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BAHÁ'I-
BRIEFE
BLÄTTER FÜR
WELTRELIGION UND
WELTBEWUSSTSEIN
AUS DEM INHALT:
Alessandro Bausani: Die religiöse Krise der Gegenwart und das Bahá’í-Weltbild
Martin Niemöller: Die Notwendigkeit einer Weltverwaltungsbehörde
Hans Randel: Gebet und Meditation
Buchbesprechungen
HEFT 35 JANUAR 1969
O ihr Heerscharen des Lebens!
Ost und West schauen vereint zu verblichenen Sternen auf und wenden sich im Gebet verfinsterten Horizonten zu. Bewußt haben sie, Ost und West, die breite Grundlage der heiligen Gesetze Gottes außer acht gelassen und die Wesenszüge, die wirksame Kraft der Religion Gottes vergessen. Bräuche und Übereinkünfte haben sie als die unwandelbare Grundfeste des göttlichen Glaubens betrachtet und sich fest darin eingenistet. Sie haben sich eingebildet, sie hätten den ruhmreichsten Gipfel des Erfolges und des Wohlstands erreicht, wo sie doch in Wirklichkeit in den Untiefen der Achtlosigkeit auf Grund geraten sind und sich völlig der Gnadengaben Gottes beraubt haben.
Der Eckstein der Religion Gottes ist die Erlangung der göttlichen Vollkommenheiten und die Teilhabe an Seinen mannigfachen Segnungen. Der Wesenskern des Glaubens ist die Veredelung des menschlichen Seelenlebens durch die Gnadenströme aus den Reichen der Höhe. Dies nicht zu erreichen, ist wahrer Verlust.
Deshalb ist die Pflicht aller Bahá’í, diese hochgeistige, lebenswichtige Grundfrage in ihren Herzen zu bewegen, damit sie sich, im Unterschied zu anderen Glaubensgemeinschaften, nicht mit dem Lärm, dem Geschrei und der Leere religiöser Doktrinen zufriedengeben. Sie sollten vielmehr in ihrem Leben unter jedem Blickwinkel Beispiele solcher Eigenschaften und Tugenden sein, die aus Gott geboren sind, und sollten sich aufmachen, um durch ihr edles Verhalten hervorzutreten. Ihren Anspruch, Bahá’í zu sein, sollten sie durch Taten und nicht dem Namen nach vertreten.
Ein wahrer Bahá’í ist, wer Tag und Nacht bestrebt ist, auf dem Pfade menschlichen Bemühens voranzukommen und fortzuschreiten; sein heißestes Verlangen muß sein, so zu leben und zu handeln, daß er die Welt bereichert und erleuchtet; die Quelle seiner Begeisterung muß das Wesen göttlicher Tugend sein; sein Lebensziel muß sein, sich so zu verhalten, daß er zum Anstoß unbegrenzten Fortschritts wird. Nur wenn jemand solche vollkommene Gaben erreicht, läßt sich von ihm sagen, daß er ein wahrer Bahá’í ist. Denn in dieser heiligen Sendung, der krönenden Verklärung früherer Zeitalter und Offenbarungszyklen, ist wahrer Glaube nicht nur die Anerkennung der Einheit Gottes, sondern weit darüber hinaus eine Lebensführung, die alle Vollkommenheiten und Tugenden solcher Anerkennung zur Geltung bringt.
- ‘Abdu’l-Bahá
- (aus „Bahá’í World“, Vol. II/1926-28; vgl. „Göttliche Lebenskunst“, Frankfurt 1961, S. 24 f.)
Modellbewußtsein[Bearbeiten]
Wenn ein Naturwissenschaftler Gesetzmäßigkeiten nachweisen will, macht er Experimente. Sofern ihm die Natur die Daten für sein Experiment nicht in verwendbarer Form bietet, baut er ein Modell. Das größte Staudammprojekt kann zunächst als Sandkastenspiel simuliert werden; das schnellste Düsenflugzeug läßt sich im Windkanal erproben, bevor ihm kostbare Menschenleben anvertraut werden,
Dem Gesellschaftswissenschaftler ist die Möglichkeit des Experimentierens weitgehend versagt. Wie kaum ein Tatbestand objektivierbar ist, weil fast jeder Sachverhalt mehrere, oft entgegengesetzte Schlüsse zuläßt, ist man sich nicht einmal unter Fachleuten in Soziologenkreisen über grundlegende Fragen so einig, wie es für Mathematiker, Physiker, Chemiker oder Techniker selbstverständlich ist. Eine Staatsverfassung, eine Sozialmaßnahme, eine Wirtschaftstheorie können nur in ganz seltenen Ausnahmefällen experimentell erprobt werden. Allenfalls gedanklich, für Lehrzwecke, kann man Modelle bilden, indem man bestimmte, für die zu beweisende Erkenntnis unwesentliche Faktoren als konstant oder unverrückbar annimmt und überlegt, wie der zu untersuchende Organismus auf diese und jene Änderung an den Modellvoraussetzungen reagiert. In der Praxis sind alle Gesellschaftswissenschaften darauf angewiesen, sich unter Berücksichtigung der verfügbaren Daten mühsam von Fehlerkorrektur zu Fehlerkorrektur voranzutasten. Auch wenn die ständig verfeinerten statistischen Methoden und die elektronische Datenverarbeitung immer exaktere Entscheidungsunterlagen liefern, liegt es auf der Hand, wie unvollkommen eine solche „Stückwerksmethode“ ist, zumal wenn ihr keine umfassende Gesamtschau und keine perspektivische, an objektiven Maßstäben der Gerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit orientierte Zielsetzung zugrundeliegt (vgl. „BAHÁ'Í-BRIEFE“ 33, S. 853 ff.).
Wer die gesellschaftlichen Verhältnisse ändern will, ist nach den Maßstäben der Gesellschaftswissenschaften darauf angewiesen, die anderen von seiner Meinung zu überzeugen oder aber durch parlamentarische, außerparlamentarische, legale, illegale Mittel, durch Mehrheitsbildung oder durch Revolution die Macht zu gewinnen, um den eigenen Willen auch Andersdenkenden aufzuzwingen. Wie unvollkommen alle diese Wege sind, hat die Geschichte tausendfach bewiesen. Der praktisch-positive Weg des Experiments, des kompromißlos guten Beispiels führte entweder von der Gesellschaft weg in die Einsamkeit oder endete in Tragik.
Zum erstenmal in der Menschheitsentwicklung entfaltet sich nunmehr nach dem Willen Bahá’u’lláhs eine Gemeinschaft, die ihre Aufgabe darin sieht,
- (Fortsetzung S. 896)
- Foto: Kodak
- O Sohn des Menschen!
- Durcheile die Unermeßlichkeit des Weltraums und durchquere die Höhen des Himmels — du wirst doch keine Ruhe finden, außer in der Unterwerfung unter Unser Gebot und in der Demut vor Unserem Antlitz.
Bahá’u’lláh
(Verborgene Worte arab. 40)
(Fortsetzung von S. 894)
Modell für eine weltweite, alle Rassen, Klassen, Völker und Bekenntnisse umfassende Wohlstandsgesellschaft zu sein. Zwar gab es schon früher viele Elitegruppen, die auf die übrige Menschheit ausstrahlten und viel Großes und Gutes erreichten — allen voran der Alte Bund der Juden, der Neue Bund der Christen und die Gemeinschaft der islamischen Gläubigen, Gemeinschaften, die sich mehr oder minder bewußt als Modelle des künftigen Reiches Gottes verstanden. Aber noch nie war dieser Modellcharakter in so umfassender, endgültiger, methodisch-wissenschaftlicher Weise durchgebildet worden, noch nie hat sich eine Gemeinschaft von Millionen Menschen bewußt und freiwillig für ein weltweites Beispiel eingesetzt. Nebenbei hat es bisher auch immer an den wirtschaftlichen Voraussetzungen für das Gelingen solcher Modelle gefehlt; heute sind sie durch den enormen technischen Aufschwung gegeben.
Die Bahá’í wollen diesen Modellcharakter ihrer Gemeinschaft in den Mittelpunkt ihrer Lehrarbeit rücken. Sie bemühen sich, alle ihre Kräfte und Mittel in den Dienst der Aufgabe zu stellen, ihre Gemeinschaft zu derjenigen Beispielhaftigkeit zu formen, zu der sie von Bahá’u’lláh bestimmt wurde. Das bedeutet „göttliche Lebenskunst“ im privaten, beruflichen und öffentlichen Leben, gewissenhafte, aber tolerante Befolgung der Gebote Bahá’u’lláhs, gegenseitige Ermutigung, Teilnahme an den Bahá’í-Wahlen als der obersten Pflicht im Dienst der Gemeinschaft, Durchdrungensein vom Geist der Beratung und Gehorsam gegenüber den Beschlüssen der Geistigen Räte, selbst wenn man nicht volles Verständnis dafür aufbringt.
Ein umfassendes Verständnis der Bahá’í-Administration und ihrer geistigen Prinzipien ist die Voraussetzung für den Erfolg dieses gesellschaftspolitischen Modellbaues. Um dieses umfassende Verständnis zu entwickeln, stützen die Bahá’í sich nicht allein auf die Lektüre der heiligen Schriften. Die heiligen Schriften bilden die Grundlage für geistige Denk- und Zielmodelle; sie klären normativ das Grundsätzliche, das umfassend und langfristig Gültige, und lassen der Selbständigkeit jedes Menschen einen möglichst großen Spielraum. Wie dieser Spielraum aber vernünftig durchdacht und durch Taten ausgefüllt wird, lehrt die Wissenschaft, und zwar selbst dann, wenn sie — Gott sei’s geklagt — nicht von den Ansatzpunkten der heiligen Schriften ausgeht. Sie muß notwendigerweise die zweite Stütze darstellen. Wissenschaftlichkeit ist weder eine Frage der Schulbildung, noch der Berufstätigkeit oder des Geldes, nicht einmal eine Frage der Intelligenz, sondern lediglich eine Frage der Einstellung zum Leben, des planvollen Denkens in allen Lebenslagen. Die Bahá’í haben von ihren heiligen Schriften her die Grundlage aller Wissenschaften. Wesentlich sind diejenigen Wissenschaften, die sich mit dem geistigen Menschen und mit den sozialen Strukturen befassen: Psychologie, Soziologie, Politologie, Wirtschaftswissenschaften, Geschichtsphilosophie.
[Seite 897]
Die Menschheit ist mit Blindheit geschlagen. Die Bahá’í werden
aller Voraussicht nach, vor allem in den Industrieländern, noch
einige Zeit eine kleine Gemeinschaft von „Außenseitern“ bleiben.
Die einzige Chance, die Lehrarbeit zum Erfolg zu führen,
liegt im gesellschaftspolitischen Modellbau: darin, daß die
welterschütternde, weltumspannende und doch ganz einfache
Konzeption Bahá’u’lláhs völlig in das Bewußtsein integriert
und im Zusammenleben mit Gleich- und Andersdenkenden beispielgebend
verwirklicht wird. Die Welt wird sich nur dadurch überzeugen
lassen, daß man ihr täglich praktisch beweist, wie leicht alle
menschlichen Probleme zu lösen sind, wenn man sie mit den Lehren
Bahá’u’lláhs anpackt.
- Peter Mühlschlegel
„Die Schonzeit ist vorüber“[Bearbeiten]
Eine Auswahl von Bahá’í-Texten über die heutige Stunde der Entscheidung
- I
Bei der Gerechtigkeit Meines eigenen Selbstes! Groß, unermeßlich groß ist diese Sache! Mächtig, unvorstellbar mächtig ist dieser Tag!
- Bahá’u’lláh
- II
Die Tage nähern sich ihrem Ende, und doch sieht man die Völker der Erde in schmerzliche Achtlosigkeit versenkt und in offenkundigem Irrtum befangen.
