Bahai Briefe/Heft 14/Text

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BAHÁ'I-

BRIEFE


BLÄTTER FÜR

WELTRELIGION UND

WELTBEWUSSTSEIN



AUS DEM INHALT:


Die sieben Täler

Zarathrustra, ein Offenbarer Gottes

Religionswissenschaftliche Kurzinformationen

Sommerschulen 1963

Neue Bücher


OKTOBER 1963 HEFT 14

Postverlagsort 6 Frankfurt


[Seite 332] [Seite 333]


Sei freigebig im Glück und dankbar im Unglück.
Sei wert des Vertranens deines Nächsten
und schaue hellen und freundlichen Auges auf ihn.
Sei ein Schatz dem Armen,
ein Mahner dem Reichen ...
und halte dein Versprechen heilig.
Sei gerecht in deinem Urteil
und behutsam in deiner Rede.
Sei wie eine Lampe für die, so im Dunkeln gehn,
ein Freund dem Betrübten...,
Stütze und Verteidiger für das Opfer der Unterdrückung.
Laß Sauberkeit und Redlichkeit all dein Handeln auszeichnen.
Sei eine Heimat dem Fremdling,
ein Balsam dem Leidenden,
dem Blüchtling ein starker Turm.
Sei dem Blinden Ange
und ein Licht der Rechtleitung für den Fuß des Irrenden.
Sei ein Schmuck für das Antlitz der Wahrheit...,
ein Pfeiler für den Tempel der Redlichkeit,
der Lebenshauch dem Körper der Menschheit,
ein Banner für die Heerscharen der Gerechtigkeit,
ein Himmelslicht am Horizont der Tugend,
Tau für den Urgrund des Menschenherzens,
eine Arche auf dem Meer der Erkenntnis...,
ein strahlendes Licht am Firmament deiner Zeitgenossen,
eine Frucht am Baume der Demut.
Dich vor der Glut der Eifersucht
und vor der Kälte des Hasses zu schützen,
darum bitten wir Gott.
Er, wahrlich, ist nahe,
bereit zur Antwort.
Bahá’u’lláh


(„Epistle to the son of the wolf", p. 93 f.)


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Die sieben Täler[Bearbeiten]

Bahá’u’lláhs „Sieben Täler“, ein Sendschreiben, das in Anlehnung an die sufistische Dichtung der persischen Blütezeit den Entwicklungsweg des suchenden Menschen schildert und zugleich die Gesetzmäßigkeiten jeglicher Entwicklung in sich schließt, ist vor kurzem in Neuauflage erschienen, zusammen mit dem Sendschreiben „Vier Täler“, dem dieselbe Thematik zugrundeliegt (Bahá’u’lláh, „Sieben Täler — Vier Täler“, Bahá’í-Verlag GmbH., Frankfurt 1963, 66 Seiten, Ganzleinen DM 5,—, kartoniert DM 3,70). Aus diesem Anlaß veröffentlichen wir die nachstehende Betrachtung von Dr. Adelbert Mühlschlegel.
D. Red.


Das göttliche Wort strömt im Bündnis Bahá’u’lláhs in unermeßlicher Fülle. Die Schriften von Báb, Bahá’u’lláh, ‘Abdu’l-Bahá und Shoghi Effendi haben einen Umfang, den die heiligen Schriften früherer Religionen bei weitem nicht erreicht haben — etwa das Zehnfache der Bibel oder mehr.

Aus dieser herrlichen Fülle unschätzbarer Weisheiten ragt ein kleines Büchlein aus der Feder Bahá’u’lláhs, „Die sieben Täler“, in seiner poetischen Schönheit und seinem Reichtum an Wahrheiten, die in das Gewand von Symbolen und Gleichnissen gehüllt sind, besonders hervor. „Er schrieb dieses Werk als Antwort auf die Fragen des Shaykh Muhyi’d-Din, des Qádí von Khániqayn, und schildert darin die sieben Stadien, welche die Seele das Suchenden notwendigerweise durchlaufen muß, bevor sie den Zweck ihres Daseins erreichen kann.“ 1)

Wie ein schwerer Nebel in finsterer Nacht, so drücken Unwissenheit und Stumpfheit auf die Massen der Menschen. Viele von ihnen „schlafen“, viele sind „tot“, denn nur die Wünsche und Bedürfnisse des körperlichen Daseins treiben sie an. Aber der gütige Schöpfer hat in den Menschen die köstliche, heilige Fähigkeit gelegt, sich nach dem göttlichen Reich, nach seiner ewigen Heimat, zu sehnen. Gegen diese Tatsache kann nicht als Beweis gelten, daß in weitaus den meisten Herzen diese Sehnsucht verkümmert ist.

Solch ein unnatürlicher Zustand wird dem Menschen als Unbehagen bewußt. Er grübelt über den Sinn seines Lebens und macht sich Selbstvorwürfe. Er interessiert sich für mancherlei Dinge, ob sie ihm vielleicht eher Befriedigung und Glück geben könnten. Erst wenn in ihm das Suchen nach ewigem Glück, nach klarerer Erkenntnis, nach Führung zur Vervollkommnung des Charakters, nach unvergänglicher Liebe und nach anderen Zeichen der göttlichen Wirklichkeit so stark geworden ist, daß er bereit ist, alles Bisherige aufzugeben, dann „erhebt er sich von dem Sitze der Gleichgültigkeit“ und tritt ein in das Tal des Suchens. Er verläßt sein „Haus“, das heißt, das von den Vorfahren Ererbte und ihm Anerzogene, das ihm Sicherheit, Ordnung, Behaglichkeit und eine in Grundsätzen gefestigte Weltanschauung, eine immer gleiche Aussicht aus dem Fenster geschenkt hat, und geht auf dem „Fahrzeug der Geduld den Spuren des Geliebten nach“. Nichts darf ihn verführen auf diesem Weg, der oft schwer zu finden ist. Sein Denken muß rein werden von Vorurteilen und Einbildungen. Die Vorstellung, wie es hinter der nächsten Wegecke aussieht, [Seite 335] darf ihn nicht dazu verleiten, die Zeichen göttlicher Führung zu übersehen. Vorliebe und Abneigung, die er mit sich trägt, dürfen ihn nicht in falsche Richtungen locken, ebensowenig die Ideen und Einflüsse anderer Suchender. Er muß erkennen, daß nicht so sehr das bisher Gelernte den Maßstab seines Fortschreitens bedeute als vielmehr sein Herz, wo er der zarten Eingebung, der Stimme des Geliebten, lauschen soll. Dadurch erwacht in ihm das geistige Wahrnehmungsvermögen, und je bewußter und sicherer er darin wird, umso deutlicher kann er das Wahre von trügerischen Einflüssen unterscheiden. So entwickelt er, selbständig nach Wahrheiten forschend, seine eigene Urteilskraft, und aus freiem Willen handelt er sodann, nicht gezwungen mit saurer Miene, „weil man eben das tun muß“, sondern souverän, aus selbständigem Forschen nach Wahrheit, beglückt in dem Bewußtsein, daß er dem Geliebten näher kommt dadurch, daß er seinen Willen tut. ‘Abdu’l-Bahá lehrt uns, daß diese vier Eigenschaften — das geistige Wahrnehmungsvermögen, das geistige Unterscheidungsvermögen, die geistige Urteilskraft und der freie Wille — die Auswirkungen des „himmlischen Geistes“ sind. Sie sind dem rein verständlichen Denken, den Auswirkungen des „Menschengeistes“, übergeordnet. So ersteht aus Sehnsucht, Suchen, Geduld, Selbständigkeit und Glück im Herzen des Wanderers jene herrliche, heilige Macht, die wir die Liebe nennen,


Liebe - die treibende Kraft

Der Wanderer ist in das Tal der Liebe eingetreten. Eine neue Kraft waltet in ihm und wandelt ihn. Wie herrlich zeigt uns die Natur dies im Bilde! Das Samenkorn, von Materie bedeckt, wird von einer mystischen Macht ergriffen, wenn es der Ruf des Frühlings berührt. Es „erhebt sich vom Sitze der Gleichgültigkeit“, wo es den Winter über „geschlafen“ hatte, und verläßt sein „Haus“. Nach allen Richtungen muß es sich den Weg zwischen Steinchen und harten Schollen bahnen, aber die geheimnisvolle innere Führung leitet es sicher der geliebten Sonne entgegen, es durchbricht die letzte Erdkruste, und nun beginnt ein ganz neuer Abschnitt seines Daseins: Licht und Luft lassen es wachsen. Die Pflanze eilt hinan, dem Geliebten entgegen.

Der Wanderer in diesem Tal muß viel leiden. „Sein Fahrzeug ist der Schmerz.“ Er sieht die Zeichen des Geliebten da, wo andere stumpf und blind sind. Sie verstehen ihn nicht mehr, er ist so ganz anders geworden. Er versteht sich selbst nicht mehr, weil so oft eine neue Flut des Fühlens sein Herz erfüllt. Er liebt die Schöpfung des Geliebten so, wie sie ist, auch da, wo andere nur Häßliches sehen. Er lernt, alle Menschen zu lieben. Er sieht im Nächsten nicht die Fehler, sondern die Schöpfung Gottes, denn „alle sind aus der Gegenwart Gottes“. Er leidet, wo andere stumpf sind, und ist glücklich im Feuer der Prüfungen, wo andere verzweifeln wollen. Diese heilige Macht in seinem Gemüt „verbrennt die Schleier des Selbstes“ und läutert den Charakter. Er erkennt immer ungetrübter den Wunsch und Willen des Geliebten. Und diese wachsende Gotteserkenntnis ist die Grundlage aller wahren Erkenntnis. Nicht die Aneignung von Kenntnissen, nicht das philosophische Spekulienen mit Begriffen führt zur wahren Erkenntnis. Niemand erreicht sie, er sei denn durch die schmerzhafte Wandlung [Seite 336] im Tale der Liebe gegangen, er hätte denn zuerst „die Ernte der Vernunft verbrannt“ — die alte Ernte aus alten Irrtümern, nicht die Vernunft selbst. Sie wird ja neu geboren aus seiner Wandlung durch die reine Liebe.

