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TEMPORA
Nr. 8
Erziehung
INHALT
4 . . . Erziehung und Zukunftsfähigkeit von Roland Greis
- - wem dient sie, welche Ziele verfolgt sie?
 
8 . . . Mit Kindern in Frieden leben von Theo Shoemaker
11 . . . Gedicht von Roland Greis
12 . . . Halt mich fest und lass mich los von Fari Khabirpour
- - eure Kinder sind nicht eure Kinder
 
15 . . . Neue Erkenntnisse für die Kindererziehung
- von Erik Blumenthal
 
18 . . . Zitate
19 . . . In Frieden mit den Eltern
- von Dr. Nawid Peseschkian
 
23 . . . Keine Zukunft ohne interreligiöse Erziehung
- - ein niedersächsisches Erziehungsmodell vorgestellt
 - von Dr. Christel Hasseldamm
 
28 . . . Kunst als Selbsterziehung und Lebensweise
- von Professor Frederick Mayer
 
31 . . . Autonome Schülerstreitschlichtung von Roland Greis
- Konflikte friedlich lösen
 
TEMPORA
- Nr. 8 - Oktober 2001
 
Die Globalisierung unseres Planeten erfordert in allen Bereichen ein
gänzlich neues Denken und Handeln. TEMPORA beschäftigt sich auf
dem Hintergrund der Bahá’í—Lehren mit aktuellen Zeitfragen und möchte 
durch Gedankenimpulse die Entwicklung zu einer geeinten Welt fördern.
Herausgeber
- Der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in
 - Deutschland e.V., Eppsteiner Str. 89
 - 65719 Hofheim-Langenhain
 
Redaktion
Roland Greis, Wolfram Enders, Karl Türke jun., Michael Willems
Redaktionsanschrift
- Redaktion TEMPORA
 - Eppsteiner Str. 89
 - D-65719 Hofheim
 
- E—Mail: tempora@bahai.de
 
Layout
Michael Willems
Lithografie
AWI-Design, Krefeld
Druck
Druckservice Reyhani, Darmstadt
Vertrieb und Bestellungen
- Bahá’í—Verlag
 - Eppsteiner Str. 89
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 - Fax 06192/2 29 36
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TEMPORA erscheint halbjährlich.
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DM 35,- Einzelpreis DM 9,80.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die
Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder. Für unverlangt 
eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt die Redaktion keine 
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und Änderungen der Beiträge vor. Die Zeitschrift und alle in 
ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. 
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion.
© Bahá’í-Verlag GmbH 2000
ISSN 1433-2078
Gedruckt auf umweltschonendem Papier.
EDITORIAL
Wenn man die Religionsstifter zuvorderst als Erzieher der Menschheit betrachtet, liegt es auf der Hand,
dass das Thema Erziehung/Selbsterziehung in der Bahá’í-Religion von zentraler Bedeutung ist. „Betrachte
den Menschen als ein Bergwerk, reich an Edelsteinen von unschätzbarem Wert. Nur die Erziehung kann
bewirken, dass es seine Schätze enthüllt und die Menschheit daraus Nuten zu ziehen vermag.”, schrieb
Bahá’u’lláh (1817-1892) im vorigen Jahrhundert. Für die TEMPORA-Redaktion Anlass, einige Aspekte des
Themas in dieser Ausgabe zur Lektüre anzubieten.
Wir alle haben ja selbst Erziehung „genossen” und halten uns daher gerne für durchaus kompetent in dieser Frage. Nur: Unser Erfahrungsschatz beruht meist auf einem Menschenbild - und damit auf „überholten” Werten und Erziehungsmethoden - das in den letzten einhundert Jahren einem zunehmend radikalen Wandel unterliegt. Man könnte das auch so beschreiben, dass die Menschheit entwicklungsgeschichtlich dabei ist, eine nächste Stufe zu erklimmen. Nach der Zeit „der Kindheit” und „der Adoleszenz” stehen wir jetzt am Übergang „zum Erwachsenenalter”.
Dieser Abschnitt ist für den angehenden Erwachsenen von jeher ein Umbruch gewesen (und wird es auch künftig sein!). Die Turbulenzen rühren nicht zuletzt daher, dass alles in Frage gestellt wird. Die Suche nach neuen „Fixpunkten” beherrscht und behindert uns gleichzeitig, weil wir mit Denkansätzen von gestern die Frage nach dem morgen zu ergründen suchen.
Dieser Prozess ist kein leichter und in aller Regel mit sehr schmerzlichen Erfahrungen verbunden.
Übertragen auf die Menschheit insgesamt, lässt sich das Ringen um neue Identitäten, neue Werte, neue „zukunftsfähige” Modelle des individuellen wie gesellschaftlichen Lebens am desolaten Zustand unserer globalen Gesellschaft trefflich ablesen.
Was Not tut ist demnach ein neues Denken, das jeden Menschen (und natürlich auch jede Gesellschaft/Nation) als absolut gleichwertiges Mitgeschöpf sieht, das sich und seine „verborgenen Edelsteine” sowohl zum eigenen Nutzen als auch zum Nutzen der menschlichen Gemeinschaft entwickeln kann. Der Ansatz, den die Autoren in ihren Beiträgen verfolgen, ist daher zwingend ein ganzheitlicher, in dem auch die geistige Dimension des Menschen ihren angemessenen Stellenwert hat.
Da wir uns inmitten dieser Umbruchsphase befinden sind wir aufgefordert zu prüfen, welche Modelle im Prozess der Neuorientierung hilfreich sein können.
Am Ende des Weges sind wir noch lange nicht.
- Die Redaktion.
 
Erziehung und Zukunftsfähigkeit[Bearbeiten]
Die Kernfrage jeder Erziehung ist die, wem sie dient und welche Ziele sie verfolgt. Hat sie die Aufgabe, Menschen den gerade herrschenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Trends anzupassen, sie gefügig und optimal ausbeutbar zu machen oder muss Erziehung vom Menschen ausgehen und das entwickeln helfen, was in ihm angelegt ist und was seiner Selbstverwirklichung und seinem Glück dient?
Emanzipatorische Erziehungsmodelle haben immer da angesetzt, wo sie das Wesen und
die Grundbedürfnisse des Menschen zu erkennen glaubten. Autoritäre, technokratische und
ökokratische Modelle zielen dagegen auf die Funktionalisierung des Menschen ab und leiten 
ihre Ziele aus den Ideologien und Wirtschaftsinteressen der jeweiligen Machteliten ab.
Demgegenüber betonen die am Menschen orientierten pädagogischen Ansätze das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen, seine Kreativität und Originalität, d.h. sein geistiges Potenzial. Der Mensch wird damit nicht als Werkzeug und somit als Opfer definiert, sondern als Gestalter seines Schicksals, als ein Wesen, das über die Fähigkeit verfügt, die Probleme zu lösen, die seinesgleichen geschaffen hat.
In Anbetracht der Tatsache, dass es laut UNO 14300 globale Probleme gibt, die nur im Konsens 
gelöst werden können, ist ein solches Menschenbild weit produktiver als eines, das von der
Ohnmacht und Entmündigung der Mehrheit ausgeht und deren Urheber sich das Recht anmaßen,
über das Schicksal von Milliarden entscheiden zu können. Die Herrschaft der Wenigen über 
die Vielen kann in einer Gesellschaft von der heutigen Komplexität nur destruktiv sein, denn 
je weniger die Entscheider von den Folgen ihrer Entscheidungen betroffen sind,
umso weniger sach- und menschengerecht können diese sein. Je zentralistischer und 
undemokratischer ein System ist, umso weniger können die Probleme an der Basis 
gelöst werden.
Letztendlich bestimmt das Ausmaß, in dem eine Gesellschaft ihren Mitgliedern erlaubt, ihr kreatives Potenzial zu entwickeln und in Taten umzusetzen darüber, wie weit sie zukunftsfähig bleibt und die auftretenden Probleme lösen kann. Eine Gesellschaft, die das individuelle Potenzial nachhaltig blockiert, leitet ihren Niedergang ein.
Welche Bedingungen muss Erziehung erfüllen, um den menschlichen Entwicklungsbedürfnissen 
gerecht zu werden?
1. Sie muss den Heranwachsenden ermutigen, das in ihm liegende Potenzial zu entfalten und 
lebenslang weiterzuentwickeln und ihm das Gefühl von Wertschätzung vermitteln.
2. Sie muss jedem Menschen ein möglichst großes Maß an Entscheidungsfreiheit, Selbständigkeit und Verantwortung zubilligen.
3. Sie muss die Trennung von Kopf, Herz und Hand so weit wie möglich aufheben und die praktische Umsetzung entwickelter Ideen ermöglichen.
[Seite 5]
 
