
- 48) Inhaltsübersicht S.18ff
- 49) Inhaltsübersicht S.18ff
- 50) Bahá’u’lláh, zit. in Inhaltsübersicht S.16
- 51) 15.Februar 1932, zit.in Huqúqu’lláh, Nr.84
- 52) Bahá’u’lláh, zit.in Shoghi Effendi, Weltordnung, S.301
- 53) Universales Haus der Gerechtigkeit, Die Verheißung des Weltfriedens, Bahá’í-Verlag 1989, S.10f
- 54) Bahá’u’lláh, Kitáb-i-Aqdas, zit. in Inhaltsübersicht S.20
- 55) 'Abdu'l-Bahá, zit. in Göttliche Lebenskunst, Bahá’í-Verlag 1985, 3. rev. u. erw. Auflage, S.140f.
- 56) siehe Bahá’u’lláh — eine Einführung, Bahá’í-Verlag 1992, S.18
- 57) im Auftrag Shoghi Effendis an einen Gläubigen, 16.März 1949, zit. in Lights of Guidance, 2. Aufl. 1988, Nr. 1150, eigene Übersetzung
- 58) Bahá’u’lláh, bezogen auf Jesaja 66:1, zit. in Shoghi Effendi, Weltordnung S.302
- 59) Shoghi Effendi, zit. anfangs Bahá’u’lláh, Der verheißene Tag ist gekommen, Bahá’í-Verlag 1967, S.24f
- 60) Bahá’u’lláh, Kitáb-i-Aqdas, Inhaltsübersicht S.44
- 61) Bahá’u’lláh, Kitáb-i-Aqdas, Inhaltsübersicht S.46
- 62) siehe Bahá’u’lláh, Botschaften aus ’Akká
- 63) ’Abdu’l-Bahá, Briefe und Botschaften 29:11
- 64) Bahá’u’lláh, Kitáb-i-Aqdas, Inhaltsübersicht S.26
- BAHA'Í
Der zweite Bahá’í-Weltkongreß in New York[Bearbeiten]
- Nassim Berdjis
23.-26. November 1992
Der erste Bahá’í-Weltkongreß fand im Jahre 1963 in der Royal Albert Hall in London
statt. Damals war die Hundertjahrfeier der Erklärung der Sendung Bahá’u’lláhs als
Offenbarer für dieses Zeitalter der Anlaß für den Weltkongreß gewesen. In London,
wo der Hüter des Bahá’í-Glaubens am 4. November 1957 verstorben war, stellten sich
auch die Mitglieder des ersten Universalen Hauses der Gerechtigkeit vor, die im
April desselben Jahres von den damals existierenden 56 Nationalen Geistigen
Räten in dieses internationale Gremium gewählt worden waren.
Der zweite Bahá’í-Weltkongreß erinnerte nicht nur an den 100. Jahrestag des
Hinscheidens Bahá’u’lláhs, sondern auch an die Einsetzung des Bundes Bahá’u’lláhs,
denn Sein ältester Sohn ‘Abdu’l-Bahá erklärte während Seiner 239 Tage dauernden
Reise durch die Vereinigten Staaten im Jahre 1912 den Bahá’í der westlichen Welt
Seine Stufe als Mittelpunkt
[Seite 16]
- BAHA'Í
Jeder Tag widmete sich einem Thema, das anhand von Vorträgen, Filmen, dramatischer Darstellung und Musik behandelt wurde.
des Bundes, als autorisierter Ausleger der Schriften Bahá’u’lláhs und als Garant der Einheit der Bahá’í-Gemeinde. Diese offizielle Erklärung geschah am 19. Juni 1912 in New York, und daher wird New York auch die Stadt des Bundes genannt.
Vom 23.-26. November 1992 versammelten sich ca. 27.000 Bahá’í aus annähernd 180 Ländern und Gebieten in New York, um das Heilige Jahr zu feiern und die weltumspannende Mannigfaltigkeit der Bahá’í-Gemeinde zu zeigen. Das vier Tage umfassende Programm wurde jeweils morgens und nachmittags abgehalten, da das Jacob Javits Center nur ca. 15.000 Zuschauer beherbergen konnte. 'Abdu'l-Bahá hatte bei Seiner Ankunft in New York am 11. April 1912 die Stadt als Bienenstock bezeichnet, und einen ähnlichen Eindruck hatte man auch von dem Konferenzzentrum, in dem sich Freunde und Verwandte zum ersten Mal trafen oder nach Jahren der Trennung wiederfanden, und die Freude war immens.
Jeder Tag widmete sich einem Thema, das anhand von Vorträgen, Filmen, dramatischer Darstellung und Musik behandelt wurde. Im Mittelpunkt des ersten Tages standen Leben und Werk Bahá’u’lláhs. Der Oberbürgermeister der Stadt New York, David Dinkins, begrüßte die Teilnehmer, würdigte die Wahl der Stadt New York als Konferenzort und drückte seine Hoffnung für eine positive Entwicklung aller Bemühungen für eine Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage seiner Stadt aus. Im Namen der Stadtväter erklärte er auch, daß der 23.November 1992 in New York als Bahá’í World Congress Day bezeichnet wird. Vom Moderator des Programms erhielt der Bürgermeister eine gerahmte Abschrift des Gebets für New York, in dem 'Abdu'l-Bahá das Potential dieser Stadt beschreibt und die Menschen zur Verwirklichung dieser Vision der Einheit und des Friedens aufruft. Präsident George Bush hatte eine ausführliche Grußbotschaft geschickt, die verlesen wurde, und im Laufe des Kongresses traf eine so große Anzahl Mitteilungen ein, daß nur einige — darunter die des Gouverneurs des Staates New York, Mario Cuomo, und die des Bürgermeisters von Saragossa, Spanien — vorgetragen werden konnten.
Eine Botschaft des Universalen Hauses der Gerechtigkeit wurde von der Hand der Sache Gottes Amatu’l-Bahá Rúhíyyih Khánum, der offiziellen Repräsentantin des Universalen Hauses der Gerechtigkeit bei der Tagung, verlesen. Darauf folgte ein Oratorium, in dem Stationen im Leben Bahá’u’lláhs musikalisch und durch überleitende Worte übermittelt wurden — darunter die Gefangenschaft im Verließ von Teheran und die Verkündigung im Garten Ridván in der Nähe von Baghdad. Manche der Texte stammten aus den Bahá’í-Schriften, andere von den Komponisten selbst, zu denen Tom Price, Jack Lenz, Jim Seals und Graham Major zählten. Im 400 Sänger und Sängerinnen starken Chor sangen Bahá’í aus 36 Ländern, und das international besetzte Symphonieorchester wurde auch von Tom Price aus Tennessee, USA, geleitet. Nach einer Ansprache von David Hofman, einem ehemaligen Mitglied des Universalen Hauses der Gerechtigkeit, erklang unter der Leitung von Russ Garcia, dem besonders in den 50er und 60er Jahren bekannten Komponisten zahlreicher Begleitmusik für Hollywood-Filme, erneut Musik, zu der Repräsentanten aus etwa 180 Ländern die Bühne betraten, begleitet von einer mündlichen Auflistung ihrer Herkunft. Die Vielfalt an Trachten und Farben war überwältigend und machte diese Prozession zu einem Fest der Einheit in der Mannigfaltigkeit.
Der zweite Programmtag war 'Abdu'l-Bahá gewidmet. Zwei Bahá’í, die 'Abdu'l-Bahá persönlich erlebt hatten, sprachen über ihre Erinnerungen. Vier hervorragende Schauspieler stellten die persönlichen Erfahrungen früher westlicher Bahá’í dar, die 'Abdu'l-Bahá in Amerika oder auch bei einer Pilgerreise kennenlernten und deren Leben von diesen Begegnungen bestimmt war. Ein Videofilm ging auf die Geschichte der Stadt New York als Schmelztiegel und Durchgangsstation vieler Einwanderer und als Ort rapider technischer und gesellschaftlicher Entwicklung ein und verlieh dem Besuch 'Abdu'l-Bahás in jener Stadt den historischen Zusammenhang. Nach einer Würdigung des Lebens 'Abdu'l-Bahás durch Firuz Kazemzadeh, Professor für russische Geschichte an der Universität Yale, war ein Film zu sehen, der 'Abdu'l-Bahá 1912 in den USA zeigte.
Das Hauptthema des dritten Konferenztages war der Bund Bahá’u’lláhs (s.
Bahá’í-Briefe 61). Berichte über das Leben
[Seite 17]
der Guaymi-Indianer in Panama, von denen viele den Bahá’í-Glauben angenommen
haben, über Entwicklungserfolge in Indien und über Aktivitäten der Bahá’í beim
Umweltgipfel in Rio zeigten das Potential guter Zusammenarbeit. Wichtig für den Bund
Bahá’u’lláhs und für den Zusammenhalt der Bahá’í-Gemeinde war und ist die Rolle
der Hände der Sache Gottes, ergebener Persönlichkeiten, denen von Bahá’u’lláh,
'Abdu'l-Bahá und Shoghi Effendi im Laufe der Bahá’í-Geschichte die Aufgabe übertragen
worden war, die Grundsätze des Bahá’í-Glaubens in den Gemeinden zu unterrichten und
den Zusammenhalt zwischen der Bahá’í-Gemeinde und der sich entwickelnden
Bahá’í-Verwaltungsordnung zu entwickeln. Die drei heute noch unter uns weilenden Hände
der Sache Gottes wandten sich in Ansprachen an die Versammlung und gingen auf
verschiedene Aspekte des Themas des Tages ein. Wie an den anderen Tagen erklang
zu Beginn und Abschluß des Programms Musik.
Der letzte Konferenztag beinhaltete ein historisches Ereignis, das die Anwesenden sicherlich sehr berührte, denn bei dieser Satellitenkonferenz wurden telefonisch Verbindungen zu neun parallel stattfindenden Tagungen in Apia (West Samoa), Buenos Aires (Argentinien), Bukarest (Rumänien), Moskau (Rußland), Singapur, Panama City (Panama), New Delhi (Indien), Sydney (Australien) und Nairobi (Kenia) hergestellt, und aus jedem dieser Länder wurden die Grüße der dort versammelten Bahá’í übermittelt. Im weiteren Verlauf des Programms wurde nach Haifa, Israel, geschaltet, wo aus dem Sitz des Universalen Hauses der Gerechtigkeit im Kreise der auch dort versammelten Bahá’í eine Botschaft verlesen wurde. Diese Satellitenkonferenz wurde in viele Länder übertragen. Auch in Hofheim versammelten sich ca. 130 Bahá’í, um nach einem zweistündigen Zusammenschnitt der ersten drei Konferenztage die Direktübertragung mitzuerleben.
Während dieses Festes der in der Menschheit vertretenen kulturellen Vielfalt traten auch kleine Chöre auf, die Lieder aus aller Welt präsentierten und mit dem Gospelchor und dem Hauptchor in ein mitreißendes Lied einstimmten, das die Begeisterung der Teilnehmer erweckte und in Musik zum Ausdruck brachte.
Zum Abendprogramm versammelte man sich nicht im Jacob Javits Center, sondern es fanden verschiedene Konzerte statt. In der Carnegie Hall fand für die New Yorker Öffentlichkeit noch vor der Eröffnung des Kongresses ein klassisches Konzert u.a. mit den Pianisten Eugene Istomin und Byron Janis, den Opernstars Benita Valente und Tatiana Troyanos, mit dem Cleveland Quartett und dem Solisten David Shifrin statt, das restlos ausverkauft war und mit Begeisterung aufgenommen wurde. Am 25. November wurde, ebenfalls in der Carnegie Hall, ein Jazzkonzert als Homage an den weltberühmten Jazz-Trompeter Dizzy Gillespie veranstaltet. Leider konnte Dizzy Gillespie aus gesundheitlichen Gründen nicht persönlich daran teilnehmen.
In verschiedenen Hotels gab es weiterhin Konzerte mit lateinamerikanischer Musik, mit dem Gospelchor, mit Jazz unter der Leitung von Russ Garcia, sowie gemischte Konzerte mit mehreren Künstlern und eine Theateraufführung mit Chormusik.
- Ausstellung über den Besuch 'Abdu'l-Bahás in New York City im Hilton Hotel als Teil der Kongreßaktivitäten
- BAHA'Í
Im Weltzusammenhang gesehen spiegelt New York viele der Probleme wider, die alle Menschen in Ost und West, Süd und Nord quälen.