Diese Wandlung erst macht das Herz zum reinen Spiegel göttlicher Strahlung. Sie führt den Wanderer in das Tal der Erkenntnis. Sein inneres Auge wird geöffnet. Er versteht manche Mysterien des Glaubens, sie werden ihm zur Gewißheit, und neue Mysterien tauchen auf. Er schaut Gegensätze und Streitfragen in höherer Einheit und erkennt, daß sie nur aus den Begrenzungen der betreffenden Menschen kommen. So lernt er, seiner inneren Eingebung, errungen durch Gebet und Meditation, mehr zu vertrauen, als den Auslegungen Unberufener. Vieles, was ihm bisher ngch wichtig war, gar noch Autorität, braucht er jetzt nicht mehr. „In dieser Stunde ist der Morgen der Erkenntnis emporgestiegen, und die Wanderlampen verlöschen.“ 2)


Demut führt zur Erkenntnis

Hier nun kommt es besonders auf Wahrhaftigkeit und Demut an. Nur wenn Wort und Ziel und Tat mit seinem Erkennen übereinstimmen, fühlt der Wanderer sich glücklich. Nur wenn er demutsvoll und ohne Eigendünkel lauscht, kann er die innere Stimme vernehmen. Oft wird er ja ganz anders geführt, als er zu erkennen vermeint. Das Buch erzählt uns das Gleichnis von jenem Wanderer, der nach jahrelanger, qualvoller Trennung, von Sehnsucht verzehrt, die Stadt betritt, wo seine Geliebte wohnt; er wird von einer Nachtwache verfolgt, seine Flucht mißlingt. „Gewiß ist diese Nachtwache ‘Izrá’il, mein Engel des Todes“, schreit er auf und erklimmt in höchster Not eine Mauer. Gehetzt stürzt er sich von ihrer schwindelnden Höhe hinab in einen Garten, wo er — welche Fügung! — der Geliebten zu Füßen fällt. Nun preist er die Nachtwache als seinen helfenden Engel. Denn wie anders wäre er zu diesem ersehnten Ziel gelangt? So erkennt er Glück im Leid, Gerechtigkeit im Unrecht; so liebt er seine „Feinde“, nicht nur um der Liebe zum Schöpfer willen, sondern auch aus gereifter Erkenntnis.

Aber mit wachsender Erkenntnis wächst auch das Bewußtsein, wie peinlich verschieden Theorie und Praxis sind, wieviel noch in ihm lebt, was nicht nach dem Willen des Schöpfers ist. Hier ist Selbsterziehung von größter Bedeutung. In Gebet und Meditation wird er beseligt seines höheren Selbstes bewußt und des Maßstabes, mit dem sich sein freier Wille müht, das Unedle zu veredeln oder auszustoßen. Doch letztlich hilft nur die ewige Liebe, die Gnade. So fliegt er begnadet der Einheit des eigenen freien Willens mit dem göttlichen Willen entgegen.

Diese hohe Stufe, wo der begrenzte, egoistische Eigenwille erstirbt, die in der „Welt“ verankerten Wünsche verlöschen und das Tun und Denken göttliche Führung widerspiegelt, wird das Tal der Einheit genannt. Hier erst kann der Wanderer, ohne zu lügen, die Worte beten: „Ich bezeuge Deine Einheit und Einzigkeit, daß Du Gott bist und daß es keinen Gott gibt außer Dir.“ Bisher waren ja immer noch andere heimliche Götter in seinem Herzen. Aus dem herrlichen Erleben dieser Einheit in der eigenen Brust erkennt er klar, daß alle Vielheit des Denkens und Fühlens und [Seite 337] Wollens nur durch die Eigenart des Menschen bedingt ist. Die göttliche Wirklichkeit, die durch die ehernen Gesetze der Schöpfung auf ihn zukommt, ist immer die gleiche. Aber die Wirkung, die Rückstrahlung vom Geschöpf ist ganz verschieden je nach dessen Stufe. Morast, Stein, Spiegel oder Kristall strahlen das Sonnenlicht zurück, ein jedes nach seiner Art. „Die Mannigfaltigkeit kommt nicht durch das Licht, sondern durch den Ort, auf den es trifft, und wenn der Ort ihm durch irgend ein Hemmnis, eine Mauer oder ein Hausdach verwehrt ist, so bleibt er des Glanzes benommen und die Sonne kann nicht dorthin scheinen. So erklärt es sich, daß auch manche schwache Seele der Sonne der geistigen Bedeutung und der Geheimnisse des ewigen Geliebten beraubt ist, da sie den Boden der Erkenntnis mit der Mauer des Ichs und des Begehrens und mit dem Schleier der Achtlosigkeit und Blindheit begrenzt hat. So wird sie ferngehalten von den Juwelen der Weisheit und der offenbaren Religion des Herrn der Boten und vom Eingang zum Heiligtum der Erhabenen Schönheit und von der Ka’bih der Herrlichkeit. Dies ist der Zustand der heutigen Menschen“ 3).

So ist das Licht in seiner Weiterstrahlung durch den Menschen meist ganz verhüllt oder zum mindesten persönlich begrenzt, aber kaum je grenzenlos. Und das ist letzthin die Ursache allen Streites und Hasses, allen Leides und aller Zerstörung. „Weder Meine Erde noch Mein Himmel vermögen Mich zu fassen, aber im Herzen Meiner getreuen Knechte ist Meine Wohnung“ 4).


Die Sprache ist unzulänglich

Hier haben wir die Grenze dessen erreicht, was Worte vermitteln können. Bahá’u’lláh Selbst schreibt: „Die Zunge ist nicht imstande, die drei letzten Täler zu schildern, und die Sprache ist unzulänglich. Die Feder dringt nicht in ihr Gebiet und die Tinte hinterläßt nichts als schwärzende Spuren. Auf diesen Stufen hat die Nachtigall des Herzens andere Weisen und Geheimnisse, die das Herz bewegen und die Seele in Erregung versetzen, doch will dieses Rätsel der wahren Bedeutung nur von Herz zu Herz offenbart und von Brust zu Brust anvertraut sein“ 5). So können wir nur noch ahnend deuten, was diese letzten drei Täler versinnbildlichen wollen.

Im fünften Tal, dem Tal des Genügens, der beseligenden Fülle, ist die Einheit der Individualität mit der göttlichen Strahlung so veredelt, daß der „Fremdling“, „der Feind“, aus dem Tempel der Seele gewichen ist. Nur außen lauert er sprungbereit.

Dann gelangt der Wanderer in das Tal des Staunens, das seine Seele erschüttert. Denn die Individualität, sei sie auch nun ganz geläutert, vermag mit ihren Geistorganen nicht mehr die Unermeßlichkeit, die Wunder der himmlischen Welten, zu erfassen. Die Seele wird „des Atems beraubt“. Das Individuelle verliert seine Bedeutung.

Im Tal der Nichtswerdung, der echten Armut, stirbt die Individualität und lebt in Gott, der Mensch wird arm aus sich selbst, aber reich in Gott. Das Glas um die Lampe verliert gleichsam seine individuelle Farbe und Gestalt; von einiger Entfernung aus gesehen, verschwindet es völlig im Strahlenglanz des Lichtes. „Nichts mehr verbleibt außer dem Freunde“. [Seite 338]


Das Rüstzeug des Suchers

Dies ist der Weg des Wanderers durch die sieben Täler. Aber, so fragen wir mit Recht, wie lernen wir das Wandern? Was nützt es uns, gleichsam auf der Landkarte den Weg im voraus zu verfolgen? Ist es nicht viel wichtiger, um die Ausrüstung zu wissen und das rechte Gehen zu lernen?

Die heiligen Schriften der herrlichen Sendung Bahá’u’lláhs beschenken uns reichlich mit Ratschlägen und Geboten, Jede Seite enthält Antworten auf viele Fragen. Und unsere Lebensaufgabe, Seinem Willen zu gehorchen und zu dienen, ist die beste Schule des Wanderns zu dem höchsten Ziel. Es sind dies im Kerne uralte Weisheiten, aber die Form der Lehren entspricht der heutigen Menschheit, und die Situation, in der wir stehen, ist eine neue.

Es sind in allen Hochreligionen, wenn auch in wechselndem Verhältnis zueinander, vor allem drei Elemente, die dem Menschen helfen auf seinem Wege zu Gott: die Liebe, das Gebet und die rechte Tat.

Die Liebe zu Gott und zum Mitmenschen, von Christus als das vornehmste und höchste Gebot bezeichnet, „darinnen hanget das Gesetz und die Propheten“, ist die größte Macht, die im Bündnis Gottes mit den Menschen waltet, die stärkste Kraft, die den Menschen läutert und Gott näher bringt. Wir können sie pflegen, indem wir uns bemühen, daß unser Denken, Tun und Streben bewußt von selbstloser Liebe erfüllt sind, daß wir zu unserem Schicksal „ja“ sagen und die Liebe Gottes darin erkennen. Wie müssen wir von Dankbarkeit und Liebe zum Schöpfer begeistert werden, je mehr wir die Gnade und das Vorrecht erfassen, in dieser Zeit leben zu dürfen! In diesem Zeitalter aber ist „der Nächste“ die ganze Menschheit. So reich und weit soll unsere Liebe strahlen!

