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BAHÁ'Í-BRIEFE
HEFT 50 14. JAHRGANG OKTOBER 1985
ADELBERT MÜHLSCHLEGEL
DIE EINHEIT GOTTES UND SEINER PROPHETEN
ALESSANDRO BAUSANI
FRIEDEN, FORTSCHRITT UND POLITISCHE ETHIK
ULRICH GOLLMER
DER LANGE WEG ZUM GRÖSSTEN FRIEDEN
Die Bahá’í-Briefe wollen eine intensive Auseinandersetzung mit den Lehren und der Geschichte der Bahá’í-Religion fördern und zu einem Dialog mit allen beitragen, die sich auf der Grundlage zeitgemäßen religiösen Denkens aufrichtig um die Lösung der Weltprobleme mühen.
BAHÁ'Í-BRIEFE
Heft 50, Oktober 1985
14. Jahrgang
- Inhalt
- Adelbert Mühlschlegel
- Die Einheit Gottes und Seiner Propheten 118
- Alessandro Bausani
- Frieden, Fortschritt und politische Ethik 123
- Ulrich Gollmer
- Der lange Weg zum Größten Frieden 128
Herausgeber: Der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in Deutschland e.V., Hofheim-Langenhain. Redaktion: Dr. Klaus Franken, Ulrich Gollmer, Hans Günther Randau, Christopher Sprung, Karl Türke jun.
Redaktionsanschrift: Bahá’í-Briefe, Redaktion, Eppsteiner Straße 89, D-6238 Hofheim-6. Namentlich gezeichnete Beiträge stellen nicht notwendig die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers dar. Die Bahá’í-Briefe erscheinen halbjährlich. Abonnementpreis für vier Ausgaben 20,- DM. Einzelpreis 6,- DM. Vertrieb und Bestellungen: Bahá’í-Verlag, Eppsteiner Straße 89, D-6238 Hofheim-6.
© Bahá’í-Verlag GmbH. ISSN 0005-3945
40 JAHRE VEREINTE NATIONEN
Am 24. Oktober 1945 trat die Charta der Vereinten Nationen in Kraft. In ihrer
Präambel erklärten die Unterzeichnerstaaten — unverkennbar unter dem Eindruck
des Zweiten Weltkriegs — ihre Entschlossenheit, »künftige Geschlechter
vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten
unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat«.
Mit den Vereinten Nationen war nach dem Scheitern des Völkerbundes erneut eine Weltorganisation geschaffen, die sich die Friedensbewahrung zum obersten Ziel setzt. Artikel 1 der Charta nennt an erster Stelle die Aufgabe, »den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen«.
Trotz partieller Erfolge sind wir heute von der Einlösung dieser Ziele noch weit entfernt. Es ist daher nur folgerichtig, daß am vierzigsten Jahrestag der Vereinten Nationen das »Internationale Jahr des Friedens« zur Bekräftigung dieser vordringlichen Zielsetzung proklamiert wird. Kein Anlaß für Feiern und Feste: In unserer unfriedlichen Welt ruft das »Jahr des Friedens« eindringlich zur Verwirklichung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen. Es soll, nach den Worten des UN-Generalsekretärs, die Vereinten Nationen, ihre Mitgliedstaaten, die internationalen nichtstaatlichen Organisationen und die Medien veranlassen, eindringlich den Frieden und alle Möglichkeiten friedlicher Konfliktlösung zu fördern. Es soll die Mitgliedstaaten an die Verpflichtung erinnern, die sie mit der Unterzeichnung der Charta eingegangen sind. Es soll dazu beitragen, daß der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen in »seiner Hauptaufgabe, der Erhaltung von Frieden und Sicherheit«, gestärkt wird. Es soll dazu dienen, daß die Welt sich gemeinsam auf Grundvoraussetzungen des Friedens konzentriert, auf Abrüstung, die Einhaltung der Menschenrechte, auf internationale Zusammenarbeit, Entwicklung und sozialen Fortschritt.
Die Bahá’í-Gemeinden der Welt werden die Ziele dieses Jahres nach Kräften unterstützen. In einer Stellungnahme auf dem europäischen regionalen Seminar zum Jahr des Friedens (6. — 10. Mai 1985 in Wien) stellt die Internationale Bahá’í-Gemeinde, die Vertretung der Bahá’í-Weltgemeinde bei den Vereinten Nationen, fest: »Wenn das Internationale Jahr des Friedens zu Vorhaben ermutigen kann, die ein Bewußtsein der Interdependenz und der organischen Einheit der Menschheit stärken, so wird es damit Bedingungen wachsen lassen, in denen Frieden möglich wird.«
- Die Redaktion
Adelbert Mühlschlegel
DIE EINHEIT GOTTES UND SEINER PROPHETEN[Bearbeiten]
- Dr. Adelbert Mühlschlegel (1897-1980), Arzt mit breiten historischen, philosophischen und religionswissenschaftlichen Interessen, 1952 zur »Hand der Sache Gottes« ernannt, schrieb 1967 diesen Brief an einen protestantischen Theologen. Erstveröffentlichung in Bahá’í-Briefe 29, 1967, S. 736-740.
Sehr geehrter Herr Pastor!
Herzlichen Dank für Ihren inhaltsreichen Brief. Die Schwierigkeiten beim Auftreten eines neuen ganz Großen sind in der ganzen Religionsgeschichte grundsätzlich die gleichen; sie liegen vorwiegend im einzelnen Menschen, sodann in den religiösen Traditionen und Dogmen, am wenigsten in allen sonstigen Verhältnissen. Dabei hat es der Christ besonders schwer.
Es ist ein Unbehagen, wenn man umlernen soll. Auch gibt es so viele falsche Propheten und Wirrköpfe in der Welt. Aber das »metanoeite«1) ist eben unerläßlich. Und dazu muß der Christ allein von Jesus ausgehen, nicht von der Kirche oder dem Christentum und nicht vom Mythos mit der Vergottung. Leider weiß man von Jesus so wenig: etwa 20 Buchseiten Seiner eigenen Worte, und diese nicht von Ihm geschrieben, sondern nacherzählt nach Jahrzehnten der Überlieferung. (Wie anders stehen die übrigen Hochreligionen da!) Und dieser spärliche Bericht wurde dann von Hieronymus zusammengestellt, so gut es ging, und in andere, plumpere Sprachen übersetzt, wobei fast gleich viele apokryphe Worte Jesu, zu recht oder zu unrecht, unter den Tisch fielen.
Unter seinen eigenen Aussprüchen bezeichnet Jesus als das höchste und vornehmste Gebot: Gott und den Nächsten zu lieben und zwar ganz — was meist übersehen wird — mit Herz, Seele und Denken (»synnoia«, nicht »Gemüt« wie bei Luther!). Das heißt, wenn Verstand und Gefühl einem echten Christen andeuten, daß hier, mit Bahá’u’lláh, eine neue Willensäußerung des Allein- und Ganz-Geliebten geschehen sein könnte, müßte sein Herz jubeln; seine Seele müßte sich im Glauben an Gottes Führung und Liebe öffnen, er müßte die neue Botschaft eifrig studieren und durchdenken. Dabei dürfte er keine althergebrachten Maßstäbe anlegen, sondern müßte sich an dem orientieren, was Liebe, Gebet und Meditation ihm eingeben. Was das Material angeht, hat der Sucher in der Bahá’í-Religion nicht 20, sondern rund 8000 verifizierte Seiten »Wort Gottes« zur Verfügung. Auch seelisch betrachtet, dürfte ihm kaum etwas im Wege stehen, denn in den letzten 120 Jahren ist noch jeder wahre Bahá’í Christus unendlich viel näher gekommen, als er Ihm vor seinem Eintreten für Bahá’u’lláh war. Nur vor dem gedanklichen Erfassen erhebt sich die hergebrachte Theologie wie eine Barriere. Der Christ, der ja Jesus näher kommen will, hat ständig das Wort vor sich: »Es werden zu Mir kommen nicht, die da sagen Herr, Herr, sondern die den Willen tun Meines Vaters im Himmel.« Es war immer falsch, das Auftreten eines neuen Gottgesandten mit den Maßstäben der vorhandenen Traditionen und Dogmen zu messen.
Die Gottgesandten oder — wie Bahá’u’lláh sich ausdrückt — Manifestationen
[Seite 119]
Gottes sind die Begründer der geschichtlichen Hochreligionen und
nach den Bahá’í-Lehren jeweils die Herren des Zeitalters. Wir wollen uns auf
diesen Begriff der »Manifestation Gottes« einigen, im Unterschied zum Ausdruck
»Prophet«, der im Westen einen Weissager oder im engeren Sinn eine der
tragenden Gestalten des Alten Testaments bedeutet, aber auch im Unterschied
zum Begriff »Offenbarer«, was sowohl »Manifestation Gottes« als auch
»Prophet« umfassen kann, oder zum »Sohn Gottes«, bei dem die Christen ein
einmaliges Geschehnis unterstellen.
Religion ist eine Verbindung des Göttlichen mit dem Irdischen, die dem menschlichen Leben Sinn und Ziel gibt. Dazu bedarf es fünf Elemente, die alle Hochreligionen mehr oder weniger aufweisen:
- 1. Gott,
- 2. der Mittler,
- 3. die Wandlung des einzelnen Menschen,
- 4. die Lehren,
- 5. Gesetz und Ordnung;
denn bis in die Bereiche des menschlichen Lebens soll sich ja Gottes Wille und Sein »Reich auf Erden« auswirken. Gott (1) ist ewig gleich, unfaßbar. Die Mittler (2) wirken als Heilande, wie es die Nöte erfordern und die Fassungskraft der Menschen erlaubt; jeder könnte mehr sagen, aber »wir können’s noch nicht tragen«. Der Mensch (3) als einer, der sich wandeln soll — die Christen nennen diesen Vorgang »Erlösung« — ist eingebettet in Kulturen und Zeitalter, die verschiedene Tugenden und Ziele haben; so unterscheiden sich die Wirkungsweisen der Mittler (2) nach den orts- und zeitgebundenen Verhältnissen ein wenig voneinander: Ihre Lehren (4) weichen in den Einzelheiten scheinbar voneinander ab; Gesetze und Ordnungen (5), auf die materiellen Gegebenheiten bezogen und für jedermann verbindlich, widersprechen einander bisweilen sogar.
Aus der Entwicklungsbedingtheit des Menschen und seiner sozialen Strukturen (3—5) ergibt sich zwingend, daß immer neue Manifestationen Gottes als Mittler (2) für die Menschheit auftreten müssen. Daß »das Kreuz« alle weiteren Offenbarungen erübrige, ist eine theologische Konstruktion, die sich nicht weiter als bis zu Paulus zurück verfolgen läßt.
Alle Manifestationen Gottes reden je nach der Gelegenheit von verschiedenen Stufen aus: manchmal nur als »Menschen« über zeitliche Dinge, manchmal »aus Gott«, und dann meist ewig Gültiges; aber immer ist es die Wahrheit. Daß Jesus sagte: »Der Vater und Ich sind eines« oder »Wer Mich siehet, der siehet den Vater«, ist keine Unterlage für das Trinitätsdogma. Es ist eher begreiflich durch das Gleichnis von der Sonne im Spiegel, das Bahá’u’lláh oft gebraucht. Auch die anderen Manifestationen Gottes drücken sich ähnlich aus, nur verwenden sie nicht das Wort »Vater« und nur selten den Begriff »Sohn«. Gegen die Trinität sprechen auch Äußerungen Jesu wie: »Wann dies aber geschieht, wissen weder die Engel des Himmels, noch der Sohn, sondern allein der Vater«, oder der Gethsemane-Konflikt, oder der Aufschrei am Kreuz »Warum hast Du Mich verlassen?«.
Wir Menschen haben keine Vergleichsmaßstäbe für die »Größe« der
Manifestationen Gottes; wir sind sozusagen wie kleine Jungen, die sich um die
Größe ihrer Väter streiten. Wir sehen nicht über Merkmale und Äußerlichkeiten
hinaus; aber dabei handelt es sich nicht um Rangabzeichen, sondern
gleichsam um Strahlungskegel gleichstarker Lampen, die verschiedenartige
Lampenschirme haben. So kommen wir zu falschen Begriffen von historischer
Größe und messen nach erfüllten
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Prophezeiungen, die wir nach unserem Sinn oder nach den Maßstäben unserer
Kirche auslegen. Dies führt zu tragischen Fehlentwicklungen, wenn unser
Forschen nach Wahrheit nicht von dem höchsten Gebot Jesu, der ganzen Liebe
zu Gott und zum Nächsten, geleitet wird.
Bahá’u’lláh spricht von Jesus mit besonderer Liebe und Verehrung; Er sagt, daß durch den Opfertod Christi Kräfte ausgelöst worden sind, die sich in allen Menschen der Erde dartun und die menschliche Kultur maßgeblich beeinflussen. Aber diese Zeichen, wenngleich sie weit über menschliches Begreifen hinausgehen, sind kein Beweis für die Einmaligkeit der Stellung Jesu. Auch Wunder sind dies nicht. Manche Wunder — nach den Bahá’í-Lehren z.B. die Auferstehung Jesu — sind als erhabene Symbole zu verstehen. Andere Wunder oder Visionen sind Erlebnisse von Massensuggestion; wieder andere lassen sich tiefenpsychologisch erklären und sind mit den menschlichen Begrenztheiten der jeweiligen Medien behaftet. Nie darf ein Christ Jesus Seiner Wunder wegen eine einmalige Stufe beimessen; dies entspräche dem Niveau des tibetischen Tantrismus.
Jede Manifestation Gottes bestätigt die Stufe der vorhergegangenen Offenbarung und erfüllt deren Sendung, obwohl sie in den Fragen der Wandlung (3), der Lehre (4) und der Ordnung (5) Neues bringt und Altes abschafft. Besonders deutlich wird dies bei Jesus in der Bergpredigt: »Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ward ...; Ich aber sage euch ....«
Bis hierher besteht noch kein tiefgreifender Unterschied zwischen den Lehren Bahá’u’lláhs und den modernen Richtungen der christlichen Theologie, abgesehen davon, daß die letzteren in ihren Aussagen auf die Bibel begrenzt bleiben. Aber kommen wir zu dem, was die ganze nichtchristliche Menschheit der Kirche vorzuwerfen hat: daß sie »vollkommen die Welt zugeschlossen und, wie die alten messianischen Hoffnungen, so die Apokalypse selber unterschlagen oder vermittelst des Pfingstfestes zu einer bloßen universalen Wiederholungsszene und Tautologie des bereits Geschehenen abgeschwächt hat« (Ernst Bloch).
Daß der Heilige Geist seit Pfingsten bei der Kirche geblieben und weiter
maßgebend gewesen sein sollte als einer, der »in alle Wahrheit leitet«, ist ein arges
Stück. Dieser »Geist der Wahrheit« wird ja nach den Worten Jesu »nicht von sich
selber reden, sondern was er hören wird, das wird er reden«, also wie bei Jesus
selbst, »was der Vater Ihm eingibt« — und dies weit eher ein Hinweis auf die
nächstfolgende Manifestation Gottes als auf einen anonymen Pfingstgeist.
Daß der Heilige Geist in den Aposteln wirksam gewesen wäre, anerkennen wir
Bahá’í nur bedingt. Sie mögen zeitweise vom Geist beseelt gewesen sein, aber sie
hatten deshalb nicht die Stufe einer Allgegenwart des Heiligen Geistes erlangt.
Paulus war nicht das Wort Gottes, auch wenn er, wie ich vor 50 Jahren als
Konfirmand heimlich feststellte, von den Kanzeln herab fast dreimal so oft zitiert
wird wie Jesus. Er war vielleicht nach Jesus die bedeutendste Gestalt im Christentum,
aber wenn er nach seinem Damaskus-Schock das »Skandalon« als die »zentrale
Aussage des Neuen Testaments einführte«, vermischte er auf der
ihm eigenen Ebene eines Eiferers das Neue, das ihn überwältigt hatte, mit seinem
individuellen Erleben und mit seinem Verständnis des Zeitgeists. Was
wußte er von Zarathustra, Laotse oder Buddha, was von der Unermeßlichkeit
des Universums, als er die groteske Idee formulierte, der unendliche Gott habe
einen Sohn, den Er auf dieses Staubkorn
[Seite 121]
von einem Planeten herabgesandt habe, um die dort befindliche Menschheit zu
erlösen, und damit sei ein für allemal Schluß mit allen weiteren Offenbarungen,
die ja nicht mehr nötig seien?
Auf das Konto von Paulus geht auch das unentwickelte Verhältnis der christlichen Religion zu Ordnung und Gesetz (5). Seine neurotische Reaktion auf früheres, eiferndes Pharisäertum — wissenschaftlich Enantiodromie — schlug um in eine Unterbewertung des Gesetzes. So waren die Christen seit dem Apostelkonzil eben römische Bürger; selbst der Kaiser Konstantin führte das Corpus juris weiter, und es blieb das Nebeneinander von kirchlicher und weltlicher Gewalt bis auf den heutigen Tag; der geoffenbarte Wille Gottes konnte nicht im Gesetz seinen Ausdruck finden, wie es — wenngleich begrenzt — im Brahmanismus, im Mosaismus und im Islam geschah. Stattdessen öffnete sich das Christentum den Einflüssen orientalischer und hellenistischer Mysterien, vor allem der bereits im Herakleskult gegebenen Vorstellung der Erlösung durch die Opferleistungen eines Gottessohnes, in geringerem Maße auch der Gnostik.
Muḥammad, selbst von »gebildeten« Abendländern dank einseitiger Erziehung heute noch verkannt, hätte dem damals schon so kranken Christentum bringen können, was es brauchte: einen sauberen, absoluten Gottesbegriff, eine Fülle von zuverlässigerem »Wort Gottes«, als Lehraussage so gut wie als praktische Gesetzesnorm, die Einheit von Religion und Staat, geprägt durch das Beispiel des staatsmännisch wirkenden Offenbarers, die Einheit der Sprache, die Einheit und Gleichheit eines jeden vor Gott. Sofort war allerdings auch der Islam verdorben und über der Nachfolgefrage gespalten. Zwischen den beiden großen Religionen häuften sich die Vorurteile, oft mit lächerlichen Anschuldigungen — eine weltgeschichtliche Tragödie.
Wer es aber nicht vermag, durch die »ganze« Liebe zu Gott und Seiner Wahrheit den Dschungel der Theologie zu durchdringen, für den gibt es ja in dem herrlichen Jesuswort vom höchsten Gebot noch den zweiten Satz: »Das andere aber ist dem gleich«, d.h. das Gleiche, nicht nur gleichwertig: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst«. Es ist dies die tätige Liebe zum Göttlichen in jedem Menschen. Der Nächste aber ist heute, nach 150 Jahren stürmischer technischer Entwicklung auf unserem schrumpfenden Planeten, die ganze Menschheit geworden. Sie ist todkrank. Ein religiöser, verantwortungsbewußter Mensch ergreift jede Möglichkeit, ihr zu helfen. Er prüft mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln, ob dies nicht doch die Zeit des Endes ist, in der wir leben — nicht das »Ende der Welt« (Kosmos), sondern das »Ende des Weltzeitalters« (Äon), wie es im griechischen Text der Bibel heißt. Er erkennt, daß nur ein Bewußtsein der Einheit, der Universalität weiterführen kann, und bemüht sich darum, sich selbst und seine Umwelt darauf einzustellen (3). Er findet eine Fülle von Wegen und praktischen Grundgedanken in den Bahá’í-Lehren (4); mehr und mehr festigt sich in ihm die Überzeugung, daß Bahá’u’lláhs Anspruch, die Manifestation Gottes (2) für unser Zeitalter zu sein, zu Recht besteht, und er reiht sich in die rasch wachsende Bahá’í-Weltgemeinschaft ein, um in ihrer Ordnung (5) mitzuwirken, Modelle für das zukünftige »Reich Gottes auf Erden« zu schaffen.
Wenn Sie, lieber Herr Pastor, die Bahá’í-Texte lesen und Ihnen die Sprache
und die Gedankenwelt bisweilen ungewohnt und fremd erscheinen, weil sie
sich meistens auf den Islam als geographisch-historische Wiege dieser
Offenbarung beziehen, dann bedenken
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Sie bitte, daß die Ausdrucksweise und die Bezugssysteme des Neuen Testaments
den Römern, Griechen und Germanen vor 1800 Jahren ebenso fremd
gewesen sein mochten. Die Metaphern der blumenreichen persisch-arabischen
Sprache sind nicht zufällig und nicht nur Ausdruck einer tausendjährigen
poetischen Tradition, sondern haben einen tiefen Sinn, als Ausschöpfung immer
neuer Bedeutungen für die Attribute des Göttlichen, als Verbindung von
Vordersatz und Nachsatz, aber auch als Zusammenklang von Denkkategorien
und Gefühlswerten.
Zeiten, Formen und Worte sind der Wandlung unterworfen. Was immer währt und uns über die Grenzen der Namen und Bekenntnisse brüderlich vereint, ist die Liebe zu Gott und zum Mitmenschen, und aus dieser Liebe heraus die Sehnsucht nach Wahrheit.
Glückauf zum Forschen nach dieser Wahrheit!
- 1) Kehret um«, »tut Buße«, vgl. Matthäus 3:2, 4:17
Der Mensch muß das Licht lieben, gleichgültig, woher es kommt...
Wenn wir die Religionen durchforschen, um die ihnen zugrundeliegenden Prinzipen zu entdecken, so werden wir sie in Übereinstimmung finden, denn ihre grundlegende Wirklichkeit ist eine und nicht vielerlei.
- 'Abdu'l-Bahá
Esslemont, S. 95f
Alessandro Bausani
FRIEDEN, FORTSCHRITT UND POLITISCHE ETHIK[Bearbeiten]
Eine Betrachtung zu ‘Abdu’l-Bahás »Das Geheimnis göttlicher Kultur«
- Zuerst veröffentlicht in Opinioni Bahá’í, 3. Jahrgang, Frühjahr 1979, S. 19-24, unter dem Titel »Un libro d'attualitá«. Der Verfasser ist Professor für persische Literatur und Islamistik an der Universität Rom. Die Übersetzung aus dem Italienischen besorgte Yasmin Mellinghoff.
‘Abdu’l-Bahá, der Sohn des Stifters der Bahá’í-Religion, schrieb dieses Buch Ende
des 19. Jahrhunderts in einer Zeit, da sich der Iran — wie heute — in einer
Wachstumskrise befand. Damals wie heute fanden die Erscheinungsformen
dieser Krise besonders die Kritik außenstehender Beobachter mit völlig
eurozentrischem Blickwinkel, die die orientalische Lebensweise nicht genügend
kennen. Auf Grund dieser Parallelen halte ich dieses Buch für aktuell.