4. Sie muss Teamfähigkeit und soziale Handlungskompetenz vermitteln, was demokratische
Strukturen voraussetzt.
5. Sie muss vernetztes Denken fördern und die in demokratischen Beratungsprozessen entstehenden Synergieeffekte erlebbar machen.
6. Sie muss Wertvorstellungen vermitteln, die soziale Gerechtigkeit, Verantwortung für die Schöpfung und für künftige Generationen und ein Handeln im Sinne nachhaltiger Entwicklungen fördern.
Grundlage jeder Erziehung muss aber die Überzeugung von der Gleichwertigkeit
aller Menschen sein.
Ohne diese Bedingung anzuerkennen wird es nicht möglich sein, menschenwürdige und zukunftsfähige gesellschaftliche und pädagogische Strukturen zu schaffen. Erst wenn wir begreifen, dass jeder Mensch das gleiche Recht auf Entwicklung und ein Leben in Würde hat, werden wir unsere Lebensverhältnisse so einrichten können, dass alle davon profitieren.
Erziehung setzt deshalb Selbsterziehung voraus. Wenn wir jedem das Recht auf eine 
eigenständige Entwicklung zubilligen, heißt erziehen Angebote zu machen, die 
überzeugen. Nichts ist aber überzeugender als das Vorbild eines Menschen, der mit
sich selbst und seiner Mitwelt im Einklang lebt, der Selbstvertrauen und Zufriedenheit 
ausstrahlt, der in Weiterentwicklung ist.
Dazu gehört die Fähigkeit, sich selbst zurückzunehmen, das heißt nicht zu manipulieren oder Druck auszuüben und die Bereitschaft, sich selbst an die Regeln zu halten, die unser Zusammenleben erleichtern und die verständlich und plausibel sein müssen.
Die Bereitschaft Fehler einzugestehen und zu korrigieren, ist unverzichtbar für jeden Erzieher, denn ohne sie ist Weiterentwicklung unmöglich. Nur Menschen mit Selbstvertrauen sind dazu in der Lage. Wie aber gewinnt man Selbstvertrauen, das man nicht in der eigenen Kindheit vermittelt bekam? Indem wir lernen, uns selbst nicht zu wichtig zu nehmen!
Diese These bedarf der Begründung. Unsicherheit, Zweifel an den eigenen Fähigkeiten, die
Angst zu versagen und bloßgestellt zu werden sind dann besonders groß, wenn wir unsere
eigene Person in den Mittelpunkt stellen und Egoismus unser Handeln bestimmt. Sind wir in der
Lage unsere Ziele außerhalb unseres Selbstes zu definieren, d.h. altruistisch zu handeln, 
so verschiebt sich unser Augenmerk auf andere Menschen bzw. auf die von uns selbständig 
erkannten Werte, die unser Handeln bestimmen. Jetzt tun wir etwas, weil wir es für richtig 
halten, nicht mehr in erster Linie, weil es uns nützt. Die Folge davon ist, dass wir 
Anerkennung und Wertschätzung finden, vor allem aber, dass wir mit uns selbst ins Reine zu 
kommen beginnen. Und das macht Mut. Je mehr wir lernen, unser Handeln von den Wertvorstellungen 
bestimmen zu lassen, die ein harmonisches Zusammenleben aller ermöglichen, umso mehr wachsen 
unser Selbstvertrauen und unsere Zuversicht.
Es geht also darum, uns den gebührenden Stellenwert in der menschlichen Gemeinschaft 
zuzuweisen. Wer sich über andere zu stellen versucht, wird ständig kämpfen und kontrollieren 
müssen und sich unter Dauerstress setzen. Wer sich geringschätzt und unterordnet, wird
die Folgen seiner Erniedrigung tragen müssen: Minderwertigkeits- und Ohnmachtsgefühle.
Soziale Kompetenz drückt sich darin aus, dass wir in der Lage sind unsere persönlichen Bedürfnisse mit denen anderer Menschen ins Gleichgewicht zu bringen. Dies lernt man nur im Miteinander.
Leider fördert die wichtigste nichtfamiliäre Erziehungseinrichtung, die Schule, viel zu wenig dieses Miteinander. Das Notensystem ist vielmehr darauf ausgerichtet, individuelle Leistung zu bewerten und zu belohnen, Teamleistungen werden als nicht bewertbar eingestuft und fristen ein Kümmerdasein am Rande der Lehrpläne.
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Herkömmliche Schule suggeriert dem Schüler, durch egozentrisches Lernen werde er am besten
sein persönliches Fortkommen sichern. Diese Vorstellung ist angesichts der heutigen Bedeutung
von Teamarbeit in Wirtschaft und Beruf absurd geworden. Untersuchungen ergaben, dass heute
soziale Kompetenz 80% der erforderlichen Berufsqualifikation ausmacht.
Die Entwicklung einer globalisierten Wirtschaft hat das, was an Schulen überwiegend vermittelt
wird, längst überholt. Interessanter Weise gibt es in einer Reihe von Bereichen eine 
Übereinstimmung zwischen den Erfordernissen dieser Wirtschaft und den Entwicklungsbedürfnissen 
des Menschen. Dazu gehören die Forderung nach Vielseitigkeit und Flexibilität, nach lebenslangem 
Lernen, nach Teamfähigkeit und Kreativität.
Andererseits darf nicht übersehen werden, dass eine Globalisierung unter dem Diktat der Finanzmärkte und des Maximalprofits zu einer der Hauptursachen menschlicher Selbstentfremdung und Selbstzerstörung geworden ist.
Hier bedarf es dringend einer demokratisch legitimierten Korrektur, die sich an der Würde des Menschen, also an ethischen Werten orientiert.
Will Erziehung einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit leisten, muss sie sich daher auf das richten, 
was dem menschlichen Fortschritt, dem des Einzelnen und der Gesellschaft, dient. Sie muss
die Einsicht vermitteln, dass das, was der Gemeinschaft dient, auch dem Einzelnen Nutzen
bringt und sein Wohlbefinden sichert.
Sie muss die Möglichkeit bieten, sich für gemeinsame Ziele und für Andere einzusetzen und damit ein Bewusstsein gegenseitiger Abhängigkeit und Wertschätzung entwickeln helfen. Eine solche Erziehung zum sozialen Handeln fördert, wie oben gesagt, das Selbstvertrauen und ist ein entscheidender Schritt zu mehr Zufriedenheit und Sinnerfüllung, die niemals aus dem Selbst gewonnen werden können.
 
Allem, was Kindern und Jugendlichen hilft, Verantwortung zu übernehmen, kommt hier eine
besondere Bedeutung zu: Soziale Projekte, die Schüler aus der Isolation der Schule herausführen
und sie Erfahrungen mit anderen gesellschaftlichen Bereichen machen lassen und die ihre 
Kommunikationsfähigkeit im Einsatz für die Mitwelt fördern, Betriebspraktika, Ausbildung in Mediation
und Konfliktmanagement, wie sie z.B. Schülerstreitschlichtungsprojekte bieten und systematisches 
Üben von Beratungsmethoden, wobei Schüler lernen, nicht ihre Vorstellungen durchzusetzen, 
sondern als Beiträge in einem gemeinsamen Erarbeitungsprozess zur Lösungsfindung gleichberechtigt 
einzubringen.
Auch Theater und Rollenspiele fördern Selbstvertrauen und soziale Kompetenz, vor allem, wenn Kinder und Jugendliche dabei ihre eigenen Erfahrungen verarbeiten können. Leider werden diese Tätigkeiten von vielen Lehrern geringgeschätzt, obwohl sie im Vergleich zur reinen Wissensvermittlung weitaus schneller und stärker Fähigkeiten entwickeln helfen, die im Leben relevant sind.
Erzieher, die Heranwachsende systematisch daran hindern, praktische Erfahrungen zu machen
und soziale Verantwortung zu übernehmen, verurteilen sie letztlich im doppelten Sinne zur 
Verantwortungslosigkeit. 
Rücksichtslosigkeit, Vandalismus, wachsende Brutalität sind die natürlichen Folgen. Man muss sich nicht über asoziales Verhalten wundern, wenn man jungen Menschen die Möglichkeit verwehrt, einen über sich selbst hinausgehenden Sinn in ihrem Leben zu finden.
Das Gesagte gilt natürlich in besonderem Maße für die vorschulische Erziehung, die immer
weniger dort stattfindet, wo sie die positivsten Auswirkungen haben könnte, in der Familie.
Immer mehr Eltern verweigern sich aus Hilflosigkeit, Überlastung oder Egoismus ihrer Aufgabe 
als erste und wichtigste Erzieher ihrer Kinder und delegieren sie an Kindergarten, Schule und
vor allem an die allgegenwärtigen Medien. Die Verlockungen 24stündiger Unterhaltung bieten
elterlicher Bequemlichkeit 
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jederzeit die Chance, ihrer Aufgabe aus dem Weg zugehen. Als Konsumenten lernen Kinder aber
kein soziales Handeln. Geistige und seelische Entwicklung brauchen ein selbstbestimmtes Tempo, 
in dem das Wahrgenommene verarbeitet und angewendet werden kann. Als Fernseh-Konsumenten werden 
Kinder aber am Tätigwerden gehindert. Sie lernen, die distanzierte Haltung des Voyeurs 
einzunehmen, die mitfühlendes Handeln erschwert und sie lernen häufig von negativen Vorbildern. 
Kinder, die wenig Gelegenheit haben, ihre Bedürfnisse im sozialen Miteinander zu relativieren, 
ahmen häufig Vorbilder nach, die egoistisches Verhalten zeigen. Und bereits im Nachmittagsprogramm 
wird ihnen vorgeführt, wie man Straftaten begehen kann, ohne strafrechtlich belangt zu werden.
Und schließlich vermittelt vor allem das Fernsehen die Illusion, nicht man selbst, sondern andere
seien für die eigene Unterhaltung, Beschäftigung und Befriedigung zuständig. Auf diese Weise wird 
frühzeitig die Bereitschaft, zu Suchtmitteln zu greifen, angelegt, denn auch diese liefern 
vermeintliches Wohlbefinden ohne Bemühung und eigene Aktivität.
Was medienabhängige Kinder sicher nicht lernen, ist ein Gleichgewicht zwischen ihren Bedürfnissen und denen der Mitmenschen zu finden. Denn dies setzt Interaktion und Kommunikation voraus.
Tätige und produktive Gemeinschaftserlebnisse sind am ehesten geeignet, bei Kindern den Sinn für 
ihre persönliche und soziale Verantwortung zu wecken. In einer Atmosphäre der Ermutigung entstehen 
Selbstvertrauen und Freude am Helfen und Dienst, wird ein Bewusstsein für die gegenseitige 
Abhängigkeit geweckt. Eltern, die als Partner erfahren werden, lassen ein Bedürfnis am gemeinsamen
Wohl mitzuwirken entstehen. Bei kleinen Kindern ist der Nachahmungstrieb so stark, dass es oft
schon genügt, etwas vorzumachen, um sie zum Mitmachen zu bewegen. Wenn Eltern das Wachstum ihrer 
Kinder im Auge haben und nicht in erster Linie die Ergebnisse kindlicher Hilfsbereitschaft, werden 
sie diese am Leben erhalten, statt sie durch übertriebene Erwartungen zu frustrieren oder durch 
fehlendes Vertrauen gar nicht erst entstehen zu lassen.
Erhalten Kinder keine produktiven und kreativen Möglichkeiten, ihr Gemeinschaftsbedürfnis zu befriedigen, so werden sie dies auf wenig konstruktive Weise tun. Die Frustration des natürlichen Bedürfnisses nach sinnvoller gemeinsamer Aktivität führt häufig zu destruktiven, wenn auch vergeblichen Ersatzhandlungen, die oft versteckte Hilfeschreie sind. Selbstzerstörerische Aktivitäten wie Drogenkonsum und Verbrechen sind die letzte Konsequenz solcher fehlgeleiteter Energien.
Wer glaubt, keine Zukunft zu haben, dem bleibt nur noch der Egoismus und die Selbstbetäubung 
als vergeblicher Ersatz für Sinnerfüllung durch geteilte schöpferische Freude.
Lernen wir aber mit unseren Kindern gemeinsam familiäre und gesellschaftliche Zukunft zu
gestalten, so sind auch Rückschläge und Frustrationserlebnisse zu verarbeiten, denn sie sind
das Lernmaterial aus dem Fortschritt entsteht.
- Roland Greis
 