Außerdem wurden für die jüngeren Teilnehmer von 12 bis 24 Jahren in drei
Altersgruppen separate Veranstaltungen durchgeführt, die die Interessen dieser
Teilnehmer besonders berücksichtigten.
In einem der Hotels wurde eine Ausstellung über ‘Abdu’l-Bahás Reise in die Vereinigten Staaten gezeigt. Darin wurde nicht nur anhand von Dokumenten die Rolle ‘Abdu’l-Bahás im Bahá’í-Glauben dargestellt; der Betrachter erhielt auch durch Bild und Text einen Eindruck vom Jahr 1912, von der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Situation in den USA, von den Reaktionen der Presse und der Öffentlichkeit auf 'Abdu'l-Bahá und von der frühen Bahá’í-Gemeinde auf dem nordamerikanischen Kontinent.
'Abdu'l-Bahá traf während Seines Aufenthaltes in den USA und Kanada Menschen aller gesellschaftlichen Schichten: Botschafter, Erfinder wie Alexander Graham Bell, Kämpfer für die Gleichberechtigung der Rassen wie W.E.B. DuBois und den schwarzen Dichter James Weldon Johnson, Geistliche vieler Religionen und Konfessionen, den Dichter und Maler Kahlil Gibran, der ein Porträt von 'Abdu'l-Bahá malte, aber auch Menschen, die sich zu den Lehren Bahá’u’lláhs und zur Person 'Abdu'l-Bahás hingezogen fühlten. Seine Ansprachen hielt ‘Abdu’l-Bahá an so unterschiedlichen Orten wie der Friedenskonferenz von Lake Mohonk, an verschiedenen Universitäten und in Kirchen, in der Bowery Mission für die Armen in New York sowie in den Häusern verschiedener Bahá’í, die allen Menschen offenstanden und in denen er den ganzen Tag Menschen empfing und zu ihnen sprach.
Wenn man durch das New York der neunziger Jahre geht, kommt man nicht umhin, über krasse Kontraste von betontem Prunk bis zu völliger Verarmung nachzudenken, und jedem aufmerksamen Betrachter wird klar, daß bis zur Verwirklichung der von 'Abdu'l-Bahá beschriebenen Zukunft jener Stadt noch viele Anstrengungen zum Abbau sozialer Unterschiede und zur Verwirklichung des menschlichen Potentials gemacht werden müssen. Im Weltzusammenhang gesehen spiegelt New York viele der Probleme wider, die alle Menschen in Ost und West, Süd und Nord quälen — Armut, Kriminalität, Umweltverschmutzung usw. — aber die kulturellen Einrichtungen dieser Stadt — Museen, Konzertsäle, Universitäten usw. — vermitteln auch Hoffnung für eine bessere, menschenwürdigere Zukunft.
In diesem Sinne soll zum Abschluß dieses Berichts vom zweiten Bahá’í-Weltkongreß in New York an die erste Ansprache 'Abdu'l-Bahás erinnert werden, die Er am 11. April 1912 bei Herrn und Frau E.B. Kinney in der West End Avenue hielt und in der Er u.a. sagte:
»Mir gefällt die Stadt New York sehr. Ihre Hafeneinfahrt, ihre Landestege, Gebäude und breiten Alleen sind großartig und schön. Es ist wirklich eine wunderbare Stadt. Da New York sehr weit entwickelt ist, was die materielle Zivilisation betrifft, hoffe ich, daß diese Stadt auch geistig im Königreich Gottes und im Bunde Gottes voranschreiten wird, so daß die Freunde hier der Grund für die Erleuchtung Amerikas sein werden, so daß diese Stadt die Stadt der Liebe wird und daß der Wohlgeruch Gottes von diesem Ort in alle Welt verbreitet wird. Deshalb bin ich hierher gekommen. Ich bete dafür, daß ihr Offenbarungen der Liebe Bahá’u’lláhs werdet, daß jeder von euch wie eine kristallklare Lampe wird, von der aus die Strahlen der Gnade der Gesegneten Vollkommenheit zu allen Nationen und Völkern dringen werden. Dies ist mein höchstes Streben.«
(‘Abdu’l-Bahá, The Promulgation of Universal Peace, Wilmette. IL, Bahá’í Publishing Trust, 1982, S. 3)
Stimmen zum Zweiten Bahá’í-Weltkongreß in New York[Bearbeiten]
Grußbotschaft des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, George Bush
Weißes Haus, Washington D.C., den 28. September 1992
Ich freue mich, den amerikanischen Mitgliedern der Bahá’í-Gemeinde und den Millionen von Bahá’í in aller Welt Grüße senden zu können, während Sie den I00. Jahrestag des Hinscheidens Bahá’u’lláhs, des Stifters Ihres Glaubens, begehen. Ich weiß, daß Sie, während sich viele von Ihnen in New York zu Ihrem Weltkongreß oder andernorts zu freudigen Feierlichkeiten versammeln, an Ihre Mitgläubigen denken, denen die Religionsfreiheit und Toleranz, die für die Bahá’í-Lehren grundlegend sind, verweigert wird. In zahlreichen Stellungnahmen und Resolutionen des Kongresses haben die Vereinigten Staaten wiederholt der Hoffnung Ausdruck verliehen, daß den Bahá’í im Iran, dem Geburtsort Ihres Glaubens, die Ausübung ihres Glaubens erlaubt wird, wie diese von der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte garantiert wird.
Die Bahá’í-Lehren der religiösen Toleranz, der Einheit der Menschheit, der Beseitigung von Vorurteilen, der Gleichwertigkeit der Geschlechter und des universellen Friedens verkörpern Prinzipien, die alle Menschen guten Willens bewundern und unterstützen. Während Sie dem Leben und den Schriften Bahá’u’lláhs Ehre erweisen, stimme ich in Ihr Gebet dafür ein, daß wir die Verwirklichung dieser grundlegenden Prinzipien in jedem Land erleben dürfen.
Meine besten Wünsche für bedeutsame Feierlichkeiten begleiten Sie.
George Bush
Grußbotschaft des Gouverneurs des Staates New York, Mario Cuomo
Albany, Staat New York, den 25. November 1992
An die Teilnehmer des Bahá’í-Weltkongresses:
Im Namen der Bevölkerung meines Staates heiße ich die 30.000 Mitglieder der Bahá’í-Gemeinde zum Weltkongreß in New York willkommen.
Es ist angemessen, daß Ihr Glaube mit seinen Mitgliedern in allen Ländern der Erde und jeglicher ethnischen, rassischen und religiösen Herkunft eine Konferenz in New York abhält. Wie die Bahá’í-Gemeinde setzt sich New York aus Menschen aller Hautfarben und Ursprünge zusammen — ein prächtiges Mosaik, das unseren Staat durch seine Mannigfaltigkeit bereichert.
Wir können alle lernen von der zentralen Botschaft des Bahá’í-Glaubens, der lehrt, daß es eigentlich nur eine Rasse gibt — nämlich die menschliche Rasse. Die Welt wäre eine bessere, wenn Ihr Glaube an allgemeine Gleichwertigkeit und Ihre Ablehnung von Vorurteilen das Verhalten jedes einzelnen leitete.
Während Sie New York durch Ihre Anwesenheit beehren, um den 100. Jahrestag des Hinscheidens Ihres Religionsstifters, des Propheten Bahá’u’lláh, zu begehen, wünsche ich Ihnen die friedvolle und harmonische Zukunft, die Sie der ganzen Menschheit wünschen.
Herzlichst,
Mario M. Cuomo
Ansprache des Bürgermeisters der Stadt New York, David N. Dinkins, beim Zweiten Bahá’í-Weltkongreß
Willkommen in der Stadt New York!
Vor einem Vierteljahrhundert sagte der Reverend Dr. Martin Luther King, Jr: “ ..... die nächste Angelegenheit, um die wir uns bemühen müssen, um Frieden auf Erden und Wohlwollen anderen Menschen gegenüber verwirklichen zu können, ist die gewaltfreie Sicherheit der Heiligkeit allen menschlichen Lebens. Jeder Mensch ist ein Individuum, weil er ein Kind Gottes ist.”
New York ist eine Stadt, die sich diesen Rat zu Herzen nimmt. Ja, wir sind die internationale Hauptstadt des Handels, der Kultur und der Kommunikation. Als der Sitz unserer nationalen Medien bieten wir die Möglichkeit zu landesweiter Berichterstattung über Ereignisse, die hier stattfinden, wie Sie in diesem Sommer während des sehr erfolgreichen Parteitags der Demokraten gesehen haben.
Aber unsere Stadt ist auch ein kultureller Treffpunkt und ein Zentrum der Toleranz — ein großartiges Mosaik aus 178 verschiedenen ethnischen Gruppen und der stolze Sitz der Vereinten Nationen. In den achtziger Jahren begrüßten wir eine Million Einwanderer, und ca. 30 Prozent unserer Bevölkerung wurde im Ausland geboren. Genau diese Vielfalt macht New York zu etwas ganz Besonderem; die New Yorker schätzen den polyglotten Charakter und die ethnische Vielfalt unserer Stadt.
Wir freuen uns darüber, daß Sie New York als Schauplatz für den Bahá’í-Weltkongreß, bei dem Sie die Einheit der Rassen und der ethnischen Gruppen feiern, ausgewählt haben.. Obwohl wir uns noch nicht von allen Rassenproblemen befreit haben, zählt New York zu den tolerantesten Städten der Erde.
Offizielle Intoleranz ist unentschuldbar, egal ob Sie in Form direkter Verfolgung Andersgläubiger oder durch das Aussetzen eines Kopfgeldes zur Ermordung eines Schriftstellers ausgeübt wird. Ich hoffe, daß der Geist der Toleranz und des Respekts, den wir in New York weiterhin fördern werden, eines Tages in aller Welt widergespiegelt wird.
Und in diesem Sinne möchte ich Sie erneut in New York willkommen heißen.
Büro des Bürgermeisters der Stadt New York
BEKANNTMACHUNG
DA: die internationale Gemeinde der Bahá’í vom 23. bis 26. November im Jacob K. Javits Center den Bahá’í-Weltkongreß abhält, um die Einheit der Rassen und ethnischen Gruppen zu feiern und
DA: mehr als 30.000 Bahá’í aus 180 Ländern an diesem wichtigen Kongreß in unserer Stadt, der größten und vielfältigsten Versammlung in der 148jährigen Geschichte dieses Glaubens, teilnehmen und
DA: die 1844 von Bahá’u’lláh im Iran gestiftete Bahá’í-Religion heute in fast jedem Land Anhänger hat, betont der Bahá’í-Glauben die Einheit und Gleichheit aller Völker und lehrt, daß diese Einheit nicht verhindert werden sollte, so besuchte der Sohn des Religionsstifters, 'Abdu'l-Bahá, 1912 die Stadt New York und bezeichnete sie als “Stadt des Bundes” und
DA: unsere Stadt eine wunderbar vielfältige Bevölkerung hat, da die Menschen seit Jahrhunderten aus allen Ländern der Welt auf der Flucht vor Verfolgung und zum Aufbau eines neuen Lebens für sich und ihre Familien hierher gekommen sind, heißen wir die Mitglieder des Bahá’í-Glaubens willkommen und stimmen ein in ihrem Wunsch nach Frieden und Freiheit unter allen Völkern der Erde,
DAHER: erkläre ich, David N. Dinkins, Bürgermeister der Stadt New York, in Anerkennung dieser wichtigen Versammlung in unserer Stadt, Montag, den 23. November 1992 in der Stadt New York zum
“Tag des Bahá’í-Weltkongresses”
Zum Zeugnis dieser Bekanntmachung unterschrieb ich hier und ließ das Siegel der Stadt New York anbringen.
David N. Dinkins, Bürgermeister
Das Wesen der Offenbarung[Bearbeiten]
David M. Earl
In den Bahá’í-Lehren über das Wesen der Existenz werden die unterschiedlichen
Formen und Zustände des Daseins auf drei Ebenen begrenzt: Gottheit, Offenbarertum
und Dienen.1) Um die zweite Stufe, die des Offenbarers, zu verstehen, muß man
eine genaue Vorstellung von der ersten und der dritten Stufe haben.