Das Gebet hat den Sinn, „daß es die Verbindung zwischen dem Diener und dem Einen Wahren schafft, denn im Zustand des Gebets wendet der Mensch sein Antlitz mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele der Erhabenheit des Allmächtigen zu und sucht Seine Gemeinschaft und sehnt sich nach Seiner Liebe und Gnade. Das größte Glück eines Liebenden ist, mit seinem Geliebten verbunden zu sein, und das größte Geschenk für den Sucher ist, dem Ziel seiner Sehnsucht nahe zu sein“ 6). Sehnsucht und Liebe sind die Schwingen, auf denen die Seele im Gebet aufsteigt.

Das Gebet gibt uns Trost, Kraft, Glück und Frieden. Aber oft braucht, oft will die Seele noch mehr: Klarheit in schwieriger, bedrängter Lage. Was ist der Wille Gottes? Nicht immer bringt das Gebet allein diese Klarheit. Wenn wir geübt und gelernt haben, unsere Gedanken zu beherrschen und zu konzentrieren, so können wir sie, von Liebe, Sehnsucht und Vertrauen zu Gott getragen, nach dem Urgrund unserer Seele richten und in dieser innersten Sammlung verharren. Da rührt unser Bewußtsein bis an eine tiefere Schicht unserer Seele, die uns göttliche Weisheit entgegenstrahlt. Dies ist der Sinn der Meditation. Unser unsterbliches, höheres Selbst, das Göttliches widerspiegelt, gibt uns Antwort, schenkt uns die Wahrheit, die uns frei macht, Doch dazu ist ein friedvoll geläutertes Gemüt Voraussetzung, der Friede, der höher ist als alle Vernunft. Nicht [Seite 339] unerfüllte Wünsche dürfen uns plagen, nicht Komplexe, die in unserem Unbewußten lauern, noch ein schlechtes Gewissen wegen begangener Verfehlungen.

Gerechtigkeit ist darum ein weiteres Element der menschlichen Entwicklung. Gerechtigkeit, das heißt, das Rechte tun aus freiem Willen, aus Überzeugung, aus Liebe zu Gott und Seinen Geboten in jedem Augenblick des Lebens. Nur müssen wir uns hüten vor falscher Gerechtigkeit. Fehlt ihr die Liebe zu Gott und zum Nächsten, und die Demut, die jeder wahrhaft Liebende und Dienende hat, dann wird Gerechtigkeit zum Pharisäertum. Und fehlt ihr das Gebet mit dem Frieden und dem Mut, den es verleiht, dann wird Gerechtigkeit hohl und kraftlos. Nie aber wird durch Liebe oder Gebet der Mensch von der Gerechtigkeit entbunden, von dem Befolgen der Gebote aus Liebe zu Ihm. „Auf diesen ganzen Wanderungen darf der Wanderer nicht um Haaresbreite abgehen vom ‘Gesetz’, das in der Tat das Geheimnis des ‘Weges’ und die Frucht vom Baume der ‘Wahrheit’ ist. Auf allen Stufen muß er sich an das Gewand des Gehorsams zu den Geboten halten und fest das Seil des Vermeidens alles Verbotenen fassen, damit er aus dem Kelch des Gesetzes genährt und mit den Geheimnissen der Wahrheit bekannt wird”7).

Der Mensch ist ein Doppelwesen aus unsterblicher Seele und vergänglichem Körper. Im Körperlichen lebt er im Rhythmus der Lebensalter, des Jahreslaufes, des Tageslaufes. Im Jahreslauf ist der Winter die Zeit der Einkehr und Besinnung, die Fastenzeit vor dem Frühling dient der Reinigung des Körpers und der Seele, der Frühling und der Sommer weisen neue Wege zur Tat, der Herbst mahnt an die Vergänglichkeit alles Irdischen. Noch deutlicher kommt der Rhythmus von Besinnung und Tat, das heißt, Gebet und Gerechtigkeit, im Tageslauf zum Ausdruck. Wer gerechter Tat gelebt hat den Tag über, der hat den verdienten Seelenfrieden am Abend. Friedvoll wendet er sich zur Nachtzeit der geistigen Welt im Gebete zu, fröhlich und gestärkt — „den Seinen gibts der Herr im Schlafe“ — steht er auf und geht an sein Tageswerk. „Das Gebet des Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist!“ Auch dieses Wort drückt die Wechselbeziehung von Gebet und Gerechtigkeit aus.

Es ist uns gesagt, was gut und böse ist und was der Herr von uns fordert. Über allen Wegen leuchtet das herrliche Wort Bahá’u’lláhs, mit dem Gott dem Menschen, Seinem edelsten Geschöpf, sein Schicksal anvertraut: „Alles, was in euch als Möglichkeit schlummert, kann sich nur als Frucht euerer eigenen Willensanstrengung offenbaren“ 8).

Glückauf denn zum frohen Wandern durch die sieben Täler!

Adelbert Mühlschlegel
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1) Shoghi Effendi, „Gott geht vorüber“, Frankfurt 1954, S. 159.
2) Bahá’u’lláh, „Sieben Täler — Vier Täler“, Frankfurt 1963, S. 23.
3) dgl., S. 25 f.
4) dgl., S. 27 (Hadíth)
5) dgl. S. 35.
6) „Göttliche Lebenskunst“, S. 28.
7) „Sieben Täler“, S. 44.
8) „Ährenlese aus den Schriften Bahá’u’lláhs“ LXXVII


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UNIVERSITÄT TÜBINGEN

SEMINAR FÜR INDOLOGIE VERGLEICHENDE RELIGIONSWISSENSCHAFT

Gutachten

Die Religion der....


(Bild des handschriftl. Gutachtens von Prof. Dr. H. v. Glasenapp, 3.10.1961)



„Eine neue, umfassende Weltreligion ...“[Bearbeiten]

Professor Dr. Helmuth von Glasenapp, der verdiente langjährige Ordinarius für Indologie und vergleichende Religionswissenschaft an der Universität Tübingen, ist kürzlich im Alter von 72 Jahren verstorben. Er war einer der ersten deutschen Religionswissenschaftler, die die Bedeutung der Offenbarung Bahá’u’lláhs im Sinn der Religionsgeschichte richtig einschätzten. Am 3. Oktober 1961 gab er das obenstehende Gutachten ab, das wie folgt lautet:


„Die Religion der Bahá’í ist zwar aus dem Islam hervorgegangen, stellte aber eine selbständige Glaubensform, keine islamische Sekte dar. Man müßte ja sonst auch das Christentum, weil es aus dem Judentum erwachsen ist, als eine jüdische Sekte auffassen. In meinem Buch „Die nichtchristlichen Religionen“ (175. Tausend, Frankfurt 1960, Fischer-Lexikon Band 1) habe ich auf Seite 60 f. die Bahá’í-Religion dargestellt und betont, daß sie ‚eine neue, alle früheren Glaubenformen umfassende und überhöhende Weltreligion‘ sein will.“


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Zarathustra, ein Offenbarer Gottes[Bearbeiten]

Ansprache von 'Abdu’l-Bahá im Hotel Victoria, Ramlih-Alexandria (Ägypten)


Einer der heiligen Gottesoffenbarer war Zarathustra, Seine Offenbarung ist wie die der Sonne hell und strahlend, Sein Beweis klar und leuchtend, Seine Argumente sind überzeugend. Seine Heiligkeit Zarathustra erschien zu einem Zeitpunkt, da Persien einer Ruine glich und das persische Volk auf einen Tiefstand gelangt war. Eine lang anhaltende Auseinandersetzung zwischeh Persien und Turkistan hatte sich zur Regierungszeit Luhrásbs (= Hystapa) etwas beruhigt, denn Luhrásb war ein Diener Gottes und suchte nach der Wahrheit. Nach ihm bestieg Gushtásb (= Vishtaspa) den Thron. Kurz, Persien war vom Dunkel der Verworrenheit und Niedertracht überzogen. In dieser Zeit erschien Zarathustra. Er erleuchtete Persien und erweckte die Völker des Iran. Nachdem Persien alle seine Kräfte verloren hatte, in jeder Hinsicht erniedrigt war und seine Bewohner im Dunkel der Unwissenheit irrten, fanden sie durch die Lehren Zarathustras neues Leben. Es begann ein neuer Aufstieg,

Es ist eindeutig klar, daß die Lehren Zarathustras, Seine Gebote und Ratschläge göttlichen Ursprungs sind. Wäre Zarathustra nicht erschienen, so wäre Persien völlig verschwunden. Ohne Seine Lehren hätten die Perser nie ihre Berühmtheit erlangt, Sie wären aller menschlichen Vorzüge und der göttlichen Gnade beraubt gewesen, Jener strahlende Stern jedoch erhellte den Horizont Persiens, brachte seine sittlichen Normen ins Gleichgewicht und führte die Perser einer göttlichen Erziehung zu. Somit ist die Offenbarung Zarathustras klar und strahlend wie die der Sonne.

Es ist verwunderlich, daß man Moses anerkennt und Zarathustra ablehnt, weil Er im Qur’án nicht unmittelbar erwähnt ist; aus diesem Grund lehnten ihn die Anhänger des Qur’án ab und wandten sich gegen Ihn. Nur wenige Gottesoffenbarer sind jedoch im Qur’án namentlich genannt; die meisten werden durch Merkmale angedeutet. Der Qur’án nennt im ganzen achtundzwanzig Gesandte Gottes. Die übrigen werden nicht direkt mit ihrem Namen genannt. Von Zarathustra heißt es: “Der Prophet, Welcher Sich am Ufer des Flusses Aras offenbarte.“1) Unter dieser Bezeichnung, heißt als Prophet der Gefährten von Ras, ist Er im Qur’án anzutreffen. Da dies die Herren Ausleger aber nicht verstanden, haben sie Ras mit „Brunnen“ übersetzt, und da Hiob eine Zeitlang in Median war und die Bewohner Medians Brunnenwasser tranken, legte man es so aus, daß der Prophet der Gefährten von Ras Hiob war. Aber andere Ausleger schreiben, daß Ras „Aras“ bedeutet, Verschiedene Propheten sind dort erschienen, aber ihre Namen sind im Qur’án nicht erwähnt. Kurz, Zarathustra wird im Qur’án als der Prophet des Ufers von Ras bezeichnet. Seine Größe ist wie die der Sonne offenbar.