 
 
Zur vertieften Auseinandersetzung mit den hier vorgestellten Thesen wird das Buch Der Mensch ist zum Fliegen bestimmt - Selbsterziehung und geistiges Wachstum des gleichen Autors empfohlen.
Mit Kindern in Frieden leben[Bearbeiten]
Geehrte Eltern,
mit dieser Anrede spreche ich auch die alleinerziehenden Väter und Mütter an. Sie stehen mit der Kindererziehung in einem Auftrag, der in der heutigen Zeit schwieriger ist denn je. Zu schwierig um ohne Fehler bestanden werden zu können. Ich habe durch meine jahrelange Erziehungsberatungs-Praxis den Eindruck gewonnen, dass die meisten Eltern - wenn sie die Wahl hätten - gerne die besten Eltern der Welt sein möchten. Wir haben aber nicht immer die Wahl, so ideal, so gut zu sein, wie wir das gerne möchten. Wir als Eltern erleben uns selbst auch oft als Kinder in einer alternden Haut, gefangen in den Erziehungseinflüssen, denen wir selbst in unserer Kindheit ausgesetzt waren. Wir haben uns unsere Eltern und deren Ideen über Kindererziehung nicht ausgesucht und wir können auch nicht viel dafür, dass wir bestimmte Einflüsse aus unserer Kindheit so gedeutet haben, wie wir es taten. Und so stehen wir jetzt als Erwachsene mit unseren eigenen Kindern da und reagieren so wie wir sind. Manchmal sind die Reaktionen so, dass wir uns nachher sagen: „So wollte ich nie sein.”
Hätten wir mehr Wahlmöglichkeiten, so könnten wir in den verschiedenen immer wechselnden Situationen der Kindererziehung auch anders reagieren. Vielleicht ist dieser Aufsatz und die anderen Beiträge in dieser Zeitschrift dazu ein guter Beitrag. Aber auch dann:
Sie haben nicht alles selbst in der Hand
Die charakterbildenden Einflüsse der Kinder aufeinander sind stärker als die 
Erziehungseinflüsse die von Ihnen ausgehen.
Die Familienkonstellation:
Keine zwei Kinder werden in dieselbe Familie hineingeboren. Jeder findet ein anderes soziales Umfeld vor. „Ich bin das zweitgeborene Kind. Als mein Bruder geboren wurde, waren meine Eltern Mann und Frau, und durch seine Geburt wurden sie Vater und Mutter. Als ich geboren wurde, waren sie also eine Familie mit einem Kind.”
Die Eltern gehen mit dem ersten Kind anders um als mit dem zweiten, und wenn später noch mehr Kinder geboren werden, ist nicht nur die Situation in der Familie und die Interaktion zwischen den Kindern völlig anders, in vielen Fällen sind die Eltern auch etwas entspannter in Bezug auf die Erziehung der Kinder. Es kann auch sein, dass die finanzielle Situation der Familie besser ist als am Anfang der Ehe, oder auch das Gegenteil kann wahr sein. Kinder sind teuer. Vielleicht haben die Eltern auch schon unmögliche bzw. unrealisierbare Erwartungen in Bezug auf die Entwicklung der Kinder aufgegeben, so dass das letztgeborene Kind besser seine Möglichkeiten entwickeln kann als das erste. Viele Kinder wachsen bei einem alleinerziehenden Elternteil auf.
Im Grunde ist es auch nicht so wichtig, was in einer Familie
passiert. Das Wichtigste ist, wie ein Kind seine eigene Situation
sieht. Es ist fast nicht zu vermeiden, dass das erstgeborene Kind
sich bei der Geburt des zweiten Kindes etwas zurückgesetzt
fühlt. Es beobachtet ja, wie Mutter immer mit dem Jüngsten, mit
dem Baby, beschäftigt ist, und so kann es sein, dass sich das 
Erstgeborene die Meinung bildet: „Meine Eltern, bzw. meine Mutter, 
liebt meinen Bruder mehr als mich.” Es ist auch verständlich,
dass Erstgeborene oft in ihrer Entwicklung zurückfallen mit
Weinen oder Bettnässen. Vom Erstgeborenen aus ist das ganz
logisch. Er sieht ja, dass man dafür Aufmerksamkeit bekommen
kann.
Die Frage, die das Kind ständig beschäftigt, ist im Grunde die
Frage: „Wie kann ich zu dieser Familie gehören? Wie kann ich
hier meinen Platz finden? Wie kann ich hier Bedeutung haben?”
Wir haben die Neigung, auf Kinder zu schauen, als würden
sie nur auf ihre Umgebung reagieren. Wir müssen Kinder sehen
als aktive Personen, die ihre Umgebung beeinflussen und 
entscheiden, was sie mit ihrer Veranlagung tun werden. Wenn wir
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aus einer Familie mit mehreren Kindern ein Kind wegnehmen, 
verändert sich alles. Jedes Mitglied der Familie hat einen
großen Einfluss auf die Familienatmosphäre.
Hier sind jetzt einige Informationen zu den verschiedenen
Positionen, die Kinder in der Kinderreihe einnehmen können.
Sie helfen uns, Kinder in ihrem Verhalten zu verstehen, aber sie
können nicht als Entschuldigung für das Verhalten des Kindes
angesehen werden.
Das Erstgeborene, das älteste, das erste Kind, wurde als erstes
geboren, und es wird immer alles daran setzen, das erste zu bleiben. 
Sein ganzes Verhalten, sein ganzes Denken, sein ganzes Streben und 
Handeln ist durchzogen davon, das Erste zu sein, auch
wenn es sich selbst dabei schädigt. Älteste Kinder oder erstgeborene 
Kinder neigen dazu, den Boss zu spielen und kritisch zu
sein. Insbesondere kritisieren sie gerne ihre jüngeren Geschwister.
Das jüngste Kind nutzt diese Situation oft aus, denn auf der einen 
Seite fordert es den älteren Bruder oder die ältere Schwester
heraus, es zu kritisieren und stellt sich dann unschuldig. So wird das
ältere Kind in Schwierigkeiten kommen, weil es so kritisch mit
seinem Bruder oder seiner Schwester umgeht. Und so machen Eltern 
mit dem Erstgeborenen im Grunde genau das, was das älteste Kind 
mit dem jüngsten macht.
Erstgeborene Kinder streben oft nach Vollkommenheit. Die Neigung, perfekt sein zu wollen, entsteht aus einem Bestreben, besser als andere sein zu wollen. Es ist klar, dass diese Sicht auf das Leben sehr frustrierend sein kann. Es glaubt: „Wenn ich nicht perfekt bin, dann bin ich nichts wert.” Man kann erstgeborenen Kindern dadurch helfen, dass man selbst den Mut zur Unvollkommenheit entwickelt und sich selbst nicht kritisiert, wenn man als Erwachsener Fehler macht. So ein Vorbild hilft einem Kind mehr, mit seinen vermeintlichen Schwächen umzugehen, als viele Worte.
Erstgeborene Kinder neigen dazu, ein starkes Verantwortungsgefühl zu entwickeln, und dafür werden sie auch gelobt, und diese Fähigkeit wird ihnen oft zum Problem. Das erstgeborene Kind hält Ordnung für sehr wichtig. Ordnung ermöglicht es, alles unter Kontrolle zu haben. Jüngere Kinder können dieses Bedürfnis nach Kontrolle ganz schön durcheinander bringen. Es ist nicht leicht, das erstgeborene Kind zu sein.
Das zweitgeborene Kind steht, wenn es relativ kurz nach
dem erstgeborenen zur Welt kommt, grundsätzlich in einem
Konkurrenzverhältnis. Es neigt dazu, sich entgegengesetzt zu
entwickeln. In vielen Fällen entwickelt sich das zweite Kind wie
eine Dampflok. Es steht ständig unter Druck, weil es meint, das
erste Kind überholen zu müssen. Durch diese ständige Anstrengung 
und den Wettlauf ist es möglich, dass das erste Kind entmutigt 
wird und aufgibt. In einem solchen Fall kann das zweitgeborene 
Kind die Rolle des Ältesten übernehmen und der Erste und Beste sein.
Wenn das zweite Kind zum mittleren Kind wird, weil noch
ein Geschwister geboren wird, wird es ein „Sandwich-Kind”.
So entwickeln mittlere Kinder oft die Meinung, dass das Leben ungerecht ist und neigen zum Schmollen. Das mittlere Kind darf noch nicht, was das ältere Kind schon darf, und es darf nicht mehr das, was das jüngste noch darf. Überdies trägt es die abgetragenen Kleider des Erstgeborenen, und das jüngste Kind bekommt neue, weil das Mittlere die Kleider des Erstgeborenen aufgetragen hat. Ein Erwachsener sagte: „Ich bin das Mittlere von drei Kindern. Bei uns klang das oft so: ‚Die zwei Großen räumen jetzt den Tisch ab und spülen. Danach gehen die zwei Kleinen ins Bett’ Ich fand das immer furchtbar ungerecht.”
Das mittlere Kind entwickelt ein gutes Gespür dafür, was Recht und was Unrecht ist. Es geht in die Rolle des Beschützers, des Vermittlers, des „Sozialarbeiters”.
Das jüngste Kind ist oft ein Charmeur, der es schafft, andere
zu manipulieren und in seinen Dienst zu stellen. Das älteste Kind
möchte gerne der Boss sein, aber in Wirklichkeit ist das jüngste der
Boss. Das älteste Kind sagt den anderen, was sie zu tun haben,
und niemand tut es. Das jüngste Kind sagt nicht, was die anderen
zu tun haben und schafft es trotzdem, dass sie es für es tun.
Die jüngsten Kinder sind oft schöne Kinder, und sie können
wunderschön lächeln. Sie sind Schauspieler, aber wenn ihr
Charme oder ihre Manipulation nicht wirken, haben sie oft hohe
Ansprüche. Das jüngste Kind wird oft verwöhnt. Jüngste Kinder 
haben oft das Gefühl, dass sie nicht ernstgenommen werden. 
Niemand interessiert sich wirklich für das, was sie denken.
Jüngste Kinder haben Schwierigkeiten sich zu entscheiden. Es gibt immer andere Leute, die für sie entscheiden. So haben sie auch Schwierigkeiten, Arbeiten zu Ende zu führen. Sie brauchen nur etwas anzufangen, dann ist schon irgendjemand da, der ihnen hilft, um es fertig zu machen. Ihnen wird selten Verantwortung übertragen, dafür ist ja das ältere Kind da. Deswegen hat das jüngste Kind im Erwachsenenalter auch oft Schwierigkeiten mit dem Tragen von Verantwortung.
Das einzige Kind, das Einzelkind ist ein besonderes Kind. Es
muss nicht unbedingt verwöhnt werden, aber es entwickelt das
Gefühl, etwas Besonderes zu sein.
[Seite 10]
Auf der einen Seite hat es die Charakteristika der Verantwortlichkeit 
des ältesten Kindes und zeigt eine große Selbstständigkeit; andere 
Teile seiner Persönlichkeit zeigen eher Vergleichsmöglichkeiten mit 
jüngsten Kindern. Verantwortlich fühlt sich das Einzelkind auf jeden 
Fall dafür, was mit Vater und Mutter passiert.
Das Einzelkind hat gerne Zeit für sich selbst. Es kann gut mit älteren und mit jüngeren Leuten umgehen, aber mit Gleichaltrigen hat es Schwierigkeiten. Einzelkinder sind in ihrer Art oft erwachsener als sie aussehen und können gar nicht verstehen, warum gleichaltrige Kinder sich so kindisch oder unerwachsen verhalten.
Das Einzelkind lebt in Konkurrenz mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil. Der Junge konkurriert mit dem Vater um die ungeteilte Aufmerksamkeit der Mutter. Bei Mädchen ist es umgekehrt.
Alles, was ich bis jetzt beschrieben habe, sind oft vorkommende 
Entwicklungen, sogenannte statistische Wahrscheinlichkeiten. Da 
die eigene Kreativität des Kindes jedoch entscheidender ist als 
alles, was Psychologen denken, kann auch alles anders sein.
Das Wissen um die Bedeutung der Position in der Familie kann uns aber helfen, Meinungen zu erkennen, die das Kind sich über sich, über andere und über das Leben bildet. Wenn wir diese Meinung erkennen, können wir versuchen, die Meinungsbildung in die positive Richtung zu lenken. Jedenfalls hat in der Kinderreihe, wie Sie leicht erkennen können, jeder die Möglichkeit, Stärken als auch Schwächen zu entwickeln. Die Frage taucht aber auf, was Schwächen und was Stärken sind. Jede Stärke wird, wenn über Gebühr eingesetzt, zu einer Last. Verantwortungsvoll sein, ist gut, aber zu glauben, dass man nur einen Platz hat, wenn man immer und überall die Verantwortung auf sich nimmt, ist eher eine Last. Zu glauben, dass das Leben ungerecht ist, kann für manche zu einer Quelle des Leidens führen, aber solche Menschen haben ein gutes Auge für Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit. Sie stehen auf der Seite der Unterdrückten und Benachteiligten, und sie sind gute Helfer und gute Vermittler. Wer immer perfekt sein will, der ist selten zufrieden, aber wenn wir eine schwere Operation vor uns haben, hätten wir vielleicht gerne einen erstgeborenen Sohn mit dem Streben nach Vollkommenheit als Chirurg.
Diese wenigen Ideen können uns helfen, dort, wo wir Schwächen erkennen, 
zu fragen, wo die Stärken dieser Schwächen sind. Wenn man die Stärken 
der Kinder sieht, kann auch jedes Kind seinen nützlichen Platz in der 
Familie finden.
In der Entwicklung der Persönlichkeit spielt die Ermutigung
und Entmutigung eine entscheidende Rolle. Ermutigung führt
Kinder eher auf die nützliche Seite des Lebens und hilft ihnen,
besser ihren Platz in der Familie zu finden und somit auch im 
Erwachsenenleben ihre Bedeutung zu erkennen.
Helfen wir Kindern, mutige Kinder zu werden! Meckern, Kritisieren, Kämpfen, Schimpfen, Strafen sind dafür keine guten Methoden, und wir brauchen sie auch nicht wirklich. Es gibt andere Methoden. Es ist wichtig, jüngsten Kindern Verantwortung zu übertragen. Das Älteste muss nicht immer alles machen. Helfen Sie dem jüngsten Kind, Aufgaben zu Ende zu führen und nützen Sie die Fähigkeit des mittleren Kindes, Probleme zwischen anderen Kindern zu lösen.
Wenn Sie verstanden haben, dass Sie nicht alle Entwicklungen
der Kinder selbst in der Hand haben, dann brauchen Sie sich auch
nicht verantwortlich zu fühlen für alles, was nicht so läuft, wie
Sie es sich vorgestellt haben. Kinder untereinander beeinflussen
sich gegenseitig wesentlich mehr, als die Eltern es tun.
Aber Sie können trotzdem viel tun. Dazu lesen Sie die weiteren
Aufsätze in diesem Heft. Viel Erfolg mit der nicht leichten, 
wunderbaren Erziehungsaufgabe.
- Theo Schoenaker
 