Die göttliche Stufe gehört nur zu Gott, dem letztendlichen und ursprünglichen Daseinsgrund. Die Stufe des Dienens umfaßt die Menschheit und das gesamte Universum außer den Propheten oder Offenbarern Gottes. Sie wird als Stufe der Dienstbarkeit bezeichnet, um ihr grundsätzlichstes Merkmal zu unterstreichen — nämlich die völlige Abhängigkeit von Gott und den Offenbarern, was die menschliche Existenz und den geistigen Fortschritt betrifft.
Die Stufe der Offenbarer, worauf sich dieser Aufsatz konzentriert, beinhaltet alle göttlichen Lehrer, die der Welt als Propheten oder Boten Gottes bekannt sind, und die im Bahá’í-Glauben als Offenbarer oder Manifestationen bezeichnet werden. Der Begriff »Offenbarer« lenkt unsere Aufmerksamkeit auf Ihren Status als besondere Geschöpfe, eine Kategorie, die sich von der Menschheit im allgemeinen deutlich unterscheidet, eine Stufe, die über der der Menschheit liegt, aber dennoch ein Teil von ihr ist. Der Begriff spielt auf die Rolle dieser Personen an, die in der Offenbarung der Eigenschaften Gottes in dieser Welt der Schöpfung besteht, obwohl diese Offenbarer dabei nicht der Gottheit selbst völlig entsprechen.
Gleichzeitig beinhaltet die Stufe des Offenbarers neben dem göttlichen Aspekt auch den Aspekt des Dienstes, da der Offenbarer in der Lage ist, als einzigartiger Mittler zwischen Gott und den Menschen zu dienen. Daher bezieht sich in den Bahá’í-Schriften je nach Zusammenhang das Wort »Offenbarer« bzw. »Manifestation« entweder auf das geistige Wesen aller Offenbarer zusammengenommen oder auf besondere Individuen (z.B. Jesus, Muhammad, Bahá’u’lláh), die in diesen Rang hineingeboren wurden.
Die Stufe des Offenbarers ist eine derart grundlegende Vorstellung im Bahá’í-Glauben,
daß man ihr Verstehen mit den wichtigen Vorbereitungen auf eine geistige Reise
vergleichen kann. Bahá’u’lláh warnt uns, daß die Reise nicht einfach ist, denn das
Offenbarertum ist ein verborgenes Geheimnis. Aber wir müssen die Reise nicht ohne
die Hilfe von Wegweisern unternehmen, denn dazu besitzen wir drei Quellen, in
denen die Maßstäbe und Lehren der Bahá’í-Religion enthalten
[Seite 22]
- BAHA'Í
Die Vorbereitung auf die geistige Reise zum Begreifen des Geheimnisses des Offenbarertums beginnt, sobald ein Mensch anfängt, sich mit Gott zu beschäftigen.
sind: die Schriften des Vorläufers des Bahá’í-Glaubens (des Báb), die Schriften
seines Stifters (Bahá’u’lláh) und des Mittelpunktes des Bundes (‘Abdu’l-Bahá).
Außerdem zeigt ein Studium von Abschnitten des Neuen Testaments, daß in vielen Fällen im Bahá’í-Glauben dieselben Wahrheiten vorliegen, die bereits im frühen Christentum enthalten waren. In manchen Fällen wurden die christlichen Lehren nicht beachtet oder von späteren Generationen mißverstanden; aber eine sorgfältige Analyse des Neuen Testaments liefert genügend Beweise dafür, daß Jesus eine Auffassung von Offenbarung lehrte, die wiederum in den Lehren des Báb und Bahá’u’lláhs zum Ausdruck kommt. Die neuere Erklärung ist detaillierter, aber die grundlegende Wahrheit ist dieselbe und gibt uns ein faszinierendes Beispiel für die unwandelbare Natur der ewigen Wahrheit und für eine ungebrochene Kette der Wegweiser, die zu einem besseren Verständnis der Stufe der Gottesoffenbarer führt.
▪ Die transzendente Natur Gottes
Die Vorbereitung auf die geistige Reise zum Begreifen des Geheimnisses des Offenbarertums beginnt, sobald ein Mensch anfängt, sich mit Gott zu beschäftigen. Gott haben wir oben bereits als letztendlichen und ursprünglichen Grund beschrieben, als Denjenigen, Dessen Existenz der Schöpfung vorausging. Jedoch kann der Mensch als Bewohner der dritten Existenzstufe nie zu hoffen wagen, das Wesen Gottes begreifen zu können. Im Kitáb-i-Iqán (Buch der Gewißheit) schreibt Bahá’u’lláh, daß Gott ein für uns nicht begreifbares oder beschreibbares Wesen besitzt.2) Es gibt noch nicht einmal ein materielles Zeichen, das die Gegenwart oder Abwesenheit Gottes anzeigen könnte. In den ersten Zeilen Seines Buches Brief an den Sohn des Wolfes definiert Bahá’u’lláh Gott anhand der Dinge, die nicht Seinem Wesen entsprechen:
»Preis sei Gott, dem Ewigen, der nie vergeht, dem Immerwährenden, der niemals schwach wird, dem Selbstbestehenden, der sich niemals wandelt.«3) Diese Vorstellung von der Transzendenz und Unerreichbarkeit Gottes wird in den Schriften Bahá’u’lláhs und auch des Báb oft erwähnt und besonders betont.4)
▪ Die notwendige Existenz der Offenbarer
Neben der Transzendenz Gottes und des Geheimnisses Seiner Existenz außerhalb der Schöpfung hat Seine Natur eine weitere Seite, und zwar Seinen Willen, von den Menschen erkannt und geliebt zu werden. In den Verborgenen Worten macht Bahá’u’lláh folgende Aussagen:
»O Sohn des Menschen! Liebe Mich, damit Ich dich liebe. Wenn du Mich nicht liebst, kann Meine Liebe dich nie erreichen.
O Sohn des Seins! Deine Liebe zu Mir ist dein Paradies und Vereinigung mit Mir deine himmlische Heimstatt. Tritt ein ohne Zaudern.
O Sohn des Seins! Meine Liebe ist Meine Feste. Wer sie betritt, ist sicher und wohlbehütet; wer sich aber abwendet, wird wahrlich irregehen und verderben.»5)
Diese Aussagen Bahá’u’lláhs scheinen ein ernstes Problem darzustellen: ein unerreichbarer und nicht erkennbarer Gott verordnet, daß die Menschheit Ihn lieben und in Seiner Liebe Zuflucht suchen soll. Wären solche Zitate die einzigen Wegweiser, so befänden wir uns in einer Sackgasse. Der freie Wille wird darin angedeutet, daß die Menschheit zwischen der Annahme oder Ablehnung des Angebots Gottes wählen kann, aber die Strafe für Ablehnung ist schrecklich in den strengen Ermahnungen Bahá’u’lláhs und des Báb:
[Seite 23]
»Wenn du Mich nicht liebst, kann Meine Liebe dich niemals erreichen«, »wer sich
abwendet, wird wahrlich irregehen und verderben« und »Seelen aber, die sich
selbst wie durch einen Schleier ausgeschlossen haben, können niemals an den
Regenschauern der göttlichen Gnade teilhaben.«6)
Um unter anderem dieses Dilemma zu lösen, sagt uns Bahá’u’lláh, daß ein liebender Gott Seine Offenbarer schickt: Weil das von Ihm geschaffene Universum unfähig ist, das Wesen Gottes zu erfassen und zu begreifen, läßt Gott geistige Wesen »in der edlen Gestalt des menschlichen Tempels erscheinen.«7) Sie haben die Pflicht, in menschlicher Sprache die Geheimnisse des unsterblichen Wesens Gottes zu formulieren. Gleichzeitig sollte man die Offenbarer nicht als Inkarnationen des Wesens Gottes betrachten, da diese Wesenheit nicht verkörperbar ist.
Jeder Offenbarer ist während Seines irdischen Lebens der Stellvertreter Gottes auf Erden. Sein Wissen und die Autorität dieses Wissens kommt von Gott. Bahá’u’lláh sagt, daß jeder Mensch, der die Offenbarer anerkennt, Gott anerkannt hat, und daß jeder, der die Wahrheit Ihrer Offenbarung bezeugt, die Wahrheit Gottes bezeugt. Er weist auch mit nachdrücklichen Worten darauf hin, daß Erkenntnis und Nähe zu Gott nur durch Wissen über die und Anerkennung der Offenbarer möglich ist.8)
Also gibt es eine Lösung für das Dilemma. Ein Offenbarer kommt zur Menschheit in der Erscheinungsform eines menschlichen Körpers, bekleidet mit göttlicher Autorität. Seine Zunge und Feder bringen den Menschenherzen geistige Wahrheit und Hoffnung.
In früheren Tagen sagte Jesus: »Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von Mir, sondern vom Vater, Der Mich gesandt hat« (Joh 14:24).9) In den einleitenden Zeilen des Kitáb-i-Aqdas, Seines Buches der Gesetze, beschreibt Bahá’u’lláh die Rolle des Offenbarers als Repräsentant Gottes folgendermaßen: »Die erste Pflicht, die Gott Seinen Dienern auferlegt, ist die Anerkennung Dessen, der der Tagesanbruch Seiner Offenbarung, der Urquell Seiner Gesetze ist, der die Gottheit im Reiche Seiner Sache und in der Welt der Schöpfung vertritt.« 10)
Diese Aussage ist klar verständlich: Das Angebot Gottes ist mit der Bedingung verbunden, daß die Menschen den ersten Schritt tun. Das stellt aber eine völlig neue Herausforderung dar. Nun hat jeder Mensch die Pflicht festzustellen, was die Anerkennung eines Offenbarers bedeutet, oder — mit anderen Worten — welche geistigen Wahrheiten in der Bahá’í-Offenbarung enthalten sind. Und bevor man weit in dieser Richtung gereist ist, begreift man, daß in dieser Schöpfung der Urwille der absolute Ausgangspunkt ist.
▪ Der Urwille
Bahá’u’lláh und der Báb benutzen den Ausdruck »Urwille« zur Bezeichnung dessen, was im Christentum oft das Wort Gottes genannt wird.11) In den Bahá’í-Schriften sind die Begriffe austauschbar und werden beide benutzt.
Der Urwille wird als die erste von Gott ausgehende Wirklichkeit beschrieben. Da dieser Wille bereits vor der Schöpfung existierte, hat er auch die göttliche Eigenschaft, unabhängig von Raum und Zeit zu sein. Daher ist der erste Wille unveränderlich, ewig, ohne Anfang und Ende. Obwohl der erste Wille allen anderen erschaffenen Dingen vorausgegangen ist, ist er doch nicht Teil der Präexistenz Gottes, denn sein Dasein ist nicht absolut, sondern abhängig von Gott.12)
- BAHA'Í
Jeder Offenbarer ist während Seines irdischen Lebens der Stellvertreter Gottes auf Erden. Sein Wissen und die Autorität dieses Wissens kommt von Gott.
- BAHA'Í
“Wahrlich, keine Religion werden Wir ins Leben rufen, die nicht in künftigen Tagen erneuert würde.”
Die Vorstellung vom Urwillen wirft neues Licht auf das bekannte Zitat aus dem
Johannes-Evangelium: »Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das
Wort war Gott... Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.«
(Joh 1: 1, 14) Dem Zitat wird eine offensichtlichere Bedeutung verliehen, wenn man es
so umformuliert: »Der Urwille existierte vor der Schöpfung; der Urwille war bei
Gott; und der Urwille teilte die Eigenschaften Gottes. ..... Dem Urwillen wurde die
edle Form des menschlichen Tempels gegeben, und er wurde auf der Erde offenbar.«
Eine grundlegende Übereinstimmung zwischen den Worten aus dem Johannes-Evangelium
und der Bahá’í-Auffassung vom Urwillen ist augenscheinlich. Die Erklärungen
Bahá’u’lláhs und des Báb besagen, daß sich beim Kommen jeder Manifestation der
Urwille in oder durch den Öffenbarer zeigt.13)
Wie die Sonne, die auf- und untergeht und dabei immer dieselbe Sonne bleibt, ist der Urwille ewig und unveränderlich, Er erscheint mit erneutem Strahlenglanz in jedem Propheten und erleuchtet jedes Zeitalter. Er fungiert für den jeweiligen Offenbarer als innere Realität und bereitet einen reinen Kanal für die Beziehung zwischen Ihm und Gott.14)
Das Auf- und Untergehen der Sonne an einem Tag ist Teil der sich unendlich fortsetzenden Entwicklung und wird sich an jedem Tag wiederholen. Genauso gehört zum Kommen jeder Offenbarung die Verheißung einer späteren; so wie der Urwille in einer Abfolge von Propheten der Vergangenheit wiederkehrte, so muß Er sich in einer ewigen Abfolge in der Zukunft immer wieder offenbaren. Obwohl also der Hauptzweck jeder Offenbarung in der Lösung der Probleme ihrer Zeit besteht, so ist Teil ihres Zwecks auch die Vorbereitung auf die nächste. Die Vorstellung der »Wiederkunft« oder des »zweiten Kommens« ist mit diesem Aspekt der Botschaft verbunden.