Das persische Original trägt den Titel Risāla-yi madanīyya, »Brief über die Zivilisation«, in der Bahá’í-Transliteration Risáliy-i-Madaníyyih. Es wurde von 'Abdu'l-Bahá im Jahre 1875 geschrieben, als Er erst 31 Jahre alt war. Erst 1882 wurde es in Bombay lithographisch vervielfältigt und publiziert.1) Die erste englische Übersetzung von ‘Alí Qulí Khán (einem Bahá’í, der auch wichtige diplomatische Funktionen innehatte) erschien zuerst 1910 in London2) und dann 1918 in Chicago3) unter dem Titel »The mysterious forces of civilization«. Eine verbesserte Übersetzung von Marzieh Gail, der Tochter des ersten Übersetzers, mit dem Titel »The Secret of Divine Civilization« wurde 1957 veröffentlicht.4) Teilübersetzungen ins Deutsche erschienen bereits in den Jahren 1928 bis 1930 in der Zeitschrift Sonne der Wahrheit5) und 1961/62 in den Bahá’í-Briefen6). 1973 wurde das Buch unter dem Titel »Das Geheimnis göttlicher Kultur« veröffentlicht.7)
Wovon handelt dieses Buch? Im Iran wurde damals lebhaft über politische
und soziale Reformen diskutiert. Das Land war noch eine absolute Monarchie,
aber Náṣiri’d-Dín Sháh versuchte unter europäischem Einfluß, neue Ideen
einzuführen. Es gab zwei Tendenzen: die Nachahmer Europas und die »Reaktionäre«,
die der Auffassung waren, daß die Reformen, die von einigen Ministern
verfochten wurden, für Persien nicht angemessen seien. So sehen wir hier schon
ein Schauspiel, das sich später mutatis mutandis wiederholen würde: von
einem eurozentrischen Blickwinkel her (oder auch für gewisse europäisierte
Orientalen) ist die Versuchung stark, alles, was nicht modernistisch im
europäischen Sinne ist, als reaktionär zu
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betrachten und dabei zu vergessen, daß die sozialen Bedingungen völlig verschieden
sind, daß die große Masse des Volks nicht für diese Art Fortschritt tauglich ist
und daß der Fortschritt im Orient auch über andere Wege gehen kann — vermittels
einer stark religiösen Komponente -— als über Wege, die in Europa als fortschrittlich
betrachtet werden.
Das Buch ist einem der damaligen modernistischen Minister gewidmet und befürwortet die fortschrittlichen Tendenzen (wir werden sehen, wie), indem es eine Art Religionsgeschichte der Zivilisation entwirft. ’Abdu’l-Bahá schreibt: »Nach Ansicht des Verfassers sollte die Einsetzung der nichtständigen Mitglieder beratender Körperschaften in souveränen Staaten vom Willen und der Wahl des Volkes abhängen. Denn Abgeordnete, die gewählt werden, sind aus diesem Grunde wenigstens einigermaßen geneigt, sich gerecht zu verhalten, damit ihr Ruf keinen Schaden leide und sie nicht vor der Öffentlichkeit in Ungnade fallen.«8) Und wenig später sagt Er zu dem extremen Unterschied zwischen arm und reich, der Persien damals — und zum Teil auch heute noch — quälte: »Wohlstand ist in höchstem Maße lobenswert, sofern die ganze Bevölkerung in Wohlstand lebt.«9)
Dieser letzte Satz zeigt, wie dieses Buch, obwohl es sich in erster Linie an die Perser von 1875 richtet, auch für die heutige Zeit von Nutzen ist: Er enthält unter anderem eine positive Bewertung des Wohlstandes, die etwa dem ursprünglichen antiken Christentum unbekannt ist.
Das Buch ist von allgemeinem Interesse, weil es die Grundlagen und Prinzipien dessen festlegt und illustriert, was man als »Bahá’í-Politik« bezeichnen könnte; Politik verstanden in einem weiteren, »religiösen« Sinn.
Im folgenden werden einige grundlegende Punkte des Buches aufgezeigt.
1. Das parlamentarische System ist nicht per se vollkommen gut. Es ist nur gut (und sogar das beste) unter den folgenden eindeutigen Bedingungen:
Erstens: Die gewählten Mitglieder müssen redlich, gottesfürchtig, hochgesinnt und unbestechlich sein.
Zweitens: Sie müssen »die Gesetze Gottes in allen ihren Einzelheiten kennen; sie müssen über die obersten Grundsätze des Rechts Bescheid wissen, in den Verfahrensregeln für innere Angelegenheiten und für auswärtige Beziehungen beschlagen und in den nutzbringenden Künsten und Wissenschaften bewandert sein. Schließlich müssen sie sich mit ihren rechtmäßigen Einkünften zufriedengeben.«10)
Sie müssen in wenigen Worten zwei wesentliche Eigenschaften besitzen: Ehrlichkeit und Sachkompetenz. Ich frage mich, wie viele unserer Abgeordneten (und auch die anderer Staaten) diese Prüfung bestehen würden...
Diese Ausführungen zeigen, daß die Bahá’í-Demokratie (wie übrigens auch die islamische in ihren besten Momenten) nicht nur eine rein formale Demokratie ist wie die des modernen abendländischen, liberalen Parlamentarismus. Sie ist stattdessen eine, sagen wir es ruhig, ethische, ideologische Demokratie. Es ist daher nicht leicht, sie mit den heute im Abendland gängigen Maßstäben zu messen, wo leider viele darüber lächeln würden, daß man als Bedingung für die Wahl eines Abgeordneten moralische Eigenschaften verlangt; heute lächelt man sogar, wenn gefordert wird, die Regierenden sollten fachliche Qualitäten haben: Eine »Regierung der Fachleute« wird als reaktionär betrachtet.
2. Einer der Hauptgründe für Tyrannei und Mißwirtschaft besteht darin, daß das
Volk nicht wirklich religiös und ausreichend
[Seite 125]
gebildet ist. Nur wenn das Volk versteht, daß seine Regierung gegen die (wahren)
Gesetze Gottes verstößt, und wenn es über die angemessenen kulturellen Mittel
verfügt, um einen ordentlichen, legalen Protest zu erheben, nur dann kann es seine
Situation verbessern. Leider — sagt ’Abdu’l-Bahá — »fehlen jedoch dem größten Teil
der Bevölkerung aus Mangel an Schulbildung sogar die Worte, um ein Anliegen
auszudrücken.«11) Dies ist ein sehr wichtiger Punkt, und es ist
interessant, daß schon 1875 in Persien darauf hingewiesen wurde, während heute im
Abendland noch darüber gestritten wird.12) Es ist nötig, daß das Volk in
der Lage ist, sich gut auszudrücken: Sonst wird es dem, der am besten reden kann, immer
gelingen, die Unwissenden zu betrügen. Genau hier liegt einer der schwersten Mängel einer
rein formalen Demokratie, in der ein guter Redner über die Mittel verfügt, die
Ahnungslosen zu beherrschen; die dann, um sich schadlos zu halten, zu terroristischen
Methoden greifen, also zu einem unangemessenen, gewaltsamen Protest.
3. Der Kern des Buches13) ist dem Kommentar einer islamischen Tradition über die ’ulamá14) gewidmet, die die Führer des Volkes waren (und es zum Teil heute noch sind). 'Abdu'l-Bahá wendet diese Tradition, indem er sie kommentiert, auch auf die Führer des Volks im allgemeinen an, die wir heute die idealen gewählten Volksvertreter nennen würden.
Die Tradition lautet wie folgt: »Wer zu den Gebildeten gehört, muß sich selbst bewahren, seinen Glauben verteidigen, seinen Leidenschaften widerstehen und die Gebote des Herrn befolgen. Sodann ist es die Pflicht des Volkes, sich an sein Beispiel zu halten.«15) Vom idealen Volksvertreter heißt es also:
a) sá’ínan li-nafsihi: »der sich selbst bewahrt«. Dies bedeutet nach 'Abdu'l-Bahá in erster Linie, »Attribute geistiger und materieller Vollkommenheit zu erwerben«. Diese sind drei:
- — Bildung, einschließlich religiöser Bildung und profunder Kenntnis nicht nur der eigenen, sondern aller großen Religionen, und wissenschaftliche Bildung.16)
- — Gerechtigkeit und Unparteilichkeit, was bedeutet, »die Menschheit als ein einziges Lebewesen, sich selbst als ein Glied dieses großen Körpers zu erkennen. ..«17)
- — der aufrichtige Wille, die Massen zu erziehen und im Volk wenigstens einen Ansatz von wissenschaftlicher und technischer Bildung zu verbreiten. »Denn in ihrem tiefverwurzelten Aberglauben« — sagt 'Abdu'l-Bahá — »meinen viele Leute heutzutage, ein Mensch, der an Gott und Seine Zeichen, an die Propheten, ihre Offenbarungen und ihre Gesetze glaubt, der fromm und gottesfürchtig ist, müsse notwendigerweise müßiggehen und seine Tage mit Nichtstun verbringen..«18)
Hier zeigt sich die weite Öffnung des Bahá’í-Glaubens gegenüber der Welt des Handelns und der Praxis und ihr Mißtrauen gegenüber einer mystischen Askese, die zu nichts führt.
b) ḥáfiẓan li-dínihi: »Verteidiger (oder Beschützer, Wächter) des Glaubens«. Dies
bedeutet für 'Abdu'l-Bahá nicht (oder nicht nur), die Orthodoxie und die religiösen
Riten zu verteidigen und Sünden zu vermeiden: Es bedeutet vielmehr, die Gesamtheit
der Gläubigen zu schützen und zu verteidigen und sie als soziales Gefüge
in jeder Hinsicht gegenüber anderen Religionsgemeinschaften zu heben. Dies hat
beispielsweise Luther in Europa getan, indem er die verschlafene mittelalterliche
Christenheit zu einem gesitteten Leben
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erweckte und eine neue Kultur schuf.19) Dies muß jedoch ohne
Gewalt, ohne »heilige Kriege« geschehen. Im Altertum, in barbarischen und unreifen
Zeiten konnten Kriege zumindest teilweise zu rechtfertigen sein, aber heute sind sie
als Mittel der Überzeugung völlig verboten: Der Glauben muß durch geistige
Eigenschaften verbreitet werden, und daher ist die beste Art, die Wahrheit des Islam
oder eines anderen Glaubens zu beweisen, eine tadellose Lebensführung. Hier zeigt
sich unter anderem wieder einmal der tief historische Sinn des Bahá’í-Glaubens: Der
Pazifismus ist heute zweifellos aktuell, weil der Krieg mit den heutigen Mitteln
auch noch das bißchen Sinn verliert, das er in der Antike haben konnte, weil er eine
vollständige und unterschiedslose Zerstörung mit sich bringt, während er in bestimmten
Fällen in der Antike auch einen positiven historischen Sinn haben konnte.
c) mukhálifan li-hawáhu: »der seinen Leidenschaften widersteht«. Auf den vorangegangenen Seiten hatte 'Abdu'l-Bahá die sektiererische Intoleranz gewisser Muslime in einigen Aspekten kritisiert. Hier dagegen mißbilligt er gewissermaßen das genaue Gegenteil, d.h. übertriebene moralische Permissivität der abendländischen Kultur, die völlig weltliche Haltung der europäischen und amerikanischen Zivilisation. Während die Menschen in Asien oft sektiererisch und blind ihren Führern folgen (und hierfür haben wir aktuelle Beispiele), haben die Menschen im Abendland noch nicht gelernt (oder besser: haben es verlernt), »ihren Leidenschaften zu widerstehen«, sich einer moralischen Autorität zu unterwerfen. So wird jedoch ihre ganze glänzende Kultur zunichte. Europa bietet im Jahre 1875 (... wer weiß, was der Autor nach dem Zweiten Weltkrieg gesagt hätte!) einen Anblick entfesselter Leidenschaften: »Unter dem Vorwand des Friedens bietet man Tag und Nacht alle Kräfte auf, um noch mehr Kriegsgerät zusammenzutragen, und das Volk muß den größten Teil dessen, was es unter Mühe und Schweiß erwirbt, aufbringen, um für die Rüstung zu bezahlen.«21) »Europa ist moralisch unzivilisiert.«22) »Wenn die Kriegsvorbereitungen« — fügt 'Abdu'l-Bahá mit bewundernswertem Weitblick hinzu — »im heutigen Umfang fortgeführt werden, erreichen die Rüstungen bald einen Stand, auf dem sie der Menschheit unerträglich werden.«23) Heute muß für die Führer der Welt »seinen Leidenschaften widerstehen« vor allem bedeuten, »den universalen Frieden zu errichten«.
d) muṭí’an li-amri maulá': »gehorsam gegenüber den Geboten des Herrn«. Hier unternimmt 'Abdu'l-Bahá eine Neubewertung des Konzepts der Religion.24) Auch der Bahá’í-Glauben sieht die absolute Moral darin, »den Geboten des Herrn zu gehorchen« und nicht wie die moderne, nur weltliche Ethik, in einer ethischen Autonomie des Gewissens des Individuums. Dies mag einigen als antiquierte Vorstellung erscheinen. Aber wir dürfen zwei Punkte nicht aus den Augen verlieren:
1. Die moderne Vorstellung der ethischen Autonomie hat kein sichtbares praktisches und soziales Ergebnis hervorgebracht. Kriege, eine wilde Entfesselung sozialer Leidenschaften, folgen im modernen Europa der Verkündung dieses Prinzips und sind viel fürchterlicher als früher.
2. Wir dürfen nicht die persönliche Vervollkommnung als vorrangig betrachten,
deren absolute (und zu akzeptierende) Grundlagen bereits im Christentum gelegt
wurden, sondern die Vervollkommnung und soziale Heiligung der ganzen Menschheit.
Und die derzeitige ganze Menschheit besteht nicht nur aus uns intellektuellen
und anspruchsvollen Europäern und
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Amerikanern, sondern aus relativ primitiven Völkern, die nunmehr jedoch in
unmittelbarem kulturellen Kontakt mit uns leben, und die auch in die vereinigte
Menschheit miteinbezogen werden müssen. Im Lichte dieser Betrachtungen werden wir
'Abdu'l-Bahá besser verstehen, wenn Er uns sagt, daß das beste, dauerhafteste
und stärkste Mittel, die geistige und materielle Vollkommenheit der
Menschheit zu erreichen und den Wohlstand und die Kultur der ganzen Welt zu
fördern, die Religion ist, d.h. »den Geboten des Herrn zu gehorchen«. Wenn die
Atheisten — fügt 'Abdu'l-Bahá hinzu — die Religion als Verderberin der Welt
kritisieren, so haben sie teilweise recht: Aber sie betrachten nur die späten
Ausprägungen der Religionen, ihre Priesterklassen, ihre Riten, ihren Aberglauben,
und hieraus leiten sie eine Definition der Religion ab, die ihrem wahren
Wesen fremd ist.25)
Als Beispiel des positiven Wirkens der Religionen im sozialen Bereich erwähnt 'Abdu'l-Bahá Moses als Vereiniger des Volkes Israel und als Begründer einer neuen Kultur:26) Als verderbliches Element der reinen mosaischen Religion sieht Er die immer wieder auflebende Idolatrie und den Aberglauben an, symbolisiert durch das goldene Kalb.
Danach erschien Jesus, der die Basis der modernen Ethik legte und der in den Worten 'Abdu'l-Bahás »das heilige Gesetz auf der Grundlage sittlicher Charakterstärke und völliger Durchgeistigung« errichtete, »und für jene, die an Ihn glaubten, ein Leitbild der Lebensführung entwarf, das den höchsten Verhaltensmaßstab auf Erden darstellt«.27)
Nach Ihm erschien Muḥammad, mit dem die Geschichte des Christentums endet und dessen Zyklus mit einem fürchterlichen Niedergang der christlichen Welt zusammenfällt. Der Islam verursachte eine soziale und kulturelle Bewegung, die eine wesentliche Ursache für die europäische Renaissance war.28) Den Grund für den Niedergang des Islam sieht 'Abdu'l-Bahá (wie übrigens auch einige offenere, modernere Muslime) in der Formierung einer Priesterklasse oder Para-Priesterklasse, die dem wahren Islam fremd ist (in Persien die Mujtahid, die Áyat'u’lláh und ähnliche) und die sich zwischen Gott und die Menschen schob und so verhinderte, daß die Menschen direkt »den Geboten des Herrn gehorchen«.
Im Lichte dieses Buches kann man nicht übersehen, daß der Islam gerade am Fehlen einer Erneuerung leidet. Sein scheinbares Glück verdankt er leider mehr dem Erdöl als einer wahren religiösen Wiedergeburt. Man spricht noch vom Heiligen Krieg, man verfolgt noch immer religiöse Minderheiten wie zur Zeit im Iran die Bahá’í, also gerade diejenige Religion, die als einzige die Mittel besitzt — religiös und modern zugleich —, um der Krise zu entrinnen; die, wie alle Religionen in ihren Anfängen, jeder bestehenden Autorität Respekt zollt und sicher ist, daß die wahre Autorität allein bei Gott und Seinen Offenbarern liegt.
- 1) Eine Neuauflage des persischen Originals erschien 1984 im Bahá’í-Verlag, Hofheim-Langenhain
- 2) Cope & Fenwick
- 3) Bahá’í Publishing Society
- 4) Bahá’í Publishing Trust, Wilmette
- 5) 8. Jahrgang 1928/29, S. 98ff, 117ff; 34ff, 164ff; 9. Jahrgang 1929/30, S. 37ff, 55ff, 86ff, 115ff, 134ff, 150ff, 167ff. Aus dem Englischen übersetzt von Karl Klitzing.
- 6) Hefte 4-7, S. 92ff, 106ff, 130ff und 154ff; aus dem Englischen übersetzt von Peter Mühlschlegel.
- 7) Bahá’í-Verlag, Oberkalbach
- 8) S. 31
- 9) a.a.O.
- 10) S. 26
- 11) S. 27
- 12) Vgl. etwa Don Milani, Die Schule von Barbiana
- 13) Etwa die Seiten 38-46
- 14) Wörtlich übersetzt »Gelehrte«, »Doktoren der Rechte«; heute würde man wie die Journalisten verallgemeinernd »Ayatolláhs« sagen.
- 15) S. 39
- 16) S. 40ff
- 17) S. 43
- 18) S. 43f
- 19) Vgl. S. 45
- 20) Vgl. S. 46ff
- 21) S. 60
- 22) S. 62
- 23) S. 65
- 24) S. 68ff
- 25) Vgl. S. 69
- 26) S. 71ff
- 27) S. 76
- 28) S. 84ff
Ulrich Gollmer
TEMPORA MUTANTUR ET PAX IN ILLIS[Bearbeiten]
Der lange Weg zum Größten Frieden
„Jeder klar Denkende bezeugt, daß es heute nichts Wichtigeres auf der Welt gibt als den Weltfrieden...«
- 'Abdu'l-Bahá;1)
Für den Frieden sind (fast) alle. Nur über das »Wie« kommt es bisweilen zum Krieg. Oder zumindest zu waffenstarrendem Mißtrauen, das jederzeit in die Katastrophe führen kann. »Es ist sinnlos, darauf zu hoffen, daß die Nationen in ihrem gegenwärtigen Wettrüsten nachlassen werden... Der Weltfriede kann nur durch ein internationales Übereinkommen erreicht werden, dem alle Nationen beitreten... Die Rüstung selbst führt schon den Krieg herbei...«2) Diese Einschätzung 'Abdu'l-Bahás am Vorabend des Ersten Weltkriegs ist nicht resignativ, sondern zukunftsbezogen, programmatisch: »In der Zwischenzeit müssen sich alle Menschen guten Willens darum bemühen, den Weltfrieden zum größten Anliegen zu machen.«3) Dafür gibt es gewiß viele Wege.
Frieden, so die These dieses Essays, ist ein historischer Begriff, für den zu allen Zeiten Religion bestimmend war und ist: Die Wurzel allen Friedens ist das offenbarte Wort, das Heilsversprechen und die Friedensverheißung Gottes an die Menschen.
»... und des Friedens kein Ende...«
- Jesaja 9:6
Frieden ist nach dem Zeugnis der Schrift Gottesgeschenk, Gnade und Heil, aber auch verheißene Zukunft, eschatologische Erwartung eines messianischen Weltalters. Nach theologischem Sprachgebrauch ist Eschatologie die »Lehre von den Letzten Dingen«. Aus ihnen ergibt sich der Sinn des menschlichen Lebens, individuell wie als historische Kategorie. Alle Letzten Dinge zielen auf das Reich und die Herrschaft Gottes. Sie sind im eigentlichen Sinn nicht »Dinge«, sondern Vorgänge im großen Strom der Heilsgeschichte. Traditionell unterscheidet die christliche Theologie individuelle Eschata, die jeder einzelne erfährt — wie Tod, Gericht, Himmel und Hölle — und kollektive Eschata: die Wiederkunft Christi (Parusie), das Weltgericht und den ewigen Tag Gottes. In diesen Zusammenhang gehört auch die Verheißung von Frieden und Gerechtigkeit am Ende der Zeiten, eine Erwartung, die nicht nur der christlichen Religion zu eigen ist.4)
Im Alten Testament ist Gott Herr der Geschichte. Alle Wechselfälle im Leben
des Volkes Israel sind göttliche Schickungen, verstanden als Segen oder Strafe,
entsprechend dem Gehorsam oder Ungehorsam
[Seite 129]
des Volkes gegen Gottes Gebote. Gott führt sein Volk in und durch die Geschichte.
Geschichte ist für Israel ein Erziehungsprozeß, ihr Sinn ist das Heil, das anbrechen
wird, wenn das Volk die Bedingung des Gehorsams erfüllt hat. Die jüdische
Apokalyptik kündigt dramatisch ein Ende dieser Heilsmöglichkeit an: Verantwortung des
einzelnen und Heil des Volkes brechen auseinander, die apokalyptische
Hoffnung heftet sich nunmehr an den einzelnen Glaubenden, die Geschichte reift
nicht zur Vollendung, sondern bricht ab, Gott setzt ihr ein Ende. An Stelle der alten
Welt wird dann eine neue Schöpfung treten.5)
Angesichts der weiteren Geschichte des jüdischen Volkes kann es nicht verwundern, daß das spätere Judentum »keine Fußspuren des Erlösers inmitten dieser so handgreiflich unerlösten Welt«6) ausmachen kann und alle Hoffnung auf die Zukunft setzt. In scharfem Kontrast zu christlicher Deutung ist nicht die Wiederkunft, sondern das Kommen des Heils Gegenstand der Hoffnung. Damit hat jüdisches Sein den Charakter eines »Lebens im Aufschub«7), der radikalen Differenz zwischen der unerlösten Welt der Geschichte und der messianischen Erlösung. Selbst chiliastischer Aktivismus wirkt jeher vor dieser Voraussetzung gebrochen. Zu tief eingeprägt ist die Erfahrung, daß die messianische Hoffnung nicht zu erzwingen ist, daß man nicht »auf das Ende hindrängen«8) darf, wie die rabbinische Warnung lautet. Es entspricht dieser skeptischen Grundhaltung, daß man (vor allem im rationalistischen Messianismus9)) das Augenmerk nicht auf Zeichen und Wunder für das Eingreifen des Himmels in die Geschichte richtet, sondern daß die einzige Legitimation des Messias — der in der Theologie des Reformjudentums entpersonalisiert ist, nur noch Symbolgestalt für die messianische Zeit hat10) — dessen historischer Erfolg ist. Die Wahrheit des Messias oder einer entpersonalisierten messianischen Ordnung erweist sich am — realhistorisch verstandenen — messianischen Reich.11) Pointiert heißt dies: Die Bedingung des (eschatologischen) Friedens ist der realisierte (universelle) Frieden.
Politisch wie theologisch ist auch die Verknüpfung des Friedens mit dem Kommen
Christi nicht ohne Probleme. Daß Jesu Verkündigung der Gottesherrschaft
eschatologische Botschaft war, gehört heute zum Gemeingut theologischen Redens.
Kaum ein Bereich ist jedoch so strittig wie die nähere Bestimmung dieser Aussage.