Empfohlene Literatur:
- Dreikurs, Rudolf / Blumenthal, Erik: „Eltern und Kinder - Freunde oder Feinde?” Klett-Cotta 1997
 
- Khabirpour, Fari / Hofmann, Nadi: „Halt mich fest und lass mich los” Horizonte 1998
 
- Schoenaker, Theo u. Julitta / Platt, John: „Die Kunst als Familie zu leben” Herder 2000
 
 
Biographie
- Theo Schoenaker, Jahrgang 1932
 
- Logopäde, Individualpsychologischer Berater, Heilpraktiker
 
- Autor mehrerer Bücher u.a. im Bereich der Logopädie, der Kindererziehung, der Ermutigung und der Partnerschaft
 
    
- Wir lassen uns nicht gern erziehen:
 - Erziehung hieß doch meist Entzug
 - und vor sich selber zu entfliehen
 - auf Ziele hin, die voller Trug.
 
- Wie oft ist kaum noch was geblieben
 - von dem, der zu erziehen war.
 - Erziehung zerrte statt zu lieben,
 - zerriss die Wurzeln Haar um Haar.
 
- Was jeder Mensch ist, war verschollen,
 - es galt zu werden fremdbestimmt
 - und niemand fragt nach Sein und Wollen
 - und was man gibt für was man nimmt.
 
- Dann plötzlich hieß es keinen Zwang,
 - verpönt war nun Autorität:
 - Ein jeder folge seinem Drang,
 - tu, was er mag von früh bis spät.
 
- Von nun an galt die Sinnverwirrung,
 - man tat so ziemlich jeden Mist
 - und probte seelische Verirrung,
 - im Zentrum stand der Egoist.
 
- Das, was zu wollen sich nicht lohnt
 - und was den eignen Weg versperrt,
 - wo Leere und Verzweiflung wohnt,
 - ward selten so ans Licht gezerrt.
 
- Was wäre, wenn nach den Extremen
 - das rechte Maß nun stünde an?
 - Der Wirklichkeit sich anbequemen,
 - was anfangs unbequem sein kann!
 
- Als Gottes Ebenbild geboren
 - begegnet uns der Mensch als Kind
 - und dies darf niemals gehn verloren,
 - damit er seine Heimat find.
 
- Nach ewig gültigem Gesetze
 - entfaltet sich der Seele Kern,
 - wirft Geistesstreben seine Netze,
 - um zu erkennen nah und fern
 
- Erziehen heißt entdecken lassen
 - und sachte leiten hin zum Sinn:
 - Aus eigner Kraft gilt’s zu erfassen,
 - wer, wie, warum, wozu, wohin.
 
- Wer so begleitet wird zur Quelle,
 - dankt seinem Schöpfer Schöpferschaft.
 - In Dunkelheit dringt ein das Helle,
 - Erziehung wird Anziehungskraft.
 
- Der Liebe Sog zieht ihn zum Lichte
 - und lässt ihn wachsen jeden Tag,
 - er formt sich selber zum Gedichte,
 - weil er nun will, was Jener mag,
 
- Roland Greis
 
Halt mich fest und lass mich los[Bearbeiten]
- „EURE KINDER SIND NICHT EURE KINDER.
 - SIE SIND DIE SÖHNE UND
 - TÖCHTER DER SEHNSUCHT DES
 - LEBENS NACH SICH SELBST.
 
- SIE KOMMEN DURCH EUCH, ABER NICHT VON EUCH.
 - UND OBGLEICH SIE BEI EUCH SIND,
 - GEHÖREN SIE EUCH NICHT.
 - IHR DÜRFT IHNEN EURE LIEBE SCHENKEN,
 - NICHT ABER EURE GEDANKEN,
 - DENN SIE HABEN IHRE EIGENEN GEDANKEN.
 
- IHR DÜRFT IHREN KÖRPERN EIN HEIM GEBEN,
 - ABER NICHT IHREN SEELEN,
 - DENN IHRE SEELEN WOHNEN IM
 - HAUSE VON MORGEN,
 
- DAS IHR NICHT BESUCHEN KÖNNT,
 - NICHT EINMAL IN EUREN TRÄUMEN.
 