- Bahá’u’lláh
- III
Laßt uns Gott bitten, daß in diesen Tagen weltumfassender Trübsal, da die dunklen Kräfte der Natur, des Hasses, der Empörung, Anarchie und Reaktion den wirklichen Bestand der menschlichen Gesellschaft bedrohen, da die köstlichen Früchte der Zivilisation ernsten und unvergleichlichen Prüfungen unterzogen werden, wir alle tiefer denn je erkennen mögen, daß wir, obwohl nur eine bloße Handvoll inmitten der kochenden Massen der Welt, an diesem Tag die erwählten Werkzeuge von Gottes Gnade sind, daß unser Auftrag hochdringlich und wesentlich für das Schicksal der Menschheit ist und wir, gestärkt durch diesen Gedanken, uns erheben, um Gottes heiliges Vorhaben für das Menschengeschlecht zu vollenden.
- Shoghi Effendi
- IV
Übermittelt die Botschaft! Zieht die Herzen an! Sät die Saat! Lehrt die
Sache denen, die nichts davon wissen. Lehrt die Sache! Lehrt! Lehrt!
[Seite 898]
Übermittelt die Botschaft! Erweckt die Seelen! Jetzt ist die Zeit, um die
Fundamente zu legen. Nun müssen wir Ziegel, Steine, Holz, Eisen und
anderes Baumaterial zusammentragen. Jetzt ist nicht die Zeit für Schmuck
und Verzierungen. Wir müssen uns Tag und Nacht bemühen und denken
und arbeiten: Was kann ich sagen, um Ergebnisse zu erzielen? Was kann
ich tun, um Erfolge aufzuweisen? Was kann ich schreiben, um Früchte zu
zeitigen? Nichts anderes ist heute von Bedeutung.
- ‘Abdu’l-Bahá
- V
Denn bald werden die Prüfer der Menschheit in der heiligen Gegenwart des Angebeteten nichts annehmen als reinste Tugend und lautere, heilige Taten.
- Bahá’u’lláh
- VI
Die Stunde nähert sich, in der die größte Erschütterung zu Tage treten wird. Ich schwöre bei Ihm, der die Wahrheit ist! Sie wird jeden mit Scheidung treffen, selbst diejenigen, die sich um Mich scharen.
- Bahá’u’lláh
- VII
Eine schwere Prüfung für euch ist im Anzug und wird euch plötzlich heimsuchen. Seit rührig — vielleicht geht sie vorüber, ohne Schaden anzurichten!
- Bahá’u’lláh
- VIII
Wir haben eine festgesetzte Frist für euch, o Völker! Wenn ihr verfehlt, euch zu jener bestimmten Stunde Gott zuzuwenden, wird Er euch wahrlich gewaltsam erfassen und schreckliche Not von allen Seiten über euch kommen lassen. Wie streng ist dann die Strafe, mit der euch euer Herr strafen wird!
- Bahá’u’lláh
- IX
Die Menschheit tritt in die Randbezirke einer höchst gefahrvollen Stufe ihres Daseins ein. Die Möglichkeiten dieser Stunde sind unerdenklich kostbar.
- Shoghi Effendi
- X
Der ständige und besorgniserregende Zerfall der moralischen Anschauungen
ist durch das erschreckende Anwachsen von Verbrechen gekennzeichnet,
durch die politische Korruption in immer größerem Ausmaße
und in immer höheren Kreisen, durch die Auflösung der heiligen Bande
der Ehe, durch das maßlose Verlangen nach Vergnügen und
Zerstreuungen und durch das deutlich fortschreitende Nachlassen
der elterlichen Kontrolle... Parallel damit läuft der krasse Materialismus,
der in alle Lebensbereiche eingedrungen ist. ... Dieser Materialismus
legt dem weltlichen Wohlergehen übermäßiges und ständig wachsendes Gewicht bei
und vergißt darüber die geistigen Dinge vollständig, auf denen allein eine
[Seite 899]
sichere und stabile menschliche Gesellschaft aufgebaut werden kann.
Derselbe Materialismus... ist von Bahá’u’lláh in Seinen Schriften mit
eindeutigen und leidenschaftlichen Worten angeprangert worden. Er
verglich ihn mit einer alles verzehrenden Flamme und sah in ihm die
Hauptursache der Beschleunigung der schrecklichen Prüfungen und
welterschütternden Krisen, die zwangsläufig die Vernichtung von Städten,
die Ausbreitung von Terror und Bestürzung in den Herzen der Menschen nach
sich ziehen müssen. Einen Vorgeschmack der Zerstörungen, die
dieses verzehrende Flammenmeer über die Welt bringen wird, die Städte
der Nationen dem Boden gleichmachend, die an diesem tragischen, alles
verschlingenden Kampf beteiligt sind — den hat uns in der Tat schon der
letzte Weltkrieg gegeben ... Nicht weniger ernst zu nehmen sind der Druck
und die Anspannung, die sich auf die Struktur der amerikanischen
Gesellschaft auswirken, hervorgerufen durch die grundsätzliche und
ständige Vernachlässigung... der unausweichlichen und dringenden
Aufgabe...: nämlich, mit Hilfe einer umwälzenden Änderung der Anschauungen
und Haltung des weißen Durchschnittsamerikaners gegenüber seinen
schwarzen Mitbürgern eine Situation, so lange es noch Zeit ist,
zu bessern, die, wenn man sie weitertreiben läßt, nach den Worten
von ‘Abdu’l-Bahá die Ursache dafür sein wird, daß in den Straßen der
amerikanischen Städte Blut fließen wird. Dadurch wird sich die
Verwüstung noch steigern, die durch furchtbare, von oben abgeworfene
Vernichtungswaffen, angehäuft von einem erbarmungslosen, wachsamen,
mächtigen und hartnäckigen Feinde, über diese Städte gebracht wird.
- Shoghi Effendi
- XI
Und wenn die festgesetzte Stunde gekommen ist, wird plötzlich das erscheinen, was die Glieder der Menschheit erzittern läßt. Dann und erst dann wird das Göttliche Banner entfaltet werden und die Nachtigall des Paradieses ihre Melodie singen... Seid nicht bekümmert um diejenigen, die sich mit den Dingen dieser Welt beschäftigt und das Gedenken Gottes, des Größten, vergessen haben. Bei Ihm, der die ewige Wahrheit ist! Der Tag nähert sich, an dem der grimmige Unwille des Allmächtigen sie erfaßt haben wird. Er ist wahrlich der Allgewaltige, der Allbezwingende, der Mächtigste.
- Bahá’u’lláh
- ——————————
Quellen:
- I) zitiert bei Shoghi Effendi, „Das Kommen göttlicher Gerechtigkeit“, Frankfurt 1962, S. 94
- II) wie I, S. 98
- III) „Hüterbotschaften an die Bahá’í-Welt“, Frankfurt 1962, S. 98
- IV) aus einer Ansprache in London 1913
- V) „Verborgene Worte“, persisch 35
- VI) wie I, S. 98
- VII) wie I, S. 99
- VIII) „Ährenlese“, CVIII
- IX) Telegramm vom 1. 5. 1939
- X) Botschaft an die amerikanischen Bahá’í vom 28. 7. 1954
- XI) zitiert in „Bahá’í-Nachrichten“ 9/115
- XII) wie I, S. 99
Die religiöse Krise der Gegenwart und das Bahá’í-Weltbild[Bearbeiten]
von Alessandro Bausani
Gibt es eine „Gegenwartskrise“? Man hört oft, die Anzeichen dieser Krise seien der Sieg des Materialismus, der Unmoral usw. Aber vielleicht liegt der Wesenskern der gegenwärtigen Weltkrise doch nicht in solchen Erscheinungen. Es trifft nicht zu, daß es in der modernen Welt keine „Geistigkeit“ mehr gäbe; man könnte sogar sagen, daß man heute im Denken der Physiker, die die Atombombe erfunden haben, einen besonders hochentwickelten, anpassungsfähigen, abstrakten und verfeinerten Geist findet, verglichen etwa mit dem Spiritus des Mittelalters, der um etliches grobkörniger war und viel eher an die Grundbedeutung des Begriffs, den natürlichen „Windhauch“, erinnerte. Und selbst in der Frage der Sittlichkeit bin ich überzeugt, daß es in den Kreisen gewisser moderner junger Leute eine ethische Aufrichtigkeit gibt, die viel tiefer, wenn auch zeitweilig flegelhafter ist als die unausstehlich verbale, rhetorische Moral derjenigen Generation, die den großen Krieg 1914—1918 geführt hat. Das Problem ist deshalb nicht der Mangel an Sittlichkeit oder die Schwächung des Geistes gegenüber der Materie. Es ist vielmehr genau das Gegenteil. „Die Photographie“, sagt Jean Cocteau, „hat die Malerei befreit“, und Jacques Maritain, der in seinen „Stufen des Wissens“ dieses Wort Cocteaus bestätigte, sah den Wesenszug der Moderne in der „Trennung zwischen Fleisch und Geist“, nicht etwa in der Schwächung des Geistes, sondern vielmehr in seiner „Verflüchtigung“. „Die Technik hat den Geist befreit“: Dem extremen Fortschritt der befreiten Materie entspricht ein extremer Fortschritt eines gleichfalls befreiten Geistes, der völlig entstofflicht ist, nach den Sternen greift und es aufgibt, die Materie zu lenken. Völlig zu Recht freut sich Maritain auf der einen Seite über diese Reinigung der Metaphysik, die durch die Technik von den zahlreichen Illusionen des griechischen Optimismus befreit wurde; aber andererseits bringt er seine Besorgnis um die Gefahr einer „Auflösung der menschlichen Form“ zum Ausdruck, die er, ebenfalls zu Recht, als Ergebnis dieser Verflüchtigung und extremen Verfeinerung des „befreiten“ Geistes ansieht.
- Die veränderte Situation
Die Folgerungen aus dieser Situation sind zahlreich. Es ist eine Situation, die man vereinfachend, aber plastisch, durch folgende Feststellungen verdeutlichen kann: In der alten Welt konnte selbst ein einfacher Bauer, wenn er erst einmal eine Bildungssprache erlernt hatte, einen Text höchster geistiger Verdichtung von Plato verstehen; heutzutage versteht selbst ein Universitätsprofessor keine Schrift über strukturelle Linguistik von Hjelmslev und keinen Artikel von Einstein, wenn er nicht vom Fach ist.
[Seite 901]
Wir wollen uns einen kurzen Überblick über die Folgerungen aus dieser
„Auflösung“, von der Maritain sprach, für andere Bereiche des modernen
Lebens verschaffen:
a) Wissenschaft: Unsere soeben getroffene Feststellung ist bedeutsam. Wir können generalisierend sagen, daß wir quantitativ einer außerordentlichen Demokratisierung der Kultur (Massenkommunikationsmittel, Popularisierung der Wissenschaft), gleichzeitig aber qualitativ einer gleichfalls ungeheuren Aristokratisierung der Kultur gegenüberstehen (nur noch wenige Spezialisten kennen alle Einzelheiten eines Sachgebiets).
b) Soziale Frage: Die Schnelligkeit der Transportmittel hat die soziale Krise derart planetarisiert, daß man im Zweifel sein kann, ob Bewegungen wie der Marxismus, die zur Lösung der Gesellschaftskrise im Rahmen der spezifischen Verhältnisse des westeuropäischen 19. Jahrhunderts geschaffen wurden, nicht bereits veraltet sind, angesichts einer Situation, die primitive Jägerstämme am Amazonas mit den Playboys der Côte d’Azur konfrontiert, und nicht nur deutsche Kapitalisten mit deutschen Arbeitern wie zu Zeiten von Marx.
c) Politik: Über die Konfrontation des Internationalismus mit dem Nationalismus ist man sich heute ziemlich einig. Aber angesichts der technisch-wirtschaftlichen Situation unserer Zeit ist der Internationalismus eine Bequemlichkeit der reichen Nationen, der Nationalismus eine Art Verteidigung für die armen Völker. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines Internationalismus, der nicht länger, wie es heute meist der Fall ist, oberflächlich und scheinheilig sein darf, sondern den reichen, „zivilisierten“ Nationen empfindliche Opfer auferlegt. Unglückseligerweise baut man heutzutage Weltbürgertum immer auf der instinktiven Vorstellung auf, eine neue Weltordnung müsse auf politisch-administrative Einrichtungen des traditionellen westlichen Typs — einschließlich der kommunistischen Institutionen — gegründet sein.