Die Größe Zarathustras blieb bis zur Offenbarung Bahá’u’lláhs verborgen, Bahá’u’lláh erhöhte Seinen Namen und erwähnte Ihn in Seinen Sendschreiben. [Seite 342] Er sagte ausdrücklich, daß Zarathustra einer der heiligen göttlichen Offenbarer ist. Wenn der Regen kommt, der Wind weht und die Sonne scheint, wächst alles aus der Erde hervor. Auf die gleiche Weise wurden alle Wahrheiten und Geheimnisse offenbar, sobald die Sonne der Wahrheit Bahá’u’lláhs erschien und ihre Strahlen über die Horizonte verbreitete, Dies trifft auch bei Zarathustra zu, Die Parsen waren über ein Jahrtausend zerstreut und heimatlos. Gott sei Dank, daß Bahá’u’lláh die Parsen in die Arme Seiner Gnade nahm und nach tausend Jahren von dieser Trübsal und Erniedrigung befreite, Er verkündete den göttlichen Ursprung der Offenbarung Zarathustras. Dies ist die Ursache der Freundschaft, Liebe, Eintracht und Einheit der Menschheit. Bahá’u’lláh nahm alle Völker unter die Flügel Seiner Gnade. Er tröstete alle und behandelte alle mit Güte und Liebe. Aus diesem Grunde ist Seine Sendung eine Gnade für alle Menschen, Seine Offenbarung die Rettung aller Erdenbürger und die Freude alle Völker. Er hob das Gebot des Schwertes auf; stattdessen brachte Er die wahre Liebe. Er tilgte jede Ursache des Hasses und der Entfremdung und begründete Eintracht und Freundschaft zwischen allen Menschen. Er befreite uns, Gott sei Dank, von jeder Beschränkung und versöhnte uns mit allen Völkern. Er machte uns zu Liebenden der Menschheit und zu Bahá’í, Deshalb müssen wir Ihm mit jedem Atemzug hunderttausendmal danken und uns aufmachen, Ihm zu dienen. Dies ist unser höchster und liebster Wunsch.

Betrachtet, welche Gnade Er uns erwies! In dieser Versammlung kommt jeder von uns von einem anderen Kontinent und Land. Wie viele Meinungsverschiedenheiten lagen zwischen uns, wie viele Streitigkeiten trennten uns! Er strahlte mit der Eigenschaft der Gnade und Liebe auf uns, sammelte uns, einigte uns und setzte uns an eine solche Tafel hier in einem fremden Land. Wir sind alle in höchster Liebe, Freundschaft, Einheit und Einigkeit an dieser Tafel versammelt. Wir haben kein Ziel außer dem Dienst an Seiner gesegneten Schwelle. Wir haben keinen anderen Wunsch als Liebe und Freundschaft. Die Herzen sind miteinander verbunden. Die Seelen sind alle durch die Gnade Bahá’u’lláhs mit Freude erfüllt. Aus dieser Versammlung wird klar, wie sich die Zukunft gestalten wird und welche Liebe und Einigkeit zwischen den verschiedenen sich streitenden Völkern, Religionen, Stämmen und Sippen entstehen wird. Dies ist wie die einleitenden Zeilen in einem Brief. Sie machen deutlich, wie der Brief gehalten ist. Diese Versammlung ist wie das Vorwort eines Buches. Es macht deutlich, wie die Wahrheiten und Bedeutungen des Buches beschaffen sind. Ich hoffe, daß ihr alle, wenn ihr in eure Heimat und an euren Wohnsitz zurückkehrt, eines der Zeichen Gottes werdet, eine Gabe der Gaben Gottes, daß ihr die Ursache der Einigkeit der Herzen und der Einheit der Menschen werdet, daß ihr die Einheit der Menschheit fördert, allen Menschen dient und sie liebt, daß ihr keinen Unterschied macht zwischen Freunden und Fremden und mit allen Menschen in höchster Liebe und Freundschaft verkehrt. Dies ist unser höchster Wunsch, und Ich bin überzeugt, daß ihr danach trachtet.

Aus „Khatábát-i-Mubárakih“, S. 126 ff., deutsch von Dr. Bosorg Hemmati

1) Qur’án 25:40 und 50:12


[Seite 343]



Religionswissenschaftliche Kurzinformationen (VI)[Bearbeiten]

Zarathustra

Zarathustra oder Zoroaster, in richtiger Transkription aus dem Altpersischen Zarathushtra (Z = weiches S), gilt als Stifter der altpersischen Religion. Über Seinen Geburtsort wissen wir nichts Genaues. Sehr wahrscheinlich wurde Er in Schiz am Flusse Aras im Nordwesten Persiens, in der heutigen Provinz Adhirbáyján geboren. Sein Geburtsjahr liegt um 598 v. Chr.

Sein Vater, ein Adeliger oder Priester, hieß Pourushaspa aus dem Stamme Spitama, weswegen Seine Anhänger Ihn Zarathustra Spitamana nennen. Mit etwa 20 Jahren verließ Er Seine Heimat und verbrachte längere Zeit in den Bergen mit Meditationen und religiösen Betrachtungen. Dreißigjährig verkündete Er eine neue Offenbarung, die in Wirklichkeit eine Neuerung der noch älteren Religionen der Bewohner des alten Irán war. Viele Jahre wurde Er als Ketzer verfolgt: „O Gott (Ahura-Mazda)! Ich bin schwach. Ich besitze weder Vermögen noch Anhänger. Ich bitte Dich um Deine Gerechtigkeit und Dein Erbarmen. O Erschaffer aller Seelen, nimm Dich meiner an und sei mir ein tröstender Freund. (1)

Schließlich gelang es Ihm, den Fürsten Vishtaspa und dessen Familie von Seiner Offenbarung zu überzeugen. Erst danach begann die rasche Verbreitung Seiner Lehren. Bei einem Überfall des Nachbarfürsten Aryastaspa starb Er mit 77 Jahren eines gewaltsamen Todes (um 520 v. Chr.).

Die Verbreitung der zarathustrischen Religion fiel zeitlich mit der Gründung des persischen Reiches durch die Achämeniden zusammen. Sie wurde somit zur Religion sämtlicher Völkerstämme, die unter dem König Kyros standen, und trug entscheidend zu einer Verschmelzung dieser verschiedenen Volksgruppen bei.

Zarathustras Mission bestand in der Abschaffung der primitiven, mit Dogmen, Magie und Zauber behafteten religiösen Vorstellungen und in der Verkündung eines einzigen abstrakten Gottes, Ahura-Mazda. Der Name Ahura-Mazda erscheint erstmalig in einer Inschrift des Assyrer-Königs Sargan aus den Jahren 1714/13 v. Chr. Daraus ist zu schließen, daß Zarathustra aus den zahlreichen vorhandenen Gottheiten Ahura-Mazda als den einzigen wahren Gott verkündet und alle anderen Götter abgeschafft hat. Eine Parallele dazu finden wir im Islám. Muhammad ließ einen der Götter in der Ka’bih, nämlich Allah, bestehen und vernichtete alle anderen, die Er als Götzen bezeichnete. Allah wurde auch bald als Schöpfer der ganzen Welt erklärt. Sein Abbild wurde aus der Ka’bih entfernt.

Ahura-Mazda wurde als Flügelmensch symbolisch dargestellt. Durch den Engel Vohu-Mano (entsprechend dem Heiligen Geist im Christentum bzw. Erzengel Gabriel im Islám) erlebte Zarathustra den einzigen wahren Gott, Ahura-Mazda, Der Ihn beauftragte, die Götzenanbetung und die Irrlehren zu beseitigen und die wahren Lehren Ahura-Mazdas, die hauptsächlich auf ein von Gott gewolltes moralisches Zusammenleben


(Fortsetzung Seite 346)

[Seite 344]



Bahá’í-Sommerschulen 1963[Bearbeiten]

In fast allen europäischen Ländern trafen sich in diesem Sommer wieder die Bahá’í bei ihren Sommerschulen, die jeweils von den Nationalen Geistigen Räten veranstaltet wurden. In Deutschland waren wieder Hustedt und Gauting Stätten der Begegnung, wo rege diskutiert und studiert wurde. Zahlreiche Baha’í aus vielen Ländern kamen nach Alpbach in Tirol; dort

[Seite 345]

hatten die österreichischen Freunde an einem herrlich gelegenen Platz für eine Woche „die Zelte aufgeschlagen“. An der Adria und der Riviera, in Wales und in Schweden, in den Benelux-Ländern und in Dänemark — wo es auch war, man fühlte sich wie zuhause, man lernte neue Menschen kennen und man erfuhr aufs neue: „Die Erde ist eine Heimat...“ — Unser Bilderbogen auf diesen beiden Seiten vermittelt einige Eindrücke von den Sommerschulen in Hustedt und Alpbach; dazu kommt ein Schnappschuß von dem Treffen, das die deutsche Bahá’í-Jugend in Oberkalbach (Hessen) veranstaltet hatte.