- IHR DÜRFT EUCH BEMÜHEN, WIE SIE ZU SEIN,
 - ABER SUCHT NICHT, SIE EUCH
 - GLEICH ZU MACHEN.
 - DENN DAS LEBEN GEHT NICHT RÜCKWÄRTS UND
 - VERWEILT NICHT BEIM GESTERN.
 
- IHR SEID DIE BÖGEN,
 - VON DENEN EURE KINDER ALS LEBENDE PFEILE
 - AUSGESCHICKT WERDEN.
 
- DER BOGENSCHÜTZE SIEHT
 - DAS ZIEL AUF DEM PFADE DES UNENDLICHEN
 - UND ER BIEGT EUCH MIT SEINER KRAFT,
 - SO DASS SEINE PFEILE FLINK UND WEIT GEHEN KÖNNEN.
 
- LASST EUER BIEGEN IN DER
 - HAND DES SCHÜTZEN
 - AUS FREUDE GESCHEHEN;
 - DENN SO WIE ER
 - FLIEGENDE PFEILE LIEBT,
 - SO LIEBT ER AUCH DEN BOGEN,
 - DER GEFESTIGT IST."
 
- KHALIL GIBRAN
 
 
Kindererziehung dreht sich um Kinder und deren Beziehung zu ihren Eltern, Lehrern oder anderen Erziehern. Darum soll zunächst das Wesen des Kindes kurz erörtert werden.
Das Kind ist ein Geschöpf, das entstanden ist aus Liebe. Mit Liebe 
ist hier nicht nur die Liebe zwischen zwei Menschen gemeint,
sondern die schöpferische Kraft, die Entstehung und Wachstum
ermöglicht. Dies kann die Liebe zwischen zwei Menschen sein,
die dazu führt, dass ein neues Wesen entsteht. Doch selbst
wenn die beiden Elternteile sich nicht geliebt haben, ist es 
die Liebe der Mutter, die das Kind in sich trägt, welche dem Kind 
die Kraft gibt zu überleben. Doch es ist nicht nur ein Körper, 
der geschaffen wird, sondern viel mehr. Die Kraft und der Willensakt, 
die das Kind aufbringt, um zu wachsen, kommen nicht nur aus seinen
eigenen Körperzellen heraus. Die Nahrung der Mutter allein 
genügt nicht, um aus dem Fötus einen voll entwickelten Menschen 
zu machen. Es steckt eine andere Kraft dahinter, eine unsichtbare 
Macht, die bestimmt, dass aus dem „Liebesakt” zweier
Menschen ein neuer Mensch entsteht.
Diese Kraft ist es, die, obwohl unsichtbar, dem Menschen das Leben ermöglicht. Sie schafft Hoffnung, Freude, Trauer, Angst, Liebe und andere Realitäten, deren Wirklichkeit mit den biologischen Sinnen nicht wahrnehmbar und greifbar ist, wenn auch messbar. Diese unsichtbare Dimension ist das geistige Wesen des Kindes. Dieses geistige Wesen gibt jedem Menschen seine Daseinsberechtigung als gleichwertiges Mitglied der menschlichen Gemeinschaft. Es verhilft, von dem Körper, der Hautfarbe, der Nationalität oder der Religion des Menschen abzusehen und das Unsichtbare in ihm zu betrachten, das, wovon Antoine de Saint-Exupéry sagt: „DAS WESENTLICHE IST FÜR DIE AUGEN UNSICHTBAR.” Dieses Wesentliche ist es, was jeder hat, ob arm oder reich, krank oder gesund, brav oder frech, glücklich oder traurig. Darin ist die Liebe des Menschen verborgen, seine Kraft und seine Verbindung zu seinem Schöpfer. Dieses „unsichtbare Wesentliche” ist es, was jeden Menschen liebenswert und jedes Leben lebenswert macht.
Sieht man einem Menschen in
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die Augen oder spürt man seine Ausstrahlung, kommt man dieser
Realität näher, als wenn man einfach nur mit ihm spricht oder 
verhandelt. Vor allem bei Kindern ist die Reinheit, die sich in 
den Augen widerspiegelt, auffällig. Ist es, weil Kinder ihrer 
geistigen Heimat noch näher stehen als wir? Ist es, weil sich 
bei ihnen noch nicht soviel in der Welt des Sichtbaren 
abgespielt hat wie bei uns?
Ein Bild zeigt den Wert und das Potential, das in jedem Menschen
steckt und weist auf die Bedeutung der Erziehung hin:
„BETRACHTE DEN MENSCHEN ALS EIN BERGWERK, REICH AN EDELSTEINEN VON UNSCHÄTZBAREM WERT. NUR DIE ERZIEHUNG KANN BEWIRKEN, DASS ES SEINE SCHÄTZE ENTHÜLLT UND DIE MENSCHHEIT DARAUS NUTZEN ZU ZIEHEN VERMAG.”
- Bahá’u’lláh
 
Das Ziel der Erziehung sollte also sein, aus jedem Menschen die
Edelsteine seines Bergwerkes herauszuholen und sichtbar zu
machen. So wird es dem Menschen ermöglicht, seinen Platz in
der Gemeinschaft zu finden und für die Menschheit nützlich zu
werden. Denn jeder trägt ein Teil des Lebenspuzzles mit sich und
hat die Aufgabe, dieses Teil an die richtige Stelle zu legen. Kein Stück
darf fehlen, um das Bild zu vollenden. Für die meisten Menschen ist 
es eine lebenslange Aufgabe herauszufinden, wie ihr Teil
aussieht und wohin es gehört. Erst wenn sie die Antwort darauf
gefunden haben, sind sie zufrieden und sinnerfüllt. Sie vertrauen
in sich selbst.
Was ist eigentlich Selbstvertrauen? Eigentlich sollte jeder der beiden 
Begriffe „Vertrauen” und „selbst” zweifach in dem Wort
vorkommen. Denn es handelt sich um zweifaches Vertrauen
und um zweifaches Selbst: Es geht sowohl um das Vertrauen,
das ich zu mir und meinen Fähigkeiten habe, wie auch um das
Vertrauen, das mir von meinem Schöpfer entgegengebracht wurde,
indem er mich mit diesen Fähigkeiten ausgestattet hat. Und
es geht sowohl um das eigene Selbst, an das ich glaube, das ich
kenne, schätze und achte wie auch darum, selbst an sich zu
glauben, also nicht abhängig davon zu sein, dass andere 
Menschen an einen glauben.
Nur wer seine Fähigkeiten und Begabungen kennt, kann diese
einsetzen und so für die Gemeinschaft nützlich sein. Wer sich 
jedoch unterschätzt oder gar überschätzt, kann seine Rolle und
Aufgabe im Leben nicht finden. Er verwendet seine Energie statt
dessen darauf, unter seiner Nutzlosigkeit zu leiden, um sich früher
oder später depressiv zurückzuziehen. Nicht nur bleibt seinen
Mitmenschen vieles vorenthalten, was er geben könnte, sondern auch 
ihm selbst entgehen die Genüsse des Lebens, weil er
sie vor lauter Selbstmitleid nicht wahrnehmen kann. Auf diese Art
und Weise verfallen viele Menschen in eine Haltung, die durch
Erschöpfung, Frustration und ein Gefühl der Sinnlosigkeit 
gekennzeichnet ist. Fragt man sie: „Wie geht's?” antworten 
sie: „Es muß”.
Nun fragt sich aber: Wie kann dieses Selbstvertrauen erreicht werden, 
und was können Eltern oder auch andere Erzieher dafür tun?
Alles dreht sich um das Wort „Vertrauen”. Vertraut ein Erzieher
seinem Kind, zeigt er ihm damit, dass es sich selbst vertrauen darf.
WER IST DIESER SCHÖPFER?
Die meisten Menschen stellen sich unter einem Schöpfer etwas vor, was sie >Gott< nennen. Aber genau dieser Begriff >Gott< wurde und wird in unserem Kulturkreis oft missverstanden und missbraucht.
Es werden Konzepte verbreitet, die Gott als eine richtende und
strafende Instanz darstellen. Dadurch fühlt sich der Mensch seinem 
Schöpfer entfremdet. Anstelle einer nahen und warmen
Beziehung steht ein entferntes und kühles Verhältnis, das 
beängstigend wirken kann. Folge dieses Angstgefühls ist, dass 
der Mensch sich zurückzieht, in einem Versuch, sich vor Gott 
zu verstecken, um Ihm sein Versagen oder Fehlverhalten nicht zeigen
zu müssen. Gelingt dieser Rückzug, so glaubt der vor Gott 
ängstliche Mensch, wird Seine Strafe ihn nicht erreichen. Was er 
aber nicht bedenkt, ist, dass dieser Rückzug in Einsamkeit endet.
Ein weiteres Konzept, das zu Mißverständnissen führt, besteht darin, 
daß alle Verantwortung im
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Leben auf das Schicksal oder eine höhere Instanz namens „Gott”
abgeschoben wird. Dies entmündigt den Menschen und kann zu
Passivität, Abhängigkeit und Fanatismus führen.
Beide Konzepte hatten und haben noch immer verheerende Folgen 
in der Kindererziehung. Solch einen „Gott” brauchen Kinder
nicht. Ohne diese verzerrten Gottesbilder kann ein Kind 
zuversichtlicher, lebensfroher und selbstbewusster aufwachsen.
WOZU ÜBERHAUPT GOTT?
Wie schon zuvor beschrieben wurde, ist das Kind ein Wesen, das nach wie vor mit seinem Schöpfer verbunden ist. Diese Verbindung ist jedoch nicht verkrampft und beschränkend, sondern eine lebensspendende und erwärmende Beziehung. Es bietet sich an, den Schöpfer mit der Sonne zu vergleichen. Die Sonne ist eine unabhängige Energiequelle, die zu jeder Zeit Licht und Wärme spendet. Sie gibt bedingungslos, ohne aufgefordert zu werden, und ermüdet nie. Obwohl der Mensch das genaue Wesen der Sonne nicht kennt, vertraut er immer darauf, dass sie nie verschwinden wird, denn Leben und Wachstum auf der Erde sind ohne der Verbindung zu dieser Quelle unmöglich. Ein natürlicher Gottesbegriff läßt sich von diesem Beispiel ableiten. „Gott” könnte auch der Schöpfer, die Quelle, das Leben, die Liebe, die Energie, die Wärme, das Licht, die Geborgenheit, die Nähe oder die Anziehung heißen.
Wenn Eltern sich von dem klassischen und infantilen Gottesbegriff befreien können, erlauben sie damit auch ihrem Kind, das gesunde und positive Verhältnis zu seinem Gott zu bewahren. Diesen Eltern fällt es auch leichter, der natürlichen Neugier der Kinder auf Fragen des Lebens und Lebenssinns zu begegnen.
WELCHE AUSWIRKUNG HAT ALSO DIE BEZIEHUNG ZU GOTT AUF DIE KINDERERZIEHUNG?
Zunächst wird deutlich, dass der Mensch im Gesamtkontext gesehen werden muss. Er lebt nicht nur als Einzelmensch für sich alleine, ist ebenfalls nicht nur in einem sozialen Umfeld eingebettet, sondern ist darüber hinaus, ob bewusst oder unbewusst, ob gewollt oder ungewollt, immer mit der Lebens- und Liebesquelle verbunden. Wenn Eltern durch Ihre Erziehung im Kind diese Verbindung wachhalten, entsteht dadurch im Kind ein Gefühl der Zuversicht, der inneren Ruhe, der Gelassenheit und der Geborgenheit. So wie die Blume unter dem Einfluss des Lichts und der Wärme der Sonne aufblühen und gedeihen kann, wird auch das Kind durch die wache Beziehung zu seiner liebenden Quelle in eine Richtung wachsen, in der das „Wesentliche” zu seinem Lebenssinn wird. Im alltäglichen Leben strebt das „Wesentliche” der menschlichen Seele nach Lieben und Geben.
Die übliche moralische Erziehung der Sittlichkeit und Tugendhaftigkeit 
kann die Verbindung zu dieser wesentlichen Quelle nicht ersetzen, 
sondern muss auf dem oben beschriebenen Fundament
aufbauen, sonst läuft sie Gefahr, in Heuchelei und Scheinheiligkeit
zu entarten.
Viele Eltern glauben, ihre Kinder dauernd an der Hand halten zu müssen. Sie lassen sie nicht los, weil sie sie führen und schützen wollen. Das ist zwar gut gemeint, kann für das Kind aber schädlich sein. Verantwortung für seine Kinder zu tragen bedeutet nicht, sie festzuhalten. Verantwortlich zeigt man sich als Erzieher, wenn man dem Kind hilft, sich für sich selbst verantwortlich zu fühlen. Denn nur dann schafft es das Leben eigenverantwortlich und löst sich aus der anfänglichen Abhängigkeit von seinen Eltern. Es ist leichter, seine Kinder loszulassen, wenn man darauf vertraut, dass man nicht alleine für sie verantwortlich ist. Denn sie gehören nicht uns. Sie werden behütet und geführt von der Kraft, die sie geschaffen hat und die ihrem Leben einen Sinn gegeben hat.
- Fari Khabirpour
 