d) Kulturleben: Selbst kulturelle Opfer müssen den Entwicklungsvölkern gebracht werden. Wenn ein Schwarzer vom Kongo nach wenigen Stunden im Herzen Europas landen kann — in Zukunft vielleicht nach wenigen Minuten —, dann ist die Art von Kultur, die wir bisher gewohnt waren, zu Ende.
e) Gesellschaftsethik: Die sittlichen Werte der Vergangenheit sind
umgewertet; und selbst die jungen Leute, die mit ihrem „Immoralismus des
Protestes“ zu stark auftragen, haben angesichts der heuchlerischen
traditionellen Moral ihre guten Gründe dafür. Die Heuchelei ist, nebenbei
bemerkt, durchaus verständlich, denn es erfordert ungewöhnliche Anstrengung,
die ehrwürdigen Wertvorstellungen christlicher Substanz der
durch die Technik völlig veränderten Lage anzupassen. Haben diese
Werte noch Geltung, wenn es darum geht, unsere Probleme auf planetarischer
Ebene zu lösen? Ist das Gebot „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“
nicht Ausdruck einer individualistischen Moral, die kleinen Gesellschaften
in vollkommener Weise angepaßt ist? Müßte man es nicht
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viel eher planetarisieren als abschaffen? Wie zahlreich sind doch diejenigen,
die in romantischer Sanftmut ihren Nächsten lieben, es aber
keineswegs unmoralisch finden, das Finanzamt zu betrügen. Wir brauchen
eine neue Moral, nach der die Gesellschaft mit instinktivem Unwillen in
gleicher Weise darauf reagiert, daß jemand den Fiskus betrügt, wie sie
sich heute gegen sexuelle Verfehlungen wendet (die bei uns zu Lande
größeren Unwillen als andere Formen der „Sünde“ auszulösen pflegen).
f) Religiöses Leben: In diesem Seinsbereich ist die Krise sehr deutlich, und enorm ist die — oft unbewußte — Heuchelei derjenigen, die die traditionellen Religionen mit dem modernen Denken zu „versöhnen“ suchen. Kann man an die Transsubstantiation glauben und mit dem Flugzeug reisen? Die beiden Gedankengänge, die zur Erfindung des Flugzeugs beziehungsweise zur Definition des Dogmas von der Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi führten, bewegen sich nicht auf verschiedenem Niveau, wodurch sie auf gewisse Weise gleichzeitig zulässig wären; vielmehr sind sie widersprüchlich auf dem selben Niveau.
- *
Nachdem wir die Probleme in groben Zügen angedeutet haben, müssen wir jetzt die „Auflösung“ finden. Dazu müssen wir zwei methodische Bemerkungen voranstellen:
Erstens muß uns klar sein, daß der Bahá’í-Glaube keine festgeformte religiöse Tradition ist. Seine 30 000 oder noch mehr über alle Länder der Welt verstreuten Zentren sind vielmehr Laboratorien und Experimentierstätten, in denen man versucht — nach der Überzeugung der Bahá’í: unter göttlicher Führung versucht —, gemeinsam die künftige Tradition einer vereinten Menschheit zu schaffen. Sich zur Bahá’í-Religion „bekehren“, bedeutet demnach nicht, eine andere, bereits formierte religiöse Tradition zu übernehmen und gleichzeitig der eigenen Tradition abzuschwören (wie es bei jeder anderen Konversion, vom Judentum zum Christentum, vom Christentum zum Buddhismus oder wie auch immer, der Fall ist); es bedeutet vielmehr, innerhalb der eigenen Tradition „Gründe“ zu finden, die uns begreifen lassen, daß diese gegebene Tradition nicht die endgültige ist. Gibt es solche Gründe? Um sich davon zu überzeugen, genügt es, die Eschatologie1) der verschiedenen Religionen zu studieren, die von den verschiedenen Orthodoxien immer auf „physische“ und buchstäbliche Weise verstanden wird.
Die Christen erwarten die Wiederkunft Christi und die Gründung des
Tausendjährigen Reiches: Dies bringt uns wiederum darauf, daß das
Christentum so, wie es ist, nicht für alle Zeit ausreicht. „Ich hätte euch
noch viel zu sagen“, sagte Jesus selbst, „aber ihr könnt es jetzt noch
nicht tragen“. Vergleichbare Überlieferungen finden sich in allen Religionen,
selbst denjenigen, die man primitiv zu nennen pflegt. Ich habe
mich selbst einmal mit einem australischen Ureinwohner unterhalten,
der Bahá’í geworden war, nicht etwa, indem er seiner Stammesreligion
abgeschworen hätte, sondern dadurch, daß er Bahá’u’lláh mit derjenigen
gottgesandten Persönlichkeit identifizierte, die selbst seine Religion für
das „Ende der Welt“ verheißen hat. Das ist eine ganz andere Sache als
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die Bekehrung eines „Wilden“, der vom Missionar von seinen „falschen“
Traditionen erlöst und, mehr noch als zu Christus, zur sogenannten
Zivilisation der weißen Kolonisatoren bekehrt wird.
Zweitens lehrt jene gottgesandte Persönlichkeit, die für die Bahá’í Bahá’u’lláh ist, keine Dogmen (was nebenbei alle großen Religionsstifter nicht getan haben); Sein Anliegen ist nicht, eine Philosophie oder ein System metaphysischer Erkenntnis zu geben, sondern vielmehr, uns einen kraftspendenden, das heißt religiösen Impuls und eine neue Richtung zu verleihen. Seine Ursprünglichkeit und Einzigartigkeit ist, könnte man sagen, richtungweisend: nicht „wissenschaftlich“, sondern Vorstellungen schaffend. Aus diesem Grund betonen die Bahá’í auch, daß es keinen Gegensatz zwischen Wissenschaft und Religion gibt. All dies ist am Anfang für alle Religionen wahr gewesen, aber es ist heute nicht mehr so. Es ist die Metaphysik des heiligen Thomas, die im Widerspruch zur Quantenphysik steht oder stehen könnte, nicht etwa die Bergpredigt. Das Gesetz des Fastens während des Monats Ramadan, das der Qur’án auferlegt, widerspricht nicht der Wissenschaft; der Widerspruch beginnt mit der islamischen Theologie des Mittelalters oder, genauer gesagt, mit dem Starrsinn, der heutzutage noch diese mittelalterliche Theologie, die keineswegs im Widerspruch zur mittelalterlichen Wissenschaft stand, aufrechterhalten möchte.
- Die kraftspendenden Leitlinien
Nach diesen notwendigen Vorbemerkungen wollen wir prüfen, in welchem Sinne die kraftspendenden Leitlinien des Bahá’í-Glaubens Möglichkeiten zur Lösung der verschiedenen Aspekte unserer Gegenwartskrise bieten können:
a) Die Krise der Wissenschaft und der Kultur: Der Kontrast zwischen der neuen, hochverfeinerten Aristokratie der modernen Weisen und den Massen — ein weit gefährlicherer Gegensatz als der alte Kontrast zwischen Adeligen und Bourgeois oder zwischen Bourgeois und Proletariern — kann nur durch eine planetarische Organisation aller kulturellen Mächte beseitigt werden. Aber diese Organisation ist nur dann möglich, wenn sich die Wissenschaftler einmütig bereitfinden, Träger einer religiösen Mission zu werden: religiös nicht länger im Sinn körperlicher Askese mit Kasteiungen und Entsagungen, sondern im Sinn einer geistigen und kulturellen Askese, die einen Einstein dazu treibt, Seite an Seite mit einem Ureinwohner aus dem Amazonasbecken oder aus dem australischen Busch zu beten.
b) Die soziale Krise: Der Bahá’í-Glaube fixiert nicht die Dogmen einer Sozialphilosophie, wie es der Marxismus tut. Auch hier gibt Bahá’u’lláh Leitlinien, die die allgemein anerkannte Rangordnung umwälzen, nach welcher man herkömmlicherweise zuerst versucht, die wirtschaftlichen Probleme zu lösen, um dadurch — automatisch — die Vereinigung der Gesellschaft zu erreichen. Demgegenüber lehrt der Bahá’í-Glaube: Zuerst die Einheit! Die wirtschaftlichen Probleme lösen sich dann automatisch.
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Man könnte die Einheit das Ordnungswort der Bahá’í-Religion nennen.
Ist sie eine Utopie? Der Zustand der heutigen Welt mit ihrer Vertiefung
der Gegensätze selbst zwischen solchen Ländern (UdSSR — China — Jugoslawien),
die alle Probleme gelöst zu haben glaubten, weil sie das
wirtschaftliche Problem gelöst hätten — diese heutige Lage scheint weit
eher den Bahá’í recht zu geben, wenn sie es verstanden haben, in ihren
Gemeinden mit einer sichtbaren und organisierten Einheit des Geistes
praktisch eine wirkliche, sprich: religiöse Atmosphäre für die Lösung der
anderen Probleme zu schaffen. Ich kann Ihnen dies nicht mit Worten
demonstrieren, sondern Sie nur einladen, Bahá’í-Gemeinden wie diejenigen
in Indien zu besuchen, wo ich selbst erlebt habe, wie Hindus mit Muslimen,
Parias mit Brahmanen, Christen mit Buddhisten friedlich zusammenarbeiten.
Das Geheimnis dabei ist, daß sie weder Christen noch Muslime oder Buddhisten,
weder Parias noch Brahmanen im überlieferten und dogmatischen Sinn des Wortes
mehr sind, sondern Bahá’í geworden sind.
c) Die politische Krise: Die Bahá’í vertreten die einzige moderne Religion, die sich nicht damit begnügt, sich als Religion der Innerlichkeit und des Herzens zu verstehen, sondern mit dem herausfordernden Anspruch auftritt, uns eine Art Modell der sichtbaren Weltordnung zu bieten. Wenngleich sie keine Revolutionäre sind, leben und arbeiten die Bahá’í so, als wären die Grenzen bereits gefallen. Die Bahá’í-Verwaltungsordnung, deren göttlichen Ursprung die Bahá’í anerkennen, wirkt bereits in allen Ländern der Erde wie ein großer Pyramidenbau. Die Grundmauern bilden die Geistigen Räte, die in jedem Ort gewählt werden; dann kommen die Nationalen Geistigen Räte in jedem selbständigen Staat und an der Spitze das Universale Haus der Gerechtigkeit, das die Bahá’í-Gemeinschaft von ihrem Weltzentrum in Haifa aus leitet, nachdem Bahá’u’lláh, von der ottomanischen Regierung verbannt, in der Nähe von Haifa verstorben ist und sich dort die wichtigsten heiligen Stätten des Bahá’í-Glaubens befinden. Loyalität und Gehorsam gegenüber ihren verschiedenen nationalen Regierungen sind den Bahá’í Pflicht; aber welch ein ungeheuerer Unterschied zwischen einem Bahá’í, der zwar den Gesetzen seiner Regierung gehorcht, dem Geist und der Lebensführung nach aber bereits Weltbürger ist, weil er alle kulturellen und nationalen Vorurteile abgelegt hat und jeden Afrikaner oder Indianer als gleichberechtigten Mitarbeiter neben sich anerkennt, und gewissen Revolutionären dem Namen nach, die noch ganz in ihren nationalen und zivilisatorischen Vorurteilen befangen sind.
e) Die Krise der gesellschaftlichen Ethik: Der Unterschied zwischen
dem Christentum und der Bahá’í-Religion besteht darin, daß das
Christentum lehrt: Heiligt euch selbst! während die Bahá’í-Religion
den Befehl erteilt: Heiligt das Menschengeschlecht! Eine Anzahl Heiliger reicht
nicht aus, eine umfassende, geheiligte Gesellschaft zu bilden. Man stelle
sich eine Gesellschaft vor, die aus einer Vielzahl von Männern wie dem
heiligen Franz von Assisi zusammengesetzt ist: Das wäre — bei aller
tiefempfundenen Hochachtung für die herrliche Gestalt dieses
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Heiligen — das Chaos. Die unsterblichen Werte des Christentums, das die
Grundlagen persönlicher Vervollkommnung gelegt hat — wie nebenbei
der Buddhismus in einer anderen Weltzone, was noch viel zu wenig erkannt
wird — lassen sich nicht durch Addition vergesellschaften. Wir
brauchen eine neue Dimension gesellschaftlicher Heiligung.
f) Die religiöse Krise: Man hört heute viel über die Vereinigung der Religionen, aber häufig geht es den Fürsprechern um eine Vereinigung so, wie die Religionen heute sind. Die Anhänger der verschiedenen Glaubenssysteme geben nichts von ihren Traditionen und Dogmen auf, selbst wenn sie gleichberechtigt zu interreligiösen Konzilen oder Konferenzen zusammentreten. Aber eine „Föderation des Aberglaubens“ ließe alle Probleme offen; ja, sie würde diese Probleme durch die nachbarschaftliche Nähe nur noch gefährlicher machen. Auch eine Vermengung von Dogmen und Traditionen verschiedenen Ursprungs wäre nichts als ein konfuser Synkretismus ohne ausreichende Energie für eine Änderung der Verhältnisse in der Welt. Die Bahá’í-Religion ist weder eine religiöse Föderation noch ein Synkretismus; sie sieht vielmehr das Problem der Einheit der Religionen geschichtlich oder, wenn Sie so wollen, eschatologisch: Die Verheißung der Einheit besteht in allen Religionen; sie bezieht sich auf die Zukunft, das „Reich Gottes“ nach dem „Ende der Welt“.