[Seite 346] der Menschen hinausgingen, zu verbreiten. Er sagt: „Beauftragt zum Schutz der Seelen der Gottesgläubigen, werde Ich, solange Mir die Kraft reicht, versuchen, die Lehren Ahura-Mazdas zu verkünden und zu verbreiten, damit die Menschen den rechten Weg finden.“ (2)

Es ist demnach sehr wahrscheinlich, daß Zarathustra eine Säuberung und Reformierung einer viel älteren indoiranischen Offenbarungsreligion durchführte. Neben der Gestalt des Gottes Ahura-Mazda erwähnt Zarathustra die Existenz des Satans, des Ahriman (Angra-Mainyu), womit Er die beiden Eigenschaften des Menschen, nämlich das Gute und das Böse, anschaulich zu machen versuchte. Wenn der Mensch sich Ahura-Mazda zuwendet und Seinen Geboten gehorcht, bleibt er von Versuchungen des Ahriman geschützt. Zeitlebens führt er einen Kampf gegen die bösen Geister (Deva), die auf Anweisung des Ahriman die tugendhafte Natur des Menschen zu töten versuchen. Diese Betonung der Gefahr der Versuchungen durch die Deva führte in der späteren dogmatischen Entwicklung und Systematisierung der Religion zu der irrigen Annahme eines Dualismus, einer Anschauung, die sich bis zum 7. Jahrhundert n. Chr. aufrecht erhielt und häufig im abendländischen Schrifttum erwähnt wird.

Zarathustra lehrte, daß ein Gottesoffenbarer für die rechte Herstellung einer Verbindung der Menschen zu ihrem Schöpfer, für die geistige und seelische Entwicklung und ein gerechtes Miteinanderleben der Menschen unerläßlich ist: „Ein kluger Freund fragt dich, warum es in dieser Welt Gottes Boten geben soll. Ein Gottesoffenbarer ist notwendig, da die Menschen im täglichen Leben aufeinander angewiesen sind. Um wahre Gerechtigkeit zu begründen, muß es göttliche Gebote geben, denen sich alle Menschen unterwerfen. Er fragt dich, wie sollen wir einen wahren Boten erkennen? Ihr werdet Ihn erkennen, indem Er weiß, was die anderen nicht wissen. Er wird in euer Herz hineinschauen und auf alle Fragen eine Antwort geben können.“ (3)

Zarathustra forderte jeden auf, selbständig Seine Lehren zu untersuchen und sie dann anzunehmen bzw, zu verwerfen: „Höret mit euren eigenen Ohren die göttlichen Worte; forschet mit einem reinen Herzen die dargebotenen Lehren, jeder Mann für sich und jede Frau für sich. Und bevor der letzte Tag gekommen ist, soll jeder selbst seinen Glauben wählen und den wahren Gott finden.“ (4)

Eng verknüpft mit dem Glauben an Gott, Ahura-Mazda, sind Seine Gebote, an deren Spitze die drei Lehren von Homat, Hucht und Havaresht (reines Denken, reines Sprechen und reines Tun) stehen. In der späteren systematisierten zarathustrischen Religion sehen wir das Glaubensbekenntnis: „Ich bekenne, als Ahura-Mazda-Anbeter, als Zarathustrier, mit Gelöbnis und Bekenntnis. Ich gelobe gut-gedachtes Denken, ich gelobe gut-gesprochenes Wort, ich gelobe gut-getanes Werk.“ (5)

Diese drei Wörter standen und stehen häufig unter dem Symbol des Ahura-Mazda in den Reliefs, z. B. am Denkmal Dareios’ in Behistun, das uns bis heute erhalten geblieben ist. (6)

Die drei Gebote stellen das Fundament der Lehren Zarathustras dar und sind zu vergleichen mit den zehn Geboten Moses, dem Gebot der Nächstenliebe Christi und dem der Gerechtigkeit bei Muhammad. [Seite 347]

Bemerkenswert ist die ausgesprochene Toleranz, die Zarathustra Seinen Anhängern den Gläubigen anderer Religionen gegenüber auferlegte. Er verbot jeden Zwang bei der Verbreitung Seiner Lehren und forderte, wie erwähnt, jeden auf, selbständig Seine Lehren zu prüfen und den rechten Glauben zu finden. Davon zeugen auch die Handlungen der persischen Könige Kyros und Dareios. Nach der Eroberung Babylons ließ Kyros dem besiegten Volk seine Religion, befreite die von den Babyloniern verschleppten und verbannten Juden und ließ sie ins Heilige Land bringen; den Juden folgten persische Beamte zur Überwachung des neu zu errichtenden, sog. zweiten Tempels von Jerusalem (538 v. Chr.). (7)

Zarathustras Lehren für das praktische Leben fanden in dem Gebot der Einehe und der Reinhaltung des Wassers, Feuer und Erde ihren Niederschlag. Diese drei Elemente hatten auch ihre entsprechenden „Schutzengel“, die als verehrungswürdig angesehen wurden. Die Verehrung des Feuers und des Lichtes fand Ausdruck in der symbolischen Zuwendung des Gesichtes zur Sonne, zum Mond bzw. zum Feuer während des täglichen Gebetes. Aus diesem Grunde brannte in den Gotteshäusern das „ewige Feuer“, was diesen Bethäusern den Namen Feuertempel einbrachte. Die Zoroastrier wurden nach der islamischen Eroberung als Feueranbeter bezeichnet. Dieses „ewige Feuer“ erlebte in den christlichen Kirchen später seine Wiederkehr.

Bei der Eroberung Persiens durch Alexander den Großen wurde ein Großteil des Buches Avesta, der heiligen Schrift Zarathustras, vernichtet. Aber der Glaube blieb die Hauptreligion Persiens. Um diese Zeit bzw. kurz danach setzten sich die von den Groß-Mobed (Priestern) aufgestellten


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O Du mein Gott, Dem ich diene und Den ich anbete! Ich bezeuge Deine Einheit und Deine Einzigkeit und erkenne Deine Gaben an, die Du uns in der Vergangenheit und in der Gegenwart geschenkt hast. Du bist der Allfreigebige, Du lässest die überquellenden Schauer Deiner Gnade gleicherweise über Hohe und Niedrige herabregnen, und Du lässest den Glanz Deiner Barmherzigkeit leuchten über Gehorsamen und Empörern.
O Du Gott der Gnade, vor Dessen Tür der Inbegriff der Gnade sich niederbeugt und Dessen heilige Sache umkreist wird von dem innersten Wesen der Güte, wir rufen Deine altehrwürdige Gnade an, wir suchen Deine gegenwärtige Gunst und wir bitten Dich, sei allen Geschöpfen dieser Welt des Daseins gnädig und schließe sie in Deinen Tagen nicht aus vom Strome Deiner Gnadengaben.
Wir alle sind arm und bedürftig, Du aber bist wahrlich der Allbesitzende, der Allbezwingende, der Allmachtvolle.
Bahá’u’lláh


„Gebete und Meditationen“, 157
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[Seite 348] Dogmen durch. Zur Sassaniden-Zeit war er zur Staatsreligion erhoben, die jedoch, zumindest anfangs, religiösen Minderheiten, Juden, Buddhisten und den ersten Christen, tolerant gegenüberstand. Die übriggebliebenen Fragmente des Avesta (in der Zendsprache = Altpersisch) wurden wieder zusammengesetzt. Teile des Avesta blieben jedoch in ihrer Urform weiter bestehen, z. B. die Gatha, die ihrer Sprache nach dem Vedischen bzw. dem Indoiranischen mehr verwandt sind (Gatha = Himmlische Lieder). Hierzu gehören auch die Yasna (Opferbuch), Visperet (lithurgisches Werk), Yashts (Loblieder auf Heilige) und Vendidad (religiöses Gebetbuch), die teils Worte des Religionsstifters, teils Kommentare aus anderer Feder darstellen.

In die Zeit der Sassaniden-Herrschaft gehört auch die Entstehung der Dogmen in der zarathustrischen Religion. Die Mobed waren zeitweilig die Mächtigsten des Reiches, und eine tolerante Behandlung der religiösen Minderheiten war nur durch das strikte Eingreifen des Herrschers möglich, Die übertriebene Verehrung der Heiligen, des Feuers und des Wassers, das z. B. durch die Waschung der Toten nicht mehr verunreinigt werden durfte, ferner das Verbot, die Toten zu beerdigen, da so die Erde unrein würde, bedeuten den inneren Zerfall dieser Offenbarungsreligion. Zarathustra Selbst hatte vorausgesagt, man würde Seine Religion durch Dogmen und Mißverständnisse so weit verändern, daß Er Selbst sie nicht wiedererkennen würde.

Nach der Eroberung Persiens durch den Islám und der Islamisierung des ganzen Landes verlor die Religion Zarathustras fast völlig ihre Bedeutung. Nur ein kleiner Teil ihrer heiligen Schriften konnte gerettet werden. Durch den Druck der islamischen Kalifen blieb nur eine kleine Minderheit übrig, die sich in den Bergen von Mázindarán im Norden, aber auch im Süden Persiens behauptete. Der größere Teil wanderte nach Indien aus und bildete dort die jetzt noch größte Gemeinde dieser Religionsgemeinschaft, heute etwa 100 000 Gläubige. Die Zahl der im Ursprungsland zurückgebliebenen Zoroastrier beträgt etwa 20 000.

Die in neuester Zeit von Otto Hänisch begründete Mazdaznan-Lebenslehre strebt eine Erneuerung der Lehren Zarathustras an und hat in ihren Theorien von der richtigen Ernährung, der Atemtechnik etc. viele Elemente indischen Ursprungs aufgenommen. Der Zarathustra Nietzsches hat mit dem iranischen Religionsstifter sehr wenig gemein.