Der Báb sagt, daß Gott versprochen hat: »Wahrlich, keine Religion werden Wir ins Leben rufen, die nicht in künftigen Tagen erneuert würde«15); dies drückt mit anderen Worten aus, daß die Kette der göttlichen Offenbarer nicht abreißen kann. Ein ähnliches Versprechen künftiger Offenbarung finden wir in den Lehren Jesu Christi: »Noch vieles habe Ich euch zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber Jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird Er euch in die ganze Wahrheit führen.« (Joh 16:12-13)
▪ Eigenschaften der Offenbarer
Die Beschäftigung mit der Beziehung zwischen dem Urwillen und den Gottesoffenbarern führt uns einen Schritt weiter auf unserer Forschungsreise, nämlich zu einem Verständnis der Eigenschaften der Offenbarer. Denjenigen erhabenen Persönlichkeiten, die Gott als Offenbarer beruft, gibt Er eine besondere zweifache Natur, die aus einem geistigen und einem körperlichen bzw. menschlichen Aspekt besteht. Der geistige Aspekt ist der Urwille. Der körperliche Aspekt ist Sein menschlicher Körper, der der materiellen Welt unterworfen ist.16)
Ebenso hat jeder Offenbarer eine besondere Stufe: jeder Offenbarer ist die Stimme Gottes Selbst. Und gleichzeitig ist Er ein Mensch mit einer eigenen Persönlichkeit. Innerhalb des ersten Aspekts gibt es keinen Unterschied zwischen dem Offenbarer und Gott, außer daß der Offenbarer ein Diener Gottes ist. Zum zweiten Aspekt verkündet der Offenbarer: »Ich bin nur ein Mensch wie ihr.«17)
[Seite 25]
Das Zusammenspiel dieser beiden Aspekte zeigt sich zum Beispiel im Kontrast zwischen
den folgenden Aussagen Jesu. Der göttliche Diener sagt: ». .. von
Gott bin Ich ausgegangen und gekommen. Ich bin nicht in Meinem eigenen Namen
gekommen, sondern Er hat Mich gesandt.« (Joh 8:42) Der menschliche Lehrer ruft
aus: »Was fragst du Mich nach dem Guten? Nur Einer ist ‘der Gute’.«
(Matt 19:17)
Aus der zweifachen Stufe oder Natur der Offenbarer folgt, daß ein Offenbarer zwei Arten von Eigenschaften besitzt, die jeweils den göttlichen und den menschlichen Aspekt widerspiegeln. Natürlich verursacht die vorherrschende Gegenwart des Urwillens die göttlichen Eigenschaften und unterscheidet den Offenbarer völlig von der gesamten Menschheit. Drei Aspekte des Offenbarers verdeutlichen Seine zweifache Natur besonders deutlich: die Präexistenz des Offenbarers, Seine schöpferische und Seine erlösende Kraft.
Die Präexistenz des Offenbarers
Da der unwandelbare Urwille, der vor der Erschaffung des Universums bereits bestand, zur inneren Wirklichkeit jedes Offenbarers wird, haben alle Offenbarer die Eigenschaft der Präexistenz. Der Báb schreibt, daß Er in jeder göttlichen Sendung enthalten ist, da Er bereits vor der Schöpfung an Gott glaubte. Bahá’u’lláh vergleicht die Präexistenz mit der »Schule Gottes« und sagt, daß Gott diese Schule vor der Existenz von Erde und Himmel ins Leben rief und daß Er (Bahá’u’lláh) vor dem Schöpfungsakt in diese Schule eingetreten sei. 18)
Eine sehr bekannte Feststellung Jesu Christi beschreibt die Offenbarung auch als präexistent: »Amen, amen, Ich sage euch: Noch ehe Abraham wurde, bin Ich.« (Joh 8:58) Ein anderes Zitat zeigt, daß Jesus Sich Seiner Präexistenz völlig bewußt war: »Vater, verherrliche Du Mich jetzt bei Dir mit der Herrlichkeit, die Ich bei Dir hatte, bevor die Welt war.« (Joh 17:5)
Die schöpferische Kraft des Offenbarers
Wenn uns auch die Vorstellung der Präexistenz der Offenbarer vertraut erscheinen mag, so könnte uns die Vorstellung schwerer fallen, daß Gott irgendjemanden als Kanal für Seine absolute Macht benutzt, obwohl Gott der Schöpfer ist. Aber neben Stellen in den Heiligen Schriften, in denen Gott als Schöpfer bezeichnet wird, gibt es auch Textstellen, in denen der Urwille, das »Wort« oder sogar der Offenbarer als mit schöpferischer Kraft ausgestattet beschrieben wird.
Z.B. schreibt Bahá’u’lláh im Buch der Gewißheit, daß durch den Willen Gottes, »den Urwillen selbst«, die ganze Schöpfung aus dem Nichtsein in das Reich des Daseins gerufen wurde. Dieses kurze Zitat bezeugt die unabdingbare Rolle des Urwillens beim Schöpfungsakt. Diese Vorstellung wird noch stärker im »Tablet der Weisheit« dargestellt, in dem Bahá’u’lláh zeigt, daß das »Wort Gottes« (der Urwille) keineswegs eine rhetorische Figur, sondern eine Wirklichkeit mit eigenen kraftvollen Fähigkeiten ist:
»Was wirkt und was Wirkung empfängt, ist fürwahr beides durch das unwiderstehliche Wort Gottes erschaffen, das die Ursache der ganzen Schöpfung ist, während alles außer Seinem Wort erschaffen und bedingt ist... . .«
» ... das Wort Gottes... wurde offenbar ohne eine Silbe oder einen Laut und ist nichts anderes als der Befehl Gottes, der alles Erschaffene durchdringt. Es ist... eine Wesenheit, die hoch über allem steht, was war und sein wird.«19)
Eingehendes Lesen dieser Textstellen führt zu der Einsicht, daß Gott zwar notwendigerweise die Urquelle der Kraft zur Erschaffung von Himmel und Erde ist, daß aber der Urwille den Schöpfungsakt unmittelbar ausführte.
Wie bereits angedeutet gehört der Urwille bzw. das Wort zur inneren
- BAHA'Í
“Vater, verherrliche Du Mich jetzt bei Dir mit der Herrlichkeit, die Ich bei Dir hatte, bevor die Welt war.”
- BAHA'Í
Die eine zentrale Frage, die noch bleibt, betrifft die Stufe des Offenbarers — ist Er nun Gott oder nicht?
Wirklichkeit der Offenbarer. Wenn der Urwille Schöpfung werden läßt, kann man daraus
folgern, daß jeder Offenbarer schöpferische Kraft besitzt. Die Bahá’í-Schriften zeigen,
daß dies der Fall ist. Über alle Offenbarer sagt Bahá’u’lláh »Ja, alle außer diesen [die
Offenbarer] leben durch das Wirken Ihres Willens und haben ihr Dasein durch Sie.«
Dieselbe Macht haben auch die einzelnen Offenbarer. Der Báb schrieb an Muhammad Sháh:
»Ich bin der Erste Punkt, daraus alles Erschaffene gezeugt ward.« In einem
der wichtigsten Bahá’í-Gebete heißt es über Bahá’u’lláh, daß durch Ihn »die Buchstaben
des ‘Sei!’ miteinander verbunden und verknüpft wurden«20) Das Verbinden
von Buchstaben zu dem Wort »Sei!« ist natürlich ein poetischer Hinweis auf den
Schöpfungsakt.
Das Neue Testament zeigt sehr deutlich, daß die frühe christliche Kirche die Identität des Wortes mit Jesus und mit der schöpferischen Kraft akzeptierte. So heißt es im Johannes-Evangelium über das Wort: »Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.« (Joh 1:3) Im Hebräer-Brief heißt es: » Aufgrund des Glaubens erkennen wir, daß die Welt durch Gottes Wort erschaffen worden und daß so aus dem Unsichtbaren das Sichtbare entstanden ist.« (Heb 11:3)
Die erlösende Kraft des Offenbarers
Ein dritter Aspekt des Offenbarers, der im Christentum sehr betont wird, ist Seine Stufe als Erlöser. In den Bahá’í-Schriften wird dieser Aspekt als grundlegender, wesentlicher und unleugbarer Teil der Rolle eines Offenbarers betrachtet, ohne daß diesem Aspekt übermäßige Bedeutung zugemessen wird.
Der Báb erklärt, daß das Gebet zu Gott nur annehmbar ist, wenn es mit dem Glauben an den Offenbarer des jeweiligen Zeitalters einhergeht.”21) Der Grund liegt darin, daß die Annahme des Gottesgläubigen von seiner Annahme durch den Offenbarer abhängt und daß die Welt der Schöpfung keinen anderen Zugang zu Gott hat. Denjenigen, die dem Glauben Gottes treu sind, wird Vergebung der Sünden versprochen; mit anderen Worten bringt die Unterwerfung unter die Gesetze der Offenbarer Erlösung und ewiges Leben mit sich.22)
Bahá’u’lláhs Erklärung der Erlösung ist genauso unmißverständlich: »Nur der kann das ewige Leben erlangen, der die Wahrheit dieser unschätzbaren, dieser wundersamen, und erhabenen Offenbarung annimmt.«23) Die Übereinstimmung zwischen den Worten Bahá’u’lláhs und den oft zitierten Worten Jesu Christi ist deutlich: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch Mich.« (Joh 14:6) Die Verbindung zwischen dem Akzeptieren des Offenbarers und der Erlösung kann man als grundlegende Wahrheit betrachten, die sich auf jeden Offenbarer in Seiner Zeit bezieht. Der Báb warnt uns aber davor, trotz des Versprechens der Erlösung und des Paradieses als natürliche Folgen des Glaubens und der Verehrung Gottes, das Erreichen dieser Gaben zum Grund unseres Handelns zu machen: »Bete so zu Gott, daß es deine Anbetung nicht änderte, führte sie dich auch ins Feuer, und ebensowenig, wäre das Paradies dein Lohn. So, und nur so, sollte die Verehrung sein, die dem einen wahren Gott gebührt.«24)
▪ Die Stufe des Offenbarers
Die zweite Form des Daseins, die Stufe des Offenbarers, beinhaltet also göttliche
und menschliche Bestandteile und ist durch den Urwillen direkt mit Gott verbunden.
Die eine zentrale Frage, die noch bleibt, betrifft die Stufe des Offenbarers — ist
Er nun Gott oder nicht? Das Hauptproblem ist nicht das Fehlen informativer Zitate
aus den Heiligen Schriften, sondern daß auf den ersten Blick einige Aussagen
[Seite 27]
über die Manifestationen unvereinbar mit oder im Widerspruch zu anderen zu sein
scheinen.
Daher ist es wichtig, unvoreingenommen das Problem erneut anzugehen, damit der Grund für diese Schwierigkeit gefunden werden kann: daß nämlich die Offenbarer gleichzeitig eine göttliche und eine menschliche Seite haben und daß eine Aussage, die in Bezug auf die göttliche Natur zutrifft, nicht unbedingt auf die menschliche Natur des Offenbarers anwendbar ist.
In den Heiligen Schriften kann man deutlich zwischen drei grundlegenden Kategorien von Aussagen über Offenbarer unterscheiden: Identität mit Gott, Einheit der Offenbarer und Unterschiede zwischen den Offenbarern. Diese Kategorien beziehen sich jeweils auf Eigenschaften, die der göttlichen Natur, dem Einfluß des Urwillens und der menschlichen Natur des Offenbarers entspringen.