Die Bahá’í-Religion lehrt, daß unsere Gegenwart dieses „Ende der Welt“ ist und daß der Verheißene aller Religionen gekommen ist, um die eine Religion der Zukunft zu schaffen. Es geht um ein Ende der Welt im Sinne des Endes eines Weltzeitalters, nicht um einen Sinngehalt jenseits der Geschichte oder um eine metaphysische Vernichtung; es geht um eine Religion der Zukunft, die in Richtung auf weitere künftige Entwicklungszyklen geöffnet ist. Die Bahá’í-Religion ist die einzige organisierte Religion, die einerseits daran festhält, daß sie heute der einzige begehbare Weg für die Heiligung der Menschheit ist, andererseits aber lehrt, daß sie keineswegs endgültig ist: In künftigen Zeitaltern werden neue, immer noch höher verfeinerte Religionen geoffenbart werden.
- Die Bahá’í-Weltordnung
Wir wollen zum Schluß Shoghi Effendi mit einer Skizze der charakteristischen Grundzüge der Bahá’í-Weltordnung zu uns sprechen lassen:
„Es sollte hier noch ein Wort über die Idee, auf der diese Verwaltungsordnung
aufgebaut ist, und über den Grundsatz, der die Arbeitsweise ihrer
Haupteinrichtungen beherrschen muß, gesagt werden. Völlig irreführend
wäre es, einen Vergleich zwischen dieser einzigartigen, gottempfangenen
Ordnung und irgend einem der vielen Systeme zu versuchen, die der
Menschengeist zu verschiedenen Zeiten der Geschichte für die Herrschaft
menschlicher Einrichtungen ersonnen hat. Ein solcher Versuch würde an
sich schon einen Mangel an voller Wertschätzung für die
Vortrefflichkeit des Werkes ihres großen Urhebers verraten. Wie könnte
dem auch anders sein, wenn wir bedenken, daß diese Ordnung das wahre
Muster jener göttlichen Kultur abgibt, die auf Erden zu errichten das
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allmächtige Gesetz Bahá’u’lláhs bestimmt ist. Die verschiedenen sich
ständig ändernden Systeme menschlicher Regierungskunst, die gestrigen
wie die heutigen, östlichen und westlichen Ursprungs, bieten keinen
geeigneten Vergleich, mit dem die Macht der verborgenen
Wirkungsmöglichkeiten dieser neuen Ordnung ermessen oder die
Gediegenheit ihrer Grundlagen abgeschätzt werden könnten.
Das Bahá’í-Gemeinwesen der Zukunft, für das diese umfassende administrative Ordnung das alleinige Fachwerk bildet, steht, sowohl der Theorie als auch der Praxis nach, nicht nur einzig in der gesamten Geschichte der politischen Einrichtungen, sondern auch ohne Gegenstück in den Annalen aller anerkannten Religionssysteme der Welt da. Keine Form demokratischer Regierung, kein System autokratischer oder diktatorischer Art, sei es monarchisch oder republikanisch, kein vermittelnder Plan einer rein aristokratischen Ordnung und selbst keine der anerkannten Formen von Gottesherrschaft, sei es nun die hebräische Gemeinschaft, seien es die verschiedenen christlichen Kirchenorganisationen oder das Imamat oder Kalifat im Islam — keines von ihnen kann mit der von der Meisterhand ihres vollendeten Baumeisters gebildeten administrativen Ordnung gleichgesetzt oder als mit ihr übereinstimmend bezeichnet werden.
Diese neugeborene Verwaltungsordnung verkörpert in ihrem Bau gewisse Elemente, die in jeder der drei anerkannten Arten weltlicher Regierungsform zu finden sind, ohne doch in irgend einer Hinsicht eine bloße Wiederholung irgend einer unter ihnen zu sein und ohne in ihrem Gang irgend welche der beanstandbaren Züge einzuführen, die jenen angestammtermaßen eigen sind. Sie verschmilzt und bringt, wie keine von sterblicher Hand geformte Herrschaft es seither vollbracht hat, die zweifellos in jedem dieser Systeme enthaltenen gesunden Bestandteile miteinander in Einklang, ohne die Reinheit jener gottgegebenen Wahrheiten, auf die sie sich letztenendes gründet, zu verfälschen“ 2).
- ——————————
aus „La Pensée Bahá’íe“, CH-2034 Peseux, Nr. 26/Aug. 1968.
Dr. Alessandro Bausani ist Professor für Orientalistik an den Universitäten Rom und Neapel und Vorsitzender des Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í von Italien. Er hat zahlreiche wissenschaftliche Beiträge über die Bahá’í-Religion verfaßt (vgl. „BAHA’I-BRIEFE“, S. 365, 399, 445, 495 und 612) und uns mehrere Artikel über Fragen eines neuen religiösen Bewußtseins zur Verfügung gestellt (vgl. „BAHA’I-BRIEFE“, S. 26, 76, 189 und 208). D. Red.
- 1) Eschatologie ist die theologische Wissenschaft von den letzten Dingen, insbesondere vom Weltende und dem Anbruch einer neuen Welt.
- 2) Shoghi Effendi, „Die Sendung Bahá’u’lláhs“, Oxford/Frankfurt 1948, S. 67 ff.
Die Notwendigkeit einer Weltverwaltungsbehörde[Bearbeiten]
Ein Appell an das Weltgewissen / von Martin Niemöller
- In Interlaken, das im September 1968 Schauplatz der Schweizerischen Bahá’í-Sommerschule war, tagte vom 27. August bis 1. September 1968 eine „Weltkonstituante“, zu der sich zahlreiche prominente Weltföderalisten aus aller Welt trafen. Neben Abbé Pierre, dem bekannten französischen Menschenfreund, Dr. Max Habicht, internationalem Rechtsberater aus Zürich, und Frau Elisabeth Mann-Borgese, Tochter des Dichters Thomas Mann und amerikanische Politologin, war es vor allem Pastor Martin Niemöller, der dieser Tagung mit seinem erschütternden Appell an das Weltgewissen das Gepräge gab. Er hat uns das Manuskript seines Vortrags freundlicherweise zum Abdruck überlassen.
- Auch wenn wir uns mit den Folgerungen von Pastor Niemöller nicht völlig identifizieren können — die großen Strukturprobleme der Entwicklungsländer dürften eher durch Erziehungsmaßnahmen nach neuen, umfassenden Leitbildern, sogenannte technische Hilfe und Durchbrüche zu neuen Produktionsmethoden als durch Rationierung und Zwangswirtschaft zu lösen sein — erscheint uns der Appell dieses weltbekannten Vorkämpfers für Menschenrechte und Menschenwürde so beherzigenswert, daß wir allen unseren Lesern anheimstellen möchten, sich ein eigenes Urteil zu bilden.
- D. Red.
- *
Vor einem halben Jahrhundert, am Ende des ersten großen Krieges,
brach sich die Überzeugung Bahn, daß für ein friedliches Beieinanderleben
der Staaten ein planvolles Miteinanderwirken notwendig geworden
sei. Und so kam es damals zur Schaffung des Völkerbundes, an dem sich
freilich die USA, von deren Präsident Wilson die Anregung ausgegangen
war, nicht beteiligten. Mit Beginn des Hitler-Regimes begann alsdann die
Auflösung des Bundes, wenn auch die Sowjet-Union 1934 noch beitrat.
Sie wurde 1939 wegen des Finnland-Krieges ausgeschlossen. Der zweite
große Krieg machte dann aufs neue deutlich, wie notwendig die Völker
eines Eintretens für den Frieden in der Welt bedurften, um ähnliche
Katastrophen mit allen Mitteln zu verhindern. Dies Verlangen wurde — so
hoffte man — mit der Schaffung der Vereinten Nationen im Jahre 1945
erfüllt. In den 23 Jahren, die seither verflossen sind, hat die UNO der
Menschheit eine ganze Reihe wertvollster Dienste zur Erhaltung des
Friedens in der Welt und zur Wiederherstellung friedlicher Zustände
in Gebieten der Krisenherde geleistet. Aber es ist zugleich und wiederholt
deutlich geworden, daß die UNO handlungsunfähig wird, wenn einer der
[Seite 908]
militärisch oder wirtschaftlich gewichtigen oder maßgebenden Staaten
seine eigene Politik macht und durchsetzt, selbst wenn die anderen darin
eine Gefährdung für den Frieden sehen oder wenn der Friede dadurch
tatsächlich gestört wird. In der Menschheit als Ganzem ist infolgedessen
der allgemeine Wunsch lebendig geworden, eine wirkliche Weltregierung
zu bekommen, die nicht nur Kriege verhindern hilft, sondern auch die
Vollmacht und die faktische Macht besitzt, dies zu tun, d.h. eine
Weltregierung, auf die das bisherige souveräne Recht der Staaten,
Krieg zu führen, völlig übertragen wird.
Die technische Entwicklung der „Waffen“, derjenigen Mittel, mit denen man den Gegner außer Gefecht setzen und unschädlich machen kann, ist nun seit dem Ende des letzten großen Krieges so rasant fortgeschritten, daß ein Staat, der die H-Bombe hat, jeden anderen Staat, der ebenfalls die H-Bombe hat, logischer Weise nicht mehr zu fürchten braucht, weil im Kriegsfall auch der Verlierer den Sieger umbringen kann und wird. Dabei wird dann freilich auch die übrige Staaten-, Völker- und Menschenwelt mit zugrundegehen. Damit ist der Krieg als politischer Mittel zwischen Staaten mit H-Bomben erledigt. Und wenn nicht auch regierende Politiker den Verstand verlieren könnten, wäre zweifellos die Abschaffung des Krieges mit Sicherheit zu realisieren dadurch, daß man jedem Staatswesen soviel H-Bomben mit Kobaltmantel zur Verfügung stellt, wie für die totale Vernichtung der Menschheit erforderlich und ausreichend sind. Weil aber dieser Unsicherheitsfaktor nicht zu beseitigen ist, muß man die Verfügungsgewalt von einer Vielzahl auf möglichst eine einzige verantwortliche Stelle übertragen und ihr durch Abrüstung und Demontage vorhandener nuklearer Vernichtungsmittel die sofortige und kurzschlüssige Anwendung unmöglich machen, was durch völkerrechtliches Verbot zu stützen wäre. Die UNO hat allerdings diese Machtfülle nicht erhalten; immerhin ist die Frage in der ganzen Welt akut geworden und hat das Verlangen nach einer Weltregierung dringend gemacht, auf die mindestens Teile aller staatlichen Souveränität übertragen werden müssen, um den Frieden zu sichern.