 
„O GOTT!
FÜHRE MICH, BESCHÜTZE MICH, ERLEUCHTE DIE LAMPE MEINES HERZENS UND MACHE MICH ZU EINEM STRAHLENDEN STERN.
DU BIST MÄCHTIG UND STARK.”
- 'Abdu'l-Bahá
 
Neue Erkenntnisse für die Kindererziehung[Bearbeiten]
Kindererziehung ist in unserer heutigen Gesellschaft mehr und mehr zum Problem geworden. Es gibt zahlreiche Bücher, die den Eltern helfen wollen. Aber leider glauben viele Eltern, dass man aus Büchern nicht die Praxis lernen kann. Außerdem widersprechen sich viele Autoren und machen es damit den Eltern nicht leicht, sich für die eine oder andere Methode zu entscheiden.
Der folgende kurzgehaltene Artikel ist zuerst eine logische Theorie, welche es den Eltern
ermöglicht das Problem zu verstehen und bewusster zu werden. Aber „die Praxis sieht 
natürlich ganz anders aus”! „Warum sich besonders anstrengen? Der Kampf der Generationen wird
doch immer schlimmer!” Die heutige Generation ist tatsächlich sehr entmutigt und verängstigt, 
ohne sich dessen richtig bewusst zu werden.
Weitere Vorbemerkungen sind nötig: Eltern, die etwas tun wollen, entmutigen sich selbst,
indem sie sagen: „O Gott, was alles habe ich falsch gemacht!” Sie entwickeln Schuldgefühle 
(etwas vom unnötigsten, was es gibt). Bitte suchen Sie keine Ausreden und Entschuldigungen. 
Es gibt keine Fehler in der Vergangenheit, die wir in der Gegenwart nicht ändern können. Schauen
Sie nicht zurück! Glauben Sie daran, dass Sie jetzt Ihr Verhalten, Ihre Einstellung ändern können.
Dies spüren die Kinder und werden langsam bereit sein, ihre früheren Stellungnahmen, bewusst
oder unbewusst, zu ändern und Mitarbeiter zu werden.
Einer der Hauptfehler ist, nicht zu erkennen, dass Gefühle und Emotionen zwei verschiedene Dinge sind. Emotionen sind Gefühle als Reaktion auf unerfreuliche Erlebnisse, ganz gleich welcher Art. Andere Menschen, Umstände, etc. bestimmen unsere Emotionen. Zum Beispiel ist Liebe, die einer Emotion entspringt, nicht das was wir erstreben, was wir wünschen. Die Liebe als echtes Gefühl entspringt meiner positiven Einstellung, meiner Erkenntnis, meinem Selbst-richtig-sein-wollen. Wir dürfen sogar über den Partner und sein Verhalten enttäuscht sein, umso größer ist aber meine Einstellung, Ihm zu helfen, eins mit ihm zu werden, mich selbst als gleichwertig zu empfinden und trotzdem ihn über mich selbst zu stellen.
Leider wissen wir alle zuviel und urteilen schnell, dass eine solche Einstellung unrealistisch ist...
Aber geben Sie sich selbst eine Chance. Das viele Wissen hilft uns nicht viel weiter. Aber die 
Erkenntnis kann uns zum Handeln führen. Erkenntnis, die nicht zum Handeln führt, ist nichts weiter
als Wissen.
Die folgende Einführung soll zeigen, dass das heutige Zusammenleben sich in einer Krise befindet und 
dass die Kindererziehung eine Sache der Eltern sein soll und nicht immer zu Ausreden, Schuldzuweisungen 
und entsprechenden Vorurteilen führen darf. Moderne Psychologen, die selbst nicht genügend erkannt 
haben, was in der Kindererziehung notwendig ist, erfinden dann zum Beispiel neue Wörter, wie 
„Streitkultur”, als ob der Streit etwas Normales sei. Wenn wir stattdessen von
„Gesprächs- oder Beratungskultur” sprechen, klingt es sinnvoller und kann weiterhelfen.
EIFERSUCHT - KONKURRENZ
Kinder werden schon in den ersten Wochen und Monaten ihres Lebens zur Eifersucht erzogen, für die Eltern natürlich völlig unbewusst. Z.B. herzt und küsst die Mutter das Kleine, und eine Viertelstunde später schon schimpft sie mit dem kleinen Wesen. Dies entmutigt das Kind, denn es stellt sich die Frage: welches ist nun meine richtige Mutter, die, welche schimpft oder die, die mich lieb hat? Ein anderes Beispiel ist die Uneinigkeit zwischen den Eltern. Selbst wenn die Eltern keinen Krach machen und dem Kind ihren Streit verbergen wollen, das Kind merkt es doch, wird entmutigt, wird sich mehr der Mutter oder dem Vater zuneigen und schon entsteht die Eifersucht. Das Kind ist hin- und hergerissen und wird eifersüchtig, ob die Eltern nun miteinander streiten oder sich zuviel mit sich selbst beschäftigen.
Eine sehr häufige Eifersucht geht oft von einem älteren Kind aus, das genau beobachtet, ob z.B. die Mutter für das Neugeborene mehr Zeit und für es selbst weniger Zeit als früher hat. Die gleiche Eifersucht entsteht aber auch zu einem noch jüngeren Geschwister.
Eltern können sich in der Regel nicht vorstellen, was im kleinen Kind vorgeht: Auch die strafende
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Mutter ist überzeugt, dass sie ihre Kinder liebt. Wichtiger als die Meinung der Eltern in jeder 
Situation ist es, zu erkennen, wie das Kind darauf reagiert und wie es die Situation, gleich welcher Art,
erlebt. Diese Frage sollten sich Eltern überlegen, um das Kind besser zu verstehen. Leider fühlt
sich die Mehrzahl der Kinder nicht verstanden und hat somit Schwierigkeiten, eine Situation,
sich selbst und die anderen richtig zu beurteilen.
BOSHAFTIGKEIT
Kein Mensch ist hundertprozentig frei von Boshaftigkeit. Das klingt schrecklich, aber es ist die Hauptwaffe des Kindes gegen alle Menschen und Situationen, wo es sich nicht verstanden und ungerecht behandelt fühlt. Auch die Boshaftigkeit ist den Menschen nicht bewusst. Es ist eine Art Rache für alles, was als Unrecht empfunden wird. Typische Beispiele: Das Kind „vergisst” was man ihm gesagt hat. Kinder kennen - natürlich nicht bewusst - die schwachen Stellen ihrer Eltern und wissen genau, wie sie diese „bestrafen” können.
Ein anderes häufiges Beispiel ist die Situation, dass das ältere Geschwister das Jüngere schlecht behandelt. Natürlich ist das ältere Geschwister stärker, so dass bei einem Kampf das Jüngere meist verliert. Also fordert es das Ältere heraus, weil es weiß, dass die Mutter ihm, dem Jüngeren, zu Hilfe kommen wird. Es freut sich dann diebisch, wenn das Ältere von der Mutter zurecht gewiesen wird. Und betrachtet sich dann als „Sieger” über das Ältere!
NEID
Außer Eifersucht und Boshaftigkeit ist der Neid ein weiterer Punkt, den viele Menschen unbewusst entwickelt haben. In unserer allgemein verbreiteten Entmutigung vergleichen wir uns mit anderen Menschen. Entmutigung heißt, dass wir zu wenig an uns selbst glauben und deshalb neidisch werden, wenn andere mehr Erfolg haben. Damit tun wir uns selbst Unrecht. Es ist ein Unding, zwei Menschen miteinander zu vergleichen. Wir Menschen haben alle den menschlichen Wert und sind so reich in unseren Möglichkeiten, des Körpers, der Seele und des Geistes, so dass es in erster Linie auf unsere Einstellung ankommt. Haben wir positive oder negative Augen trainiert? Unsere Einstellung können wir in jedem Alter ändern! Eine auffallend schöne Frau z.B. erregt den Neid vieler Geschlechtsgenossinnen, die nicht so schön sind, aber dafür andere Eigenschaften entwickeln könnten, die nicht weniger wichtig sind. Ein starker Mann erregt den Neid vieler Männer, die körperlich nicht so entwickelt oder trainiert sind. Ein finanziell reicher Mensch mag auf die Ärmeren herab schauen, die vielleicht neidisch sind. Aber gute Eigenschaften können erworben und trainiert werden. Worauf es ankommt ist die Einstellung: „Ich gebe mein Bestes”. Mehr kann ich nicht tun.
Hass