Bereits die Evangelien sind Zeugnis widerstreitender Rezeptionen der
Heilsbotschaft.12) Der Naherwartung der Wiederkehr Christi (Parusie),
von Gericht, Weltende und dem nachfolgenden Frieden des messianischen Reiches,
steht im Johannesevangelium die Gegenwärtigkeit des Heils in Christus, die Erlösung im
Glauben gegenüber. Selbst im Vergleich zu Paulus kann bei Johannes die Spiritualisierung
der Eschatologie als noch weiter radikalisiert herausgelesen werden: Bei
[Seite 130]
ihm ist von einer apokalyptischen Zukunftseschatologie nirgends die Rede.13)
Mit zunehmender Parusieverzögerung wird die eschatologische Gemeinde zur Kultgemeinde, die eschatologische Hoffnung wird mit der Institution der Kirche verbunden, die, als Verwalterin der Sakramente, eine Vermittlungsrolle für das individuelle Seelenheil beansprucht und damit bereits in dieser Welt als jenseitige Kraft fungiert. In scharfsinniger Zuspitzung formulierte der Pater Alfred Loisy um die Jahrhundertwende: »Jesus kündigt das Gottesreich an, und was kam, war die Kirche.«14) Auch gegen die Kirche haben christliche Gruppierungen die eschatologische Hoffnung in reine Innerlichkeit und Jenseitsvorstellungen umgelenkt15) - oder in kurzlebigen chiliastischen Bewegungen radikalisiert.
Die Wiederentdeckung der Eschatologie in unserem Jahrhundert — radikal und prägnant ausgesprochen bei Jürgen Moltmann: »Das Christentum ist ganz und gar und nicht nur im Anhang Eschatologie...«16) — ist oft verbunden mit ihrer Umformung in politische Theologie nationalistischen oder sozialistischen Einschlags.17)
Dies gibt Anlaß zu einer Reihe offener Fragen: Wie läßt sich die Parusieverzögerung, die jahrhundertelange Wartefrist auf die Wiederkunft Christi — entgegen der offenbaren Überzeugung Seiner Jünger — theologisch rechtfertigen, psychisch und politisch bewältigen? Lebt diese Hoffnung noch in der Gemeinde?"18) Wird das erhoffte Gottesreich sich bei Seiner Wiederkunft erfüllen und in welcher Form? Oder ist das Heil, ist der Frieden mit dem ersten Kommen Jesu schon gegenwärtig? Spricht Er vom schon realisierten Gottesreich? Ist es das Reich Gottes, der Friede in uns, den allein die Gnade bewirkt? Oder sind beide Interpretationen, die der Innerlichkeit und die der apokalyptischen Erwartung in der Zeit, satt, selbstgefällig und quietistisch? Leben wir doch in einer Zwischenfrist individueller Bewährung? Muß sich der Christ auf eine Zeit politisch und ethisch mit der Realität des Kriegs abfinden? Wann aber hat diese Zwischenfrist ein Ende? Ist vielleicht gar der Mensch aufgerufen, das Reich Gottes durch sein Handeln herbeizuführen, selbst Frieden zu schaffen? Ist er dazu überhaupt fähig? Gerinnt damit nicht Religion unversehens zur totalitären Ideologie, maßt sich menschliches Wollen Absolutheit an, die nur Gott zukommt? Wie aber dann ist das Friedensgebot der Bergpredigt gesellschaftlich einzulösen?
Von Anfang an Träger einer religiös-politischen
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Ordnung, stellt sich das Problem des Friedens für den Islam in anderer
Weise. Zwar gibt es auch hier die Verheißung einer endzeitlichen Heilsgestalt, eine
Erwartung, auf die in politischen Umbrüchen immer wieder Bezug genommen
wurde und die vor allem in der Schia (Shí’ah) noch lebendig ist.
Aber die Funktion dieses Verheißenen ist auf die bereits gegebene Ordnung
gerichtet, die er lediglich wiederherstellen und weltweit zum Sieg führen wird:
Das Heil liegt in der islamischen Ordnung. Traditionell werden darum
Friedensauftrag und die Pflicht zum Heiligen Krieg (jihád) als zwei
Aspekte eines heilsgeschichtlichen Mandats verstanden. Frieden wird herrschen,
wenn überall auf Erden das Gesetz Gottes gilt. Ihm Geltung zu verschaffen, ist
heilige Pflicht jedes Gläubigen — wenn nötig mit Waffengewalt. Diese
fundamentalistische Interpretation sieht in Qur’án 9:29 und 2:216 die letzte
und endgültige Entwicklungsstufe der qur’ánischen Aussagen über die Beziehung
zwischen der Gemeinde der Gläubigen und der nichtmuslimischen Umwelt;19)
jede situationsbezogene Relativierung dieser Aussagen wird abgelehnt, die große
Zahl der versöhnlichen, toleranten Aussprüche als überholte Zeugnisse der
politisch-militärischen Schwäche der frühen Gemeinde abgetan.20)
In dieser radikalen Auffassung wird der Heilige Krieg zum Wesensbestandteil
eines aggressiv vertretenen Glaubens. Frieden bedarf damit der vorherigen
Unterwerfung aller Andersdenkender, auch und besonders in den
eigenen Reihen.
Doch auch liberale, spirituelle und selbst modernistische Richtungen müssen daran festhalten, daß Frieden — wirklicher, dauerhafter Frieden — nur als Frucht des islamischen Gesetzes möglich ist. Es geht dabei wohlgemerkt nicht um die Konversion aller Andersgläubigen zum Islam, sondern um Ordnungsstrukturen: Die pax islamica bedeutet die universelle Geltung und Anwendung des islamischen Rechts, der Sharí’ah.
Aber wo reifen im Islam heute Ordnungsstrukturen, die auch für eine mehrheitlich nicht-islamische Weltbevölkerung akzeptabel wären? Wie wird das Problem der Anpassung des islamischen Gesetzes und einer islamischen Ordnung an die Herausfordungen der Moderne bewältigt? Bietet die heute so zersplitterte islamische Welt denn wenigstens in ihrer Geschichte die Verheißung einer retrospektiven Friedensutopie? War die Welt des Islam nicht seit dem Tode Muḥammads ebenso Schauplatz blutiger Schismen und Machtkämpfe wie ihr christliches Pendant? Ist fundamentalistische Verhärtung in ihren kontroversen Spielarten, ist der Islamismus als anti-westliche, anti-modernistische Ideologie denn überhaupt friedensfähig? Hat nicht selbst die Shí’ah ihre eschatologische Erwartung in klerikaler Gewaltpolitik veräußerlicht?21) Wessen Islam soll uns Frieden bringen?
Offenbar bedarf es eines weiteren Ansatzes, um die Friedensmächtigkeit dieser
religiösen Verheißungen besser zu fassen. Wir wollen sie dazu nicht als konkurrierende
Entwürfe verstehen, sondern heilsgeschichtlich aufeinander beziehen. Das
Dogma der fortschreitenden Offenbarung in der Bahá’í-Religion legt diese
Interpretation nahe. Diesem Verständnis entsprechend, ist alle Religion als
Offenbarungsreligion Ausdruck des sich fortschreitend
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enthüllenden göttlichen Willens.22) Religion ist immer auch ein
historisches Phänomen: verändernde Triebkraft als Widerschein und zugleich
Gegenbild einer bestimmten Epoche.23) Löst man sie über
diese Erkenntnis nicht historistisch auf, als je Singuläres, unvergleichbar
mit Vergangenem oder Künftigem, so kann jede historische Ausprägung offenbarter
Religion Ausdruck gegenwärtigen Heils und zugleich dessen Entwicklung sein. Damit
gewinnen Aussagen über Krieg und Frieden eine geschichtliche Dimension, die
zur Eschatologie in eine neue Beziehung gebracht werden kann.
»... stiftet Frieden unter ihnen...«
- Qur’án 49:9
Im Alten Testament führt das Volk Gottes, trotz des absoluten Tötungsverbots,24)
Kriege, die als Verteidigungskriege für Volk und Glauben die Billigung und Hilfe
Gottes erfahren. Billigung und Hilfe aber sind abhängig von der absoluten
Unterwerfung des Volkes Israel unter den Willen Gottes, vom Gehorsam gegenüber
Seinen Gesetzen.25) Unter dieser Voraussetzung sind Tapferkeit und
Opferbereitschaft des Kriegers anerkannte und erwünschte Tugenden: »Seid tapfer und laßt
uns mutig eintreten für unser Volk und die Städte Gottes. Der Ewige aber tue, was
Ihm wohlgefällt.«27) Der Kämpfende wird zum Werkzeug Gottes, jeder Sieg ist ein
Sieg des Herrn allein, mangelnde Opferbereitschaft und mangelnder Mut der
Gläubigen sind ein Bruch des Bündnisses.28) Die bindende Verpflichtung des
fünften Gebotes wird also suspendiert, wenn die Bewahrung des göttlichen Gesetzes
dies unvermeidlich macht. Der »Zorn Gottes« wird so zur Gnade, weil nur durch diesen
schmerzhaften Schritt das Gesetz Gottes29) als höchstes Gut für
Volk und Welt, für Gegenwart und Zukunft, bewahrt werden kann.30)
Das hebräische schalom31) ist in seiner Bedeutung nicht
deckungsgleich mit dem deutschen Wort »Frieden«: »Während einerseits
schalom sein Heil-Wohl nicht immer friedlich erwirken muß,32) ...
schwingen andererseits in den Drei Göttlichen Tugenden chessed33),
zedek34) und emeth35) einige Grundkomponenten von
Frieden mit. Beracha36) heißt nicht nur: mit irdischen
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Glücksgütern versehen, sondern auch: von Gott geführt werden und Seinen
Schutz genießen, was mit dem Gewähren des schalom weitgehend gleichbedeutend
ist. Ebenso ist berith37) fast ausnahmslos gedanklich mit
schalom verbunden.«38) Bündnistreue, Bewahren und Lebendigerhalten
der göttlichen Ordnung, das Ins-Werk-Setzen der im göttlichen Hilfsversprechen
enthaltenen Friedensverheißung,39) bleiben ein ständiger Auftrag an
die Gläubigen und sind damit ein Stück präsenter Eschatologie, ein Heil, das zwar
schon gegeben, aber nie gänzlich eingelöst ist und das die Menschen in ihrer
Verstocktheit immer wieder verwirken.40) »So sind ... Wohl und Heil,
Wohlbefinden, Wohlwollen und Seelenruhe, Wohlfahrt und Sicherheit, Glück und
Sozialharmonie die komplementären Aspekte ein und desselben schalom, der so
unteilbar ist, wie die biblischen Bereiche Politik, Gesellschaft, Natur und
Theologie, die im jüdischen Zusammendenken eine einzige Weltordnung unter
Dem Einen Gott ausmachen.«41) Gleichzeitig stellt aber diese
Ordnung die heilsgeschichtliche Voraussetzung des für die Zukunft verheißenen
Friedensreichs dar, der zukünftigen Eschatologie. So prophezeit Jesaja: »Es
wird zur Letzten Zeit der Berg, da des Herrn Haus ist, fest stehen, höher denn
alle Berge, und über alle Hügel erhaben werden, und alle Völker strömen zu ihm...
Denn von Zion wird das Gesetz ausgehen, und des Herrn Wort von Jerusalem. Und
er wird richten unter den Heiden und strafen viele Völker. Da werden sie ihre
Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es wird kein
Volk wider das andere ein Schwert aufheben, und werden hinfort nicht mehr
kriegen lernen.«42)
Für die frühen Christen stellt sich das Problem der Bewahrung und Sicherung
der gottgegebenen Ordnung nicht in derselben Weise: Nirgends ist das Christentum
in den ersten zwei Jahrhunderten auch rechtlich-soziale Gesellschaft, überall
ist es sporadisch verfolgte gläubige Minderheit in einem glaubensfremden Staat.
Aufgrunddessen und infolge ihrer sozialen Rekrutierungsbasis43) waren
die Christen dieser Zeit politisch unwirksam und überwiegend desinteressiert. Das neu
bestärkte fünfte Gebot,44) das für jeden einzelnen gesprochene Gebot der
Nächstenliebe45) und der Aufruf Jesu zum Gewaltverzicht46)
»wird im 1. und 2. christlichen Jahrhundert fast durchgehend, im 3. Jahrhundert
noch weitgehend pazifistisch ernst genommen«47). Dabei bleibt
das Problem der Heilsbewahrung durch tätige Sicherung des göttlichen
Gesetzes — wie alle Fragen konkreter Weltgestaltung — außer acht: sie sind
unwichtig, verblassen vor der unmittelbaren Erwartung der Wiederkunft Christi.
So wurde auch die Ermahnung Christi zur Gesetzestreue48) rein
individuell und völlig ahistorisch verstanden; die »Erfüllung des
Gesetzes« ist kein gesellschaftlicher
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Gestaltungsauftrag, sondern perfectum praesens: die Frohbotschaft des
erschienenen Christus. Kriege, und damit auch alle Überlegung zu deren Notwendigkeit
oder Rechtmäßigkeit, gehören zu den Kennzeichen einer unheiligen Welt, von
der man sich distanziert. Die Erwartung der nahen Parusie, der Wiederkunft Christi
zum Weltgericht, enthebt die Christen solcher Überlegungen. Gott selbst wird
durch Seinen Sohn das ersehnte und verheißene Friedensreich bringen, Er selbst
wird, wie die Schrift verheißt, Krieger sein und Richter über Seine Feinde.
Erst mit der offenbaren Parusieverzögerung und mit dem Hinüberwachsen der Christen zur staatstragenden Kraft mußte man sich diesem Fragenkomplex stellen.49) Augustinus steht am Anfang eines langen Ringens um die Bestimmung des gerechten Kriegs. Dabei bleibt die Beziehung zwischen weltlicher und geistlicher Macht immer kontrovers; die selbstverständliche Einheit von Glaube und Gesellschaft, von göttlichem Gebot und staatlichem Recht hat es im Christentum nie gegeben.
Ganz anders im Islam. Islám heißt »Ergebung«, »Unterwerfung«, und dies bezieht sich nicht nur auf den individuellen Lebenswandel, sondern auf die Gesamtheit des politisch-gesellschaftlichen Lebens. Islám ist die Ergebung in den Willen Gottes und die Befolgung Seiner Gesetze — in allen Bereichen und zu allen Zeiten: »Und wer eine andere Glaubenslehre sucht als den Islám: nimmer soll sie von ihm angenommen werden, und im zukünftigen Leben soll er unter den Verlierenden sein.«50) So verweist Muḥammad, an die Juden gewandt, zurück auf das Alte Testament: »Dies ist die Religion eures Vaters Abraham. Er nannte euch Muslimim, das heißt: die sich Gott unterwerfen.«51) Und es ist kein Zufall, daß das arabische islám mit dem hebräischen schalom (wie auch mit dem arabischen salam) stammverwandt ist: Durch die Befolgung des göttlichen Gesetzes gilt für jede Zeit und für jede Offenbarung das Versprechen Gottes an Sein Volk im Alten Testament: »Ich verleihe dem Land Frieden: Ihr könnt euch niederlegen, ohne daß euch jemand aufschreckt; ... kein Schwert soll in eurem Land umgehen! Ihr werdet eure Feinde in die Flucht schlagen; sie werden vor euch durch das Schwert fallen!... Ich wende mich euch zu, lasse euch fruchtbar und zahlreich werden und errichte meinen Bund mit euch!«52)
Folgerichtig ist im politischen Denken des Islam die Welt aufgeteilt in das
dár al-islám, das »Reich des Friedens«, in dem jeder Kampf und Streit zwischen
rechtgläubigen Muslimen verboten ist und das Gesetz Gottes gilt, und in das
dár al-ḥarb53), das »Reich des Krieges«, in dem das göttliche
Gesetz noch nicht zur Geltung gebracht wurde. Den Gläubigen ist es zur
Pflicht gemacht, sich mit ihrem »Vermögen und in eigener Person auf dem Pfad
Gottes« zu mühen.54) Diese Pflicht impliziert auch den bewaffneten Schutz
der Sache Gottes, gegen den Angriff von außen — zur Verteidigung des muslimischen
Gebiets muß unbedingt jeder Gläubige in den Kampf ziehen —55), wie gegen den
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heimtückischen Versuch, Gläubige zum Unglauben zu verführen; auch in diesem
Fall ist selbst im heiligen Monat56) der Kampf erlaubt: »In ihm kämpfen ist ein
schweres Vergehen. Aber vom Pfad Gottes abhalten, Ihn leugnen und Gläubige
von der heiligen Stätte abhalten und deren Anwohner vertreiben wiegt bei Gott
schwerer. Und der Versuch, Gläubige zum Abfall vom Islám zu verführen, wiegt
schwerer als Töten. Und sie werden nicht eher aufhören euch zu bekämpfen, als bis
sie euch von eurem Glauben abtrünnig gemacht haben — wenn sie es vermögen.«57)
Wie im Alten Testament sind es die heidnischen Götzendiener, die Ungläubigen,58)
von denen eine tödliche Bedrohung für den jungen Glauben ausgeht.59) Und
ebenfalls wie im Alten Testament verbietet der Qurán zum Schutz der Gläubigen jede
Vermischung mit ihnen60) und jede Nachsicht,61) allerdings
nur — und hier zeigt sich der Islam als universale Religion und als neue Stufe in
der Entfaltung der göttlichen Gnade62) — solange sie in ihrem
Götzendienst verharren.
Der Qur‘án nennt klare Vorschriften für die Kriegführung63) und zur Begrenzung
der dafür notwendigen Gewalt, denn »Gott liebt nicht die Maßlosen«64).
Von den Gläubigen verlangt Er Opferbereitschaft und Tapferkeit und verheißt dafür
ihre Überlegenheit im Kampf: »Prophet! Feure die Gläubigen zum Kampf an! Wenn unter
euch zwanzig sind, die Geduld und Ausdauer zeigen, werden sie über zweihundert, und
wenn unter euch hundert sind, werden sie über tausend von den Ungläubigen
siegen.«67) Wer im Kampf für die Sache Gottes den Tod findet, ist
ein shahid, ein Zeuge oder Märtyrer seines Glaubens,68)
dem der schönste Lohn des Paradieses zugedacht ist. Und der Qur’án stellt fest,
daß nur der das
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Opfer des »sich Mühens für Gott« verweigert und um Entbindung von seiner Pflicht
bittet, der »nicht an Gott und den Jüngsten Tag« glaubt.69)
Wie im Judentum, so ist auch im Islam die göttlich offenbarte Ordnung ein Stück präsenter Eschatologie, das es unter allen Umständen zu bewahren gilt, auch mit dem Mittel des Kriegs. Daneben verweist aber auch der Qur’án auf ein zukünftiges Friedensreich, auf die »Stunde des Gerichts«, auf den »Tag Gottes«, an der Er allein der Richter und der Herrscher sein wird.70)
Die muslimischen Tugenden der Kriegführung blieben nicht ohne Auswirkung auf das christliche Abendland. In der reconquista71) und in den Kreuzzügen72) kam man in engen Kontakt mit den gházi, den Glaubenskämpfern des Islam, die sich an der Grenze zwischen dár al-islám und dár al-ḥarb in besonders asketischen, religiöse und kriegerische Tugenden verschmelzenden Bruderschaften zusammengefunden hatten. Auf der christlichen Seite entstanden, besonders in Spanien und Sizilien, ganz ähnliche Strukturen, und es gibt Hinweise darauf, daß die Idee der Verteidigung und der Ausbreitung des christlichen Glaubens mit dem Schwert auf islamisches Gedankengut zurückgegriffen hat.73) Die kämpferisch-religiöse Tugend des gházi stieß auf ein aufnahmebereites Vakuum auf christlicher Seite: Der spannungsreichen Beziehung zwischen Gewalt, Recht und Religion wurde hier ein versöhntes Ideal vorgeführt, das zum christlichen Ritterideal umgeformt wurde. Zwischen dem Ende des 12. und der Mitte des 13. Jahrhunderts weist der schon vorher bestehende Begriff ritter eine völlige Veränderung des Gefühlswerts, verbunden mit einer vollkommen neuen gesellschaftlichen Einschätzung der Ritterschaft auf,74) der so weit ging, daß ab 1200 auch Könige mit dem Rittertitel bedacht werden.75) Als literarische Zeugnisse mag man dabei an die Neugestaltung des Artus-Stoffs in den Epen Wolframs von Eschenbach, Parzival und Willehalm, denken.76) Wolfram gestaltet im Parzival, was nie christliche Realität wurde: Im Gralskönigtum wird Göttliches und Menschliches, Recht und Gerechtigkeit, Religion und Gesellschaftsgestaltung in einem harmonischen Einklang himmlischer und irdischer Gewalten versöhnt. Der »heilige Gral« ist das Symbol des Bundes Gottes, Seines Versprechens an Sein Volk, ihm unter der Bedingung absoluter Treue und absoluten Gehorsams schalom, inneren und äußeren Frieden zu gewähren.77) Das potentiell Erreichbare, der relative innere Frieden und die bewaffnete Sicherheit nach außen durch die Ordnung des Irdischen nach dem Willen und Gesetz Gottes, das was wir beim Judentum und im Islam die präsente Eschatologie nannten, nimmt hier als dichterische Vision Gestalt an.
So ist für die Geltungsdauer dieser Religionen der Krieg zwar eine unvermeidliche
Gegebenheit; aber er ist in seiner zerstörerischen Kraft nicht übermächtig. Die
Unterwerfung unter den Willen Gottes
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sichert Seinem Volk Ordnung und Frieden im Geltungsbereich Seines Gesetzes. Und
mit der Treue gegenüber diesem Gesetz ist das Versprechen verbunden, dieses Volk
gegen innere und äußere Feinde zu schützen und zu stärken. Dieser relative Frieden
bewaffneter Sicherheit ist potentiell gegeben: Er ist allerdings abhängig von der
Bündnistreue des (jeweiligen) Volkes Gottes und kann so jederzeit verwirkt werden.
Das göttliche Gesetz ist in Form und Geist Teil der Eschatologie.
Ein Teil der Friedensverheißung in Zeiten der Not bezieht sich auf die Wiederherstellung dieses relativen Friedens,78) auf die Wiedereinsetzung des göttlichen Gesetzes als Gestaltungsprinzip der Gesellschaft, auf die Erneuerung des Bundes.79) Dies kann durch abhängige Propheten80) die Wiederherstellung des noch gültigen Gesetzes sein, oder — als Trost und bereits zukünftige Eschatologie, oft in apokalyptischer Form — der Hinweis auf den nächsten Tag Gottes,81) auf die nächste selbständige Manifestation Gottes82) und damit auf den relativen Frieden unter einem neuen, zeitgemäßeren und umfassenderen Gesetz.
Mehr als dieser relative Frieden bewaffneter Sicherheit war in den bisherigen Religionen gesellschaftlich nicht erreichbar — egal, ober unter dem gegebenen Gesetz als präsente Eschatologie potentiell gegeben, oder als Hinweis auf die je nächste Stufe in der Entfaltung des göttlichen Heilsplans als künftige Eschatologie visionär geschaut wurde.
Die prophetischen Visionen verweisen daneben aber auch auf einen ganz neuen,
einen grundsätzlichen, radikalen anderen und umfassenden Frieden. Hier verwischen
sich die Grenzen zwischen verheißener Zukunft und dem, was christliche
Theologen die »absolute Zukunft« nennen. Jedenfalls haben sie recht — selbst
da, wo es sich um real verheißene Zukunft handelt - wenn sie
humanistisch-sozialistischen Utopien entgegenhalten,
[Seite 138]
daß dieses Friedensreich, dieses »Reich Gottes auf Erden«, diese Versöhnung von
Individuum und Gesellschaft, von Freiheit und Ordnung, dieses Ende der »Herrschaft
von Menschen über Menschen« und die Entfaltung einer friedvollen,
wahrhaft repressionsfreien Weltkultur, der Mensch sich nicht selbst durch sein
planendes, gestaltendes Handeln geben kann: Diese radikal andere Welt ist ein
Geschenk, die vorgängige Gnade Gottes, auf die der Mensch durch sein Handeln nur
antworten kann83) und muß, will er das ihm bereitete Heil nicht in
Unheil verkehren. Erst wenn diese Gnade präsent, wenn diese neue Stufe des
göttlichen Heilsplans gegenwärtig ist, dann wird die verantwortliche und tätige
Erfüllung des verheißenen Weltfriedens durch die Völker der Welt zur
präsenten Eschatologie, zur realen Möglichkeit.