Die Fragmente des Avesta und der übrigen Schriften Zarathustras, die zum größten Teil von dem Geistlichen Djamasb (Mitte des 16. Jhds.) [Seite 349] zuzusammengestellt wurden, lassen uns einen Einblick in die Lehren dieser Religion gewinnen. Hinzu kommen die Angaben der griechischen Historiker, wie Herodot und Xenophon, und die archäologischen Funde in verschiedenen Teilen Persiens.

Aus der Zusammenstellung Djamasbs ist ganz deutlich zu entnehmen, daß nach dem totalen Verfall der Religion Zarathustras und einer tausendjährigen Fremdherrschaft in Persien die neue, aus der Fremde kommende Religion (der Islám) das gleiche Schicksal erleben und denselben Verfall durchmachen würde wie die zarathustrische Religion. Dann „wird ein Sproß aus dem Stamm des Königs Goshtasba (dem Sohn des Vishtaspa) kommen, und obwohl er Iranier ist, wird Gott ihn nach Rom (oströmisches Reich = Kleinasien und Umgebung) bringen. Dort wird er das Buch Gottes offenbaren und den ewigen Frieden bringen.“ Hier wie auch an vielen anderen Stellen spricht Zarathustra von dem Kommen des Königs Siushan, der die Religion Gottes vom Aberglauben säubern und Zank, Streit und Kriege abschaffen wird.

Genaue historische Untersuchungen haben ergeben, daß der Stammbaum Bahá’u’lláhs sich bis zu den Sassanidenkönigen verfolgen läßt. Rida-Quli Khan Hidáyat, ein ausgezeichneter Historiker um die Mitte des letzten Jahrhunderts in Persien (ein Nicht-Bahá’í und späterer Gegner Bahá’u’lláhs) hat eine Abhandlung (9) über die Adeligen und Fürsten der Provinz Núr verfaßt, von denen Bahá’u’lláh nachweislich abstammt, die diese Tatsache eindeutig beweist. Den ersten Hinweis gab Bahá’u’lláh Selbst, und zwar auf die Anfrage eines Zoroastriers, der sich mit Bezug auf die oben erwähnte Prophezeiung nach der genauen Herkunft Bahá’u’lláhs erkundigte. Abu’l Fadl Gulpaygání hatte kurz zuvor über diesen Stammbaum nachgeforscht, worauf Bahá’u’lláh in Seinem Antwortschreiben hinweist. (10) Der genaue Stammbaum Bahá’u’lláhs wurde vor kurzem in Teheran veröffentlicht. (11)

Bosorg Hemmati


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1) „Guldastih Chaman A'ín Zardusht S. 154/55
2) Gatha S. 5, Vers 4
3) Ebenda S. 7 Vers 7/8
4) Ebenda S. 31, Vers 19
5) Yasna 30, 3-5, Religionswissenschattl. Lesebuch, Bd. 1, herausgegeben von A. Bertholt.
6) v.d. Osten, „Die Welt der Perser“, Tafel 45.
7) Ebenda S. 65 ff.
8) Dasatir S. 132/33
9) Manuskript „Nizhat-namih-i-Ridá-Qulí Khán“, Bibliothek d. Brit. Museum, Orient. manuscr. Nr. 3378, Bl. 87.
10) Abul-Fadl Gulpaygání, „Shajarih-namih Mubárakih, Bombay 1321 n. d. H.
11) „Iqlím-i-Núr“, Malik-Khusrawi, Teheran, März 1958.



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Das Gedenken Gottes ist eine Lampe, deren Licht die Worte sind: Ihr seid die Früchte eines Baumes und die Blätter eines Zweiges. Verkehret miteinander in größter Liebe und Eintracht, in Freundschaft und Brüderlichkeit. Er, der Morgen der Wahrheit, ist Mein Zeuge! So mächtig ist das Licht der Einheit, daß es die ganze Erde erleuchten kann. Der eine wahre Gott, der alle Dinge kennt, bezeugt die Wahrheit dieser Worte.
Bemühet euch, diese erlauchte und erhabene Stufe zu erreichen, die Stufe, die den Schutz und die Sicherheit der ganzen Menschheit verbürgt. Dieses Ziel übertrifft jedes andere Ziel, und dieses Streben ist der Fürst allen Strebens.
Bahá’u’lláh


(Epistle to the Son of the Wolf, p. 14)
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[Seite 350]



Aus dem Tagebuch Mahmúds[Bearbeiten]

Wir scheinen manchmal zu vergessen, welchen Glanz die Persönlichkeit ‘Abdu’l-Bahás ausstrahlte. Es wäre grundfalsch, in Ihm einen Weisen zu erblicken, abgeschlossen von der Welt, Der Sich höchstens um die Armen kümmerte — obwohl Er gerade diesen so sehr zugetan war. In der Tat war Er das makellose Beispiel für die Bahá’í, allem und allen aufgeschlossen und in bestem Sinne des Wortes ein Mann von Welt. Er fühlte Sich in einer einfachen Hütte genauso zuhause wie in einem Palast, Er unterschied nie zwischen hoch und niedrig. Als Unbekannter betrat Er meist eine Stadt, doch binnen kurzem scharten sich in Seinem Salon die Menschen um Ihn. Schwache und Mächtige, Bekannte und Unbekannte suchten Seine Nähe. Professor E. G. Browne, renommierter Orientalist aus Cambridge, küßte in London Seine Hand — eine Geste, die ‘Abdu’l-Bahá äußerst mißfiel und die Er sich auch verbat. Persische Adlige, die im Iran die Bahá’í verfolgt hatten, beeilten sich in Frankreich, vor Ihm niederzuknien, was Ihn zu der Bemerkung veranlaßte: „Jetzt sollte Násiri’d-Din Sháh aus dem Grab aufsteigen und sehen können, was vor sich geht!“

Dichter widmeten Ihm Hymnen, Er wurde gemalt und photographiert, jedoch betonte mein Vater stets, daß nur wenige der Bilder und Photographien Ihm wirklich ähnelten, weil Sein Ausdruck sich ständig änderte. Professor Browne schrieb im Jahr 1890 u. a.:

„Selten beeindruckte mich ein Mensch mehr. Er begegnete mir als großer, kräftig gebauter Mann, aufrecht und gerade wie ein Pfeil, mit weißem Turban und weißem Gewand, lange, schwarze Locken, eine breite hoheitsvolle Stirn, die einen starken Intellekt, gepaart mit einem unbeirrbaren Willen, ausdrückte, ein durchdringender Blick wie der eines Falken. Er hatte markante, aber dennoch angenehme Züge... Die folgende Unterhaltung sollte die Achtung nur noch steigern, die mir Seine Erscheinung vom ersten Augenblick an abgenötigt hatte. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es unter den wortgewandten, scharfsinnigen Vertretern Seines Volkes jemanden gibt, der sich beredter, schlagfertiger und bildhafter auszudrücken vermöchte und der mit den heiligen Schriften der Juden, Christen und Muhammadaner vertrauter wäre denn Er. .. Niemand, der Ihm begegnet ist, kann an der Größe und Kraft dieses Mannes den leisesten Zweifel hegen... .“

‘Abdu’l-Bahá kehrte erst ein Jahr, nachdem Er Amerika am 5. Dezember 1912 verlassen hatte, nach Haifa zurück, Seine rund drei Jahre dauernden Reisen in den Westen hatten, wie der Hüter schreibt, „das Letzte aus Seinen schwindenden körperlichen Kräften herausgeholt.“ Mírzá Mahmúd Zarqáni war offizieller Berichterstatter jener Reisen; er gehörte zum Gefolge des Meisters und brachte so viel wie möglich aus jenen Tagen, die meist in der Morgendämmerung begannen und erst um Mitternacht endeten, zu Papier. Die Aufzeichnungen, denen die folgenden Abschnitte entnommen sind, beginnen mit der Reise des Meisters von Amerika über den winterlichen Atlantik nach England.

*

Auf der „Celtic“ erzählte Ihm eine Dame, sie fürchte sich vor dem Tod. „Dann tun Sie etwas, was Sie vor dem Tod bewahrt,“ sagte ‘Abdu’l-Bahá, „etwas, was Sie Tag für Tag lebendiger macht und Ihnen ewiges Leben [Seite 351] gibt. Nach den Worten Seiner Heiligkeit Christi werden alle, die in das Reich Gottes eintreten, niemals sterben. Treten Sie deshalb in das göttliche Königreich ein und fürchten Sie den Tod nicht länger.“ Sie sprachen über den vorübergehend ruhigen Atlantik, und Er sagte: „Wir müssen uns dem Schiff Gottes anvertrauen. Dieses Leben ist wie eine aufgewühlte See, und alle Menschen auf Erden — über zwei Milliarden Seelen — werden darin untergehen, ehe hundert Jahre vergangen sind. Alle, außer denen, die mit dem Schiff Gottes fahren; diese werden gerettet.“

In London vermittelte Er Seinen Zuhörern das folgende „Gespräch“ zwischen den Menschen und den Propheten:

„Die Menschen argumentierten stets so: ‘Wir lebten zufrieden und nach unseren Ansichten. Wir aßen, wir schliefen, wir sangen, wir tanzten. Wir fürchteten weder Gott, noch hofften wir, in den Himmel zu kommen. Uns gefiel, was wir taten... Und dann kamt Ihr, Ihr nahmt uns unser Vergnügen, Ihr redetet zu uns vom Zorn Gottes, von der Furcht vor Bestrafung, von der Hoffnung auf Belohnung. Ihr brachtet unser Leben in Aufruhr...’