Hass ist das vielbewusste Training, das in der heutigen Gesellschaft das Zusammenleben aller Menschen wohl am schwierigsten macht. Hass ist das Gegenteil von Liebe, in der der heutige Mensch nicht mehr als ein Anfänger ist. Liebe ist das Gefühl, das wir bis heute am wenigsten entwickelt haben. Kaum ein anderes Wort wird heute so oft gebraucht, ein deutlicher Hinweis für die mangelnde Erkenntnis, was die echte Liebe sein kann und sein soll. Was hindert uns daran? In erster Linie ist es wohl die mangelnde Gerechtigkeit in der Welt. Gerechtigkeit ist z.B. Gleichwertigkeit. Eigentlich ist es lächerlich, die andere Hautfarbe von Menschen oder ihre andere Religion als Beweis für ihre Minderwertigkeit anzusehen! In der heutigen Politik sind Geld und Macht die Hauptziele. Im Geschäftsleben gilt in erster Linie der Erfolg, das heißt, mehr können als andere, mehr haben, als intelligent gelten, äußere Anerkennung. Wie oft bleibt das Familienleben auf der Strecke. Nicht nur die Geschlechter kämpfen, sondern sogar die Generationen, und beinahe das Schlimmste ist, dass die Mehrzahl der Menschen auch mit sich selbst kämpft.
Eifersucht, Boshaftigkeit, Neid und Hass habe ich an den Anfang dieses Artikels gesetzt, weil sie in
ihrer Bedeutung für die Erziehung von Kindern heute besonders wichtig geworden sind, aber
in ihrer Unbewusstheit noch nicht genügend bekannt werden. Die folgenden Abschnitte sind
Erkenntnisse, die in der Alltagspraxis zu wenig angewendet werden.
Im Zusammenleben, besonders in Familien ist die Gesprächskultur bzw. Beratungskultur unentbehrlich 
und sollte die sogenannte Streitkultur baldigst ersetzen. Im Familienrat werden
Kinder als sozial gleichwertig angesehen. Weder Vater noch Mutter haben besondere Rechte. 
Kleiner Kinder können dann mitmachen, wenn sie schon einigermaßen sprechen und verstehen 
können. Vor den Familienrat sollen alle Probleme gebracht werden, die mehr als ein Mitglied 
betreffen. Ausgenommen werden nur persönliche Probleme, wie z.B. Fragen einer heranwachsenden 
Tochter an die Mutter.
Andere Hauptmethoden der Kindererziehung haben sich bewährt:
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BEOBACHTEN:
Ist z.B. das Kind ein einziges oder das erste Kind, zweite oder jüngste Kind oder das mittlere Kind von dreien?
Die Familienkonstellation allein kann schon bewirken, dass das Kind verwöhnt wird oder dass es den jüngeren Geschwistern überlegen sein will oder dass es sich unsicher fühlt, dass es die Babyrolle spielt und sich ungeliebt und missbraucht fühlt und zum Problemkind wird.
NACHDENKEN:
Die Anwendung dieser Methode hilft, das Kind besser zu verstehen. Nachdenken, wie sich das Kind fühlt. Nicht sagen, was das Kind ist, sondern was es will. Jede derartige Erkenntnis nicht als Tatsache nennen, sondern dem Kind in Frageform nahelegen. „Könnte es sein, dass du dich verletzt fühlst?”
SICH EINSTELLEN:
Zur Beobachtung und zum Nachdenken ist eine weitere Hauptmethode des „sich einstellen” erforderlich. Das Kind braucht Achtung, Vertrauen, Gleichwertigkeit und einen positiven Glauben. All dies gilt natürlich für das normal gesunde Kind, das nicht schon mit Problemen oder Mängeln geboren wird. Auch diesen Kindern können wir helfen, dass wir geduldig sind, freundlich und gleichzeitig fest. Kinder lernen nicht viel von den Worten der Eltern, sondern von deren Verhalten und Benehmen. Diese Hauptmethoden und die damit gewonnenen Erkenntnisse helfen uns immer weniger emotional und immer mehr liebevoll zu sein. Aufgrund des kindlichen Verhaltens zu resignieren kann immer nur falsch sein.
Eine wirksame Hilfe für Eltern von sogenannten „schwierigen” Kindern ist die Einteilung 
der Erziehungsmethoden in 4 Prinzipien:
1. PRINZIP: Ordnung. Dazu gehören die Familienatmosphäre, Konsequenz, Entschiedenheit
und die verschiedenen häuslichen Rechte und Pflichten jedes Mitglieds der Familie.
2. PRINZIP: Vermeidung von Streit durch Anpassungsfähigkeit, durch Gewinnen des Vertrauens des Kindes, Entspannung eines kritischen Augenblicks. Manchmal kann sogar „sich freundlich zurückzuziehen” Wunder wirken.
3. PRINZIP: Aus allem, was bisher besprochen wurde, ist es naheliegend, die Ermutigung nicht zu vergessen. Auch Eltern brauchen immer wieder Ermutigung, wieviel mehr noch die Kinder. Gegenseitiges Vertrauen ist das größte Glück in einer echten Liebe.
4. PRINZIP: Weltanschauung, wird heute leider oft in seiner überragenden Bedeutung unterschätzt. So wichtig die Wissenschaft ist, aber ein nur wissenschaftliches Weltbild genügt nicht. Auch Philosophie versucht vergeblich, dem menschlichen Leben Sinn zu geben. Kunst, besonders Musik, Religion und Gott gehören von Anfang an zu den unumgänglichen Begriffen des kindlichen Lebens. Die beste Vermittlung zur Weltanschauung geschieht durch das Vorbild der Eltern. Selbstverständlich ist jeder Zwang, jedes „Muss” unangebracht. Die echte Weltanschauung kann und soll nur mit der Bemühung um Vergeistigung erreicht werden.
Liebe, Frieden und Glück gehören zu den Sinnbegriffen des geistigen Lebens, genau wie ein
fester Glaube und das Ergriffensein von der Schöpfung. Geistigkeit ist das Gegenteil der 
Ichbezogenheit, die unserer Entwicklung mehr als alles andere im Wege steht.
Zum Schluss dieser kurz gefassten Zusammenstellung ist eine Erkenntnis unerlässlich, deren 
Anwendung in der Praxis den meisten Eltern nicht leicht fällt: Jedes störende Verhalten des 
Kindes ist bis zum Alter von 10, 12 Jahren fast ausschließlich auf eines von 4 Zielen gerichtet, 
die dem Kind meist nicht bewusst sind. Die Reaktion von Eltern, um dem Kind zu helfen soll nicht die
Einstellung haben, die zur Frage „Warum?” führt, sich also auf die Vergangenheit bezieht, sondern
notwendig ist die Einstellung, die sich auf die Frage „Wozu?” richtet. Also auf das Zukünftige. 
Natürlich wäre es falsch, dem Kind zu sagen, welches Ziel es wieder verfolgt hat, sondern wir kleiden
unsere Vermutung in eine vage Frageform, wie z.B. „Könnte es sein, dass du damit ... erreichen
wolltest?”
Die 4 Ziele sind:
Entweder will das Kind Aufmerksamkeit erregen, oder es will seine Überlegenheit zeigen, oder es will sich für erlittenes Unrecht rächen, strafen oder abrechnen. Am entmutigtsten sind Kinder, die ihr Unvermögen demonstrieren, um allein gelassen zu werden.
Diese 4 Ziele werden auch von älteren Kindern benützt, aber nicht mehr ausschließlich. Mit der beginnenden Pubertät kommen persönliche Ziele hinzu, wie z.B. : Viel Geld verdienen, Abenteuer erleben, Sexualität, usw.
- Erik Blumenthal
 
Zitate[Bearbeiten]
Die Hälfte des Lebens verbringt der Mensch
damit, die falschen Vorstellungen seiner
Vorfahren los zu werden;
die andere damit, seine Kindern falsche
Ansichten beizubringen.
- Winston Spencer Churchill
 
Während meines jährigen Eingewecktseins an
einem Augsburger Realgymnasium gelang es
mir nicht, meine Lehrer wesentlich zu fördern.
- Bertolt Brecht
 
Kinder müssen mit Erwachsenen
sehr viel Einsicht haben.
- Antoine de Saint-Exupéry
 
Erziehung ist die organisierte Verteidigung der
Erwachsenen gegen die Jugend.
- Mark Twain
 
Willst du für ein Jahr planen, säe Reis.
Planst du für ein Jahrzehnt, pflanze Bäume.
Planst du für ein Leben, erziehe einen
Menschen.
- aus China
 
Es gibt keine andere vernünftige Erziehung, als
Vorbild sein, wenn es nicht anders geht,
ein abschreckendes.
- Albert Einstein
 
 
 
Empfohlene Literatur:
Für weltanschauliche Fragen -
„Das Buch der Gewissheit"
Bahá’í-Verlag, Hofheim-Langenhain
Praktische Hilfe bei der Anwendung der
oben geschilderten Erkenntnisse -
„Eltern und Kinder - Freunde oder Feinde“
Dreikurs - Blumenthal,
Ernst Klett-Verlag, Stuttgart,
Biographie
- Erik Blumenthal
 
- Jahrgang 1914
 
- 1952-1956 studierte Erik Blumenthal
 - Psychologie an den Universitäten
 - Tübingen und Zürich, Am Institut
 - für Angewandte Psychologie
 - in Zürich erwarb er ein Diplom.
 - Hauptsächlich spezialisierte er sich auf
 - die Psychologie Alfred Adlers.
 