„Und es fiel Feuer vom Himmel und verzehrte sie.«
- Offenbarung 20:9
Unverkennbar befinden wir uns seit dem 6. August des Jahres 1945 in einer neuen
Phase der Kriegsgeschichte, für die wir keine historische Parallele kennen. Wir
können nach Hiroschima nicht mehr auf bewährte Denkmuster zurückgreifen. Noch
vor 150 Jahren konnte der Krieg als »Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln«
beschrieben werden, als legitimes und einsetzbares Instrument souveräner
nationaler Politik, ein kalkulierbares Risiko. Unter dem Eindruck der großen
technisierten Massenkriege unseres Jahrhunderts verlor der Krieg seine
selbstverständliche Rechtfertigung. Überall auf der Welt entstanden pazifistische
Bewegungen, vor dem ersten Weltkrieg, in der Zwischenkriegszeit, nach dem zweiten
Weltkrieg, heute. Doch selbst die Erfahrung der furchtbar neuen Qualität des Krieges,
die Kernspaltungsbomben auf Hiroschima und Nagasaki, hat die Nationen und
ihre Führer bis heute nicht zu praktischer Einsicht geführt. Statt dessen hat sich das
Wettrüsten auf der jeweils höchstmöglichen Stufe technischer Entwicklung seitdem
noch beschleunigt. Zwar hat das Bewußtsein, nach Hiroschima in ein neues
Zeitalter der Massenvernichtungswaffen getreten zu sein, immerhin dazu geführt,
daß bislang keine weiteren Nuklearbomben kriegerisch eingesetzt wurden, aber
auf Produktion und militärische Einsatzplanung wird nicht verzichtet. Die
Menschheit weiß um die Gefahr nuklearer Selbstvernichtung; die Angst davor ist
allgegenwärtig und wird trotz aller Verdrängung ständig greifbarer. Aber man
[Seite 139]
versucht noch immer, der Gefahr und der Angst Herr zu werden, indem man die Mittel
dieses Selbstmords der Gattung Mensch täglich verfeinert und vermehrt.84)
Friedensbewahrung durch nukleare Abschreckung setzt das gegenseitige Einverständnis voraus, daß es sinnlos ist, gegeneinander Krieg zu führen, weil dieser Krieg die Vernichtung beider Seiten zur Folge hätte. Abgesehen davon, daß dieses Gleichgewicht des Schreckens durch militärtechnische Innovationen oder einfach durch Pannen85) aus der Balance geraten kann, führt uns die unverzichtbare Prämisse dieser Abschreckungspolitik in ein ethisches Dilemma: Abschreckung funktioniert nur dann, wenn jede Seite glaubhaft macht, daß sie im Falle eines gegnerischen Angriffs den Verlust der eigenen Existenz mit der posthumen Vernichtung des Gegners beantwortet.86) Damit aber wird alle traditionelle religiöse Friedensethik bewaffneter Sicherheit im Kern brüchig: Was die eigene Lebensform bewahren soll, wird zur gegenseitigen Bedrohung der Existenz. Das Unrecht eines atomaren Überfalls läßt sich — wie lange noch? — nur mit der Drohung durch dasselbe Unrecht aufschieben: »Wie du mir, so ich dir.« Weltpolitik, basierend auf der Grundstruktur der Rache, von der 'Abdu'l-Bahá sagt: »Beide Handlungen sind gleich; wenn eine verwerflich ist, so sind es beide. Der einzige Unterschied ist der, daß die eine Tat früher, die andere später verübt wurde.«87) Können wir unsere Existenz dauerhaft auf diese zweifelhafte Ethik gründen wollen?
Man kann dieses paradoxe Verhalten als unvernünftig oder gar als verbrecherisch qualifizieren und es so emotional abtun; aber dahinter steckt mehr. Es ist die Lebensmächtigkeit einer seit Jahrtausenden eingeübten und bislang recht erfolgreichen Ethik der Friedenssicherung, die nie ohne Opfer zu haben und allzeit selbst gefährdet war, eine Ethik der Selbstüberwindung und -preisgabe des einzelnen zum Wohl des sozialen Organismus, der Sicherung der eigenen religiös begründeten Lebensform vor der Bedrohung und Korruption von außen: der relative Frieden bewaffneter Sicherheit.
Doch vor dem Hintergrund der völlig neuen Bedrohungsqualität enthüllt sich das Beharren in diesen Verhaltensnormen und Denktraditionen als immer größer werdende Kluft zwischen unseren Möglichkeiten, technisch zu planen und zu produzieren, und der bislang entfalteten Fähigkeit, in Anpassung an eine veränderte Umwelt politisch-ethisch zu denken und zu handeln. Die religiöse Verantwortungsethik vergangener Jahrhunderte — wie sie sich vor allem im Islam manifestierte — ist im Bereich der Friedenssicherung heute ebenso atavistisch wie die Blutrache im binnenstaatlichen Bereich, auch wenn sie sich auf das Bibelwort beriefe: »Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn.«88) In ihren Auswirkungen ist die überkommene Friedensethik aber noch weit gefährlicher. Visionär schrieb 'Abdu'l-Bahá am 12. Juli 1920: »Die Zukunft kann nicht mit der Vergangenheit verglichen werden, denn die Waffen der Vergangenheit waren einfach, aber moderne Waffensysteme können binnen kurzem die ganze Welt vernichten. Sie sind darum für die Menschheit nicht tragbar.«89)
»Selig sind die Friedfertigen...«
- Matthäus 5:9
Eine neue Friedensethik, eine neue religiös fundierte Friedenspolitik tut not, die dieses heute so gefahrvolle Sicherheitsdenken aufhebt. Bietet sich dafür die Bergpredigt nicht geradezu an? Dort steht nichts von der Sicherung der eigenen Existenz, von der Verteidigung materieller Rechte, von der Abschreckung des Gegners zur Bewahrung der eigenen Lebensform: »Selig sind die Sanftmütigen«90), »Sei willfährig deinem Widersacher...«91), »Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen.«92) Die Abkehr von dem früheren Konzept des Abschreckungsfriedens scheint bewußt und radikal: »Ihr habt gehört, daß da gesagt ist, „Auge um Auge, Zahn um Zahn«. Ich aber sage euch, daß ihr nicht widerstreben sollt dem Übel; sondern wenn dir jemand einen Streich gibt auf deine rechte Backe, dem biete auch die andere dar. Und wenn jemand mit dir rechten will und deinen Rock nehmen, dem laß auch den Mantel.«93)
Die Frage drängt sich auf: Kann man mit der Bergpredigt regieren? Lassen sich aus ihr politische Strukturen und Verhaltensnormen ableiten, die mit Aussicht auf Erfolg eine Befriedung der Welt ermöglichen? Franz Alt — sein Name soll hier für eine ganze Denkrichtung stehen — bejaht dies. Publikumswirksam hat er versucht, aus der Bergpredigt die praktische Konsequenz abzuleiten: »Frieden ist möglich.«94) Die Lehre Jesu ist für ihn »ein Angebot für eine bessere Welt«95), die Bergpredigt damit »radikaler als das kommunistische Manifest«96), denn Marx »wollte einige Verhältnisse ändern, Jesus will die Umkehr der Herzen«97). Hierin liegt die »Chance zur Veränderung der Welt«98), denn »die Welt wird nur verändert durch eine Umkehr der Herzen«99). Alt setzt sich von den Vorstellungen ab, diesen von Jesus geforderten »neuen Menschen« könne man von außen »schaffen«: »Menschen kann man nicht ändern, Menschen können nur sich selbst ändern.«100) Die Umkehr der einzelnen ist Voraussetzung der neuen Politik: »Nur Menschen, die selbst friedlich sind, können auch politisch Frieden bewirken.«101)
Ähnliche Gedanken sind in vielen christlichen Gemeinden und Gruppen lebendig.'102) Der Friede wird verstanden als die Summe des christlichen Verhaltens der einzelnen. Alt überträgt diese Vorstellung jedoch vom zwischenmenschlichen Verhalten auf das Verhältnis unter Staaten. Auch für sie erwächst Frieden aus ungesicherten einseitigen Vorleistungen. »Frieden gibt es erst, wenn einer ohne Wenn und Aber den ersten Schritt tut, bedingungslos.«103)
Derartige Vorstellungen als utopisch, realitätsblind oder sektiererisch abzutun,
sie gar unter den Verdacht zu nehmen, als
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nützliche Idiotie das Geschäft des machtpolitischen Gegners zu besorgen — was in
der Diskussion der letzten Monate oft genug geschehen ist — ‚ wird der aufrichtigen,
ernsthaften Suche nach einem Ausweg aus unserem sicherheitspolitischen
Dilemma nicht gerecht. Man tut besser daran, die Bergpredigt ernst zu nehmen,
sie selbst auf Intention und Geltungsanspruch zu befragen.
Es ist trivial, darauf zu verweisen, daß eine sicherungslos-friedfertige politische Gemeinschaft neuer Menschen in Christo — trotz einer fast 2000jährigen Wirkungsgeschichte der Bergpredigt — nicht existiere. Im Menschenbild der Bibel ist eine Weltgesellschaft der Heiligen auch gar nicht avisiert. Die Bergpredigt ist durchaus realistisch. Der Verstoß gegen ihren Geist ist bereits mitgedacht;104) ebenso menschliche Existenz außerhalb ihrer.105) Daß in Matthäus 5:11 »die Menschen« in ihrer Gegnerschaft angesprochen sind, daß 7:13f aussagt, nur wenige entsprächen der Bergpredigt, der anderen aber »sind viele«, zeigt, daß die Bergpredigt nicht als allgemein geübtes Sozialverhalten vorausgesetzt werden kann. Die Bergpredigt erwartet tatsächlich eine ungesicherte Vorleistung des Gläubigen, die nicht auf ein entsprechendes Verhalten des Gegenübers hofft, sondern »im Himmel wohl belohnt«106) wird. Damit ist es aber weder möglich noch beansprucht, auf dieser Ethik eine Sozialordnung zu gründen. Diese Ethik kann sich nicht in der Welt aufheben: Wer in Christo lebt, ist »nicht von der Welt, gleichwie ich auch nicht von der Welt bin«107), der Gläubige ist »aus der Welt erwählt«108).
Dies wird auch deutlich in der Friedensverheißung des Evangeliums. Es ist zumeist kein zukünftiger geschichtlicher Zustand, auf den Bezug genommen wird, nie ein ausdrücklicher Gestaltungsauftrag an die gegenwärtige Gesellschaft. Die Friedenseschatologie des Evangeliums ist individuelle Heilsgegenwart für den Gläubigen — in diesem Sinne präsentisch —, Erlösungsversprechen; nicht aber präsente Eschatologie eines weltlichen Friedensreiches: »Mein Reich ist nicht von dieser Welt.«109) Der Frieden des Evangeliums ist im Glauben Gegenwart: »Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.«110)
Die Botschaft Jesu ist deshalb nicht weltfremd, gar weltfeindlich. Sie setzt zunächst
die Existenz einer Ordnung billigend voraus.111) Doch ihr Beitrag dazu ist
viel bedeutender: Durch den Geist der Bergpredigt wird die Rechtsstruktur112)
des Gemeinwesens mit Menschen erfüllt, die bereit sind, mehr zu geben, als zu
empfangen.113) Die Heilsgaben von Gnade, Vergebung und Mitleid werden so für
den inneren Frieden der Gesellschaft fruchtbar. Rechtsstrukturen, die nicht
entsprechend vergeistigt werden, tendieren zum Nachteil der Schwächeren, zur
Starrheit aus Angst und übergroßer Vorsicht, zu bloßem Buchstabengehorsam,
den der Eigennutz diktiert. Der Gläubige aber sieht hinter allen Rechtsansprüchen
und Ordnungsstrukturen die Verheißung: »Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan
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habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.«114)
Daß dies eine politische Dimension hat, ist unverkennbar. Sie ist zwar rechtlich nicht einklagbar, aber notwendig. Gesellschaften ohne sie versteinern oder zerfallen aus inneren Widersprüchen. In diesem Sinne läßt sich Franz Alt wieder aufnehmen: »Ein Christ darf politisches und religiöses Handeln nicht trennen.«115) Die Arbeit »an der Heiligung der Welt«116) ist — so verstanden — tatsächlich Friedenspolitik; allerdings keine zureichende.
»Großen Frieden haben, die Dein Gesetz lieben...«
- Psalm 119:165
Politik, die am Frieden interessiert ist, ist darum nicht gegen die Bergpredigt möglich. Erwarten wir von ihr jedoch eine gesellschaftliche Ordnungsstruktur, einen Entwurf staatlichen Handelns und ein Handlungsmuster internationaler Friedenspolitik, dann überfordern wir diese Frohbotschaft Jesu. Insoweit kann man mit der Bergpredigt tatsächlich nicht regieren. Biegt man sie trotzdem zum tagespolitischen Gebrauchsmuster um, dann verfälscht man ihre Grundabsicht und gibt ihr friedensförderndes Heil auf. Die Bergpredigt erfaßt — wie alle religiösen Tugendlehren — den ganzen Menschen, seine Totalität. Läßt man diese Ethik aber nicht freiwillige Liebesvorgabe des verantwortlichen, inspirierten einzelnen sein, sondern ihren Inhalt zur verbindlichen Rechtsnorm oder zum politischen Programm gerinnen, dann vergeht man sich gegen ihren Geist. Eine solche Politik tendiert dazu, totalitär zu sein.
Es sind alte Erfahrungen: Tätige Nächstenliebe und Lösung vom Materiellen
als Forderung nicht an sich selbst, sondern an andere institutionalisiert
den sozialen Neid als politische Maxime. Selbstloses Dienen bringt großen
geistigen Gewinn; doch wo man den anderen dazu zwingt, verwischen
leicht die Grenzen zur Sklaverei. Harmonie und Einheit der politischen oder
religiösen Gemeinde sind ein hoher Wert, das Verbot übler Nachrede117)
ist segensreich für den Umgang mit dem Nächsten — als politische Forderung an
die Beherrschten sind es treffliche Mittel zur Verschleierung und Verewigung
unsauberer Machtausübung, zur Begründung jeder Art von Zensur. Leid geduldig
zu ertragen, ist eine hohe Tugend; diese Duldsamkeit aber durch Machtträger
gefordert, ist eine arge Verschärfung menschenverachtender Unterdrückung, zumal,
wenn das Gebot der Friedfertigkeit dem Opfer auch noch moralisch das Recht
zum Widerstand nimmt. Wo das Wort Jesu: »Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe
den ersten Stein...«118) offensiv auf die andern bezogen, zum Duldungszwang
eigenen — oder den eigenen Interessen verschwägerten — Fehlverhaltens umgemünzt wird,
da bleibt Rücksichtnahme ebenso auf der Strecke wie gesellschaftliche oder politische
Moral. Die Summe der christlichen Botschaft bei Paulus, das Wort von »des
Gesetzes Ende«119), läßt sich gleichermaßen zum Kampf gegen alle
Rechtsstrukturen mißbrauchen, wie zur Rechtfertigung eines unausweichlich bloß
positiven, d.h. willkürlich gesetzten Rechts und damit jeden beliebigen
Gewaltsystems. Ob also populistisch oder autoritär ausgebeutet: Die Politisierung
religiöser Tugendlehren ist gnaden-, heil- und friedlos. Denn so erhält
Religion eine Funktion außerhalb ihrer selbst, wird für
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menschliche Zwecke verfügbar gemacht, wird Mittel entgegen ihrer
eigentlichen Bestimmung. Aber »Religion sollte weder Haß noch Unterdrückung
oder Ungerechtigkeit verursachen«120). Wo Religion unter Beibehaltung
ihres Namens in ihr Gegenteil verkehrt wird, da ist sie Ideologie, bloßer Trug, der
»niemals die Wahrheit ersetzen«121) kann. Eine Gesellschaft, die solche
Umwertung zuläßt, begibt sich der Friedensleistung religiöser Tugendlehren.
Allerdings ist auch nur schwer vorstellbar, daß sich der Friedensgehalt religiöser Tugendlehren gegen alle möglichen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen neutral verhalten könnte. Denn wer aus freien Stücken in gereifter Gläubigkeit dem Geist der Bergpredigt lebt, wer also Frieden hat in Gott122) und dadurch zum Ferment einer friedvollen, entwicklungsfähigen und lebenskräftigen Gesellschaft wird, zum »Salz der Erde«123), zum »Sauerteig«124), ja zum »Licht der Welt«125), der kann nicht in asketischer Abkehr, sondern — ohne der Welt verhaftet zu sein — nur in ihr und für sie seine Aufgabe erfüllen.
Gerade durch diesen Bezug auf tätige Gestaltung der Welt kann sich religiöse Tugendlehre aber nicht in einem gesellschaftlichen Vakuum vollziehen. Religiöse Tugend ist nicht asozial. Sie ist am Nächsten und an dessen Wohl interessiert. Sie will dienen, Leid mindern, wenn möglich überwinden, hat durchaus große Affinität zu dem, was Aristoteles das »gute Leben« nennt. Aus dieser Haltung entspringt eine grundsätzliche Kritik an der Unausgewogenheit menschlicher Lebensverhältnisse: »Wiewohl der gesellschaftliche Organismus eine einzige Familie ist, leben doch aus Mangel an harmonischen Beziehungen manche Mitglieder im Wohlstand, manche in krassem Elend; manche sind satt, andere sind hungrig; manche Glieder sind mit kostbarsten Gewändern geschmückt, andere Familien haben weder Nahrung noch Obdach.«126) So manche politische Ausdeutung des Evangeliums lebt aus dieser Erfahrung, ist verzweifelter Ausdruck einer tief empfundenen Diskrepanz zwischen dem Geist der Botschaft Jesu und einer ungerechten, menschenverachtenden, unfriedlichen Ordnung der Welt. Mit der Politisierung der Bergpredigt aber wird parteilich über das Wort verfügt. Vom Geist des Wortes getrieben, steht man in der Gefahr, es unter menschliches Wollen zu beugen — im Kontext traditionellen christlichen Verständnisses ein unaufhebbares Dilemma.
Andere religiöse Entwürfe beziehen darum die gesellschaftliche Ordnung
mit in den Heilsauftrag ein. Idealerweise sind religiöse Ethik und
gesellschaftliche Form aufeinander angelegt. Dies trifft dann zu, wenn sie
beide Aspekte des umfassenden religiösen Gesetzes sind — und damit Teil der
präsenten Eschatologie. Dem sozialen Organismus wird so »ein Gesetz auferlegt...,
durch welches alle ... Glieder gleichermaßen Wohlfahrt und Glück genießen
werden«127). Nicht um seiner selbst willen ist das göttliche Gesetz
gegeben. Des Gesetzes Ziel ist das Glück des Menschen, das geistiger und
gesellschaftlicher Frieden bewirkt: in der Hinwendung des Gläubigen zu seinem
Schöpfer, der Vorbereitung auf das künftige Leben und — kaum weniger
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gewichtig — in der kulturellen Entfaltung, dem Leben in einer wohlgeordneten,
entwicklungsfähigen, gerechten, befriedeten Gesellschaft.128)
Auch im Christentum gab es dieses umfassende Verständnis eines göttlichen Gesetzes mit dem Aufeinander-Bezogensein von Individualethik, Erlösung, kultischer und gesellschaftlicher Ordnung: Für die Judenchristen ist das mosaische Gesetz weiter gültig,129) nur leicht modifiziert und vor allem vergeistigt durch die Frohbotschaft Jesu. Für Paulus dagegen ist Christus »des Gesetzes Ende«130), das gesellschaftlich-politische Umfeld unwichtig vor dem Erlösungswerk Christi. Er trennt damit, was im Islam von der Idee her nie strittig war: die unteilbare Einheit und Gegenseitigkeit von individueller Tugendlehre, Erlösung und gesellschaftlichem Ordnungsrahmen im religiösen Gesetz. Wenn darum gemeinhin der Islam dem westlichen Beobachter als »Gesetzesreligion« gilt, ja das Recht als »die typischste Äußerung der islamischen Lebensweise, der eigentliche Wesenskern des Islams«131), so ist dies vor allem als bewußtes Herausarbeiten von Unterscheidungsmerkmalen zwischen einem sich rechtlich verfestigten Islam und einem paulinisch geprägten Christentum zu verstehen. Werden diese Religionen aber nicht als eigenständige kulturelle Phänomene, sondern als historische Abfolgen und Wandlungen desselben göttlichen Impulses und Heilswillens verstanden, so kann man nicht davon absehen, daß der Islam auf dem Evangelium fußt (wie dieses auf der Thora). Dieser Bezug des Islam auf die ihm vorangegangene Offenbarungsstufe hat zweifach Relevanz für unser Thema. So kann die besondere Betonung des Gesetzescharakters göttlicher Ordnung im Islam durchaus als ein Gegensteuern zur Gesetzesfeindschaft in der christlichen Gemeinde verstanden werden: Die Defizite in der historischen Entfaltung der vorausgegangenen Sendung werden aufgegriffen und besonders betont.132) Auch als offenbartes Wort steht der Qur’án nicht allein und isoliert. Das Neue Testament ist in Bezug auf den Qur’án dessen »Altes Testament«. Der Qur’án setzt damit die Ethik des Neuen Testaments, die Durchgeistigung des Gesetzes, die Stärkung der sittlich verantwortlichen Individualität ebenso voraus, wie die Frohbotschaft Jesu im mosaischen Gesetz wurzelt und auf dieses bezogen bleibt. Wer den Qur’án richtig lesen will, muß den Geist des Evangeliums mitdenken.133)
Zeugnisse dieser Individualethik finden sich aber auch im Qur’án. Auch hier
ist der Gläubige aufgerufen zu Demut134), Dankbarkeit135),
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Rechtschaffenheit136), Verzeihen137), zu Geduld138),
Großmut139) und Nachsicht140), zu Friedfertigkeit141)
und Höflichkeit142). Der Gläubige soll Gutes tun, 143) eintreten
für das Recht der Schwachen, 144) für seinen Nächsten Fürbitte
tun,145) spenden, woran sein Herz hängt,146) auch dann, wenn er
selbst bedürftig ist.147) Solches Verhalten, solch uneigennützige
Vorleistung gegenüber dem Nächsten entspricht »der Gottesfurcht«148) und hat
seinen Lohn »bei ihrem Herrn«149). Es zeigt, daß der »Glaube ins Herz
eingegangen«150) ist. Darum können Taten der Nächstenliebe und Frömmigkeit auch
nicht marktschreierisch, nicht um des gesellschaftlichen Ansehens willen
erfolgen.151) Gott kennt die Motive,152) Gott sieht alles stille
Dienen: »Was ihr an Gutem tut, darüber weiß Gott Bescheid.«153) Wer aber
Vorteile ziehen will aus seiner Mildtätigkeit oder seinem frömmelnden Gehabe, der
macht seinen Lohn dadurch zunichte.154) Prahlerei, Einbildung155),
Selbstgerechtigkeit156), Verleumdung157), Neid158),
Geiz159) und Habgier16) sind dem Menschen feind. Aber wer sich
nur nach außen hin dem Gesetz unterwirft, der hat keinen Anteil am Heil.161)
Doch es ist nicht das Verhalten des anderen, das uns kümmern soll: »Haltet euch
an euch selbst.«162) Ist also jeder für sein eigenes Tun verantwortlich,
so ist der Islam darum gewiß keine Lehre der Selbstrechtfertigung des Menschen:
Immer bedarf es der göttlichen Gnade, um die der Gläubige flehen
wird: »Vergib uns unsere Schuld...« 163)
Gesetz und Ethik also brauchen einander. Durch die Ethik lebt das Gesetz. Der Geltungsbereich der Ethik ist vorbestimmt, bezogen auf die Funktion des Gesetzes. Im offenbarten Wort sind beide abgewogen auf das umfassende Heil. Außerhalb ihres Orts und ohne ihren geistigen Sinn wird religiöse Ethik disfunktional, oft schädigend.