Identität der Offenbarer mit Gott
Viele Textpassagen in den Bahá’í-Schriften weisen auf die göttliche Natur der Offenbarer hin. Ein Aspekt der Gottgleichheit wird als absolute Identität beschrieben: »Würde eine der allumfassenden Manifestationen Gottes erklären: ‘Ich bin Gott!', so spräche Sie gewißlich wahr, und es gäbe darüber keinen Zweifel.«25) Die Worte Jesu sind ähnlichen Inhalts: »Ich und der Vater sind eins.« (Joh 10:30)
Ein weiterer Aspekt der Gottgleichheit könnte man als spiegelbildliche Identität bezeichnen. Dabei wird der Offenbarer mit einem Spiegel verglichen, der nichts als die Schönheit und Herrlichkeit Gottes reflektiert.26)
Verbunden mit der Vorstellung vom Spiegel ist die Feststellung Bahá’u’lláhs, daß Menschen, die einen Offenbarer erkannt haben, Gott erkannt haben.27) Ähnlich sagt Jesus: »Wenn ihr Mich erkannt habt, werdet ihr auch Meinen Vater kennen.« (Joh 14:7)
Eine andere zusammenfassende Darstellung der wahren Bedeutung von Gottgleichheit findet sich in folgendem Zitat von Bahá’u’lláh, in dem Er die völlige Übereinstimmung des Handelns des Offenbarers mit dem Willen Gottes betont: »Der Glaube an die göttliche Einheit besteht im wesentlichen darin, Ihn, die Manifestation Gottes, und Ihn, das unsichtbare, unzugängliche, unerkennbare Wesen, als einen und denselben zu betrachten. Das bedeutet, daß alles, was dem erstgenannten angehört, all Sein Tun und Handeln, Sein Gebot oder Verbot in jeder Hinsicht, unter allen Umständen und ohne Vorbehalt dem Willen Gottes gleich ist.«28)
Einheit der Offenbarer
Neben dem Aspekt der Identität mit Gott haben die Offenbarer auch eine Art Identität untereinander. Die »wesentliche Einheit« der Manifestationen leitet sich vom alles durchdringenden Einfluß des Urwillens ab, der — wie erwähnt — in jedem Offenbarer in allen Zeitaltern zutage tritt.29) Da derselbe unwandelbare Urwille die innere Wirklichkeit jeder Manifestation ausmacht, müssen alle Offenbarer unweigerlich Anteil an einer geistigen Einheit haben. Aus dieser Grundwahrheit lassen sich verschiedene Folgerungen ableiten:
- □ Alle Propheten Gottes sind ohne Ausnahme Verkörperungen Seiner Eigenschaften. Obwohl äußerlich die Wirkkraft Ihrer Offenbarung unterschiedlich erscheinen mag, sind Sie alle innerlich mit allen göttlichen Eigenschaften ausgestattet.
- □ Die Taten jedes Offenbarers sind von Gott verordnet und spiegeln Seinen Willen und Seine Absicht wider. Wollte ein Offenbarer verkünden »Ich bin die
- BAHA'Í
Dabei wird der Offenbarer mit einem Spiegel verglichen, der nichts als die Schönheit und Herrlichkeit Gottes reflektiert.
- BAHA'Í
Jeder Offenbarer erscheint zu einer anderen historischen Zeit und Situation und muß auf die Bedürfnisse Seiner Zeit eingehen.
Wiederkunft aller Propheten,« so spricht Er die Wahrheit.30) Die Identität
aller Manifestationen kommt auch in diesen beeindruckenden Worten Gottes
zum Ausdruck, die an den Báb gerichtet sind: »Keiner außer Dir war oder wird
je mit dem Prophetenamt betraut, noch wurde oder wird je ein heiliges Buch
einem anderen als Dir offenbart. So hat Er es verordnet, der Allumfassende, der
Meistgeliebte.«31)
Unterschiede zwischen den Offenbarern
Die Unterschiede zwischen den Offenbarern beruhen auf geschichtlichen Tatsachen zur Zeit des Erscheinens der aufeinanderfolgenden Manifestationen. Jeder Offenbarer lebt zu einem bestimmten Zeitabschnitt in der Menschheitsgeschichte auf Erden; Er besitzt einen besonderen Namen, eine eigene Persönlichkeit und Sendung und bringt eine bestimmte Offenbarung. Aus diesen Gründen ließ sich die Menschheit von oberflächlichen Unterschieden irreleiten und nahm an, daß grundlegende Unstimmigkeiten zwischen den Manifestationen bestehen.
Wie bei den verschiedenen Mondphasen entspricht die sichtbare Erscheinung des Lichts nicht der Fähigkeit des Lichts selbst, sondern hängt von der unterschiedlichen Aufnahmefähigkeit einer sich ständig verändernden Welt ab. Jeder Offenbarer erscheint zu einer anderen historischen Zeit und Situation und muß auf die Bedürfnisse Seiner Zeit eingehen. Wie ein guter Arzt muß Er einem bestimmten Patienten zu einer bestimmten Zeit gegen dessen Krankheit das richtige Heilmittel verschreiben. Und die Rolle des Offenbarers als Arzt hat noch eine weitere Seite: Seine Hände sind dadurch gebunden, daß Er nicht mehr offenbaren darf, als die Welt zu einer bestimmten Zeit ertragen und verstehen kann. Also müssen sich die Inhalte der verschiedenen Sendungen aus mehreren Gründen unterscheiden, da jeder Offenbarer eine besondere Botschaft überbringt und Sich in einer besonderen Weise den Menschen manifestiert.
Die Stufe der Offenbarer — Zusammenfassung
Während einer geistigen Reise zur Erforschung des Wesens der Manifestationen, zur Erforschung des verborgenen Geheimnisses, entdeckt man viele Aspekte der Natur Gottes, den Grund für die Existenz der Offenbarer und Ihre Eigenschaften und Stufe. Bei dem Versuch, die Frage nach dem Grad der Gottgleichheit des Offenbarers zu beantworten, können einige Aussagen behilflich sein:
- (a) Er ist Gott.
- (b) Er ist nicht Gott.
Wenn man Gott definiert, so trifft nur (a) zu. Wenn man aber das Phänomen »Manifestation« definiert, treffen (a) und (b) zu, weil ein Offenbarer eine göttliche und eine menschliche Natur hat. Die Entdeckungsreise hat gezeigt, wie dies möglich ist unter der Voraussetzung, daß man traditionelle Denkmuster ablegt. Bahá’u’lláh zeigt uns den Weg zum Verstehen dieser Frage:
»In jedem Fall haben sie einen Ausspruch getan, der den Gegebenheiten des Augenblicks angepaßt war, und haben alle diese Erklärungen sich selbst zugeschrieben, Erklärungen, die sich vom Reich göttlicher Offenbarung bis zum Reich der Schöpfung erstreckten und vom Bereich der Göttlichkeit bis zum Bereich irdischen Daseins. Daher rührt es, daß alle ihre Aussprüche, ob sie dem Reich der Gottheit, des Herrn, des Propheten, des Gottgesandten, des Hüters, des Apostels oder des Dieners zugehören, alle wahr sind ohne den Schatten eines Zweifels.«32)
- 1) 'Abdu'l-Bahá, Beantwortete Fragen, Bahá’í-Verlag, 7. Aufl. 1954, S. 197-98.
- 2) Bahá’u’lláh, Das Buch der Gewißheit, Bahá’í-Verlag, 2. Auflage 1969, S. 71-72.
- 3) Bahá’u’lláh, Brief an den Sohn des Wolfes, Bahá’í-Verlag 1966, S. 19.
- 4) Báb, Eine Auswahl aus Seinen Schriften, Bahá’í-Verlag 1991, 3:38, S. 112-23; 4:10, S. 126-28.
- 5) Bahá’u’lláh, Die verborgenen Worte, Bahá’í-Verlag 1982, arab. Nr. 5, 6, 9.
- 6) Bahá’u’lláh, Verborgene Worte, arab. 5, 9; Báb, Auswahl 1:4:8, S. 37.
- 7) Bahá’u’lláh, Ährenlese, Bahá’í-Verlag, 3. rev. Aufl. 1980, 19:2, S. 45.
- 8) Bahá’u’lláh, Ährenlese, 21, S. 47.
- 9) Alle Zitate aus der Bibel wurden der bei Herder erschienenen Einheitsübersetzung entnommen.
- 10) Bahá’u’lláh, Inhaltsübersicht und systematische Darstellung der Gesetze und Gebote des Kitáb-i-Aqdas, Bahá’í-Verlag 1987, S. 25.
- 11) Bahá’u’lláh, Buch der Gewißheit, S. 71-72, Der Báb, Auswahl, 4:10:4, S. 127.
- 12) Báb, Auswahl, 4:10:5, S.128.
- 13) Bahá’u’lláh, Buch der Gewißheit, S. 72, Báb, Auswahl, 3:33:1, S.106.
- 14) Báb, Auswahl, 4:10:4, S. 127.
- 15) Báb, Auswahl, 6:9:8, S. 161.
- 16) Bahá’u’lláh, Ährenlese; in der Ährenlese beschreibt Bahá’u’lláh die zweifache Stufe der Manifestationen und benutzt dabei die Adjektive »geistig« und »körperlich«, aber im selben Absatz benutzt Er »menschlich« für »körperlich«. 'Abdu'l-Bahá spricht in Beantwortete Fragen (S. 133-35) von drei Stufen an Stelle von einer zweifachen Stufe, und zwar vom Körper, der vernunftbegabten Seele und dem Wort Gottes bzw. dem Heiligen Geist. Die ersten beiden von 'Abdu'l-Bahá genannten Stufen stehen wohl für eine Unterteilung der »körperlichen« und der »menschlichen« Stufe.
- 17) Bahá’u’lláh, Ährenlese, 27:4, S. 62; (s. Qur’án 18:111).
- 18) Báb, Auswahl, 1:3:7, S. 14.
- 19) Bahá’u’lláh, Buch der Gewißheit, S. 72, Bahá’u’lláh, Botschaften aus ‘Akká, Bahá’í-Verlag 1982, 9:9-10, S. 164-65.
- 20) Bahá’u’lláh, Buch der Gewißheit, S. 74-75, Báb, Auswahl, 1:4:4, S. 16, Bahá’u’lláh in Gebete offenbart von Bahá’u’lláh, Báb und 'Abdu’l-Bahá, Bahá’í-Verlag 1984, S. 26.
- 21) Báb, Auswahl, 2:33:1, S. 62,
- 22) Báb, Auswahl, 2:33:3-4, S. 62.
- 23) Bahá’u’lláh, Ährenlese, 92:1, S. 161.
- 24) Bab, Auswahl, 3:2:1, S. 79.
- 25) Bahá’u’lláh, Buch der Gewißheit, S. 120-21.
- 26) Bahá’u’lláh, Ährenlese, 31, S. 69-70.
- 27) Bahá’u’lláh, Ährenlese, 21, S. 47.
- 28) Bahá’u’lláh, Ährenlese, 84:4, S. 147.
- 29) Bahá’u’lláh, Ährenlese, 22:2, S. 48-49.
- 30) Bahá’u’lláh, Buch der Gewißheit, S. 105.
- 31) Báb, Auswahl, 6:9:7, S. 160-61.
- 32) Bahá’u’lláh, Buch der Gewißheit, S. 122.
Copyright © 1992 Der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in Deutschland.
“Das Wesen der Offenbarung” ist eine Übersetzung des Artikels “The Mystery of the Manifestation” von David M. Earl, World Order, 23, Nr. 3 und 4 (Spring/Summer 1989), S. 21-30.
Copyright © 1991 The National Spiritual Assembly of the Bahá’ís of the United States.
Foto: Nassim Berdjis
Fischteiche in Malaysia[Bearbeiten]
Ein erfolgreiches Dorfprojekt
- von Robert Blum
Enteban Ulu, Sarawak, Malaysia — Von außen erscheint dies eine ganz
gewöhnliche Gemeinschaft in einem Iban-Langhaus zu sein. Wie in anderen
Dörfern — oder Kampongs — der Iban in der Region Sarawak spielt sich das Leben in
und um ein längliches Haus aus Holz und einem Blechdach ab, das man als Langhaus
bezeichnet und in dem die ganze Gemeinde lebt.