- Die Folgen der „Bevölkerungsexplosion“
Diese Sorge um die nukleare Lebensbedrohung, die noch relativ leicht
zu beheben wäre, wenn man wirklich wollte, hat eine andere Gefährdung
der Menschheit und ihres künftigen Lebens und Überlebens in den
Hintergrund treten lassen, deren Bekämpfung jedoch keinen Aufschub
verträgt. Diese Gefährdung will sofort und mit aller Energie bekämpft und
beseitigt werden, weil die Zeit ungeheuer drängt, und weil es vielleicht
schon recht bald zu spät sein kann (wenn es nicht durch Untätigkeit und
Fehlleistungen in den letzten Jahren zu spät geworden ist). Es geht dabei
um Folgen und Begleiterscheinungen der „Bevölkerungsexplosion“. Wir
wissen darum seit zirka 15 Jahren; damals, im Jahre 1953, haben uns die
wissenschaftlichen Fachleute, die Experten der Bevölkerungsentwicklung,
davon unterrichtet, daß dank der hygienisch-zivilisatorischen Fortschritte
die Erdbevölkerung sich heutzutage in 40 Jahren verdoppelt. Im Jahre
[Seite 909]
1950 waren es zirka 3 Milliarden Menschen, 1990 werden es 6 Milliarden
sein, 2030 12 Milliarden, 2070 24 Milliarden usw. usw. Das war damals, als
man es uns mitteilte, interessant, aber auch nicht mehr. Jedenfalls
erinnere ich mich, daß ich noch während meiner Schulzeit, also vor 1910,
von einem Lehrer der Geographie dahin unterrichtet wurde, daß die
Erde bei fachgerechter Bearbeitung mehr als 10 Milliarden Menschen
würde ernähren können. Inbezug auf „fachgerechte Bearbeitung“ haben
wir einiges in diesen 58 Jahren hinzugelernt, so daß auch 10 Milliarden
Menschen noch keine absolute Höchstgrenze zu sein brauchen. Aber
beunruhigend wurde die ganze Sache dadurch, daß die Experten uns
mitteilen mußten, daß 57 % der 3 Milliarden Menschen, die 1950 lebten,
nicht ausreichend ernährt wurden, daß die Erdbevölkerung demnach aus
1,7 Milliarden Hungrigen und nur 1,3 Milliarden Satten bestand. Für das
Ende unseres Jahrhunderts gaben sie uns die Gesamtzahl mit 7 Milliarden
Menschen an, eine Zahl, die sie wenige Jahre später auf 7,4 bis 7,6
Milliarden erhöhten. Die Menschheit wächst also in diesem halben
Jahrhundert von 3 auf 7,5 Milliarden Menschen, d. h. rund 150 %. Zugleich
deuteten die Experten an, daß die Kurve der Bevölkerungszahl wesentlich
stärker ansteigt als die Kurve der Produktionsvermehrung, was sich
leider als richtig erwies. Das Ergebnis bedeutet dann, daß im Jahre 1999
nicht nur 57% der dann lebenden Erdbevölkerung nicht mehr satt zu
essen haben werden, sondern 75 % oder 5,6 Milliarden Menschen. Mit
anderen Worten: auf einen satten Menschen, der genug zu essen hat,
kommen dann 3 hungrige Menschen, die nicht mehr genug zu essen bekommen.
Die erste Reaktion auf dieses Bekanntwerden der „Bevölkerungsexplosion“ hieß verständlicherweise: Wie kann man dies Anwachsen so abbremsen und verlangsamen, daß sich daraus keine unerträglichen Zustände ergeben? Die Antwort lautete (und so lautet sie vielfach heute noch): Einschränkung der Geburtenzahl, Empfängnisverhütung, Familienplanung. Das zu erreichen ist technisch durchaus möglich; wenn man aber von einer amtlichen und zwangsweisen Sterilisierung oder Unfruchtbarmachung — was wohl kaum mit den grundlegenden und zu respektierenden Menschenrechten in Einklang zu bringen wäre — absieht und die Bestimmung der Kinderzahl den Eltern überläßt, wie es in der Oster-Enzyklika Pauls VI. 1967 gefordert ist, bleiben noch zwei weitere Fragen übrig: Werden die Eltern die künstliche Einschränkung der Geburten als sittlich gerechtfertigt gelten lassen oder nicht? Diese Frage ist, was die „Pille“ betrifft, negativ durch die kirchliche Autorität der Röm.-Kath. Kirche beantwortet worden; sie wird auch vom religiös bestimmten Gewissen — etwa der Hindu-Bevölkerung Indiens negativ beantwortet. Auf jeden Fall braucht es zur wirksamen Durchführung einer gewollten Empfängnisverhütung eine erhebliche moralische wie technische Unterrichtung *).
Vor 16 Jahren hatte ich in Indien selbst mit dem damaligen christlichen
Gouverneur der Provinz Bombay, die durch Flüchtlinge aus Pakistan
[Seite 910]
unter einem unerträglichen Zuviel an Menschen zu leiden hatte, ein
langes Nachtgespräch über das Problem der Geburtenbeschränkung. Seine
Meinung war die, daß dies notwendig sei, aber für die indische
Bevölkerung erst in 70 Jahren möglich sein würde, weil sich erst
dann die zu erstrebende allgemeine Schulpflicht auswirken könne
in diesem (damals) Vierhundert-Millionen-Volk von Analphabeten.
Offensichtlich behält dieser Mann mit seinen Vorbehalten recht; bis zum Ende unseres Jahrhunderts wirkt sich die planmäßig gewollte und propagierte Geburtenbeschränkung nur innerhalb der bereits entwickelten Völker aus, also bei den Völkern der weißen Rasse und bei den Japanern. Für die letzteren kann und wird sich das als Entlastung auswirken, während die weiß-rassigen Völker eine solche Entlastung gar nicht nötig haben, weil bei ihnen — und nur bei ihnen — die Produktion stärker anwächst als die Bevölkerungszahl. Während sich die gesamte Menschheit in den fünf Jahrzehnten von 1950 bis 1999 um 150 % vermehrt — von 3 auf 7,5 Milliarden —, vermehrt sich der weiße Bevölkerungsteil von 1,2 auf 1,8 Milliarden, also um 50 %. Diese Völker erzeugen erheblich mehr Nahrungsmittel als sie selber benötigen; und es ist wohl zu verstehen, daß nachdenkende Menschen den Kopf schütteln, wenn sie lesen, daß erhebliche Mengen von überproduzierten Lebensmitteln vernichtet werden, um die Erzeugerpreise zu halten und ein Überangebot zu vermeiden, während die Mehrheit menschlicher Erdenbürger nicht genug zu essen hat und Tag für Tag hunderttausend Menschenkinder Hungers sterben müssen. Das ist ein Zustand, der aller Menschenwürde bar ist und ihr Hohn spricht. Aber die nichtweißen Völker können bis zur Stunde ihr Produktionsdefizit nicht — oder noch nicht — ausgleichen, geschweige denn überwinden, weil sie stärker an Zahl zunehmen, als sie ihre Produktion erhöhen können. So passiert das, was die vom Oekumenischen Rat der Kirchen 1966 veranstaltete Konferenz „Kirche und Gesellschaft“ erstmalig öffentlich erklärte und was acht Monate später in der päpstlichen Enzyklika „Populorum Progressio“ ausdrücklich festgestellt wurde: „Die Reichen werden immer reicher und die Armen werden immer ärmer“.
Sicher ist die Frage berechtigt, wie der auf die Länge der Zeit bedenklich
und bedrohlich werdenden Bevölkerungsvermehrung sinnvollerweise Einhalt
geboten werden kann; aber die andere Frage, die nicht
rechtzeitig gestellt und bedacht wurde (und wird), muß schnellstens und
sofort angepackt werden: Wie schaffen wir für eine Menschheit, die im
Hunger zu versinken droht, das nötige tägliche Brot, das sie am Leben
erhält? Das ist nicht nur die Frage der Armen und Hungrigen, das ist
heute schon nicht weniger die Schicksalsfrage für die Satten und Reichen.
In früheren Zeiten und bis zur Mitte dieses Jahrhunderts wußte der
hungerleidende Mensch in Indien oder in Lateinamerika nicht, daß die
satten und reichen Zeitgenossen in anderen Ländern im Überfluß lebten,
und wenn er’s wußte oder wenigstens ahnte, dann fand er sich
schweigend damit ab, weil es ja keine Möglichkeit zu geben schien, den
Ausgleich herbeizuführen. Die Erde war weit, die Entfernungen groß und
praktisch nicht zu überwinden. Das ist anders geworden: die Erde ist
[Seite 911]
klein geworden, die Entfernungen spielen keine Rolle mehr, und überall
auf unserem Globus weiß man, wieviel der Antipode zu essen hat.
Wenn auf einen Satten drei Hungrige kommen, und bald — in 30
Jahren — wird es so weit sein, dann verlangen die Hungernden ihren
Anteil oder versuchen, ihn sich mit Gewalt zu verschaffen.
Das ist dann die eigentliche und sehr wirkliche Bedrohung des Friedens auf unserer Erde. Angesichts der sich hier entwickelnden und hier lauernden Feindschaft der Hungrigen gegen die Satten, des Neides, des Hasses, des Habenwollens und Nehmenmüssens, werden nationale und ideologische Gegensätze zu lächerlichen Kleinigkeiten: die Mutter, die ihr Kind verhungern sieht, fragt nur noch, von wem sie die zu seiner Rettung nötige Nahrung nehmen kann, und da ist es ihr gleich, ob er zu ihrem eigenen oder zu einem fremden Volk gehört, ob er ihres eigenen oder eines fremden Glaubens ist. Es muß und wird zu einer gemeinsamen Front der Armen gegen die Reichen kommen; und wer Augen hat zu sehen, der sieht, wie sich diese Front schon seit mindestens einem Jahrzehnt zu bilden begonnen hat. Es fing an mit dem Bruch Chinas mit der Sowjet-Union; denn auch die Russen sind Weiße und gehören zu den Reichen und Satten, und die Habenichtse wachsen an Zahl gewaltig: die Chinesen in diesem halben Jahrhundert um 150 %, von 600 Millionen auf 1500 Millionen, die Schwarzen in Afrika um 200 %, von 200 Millionen auf 600 Millionen, und ähnlich sieht es wohl bei den Indios in Latein-Amerika aus.
- Ein Amoklauf der Hungernden?
Eine gewaltige Revolution ist im Anbruch, weil die große Reform — die Revolution von oben, von seiten der Reichen — vor einem halben Jahrhundert unterblieb und man statt dessen den Krieg zwischen den Reichen inszenierte; 1939 passierte dann die gleiche verbrecherische Dummheit noch einmal, und meine Generation hinterläßt den Kindern, Enkeln und Urenkeln einen Scherbenhaufen, nein: einen Vulkan, der jeden Augenblick losbrechen kann. In allen Ecken der Erde brodelt es bereits, und niemand weiß, was daraus werden mag. Ich wüßte nicht, wo in aller Welt noch ein echter, ungeheuchelter Optimismus zu finden sein könnte, vielleicht bei der schwarzen Bevölkerung in Süd-Afrika und in den USA. Wir hinterlassen der neuen Generation, die unsere Erbschaft antreten muß, auch noch eine Selbstmordwaffe, die alles Leben vernichten kann. Ob die Hungernden und Verhungernden aus Respekt vor der H-Bombe den Angriff auf die Reichen und Satten, auf die hochentwickelten, weißen Völker unterlassen werden? Oder ob sie den Amoklauf unternehmen?
Ich sehe nur noch die eine Chance, das — vielleicht wenigstens — zu
verhindern, und ich bin überzeugt, daß diese Chance zugleich eine Chance
für einen ersten positiven Schritt zu einer künftigen Weltregierung
darstellen könnte und würde. In den beiden großen Kriegen haben wir
Deutschen, wie eine Reihe anderer europäischer weißer Völker, die Erfahrung
gemacht, die gegenwärtig zur Erfahrung für die ganze Menschheit wird,
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daß nicht genug zu essen da war und auch nicht geschafft werden konnte:
Reiche Leute konnten sich für ihr Geld das Nötige beschaffen und mehr
als das, arme Leute konnten das nicht. Man mußte jedoch den Bürgerkrieg
vermeiden und die einheitliche Front nach draußen erhalten und
festigen: So erfand man im 1. Krieg die Rationierung, d. h. alle
Bürger — reiche wie arme — erhielten ihren Anteil an der
unzureichenden Produktion; der Arme nicht weniger als der Reiche,
und der Reiche — mit all seinen Millionen — nicht mehr als der Arme.