Offensichtlich steht aber nicht nur die religiöse Ethik in der Gefahr einer
interessiert-ideologischen Entwertung. Dem religiösen Gesetz droht dasselbe
Schicksal. Menschliches Interesse kann es seinem Geist entfremden, ideologisieren,
zum Herrschaftsinstrument einzelner Gruppen entwerten; denn »alles Erhabene, so
unvergleichlich es sein mag, kann zu bösen Zwecken mißbraucht werden«.164)
Allzu oft verbindet sich eine autokratische Herrschaftsübung mit einem äußerlichen
Gesetzesverständnis, gehen Selbstgerechtigkeit und Fanatismus einher mit der
falschen Heilsgewißheit buchstäblichen Gesetzesgehorsams. Die Versuchung ist
groß, sich hinter
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dem Gesetz zu verstecken, sich aus der persönlichen Verantwortung stehlen
zu wollen. Und mancher wird es nicht ungern sehen, wenn das Schweigen aus
kleinmütiger Existenzangst, der Mangel an Zivilcourage, als besondere
Gesetzestreue idealisiert wird. Allzu leicht meinen die, denen das Gesetz anvertraut
wurde, es sei ihnen ausgeliefert zur beliebigen Verfügung: »Gottes Hand ist
gefesselt.«165) Um kleiner Profite willen — oder weil politische Tagesfragen
es ratsam erscheinen lassen — wird das Gesetz passend ausgedeutet und angewandt:
»Aus den Gesetzen und Geboten Gottes machen sie ein Spielzeug ...«166)
Gewinnstreben hat sich hinter dem Buchstaben des Gesetzes ebenso versteckt wie
Machtgier und Grausamkeit. Man hat unter Berufung auf das Gesetz
Haß gepredigt, Intoleranz gegen Minderheiten und Minderheitsmeinungen
geübt, Fanatismus geschürt, vorgebliche Ketzer verfolgt und getötet. Man hat
das Gesetz benutzt, um sich politischer und ideologischer Feinde zu entledigen.
Herrscht das Gesetz ohne Geist, ist es Mittel eines ihm fremden Zwecks, so
wird der Mensch zum Objekt, dem Widerstreit verdeckter politisch-ökonomischer
Interessen ausgeliefert. Wo islamische Herrscher und Geistliche das
Bündnis Gottes verletzten, und sich gegen die inhärente Ethik des Gesetzes
vergingen, da wurde das Gesetz Gottes »ein lebloser Körper ohne Geist«167).
In Auslegung des 11. Kapitels der Johannesoffenbarung beschreibt 'Abdu'l-Bahá, was
durchaus aktuellen Bezug hat: »Äußerlich halten sie an der Religion Gottes fest
und lassen sie nicht völlig aus ihrer Mitte verschwinden; auch erlauben sie
nicht, daß ihr toter Körper ganz zerstört und vernichtet werde. In
Wirklichkeit aber haben sie das Gesetz Gottes verlassen, und nur nach außen
hin erwähnen sie es und halten an seinem Namen fest.«168)
Das offenbarte Wort selbst unterscheidet nicht zwischen ethischen, sozialen, kultischen und politischen Gesetzen, es kategorisiert nicht, trennt nicht. »Halte Meine Gebote aus Liebe zu Meiner Schönheit!«169) Das ist das göttliche Gesetz in der undifferenzierten Totalität von Geist und Form, von individuellen und gesellschaftlichen Aspekten, von Mystik, Dogma, Kult, Lebensentwurf und Ordnungsstruktur. Der relative Frieden präsenter Eschatologie ist göttliches Gnadengeschenk, gegeben auf die erwidernde Liebe des Menschen,170) auf dessen Bündnistreue,171) dessen Gesetzesgehorsam — ein unteilbares Ganzes, dessen Aspekte nicht gegeneinander ausgespielt werden können. Nicht religiöse Ethik allein schafft eine friedensfähige gesellschaftliche Struktur. Nicht um einer bloßen Form willen ist das göttliche Gesetz gegeben; nicht reflexhaftes, buchstäblich-äußerliches Befolgen läßt sein Heil wirken. Geist ohne Form droht, sich zu verflüchtigen, ist schutzlos angesichts der Seinsmächtigkeit gesellschaftlicher Interessen, bleibt kraftlos für die Gestaltung der Gesellschaft. Form ohne Geist aber ist ein Prokrustesbett für den Glauben, ein Hemmnis bei der Fortentwicklung der Gesellschaft.
Wo institutionalisierte Religion das Heil des umfassenden, unversehrten
göttlichen Gesetzes nachhaltig verwirkt, da bleibt lediglich das tastende
Suchen nach einer säkularisierten Form der Gesellschaft, die wenigstens
rudimentär den Erfordernissen der Zeit
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Rechnung trägt — ein Schritt, der in den Bahá’í-Schriften ausdrücklich gutgeheißen
wird.172) Friedenssicherung kann unter diesen Bedingungen nicht länger
unmittelbare Umsetzung des göttlichen Gesetzes sein, sondern wird zum vorherrschenden
Anliegen politischer Reflexion und sozialer Erfahrung. Die Kosten solch hart
erkämpfter Ersatzlösungen sind allerdings hoch: Allein in Deutschland sank die
Bevölkerungszahl im Verlauf des Dreißigjährigen Kriegs von etwa 20 Millionen auf
nur 7 Millionen Menschen,173) bevor nach 1648 allmählich eine neue
Friedensordnung mehr säkular orientierter Nationalstaaten entstand. Ungelöst blieben
dabei die Fragen individueller Freiheit und sozialer Gerechtigkeit, die bald die innere
Auflösung dieses Ordnungssystems vorbereiteten.
»Denn wenn Er spricht, so geschieht's; wenn Er gebietet, so steht's da.«
- Psalm 33:9
Doch auch die mühsam errungene säkulare Ordnung ist auf den relativen Frieden bewaffneter Sicherheit hin orientiert.174) Unter der apokalyptischen atomaren Drohung ist uns damit aber ebensowenig geholfen wie mit einer versteinerten religiösen Ordnungspolitik, die im Freund-Feind-Denken gefangen bleibt, oder mit einer friedensfördernden Individualethik allein. Fraglos muß die Menschheit unter dieser Drohung zu neuen Formen internationaler Zusammenarbeit und nichtkriegerischer Konfliktbewältigung finden — vor allem aber zu dem eingewurzelten Bewußtsein ihrer Schicksalseinheit. Soll die menschliche Gattung sich weiter entwickeln können, soll das Sehnen nach Glück und Frieden nicht eine bittere Utopie bleiben, dann ist eine neue Stufe der Evolution, ein Mutationssprung in Bewußtsein und gesellschaftlichen Verhaltensmustern erforderlich.
Wie aber ist diese weitere Evolution möglich? Gegen die friedensschaffende Wirksamkeit menschlicher Vernunft allein spricht alle historische Evidenz — allemal waren in der Geschichte Habsucht, Machtgier und Dummheit stärker; auch kann ich nicht glauben, daß naiver friedensbewegter Aktionismus die fatalistische Trägheit der Massen, die kurzfristige Interessiertheit oder den Starrsinn der Entscheidungsträger zu wandeln vermöchte. Was früher der Vernunft bei unumgänglicher Neuordnung gesellschaftlicher Strukturen fördernd zur Seite stand, der Leidensdruck schmerzhafter Erfahrung, ist heute eher Alpdruck als mögliche Hoffnung: Wir können uns nicht leisten, aus den Folgen eines atomaren Schlagabtauschs zu lernen.
Nach dem Zeugnis der Schrift ist der Mensch nicht allein gelassen in der Gestaltung
und Bewältigung seiner Zukunft: »Und der Herr schafft, was er
will, und wählt... Ihm steht die Entscheidung zu.«175) »... und was zukünftig
ist, wird er euch verkünden.«176) Eschatologische Verheißung verkündet als
künftige Eschatologie das nicht Vorhandene, für den Menschen Unvorhersehbare,
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Zukünftige, das nicht aus dem Gegebenen resultiert. Als präsente Eschatologie schafft
sie die Bedingungen der Möglichkeit des Neuen. Sie verweist auf das Wirken des
Göttlichen in der Geschichte, darauf, daß die Entwicklung des Menschen und
seiner Gesellschaft aus dem Einfluß des Wortes Gottes177)
geschieht. Johannes 1:3 bezeugt, daß dem Wort Gottes Schöpferkraft zukommt:
»Ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.« Nach Bahá’í-Lehre ist
das Wort Gottes nicht einmal, endgültig und unüberbietbar erschienen, göttliche
Offenbarung nicht besiegelt und abgeschlossen, sondern das Wort ist innere
Wirklichkeit jeder Manifestation178) Gottes.179) Es enthüllt
sich in jeder Sendung entsprechend den Rahmenbedingungen der jeweiligen
Zeit.180) Jede Sendung wurzelt in der ihr vorangegangenen, bleibt auf sie
bezogen, auch in Überformung und Aufhebung.181) Der Gehalt der jeweiligen
Offenbarung ist in Schwerpunkt und Enthüllungsgrad vorherbestimmt:
»Denn jedes Zeitalter fordert ein neues Maß an Gottes Licht.«182)
So wie das Wort von Sendung zu Sendung zunehmend entfaltet wird, entwickeln sich die Gestaltungsmöglichkeiten des Menschen. Das im Wort potentiell Vorgegebene ist präsente Eschatologie und damit grundsätzlich realisierbar.183) Allerdings nicht als Automatismus. Zur Umsetzung des schöpferischen Wortes in gesellschaftliche Wirklichkeit braucht es den Menschen und dessen Wort-getreues Handeln: »Alle Dinge der Welt erscheinen durch den Menschen und kommen in ihm zum Ausdruck.«184) Zeitgemäße Friedenspolitik und die dafür notwendige Neuordnung der Welt und Neuorientierung des Menschen hat dieselben Voraussetzungen.
»Wahrlich, Gottes strahlendes Licht erschien mitten unter euch, ... euch recht zu leiten auf den Wegen des Friedens...«
- Der Báb185)
Bahá’u’lláh trat im Jahre 1863 mit dem Anspruch hervor, Träger einer neuen
göttlichen Offenbarung zu sein, den Willen und die Gnade Gottes für die
kommenden Jahrhunderte zu verkörpern.186) Seine Schriften und Briefe
sind für den Bahá’í Wort Gottes, schöpferischer Impuls einer neuen Zeit, fähig,
»die Welt umzustürzen«187), Einbruch des Neuen in die
Geschichte.188) In dem
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von Bahá’u’lláh offenbarten Gotteswort — wie auch in den Erläuterungen der
bevollmächtigten Ausleger 'Abdu'l-Bahá und Shoghi Effendi —:189) drückt
sich eine unverkennbare Neubestimmung von Möglichkeit, Umfang, Intensität
und Methode des Friedens aus.
Wie jede religiöse Sendung, so hat auch die Offenbarung Bahá’u’lláhs ihren eigenen historischen Auftrag: »In dieser wundersamen Offenbarung, diesem herrlichen Jahrhundert, ist die Grundlage des Glaubens Gottes und das hervorstechende Merkmal Seines Gesetzes das Bewußtsein der Einheit der Menschheit.«190) Diese Einheit ist nicht gedachtes Ideal oder fromme Hoffnung, sondern im Wort Gottes vorgeprägt, präsente Eschatologie: »Wir haben... offenbart, was Schutz und Sicherheit, Ruhe und Frieden bewirkt...«191) »So wird schließlich die ganze Erde als eine Stadt und ein Land betrachtet.«192) Die Mahnung, »Haltet den Frieden der Welt nicht für ein unerreichbares Ideal«193), verweist auf die mit dem Ziel der Einheit der Menschheit notwendig verbundene neue Friedensqualität, die über den vorläufigen Frieden bewaffneter Sicherheit hinausweist. Weltfrieden kann nicht isoliertes Ziel sein, sondern ist Teil einer grundsätzlichen Neuordnung: »Die Wohlfahrt der Menschheit, ihr Friede und ihre Sicherheit sind unerreichbar, wenn und bevor nicht ihre Einheit fest begründet ist.«194) Das Wort ist Schöpfer einer neuen Wirklichkeit, die alles Trennende zwischen den Völkern und Nationen aufhebt: »Es rühme sich nicht, wer sein Vaterland liebt, sondern wer die ganze Welt liebt.«195) »... richtet euren Blick auf die Einheit... Diese Handbreit Erde ist nur eine Heimat und eine Wohnstatt.«196)
Wie nie zuvor in der Religionsgeschichte wird die Menschheit als Ganzes angesprochen: »Alle Völker der Welt haben die Pflicht, ihre Gegensätze auszugleichen und in vollkommener Einheit und in Frieden im Schatten des Baumes Seiner Obhut und Gnade zu wohnen. Es geziemt ihnen, sich an das zu halten, was an diesem Tag der Erhöhung ihrer Stufe und der Förderung ihres eigenen Besten dient.«197) Wenn sich Bahá’u’lláh an alle Menschen als »Früchte eines Baumes und Blätter eines Zweiges«!198) wendet, so ist dies weit mehr als das einprägsame Bild eines sonst fleischlosen Kosmopolitismus.
Gott hat durch die Träger Seiner Offenbarung die ganze Menschheitsgeschichte formend begleitet. Er ist damit nicht nur Schöpfer der leiblichen und geistigen, sondern auch der gesellschaftlichen Existenz des Menschen und deren Zielrichtung. Die Grundanliegen aller Religionen und Kulturen drängen im Wesen dazu, einzumünden in eine vielgestalte und facettenreiche Einheit. Die Einheit der Menschheit ist göttliches Gnadengeschenk und Verpflichtung für alle Menschen, Religionen und Kulturen. Alle haben teil am Auftrag der Neugestaltung der Welt. Die Einheit der Menschheit ist mit der Offenbarung Bahá’u’lláhs präsente Eschatologie.
Die Menschheit ist mit dieser Offenbarung in ein neues Zeitalter der Reife
eingetreten. »Was den menschlichen Bedürfnissen in der Frühgeschichte unseres
Geschlechts angemessen war, ist weder passend noch genügend für die
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Erfordernisse des heutigen Tages, dieser Zeit des Neuen und der
Vollendung.«199) Dieser Reife eignet notwendig Verantwortung:
Verantwortung, die sich auch ausdrückt durch die Möglichkeit kollektiven
Selbstmords in einer nuklearen Katastrophe, in den ungeheueren
technisch-wissenschaftlichen Möglichkeiten zur Veränderung unserer gesamten
Lebensbedingungen — zum Guten oder Schlechten. Im Wort von der Einheit der
Menschheit liegt die ethische Norm für die Bewältigung dieser Herausforderungen.
Das Wort Gottes ist die Bedingung der Möglichkeit eines neuen planetarischen Bewußtseins: der Gemeinsamkeit aller Menschen als Kinder des einen göttlichen Vaters, denen allen zusammen die Erde zu Lehen gegeben ist, sie »zu bebauen und zu bewahren«200) als Menschheitskörper, als Organismus in unauflöslicher Interdependenz und individueller Verantwortung jeder Einzelzelle für das Ganze — bei gleichzeitiger Bewahrung und liebender Förderung der Individualität, dem Zeichen der Mannigfaltigkeit göttlicher Schöpfung. Ein Bewußtsein, das einmündet in eine neue Qualität des Friedens: »Das Banner des Größten Friedens ward entfaltet.« 201) Ein Friede, in dem Gesetz und Liebe, Sicherung und Agape verwoben sind, in dem das göttliche Gesetz sein Wesen in ganzer Fülle äußert, »denn was verheißen war in den heiligen Schriften, ist nun erfüllt«.202)
Zukünftige Eschatologie hat schon immer auf diese Zeit verwiesen, in der die »Menschen versammelt werden«203), der »Tag, da die Menschheit , vor dem Herrn der Welten stehen wird«204), der Tag, von dem geschrieben steht: »Das Reich wird Gottes sein«205), von dem Gott spricht: »Von mir wird ein Gesetz ausgehen, und mein Recht will ich zum Licht der Völker ... stellen«206), der Tag, von dem verheißen ist: »Und der Herr wird König sein über alle Lande. Zu der Zeit wird der Herr nur einer sein und sein Name nur einer«207), der Tag, von dem die Johannesapokalypse frohlockt: »Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und Gott selbst wird bei ihnen sein als ihr Gott. Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Klage noch Schmerz wird mehr sein; denn das Frühere ist vergangen... Siehe, ich mache alles neu!«208)
Für den Frieden scheinen sich hier uralte Verheißungen (zukünftige Eschatologie)
und reale Möglichkeit (präsente Eschatologie) im Wort von der Herankunft des
»Größten Friedens« zu berühren: »Denn er wird Frieden gebieten den Völkern,
und seine Herrschaft wird sein von einem Meer bis zum andern und
vom Strom bis an die Enden der Erde.«209) Ein Friede, der weit
mehr ist als Nichtkrieg: »Ich will zu deiner Obrigkeit den Frieden machen und zu
deinen Vögten die Gerechtigkeit. Man soll keinen Frevel mehr hören in deinem
Lande noch Schaden oder Verderben in deinen Grenzen.«210) »Da werden
sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu Sicheln machen. Denn es
wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden
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hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen.«211) Ein Friede, der endgültig
scheint, unüberbietbar: »Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und
die Panther bei den Böcken lagern. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge
Löwen und Mastvieh miteinander treiben. Kühe und Bären werden zusammen
weiden, daß ihre Jungen beieinander liegen, und Löwen werden Stroh fressen
wie die Rinder. Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein
entwöhntes Kind wird seine Hand stecken in die Höhle der Natter. Man wird
nirgends Schaden tun noch verderben auf meinem ganzen heiligen Berge.«212)
»Meine Gnade soll nicht von dir weichen und der Bund meines Friedens soll
nicht hinfallen, spricht der Herr, dein Erbarmer.«213)
»Schwere Prüfungen harren euer am Tage des Gerichts. «
- Der Báb214)
Doch die Segensfülle präsenter Eschatologie ist immer nur latent gegeben; sie ist gleichermaßen Herausforderung wie Gnadengeschenk. Das schöpferische Wort, der Urkeim des Neuen, ruft zur Entscheidung. Jeder Zeitpunkt in der Geschichte, an dem sich das Wort neu offenbart, ist Ausnahmesituation, ist »Tag Gottes«, ist in gewisser Weise »Tag des Gerichts«; ihm eignet das Unvorhersehbare, das Einmalig-Extreme des Jüngsten Gerichts.215) Die Verkündigung des Worts lädt alle Menschen, Institutionen, überkommenen Überzeugungen und Richtmaße vor das Weltengericht. Brauchbares wird vor dem Tribunal des Worts bestätigt, Falsches und Unzeitgemäßes verworfen, Not-wendig Neues verkündet. In der schubweisen Offenbarung des Worts, in Bestätigung, Verwerfung und Neubegründung vollzieht sich der göttliche Heilsplan in unausweichlicher Liebe. Das mangelnde Eingehen des Menschen auf diese Bestimmung, seine Verstocktheit, selbst der hartnäckigste Widerstand, kann den Heilslauf nicht hindern — aber erschwert, verzögert ihn durch Turbulenzen, Umwege, Brüche, maßloses Leid und unnötige Opfer.
Die Notwendigkeit, das Wort Gottes kundzutun, liegt im Wesen der Offenbarung.
Es scheint im Wesen menschlicher Gesellschaften, ja der Menschen
selbst zu liegen, daß sie sich mit wenigen Ausnahmen gegen seine
Herausforderung sperren — in Gleichgültigkeit oder aktiver Feindschaft.
Die Verkündigung Bahá’u’lláhs, Sein Anspruch und die Zielsetzung Seiner
Lehren — allen voran die Einheit der Menschheit, aber auch die
Gleichstellung der Geschlechter, die Forderung einer grundlegenden Erziehung
und Bildung aller, oder die Vergeistigung von Politik und Wirtschaft — fand
unbarmherzige Gegner in der islamischen Geistlichkeit. Die mächtigsten
Herrscher der Region, Náṣiri’d-Dín Sháh und Sulṭán ‘Abdu’l-’Azíz,
suchten den neuen Glauben zu unterdrücken. Als Folge lebte Bahá’u’lláh bis
zu Seinem Tode vierzig lange Jahre in Gefangenschaft und Verbannung; Seine
Anhänger waren blutigen Verfolgungen ausgesetzt — Verfolgungen, die im Iran
auch heute nicht der Vergangenheit angehören.216) Aus Seinem dritten
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Verbannungsort, Adrianopel217), und später aus dem Gefängnis in ‘Akká
wandte sich Bahá’u’lláh mit Seiner Botschaft an die Könige und Regenten Seiner
Zeit, darunter an Kaiser Wilhelm I., an Napoleon III., an Zar Alexander II., an
Königin Victoria von England, an Kaiser Franz Joseph, an Sulṭán ‘Abdu’l ’Azíz,
an Náṣiri’d-Dín Sháh und an die Präsidenten der Republiken Nord- und
Südamerikas. Die Parlamentarier aller Länder und die geistlichen Führer der
Religionen sind weitere Adressaten Seines Wortes.218) „Niemals
seit Anbeginn der Welt«, so lautet Bahá’u’lláhs eigenes Zeugnis, »ward
Gottes Botschaft so offen verkündet «219).