Jede Familie im Kampong hat ihren eigenen Wohnbereich im Langhaus, bestehend aus einer Küche und einem Schlafraum. Zusätzlich erstreckt sich im Hausinneren entlang der gesamten Hauslänge ein offener Bereich. Dieser wird als Gemeinschaftsraum benutzt, wo Mitglieder verschiedener Familien miteinander sprechen, sich ausruhen oder mit den Kindern spielen. An einer Außenseite ist eine balkonartige Plattform angebracht, wo man Kleider aufhängen und Werkzeug aufbewahren kann. Je größer das Dorf ist, desto länger ist das Langhaus. In Enteban Ulu leben über 20 Familien, sodaß das Langhaus von einem Ende zum anderen 200 Meter mißt.
Was Enteban Ulu von anderen Dörfern unterscheidet, ist die Bereitschaft, Gemeindeprojekte zu unternehmen, die über das gemeinsame Bauen und Bewohnen eines Langhauses hinausgehen. Die Menschen in diesem Kampong kümmern sich erfolgreich gemeinsam um sieben Fischteiche, die nun eine wichtige Nahrungs- und Einkommensquelle darstellen.
Vor zwei Jahren wurde dieser Kampong von der Regierung Malaysias wegen dieser Errungenschaft zum Modelldorf erklärt. Und sein Erfolg hat andere Dörfer in der Region dazu angeregt, ihre eigenen Fischteichprojekte zu beginnen.
Diejenigen, die die Geschichte dieses Dorfes kennen, sagen, daß die erfolgreiche Selbstentwicklung auch an den dort lebenden Bahá’í liegt. Fast die Hälfte der über 20 Familien des Kampong sind Anhänger der Bahá’í-Religion, und sie haben seit einigen Jahren ihr eigenes örtliches Beratungsgremium — einen örtlichen Geistigen Rat.
[Seite 30]
Der örtliche Geistige Rat ist ein Brennpunkt für Entscheidungsfindung in
Enteban Ulu, sagen Einwohner und Besucher. Dies half, verbunden mit einem
ausgesprochenen Geist der Einheit und Zusammenarbeit unter den Bahá’í, der
Gemeinschaft besser zusammenzuarbeiten.
»Der praktische Aspekt der Fischzucht in Teichen wurde von der Regierung vorgegeben, die dieses Konzept in der ganzen Region empfiehlt,« sagt Grete Fozdar, ein ehemaliges Mitglied des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í in Malaysia, die Enteban Ulu und Umgebung häufig besucht. »Aber die im Ort ansässigen Bahá’í waren die treibende Kraft bei diesem Projekt. Obwohl es ein Projekt für das ganze Dorf ist, waren es die Bahá’í, die alle Bewohner so zur Zusammenarbeit bewegen konnten, daß das Projekt sehr erfolgreich wurde.«
Die sieben Fischteiche, die jeweils ca. 0,4 Hektar groß sind, stellen nun mehr Fische zur Verfügung, als die ca. 200-köpfige Dorfgemeinschaft für sich selbst braucht. Die Gemeinde hat auch damit begonnen, Obstbäume anzupflanzen, und das aus dem Fischverkauf verdiente Geld wurde zum Kauf einer Reismühle verwendet.
Solche Unternehmungen einer Gemeinschaft sind nicht immer erfolgreich. Obwohl die Iban im Langhaus harmonisch miteinander zusammenleben, ist dennoch jede Familie für die eigene Versorgung verantwortlich. Jede Familie hat ihr eigenes Stück Land, auf dem sie weißen Pfeffer, Tapioka, Reis, Bananen, Kakao, Mais, Gummi und Ananas anbaut. Die meisten Ernteerträge werden im Dorf selbst verzehrt; Überschüsse werden außerhalb des Dorfes verkauft.
Obwohl die Regierung das Konzept der Fischteiche propagiert, ist die Bewirtschaftung und Verwaltung oft schwierig für Dörfer wie Enteban Ulu, in denen noch keine Tradition solcher gemeinschaftlicher Organisationsformen besteht.
Vor zehn Jahren hatten zum Beispiel die Dorfbewohner von Enteban Ulu bereits versucht, in zwei Teichen Fische zu züchten. Das Projekt blieb erfolglos, da sie nirgends Fischbrut bekommen konnten.
Das kürzlich begonnene und erfolgreiche Fischteichprojekt wurde ins Leben gerufen, nachdem Dajai Mancha, ein junger Dorfbewohner, aus der Stadt zurückgekommen war, wo er Landwirtschaft studiert hatte. Herr Mancha, der auch Bahá’í ist, sagte dem örtlichen Geistigen Rat, daß man Fischbrut ganz einfach von der Regierung bekommen könne, und er schlug einen neuen Versuch zum Anlegen von Fischteichen vor. Nachdem der örtliche Geistige Rat Herrn Mancha angehört hatte, unterbreitete der Bahá’í-Rat dem ganzen Dorf diesen Vorschlag.
»Das Dorf bildete einen Ausschuß zur Durchführung des Projekts,« sagt Dajai Mancha, der jetzt in der Kreditabteilung einer Bank in der Hauptstadt Kuching arbeitet. »Die meisten Ausschußmitglieder sind Bahá’í. Und daher, glaube ich, können sie besser zusammenarbeiten. Sie haben sich mit Regierungsvertretern getroffen, um Fischbrut gebeten usw.«
Obwohl nur zehn Familien Bahá’í sind, haben Mitglieder aller Kampongfamilien dabei geholfen, eigenhändig fünf neue Teiche zu graben und die beiden bereits vorhandenen Teiche zu verbessern.
Das Graben war der erste wichtige Schritt. Nachdem das abgeschlossen war, wurden
offizielle Vertreter der örtlichen Niederlassung des Landwirtschaftsministeriums
[Seite 31]
eingeladen. »Sie sahen, daß wir es mit den Fischteichen ernst meinten,«
sagt Chubut Mancha, Dajais älterer Bruder, »und — wie mein Bruder gesagt
hatte — halfen sie uns beim Aufziehen der Fischzucht.«
Die Dorfbewohner benutzen Tapiokablätter und Reishülsen als Fischfutter. »Wenn wir nicht auf unseren Äckern arbeiten, dann arbeiten wir an den Fischteichen,« sagt Chubut Mancha.
Neben der Fischfütterung müssen die Fischteiche auch ständig gepflegt werden. »Die eine Fischsorte wühlt sich in die Teichufer ein; deshalb haben wir die Ränder mit mehr Erde und Holzstücken befestigt, damit die Fische im Teich bleiben,« sagt Chubut Mancha. Ohne solche Instandhaltung würden die Fische aus dem Teich in den nahegelegenen Fluß entweichen.
Aus einigen Teichen werden im Juni, aus anderen im Dezember die Fische gefangen. Nach dem Fischfang erhält jede Familie einen gleichgroßen Anteil an Fischen. Der Rest wird verkauft. Etwas Geld wird für die Instandhaltung der Teiche benutzt, der Rest wird unter den Familien aufgeteilt. Die Aufteilung des Geldes ist manchmal schwierig.
»Das häufigste Problem der Dorfbewohner ist der Umgang mit Geld,« sagt Dajai Mancha. »Dabei kommt es oft zu Meinungsverschiedenheiten. Aber in Dörfern, in denen die Bahá’í-Lehren Anwendung finden, können sie sich meist über die Verwendung von Geldern einigen, die z.B. durch Fischteiche erwirtschaftet werden.«
»Es kann auch problematisch sein, alle dazu zu bringen, sich an der Fischfütterung zu beteiligen,« fügt er hinzu. »Denn wenn etwas der ganzen Gemeinschaft gehört, neigen die Menschen dazu, sich als einzelne weniger verantwortlich zu fühlen.«
Da die Bahá’í-Familien in Enteban Ulu in ihrem Gottesdienst nach dem Ideal der Einheit streben, werden gemeinschaftliche Unternehmungen anderer Art auch einfacher, wie Dajai Mancha und andere meinen. »Wir stehen morgens um 5.30 Uhr auf, um eine Morgenandacht abzuhalten, bevor wir zur Arbeit gehen,« sagt Dajai Mancha. »Das hilft direkt oder indirekt beim Aufbau von Zusammenarbeit.«
- Ansicht des Dorfes Enteban Ulu in Sarawak/Malaysia. Im Vordergrund einer der sieben Fischteiche, die die Dorfbewohner von Hand gegraben haben. Im Hintergrund das Langhaus, in dem die gesamte Einwohnerschaft von 200 Menschen lebt.
Das Fischteichprojekt in Enteban Ulu ist eines von über 60 sozialen und
wirtschaftlichen Kleinprojekten, die örtliche Bahá’í-Gemeinden in Malaysia
unternehmen. Zu den anderen Aktivitäten, von denen einige in Zusammenarbeit
mit anderen Organisationen durchgeführt werden, gehören Gartenbauprojekte,
Lese- und Schreibunterricht, Bemühungen um grundlegende Gesundheitserziehung
sowie andere Fischteichprojekte.
»Es gibt inzwischen in anderen umliegenden Dörfern auch einige Fischteiche,« sagt Dajai Mancha. »Sie treten in die Fußstapfen unseres Dorfes.«
ONE COUNTRY,
Oktober-Dezember 1991
Das Vermächtnis von Rio:
Eine neue, globale Sichtweise[Bearbeiten]
Der Erdgipfel und das Globale Forum geben der Menschheit eine neue Zielrichtung; Themen wie Einheit, Grassroot-Tätigkeiten und Geistigkeit tauchen auf
RIO DE JANEIRO: Auf jeden Fall haben der Erdgipfel und dessen Begleitkonferenz,
das Globale Forum ’92, Geschichte gemacht.
Es ist ein Meilenstein in der Menschheitsgeschichte, daß über 100 Staatsoberhäupter, mehr als je zuvor, sich versammelten, um solch tiefgreifende und komplexe globale Belange wie die Umweltsituation und die Entwicklungsarbeit miteinander zu diskutieren. Die parallel dazu stattfindende Konferenz von ca. 20.000 Vertretern nichtstaatlicher Organisationen war genauso beispiellos, nicht nur was die Anzahl der Vertreter betrifft, sondern auch im Hinblick auf die Vielfalt der Repräsentanten.
Konkrete Ziele wurden erreicht. Regierungsdelegationen der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung UNCED — so der offizielle Name des Gipfels für die Erde — einigten sich auf zwei wichtige Verträge, die auf die Verlangsamung der Erwärmung der Atmosphäre und auf die Erhaltung der Artenvielfalt abzielen.
Regierungen akzeptierten auch die Prinzipien der »Agenda 21«, eines 800 Seiten und 121 Kapitel umfassenden Aktionsplans, der die Weltgemeinschaft ins 21. Jahrhundert leiten soll, und man einigte sich auf die Schaffung einer UN-Kommission für tragbare Entwicklung.
Die beim Globalen Forum vertretenen nichtstaatlichen Organisationen haben auch einiges erreicht. Sie haben weitere Verträge ausgehandelt und eine Erdcharta angenommen, eine Erklärung von Prinzipien des Umweltschutzes und der Entwicklung. Die grenz- und fachübergreifende Zusammenarbeit verschiedener Gruppen war umfangreich und legte den Grundstein für künftige Kooperation.
Natürlich ist man sich nicht ganz einig über das Ausmaß der erreichten Schritte. Viele Beobachter sind der Meinung, daß die Regierungen mehr hätten tun können.
[Seite 33]
Es wurden aber auch Dinge bewerkstelligt und Themen behandelt, die weniger
Aufmerksamkeit erregten und von den Medien weitgehend unbeachtet gelassen
wurden. Trotzdem spiegeln sie starke Tendenzen beider Konferenzen wider.
Zum Beispiel sprach man viel über das gemeinsame Schicksal und die
grundlegende Einheit der Menschheit.
Warren Lindner, der Mitkoordinator des 92er Globalen Forums drückte dies kurz und bündig aus, als er auf das Zitat von Bahá’u’lláh hinwies, das auf dem »Friedensdenkmal« steht, das am letzten Tag des Gipfels für die Erde in Rio eingeweiht wurde (siehe unten):
»Das Globale Forum ’92 und der Gipfel für die Erde drehten sich eigentlich nicht um Umwelt und Entwicklung«, sagte Warren Lindner. »Vielmehr haben sie bewiesen, was auf dem Friedensdenkmal steht, nämlich ‘die Erde ist nur ein Land, und alle Menschen sind seine Bürger’ «.
Viele betrachteten dieses Thema als einen wesentlichen Bestandteil der Förderung einer vernünftigen Entwicklungspolitik.