Keiner wurde richtig satt, aber keiner brauchte deshalb den andern
zu beneiden: Der Friede im Innern blieb gewahrt. Keine neue Entdeckung,
aber zunächst etwas sehr Ungewohntes, obgleich etwas absolut Natürliches:
Wenn in einer Familie mit Kindern das Brot nicht langt, dann gibt die
Mutter nicht ihrem Liebling ein großes Stück, damit es satt wird, und den
andern entsprechend kleinere Stücke. Der Liebling müßte dafür den Neid und
die Feindschaft der anderen auf sich ziehen. Wo nicht genug da ist, wird
Neid und Hass, Mord und Totschlag nur dadurch vermieden (oder wenigstens
hinausgeschoben), daß man das Vorhandene zu gleichen Teilen verteilt.
Das ist heute und morgen und noch auf Jahrzehnte hinaus die wirtschaftliche Situation der Menschheit: Es reicht nicht dazu, daß alle satt werden; aber noch bekommen die einen viel und die anderen wenig oder gar nichts. Das Ende ist noch nicht in Sicht, jedenfalls wird es von den Staaten und ihren Regierungen noch nicht gesehen, und sie geben’s noch
- Bei der „Weltkonstituante“ in Interlaken aufgenommen: Henri Huber, Präsident der Berner Kantonsregierung, begrüßt die Teilnehmer. Links neben ihm, den Kopf zur Seite gewandt, Pastor Martin Niemöller.
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nicht zu. Doch es wird höchste Zeit — oder es ist wohl schon höchste
Zeit —, aus dieser Situation die vernünftige Folgerung zu ziehen. Sie
heißt Rationierung: Jeder Bewohner unseres Planeten Erde hat den Anspruch
auf seinen Anteil an der nicht für alle voll ausreichenden
Lebensmittel-Produktion. Aber der nordamerikanische Millionär kann nicht für
all sein Geld kaufen, was einem armen Vietnamesen zusteht, wenn nicht
dieser selbst es ihm verkauft oder abgibt. Ich bin überzeugt, daß wir
eine solche Rationierung in spätestens zwei Jahrzehnten nicht nur haben,
sondern tatsächlich praktizieren müssen, wenn dann nicht der Schlußpunkt
hinter das letzte Kapitel der Menschheitsgeschichte gesetzt werden soll.
- Weltweite gemeinsame Planung
Ich entsinne mich des Ausspruchs eines amerikanischen Professors auf der Konferenz „Kirche und Gesellschaft“ in Genf 1966, der sagte: „Um die Katastrophe zu vermeiden, brauchen wir eine alsbaldige weltweite gemeinsame Planung der Produktion und eine alsbaldige weltweite gemeinsame Planung der Distribution“. Das letztere ist sicherlich das Allerdringendste und darin besteht die nicht mehr zu leugnende und nicht mehr aufschiebbare „Notwendigkeit einer Welt-Verwaltungsbehörde“. Wir brauchen um der Menschheit und ihres Fortbestehens willen eine einzige Stelle (etwa im Rahmen einer verstärkten UNO), die über alle Lebensmittel, die produziert werden, zu verfügen hat und diese so zur Verteilung zu bringen die Befugnis und die Möglichkeiten hat, daß jeder Mensch in allen Rassen und Völkern seine Lebensmittelkarte beliefert bekommt. Das wird uns Menschen und Völkern der entwickelten und fortgeschrittenen Welt sonderbar und sauer vorkommen; aber wir werden uns dahinein finden müssen, wenn uns das Leben — und das unserer Kinder und Enkel — lieb ist.
Daß es heute dahin gekommen ist, ist mir als Christen eine besondere Genugtuung und Freude. In meinen jungen Jahren, d. h. vor sechs Jahrzehnten, galt Jesus von Nazareth für die Welt, in der ich lebte, noch als blutiger Laie, Träumer und Idealist; heute weiß ich, daß er in allem recht hatte, wenn er unsere Abhängigkeit voneinander und unser Angewiesensein aufeinander behauptete und forderte, unsere „Interdependence“. Das ererbte Schema von Jahrtausenden hieß: „Wenn du Erfolg haben willst, mußt du deine Konkurrenten schlagen, dann kannst du aus ihrem Schaden deinen Nutzen ziehen!“ Von daher war das Recht des Stärkeren Trumpf auf allen Lebensgebieten, und der Kampf mit dem Rivalen der Sinn des Dasein und Daseinskampfes.
Heute heißt es ganz anders. Die Zwischenstufe hieß: Leben und leben lassen; auch das reicht nicht mehr. Die Wahrheit heißt: miteinander (und nicht mehr neben- (oder gar gegeneinander) leben, und auch nicht voneinander (d. h. auf Kosten des andern), sondern füreinander leben, tätig sein und Opfer bringen. Dazu brauchen wir jetzt die längst fällig gewesene Welt-Verwaltungsbehörde, die jedem das Seine an Lebensmitteln zuweist und gibt. Das ganze ist eine Zwischenlösung; aber sie darf nicht übergangen oder übersprungen werden, wenn wir weiterkommen wollen.
- ——————————
- *) Die 2. Frage lautet: Wird durch Einschränkung der Geburten die Katastrophe vermieden?
Kräfte in Gebet und Meditation[Bearbeiten]
Weg zu den geistigen Wirklichkeiten / von Hans Randel
„O du geistiger Freund! Du hast nach der Weisheit des Gebetes gefragt.
Wisse, daß das Gebet eine unerläßliche Pflicht ist und daß der Mensch
unter keinem Vorwand davon entbunden werden kann, es sei denn, er
ist geistig krank oder ein unüberwindliches Hindernis tritt auf1).“
Diese bedeutungsvolle Äußerung ‘Abdu’l-Bahás verpflichtet uns zu beten. Wir könnten diese Pflicht in blindem Gehorsam erfüllen, besser aber und dem Wesen des Menschen, der Stufe seiner Reife angemessener wäre es, zuerst Verständnis zu suchen für das, was wir tun sollen, und dann einen persönlichen Entschluß zu fassen und Taten hervorzubringen, die unsere eigenen sind.
Der einzige Weg, Verständnis für geistige Dinge zu erlangen, — und das Gebet ist eine geistige Wirklichkeit — führt über die Meditation.
Die folgende Betrachtung will uns zu den Kräften in Gebet und Meditation geleiten. Sie will Vorurteile überwinden und Selbstbetrug beiseite schieben, damit wir den Weg zu den geistigen Wirklichkeiten endlich beschreiten können.
In zwei Schritten wollen wir uns dem Ziele nähern. Wir wollen zwei Übungen machen, nämlich meditieren und beten. So werden die beiden folgenden Abschnitte in sich geschlossen sein, aber der erste bildet die Grundlage für das Verständnis des zweiten.
- Meditation — natürliche Veranlagung
‘Abdu’l-Bahá spricht von der Kraft der Meditation und meint damit ohne Zweifel eine Wirklichkeit. Er sagt:
„Durch die Kraft der Meditation erreicht der Mensch ewiges Leben. Durch sie empfängt er den Odem des Heiligen Geistes, denn die Gabe des Geistes wird ihm im Nachsinnen und in der Meditation gegeben.
Diese Kraft befreit den Menschen von der tierischen Natur, läßt ihn die Wirklichkeit der Dinge unterscheiden und bringt den Menschen in Berührung mit Gott.“ 2)
In diesen Worten kommen Begriffe vor, deren Bedeutung selbst erst
in der Meditation erschlossen werden kann. Eines aber wird unmißverständlich
gesagt, daß nämlich die Kraft der Meditation eine natürliche
Veranlagung jedes Menschen ist. Sie gehört zur geistigen Grundausstattung
des Menschen und kann von jedem einzelnen betätigt werden. Sie
ist eine Art von Nachsinnen oder Verweilen bei einem Gedanken. Auf
unserem Wege zur Menschwerdung haben wir vermutlich unzählige Male
diese Kraft betätigt, ohne daß es uns recht zum Bewußtsein gekommen
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wäre zu meditieren. An dieser Stelle wollen wir ein Vorurteil ausräumen.
Meditation ist nicht ein Vorrecht hochbegabter, frommer oder gar
auserwählter Menschen. Jeder kann meditieren, jeder kann diese seine
Veranlagung entwickeln und ihre Kraft in seinem Leben entfalten.
‘Abdu’l-Bahá erklärt weiterhin: „Die Kraft der Meditation ist einem Spiegel ähnlich. Wenn du ihn vor irdische Dinge hältst, wird er sie widerspiegeln. Wenn daher der Menschengeist Irdisches betrachtet, wird er dieser Dinge gewahr.
Wenn du aber den Spiegel deines Geistes himmelwärts wendest, ... werden die Strahlen der Sonne der Wirklichkeit in deinem Herzen widergespiegelt und du wirst der Tugenden des Königreiches teilhaftig.
Laßt uns darum diese Kraft richtig lenken, sie der himmlischen Sonne und nicht irdischen Dingen zuwenden, damit wir die Geheimnisse des Königreiches entdecken und die Sinnbilder der Bibel und die Geheimnisse des Geistes erfassen.“ 3)
Hier stehen wir offenbar an einem Scheidewege. Wir können die gleiche Kraft der Meditation auf irdische Dinge richten oder zu den geistigen Wirklichkeiten erheben. Dieser Unterschied in der Richtung ist so wesentlich, daß ‘Abdu’l-Bahá an anderer Stelle von zweierlei Sehvermögen spricht:
„Wisse wahrlich, daß Gott die Einsicht dem Augenschein vorzieht, denn das Auge sieht die materiellen Dinge, während die Einsicht die geistigen Dinge erahnt. Das Auge sieht die irdische Welt, die Einsicht erkennt die Welt des Gottesreiches. Dieses urteilt zeitlich, während jene ewige Sehkraft besitzt...“ 4)
Noch klarer weisen die folgenden Worte Bahá’u’lláhs auf diesen Unterschied hin:
„O Mensch mit zweierlei Sehvermögen! Schließe ein Auge und öffne das andere. Schließe das eine vor der Welt und dem Treiben der Welt, und öffne das andere für die Schönheit des Heilig-Geliebten.“
„O Sohn der Leidenschaft! Höre mich wohl: Das vergängliche Auge erkennt die ewige Schönheit nicht und das geistig tote Herz hängt sich nur an welkende Blumen. Denn Gleiches sucht Gleiches und gesellt sich immer zu seiner Art.“
„O Sohn des Staubes! Werde blind, damit du Meine Schönheit schauest. Werde taub, damit du Meine Melodie und Meine liebliche Stimme hörest. Werde unwissend, damit du von Meinem Wissen einen Teil gewinnest. Und werde arm, damit du aus dem Meer des nie versiegenden Reichtums einen unvergänglichen Anteil erlangest. Werde blind, das heißt für alles außer Meiner Schönheit. Werde taub, das heißt für alles außer Meinem Worte. Und werde unwissend, das heißt in allem außer Meinem Wissen, damit du mit klarem Auge, mit reinem Herzen und feinem Ohre in die Weite Meiner Heiligkeit eingehest.“5)
Wenn wir diese Worte bedenken, so scheint es uns, als läge der Weg,
den wir beschreiten wollen, offen vor uns: „...öffne das andere Auge...“
Aber wohin setzen wir den ersten Schritt? Wohin führt der Weg ins
[Seite 916]
Geistige, ins Raumlose? Bahá’u’lláh spricht in den „Verborgenen Worten“
von „dem Dämmerungsort jenseits des Raumes“, von den „Gefilden des
wahren Seins“ und von der „Ebene der Ewigkeit“. Wie gelangen wir
dorthin?