»Wahrlich, Ich sage«, so spricht Bahá’u’lláh in einem Seiner Sendschreiben die ganze Menschheit an, »dies ist der Tag, an dem die Menschheit das Angesicht des Verheißenen schauen und Seine Stimme hören kann. Gottes Ruf ist erhoben, und das Licht Seines Antlitzes ist über den Menschen aufgegangen.«220) Bahá’u’lláh ruft die Herrscher der Welt auf: »Prüfet Unsere Sache ...«221) Unmißverständlich proklamiert Bahá’u’lláh, der nach menschlichen Maßstäben hilflose Gefangene, den Anspruch gottgegebener Souveränität vor aller weltlichen Herrschaft: »O Könige der Erde! Er, der Lehensherr aller, ist gekommen. Das Reich ist Gottes, des allmächtigen Beschützers, des Selbstbestehenden. Betet keinen an außer Gott, und strahlenden Herzens hebt euer Angesicht auf zu euerem Herrn, dem Herrn aller Namen. Dies ist eine Offenbarung, mit der niemals vergleichbar ist, was ihr besitzet, wenn ihr es doch wüßtet!... Ihr seid nur Vasallen, o Könige der Erde! Er, der König der Könige, ist erschienen, gekleidet in Seine wunderbarste Herrlichkeit, und lädt euch vor Sich, den Helfer in Gefahr, den Selbstbestehenden. Hütet euch, daß nicht Hochmut euch abhalte, den Quell der Offenbarung zu erkennen, daß die Dinge dieser Welt euch nicht wie ein Schleier von Ihm, dem Schöpfer des Himmels, trennen. Erhebt euch und dienet Ihm, dem Verlangen aller Völker, der euch durch Sein Wort erschaffen und euch für alle Zeit zu Sinnbildern Seiner Herrschaft bestimmt hat... Welch großer Segen harrt des Königs, der sich erhebt, Meiner Sache in Meinem Reiche zu helfen, und sich von allem außer Mir loslöst!... Ein solcher König ist das wahre Auge der Menschheit, der leuchtende Schmuck auf der Stirn der Schöpfung, der Brunnquell des Segens für die ganze Welt.«222)
Zugleich macht Bahá’u’lláh deutlich, daß diese Aussagen nicht einen religiös verbrämten Herrschaftsanspruch begründen sollen, sondern sich auf eine grundsätzliche geistige Neuorientierung, auf die Herrschaft Gottes über die Menschenherzen beziehen: »Wir haben nicht den Wunsch, Hand an eure Königreiche zu legen. Unsere Aufgabe ist, die Herzen der Menschen zu ergreifen und zu besitzen. «223)
Aber Bahá’u’lláhs Ruf verhallt ungehört; die Neuordnung staatlicher Gewaltpolitik
bleibt aus; der Gefangene von ‘Akká wird in den Zentren der
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Macht nicht ernst genommen.224) Die Führer der Welt versagten vor der
Herausforderung dieser neuen Stufe präsenter Eschatologie. Die Möglichkeit
einer umfassenden und dazu vergleichsweise sanften, bruchlosen und leidarmen
Neuordnung der Welt ist vorerst vertan. Die leichtfertige Zurückweisung
des Heils wird unsägliches Unheil wirken: Die Namen Auschwitz und Hiroschima
stehen für viele. »Denn des Herrn Tag ist Finsternis und nicht
Licht.«225)
Erneut wendet sich Bahá’u’lláh an die Herrscher der Welt: »O ihr Herrscher der Erde! Warum habt ihr, den Wolken gleich, die Sonne und ihren Glanz verdunkelt und sie am Scheinen gehindert? Hört auf den Rat, den euch die Feder des Höchsten gibt, damit ihr und die Armen Ruhe und Frieden finden. Wir flehen zu Gott, daß Er den Königen der Erde beistehe, den Frieden auf Erden zu errichten. Er, wahrlich, tut was Er will... Nun, da ihr den Größten Frieden zurückgewiesen habt, haltet euch fest an diesen, den Geringeren Frieden, damit ihr euere eigene Lage und die euerer Untertanen einigermaßen bessert.«226)
Der Größte Frieden, die Vision Jesajas, ist damit wieder in die Zukunft gerückt. Präsente und zukünftige Eschatologie, die sich für einen Moment in der Offenbarung Bahá’u’lláhs berührten, treten erneut auseinander. Der Größte Frieden wird wieder zur entrückten Verheißung, Motiv gläubiger Hoffnung.
Und doch bleiben zukünftige und präsente Eschatologie eng verwoben.
Der Größte Frieden ist der Gemeinde Bahá’u’lláhs mehr als ferne Hoffnung.
Die Bahá’í sehen zwei Prozesse simultan am Werk: Der Geringere Frieden — die
Überwindung des Kriegs als Mittel der Politik und die schließliche politische
Einigung der Welt — muß sich durch die gemeinsame Anstrengung der Völker
und Staaten der Erde realisieren.227) Doch schon während sich der Geringere
Frieden schrittweise vollzieht, reift der Größte Frieden im Kokon der Bahá’í-Gemeinde
heran, kaum merklich nach außen, heute noch ein Fötus im Stadium
der ersten Zellteilungen.?228) Er gliedert, differenziert sich, gewinnt
Gestalt in der Verbreitung der Lehre Bahá’u’lláhs in alle Welt, in der langsamen
Entfaltung der Ordnung Seines Glaubens, ihrer Gesetze und Einrichtungen, in
der Wandlung
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und im Reifen Seiner Anhänger229), um so dem im Geringeren Frieden äußerlich
geeinten Körper der Welt »wahre Einheit und Geistigkeit» einzuhauchen230):
ebenso Vorbedingungen des Größten Friedens wie die Verschmelzung 231) aller
Rassen, Bekenntnisse, Klassen und Nationen. Mit dem Größten Frieden einhergehen wird
die schließliche Vereinigung der Menschheit in einem gemeinsamen Glauben, unter einem
göttlichen Gesetz, in einem durchgeistigten Weltgemeinwesen, einem »Bahá’í World
Commonwealth«232) — das wohl Jesaja visionär schaute und für dessen
Herankunft uns Jesus beten lehrte — und eine Weltkultur, das »Kind dieses
Friedens«233). Ein Prozeß, der nicht mit der Dauer der Sendung Bahá’u’lláhs
beendet, sondern von weiteren Offenbarungen des Bahá’í-Zyklusses in immer neuen
Stufen präsenter Eschatologie ermöglicht und entfaltet wird.234) Gleichwohl
ist diese Vision für den Bahá’í durch ihre zeitimmanenten, vorbereitenden Aspekte nicht
nur Trost und ferne Hoffnung, sondern gegenwärtiger Gestaltungsauftrag mit Blick auf eine
unendliche Heilsgeschichte.235)
»Wir werden Dich siegreich machen durch Dich selbst und Deine Feder.«
:Bahá’u’lláh236)
Es versteht sich nach dem bisher Gesagten fast von selbst, daß die Verbreitung der Lehre Bahá’u’lláhs nicht durch Gewalt erfolgen darf.237) Zwar ist die Vereinigung aller Menschen in einem Glauben vorhergesagt,238) das Lehren der Sache Gottes jedem Gläubigen Anliegen und Verpflichtung,239) aber dies schafft kein feindschaftliches Konkurrenzverhältnis zu den früheren Religionen.240) Alle Religionen stammen und zeugen von derselben Quelle, und diese Gemeinsamkeit gilt es zu betonen. Die Ansprachen 'Abdu’l-Bahás in Amerika im Jahre 1912 sind ein Aufruf zur Duldsamkeit, zum gegenseitigen Verstehen, zur interreligiösen Ökumene.241) Harmonie unter den Religionen zu schaffen, ist ein wesentlicher Friedensbeitrag: »Verkehret mit den Anhängern aller Religionen im Geiste des Wohlwollens und der Brüderlichkeit.«242)
Mit diesem Wort und dem Grundsatz der Einheit aller Menschen als der
»Früchte eines Baumes« ist eine uralte Zweiteilung und Aufspaltung der
Menschheit aufgehoben, die zum Sicherungsbestand früherer Religionssysteme
gehörte: die Scheidung der Menschen in Gläubige, als »Empfänger der göttlichen
Gnade«, zur einen Seite
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und zur anderen das »Volk der Ungläubigen«, das Gottes Zorn verspüren
wird. Zwar brauchen alle Menschen — entsprechend ihrer unterschiedlichen
Entwicklung — die Erziehung durch das Wort Gottes, aber keiner ist verworfen,
»alle empfangen Gottes Gnadengaben«243).
Fanatismus244), stolzes Überheben245) und selbstgefälliges Sich-Absondern246) der Gläubigen sind damit Un-Tugenden. Der Glaube des Nächsten ist keine Kategorie der Begrenzung im zwischenmenschlichen Verkehr: »Denn es gibt nur einen Gott und eine Menschheit, und das einzige Glaubensbekenntnis der Propheten ist das der Liebe und Einheit.«247)
Diese geänderte Haltung zu den Mitmenschen — nicht nur zu den einzelnen, sondern auch zu deren religiös-politischen Verbänden — wird besonders deutlich in der Abrogation des Heiligen Kriegs. Sieht man von der kurzfristigen Sonderstellung des frühen Christentums ab, dessen weitgehende pazifistische Prägung nicht durchgehalten werden konnte als es zur gesellschaftlichen Größe heranwuchs, so ist der mögliche Rückgriff auf militärische Mittel allen früheren Religionen selbstverständlich, die sich als umfassende Ordnungssysteme verstehen. War dementsprechend der Heilige Krieg im Islam ein Wesensbestandteil zur Sicherung des Glaubens und zur Friedensbewahrung, hatte er noch in der Sendung des Báb248) zumindest als Verteidigungskrieg der Gläubigen Funktion und Berechtigung249), so verkündet Bahá’u’lláh für Seine Sendung: »Die erste frohe Botschaft, die das Mutterbuch in dieser Größten Offenbarung allen Völkern der Welt überbringt, ist, daß das Gesetz des Heiligen Krieges aus dem Buche getilgt ist.«250) Hier wird deutlich vom relativen Frieden bewaffneter Sicherheit abgerückt, zugunsten einer scheinbar sicherungslosen Friedfertigkeit. In bewußter Abgrenzung zur Praxis der Anhänger des Báb betont Bahá’u’lláh dieses Ideal an zahllosen Stellen: «Im Buch Gottes... ist euch verboten, euch in Kampf und Streit einzulassen.«251) »Hütet euch, irgend jemandes Blut zu vergießen!«252)
Diese Friedfertigkeit bedeutet aber nicht Schutzlosigkeit. Die Verteidigung
der Gottessache erfolgt in der Sendung Bahá’u’lláhs durch die Bereitschaft zu
gewaltfreiem Streiten der Standhaftigkeit und Bündnistreue, das hohe Anforderungen
an die Gläubigen stellt. Eine ganze Palette aktiver friedlicher Elemente sichert
den Schutz und schließlichen
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Sieg der Religion Gottes in diesem Zeitalter: die schrittweise Entfaltung
der von Bahá’u’lláh vorgeprägten Ordnung der Gemeinde in Einheit und Eintracht,
ein Leben der Tugend und Gottesfurcht, die Erziehung der Menschen durch Wort
und Tat und — scheinbar Inbegriff der Wehrlosigkeit — Leid und Martyrium
auf Seinem Pfad.
War im Islam der ein shahíd, ein Märtyrer, der als wehrhafter Streiter für den Glauben starb, so tritt an die Stelle der Verpflichtung zur Bewahrung der göttlichen Ordnung im Heiligen Krieg unter Einsatz des eigenen Lebens in der Lehre Bahá’u’lláhs die Maxime »Lieber den Tod erdulden, als selbst zu töten«253). Das frühere Ideal des bewaffneten Kampfes für die Sache Gottes wird durch die völlige Selbstpreisgabe, das sich aller Gegengewalt enthaltende Martyrium, positiv überhöht. Der Märtyrertod ist nicht nur Zeichen individueller Glaubensstärke; auch unter dem Sicherungsaspekt der Gemeinde verspricht Gott, daß diese Opfer nicht umsonst sind: »Wie zahlreich sind die Orte, die euer Blut um Gottes willen adelte... Wisset und seid gewiß, daß Er euch zum Sieg führen wird.«254) Leid, Verfolgung und Tod um Gottes willen gläubig zu erdulden — nicht haßerfüllt und dumpf, sondern in liebender Ergebung — hat eine heiligende, friedensstiftende Wirkung: »So grämt euch nicht, denn unermeßlich ist Sein Erbarmen für sie. Durch ihr Martyrium lodert hell das Feuer der Liebe zu Gott, wird Sein Wort hinausgetragen,... ihr Blut tränkt den Baum des Friedens, ... und heilige Düfte strömen vom Baum des Lebens in alle Welt.«255)
Daneben steht ein Leben religiöser Tugend an erster Stelle: »Jede Sache braucht einen Helfer. In dieser Sendung sind die Heerscharen, die sie zum Sieg führen, rühmliche Taten und ein aufrechter Charakter.«256) Bahá’u’lláh nimmt hier ein Motiv der islamischen Mystik auf, den Gedanken des »größten jihád«, des Heiligen Krieges gegen das Selbst, gegen die eigenen Mängel und Unvollkommenheiten. Aber Er transponiert dieses Motiv von der Ebene individueller Innerlichkeit in den Bereich gesellschaftsverändernden Handelns. Diese doppelte Umwertung des Begriffs jihád wird besonders deutlich in folgender Textstelle: »Eilt, nach dem Wohlgefallen Gottes zu handeln, und kämpft tapfer, wie es euch zu kämpfen geziemt, für die Verkündigung Seiner unwiderstehlichen, unerschütterlichen Sache. Wir haben befohlen, daß auf dem Pfade Gottes der Krieg (jihád) mit den Heeren der Weisheit und des Wortes geführt werden soll, mit den Waffen eines guten Charakters und rühmlicher Taten.«257)
Der letztliche Sieg des Wortes erfolgt durch das Wort, zu dessen Mittler sich
die Gläubigen machen und durch Taten, die in Einklang damit stehen: »Zieht das
Schwert eurer Zunge aus der Scheide der Rede, denn damit könnt ihr die Bollwerke
der Menschenherzen erobern.«258) Die hier und an anderer Stelle gebrauchte
kämpferische Terminologie259) signalisiert keinesfalls Aggressivität;
gleichwohl ist sie sicherlich mit Bedacht gewählt, verweist sie doch auf die
Übertragung ehedem gewaltsam geübter Funktionen auf jetzt friedliche Mittel.
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»Es geziemt dem Volke Bahás, durch die Macht seiner Rede dem Herrn zum Sieg
zu verhelfen und die Menschen durch edle Taten und guten Charakter zu ermahnen,
zumal Taten größeren Einfluß üben als Worte.«260)
»... Frieden ist der Liebe Frucht.«
- ’Abdu'l-Bahá261)
Ganz im Geiste der Bergpredigt wird dem einzelnen Gläubigen auch gesellschaftlich eine wichtige Aufgabe auf dem Weg des Friedens übertragen. Die Aufforderung, »sei einer derer, die den Frieden fördern«262), umfaßt die Botschaft der Bergpredigt in ihrer Fülle; denn »der Frieden muß zuerst unter den einzelnen Menschen gestiftet werden«263). Das dafür notwendige Fundament wird wie ehedem durch die religiösen Tugenden gelegt, denn »so wird das Licht der göttlichen Führung leuchten und Gottes Segen die ganze Menschheit umfangen, denn Liebe ist Licht, wo immer sie wohnt, und Haß ist Finsternis, wo immer er nistet.«264) Liebe, Feindesliebe zumal,265) ist die Grundvoraussetzung dauernden Friedens: »Liebe ist größer denn Frieden, denn der Frieden gründet auf die Liebe... Solange keine Liebe ist, kann Friede nicht sein...«266) In der Liebe wirkt Gottes Gnade, denn nur in ihrer Übermächtigkeit — verbunden mit Tugenden wie Aufrichtigkeit267), Redlichkeit268), Güte, Nachsicht269), Freundlichkeit, Erbarmen27), Beharrlichkeit271), Weisheit272) und Mut273) — läßt sich der aufgestaute Haß vergangenen und gegenwärtigen Unrechts aufheben: »So jemand mit euch Streit sucht, trachtet danach, ihn zum Freunde zu gewinnen. So euch jemand bis ins Innerste verletzt, seid ein heilender Balsam für seine Wunden. So euch jemand verspottet und verhöhnt, begegnet ihm mit Liebe. So jemand seine Schuld auf euch abwälzt, lobt ihn... Sollte er die Qual selbst sein, so seid ihr seine Medizin.«274) Auch hier zeigt sich religiöse Tugend als ungesicherte, ungebetene Vorleistung des Gläubigen an seinen Nächsten, oft genug zurückgewiesen und schlecht gelohnt, nicht einklagbare Verhaltensregeln auf Gegenseitigkeit, sondern friedensnotwendige Ausnahme, als »anders sein« ohne Erwartung auf irdischen Lohn, als Heiligung und Beseelung der Welt mit Gottes Hilfe. Heute wie ehedem läßt sich von diesem gläubigen Streben sagen: »Dies ist immerwährende Glückseligkeit... Dies heißt »in den Himmel kommen«. Dies heißt, nach dem Ebenbild und Gleichnis Gottes erschaffen zu sein.«275)
»...Krieg und Hader verschwinden und werden nicht mehr sein.«
- ’Abdu'l-Bahá276)
Individualethik allein war nie und ist auch heute nicht ausreichend.
Geist bedarf der Form, individuelle Heiligung vergeistigter
gesellschaftlicher Strukturen,
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Mystik der klaren Ordnung des Gesetzes, um die Welt nachhaltig zu
gestalten. Schon gar angesichts des besonderen heilsgeschichtlichen Auftrags
der Bahá’í-Offenbarung, der Einheit der Menschheit, kann sich die Botschaft
Bahá’u’lláhs nicht darauf beschränken, »nur dasselbe erhabene
Richtmaß persönlichen Verhaltens, wie ... die vor Ihm gekommenen
Propheten«277) wieder aufzugreifen und neu zu bestätigen.
Seine Botschaft kann nicht nur Maßstab für den einzelnen sein; ihrem
gesellschaftsumspannenden Ziel entsprechend befaßt sie
sich »in erster Linie mit der Natur jener notwendigen Beziehungen, die alle
Staaten und Nationen als Glieder einer menschlichen Familie verbinden
müssen«278). Es kann an dieser Stelle nicht darum gehen, das Gesetz
Bahá’u’lláhs auch nur kursorisch vorzustellen.279) Zwei Aspekte
allerdings, die für die Friedensordnung der Bahá’í-Religion — dem verheißenen
Größten Frieden — von besonderer Bedeutung sind, sollen kurz erörtert werden.
Neuralgische Punkte aller gestifteten Religionen sind die Regelungen von Nachfolge und Rechtsgestalt der Gemeinde. Beides ist in der Religion Bahá’u’lláhs vom Stifter selbst vorgegeben. Person und Kompetenzbereich der Nachfolger sind in besonderen Dokumenten niedergelegt und wesentlicher Teil der Bündnisverpflichtung der Gläubigen.281) Die immense Bedeutung dieser Sicherungsmaßnahme für den inneren Frieden enthüllt sich leicht beim Studium der Frühgeschichte anderer Religionen.282) Auch die Rechtsgestalt der Gemeinde Bahá’u’lláhs gründet im offenbarten Recht.283) Ihre Institutionen sind vom Stifter selbst vorgegeben und von den beiden ernannten Nachfolgern in der Zuweisung von Einzelfunktionen ergänzt. Alle entscheidungsbefugten Institutionen werden demokratisch bestellt. Es ist ihre Aufgabe, die gesellschaftlichen Aspekte des Gesetzes Bahá’u’lláhs in Geist und Form anzuwenden und — soweit der Wortlaut des Gesetzes dies ermöglicht — an die sich historisch verändernde Wirklichkeit anzupassen.
Die Verwaltungsinstitutionen des
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Glaubens bilden Nukleus und Modell einer von der Offenbarung Bahá’u’lláhs
geprägten Weltordnung.284) Die Institutionen sind geschaffen, an Stelle
traditioneller Herrschaft von Menschen über Menschen eine am Ideal
geistigen Konsenses285), des organischen Welt-Gemeinwohls286) und
der freien, verantwortungsbewußten Entfaltung des einzelnen287) ausgerichtete
Politik zu betreiben. Wesentlich ist dabei der Entscheidungsprozeß, der nicht
herrschafts- und interessenorientiert sein darf, sondern einem geistig
bestimmten Gemeinwohl, dem Gedanken des Dienstes für die ganze
Menschheit, verpflichtet ist.288)
Dieses Weltgemeinwesen unter dem Wort Gottes ist Verheißung und Gnadengeschenk: »Die Hand der Allmacht hat Seine Offenbarung auf einen unverletzlichen, dauerhaften Grund gestellt. Stürme menschlichen Streites vermögen ihre Grundfesten nicht zu schwächen, noch werden die wunderlichen Ideen der Menschen ihrem Aufbau schaden können.«289)
Doch Zeit und bewußte Anstrengung braucht die Verwirklichung dieser
weltumspannenden Ordnung; nicht fertig gegeben fällt sie dem untätig
staunenden Gottesvolk in den Schoß; sie bedarf, um irdisch-greifbare
Gestalt zu gewinnen, des gewandelten, handelnden Menschen290)
und der Institutionen, die allmählich zu sich selbst finden.291)
Ein Weg nicht ohne Fährnisse: Die jeder Organisation inhärenten oligarchischen
Tendenzen, die häufig beklagte »Verkirchlichung« des lebendigen Glaubens
in allen religiösen Systemen, die Gefahr von Verkrustung und Deformation,
sind soziale Gegebenheiten, denen bewußt entgegengesteuert werden muß.
Strukturelle und ethische Grundmuster stehen dazu bereit, sind Teil der
präsenten Eschatologie dieser Sendung. Auch Einzelmenschen sind von Natur
aus weder gleich noch einig in Zielsetzung, Erwartung, Hoffnung und
Prioritätensetzung. Sie werden es auch nicht, wenn sie der Gemeinde
Bahá’u’lláhs beitreten. Sekten suchen diesem Problem zu entgehen, indem
sie sich bewußt eng definieren, d.h. als notwendig kleine auserwählte
Gruppe mit scharfer Abgrenzung nach außen und erheblichem Konformitätsdruck
nach innen, als kleine Schar der Heiligen in einer unheiligen
Welt.292) Bahá’u’lláh richtet Sein Wort
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an alle Menschen, spricht sie als Einheit an. Seine Gemeinde ist damit offen,
geradezu durch die Mannigfaltigkeit ihrer Glieder bestimmt; in ihr treffen
Menschen mit Vorprägungen der unterschiedlichsten Rassen, Nationen,
Schichten, Klassen, Religionen und Ideologien aufeinander. Was Bahá’u’lláh
seinen Anhängern als Teil der präsenten Eschatologie an die Hand gibt, ist
ein neues Milieu der Problembewältigung: Dazu gehören Basiswerte, ein abstrakt
formuliertes Fernziel, das Wort als richtungweisendes Gegenüber im
Lebenskampf, die Gemeinde und ihre Institutionen als Übungsfeld für die
notwendig neuen psychischen und gesellschaftlichen Strukturen. »Erkenntnis,
Wille, Tat«,293) diese Begriffe kennzeichnen die Dynamik der
Veränderung. Erkenntnisquellen sind Wort und Erfahrung, ein nie abgeschlossener
Prozeß, der extreme Lernbereitschaft voraussetzt und der ohne gesellschaftliche
Umsetzung steril bliebe. Einheit ist in diesem Kontext die Fähigkeit, sich
gegenseitig in aller Verschiedenheit zu ertragen, Verständnis für das Fremde im
anderen zu lernen, es gerade als Ausdruck der göttlichen Wirklichkeit zu lieben,
Werte bewußt zu erkennnen, zu gewichten und dann Entscheidungen zunehmend friktionsärmer
zu treffen — gerade auch als Institution. Einheit ist nicht Zustand, sondern ein
nie abgeschlossener Prozeß. Mit Bezug auf diese Annäherung an den Größten Frieden
sagt Daniel Jordan zu Recht: »Der Kampf um die Welteinheit findet dementsprechend
weit mehr innerhalb als außerhalb der Bahá’í-Gesellschaft statt.«:294)
Frucht dieses Prozesses fortdauernder individueller und sozialer Perfektibilität des Menschen unter dem Wort und der Gnade Gottes ist das in allen Religionen verheißende »Reich Gottes auf Erden«, das Reich des »Friedefürsten«, der Größte Frieden, die endliche Realisierung präsenter Eschatologie. Ein umfassende Wandlung des Menschen im Glauben an das neue Gesetz:295) wird erstmals nicht begrenzt, sondern weltumgreifend erfolgen, »denn die Erde wird voll sein der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn,” wie Wasser das Meer bedeckt«.:297) Der Wandel gesellschaftlicher Leitnormen ist radikal: Friedfertigkeit, Solidarität, Mitleid und Gerechtigkeit verändern völlig Struktur und Charakter der Gesellschaft.:298) Das Ringen um diese Werte, der damit verbundene friedfertige Kampf, die ungeheuere Anforderung an die Lernbereitschaft von einzelnen und Institutionen, an die Gottesfurcht, Zivilcourage, geistige Unabhängigkeit und Freiheit und den daraus geborenen Gehorsam in Liebe zu Gott und Seiner Menschheit ist wohl der wesentlichste Beitrag der entstehenden Bahá’í-Kultur für den Frieden der Welt, auch in der Etappe des Geringeren Friedens. Über diesen wird weiter noch zu reden sein.