»Rio und Brasilien sind Meilensteine auf dem Weg der Menschheit zur Einheit geworden,« sagte H.E. Ruud F.M. Lubbers, der Premierminister der Niederlande in seiner Rede vor den führenden Politikern beim Erdgipfel. » Jetzt, da der Ost-West-Konflikt vorüber ist, müssen wir uns noch mehr als zuvor der Nord-Süd-Beziehung und der Zusammenarbeit in der Welt als Ganzes widmen«.
»Laßt uns dies als eine heilige Pflicht ansehen, im Wissen darum, daß wir alle nur einer Menschheit angehören und daß kein Mensch und keine Nation bleibenden Frieden und Wohlergehen genießen kann, so lange sie nicht als Mitglied der Menschheitsfamilie handelt mit dem entsprechenden Respekt vor der Ganzheit der Schöpfung und in Harmonie unter uns allen,« fügte Lubbers hinzu. »Dies erfordert neue Formen der Zusammenarbeit und der weltweiten Partnerschaft.«
Dieses Thema der wechselseitigen Abhängigkeit trat auch in Interviews auf. »Vor der UNCED-Konferenz gab es verschiedene Gebiete — Artenschutz, Wald, Handel,« sagte Raymond Kwerepe, ein Delegierter aus Botswana. »Jetzt versuchen wir, diese Themen zu integrieren. Wir haben es mit dem globalen Dorf zu tun: Süden, Norden, Osten und Westen. Das ist das eigentliche Thema dieser Konferenz.«
▪ Eine größere Rolle für die nichtstaatlichen Organisationen
Beim Gipfel für die Erde wurde auch klar, daß die Regierungen größeren Respekt gegenüber dem Expertenwissen und den Fähigkeiten der nichtstaatlichen Organisationen (NGOs — non-governmental organizations) entwickelt haben. In vielen staatlichen Delegationen bei der UNCED saßen auch NGO-Mitglieder. Außerdem waren über 3.000 NGO-Repräsentanten bei der UNCED akkreditiert — von den über 20.000 beim Globalen Forum versammelten Vertretern gar nicht zu sprechen.
»Das ist wirklich eine der ersten Ideen, die als Ergebnis aus dieser Konferenz hervorging, nämlich die notwendige engere Zusammenarbeit mit den NGOs,« sagte Frau Lansiri Nana Haidara, Mitglied der UNCED-Delegation aus Mali. »Die NGOs sind diejenigen, die auf unterster Ebene direkt mit den betroffenen Menschen zusammenarbeiten. Und die Regierungen sollten anerkennen, daß sie mit den NGOs zusammenarbeiten müssen.«
Dem stimmten Vertreter nichtstaatlicher Organisationen zu. »Das ist eine
der Errungenschaften dieser Konferenz,« sagte Sir Shridath Ramphal, der Präsident
der Welterhaltungsunion IUCN. »UNCED unterscheidet sich von anderen
UN-Konferenzen. Die zuvor geschlossenen Türen der diplomatischen Kreise haben
sich geöffnet. Die gesamte Diskussion wurde offener. Das könnte der Beginn eines
globalen Dialogs auf der
[Seite 34]
Ebene gesellschaftlicher Partner sein, anstatt auf der Ebene internationaler
Bürokraten,« fügte Sir Shridath hinzu. »Genau das braucht die Welt.«
▪ Eine geistige Versammlung
Von Anfang an erregte die UNCED starkes Interesse vieler Religionsgemeinschaften, und die Zwillingstagung in Rio zeigte in vielfältiger Weise die Anerkennung der Tatsache, daß die geistige Dimension des Lebens bei jeglicher Diskussion der Umwelt- und Entwicklungsthemen nicht ausgeklammert werden kann.
In zahlreichen Arbeitskreisen und Symposien beim Globalen Forum wurde diese Ansicht betont. Eine nächtliche Gebetswache, die am 6. Juni im Zusammenhang mit dem Welt-Umwelttag abgehalten wurde, gehörte zu den am besten besuchten Veranstaltungen des Forums, an dem mehr als 16.000 Menschen teilnahmen.
»Teilnehmer, die die ganze Nacht anwesend waren, waren berührt von dem angenehmen Gefühl der Zusammenarbeit und dem Zusammenkommen verschiedener Religionen,« sagte Nancy Moshe, die Koordinatorin des Internationalen Koordinationsausschusses für Religion und die Erde.
Die Bedeutung von Geistigkeit bei der Veränderung der Einstellungen der Menschen kam als ein weiteres wichtiges Unterthema zur Sprache.
»Was außerhalb des Gipfels für die Erde passierte, wie z.B. beim Globalen Forum, war in gewissem Sinne wichtiger als der Erdgipfel selbst, denn in vielen Diskussionen wurde eine geistige Sichtweise hervorgehoben,« sagte Dr. Narenda Jain, ehemaliger indischer Botschafter bei den Vereinten Nationen und Repräsentant der International Mahavir Jain Mission.
Viele Beobachter glauben, daß das langlebigste Vermächtnis der UNCED die Verbreitung neuer Werte und Einstellungen ist, die nicht nur von den von Rio aus berichtenden Medien, sondern auch von den Repräsentanten der Regierungen und Organisationen nach ihrer Rückkehr in ihre Heimatländer weltweit verbreitet wurden.
»Der Gipfel für die Erde und das Globale Forum stellen einen spürbaren Schritt bei der konkreten Formulierung der inneren Abhängigkeit von Umwelt- und Entwicklungsthemen dar,« sagte Lawrence Arturo, der Direktor des Umweltbüros der Internationalen Bahá’í-Gemeinde. »In diesen Entwicklungen zeigt sich das Heranwachsen einer neuen, globalen Sichtweise. Die Notwendigkeit der Einheit der Völker und Nationen wird nun von Regierungen, NGOs und anderen diskutiert. Viele betrachten diese Einheit inzwischen als Grundlage für die Schaffung einer verantwortungsbewußten Zukunft. Schließlich wird sich herausstellen, daß dies der wichtigste Beitrag der Konferenz in Rio auf dem Weg zu einer Weltzivilisation war.«
Bahá’í-Beiträge zum Umweltgipfel in Rio:[Bearbeiten]
ein Friedensdenkmal, ein Buch mit Zeichnungen von Kindern, eine Reihe von kulturellen Veranstaltungen, und ...
Vom Plenum des Gipfels für die Erde bis zu den Zelten des Globalen Forums war die
Teilnahme von Bahá’í in Rio de Janeiro umfangreich.
Rio de Janeiro — Als vor hundert Jahren europäische Gesandte nach Äthiopien fuhren, unterhielt der Kaiser sie und überschüttete sie mit Geschenken. Aber bevor die Fremden abreisten, befahl der Herrscher, daß die Füße der Europäer gewaschen werden sollen, damit sie auf keinen Fall auch nur ein Stäubchen der heiligen äthiopischen Erde über die Landesgrenzen hinaustragen.
Das hat sich geändert. Bei einer farbenfrohen Abschlußfeier, die den neuen Geist weltweiter Zusammenarbeit symbolisieren sollte, der durch den Erdgipfel entstanden ist, wurden kleine Mengen äthiopischer Erde und von mehr als 40 weiteren Nationen in ein einer Sanduhr nachempfundenes Friedensdenkmal, das auf Initiative der Internationalen Bahá’í-Gemeinde in Rio errichtet wurde, eingefüllt.
Die Form des Denkmals soll die Realität der gegenseitigen Abhängigkeit der Menschen symbolisieren, und diese Symbolik blieb den Teilnehmern der Feier nicht verborgen.
»In der Vergangenheit erlaubten wir niemandem, Erde unseres Landes mitzunehmen,« sagte Zegeye Asfaw, der äthiopische Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Entwicklung, in einer Pressekonferenz vor der Abschlußfeier. »Aber wir sind fest entschlossen, eine friedliche und blühende Erde zu schaffen, und daher haben wir auch von unserer Erde etwas für das Friedensdenkmal mitgebracht«.
Das Projekt des Friedensdenkmals, das auch breit gefächerte Medienberichterstattung in Brasilien und auf internationaler Ebene nach sich zog, war einer der selbständigen Beiträge der Internationalen Bahá’í-Gemeinde und ihrer nationalen Büros zu den Tagungen über Umwelt und Entwicklung in Rio. Zu den anderen von Bahá’í geförderten Ereignissen und Aktivitäten in Rio gehörten:
- □ Die Vorbereitung und Veröffentlichung eines Buches mit Zeichnungen und Aufsätzen von Kindern über eine Welt, die mehr Umweltschutz und Frieden braucht. Dieses Buch mit dem Titel Morgen gehört den Kindern wurde und wird Repräsentanten aller beim Erdgipfel vertretenen Regierungen überreicht.
- □ Ein eintägiges Symposium beim Globalen Forum ’92 über »Werte und Einrichtungen für eine verantwortungsvolle und immer fortschreitende Weltzivilisation«.
- □ Die Verantwortung für die Organisation einer Serie von Musik- und Kulturprogrammen während der Abende des Globalen Forums ’92. Diese Veranstaltungsreihe fand jeden Abend im Amphitheater des Flamengo Parks statt. Nach dem Grund gefragt, weshalb die Bahá’í als Organisatoren dieser Veranstaltungen ausgewählt wurden, sagte der verantwortliche Konferenzleiter: »Bei den Bahá’í bin ich sicher, daß diese Abende nicht reine Unterhaltung bieten, sondern der dort präsentierten kulturellen Vielfalt eine spürbare geistige Dimension verleihen.«
- □ Die Abgabe einer Stellungnahme vor den Regierungsvertretern im Plenum des Gipfels für die Erde über die Notwendigkeit verstärkter internationaler Zusammenarbeit und über die Bedeutung geistiger Grundsätze für das Erreichen eines Gesinnungswandels, dessen es zur Förderung einer verantwortlichen und zukunftsorientierten Entwicklung bedarf.
▪ Das Friedensdenkmal
Mehr als 400 Menschen wohnten der Einweihung des Friedensdenkmals am 14. Juni bei. Diese Einweihung gehörte zu den Abschlußfeiern der UNCED und des Globalen Forums ’92. Mehr als 30 Medienvertreter und mindestens 7 Regierungsvertreter der UNCED waren anwesend.
Eine Reihe von Kindern in ihren Nationaltrachten reichten Erde aus 42 Ländern von Hand zu Hand bis zum 5 Meter hohen, aus Beton und Keramik bestehenden Denkmal, das von dem berühmten brasilianischen Künstler und Bildhauer Siron Franco entworfen und unter seiner Leitung ausgeführt wurde. Es besteht aus zwei Pyramiden, deren Spitzen aufeinanderstehen, sodaß die Form einer Sanduhr entsteht, die symbolisiert, daß der Menschheit die Zeit davonläuft, wenn sie sich nicht einen neuen Geist weltweiter Zusammenarbeit zu eigen macht.
Viele der Erdproben wurden heiligen oder historischen Stätten entnommen. Z.B. wurde isländische Erde vom heiligsten und geschichtlich bedeutsamsten Ort beigebracht, an dem vor 1100 n. Chr. das erste dortige Parlament gegründet worden war. Indische Erde kam von Shakti Sthal, wo das Denkmal für die frühere Premierministerin Indira Gandhi steht; Indira Gandhi war das einzige Staatsoberhaupt, das 1972 an der Umweltkonferenz in Stockholm teilnahm.
Auf den vier oberen Seitenflächen der Pyramide findet sich in vier Sprachen ein Zitat von Bahá’u’lláh, dem Stifter der Bahá’í-Religion, der bereits vor über 100 Jahren sagte: »Die Erde ist nur ein Land, und alle Menschen sind seine Bürger.« Das Zitat wurde auf englisch, portugiesisch, chinesisch und terena, einer einheimischen brasilianischen Sprache, in das Monument eingraviert.
Auf der unteren Pyramide steht das Wort »Weltfrieden« in über 35 Sprachen. Ein Glasstreifen in der Mitte des Denkmals erlaubt einen Blick auf die verschiedenfarbige Erde aus den beitragenden Nationen.
Das Friedensdenkmal steht in der Nähe des Santos-Dumont-Flughafens, nördlich des Flamengo Parks auf dem Schauplatz des Globalen Forums ’92. Das Denkmal wird als bleibendes Symbol an den Gipfel für die Erde und das Globale Forum erinnern.
- Kinder, die verschiedene Nationalitäten repräsentieren, stellen sich auf, um Erdreich aus über 40 Ländern in das Denkmal zu füllen. Damit soll die Vereinigung der Völker und Nationen der Welt symbolisiert werden.