- Das Wort Gottes als Grundlage
Wir sollten uns daran erinnern, daß die geistige Welt eine wirkliche Welt ist, damit wir nicht Opfer unserer eigenen Einbildungen werden. Nicht in schwärmerischen Träumen oder verstiegenen Gedanken nähern wir uns der Wirklichkeit der geistigen Welt. Alle Wirklichkeit macht sich uns durch Wirkungen bemerkbar, auch die geistige. Diese Wirkungen gehen von den göttlichen Offenbarern aus. In den von Ihnen geoffenbarten göttlichen Worten finden sich Spuren der geistigen Welt, Ihre Worte können wir zur Grundlage unserer Meditation machen.
„Versenkt euch in das Meer Meiner Worte, damit ihr seine Geheimnisse ergründen und die Perlen der Weisheit entdecken möget, die in seinen Tiefen schlummern!“ 6) So rät uns Bahá’u’lláh in der Ährenlese.
Wir müssen also aus der Welt unserer eigenen Gefühle und Gedanken hinaus- und in die Weite des geistigen Seins hinübergehen. Der erste Schritt in diesem Übergang wird nicht immer leicht sein, und manche von uns verzagen schon, bevor sie diesen Schritt gewagt haben. Und Bahá’u’lláh sagt uns doch in den „Verborgenen Worten“:
„O Sohn der Liebe! Eines Schrittes Weite nur trennt dich von den Höhen über dir und vom himmlischen Baum der Liebe. Tue den ersten Schritt, und mit dem nächsten wirst du in die Unsterblichkeit schreiten, in das Zelt ewigen Lebens. Dort vernimm, was die Feder der Herrlichkeit offenbarte.“ 7)
Ich möchte an dieser Stelle unserer Betrachtung ein Bild verwenden, um das Wesen dieses Übergangs verständlich zu machen und die anfängliche Schwierigkeit in der Meditation zu überwinden. Ich denke an die Erscheinung der Resonanz.
Wenn wir eine Stimmgabel, die auf einen bestimmten Ton gestimmt ist, anschlagen, dann wird sie in diesem Ton erklingen. Wir können sie aber auch auf andere Weise zum Klingen bringen. Wir könnten sie aufstellen, so daß sie frei schwingen kann. Wenn wir nun ein Instrument nehmen und gerade diesen Ton auf dem Instrument erklingen lassen, dann wird die Stimmgabel zuerst ganz leise und dann immer stärker mitklingen. So wird es unserem Herzen ergehen, wenn wir die Worte Gottes erklingen lassen.
„O Mein Diener! Singe die Verse Gottes, die du empfangen hast, so wie jene sie singen, die sich Ihm genähert haben, damit die Süße deines Gesanges deine eigene Seele entflamme und die Herzen aller Menschen anziehen möge.“ 8)
Nach dem Gleichnis der Resonanz dürfen wir sagen, daß jeder Mensch
eine Stimmgabel in seinem Herzen hat, die auf den Klang der göttlichen
Sprache eingestimmt ist. Vielleicht wissen wir nicht, wo wir sie finden
[Seite 917]
können. Dann sollten wir die Verse Gottes anstimmen und stille sein, bis
die Resonanz in unserem Herzen erklingt. So werden wir uns der Kraft
der Meditation bewußt, und können sie mehr und mehr entfalten.
- Konzentration und Übung
Wir kommen jetzt zur praktischen Meditationsübung. Wir werden eine Textstelle aus dem „Brief an den Sohn des Wolfes“ lesen. Dazu bedürfen wir einer vollkommenen Stille. Diese Stille sollte in unserem Körper, unserer Seele und unserem Geiste vollkommen ausgebreitet sein. Auch die Kräfte unserer Sinne und die Aufmerksamkeit unserer Umweltsorientierung sollten zur Ruhe gekommen sein. Es gibt mancherlei Meditationsmethoden, und es hängt ganz von der Beschaffenheit des einzelnen ab, welche Methode ihm gemäß ist. Wichtig ist es, einen hohen Grad an Konzentration zu erreichen, damit wir ruhig, gelassen und stetig zuhören können. Die Texte müssen gut vorgelesen werden, und keine Unterbrechung von außen darf diese Übung stören. Wenn die Stimme verklingt, sollte die Stille anhalten. So werden wir am besten die Resonanz in unserem Herzen bemerken können.
- „Sei freigebig im Glück und dankbar im Unglück.
- Sei des Vertrauens deines Nächsten wert und schaue hellen und freundlichen Auges auf ihn.
- Sei ein Schatz dem Armen, ein Mahner dem Reichen, eine Antwort auf den Schrei des Bedrückten und halte dein Versprechen heilig.
- Sei gerecht in deinem Urteil und behutsam in deiner Rede.
- Sei zu keinem Menschen unbillig, sondern erweise allen Sanftmut.
- Sei wie eine Lampe für die, so im Dunkeln gehn, eine Freude den Betrübten, ein Meer für die Dürstenden, ein schützender Port für die Bedrängten, Stütze und Verteidiger für das Opfer der Unterdrückung.
- Laß Sauberkeit und Redlichkeit all dein Handeln auszeichnen.
- Sei eine Heimat dem Fremdling, ein Balsam dem Leidenden, dem Flüchtling ein starker Turm.
- Sei dem Blinden Auge und ein Licht der Rechtleitung für den Fuß des Irrenden,
- Sei ein Schmuck für das Antlitz der Wahrheit,
- eine Krone für die Stirn der Treue,
- ein Pfeiler für den Tempel der Redlichkeit,
- der Lebenshauch dem Körper der Menschheit,
- ein Banner für die Heerscharen der Gerechtigkeit,
- ein Himmelslicht am Horizont der Tugend,
- Tau für den Urgrund des Menschenherzens,
- eine Arche auf dem Meer der Erkenntnis
- eine Sonne am Himmel der Gnade,
- ein Stein im Diadem der Weisheit,
- ein strahlendes Licht am Firmament deiner Zeitgenossen,
- eine Frucht am Baum der Demut.
- Dich vor der Glut der Eifersucht und vor der Kälte des Hasses zu schützen, darum bitten Wir Gott.
- Er, wahrlich, ist nahe, bereit zur Antwort.“ 9)
Natürlich werden die Empfindungen, die diese Worte in uns wachrufen, sehr verschieden sein, so verschieden wie wir Menschen nun einmal sind. Aber einige allgemeine Aussagen können wir an dieser Stelle machen:
Die Empfindungen müssen ursprünglich und uns ganz persönlich zu eigen sein. Wir dürfen sie nicht erwarten oder gar wollen.
Sie sind ein Widerhall der Worte, sie spiegeln die Bedeutung der einzelnen Verse und Sätze und sie entzünden sich endlich an der geistigen Kraft dieser Äußerungen derart, daß sie unser ganzes Wesen in Schwingung versetzen. Die Bedeutung der einzelnen Sätze ist leicht faßlich, wir wissen, was es heißt, dem Fremdling eine Heimat und dem Leidenden Balsam zu sein. Über die einzelnen Sätze hinaus gibt es in diesem Text auffällige Wiederholungen, sowohl im Satzbau als auch in der Führung der Gedanken, so daß die Bedeutung auf eigentümliche Weise verdichtet wird und der Vortrag dieser Worte einen schwingenden Rhythmus erzeugt, der unser ganzes Wesen erfaßt. Diese Schwingungen sind Liebe, und Liebe ist das erkennende Auge des Geistes. Vor dem Spiegel unseres Geistes entsteht das „Meer“ der göttlichen Worte, dessen Wogen über unsere Seele branden, sie in Schwingungen versetzen, zur Liebe, ja Begeisterung hinreißen und als Frucht eine Sehnsucht hervorbringt, mehr zu lieben und Größeres zu schauen in der Welt des Geistes.
In der Geschichte der Bahá’í-Religion hat es kostbare Stunden gegeben,
in denen der Strom göttlicher Offenbarungen so mächtig und so überwältigend
war, daß die Menschen, die dies erlebten, tief beeindruckt
waren. Mullá Husayn berichtete über die Nacht der Erklärung des Báb:
„Der Schlaf floh mich in jener Nacht. Ich war im Banne der Melodie
jener Stimme, die sich im Gesange hob und senkte, jetzt, da Er Verse aus
dem Qayyúmu’l-Asmá offenbarte, mächtig anschwellend, dann wieder,
beim Singen der von Ihm geoffenbarten Gebete, in ätherischen, zarten
Harmonien erklingend... Diese Offenbarung, die so plötzlich und so
ungestüm auf mich herabstürzte, brach wie ein Gewittersturm hervor und
benahm mir eine Zeitlang ganz die Sinne. Ich war von ihrem
überirdischen Glanz geblendet und von ihrer niederschmetternden Wucht
getroffen. Erregung, Freude, Furcht und Staunen wühlten meine Seele in
ihren Tiefen auf. Die hervorstechendste unter diesen Regungen war jedoch
eine Empfindung von Freude und Kraft, die mich verwandelt zu
haben schien... Ich spürte einen solchen Mut und eine solche Kraft in
[Seite 919]
mir, daß ich, wenngleich die ganze Welt mit all ihren Völkern und
Herrschern wider mich aufgestanden wäre, allein und furchtlos ihrem
Angriff standgehalten hätte. Das All schien nur noch Staub in meiner
Hand...“ 10)
Von aller Wirklichkeit gehen Wirkungen aus, auch von der geistigen. Der Bericht des ersten Gläubigen der Bahá’í-Religion von der ersten Nacht dieses neuen Glaubens ist ein Dokument, in dem die erschütternde Kraft dieses neuen Gottesglaubens bezeugt wird. Wir wollen in den Stunden unserer Meditation die Begegnung mit den Kräften dieses Glaubens suchen!
- (Fortsetzung folgt)
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- 1) Göttliche Lebenskunst. 1961. S. 27.
- 2) Göttliche Lebenskunst. 1961. S. 41.
- 3) Göttliche Lebenskunst. 1961. S. 42.
- 4) Göttliche Lebenskunst. 1961. S. 13.
- 5) Bahá’u’lláh: Verborgene Worte, arab. 10 und 11.
- 6) Bahá’u’lláh: Ährenlese. LXX (aus dem „Buch der Gesetze“).
- 7) Bahá’u’lláh: Verborgene Worte, arab. 7.
- 8) Bahá’u’lláh: Ährenlese. CXXXVI.
- 9) Bahá’u’lláh: Brief an den Sohn des Wolfes. 1966. S. 88-89.
- 10) Shoghi Effendi: Gott geht vorüber. 1954, S. 6.
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- Wir brauchen eine Philosophie, einen Leitfaden und eine Hoffnung, wenn uns nicht der gegenwärtige Zustand der Unentschiedenheit in ein Chaos führen soll. Die Erregung der Gemüter, die alle nach einem neuen Licht suchen, läßt die Vermutung zu, daß wir uns an den Vorposten eines neuen Lebens befinden. Wir sind auf der Suche nach einer religiösen Botschaft, die klar, allgemeingültig, umfassend und respektgebietend sein, einer Botschaft, die dem neuen Bedürfnis nach Wahrheit und der erwachenden sozialen Leidenschaft, diesen beiden hervorragenden Charakterzügen der religiösen Situation von heute, Rechnung tragen soll. Glaube mag schwer sein, aber die Notwendigkeit zu glauben ist eine unausweichliche Tatsache. Man muß der sich mühenden und strebenden Menschheit einen vernünftigen Glauben geben, der den freien Geist des Menschen nicht beleidigt durch willkürliche Dogmen oder zögernde Verneinungen, eine neue Vision Gottes, in deren Namen wir uns auf einen Kreuzzug gegen all jene seltsamen Kulte begeben können, die heute um die Herrschaft über die Seelen kämpfen.
- Sarvapalli Radhakrishnan
- (Die Erneuerung des Glaubens aus dem Geist, Ullstein 238, S. 65)
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NEU AUF UNSEREM Büchertisch[Bearbeiten]
Udo Schaefer, „Die mißverstandene Religion. Das Abendland und die nachbiblischen Religionen“, Bahá’í-Verlag, Frankfurt 1968, 116 Seiten, kart. DM 4,90.