- 1) An die Zentralorganisation für einen dauerhaften Frieden im Haag, Frankfurt 1968, S. 3
- 2) Bericht des Montreal Daily Star vom 11. September 1912 über ein Interview mit 'Abdu'l-Bahá, zitiert in: Balyuzi, ‘Abdu’l-Bahá, Bd. 1, S. 356ff
- 3) a.a.0., S. 357
- 4) Auch außerhalb der vorderasiatischen Religionslinie von Judentum — Christentum — Islam finden sich analoge messianische Hoffnungen: 3000 Jahre nach Zarathustra erwarten dessen Anhänger das Kommen des »Retters«, des Saoshyant. Die Buddhisten harren auf den Maitreya, den Buddha der Endzeit. Hinduistischen Erwartungen zufolge wird als zehnter Avatára Visnus Kalkin erscheinen, um mit blitzendem Schwert die Bösen zu bestrafen, die Guten zu belohnen und als Heilsbringer einen neuen Äon einzuleiten. E. Abegg (Der Messiasglaube in Indien und Iran, Berlin 1928) kommt in seinen Untersuchungen zu dem Schluß, daß die hinduistischen, buddhistischen und iranischen Messiasgedanken unabhängig voneinander aus den jeweiligen Religionen erwachsen sind.
- 5) Zum Ganzen vgl. Rudolf Bultmann, Geschichte und Eschatologie, Tübingen 31979, S. 19-23, 28-36; siehe auch Gershom Scholem, Über einige Grundbegriffe des Judentums, Frankfurt 1970, S. 126ff
- 6) Schalom Ben-Chorin, Dein Reich komme. Reich-Gottes-Erwartungen in jüdischer und christlicher Sicht, in: Werner Licharz/Martin Stöhr (Hrsg.), Einladung ins Lehrhaus. Beiträge zum jüdischen Selbstverständnis, Frankfurt 1981, S. 51
- 7) Scholem, Grundbegriffe, S. 167
- 8) Scholem, Grundbegriffe, S. 138
- 9) Zur Unterscheidung von restaurativem, apokalyptischem, utopischem und rationalistischem Messianismus siehe Scholem, Zum Verständnis der messianischen Idee im Judentum, in: Grundbegriffe, S. 121ff
- 10) Schalom Ben-Chorin, Jüdischer Glaube, Tübingen 21979, S. 288
- 11) Scholem, Grundbegriffe, S. 159f; Ben Chorin, Jüdischer Glaube, S. 287
- 12) Vgl. Rudolf Bultmann, Geschichte und Escha-
- 13) Da hier lediglich der Fortgang der Rezeption des Heilsgedankens angedeutet werden soll, kann außer acht bleiben, ob damit tatsächlich eine Neubestimmung oder doch nur eine Akzentverlagerung vor dem akzeptierten Hintergrund der übrigen Evangelien vorgenommen wurde.
- 14) Zitiert nach Ben-Chorin, Dein Reich komme, S. 47. Loisy war ein Vertreter des Modernismus in der katholischen Kirche. Er wurde im Jahre 1908 exkommuniziert.
- 15) Ben-Chorin verweist in diesem Zusammenhang auf den nicht hebräischen Ursprung des Begriffs »Paradies«, a.a.O., S. 48
- 16) Theologie der Hoffnung. Untersuchungen zur Begründung und zu den Konsequenzen einer christlichen Eschatologie, München 111980, S. 12
- 17) Vgl. etwa Hermann Fischer, Systematische Theologie, in: Georg Strecker (Hrsg.), Theologie im 20. Jahrhundert, Tübingen 1983, S. 314ff; Reinhart Maurer, Chiliasmus und Gesellschaftsreligion, Thesen zur politischen Theologie, in: Jacob Taubes (Hrsg.), Religionstheorie und Politische Theologie, Bd. 1, München u.a. 1983, S. 117ff; sowie die Sammelbände von Helmut Peukert (Hrsg.), Diskussion zur »politischen Theologie«, München 1969 und Ernst Feil/Rudolf Weth (Hrsg.), Diskussion zur »Theologie der Revolution«. München 1969
- 18) Auf der Weltkirchenkonferenz von Evanston/USA 1954 konnte man sich nicht einigen, ob mit der Wiederkunft Christi noch zu rechnen sei.
- 19) Qur’án 9:29 lautet: »Kämpfet wider diejenigen aus dem Volk der Schrift, die nicht an Gott und den Jüngsten Tag glauben und nicht verbieten, was Gott und Sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion/Ordnung (dín) angehören, bis sie den Tribut aus der Hand gedemütigt entrichten.« Vgl. auch Qur’án 9:5, 9:36.
- 20) Vgl. auch Qur’án 2:190, 2:256, 4:90, 5:8, 8:61f, 16:125, 20:130, 29:46, 49:9, 49:13
- 21) Vgl. dazu meine Rezension: Stationen politischer Theologie im schiitischen Islam, in Bahá’í-Briefe 48, 13. Jg. 1984, S. 66ff
- 22) Vgl. etwa Shoghi Effendi, Weltordnung, S. 91-95
- 23) In den Worten Bahá’u’lláhs: »Denn jedes Zeitalter fordert ein neues Maß an Gottes Licht. Jede göttliche Offenbarung wurde so herabgesandt, wie es den Verhältnissen des Zeitalters entsprach, in dem sie erschien.« Ährenlese 34:7. Vgl. auch 'Abdu'l-Bahás Unterscheidung eines ewigen und eines zeitbedingten Teils der Religion, Beantwortete Fragen, Kap. 11, S. 58f.
- 24) 5, Mose 5:17
- 25) Vgl. etwa 2. Mose 17:8; 23:22, 27-33; 5. Mose 7:17-24; 11:25; 28:7; Richter 1:4; 4:14f; 5:11, 31; 6:14, 16; 7; Josua 7; 8:1-29; 10:8; 11:6, 15; 23:3-5, 9f; 24:8-12
- 26) „Seht, ich lege euch heute Segen und Fluch vor: den Segen, wenn ihr gegen den Herrn, euren Gott, gehorsam seid, den Fluch aber, wenn ihr den Befehlen des Herrn, eures Gottes nicht Folge leistet, sondern abweicht von dem Weg, den ich euch heute anbefehle ...« 5. Mose 11:26-28; vgl. auch 3. Mose 26:24-39
- 27) 2. Samuel 10:12
- 28) Vgl. etwa Richter 5:23
- 29) Vgl. 2. Mose 22:23 und 5. Mose 6:25. Das göttliche Gesetz ist die unabdingbare Leiter zur Vervollkommnung des einzelnen wie der Gesellschaft.
- 30) Dies zeigt sich auch in der Situation eines Bruderkriegs: Richter 19:22-20:48. Auch die zahlreichen Todesstrafen für Vergehen gegen das göttliche Gesetz sind so zu verstehen, etwa: 2. Mose 21:12, 14-17, 29; 22:17f; 3. Mose 10:9; 18:29; 20:3-6, 9-21, 27; 24:17, 21; 4. Mose 15:31, 35; 25:4f; 5. Mose 13:6, 7-12, 13-17; 17:1-7, 12; 19:21; 21:21; 22:21-25
- 31) Dieser Begriff findet sich im Alten Testament 237 mal.
- 32) Etwa Jeremia 28:9: 2. Samuel 11:7
- 33) »Huld«, »Gnade«, »Bundestreue« usw.
- 34) »Recht«, »Gerechtigkeit« usw.
- 35) »Wahrheit«, »Treue«, »Zuverlässigkeit« usw.
- 36) »Segen«
- 37) „Bund«, »Verheißung«, »Bündnis«
- 38) Pinchas Lapide, Zukunftserwartung und Frieden im Judentum, in: Gerhard Liedke (Hrsg.), Eschatologie und Frieden, Heidelberg 1978, Bd. 2, S. 127
- 39) Vgl. etwa 3. Mose 26:6-9
- 40) Etwa 2. Mose 32
- 41) Lapide, a.a.O., S. 128f
- 42) 2:2-4
- 43) Vgl. dazu Friedrich Wilhelm Kantzenbach, Christentum und Gesellschaft, Bd. 1, Hamburg 1975, S. 44-49
- 44) Matthäus 5:21; 19:18; Markus 10:19; Lukas 18:20; Römer 13:9; Jakobus 2:11
- 45) Matthäus 5:43; 19:19; 22:39; Markus 12:31, 33; Lukas 10:27; Römer 13:9; Galater 5:14; Jakobus 2:8
- 46) Matthäus 5:9, 39-41, 43f; 26:51f; Markus 14:47: Johannes 18:10
- 47) Paulus Engelhardt, Die Lehre vom »gerechten Krieg« in der vorreformatorischen und katholischen Tradition, in: Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (Hrsg.), Der gerechte Krieg: Christentum, Islam, Marxismus, Frankfurt 1980, S. 72
- 48) Matthäus 5:17-20
- 49) Die veränderte Lage spiegelt sich in einem Beschluß der von Konstantin einberufenen Synode von Arles in Jahre 314: »In Bezug auf die, die im Frieden die Waffen wegwerfen, gefiel es (der Synode), daß sie sich der Kommunion enthielten.« Also Exkommunikation der Befehlsverweigerer im Heer in Friedenszeiten. Nach Engelhardt, S. 73
- 50) Qur’án 3:86
- 51) Qur‘án 22:77; vgl. dazu Qurán 2:125: »Gott sagte zu Abraham: unterwerfe dich (arab.: asslim l’Alláh)!« mit Bezug auf 1. Mose 17:1 »Ich bin der Allmächtige Gott: wandle vor mir und sei ungeteilt (hebr.: schelim) mit mir.« Des weiteren Qur’án 2:124ff; 3:68, 95. Siehe dazu Pinchas Lapide a.a.O., S. 143f
- 52) 3. Mose 26:6-9
- 53) Oder dár al-kufr, das »Gebiet der Ungläubigen«
- 54) Qur’án 9:41
- 55) Vgl. Christiane Rajewsky, Der gerechte Krieg im Islam, in: Der gerechte Krieg, S. 21
- 56) Heilige Monate sind der erste, Muḥarram, der neunte, Ramaḍán, der elfte, Dhú l-qa’da und der zwölfte, Dhú l-ḥijja, der zwölf Monate des islamischen Mondjahres.
- 57) Qur’án 2:217
- 58) Im Unterschied zu den »Völkern des Buches«, den Anhängern der dem Islam vorangegangenen Offenbarungsreligionen, die bereits an den einen Gott glauben und denen im Qur’án eine vorher nie gekannte Toleranz zuteil wird.
- 59) So flehte Muḥammad in der Schlacht von Badr (März 624): »O Gott! Erfülle, was Du mir verheißen hast! Sollte diese Schar von Muslimen hinweggerafft werden, niemand bliebe auf Erden zurück, Dir zu dienen.« Zitiert nach: Hasan M. Balyuzi, Muḥammad and the Course of Islam, Oxford 1976, S. 67
- Es muß hier auch auf den Unterschied in der Situation Muḥammads und Jesu hingewiesen werden: »... die aggressive und drohende Haltung der Götzendiener zwang Muḥammad zum Handeln, da Er nicht länger nur Nadhir (der »Warner«) und Bashir (‚der Bringer der Frohbotschaft«) war (— wie Jesus —) sondern als Oberhaupt einer großen Oase Pflichten gegenüber der Bevölkerung hatte. Er mußte für die Sicherheit der Menschen in Medina sorgen...« Balyuzi, S. 62. Daneben sei auf eine Besonderheit der römischen Religionspolitik verwiesen: Die römische Religionsvorstellung war von Anfang an offen für die Übernahme fremder Götter und Kulte, die in die eigene Glaubenswelt integriert wurden. Die Christen wurden in dieser Atmosphäre relativer religiöser Toleranz — oder besser Indifferenz — nur darum sporadisch verfolgt, weil sie nicht bereit waren, auch den heidnischen Göttern mit zu huldigen, eine Weigerung, die mit dem Kaiserkult auch politische Dimensionen annahm. Eine systematische, kontinuierliche Verfolgung der Christen um ihres Glaubens willen, die den Fortbestand ihrer Religion gefährdet hätte, hat es nie gegeben.
- 60) 2:221; vgl. auch 2. Mose 34:16; 5. Mose 7:3f
- 61) 47:4; 9:13f, 123; vgl. 2. Mose 23:32f; 34:12, 15; 5. Mose 7:2
- 62) Vgl. dagegen 5. Mose 23:3-9
- 63) 2:190-193; 8:1, 15-19, 38-41, 56-61, 65-71
- 64) Qur’án 2:190
- 65) Vgl. 2:216; 9:24, 38
- 66) Muḥammad trug ein Schwert mit den eingravierten Worten: »Feigheit trägt ihr Mal, ein kühner Angriff beweist den Heldenmut. Wer aber flieht, kann seinem Schicksal nicht entgehen.« Zitiert nach Balyuzi, S. 77
- 67) Qur’án 8:65; vgl. 3. Mose 26:8
- 68) Qur’án 3:169; 9:88f, 111; 22:.58f: 47:4, 6; 61:11f; vgl. auch Balyuzi, S. 67
- 69) 9:24, 45
- 70) Qur’án 22:55f
- 71) Der »Wiedereroberung« Spaniens durch die Christen, im 11. bis 13. Jahrhundert (mit Ausnahme Granadas, das erst 1492 fiel).
- 72) 1096 - 1270
- 73) Christiane Rajewsky, S. 37 mit Verweisen. Damit wird allerdings nur auf die Ideengeschichte des Kreuzzugsgedankens Bezug genommen, nicht auf die vielfältigen politischen und wirtschaftlichen Motive seiner kriegerischen Realisierung.
- 74) Johanna Maria von Winter, Rittertum. Ideal und Wirklichkeit, München 21979, bes. S.18, 22f, 35-37, 44ff
- 75) a.a.O., S. 23
- 76) Es ist kein Zufall, daß gerade Wolfram den »Sarazenen« als ritterlichen Gegner, aber auch als Freund und Mitgeschöpf achtet und die blutige Praxis der Kreuzzüge als »große Sünde« geißelt.
- 77) Vgl. 3. Mose 26:6-9
- 78) So etwa sehr deutlich in der historischen Situation des Deuterojesaja (ca. 587 - 539 v. Chr.), in der Zeit der Rückkehr des Volkes Israel aus dem Exil in Babylon. Doch auch hier sind präsente und zukünftige Eschatologie verwoben, etwa durch den Hinweis auf den »neuen Himmel und die neue Erde«, d.h. die nächste Manifestation (Jesaja 66:22).
- 79) Vgl. Jesaja 40:1f,31; 41:10; 45:17; 24f; 46:13
- 80) 'Abdu'l-Bahá unterscheidet zwei Arten von Propheten: Die unabhängigen Propheten, im Bahá’í-Schrifttum zumeist Manifestationen genannt, sind die Stifter neuer Religionen, Begründer eines neuen religiösen Gesetzes, wie etwa Moses, Christus, Muḥammad, der Báb und Bahá’u’lláh. Abhängige Propheten, wie etwa David, Jesaja, Jeremia und Hesekiel, sind Nachfolger der vorangegangenen Manifestation, Bekräftiger und Förderer des bereits gestifteten Glaubens und stehen unter dessen Gesetz. Vgl. Beantwortete Fragen, Kap. 43, S. 163f. Zum Begriff der »Manifestation« siehe weiter das Stichwort »Bahá’ísmus« im Bd. 5 der Theologischen Realenzyklopädie, Berlin 1979, Ziffer 3.1.2.: Claudia Gollmer, Grundlagen, S. 98ff; Udo Schaefer, Der Bahá’í, 166ff.
- 81) Ein eschatologischer Begriff in allen Religionen, der sich auf die Erscheinungszeit des Verheißenen bezieht, vgl. etwa: Ährenlese 4:1, 7:1f, 11:1, 14:5, 18:2f; Qur’án 19:37-40, 24:65, 28:65f, 40:15-18; Matthäus 24:36, 25:13; Markus 13:32; Apostelgeschichte 2:20, 3:24; Jesaja 2:2, 2:11, 13:6; Hesekiel 30:3; Obadja 15; Maleachi 3:2. Zum kontinuierlichen und verpflichtenden Charakter dieser Hinweise schreibt 'Abdu'l-Bahá: »Abraham, Friede sei mit Ihm, errichtete einen Bund hinsichtlich Mose und gab die frohe Botschaft Seines Kommens. Moses errichtete ein Bündnis hinsichtlich des Verheißenen und verkündete der Welt die gute Kunde der Offenbarung Christi. Christus errichtete ein Bündnis hinsichtlich des »Trösters« und gab die Botschaft Seines Kommens. Der Prophet Muḥammad errichtete ein Bündnis hinsichtlich des Báb (siehe Anm. 248), und der Báb war der von Muḥammad Verheißene, denn Muḥammad gab die Botschaft Seines Kommens.« 'Abdu'l-Bahá, in: Bahá’í World Faith. Selected Writings of Bahá’u’lláh and ‘Abdu’l-Bahá, Wilmette 31976, S. 358. Zum Begriff des »Trösters« (Johannes 14:16) vgl. Der Báb, Der Persische Bayán 4:11; siehe auch Hermann Grossmann, Bündnis, S. 39, Anm. 47.
- 82) Siehe Anm. 80
- 83) So stellt 'Abdu'l-Bahá mit Bezug auf Qur’án 8:63 fest: »Nichts in der Welt ist durchführbar, ja nicht einmal denkbar ohne Einheit und Einklang, und das vollkommene Mittel, Freundschaft und Einheit zu bewirken, ist wahre Religion. »Hättest Du auch alle Schätze der Welt darauf verwandt, ihre Herzen hättest Du nicht geeint; Gott aber hat sie geeint (Qur’án 8:63).« Das Geheimnis göttlicher Kultur, S. 70; vgl. auch Qur’án 48:29.
- 84) Das Gesamtarsenal atomarer Waffen entspricht derzeit der Sprengwirkung von 20 Mrd. Tonnen TNT, das ist 1,6 millionenmal die Sprengkraft der Hiroschimabombe. Umgerechnet auf die Weltbevölkerung ist dies eine Sprengkraft von 5 Tonnen TNT pro Kopf; auf jeden Einwohner der zu den beiden großen Militärblöcken gehörenden Staaten umgerechnet sogar 60 Tonnen. In einem im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation erstellten Szenario über die Auswirkungen eines totalen Atomkriegs wird mit 1,1 Milliarden unmittelbaren Todesopfern und weiteren 1,1 Milliarden Verletzten ohne jede Chance auf medizinische Hilfe gerechnet (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11.5.1983). Nicht aufgenommen in diese Zahlen sind die wahrscheinlichen Folgeopfer durch Kontamination der Umwelt und den Zusammenbruch der Ordnungssysteme. Unberücksichtigt bleibt auch die Gefahr des »atomaren Winters«. Vgl. auch den vom US-Senat in Auftrag gegebenen Bericht des Office of Technology Assessment über Atomkriegsfolgen, Frankfurt 21984.
- 85) Vgl. etwa den Bericht der Zeit vom 13.6.1980 über mehrere Computerpannen im Frühwarnsystem der USA.
- 86) Auf sowjetischer wie auf amerikanischer Seite gab oder gibt es Gedankenspiele, die für den Fall eines umfassenden gegnerischen Nuklearangriffs mit der Vorstellung einer Art »Weltuntergangsmaschine« spielen: Die Explosion einer großen Zahl von Atomwaffen auf dem eigenen Territorium, was der ganzen Welt den atomaren Winter bescheren würde. Vgl. etwa Der Spiegel 2/1985, S.85 und 4/1985, S. 164ff.
- 87) Beantwortete Fragen, Kap. 77, S. 261
- 88) 2, Mose 21:23ff
- 89) Star of the West, Bd. 11, Nr. 17, 1921, S. 288
- 90) Matthäus 5:5
- 91) Matthäus 5:25
- 92) Matthäus 5:44
- 93) Matthäus 5:38-40
- 94) So der Titel seines Buches, München 1983. Siehe aber auch Anm. 103
- 95) a.a.0., S. 25
- 96) S. 30
- 97) S. 30
- 98) S. 29
- 99) S. 29f
- 100) S. 78
- 101) S. 27
- 102) Ein herausragender Vertreter dieser Auffassung war Leo Tolstoi (vgl. Wilhelm Albert Hauck, Rudolf Sohm und Leo Tolstoi, Rechtsordnung und Gottesreich, Heidelberg 1950).
- 103) S. 81. Später nimmt Alt diese Aussage allerdings weitgehend zurück, bis hin zu dem Eingeständnis: »Ich würde den Satz, ›man kann nur im Geiste der Bergpredigt regieren‹, heute nicht mehr schreiben. Staaten können das nicht.« Frieden und Freiheit sind möglich. Das Streitgespräch Franz Alt mit Heiner Geißler, München 1983, S.34. Vgl. auch a.a.O., S. 15, 62.
- 104) Etwa Matthäus 5:27-33
- 105) Vgl. Matthäus 5:10,11; 7:13,15
- 106) Matthäus 5:12
- 107) Johannes 17:19
- 108) Johannes 15:19
- 109) Johannes 18:36
- 110) Johannes 14:27. Vgl. auch Johannes 16:33; Matthäus 10:13; Lukas 10:6; Römer 14:17; 15:13; Epheser 2:17.
- 111) Etwa Matthäus 5:22,25; 22:17-21; Markus 12:14-17; Lukas 20:22-25
- 112) Die Frage ihrer Form kann hier offenbleiben.
- 113) Vg]. etwa Matthäus 18:21-35. Entsprechendes gilt für Bahá’u’lláhs Forderung nach freiwilligem Teilen: »Freiwilliges Teilen ist mehr als Gleichheit ..., der Mensch sollte sich nicht selbst anderen vorziehen, sondern Leben und Besitz für sie opfern. Doch darf dies nicht durch Zwang eingeführt und zum Gesetz werden, dem man gehorchen muß. Statt dessen sollte man freiwillig und aus eigenem Antrieb Leben und Besitz für andere opfern...« 'Abdu'l-Bahá, Selections 227:19.
- 114) Matthäus 25:40
- 115) Frieden ist möglich, S. 112
- 116) a.a.O., S. 117
- 117) Qur’án 49:12
- 118) Johannes 8:7
- 119) Römer 10:4
- 120) 'Abdu'l-Bahá, Promulgation, S. 394, zitiert nach: Die Bahá’í-Religion, Eine Einführung, Oberkalbach 1971, S. 12
- 121) Ährenlese 113:2
- 122) Johannes 16:33
- 123) Matthäus 5:13
- 124) Ährenlese 82:7
- 125) Matthäus 5:14
- 126) 'Abdu'l-Bahá, Das Gesellschaftsmodell von Bahá’u’lláh, in: Bahá’í-Briefe, Heft 39, 10. Jg. 1960, S. 1046
- 127) a.a.O., S. 1047
- 128) Vgl. 'Abdu'l-Bahá, Das Geheimnis göttlicher Kultur, S. 48f, 59
- 129) Vor allem unter Berufung auf Matthäus 5:17-19
- 130) Römer 10:4
- 131) Joseph Schacht, Islamisches religiöses Recht, in: Schacht/Bosworth (Hrsg.), Das Vermächtnis des Islams, Bd. 2, München 21983, S. 167
- 132) So auch die besondere Betonung der absoluten Transzendenz und Einzigkeit Gottes in scharfer Ablehnung trinitarischer Vorstellungen, vgl. etwa Qur’án 9:31, 3:51, 4:171
- 133) Diese Sichtweise eines historischen Kontinuums im offenbarten Wort entspricht nicht muslimischer Interpretation. Der Qur’án gilt (mit Bezug auf Sure 43:3) als Abschrift des ummu’l-kitáb, des himmlischen Mutterbuchs, ist mithin vollständig, unüberholbar, ewig und unveränderlich. Damit wird dem Qur’án eine analoge zentrale und übergeschichtliche Stellung zugemessen wie in christlicher Deutung der Person Jesu Christi.