„Die Propheten Gottes antworteten darauf stets: ‘Ihr waret zufrieden in der Welt der Tiere; wir wollten euch zu Menschen machen. Ihr standet im Dunkeln; wir wollten Euch erleuchten. Ihr waret tot, wir wollten euch beleben. Ihr waret der Erde zugetan, wir wollten euch himmlisch machen.’“

Am gleichen Tag sprach ‘Abdu’l-Bahá über die Liebe: „Unter den Menschen ist die Liebe der Glanz göttlicher Schönheit. Ohne Liebe vegetiert der Mensch auf der Stufe des Tieres, denn das Merkmal der Stufe des Menschen ist die Liebe. Solange unter den Menschen die Liebe nicht herrscht, wird es kein wahrhaftes Glück und keinen Frieden geben. Bedenket, wie beschwingt eines Menschen Herz ist, wenn er bei einem wirklichen Freunde weilt, und wie glücklich er sich dabei fühlt. Sieht er sich jedoch einem Feinde gegenüber — welch eine Strafe! Wir müssen deshalb Bruderschaft und allumfassende Liebe pflegen.“

Auf die Frage, wie man einen persönlichen Gegner behandeln solle, antwortete Er: „Überlaß’ ihn sich selbst.“ Auf die Frage: „Was ist der Teufel?“, sagte Er: „Das beharrende Selbst“.

‘Abdu’l-Bahá pflegte den Tag mit dem Singen von Gebeten zu beginnen, und Mahmúd schreibt darüber, daß diese Gebete „süß auf der Seele lagen“, Der Meister sagte: „In den Schriften steht, Arbeit ist Gottesdienst. Das heißt aber nicht, daß Gottesdienst und die vorgeschriebenen Erwähnungen Gottes unnötig seien. Gottesdienst ist im Buche Gottes als Gebot verordnet. Das Gebet macht das Herz achtsam und vergeistigt die Seele. Es läßt den Geist frohlocken und weitet die Brust, bis göttliche Liebe sich offenbart, bis der Mensch sich vertrauensvoll auf Gott stützt und sich in Demut niederbeugt vor der Schwelle Seiner Größe.“

Nachdem Er einmal die technischen und wissenschaftlichen Errungenschaften dieses Jahrhunderts hervorgehoben hatte, bemerkte der Meister: „Es würde den Wissenschaftlern und Technikern gut anstehen, Voraussetzungen für Reisen nach anderen Planeten zu schaffen.“

Über das „Bahá’í-Sein“ sagte Er: „Bis jetzt war Glauben gleichbedeutend mit Anerkennen, seinen Glauben bekennen; in dieser größten Sache heißt Glauben: lobenswerte Eigenschaften besitzen, lobenswerte Taten vollbringen.“ [Seite 352]

Über das Thema „Pflicht“ sprach ‘Abdu’l-Bahá zu Seinen Zuhörern: „Des Menschen Pflicht ist es, beharrlich und ausdauernd zu sein und auf den Beistand Gottes zu hoffen. Es geziemt dem Menschen nicht, untätig, hochmütig und unbekümmert zu sein. Da der Mensch die Zukunft nicht kennt, muß er stets rechtschaffen sein und aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen.“

Auf die Frage, ob es zutreffe, daß der Mensch umso geistiger werde, je weniger materiellen Besitz er habe, sagte der Meister: „Loslösung bedeutet nicht Armut, sondern Freiheit des Herzens. Wenn eines Menschen Herz frei und vom Feuer der Liebe zu Gott durchglüht ist, wird ihm jeglicher materielle Nutzen und Vorteil dazu dienen, sich geistig zu vervollkommnen.“ ‘Abdu’l-Bahá illustrierte dies an einem Beispiel: „Es waren einst zwei Freunde, der eine reich, aber frei im Herzen, der andere arm, doch irdischen Gütern zugetan, Eines Tages regte der Arme eine Reise an, Sie machten sich auf den Weg und ließen alles hinter sich. Der Arme bemerkte, daß sein reicher Freund in der Tat alle seine Bindungen gelöst, seine Besitztümer vergessen hatte und nicht mehr an Rückkehr dachte, Er sagte: ‘Warte geschwind, ich will nochmals umkehren und meinen Esel holen, den ich zuhause gelassen habe’. Da meinte der Reiche: ‘Du bist kein Reisegefährte für mich. Du kannst nicht einmal deinen Esel vergessen; deinetwegen habe ich all meinen Wohlstand aufgegeben; ich machte mich auf und dachte nicht an Rückkehr. Ich besaß alles; du hattest nur ein einziges Ding, und jetzt kannst du es nicht erwarten, bis du nochmals umkehren kannst — wegen deines Esels!“

Eines Tages erzählte der Meister den Zuhörern eine Begebenheit aus Seinem Leben: „Ich war ein neunjähriger Bub, In der Trübsal jener Tage, als die Gegner uns bedrängten, bewarfen sie auch unser Haus mit Steinen... Wir hatten keinen, der uns helfen konnte. Im Haus waren nur meine Mutter1) meine Schwester2) und Aqá Mírzá Muhammad-Qulí 3). Um uns zu schützen, nahm uns unsere Mutter vom Shimírán-Tor weg und brachte uns in das Sangilaj-Viertel, wo sie in einer abgelegenen Gasse ein Haus gefunden hatte. Dort wachte sie über uns, und wir durften nicht auf die Straße gehen. Eines Tages jedoch mußten wir dringend nach Nahrungsmitteln sehen, und meine Mutter fragte mich: ’Kannst Du zur Tante gehen? Sage ihr, sie solle uns ein paar Krán 4) besorgen, einerlei wie.’ Unsere Tante wohnte am Takyih5) von Hájí Rajab-‘Alí, in der Nähe des Hauses von Mírzá Hasan Kajdamágh. Ich ging hin. Die Tante suchte, überall ein paar Krán zusammenzubringen. Sie erhielt schließlich fünf Krán, die sie mir in ein Taschentuch band.

Auf meinem Rückweg erspähte mich im Takyih der Sohn von Mírzá Hasan. Er schrie sofort: ‘Da läuft ein Bábi!’ und lief mir mit anderen [Seite 353] Jungen nach. Das Haus von Mullá Ja’far aus Astarábád war zum Glück nicht weit. Ich ging hinein und versteckte mich hinter der Tür. Der Sohn des Mullá entdeckte mich zwar, schickte mich aber nicht wieder auf die Straße und sagte den anderen Jungen auch nicht, wo ich war. Ich wartete, bis es dunkel wurde. Als ich das Haus verließ, rannten mir die Buben wieder nach, schrien und warfen mit Steinen. Sie verfolgten mich, bis ich zum Laden von Aqá Muhammad Sandúqdár kam; dort ließen sie von mir ab. Als ich erschöpft und voll Angst daheim ankam, fiel ich zu Boden. ‘Was tut dir weh?’ fragte meine Mutter, Ich konnte es ihr nicht sagen; ich fiel einfach hin. Meine Mutter nahm das Taschentuch mit dem Geld, brachte mich zu Bett, und ich schlief ein.“

Später fügte ‘Abdu’l-Bahá hinzu: „In Tihrán hatten wir einst allen Komfort, den man sich wünschen kann, doch dann wurde unser Haus geplündert; an einem einzigen Tag wurde uns alles weggenommen. Das Leben wurde für uns so hart, daß mir meine Mutter eines Tages etwas Mehl in die Hand schüttete, das ich anstelle von Brot aß.“

Immer wieder betonte der Meister die Grundlage Seines Lebens: Nichts ist wichtig außer der Sache Gottes. „Schaut hinaus auf die gemähten Wiesen und Hügel. Sie sind wie besiegte Armeen, wie ein in Massen gefallenes Heer, dem Erdboden gleichgemacht. Sie sind der Schutt hoher Lustschlösser, und die Schlösser und Paläste dieser Welt sind wie die Höhlen der Eulen, die sich von Toten nähren; es sind die Ruheplätze der Aasgeier. Aller Gewinn ist Verlust, es sei denn, man widme sich der erhabenen Aufgabe, Gott zu dienen!“

Marzieh Gail


Nach „A Sampler from Mahmúd's Diary“, Bahá’í News (USA) No. 382, January 1963, deutsch von Dieter Schubert. Obwohl es sich nicht um authentische, von ‘Abdu’l-Bahá überprüfte Aufzeichnungen handelt, vermitteln diese Notizen doch ein farbiges Bild Seiner überragenden Persönlichkeit. D. Red.

Anmerkungen:

1) Navváb, damals eine wohlbehütete, schöne Frau Mitte Zwanzig.
2) Bahíyyih Khánum, das „Größte Heilige Blatt“, damals sieben Jahre alt.
3) ein Onkel Bahá’u’lláhs (?)
4) 1 Krán = 1 Rial = 1/10 Tumán, heute etwa fünf Pfennige.
5) ein Platz, auf dem religiöse Spiele aufgeführt wurden.



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Die Sendung Bahá’u’lláhs
Die Sendung Bahá’u’lláhs ist dieselbe wie die Sendung Christi; sie ist derselbe Tempel, dieselbe Grundlage. Beide sind geistige Frühlingszeiten, Zeiten eines seelenerquickenden Neubeginns; beide belebten die Menschheit neu. Der Frühling dieses Jahres ist derselbe wie der Frühling des Vorjahres. Anfang und Ende sind gleich. Die Sonne von heute ist die Sonne von gestern. Beim Kommen Christi wurden die göttlichen Lehren entsprechend dem kindliche Entwicklungsstand des Menschengeschlechts dargeboten. Die Lehren Bahá’u’lláhs beruhen auf denselben Grundsätzen, nur entsprechen sie dem Reifezustand der Welt und den Erfordernissen dieses erleuchteten Zeitalters.
‘Abdu’l-Bahá


(„Bahá’í World Faith“, p. 400)
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[Seite 354]



NEU AUF UNSEREM Büchertisch[Bearbeiten]

Bahá’u’lláh, „Gebete und Meditationen“, Bahá’í-Verlag GmbH, Frankfurt 1963, 254 Seiten, gebunden DM 13.75.