▪ Das Kinderbuch: Morgen gehört den Kindern
Das Buch Morgen gehört den Kindern: Ein Beitrag zum Erdgipfel ’92 beinhaltet die Sorgen und Gedanken von Kindern aus über 25 Ländern und bietet einen anregenden Einblick, wie die Welt sein könnte, wenn die Völker und Nationen der Welt lernten, beim Aufbau einer umweltgerechten Zukunft zusammenzuarbeiten.
Das Buch wurde von der Internationalen Bahá’í-Gemeinde mit Unterstützung des Kinderhilfswerks UNICEF und der ASMA, einer Organisation für das Wohlergehen und die Erziehung in der Familie, herausgegeben und beinhaltet Beiträge von Kindern verschiedenster religiöser und kultureller Herkunft.
Das Buch wurde offiziell am 12. Juni beim Globalen Forum vorgestellt. Die erste Auflage des 78-seitigen Buches belief sich auf 15.000 Exemplare. Die Hälfte wurde der UNICEF gestiftet als Unterstützung der Umweltprogramme von und für Kinder. Die restlichen Exemplare werden NGOs, Regierungsdelegationen und Staatsoberhäuptern überreicht.
»Die Bilder und Aufsätze in diesem Buch zeigen auf bestechende Art und Weise, welche Probleme Kinder beschäftigen angesichts einer Welt potentieller Naturzerstörung, ungleicher Entwicklung und fortgesetzter politischer Konflikte, die die Zukunft sehr unsicher erscheinen lassen,« sagte Roberto Eghrari, der geschäftsführende Sekretär der brasilianischen Bahá’í-Gemeinde, die auch zur Vorbereitung und Veröffentlichung des Buches beigetragen hat.
Die 80 ausgewählten Zeichnungen und Aufsätze in dem Buch wurden von Grundschulkindern aus 26 Ländern gemalt und geschrieben. Sie wurden aus tausenden Einsendungen ausgewählt.
- Ein Bild von Rodrigo Ribeiro Camilo da Silva, einem I3jährigen Schüler an der “Schule der Nationen” in Brasilia. Es ist eine der Arbeiten, die in dem Buch “Morgen gehört den Kindern” veröffentlicht wurde.
- In diesem Bild drückt er seine Sorgen über die Umweltsituation aus.
▪ Andere Beiträge
Die Serie von Abendveranstaltungen im Park, die aus musikalischen und kulturellen Darbietungen bestanden, wurden von der Internationalen Bahá’í-Gemeinde, die eine Vollzeitkraft im Büro des Globalen Forums beschäftigte, organisiert. Diese Veranstaltungsreihe wurde in vielerlei Hinsicht zum Herzstück und beseelte das Globale Forum, eine Gelegenheit für verschiedenste Menschen, ohne eine Tagesordnung zusammenzukommen.
Das Ziel der Veranstaltungsreihe war, mit den Worten eines der Forum-Organisatoren, »die kulturelle Vielfalt der Menschheitsfamilie durch verschiedene Musikrichtungen aus aller Welt widerzuspiegeln«.
Jeden Abend versammelten sich 2.000 bis 4.000 Menschen zu diesen Darbietungen. Am 13. Juni, dem letzten Abend der Veranstaltungsreihe, wurde eine »Unity Show« von sechs Bahá’í-Künstlern gezeigt. Dazu gehörte auch Kevin Locke, ein Lakota Sioux vom Standing Rock Reservat in South Dakota, U.S.A., der mit seiner Tochter Waniya den traditionellen Reifentanz der Lakota aufführte.
Die Bahá’í beteiligten sich auch aktiv an vielen weiteren Versammlungen und Zusammenkünften des Globalen Forum. Bahá’í-Vertreter arbeiten beim Entwurf verschiedener NGO-Abkommen mit, die beim Globalen Forum formuliert wurden.
ONE COUNTRY, April-Juni 1992
- BAHA'Í
Bahá’u’lláh - Der Herr der Herrlichkeit[Bearbeiten]
Hasan M. Balyuzi, Bahá’í-Verlag 1991, 601 S.
(Original: Bahá’u’lláh - The King of Glory, Kidlington 1980)
Der Bahá’í-Verlag veröffentlichte zum Heiligen Jahr 149 (1992/93) eine deutsche Ausgabe einer originär
englischsprachigen Monographie über Bahá’u’lláh. Damit ist nun auch den im Englischen weniger bewanderten deutschen Lesern ein ausführliches Werk über die Persönlichkeit und das Leben des Stifters der
Bahá’í-Religion an die Hand gegeben.
Auf etwa 500 Seiten, übersichtlich in 42 Kapitel untergliedert und mit über hundert Abbildungen, darunter zahlreiche alte Fotografien, anschaulich gestaltet, verfolgt der Autor chronologisch den Lebenslauf Bahá’u’lláhs und setzt Akzente auf die Sternstunden Seiner Offenbarung.
Grundkenntnisse in der Bábi- und Bahá’í-Geschichte sind zur historischen Einordnung einiger Episoden hilfreich. So verzichtet der Autor zugunsten einer lebendigen Darstellung auf eine stets detaillierte Angabe aller Daten und nimmt mitunter auf Geschehnisse in der Bábi-Geschichte Bezug, die als bekannt vorausgesetzt werden (z.B. Bahá’u’lláhs erste Gefangenschaft, die Konferenz in Badasht und die Ereignisse um die Festung Shaykh Tabarsí in Kapitel 7-9, welche Gegenstand H.M. Balyuzis älterer Monographie The Báb sind).
Die vorliegende Biographie bietet auch Lesern, die die Bahá’í-Geschichte aus anderen Werken kennen, viele interessante Einzelheiten. So beschreibt der Autor eindrücklich Bahá’u’lláhs abgeschiedenes Leben im kurdischen Siedlungsgebiet nordöstlich von Baghdad (Sulaymáníyyih; Kap. 21), Seine Reise nach Konstantinopel (Kap. 25) u.a. und zeichnet in lebendigen Farben die Personen, die mit Bahá’u’lláh zusammentrafen.
Balyuzi stützt sich dabei im wesentlichen auf vier Augenzeugen von Bahá’u’lláh ergebenen Bábi bzw. Bahá’í, übersetzt zum Teil bisher unveröffentlichte Quellentexte und stellt gelegentlich interessante Erzählvarianten einzelner Episoden nebeneinander, wie etwa zur Bastonade Bahá’u’lláhs (S. 79-81) oder zu einem Zeugnis für Vahids ergebene Geisteshaltung (S. 83-84).
Eine Vielzahl persischer und arabischer Personennamen im Text bereiten dem deutschen Leser sicher weniger Schwierigkeiten, wenn er davon Abstand nimmt, alle Personen inklusive ihrer Zuordnung bei erstmaligem Lesen im Gedächtnis behalten zu wollen. Sich dieser Lesehürde wohl bewußt, fügt der Autor auch bei wiederholter Erwähnung von Personen charakterisierende Appositionen als Merkhilfen ein und empfiehlt in seinem Vorwort dem westlichen Leser die Erläuterung persischer bzw. arabischer Namenbildung in seiner Monographie The Báb.
In einem etwa hundertseitigen Anhang werden wertvolle Hintergrundinformationen gegeben. Einem geschichtlichen Überblick über die gesellschaftliche und politische Situation im Iran des 19. Jahrhunderts und anderen historischen Zeugnissen folgen Kurzbiographien von 44 erwähnten Personen. Dankbar findet man auch ein Glossar von Begriffen aus dem iranisch-osmanischen Kulturkreis, das in der deutschen Ausgabe auf insgesamt über achtzig Begriffe erweitert wurde. Hinzu kommen eine Auswahlbibliographie, welche in der deutschen Ausgabe dem heutigen bibliographischen Stand angepaßt wurde, und ein ausführlicher Namen- und Sachindex.
Die vorliegende deutsche Übersetzung des Werks bietet einen gehobenen und flüssig zu lesenden Sprachstil und beinhaltet in überarbeiteter Fassung zahlreiche Zitate aus bereits in deutscher Sprache erschienener Bahá’í-Literatur.
Ein großer Schrifttyp ermöglicht ein angenehmes Lesen; ein Schutzumschlag wäre eine erfreuliche Ergänzung künftiger Auflagen.
Mit viel neuem Quellenmaterial versehen und spannend geschrieben, ist Bahá’u’lláh eine fesselnde Darstellung des jüngsten Gottesoffenbarers der Geschichte.
- Haide Faridani
Wir Weltbürger[Bearbeiten]
André Brugiroux, Horizonte Verlag 1990
»Die Menschheit unterwegs zur Einheit«, so lautet der Untertitel. Ist sie denn das? Sind nicht gerade
heute größere Einheiten dabei zu zerfallen? Abspaltungen nehmen zu, Vorurteile, Haß und Feindschaft sind
das Motiv für blutige Kämpfe. Ein Widerspruch?
Auch André Brugiroux sah auf seiner 18-jährigen Reise durch alle Kontinente Ungerechtigkeit, Elend und Uneinigkeit. Dennoch behauptet er schließlich: die Erde ist ein Land, die Menschheit wird mit Sicherheit zum Frieden finden.
Er beobachtete zwei große Prozesse in der Welt, den des zunehmenden Chaos und des Zerfalls von Ordnungen, aber auch das stetige Zusammenwachsen der Erde, die Internationalisierung. Er spürte eine neue Kraft in der Welt wirken, die die Menschen vereinen wird.
Mit 17 Jahren, nach seinen Aussagen »verbildet« durch Schule und Medien, belogen von Geschichtsbüchern und Religionsunterricht, voll von Vorurteilen und dem Gefühl der Überlegenheit als Franzose, Katholik und Angehöriger der weißen Rasse, zog er los auf seine anfangs noch unbewußte Suche nach dem, was die Menschen verbindet. Er lernte, daß er nur mit offenen Augen, einem freien Herzen, der Bereitschaft, Vorurteile aufzugeben und bescheiden vieles zu prüfen, die Menschen und ihre Lebensgrundlagen wirklich verstehen lernen konnte.
Er sah, daß die Sehnsüchte und die Bedürfnisse der Menschen überall die gleichen waren. Vor allem den Wunsch nach Frieden fand er rund um den Globus. Überrascht entdeckte er, wie wenig bisher beachtet wurde, daß es immer die Lehren der Religionsstifter sind, die die Grundlagen des menschlichen Fortschritts und der Kulturen bilden. Ihm wurde immer klarer, daß nur durch göttliche Führung eine dauerhafte, friedvolle und gerechte Ordnung in der Welt entstehen kann, die dem Menschen in seinem materiellen, emotionalen und geistigen Sein gerecht wird.
Wie viele Globetrotter erlebte er die Krankheit der Welt, aber er fand auch, ganz unerwartet, ein Heilmittel für alle ihre Nöte, die Botschaft Bahá’u’lláhs. Eine Religion, die seinem Bedürfnis nach Kraft, Freude, Übereinstimmung mit der Vernunft, Freiheit und Inspiration entsprach, ein Bedürfnis, das nach ausgiebigem Studium vieler Religionen, Philosophien und Ideologien in ihm entstanden war. In ihr entdeckte er, daß es tatsächlich eine Antwort auf alle ungelösten Probleme der Menschheit gibt. Der in der Welt wirkende göttliche Impuls der Erneuerung wurde für ihn durch gelebte Beispiele sichtbar.
Die Darstellung der Bahá’í-Lehren machte er zum Mittelpunkt seines Buches, da sie das »Goldene Vlies seiner Odyssee« waren. Umfassend und gut verständlich wird die Religion Bahá’u’lláhs erläutert, im besonderen ihr Bezug zu den wesentlichen Fragen der heutigen Welt.
»Laßt euren Blick weltumfassend sein, anstatt ihn auf euer Selbst zu begrenzen,« ruft Bahá’u’lláh die Menschen auf. André Brugiroux hilft mit diesem Buch, dieser neuen Sicht näher zu kommen. Er läßt uns teilhaben an seinen Erlebnissen im Kontakt mit den Menschen und an seinem breiten Wissen über Geschichte, Philosophie und die Religionen, das er sich zu diesem Themenkreis erarbeitet hat. Er appelliert an unsere Mitverantwortung beim Prozeß der Entstehung des Weltbürgertums.
- Elke Pollak