- 134) 3:17; 3:199
- 135) 31:14
- 136) 3:134; 4:128
- 137) 4:149
- 138) 2:177; 3:17, 146, 186, 200
- 139) 2:237
- 140) 3:134
- 141) 4:128
- 142) 4:86
- 143) 4:36
- 144) 4:127
- 145) 4:85
- 146) 3:92
- 147) 3:134
- 148) 2:237
- 149) 2:262
- 150) 49:19
- 151) 2:177; Sure 107
- 152) 3:30
- 153) 4:127
- 154) 2:264
- 155) 4:36; 31:18
- 156) 4:49
- 157) 49:6,11,12
- 158) 4:32
- 159) 3:180, 4:32
- 160) 4:2
- 161) 2:8ff; 4:38
- 162) 5:105
- 163) 3:16
- 164) ‘Abdu’l-Bahá, Das Geheimnis göttlicher Kultur, S. 68
- 165) Qur’án 5:64
- 166) Bahá’u’lláh, Botschaften 8:76
- 167) 'Abdu’l-Bahá, Beantwortete Fragen, Kap. 11, S. 61
- 168) a.a.O. S. 62
- 169) Ährenlese 155:4
- 170) Vgl. Bahá’u’lláh, Verborgene Worte, arab. 5
- 171) Vgl. dazu einschränkend a.a.O. pers. 71
- 172) Vgl. 'Abdu'l-Bahá, Ansprachen, S. 102; Promulgation, S. 117, 128, 129, 170, 181, 232, 287, 298, 315, 328, 347, 373, 394, 454f; siehe dazu auch Bahá’u’lláh, Botschaften 8:63, 11:15, 15:4
- 173) Erst in den 50er oder 70er Jahren des 18. Jahrhunderts sollte hier der Bevölkerungsstand von um 1600 wieder erreicht werden.
- 174) Die Beziehung zwischen dem Werden des Nationalstaats mit der auf ihn bezogenen neuen inneren und äußeren Friedensordnung und dem Impuls der Offenbarung Muḥammads bedarf dringend weiterer Untersuchung. Vgl. dazu Denis MacEoin, The Concept of the Nation in Islam, in: World Order, Bd. 10, Summer 1976, S. 7-21
- 175) Qur’án 28:68,88
- 176) Johannes 16:13
- 177) Vgl. dazu Claudia Gollmer, Grundlagen, Kap. 4, S. 91ff
- 178) Zu diesem Begriff siehe Anmerkung 80
- 179) Vgl. Beantwortete Fragen, Kap. 38, S. 152
- 180) Vgl. Ährenlese 34:6
- 181) Vgl. Ährenlese 31; 33:2
- 182) Ährenlese 34:7; vgl. auch 31; 34:4; 38; 'Abdu'l-Bahá in: Shoghi Effendi, Weltordnung, S. 60
- 183) Dies gilt auch umgekehrt: »Wie mannigfaltig sind die Wahrheiten, die unausgesprochen bleiben müssen, bis die festgesetzte Zeit gekommen ist.« Ährenlese 89:3
- 184) Bahá’u’lláh, Darya-i-Danish, Hidden Words, Words of Wisdom and Communes, Chicago o.J., S. 58ff; deutsch in: Worte der Weisheit. Verborgene Worte, Frankfurt 1965, S.8
- 185) Qayyúmu’l-Asmá‘, Kap. 62, Selections, S. 61
- 186) Auch mit Bahá’u’lláh ist die Kette der aufeinanderfolgenden Manifestationen Gottes keinesfalls abgeschlossen, denn Gott wird »fortfahren so zu tun bis an das »Ende, das kein Ende hat««. Bahá’u’lláh, Súriy-i-Ṣabr, zitiert in: Shoghi Effendi, Weltordnung, S. 177. Zu den verschiedenen Aussagen über die Dauer der Sendung Bahá’u’lláhs siehe Hermann Grossmann, Bündnis, S. 103-106.
- 187) Botschaften 17:103
- 188) „Das Wort Gottes allein kann für sich in Anspruch nehmen, die Fähigkeit zu einer so großen, so weitreichenden Wandlung zu besitzen.« Ährenlese 99; vgl. auch a.a.O. 14:4, 78:3; Botschaften 7:6, 8:26, 8:46, 9:12, 17:99, 17:115
- 189) Vgl. dazu Hermann Grossmann, Bündnis, S. 53-73
- 190) 'Abdu'l-Bahá, zitiert in: Shoghi Effendi, Weltordnung, S. 60
- 191) Botschaften 8:52
- 192) a.a.O. 6:30
- 193) 'Abdu'l-Bahá, Ansprachen in Paris, S. 18
- 194) Bahá’u’lláh, Ährenlese 131:2
- 195) Botschaften 7:13; vgl. auch 8:58
- 196) a.a.O. 6:27
- 197) Ährenlese 4:1
- 198) Botschaften 8:58
- 199) 'Abdu'l-Bahá, zitiert in: Shoghi Effendi, Weltordnung, S. 235
- 200) 1. Mose 2:15
- 201) 'Abdu'l-Bahá, Promulgation, S. 29
- 202) Bahá’u’lláh, Botschaften 6:57
- 203) Vgl. Qur’án 4:87, 4:172, 15:25, 18:99; Jesaja 60:3-4; Micha 4:2, Markus 13:27
- 204) Qur’án 83:6
- 205) Qur’án 40:16
- 206) Jesaja 51:4
- 207) Sacharja 14:9
- 208) Offenbarung 21:3-5; vgl. auch Hesekiel 37:27
- 209) Sacharja 9:10
- 210) Jesaja 60:17-18
- 211) Jesaja 2:4; vgl. auch Micha 4:4-5
- 212) Jesaja 11:6-9; vgl. 65:25
- 213) Jesaja 54:10
- 214) Kitáb-i-Asmá’ 17:2, Selections, S. 140
- 215) Zur Interpretation des Jüngsten Gerichts siehe Bahá’u’lláh, Kitáb-i-Íqán 119 (S. 80), 25 (S. 26), 54 (S. 41); Ährenlese 7:1, 10:1, 12, 17:1-4, 18:1-7; Botschaften 8:37
- 216) Siehe: Die Bahá’í im Iran. Dokumentation der Verfolgung einer religiösen Minderheit, Hofheim-Langenhain 1985; Bahá’í-Briefe 48, November 1984; Douglas Martin, The Persecution of the Bahá’ís of Iran 1844-1984, Bahá’í Studies 12/13, Ottawa 1984.
- 217) Dem heutigen Edirne.
- 218) Zum Ganzen siehe: Die Verkündigung Bahá’u’lláhs, Aus Seinen Schriften gerichtet an die Könige und Herrscher der Welt, Frankfurt 1967; Shoghi Effendi, Gott geht vorüber, S. 195-200, 234-242; Adib Taherzadeh, The Revelation of Bahá’u’lláh, Bd. 2, Kap. 15 und 16, Bd. 3, Kap. 6, 7 und 8; interessant auch die Verknüpfung der Ermahnungen und Warnungen Bahá’u’lláhs mit den historischen Ereignissen bei Geoffrey Nash, The Phoenix and the Ashes, Oxford 1984, S. 136-141.
- 219) Zitiert in: Shoghi Effendi, Gott geht vorüber, S. 242
- 220) Ährenlese 7:1
- 221) Ährenlese 118:7
- 222) Ährenlese 105:1,5,7
- 223) Ährenlese 105:6
- 224) So soll etwa Napoleon III. nach Erhalt Seines Briefes ausgerufen haben, »Wenn dieser Mann ein Gott ist, dann bin ich zwei Götter« (vgl. Nash, S. 137). Wenige Jahre später erfüllte sich an ihm die warnende Prophezeiung Bahá’u’lláhs: »Für das, was du getan hast, soll dein Reich in Verwirrung gestürzt werden; deine Herrschaft soll deinen Händen entgleiten, zur Strafe für das, was du verübtest.« Verkündigung, 5. 34
- 225) Amos 5:18
- 226) Ährenlese 119:1,3
- 227) Vgl. Brief im Auftrag Shoghi Effendis an einen Gläubigen, 14.3.1939, in: Helen Hornby, Lights of Guidance, New Delhi 1983, Nr. 850; Shoghi Effendi, Der Verheißene Tag, S. 185f. Das Universale Haus der Gerechtigkeit nennt diesen Prozeß in einem Brief vom 8.12.1967 (Wellspring of Guidance, Wilmette 1969, S. 134; dt. Botschaften des Universalen Hauses der Gerechtigkeit, Bd. 1, 1981, S. 79) den »Größeren Plan Gottes«, der sich auf »geheimnisvollen Wegen« vollzieht, »die Er allein zu führen weiß«.
- 228) Auf diesen Prozeß kann hier nur stichwortartig eingegangen werden. Zum besseren Verständnis sind eine Fülle von Detailstudien zum Gesamtkomplex der politischen Theologie der Bahá’í-Religion unverzichtbar, immer dessen eingedenk, daß Shoghi Effendi vor der Vermessenheit warnt, heute schon zu »einem genauen und befriedigenden Verständnis aller Aspekte und Schritte dieses Prozesses gelangen zu wollen« (Der verheißene Tag, S. 187). Zum Begriff des Größten Friedens vgl. Shoghi Effendi, Weltordnung, S. 232; Der verheißene Tag, S. 24, 52, 186f; Hornby Nr. 850; Wellspring of Guidance S. 133f (dt. Botschaften des Universalen Hauses der Gerechtigkeit, Bd. 1, S. 79).
- 229) Vgl. Shoghi Effendi, Das Kommen, S. 37ff: Hornby Nr. 852, 854; ’Abdu'l-Bahá in London. Addresses and Notes of Conversations, Reprint Oakham 1982, S. 83
- 230) Wellspring of Guidance, S. 134
- 231) Shoghi Effendi spricht von »fusion«; The World Order of Bahá’u’lláh, Wilmette 31974, S. 162
- 232) Shoghi Effendi, Citadel, S. 6, 32; Messages, S. 75
- 233) Citadel, S. 6
- 234) Vgl. Messages, S. 75. Die Dauer der Sendung Bahá’u’lláhs beziffert sich auf mindestens 1000 Jahre, der von Seiner Sendung eingeleitete Offenbarungszyklus auf mindestens 500.000 Jahre. Vgl. dazu Hermann Grossmann, Bündnis, S. 103ff.
- 235) Vgl. dazu Wellspring of Guidance, S. 134 (dt. 79): »... der Kleinere Plan, den Er uns als unsere Rolle in seinem großen Programm für die Erlösung der Menschheit anvertraut hat, ist klar beschrieben.«
- 236) Brief 35 (S. 34)
- 237) Bahá’u’lláh, Ährenlese 128:10
- 238) a.a.O. 120:3
- 239) Vgl. Bahá’u’lláh, Ährenlese 128:10, 144:1, 158 usw.
- 240) Vgl. Shoghi Effendi, Weltordnung, S. 173f
- 241) Vgl. Promulgation, S. 200ff, 347, 367ff, 408ff, 413ff
- 242) Bahá’u’lláh, Botschaften 7:13; vgl. 3:5, 4:10
- 243) ’Abdu'l-Bahá, Promulgation, S. 454
- 244) Vgl. Bahá’u’lláh, Ährenlese 132:2; Botschaften 6:28; 'Abdu'l-Bahá, Das Geheimnis göttlicher Kultur, $. 53, 56, 94; Bahá’í World Faith, S. 247
- 245) Vgl. Bahá’u’lláh, Ährenlese 137:5; Botschaften 6:10
- 246) Vgl. Bahá’u’lláh, Ährenlese 156; Botschaften 11:14
- 247) ’Abdu'l-Bahá, Promulgation, S. 410; vgl. auch S. 337ff, 402f; Ansprachen, S. 35
- 248) 1819-1850, Herold der Offenbarung Bahá’u’lláhs und Träger einer eigenen Sendung. Siehe Shoghi Effendi, Weltordnung, S. 181-189; ders., Gott geht vorüber, S. XXI-96; Hasan M. Balyuzi, The Báb, Oxford, 1973
- 249) Vgl. Pers. Bayán 7:6; Shoghi Effendi, Gott geht vorüber, Kap. 3; siehe auch Selections from the Writings of the Báb, S. 16f; eingehend dazu: Muḥammad Afnán / William S. Hatcher, Western Islamic Scholarship and Bahá’í Origins, Religion, 15. Jg. 1985, S. 29-51.
- 250) Botschaften aus Akká 3:4; vgl. auch a.a.O. 3:29 und direkt auf die Sendung des Báb bezogen 7:7; ebenso Bahá’u’lláh, Brief 36 (S. 35), 141 (S. 85), 43 (S. 37)
- 251) Bahá’u’lláh, Brief 42 (S. 37); Botschaften 3:26, 8:40, 8:62, 15:6; Ährenlese 96:3, 128:11, 136:4
- 252) Bahá’u’lláh, Brief 43 (S. 37); vgl. a.a.O. 44; Botschaften 6:39; Ährenlese 128:5
- 253) Bahá’u’lláh, Brief 128 (S. 77)
- 254) Bahá’u’lláh, Botschaften 17:56; siehe auch 3:15, 6:59, 11:50, 14:5; Ährenlese 55:1, 91:3, 91:5; Verborgene Worte arab. 45, 46, 71
- 255) ’Abdu'l-Bahá, Tablets of Abdul-Baha Abbas, Bd. 2, Chicago 2 1919, S. 334
- 256) Bahá’u’lláh, Brief 47 (S. 38); vgl. Botschaften 8:56
- 257) Bahá’u’lláh, Brief 41 (S. 36)
- 258) Bahá’u’lláh, Brief 43 (S. 37); Botschaften 7:7, 11:31, 13:10
- 259) Vgl. etwa Bahá’u’lláh, zitiert in: Shoghi Effendi, Weltordnung, S. 161; ’Abdu'l-Bahá, Selections 19:13, 184:2, 193:2, 195:8, 207:3, 208 usw.
- 260) Bahá’u’lláh, Botschaften 6:3; Ährenlese 91:4, 139:8; Verborgene Worte pers. 5
- 261) Promulgation, S. 169
- 262) ‘Abdu’l-Bahá, Selections 10:2
- 263) a.a.O. 201:2
- 264) a.a.O. 1:7; siehe auch ‘Abdu’l-Bahá, Kleine Auswahl, S. 7
- 265) Vgl. ‘Abdu’l-Bahá, Promulgation, S. 470
- 266) a.a.O., S. 169
- 267) ‘Abdu’l-Bahá, Ansprachen, S. 19
- 268) Bahá’u’lláh, Ährenlese 115:4, 130, 163:1; vgl. auch 100:6
- 269) Bahá’u’lláh, Brief 46 (S. 38)
- 270) Bahá’u’lláh, Botschaften 4:11
- 271) Bahá’u’lláh, Ährenlese 144:3
- 272) Botschaften 8:72
- 273) a.a.O. 7:11, 10:11
- 274) Selections 16:5; siehe auch ‘Abdu’l-Bahá, Kleine Auswahl, S. 10. Vgl. dazu Shoghi Effendi, Bahá’í Administration, S. 35
- 275) ‘Abdu’l-Bahá, Promulgation, S. 470
- 276) ‘Abdu’l-Bahá, Selections 16:5
- 277) Shoghi Effendi, Weltordnung, S. 93
- 278) a.a.O., S. 70
- 279) Vgl. dazu A Synopsis and Codification of the Kitáb-i-Aqdas, the Most Holy Book of Bahá’u’lláh, Haifa 1973 (deutsche Ausgabe in Vorbereitung); Shoghi Effendi, Gott geht vorüber, S. 243-250; Udo Schaefer, Grundlagen, bes. S. 38 ff
- 280) Unter »Nachfolge« meint christlicher Sprachgebrauch die imitatio Christi (Johannes 8:12, 12:26; Matthäus 4:19, 16:24; Lukas 9:23 usw.). Dies ist hier nicht gemeint, sondern die Fragen von Lehrgewalt und Führung der Gemeinde.
- 281) Siehe Bahá’u’lláh, Kitáb-i- ’Ahd, in: Botschaften 15; Synopsis and Codification of the Kitáb-i-Aqdas 16, S. 24; Abdu’l-Bahá, Wille und Testament, Oberkalbach 41973; Hermann Grossmann, Bündnis, Kapitel 2
- 282) Sind diese frühen Auseinandersetzungen und ihre bis heute dauernden Folgen für den Islam recht geläufig, so wird dies für die Frühgeschichte des Christentums leicht übersehen. Die Spannungen zwischen den Führungsgestalten Petrus, Paulus und dem Herrenbruder Jakobus (vgl. Galater 2; siehe etwa Hans Joachim Schoeps, Theologie und Geschichte des Judenchristentums, Tübingen 1949, S. 118ff, 320ff; Wilhelm Schneemelcher, Das Urchristentum, Stuttgart 1981, S. 155ff), zwischen Judenchristentum, Heidenchristentum und christlicher Gnosis haben nachhaltige theologische Differenzen bewirkt, die schließlich mehr Opfer forderten als die Christenverfolgungen des heidnischen römischen Staates (vgl. auch Jack McLean, The Deification of Jesus, World Order, Bd. 14, Nr. 3/4, Frühsommer 1980, S. 23ff).
- 283) Vgl. dazu Udo Schaefer, Grundlagen. Über den Aufbau der Institutionen informiert Kent Beveridge, Die gesellschaftspolitische Rolle der Bahá’í-Verwaltungsordnung innerhalb der Bahá’í, unter besonderer Betrachtung der zwei leitenden Institutionen, Diss. Wien 1977; Eunice Braun, The March of the Institutions, Oxford 1984
- 284) Vgl. Shoghi Effendi, Weltordnung, S. 206f
- 285) Vgl. etwa Geistige Räte — Häuser der Gerechtigkeit, Aus den Schriften von Bahá’u’lláh, 'Abdu’l-Bahá und Shoghi Effendi zusammengestellt vom Universalen Haus der Gerechtigkeit, Hofheim-Langenhain 1975, S. 15-18
- 286) Vgl. ‘Abdu’l-Bahá, Das Gesellschaftsmodell von Bahá’u’lláh, Bahá’í-Briefe a.a.O., S. 1046f; Shoghi Effendi, Weltordnung, S. 296-299
- 287) Vgl. etwa Geistige Räte — Häuser der Gerechtigkeit, S. 25; ‘Abdu’l-Bahá, Promulgation, S. 197
- 288) Eine Schlüsselstellung im Entscheidungsprozeß nimmt die Bahá’í-Beratung ein; vgl. dazu Beratung, Eine Zusammenstellung des Universalen Hauses der Gerechtigkeit aus den Schriften Bahá’u’lláhs, ‘Abdu’l-Bahás und Shoghi Effendis und aus Botschaften des Universalen Hauses der Gerechtigkeit, Hofheim-Langenhain 1979; Penelope Graham Walker, Beratung. Schlüssel zu kreativem Entscheiden, Hofheim-Langenhain 1982; A.L. Lincoln, Politik des Glaubens. Eine neue politische Kultur, Oberkalbach 1973, S. 21ff; Udo Schaefer, Der Bahá’í, S. 380ff
- 289) Bahá’u’lláh, zitiert in: Shoghi Effendi, Weltordnung, S. 165
- 290) Zum »Neuen Menschen« vgl. etwa Udo Schaefer, Der Bahá’í, S. 317ff
- 291) Nicht umsonst bleibt Bahá’u’lláhs Designation »Haus der Gerechtigkeit« bislang dem internationalen Führungsgremium der Bahá’í-Gemeinde vorbehalten; die örtlichen und nationalen Gremien werden noch »Geistige Räte« genannt. Vgl. Shoghi Effendi, Gott geht vorüber, S. 377; ders., Bahá’í Administration, Wilmette 61968, S. 39
- 292)Zur Diskussion des Sektenbegriffs siehe etwa Udo Schaefer, Sekte oder Offenbarungsreligion?, Hofheim-Langenhain 1982
- 293) Vgl. ‘Abdu’l-Bahá, Promulgation, S. 157
- 294) Durchbruch zur Selbstverwirklichung, Oberkalbach 1972, S. 20
- 295) Vgl. Jesaja 42:1-9, 42:21; »Und ich will ihnen ein einträchtig Herz geben, und einen neuen Geist in euch geben... auf daß sie in meinen Geboten wandeln und meine Ordnungen halten und danach tun.« Hesekiel 11:19-20; »Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.« Jeremia 31:33
- 296) „Herrlichkeit Gottes« arab. = Bahá’u’lláh
- 297) Habakuk 2:14; vgl. Jesaja 11:9
- 298) „Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein... Siehe, ich mache alles neu!« Offenbarung 21:4-5; »... daß Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen ...« Psalm 85:11; vgl. auch Selections from the Writings of ‘Abdu’l-Bahá 223:1
Literatur zum vorstehenden Aufsatz
Bahá’u’lláh, Ährenlese, Hofheim-Langenhain 31980
- Botschaften aus ’Akká, Hofheim-Langenhain 1982
- Brief an den Sohn des Wolfes, Frankfurt 1966
- Das Buch der Gewißheit, Kitáb-i-Íqán, Frankfurt 21969
- Kalimát-i-Maknúnih, Verborgene Worte, zweisprachige Ausgabe, Hofheim-Langenhain 1983
- Die Verkündigung Bahá’u’lláhs. Aus Seinen Schriften gerichtet an die Könige und Herrscher der Welt, Frankfurt 1967
Der Báb, Selections from the Writings of The Báb, Haifa 1976
‘Abdu’l-Bahá, Ansprachen in Paris, Hofheim-Langenhain 61983
- Kleine Auswahl aus Seinen Schriften, Hofheim-Langenhain 1980
- Beantwortete Fragen, Hofheim-Langenhain 41977
- Das Geheimnis göttlicher Kultur, Oberkalbach 1973
- Promulgation of Universal Peace, Wilmette 21982
- Selections from the Writings of ‘Abdu’l-Bahá, Haifa 1978; eine deutsche Ausgabe unter dem Titel »Briefe und Botschaften« ist in Vorbereitung
Shoghi Effendi, Bahá’í Administration, Wilmette 1968
- Citadel of Faith, Messages to America 1947-1957, Wilmette 1970
- Gott geht vorüber, Hofheim Langenhain 21974
- Das Kommen göttlicher Gerechtigkeit, Frankfurt 1969
- Messages to the Bahá’í World 1950-1957, Wilmette 21971
- Der verheißene Tag ist gekommen, Frankfurt 1967
- Die Weltordnung Bahá’u’lláhs, Hofheim-Langenhain 1977
Hasan M. Balyuzi, ‘Abdu’l-Bahá, Bd. 1, Hofheim-Langenhain 1983
Claudia Gollmer, Die metaphysischen und theologischen Grundlagen der Erziehungslehre der Bahá’í-Religion, MA-Arbeit am Institut für Philosophie und Pädagogik der Universität Stuttgart, WS 1982/83
Hermann Grossmann, Das Bündnis Gottes in der Offenbarungsreligion, Hofheim-Langenhain 31981
Udo Schaefer, Der Bahá’í in der modernen Welt, Strukturen eines neuen Glaubens, Hofheim-Langenhain 21981
- Die Grundlagen der »Verwaltungsordnung« der Bahá’í, Diss. Heidelberg 1957
- Die mißverstandene Religion. Das Abendland und die nachbiblischen Religionen, Frankfurt 1968