Die von Shoghi Effendi zusammengestellte und ins Englische übertragene Auswahl von 184 Gebeten und Andachten Bahá’u’lláhs ist nun auch in deutscher Übersetzung in einem handlichen Band, auf Dünndruckpapier, erschienen — eine unerschöpfliche Fundgrube des Rates, des Trostes und der Konzentration auf das Wesentliche in allen Lebenslagen, zugleich ein goldener Schlüssel zum Wesen Bahá’u’lláhs, Der als Manifestation Gottes in unerschütterlicher Standhaftigkeit Seinen Opferweg für die Menschheit ging.

Eine Inhaltsübersicht nach Stichworten ist dem Buch beigegeben.

P.M.


J. E. Esslemont, „Bahá’u’lláh und das neue Zeitalter“, Bahá’í-Verlag GmbH,, Frankfurt, 4. Auflage 1963, 324 Seiten, Ganzleinen DM 14.—, kartoniert DM 11.60.

Die bewährte grundlegende Einführung in die Geschichte und die Lehren der Bahá’í-Religion von Dr. J. E. Esslemont ist nunmehr in verbesserter Neuauflage erschienen. Bereits zu Beginn der 20er Jahre hatte der schottische Arzt seine Erfahrungen als Bahá’í zu diesem umfassenden Handbuch zusammengetragen; die Disposition wurde mit ‘Abdu’l-Bahá abgestimmt, Der auch die ersten Kapitel vor Seinem Tode noch überprüfen konnte. In alle Verkehrssprachen der Erde übersetzt und in der deutschen Fassung auf den neuesten Stand gebracht, wird das Buch allen, die sich über Wesen und Ziel der Bahá’í-Religion informieren wollen, als tiefgreifendes Nachschlagewerk dienlich sein.

P.M.


Farhad Sobhani, „Persisches Lehr- und Lesebuch — Fársí baráyí Almáni“, Walter de Gruyter & Co., Berlin, 272 + 23 Seiten, gebunden DM 24.—, mit zwei Schallplatten 45 U/min, 17 cm ø, zus. DM 16.—

„Der Völkerverständigung“ ist dieses Lehrbuch der persischen Sprache gewidmet, das unser Bahá’í-Freund Dr. phil. Farhad Sobhani verfaßt hat und das in didaktisch hervorragender Weise neue Wege geht. Alle Lehrbücher des Persischen stehen vor dem Problem, gleichzeitig dem wissenschaftlich Studierenden fundiertes Material an die Hand zu geben und dem Reisenden möglichst direkten Zugang zur persischen Umgangssprache zu bieten. Dabei kommt ihnen zustatten, daß Persisch — von der Grammatik her gesehen — eine der leichtesten lebenden Sprachen ist, vorausgesetzt, man läßt die Schrift zunächst beiseite und klammert den arabischen Wortschatz so weit wie möglich aus. Dann gehen allerdings entscheidende Wesenszüge der Sprache verloren; der Student bleibt an der Oberfläche kleben und gewinnt nie den Zugang zu der herrlichen Dichtkunst, wenn er sich nicht auf eigene Faust weiterbemüht.

Sobhani geht anders vor. Er packt den Stier bei den Hörnern und fängt [Seite 355] geradewegs mit der Schrift an, die sich dann bei näherem Zusehen als gar nicht so schwer entpuppt, vielmehr — sie ist ja neben der kyrillischen die jüngste der bestehenden Schriftarten — überaus prägnant, klar und vor allem als Schreibschrift viel zweckmäßiger als unser lateinisches Alphabet ist. Eine der größten Schwierigkeiten ist bekanntlich, daß kurze Vokale nicht geschrieben werden, so daß ein unbekanntes Wort nicht ohne weiteres gelesen werden kann. Um dies zu erleichtern, werden Vokalzeichen gesetzt; auch Sobhani verwendet diese bei den ersten Lektionen und später, sooft neue Wörter auftreten. Es wäre zu wünschen, daß diese Vokalzeichen bei einer Neuauflage des Buches noch weiter geführt und vor allem auch auf das recht umfangreiche Wörterverzeichnis ausgedehnt würden. Bei der bewundernswert zweckmäßigen Anordnung des Buches ist vor allem die Tabelle der persischen Schrift- und Zahlzeichen zu erwähnen, die ausgezogen und bei der Lektüre neben den Text gelegt werden kann. Auf Übungsstücke für die Hin-Übersetzung wurde verzichtet: Die der Umgangssprache angepaßten Lehrstücke vermitteln dem Schüler von Anfang an ein lebendiges Verhältnis zur persischen Konversation, so daß er sich solche Beihilfen, wenn nötig, selbst bilden kann. Die Lesestücke schildern die Lebensverhältnisse im Iran und gehen bis zu einer gepflegten Unterhaltung über das Wesen der Religion und die Notwendigkeit übernationaler Regierungsorgane. Ergänzt wird das Lehrbuch durch zwei Schallplatten, die dem Schüler einen Anhaltspunkt für die korrekte Aussprache geben.

P.M.


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O Völker der Erde!

Eilet, nach dem Wohlgefallen Gottes zu handeln, und kämpfet tapfer, wie es euch zu kämpfen geziemt, für die Verkündung Seiner unwiderstehlichen, unerschütterlichen Sache! Wir haben verordnet, daß auf dem Pfade Gottes der Krieg mit den Heeren der Weisheit und des Wortes geführt werden soll, mit den Waffen eines guten Charakters und lobenswerter Taten. So wurde es bestimmt von Ihm, dem Allmächtigen, dem Allmachtvollen. Es gibt keinen Ruhm für den, der Unordnung stiftet auf der Erde, nachdem diese so gut erschaffen wurde. Fürchte Gott, o Volk, und zähle nicht zu denen, die Unrecht tun!
Bahá’u’lláh
(Epistle to the Son of the Wolf, p. 24)
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[Seite 356]

Francoise Gourdon, „Tant qu’il y aura la peur“ (Solange Furcht herrscht), Roman, mit einem Vorwort von Richard Wright, Edition Flammarion, 26 rue Racine, Paris VI, 1961, 19. Tsd., 266 Seiten, broschiert F 9.—

Eine junge Französin studiert Medizin an einer Universität des amerikanischen Mittelwestens. Dort hat sich — zum erstenmal in der Geschichte dieser Hochschule — eine schwarze Studentin eingeschrieben; sie wird zugelassen, obwohl der Rektor Bedenken trägt und um Ruhe und Ordnung in der weißen Studentenschaft fürchtet. Ermutigt von einem ihrer Professoren, der als Bahá’í und als Gegner der Rassentrennung geschildert wird, nimmt sich die Französin freundschaftlich der schwarzen Kommilitonin an, die von allen anderen Studenten peinlich gemieden wird. Sie verliebt sich schließlich in den Bruder der Schwarzen, einen jungen Pastoren, der ihre Gefühle erwidert. Aber bald müssen die beiden erkennen, daß nicht nur bei den Weißen, sondern auch in den Kreisen der Farbigen rassistische Gefühle übermächtig sind: Der Pastor sieht sich gezwungen, die Stadt und seine Geliebte zu verlassen. Auch seine Schwester wird ihrer französischen Freundin entfremdet. Bei allen edlen Absichten erkennen die Hauptfiguren der Handlung, daß es noch langer Bemühungen bedarf, bis durch Vernunft und Herzensgüte die Rassenvorurteile so weit aus dem Weg geräumt sind, daß sie nicht mehr das Gesellschaftsleben der nordamerikanischen Nation vergiften.

Die Verfasserin des französischen Tendenzromans betont, daß alle Personen frei erfunden sind. Dies hindert sie nicht daran, das Problem selbst realistisch anzupacken und mit psychologischem Einfühlungsvermögen Charaktere zu zeichnen, die sich in typischen Situationen aneinander messen. An zahlreichen Stellen ist von den Bahá’í und den Bahá’í-Lehren die Rede. Die Bahá’í-Religion wird einmal (S. 23) „eine Sekte mit bizarrem Namen“ genannt, aber sonst werden ihre Lehren korrekt dargestellt (S. 29-31), ein Studienabend wird beschrieben (S. 51 ff.).

Die Kernfrage des Romans wie auch des amerikanischen Dilemmas im allgemeinen ist die Furcht, die Furcht vor dem unbekannten Andersartigen, vor dem man sich so leicht hinter Vorurteilen verschanzen kann. Daß diese Furcht — wie jede Furcht schlechthin — letzten Endes nur in der Erkenntnis der Einheit Gottes überwunden werden kann, übersteigt den Rahmen, der diese Darstellung begrenzt. Der Roman, der einen lebendigen Einblick in die Wesenszusammenhänge der Rassenfrage gewährt, muß deshalb in tragischer Melancholie enden.

P.M.




Die „BAHA’I-BRIEFE“ werden vierteljährlich herausgegeben vom Nationalen Geistigen Rat der Bahá’í in Deutschland e. V., 6 Frankfurt, Westendstraße 24. Alle namentlich gezeichneten Beiträge stellen nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers oder der Redaktion dar.

Redaktion: Dipl.-Volksw. Peter A. Mühlschlegel, 7022 Leinfelden, Jahnstraße 8, Telefon (07 11) 79 16 74, und Dieter Schubert, 7022 Leinfelden, Fliederweg 3, Telefon (07 11) 79 35 35.

Druck: Buchdruckerei Karl Scharr, 7 Stuttgart-Vaihingen, Scharrstraße 13.

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