Ihrer von Shoghi Effendi, dem Hüter des Bahá’í-Glaubens, immer wieder
hervorgehobenen Aufgabe, im Westen für die Grundwahrheiten des
Islam einzutreten, sind die deutschen Bahá’í bis jetzt zwar häufig
in Vorträgen, Sommerschulen und persönlichen Gesprächen, aber nur selten
in ihrem schriftstellerischen Schaffen nachgekommen. Wir haben schon
wiederholt Bücher besprochen, die sich mit dem Islam auseinandersetzen
(vgl. S. 103, 235, 404), und im Frühjahr 1958 brachte „Der 19-Tage-Brief“
eine Übersetzung der feinempfundenen und flüssig geschriebenen Arbeit
„Der Islam, eine Einführung in sechs Kapiteln“ von Marzieh Gail, die als
Tochter persisch-amerikanischer Eltern, als Bahá’í und als Journalistin
für eine populäre Darstellung besonders prädestiniert ist. An einer Schrift,
die sich in kritischer Nüchternheit mit den gängigsten abendländischen
Vorurteilen gegen die nachchristlichen Religionen auseinandersetzt, hat
es jedoch bislang von Bahá’í-Seite gefehlt.
Diese Lücke hat Udo Schaefer ausgefüllt, auch wenn er einleitend bemerkt, daß seine Arbeit „aus den Bedürfnissen der Verkündigung der Bahá’í-Religion in der abendländischen Welt entstanden ist und keine wissenschaftlichen Intentionen verfolgt“. Als Jurist ist er geübt und gewohnt, Tatbestände zu analysieren und Aussagen auf ihren Wahrheitsgehalt zu untersuchen. Seine Ausführungen „sind von der Absicht getragen, alteingewurzelten Vorurteilen entgegenzutreten, die noch immer den Blick des Abendländers trüben, und Verständnis für den Islam und seinen Propheten zu wecken“.
Um den alten und immer wieder neu aufgebrachten Vorwurf zu widerlegen,
die Bahá’í-Religion sei nur eine Sekte des Islam, muß zunächst
klargestellt werden, was der Islam und was eine Sekte ist. Schaefer führt
aus, daß keines der wissenschaftlichen Kriterien einer Sekte auf die
Bahá’í-Religion zutrifft (S. 21) und daß die Bahá’í-Religion zu ihrer
„Mutterreligion“, dem Islam, in einem analogen Verhältnis steht wie das
Christentum zum Judentum. Klar definiert er die normativen, konstitutiven
Grundsätze der Gesetzesreligion, der das göttliche Gebot nicht zur
„Rechtfertigung“ des Menschen vor Gott dient, wie es Paulus und die
gesamte protestantische Kirche mißverständlich darstellen, sondern „zur
Heiligung nicht nur des Menschen als Einzelwesen, sondern der ganzen
Menschheit“ (S. 27). Dieses Gesetz, bei Bahá’u’lláh weit mehr Leitlinie
für selbständige Entscheidungen als ein hartes, formales Reglement, muß
aus innerer Hingabe, aus Liebe zu Gott erfüllt werden. Als „Buchreligionen“
ist dem Islam und der Bahá’í-Religion gemein, daß „im Zentrum des
Glaubens das Buch Gottes steht, nicht — wie im kirchlichen
[Seite 921]
- Auf der Frankfurter Buchmesse im Herbst 1968 war auch der „Verbum“-Verlag mit einem repräsentativen Stand vertreten. Das in diesem Verlag erschienene Buch „Der gespaltene Himmel“ — Autor Huschmand Sabet — hat inzwischen allgemeine Beachtung gefunden und vielfach, insbesondere in kirchlichen Kreisen, heftige Diskussionen ausgelöst.
Christentum — eine gottgleiche Gestalt“ (S. 32). Nach Schaefer ist die Bahá’í-Religion sogar die einzige „exklusive Buchreligion“, weil in ihr mündliche Traditionen keinerlei Verbindlichkeit mehr haben, wogegen sie im Christentum ausschließliche, im Judentum und im Islam ergänzende Glaubensquelle sind.
Im Anschluß an eine ausführliche Darstellung des Begriffs der fortschreitenden Gottesoffenbarung und seiner Vorbildung im Islam, die jedoch die dogmatische Versteifung auf die Einzigartigkeit Muhammads als des „Siegels der Propheten“ nicht ausschließen konnte, leitet Schaefer die Entstehungsgeschichte der Bahá’í-Religion aus den messianischen Erwartungen im schiitischen Islam her. Daraus ergibt sich das eschatologische Verständnis unserer Gegenwart als „des großen Umbruchs am Tag des Gerichts“ (S. 47), als „Ende des adamitischen Zeitalters, als Zusammenbruch überkommener Ordnungen und Auflösung anerkannter Wertvorstellungen... und als durch die geistigen Impulse der neuen Offenbarung bewirkter, in der Geschichte sich vollziehender universaler Prozeß der Wandlung des Menschen und der Umgestaltung seiner Ordnungen“.
[Seite 922]
Die abendländische Islamforschung geht erst seit den Zeiten der Romantik
von anderen Voraussetzungen als theologischen Vorurteilen aus,
und bis auf die Gegenwart unterliegt sie vielen, oft unbewußten
Mißinterpretationen. Das ist ganz natürlich, so lange „der andere“ nicht als
vollwertig und gleichberechtigt anerkannt wird. „Das Geheimnis des anderen
ist immer in ihm und kann nicht von außen her wahrgenommen
werden“, sagt Martin Buber (S. 58). Auch der Qur’án ist nur demjenigen
verständlich, der sich, wenigstens hypothetisch, zu ihm als dem Wort
Gottes bekennt. Zum Wesen und eigentlich Neuen des Islams findet der
kritische Forscher vollends keinen Zugang, wenn ihm das Prinzip der
fortschreitenden Offenbarung und daraus abgeleitet die Entwicklungsstufen
der menschlichen Kultur im dialektischen Gang der Weltgeschichte, vor
allem des vorderasiatisch-abendländischen Raumes, verschlossen bleiben.
Den populärsten Fehlurteilen wie den Fragen des Krieges, des Fatalismus
und der Vielehe, wendet sich Schaefer ausführlich zu, bevor er auf die
tatsächliche Intoleranz der islamischen Verfallszeit eingeht. Die Bahá’í
haben durch den Fanatismus der islamischen Geistlichkeit 20 000 Märtyrer
zu beklagen und brauchen hier nichts zu beschönigen.
In einem Anhang über den Toleranzgedanken im Christentum weist Schaefer nach, daß dieser von der Privilegierung der Kirche durch Konstantin an bis weit in die Aufklärung herein weder gelehrt noch geübt wurde. Die Reformatoren standen der Großkirche in nichts nach. Besonders die Juden bekamen christliche Intoleranz immer wieder zu spüren, zumal im Evangelium das Verhältnis zu anderen religiösen Gemeinschaften nicht klärend behandelt ist. Demgegenüber sind im Qur’án die Rechte der „schutzbefohlenen“ Juden und Christen ebenso ausdrücklich sanktioniert wie das Gebot, in Glaubensdingen keinen Zwang walten zu lassen. Für die Bahá’í, die jeden Menschen als potentiellen Gläubigen sehen, ist Bahá’u’lláhs Gebot eine Selbstverständlichkeit: „Verkehret mit den Anhängern aller Religionen im Geiste des Wohlwollens und der Freundschaft!“ (Ährenlese XLIII).
- P.M.
Anselm Heyer, „Untergang des Morgenlandes“, Verlag Ullstein GmbH, Frankfurt/Berlin 1966, 193 Seiten.
Die Pantoffeln des Abu Qasem bilden die Rahmengeschichte, die Heyer als Allegorie für die geistige Situation des Morgenlandes verwendet: Der reiche und geizige Kaufmann aus dem Baghdad der Blütezeit soll sein Schuhwerk so lange getragen haben, bis es nur noch aus Fetzen bestand. Dann wollte er es loswerden, aber bei jedem Versuch kamen die alten Pantoffeln, die jedermann in der Stadt kannte, mit immer neuem Unheil zu ihm zurück, bis er sie schließlich, am Bettelstab wankend, behielt. Ebenso kommt der arabische Geist nicht mehr von den überholten Denkmodellen des islamischen Gesetzes los.
Anselm Heyer, Journalist und Mittelost-Redakteur des Zweiten Deutschen
Fernsehens, versteht es meisterhaft, den Geist der Wüste einzufangen.
[Seite 923]
Seine Kostproben von gereimten Qur’án-Übersetzungen, vor allem
der 55. Sure, können dem deutschsprechenden Leser eine neue
Erlebnisdimension erschließen. Schade, daß er die Schilderung der Frühgeschichte
des Islams nur in die sunnitische Richtung weiterverfolgt, von der Baghdader
Blütezeit über Kairo nach Konstantinopel. Dies ist offenbar auch
der Bereich, den er sich durch Reisen erschlossen hat. Das Echo auf den
Ruf aus der Wüste, das von den alten Kulturen Persiens und Vorderindiens
ausgeht, kommt auf diese Weise zu kurz. Ebenso bleibt dem Verfasser verborgen,
daß aus dem von der Geschichte der islamischen Verfallszeit gehörig
durchgewalkten Filz der Schia ein neues Paar Pantoffel
verfertigt worden ist, das Abu Qasem durchaus hätte eintauschen können,
bevor ihm sein altes Flickwerk so übel zu schaffen machte, wie es seit
150 Jahren der Fall ist: Auf die Bahá’í-Religion geht Heyer ebensowenig
ein wie auf das indisch-pakistanische Denken, das doch dem trockenen
Wüstengeist der Araber manchen fruchtbaren neuen Gedanken zuführen
könnte. Da Heyer diese Alternative so wenig sieht wie die modernen
Führer der arabischen Welt, muß er an deren Zukunft verzweifeln wie
Abu Qasem an der seinen.
- P.M.
- Im Justus-Liebig-Haus in Darmstadt, einem der modernsten Gemeindezentren Süddeutschlands, fand eine Ausstellung statt, die in der Öffentlichkeit, vor allem bei den zahlreichen Besuchern der Darmstädter Stadtbücherei, auf reges Echo stieß. Vorträge von Dr. Eugen Schmidt und Dr. Farhad Sobhani sowie Filmvorführungen vermittelten den Besuchern ein abgerundetes Bild von Wesen und Ziel der Bahá’í-Religion.
- ÄHRENLESE
- aus den Schriften Bahá’u’lláhs
Shoghi Effendi, der autorisierte Ausleger der Bahá’í-Lehren, besorgte diese Auswahl von 165 Textstellen, die vom Wesen der Gottesoffenbarer, der geistigen Natur des Menschen und der neuen, im Aufbau begriffenen Weltordnung handeln. Die wesentlichen Wahrheiten der Bahá’í-Religion sind hier in einem grundlegenden Kompendium vereint.
240 Seiten, Ganzleinen DM 18,90
- ‘ABDU’L-BAHÁ
- BEANTWORTETE FRAGEN
Bei Tischgesprächen in 'Akká äußerte sich ‘Abdu’l-Bahá zu einer Vielfalt von geistigen und philosophischen Fragen: Wesen und Bedeutung der Offenbarer, die wahre Natur des Menschen, einige christliche Themen, Willensfreiheit, Reinkarnation und vieles andere mehr.
306 Seiten, Ganzleinen DM 15,89
- BAHÁ’U’LLÁH
- UND DAS NEUE ZEITALTER
- von Dr. J. E. Esslemont
Eine grundlegende Einführung in die Geschichte und die Lehren des Bahá’í-Glaubens. Das umfassende Handbuch und Nachschlagewerk. In viele Sprachen übersetzt.
324 Seiten, Ganzleinen DM 16.80
- kartoniert (cellophaniert) DM 13,90
- WAS IST DIE BAHÁ’Í-RELIGION...?
Eine umfassende Darstellung des neuen Glaubens. Klar werden Anspruch und Lehren der Bahá’í-Religion in vier großen Themenkreisen behandelt: Grundzüge der Bahá’í-Religion — Menschen nach Gottes Bild — Erkenntnis — Geist der Gemeinschaft. Objektive Darlegung und geoffenbartes Textgut verbinden sich zu einem abgerundeten Bild.
68 Seiten, kartoniert DM 1,50
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