- 1963 wurde Erik Blumenthal Assistent
 - von Prof. Dr. Rudolf Dreikurs an der
 - Universität Oregon in Eugene.
 
- Von 1964-1981 und 1986-1991
 - war er Präsident der Schweizerischen
 - Gesellschaft für Individualpsychologie,
 - danach Ehrenpräsident.
 - Von 1964-1981 gründete der Vorstand
 - der SGIPA die erste offizielle Beratungs-
 - stelle und 1976 das Alfred Adler-Institut
 - Zürich.
 
- 1968 wurde Erik Blumenthal Lehr-
 - analytiker und von 1970-1975 war er
 - erster Vorsitzender der Deutschen
 - Gesellschaft für Individualpsychologie.
 
- Von 1971 - 1976 wirkte er als Dozent
 - an der Universität Würzburg.
 
- 1973 wurde er Vizepräsident der
 - Internationalen Gesellschaft für
 - Individualpsychologie und Mitglied
 - des Vorstandes der Internationalen
 - Komitees der Adlerschen
 - Sommerschulen und Institute.
 
- Erik Blumenthal ist international als
 - engagierter Psychotherapeut,
 - Lehranalytiker und Dozent bekannt.
 
- In seinen zahlreichen Büchern schrieb er
 - über Kinder- und Selbsterziehung, über
 - Zusammenleben und Partnerschaft,
 - Alter und Ermutigung.
 
- Alle Publikationen sind in mehrere
 - Sprachen übersetzt worden.
 
In Frieden mit den Eltern[Bearbeiten]
„Man kann nur zu neuen Ufern gelangen, wenn man bereit ist, die Alten zu verlassen.”
- orientalische Lebensweisheit
 
Warum nur reagiern wir auch als Erwachsene noch immer „kindlich” auf unsere Eltern, 
sind abhängig von Lob und Zuneigung, trotzig oder verletzt bei Kritik oder 
Gleichgültigkeit? Warum nur fühlen wir uns unseren Eltern ständig verpflichtet, 
haben ein schlechtes Gewissen, geben klein bei oder reagieren zu hart? Da auch 
unsere Beziehungen zu anderen Menschen und zu uns selbst wesentlich davon geprägt
sind, wie wir zu unseren Eltern stehen, ist es notwendig, unsere oft ambivalenten Gefühle von
Liebe, Ablehnung oder Abhängigkeit zu klären.
Jeder von uns trägt einiges Ungeklärtes gegen die Eltern mit sich; in gewissem Maß darf dies
auch sein. Wenn aber diese neurotischen Elternbeziehungen dazu führen, dass wir unsere Eltern
mit Nichtbesuch, Brief- und Telefonentzug boykottieren, ihnen die Schuld zuschieben und als
Strafe Verachtung ihnen gegenüber aussprechen, dann fallen wir in einen Dauerkrampf, dessen
Ausgang schon im vornherein feststeht: Ich bin der Verlierer.
Widersprüchliche und unverarbeitete Gefühle zu unseren Eltern können unser ganzes Leben lang uns begleiten, sie werden wie Gedächtniszellen des Immunsystems in unserem Unterbewusstsein gespeichert und brechen dann an anderen Stellen, oft unerwartet, plötzlich und oft ohne zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang heftig aus.
Groll und Zorn gegen die Eltern sind wie kleine seelische Geschwüre, die nie verschwinden. 
Seelische Verletzungen überdauern viele Jahre im Unterbewusstsein.
Runtergeschluckte Wut bricht an anderen Stellen aus: oft bei Menschen, die wir lieben oder
bei Menschen, die von uns abhängig sind.
Unterdrückte Wut richtet sich gegen die eigene Person und kann sich widerspiegeln in z.B.
psychosomatischen Reaktionsweisen wie Kopfschmerzen, Magengeschwüre, Hauterkrankungen, 
Bluthochdruck, häufige grippale Infekte oder der Zunahme von Risikofaktoren, wie z.B. 
erhöhter Nikotinkonsum, Medikamenten- und Drogenmissbrauch.
Analog des „Balance-Modells”1) hat jeder Mensch vier Bereiche des Lebens, die ebenbürtig sind:
- KÖRPER
- LEISTUNG
- KONTAKT
- PHANTASIE/SINNE
Einseitigkeiten, z.B. versteckter Groll, verletzte Gefühle, nicht bearbeitete Erinnerungen, 
führen zum Ungleichgewicht, der Mensch gerät körperlich, leistungsmäßig, sozial, emotional
und geistig aus der Balance, welches seinen Niederschlag in den möglichen Fluchtreaktionen2)
finden kann:
Wie ein tödliches Gift kann sich der Unfrieden, den wir mit uns mitschleppen, auf unsere 
Gesundheit, auf unsere Leistungsfähigkeit, auf unseren Beruf, auf unsere Kontakte und auf unser
seelisches Gleichgewicht auswirken und ausbreiten. Es kann unsere wichtigsten menschlichen
Beziehungen hemmen und sogar zerstören. Gerade die Ehe und die Beziehung zum Partner ist der
beste Nährboden, auf welchem sich familiäre Konflikte, Unzufriedenheiten und Neurosen sehr 
rasch ausbreiten können. Unser Gehirn tut noch das Übrige dazu, dass unsere Kindheitserinnerungen 
im Laufe der Zeit immer größer, ätzender und unrealistischer werden. Die Folge ist, dass
wir unsere Eltern als böse Instanzen festfrieren und konservieren. Nun wird die Schuld nur noch
beim anderen gesucht, ich selbst befinde mich in der Opferrolle, kann sowieso nichts ändern,
muss alles ertragen und erdulden. Ich fange an bei anderen „hausieren” zu gehen, ihnen 
darzustellen - und dies am besten in Hochglanzformat - und „Führungen für Fremde”- zu machen: 
„Wenn meine Eltern früher nicht so mit mir umgegangen wären, wenn sie mich hätten studieren 
lassen, wenn ich die selben Chancen gehabt hätte wie mein Bruder, dann...” Statt mit den Eltern 
in Freude zu leben, von ihrer Persönlichkeit, ihrem Wissen und ihrer Liebe zu profitieren und ihr
„Noch-Dasein” zu genießen, fühlen wir uns bei der kleinsten Gelegenheit als ihre Opfer, welches
häufig mündet in Aussagen wie „Das hat sowieso alles keinen Sinn mit ihnen, ich wusste es doch 
gleich, ich werde mich nicht noch einmal öffnen, denn dann werde ich nur wieder verletzt...” Indem 
ich immer nur Opfer und meine Eltern immer nur Täter sind, brauche ich mich nicht um meine 
eigenen Schattenseiten zu kümmern, brauche nicht meinen Anteil am Geschehen zu hinterfragen. 
„Denn wenn ich einmal akzeptiere, dass auch ich
[Seite 20]
böse, kleinkariert und autoritär bin, dann müsste ich von meinem hohen Sockel unerbittlicher
Staatsanwaltschaft heruntersteigen. Ich müsste mich bei ihnen entschuldigen und mir selbst 
verzeihen können”.3)
Der Unfrieden gegenüber den Eltern erfordert einen hohen Preis: das ständige Abfließen negativer 
Energie. „Gedanken sind wie Keime, ich werde das ernten, was ich sähe”. Ich warte und warte, 
dass meine Eltern sich ändern oder sich entschuldigen oder doch wenigstens auf mich zugehen. 
Manchmal warte ich vergebens. So lange ich in der Erwartungsposition verharre, so lange
werde ich keine wirkliche Bewegung verspüren, keine Entwicklung erleben, da meine versteckten 
Wutgefühle mich blockieren. „Mein Regisseur ist mein Vater”, so die Aussage eines Patienten,
„ständig treibt er mich an, wertet meine Arbeit und Familie ab, mischt sich in mein Leben ein. Er
hat mich wirklich nie geliebt, sich nicht für mich eingesetzt, geschweige denn Zeit für mich 
gehabt. Ich kann meinem Vater nicht mehr vergeben, er hat es sich mit mir verscherzt”. Der 
52-jährige Geschäftsmann, verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder, sucht meine Praxis wegen
Schlaflosigkeit, innerer Unruhe, Getriebenheit, Rast- und Ruhelosigkeit auf, nachdem er zweimal
wegen Hörsturzes stationär behandelt wurde. Es bedurfte einiger Kontakte bis er in der Lage
war, die innere Wahrheit ans Tageslicht zu lassen, für seine eigene Person einen Standortwechsel
herbeizuführen und seine Familiengeschichte und die Beziehung zu seinem Vater auch aus einem
anderen Blickwinkel zu betrachten. Dabei musste er feststellen, dass seine so sehr von ihm 
geliebte und idealisierte Mutter von früher Kindheit eine sehr enge und innige Beziehung zu ihm
aufbaute, in der kein Platz für seinen Vater war, dieser also nie wirklich die Chance hatte, sich
seinem Sohn emotional zu nähern.
Es kommt also doch immer auf die Perspektive an, aus der ich schaue: Opfer sind eben 
nicht immer nur Opfer, Täter sind eben nicht immer nur Täter. Das wäre viel zu einfach. 
Das Leben ist doch vielseitiger als wir manchmal es auf der Bühne vordergründig präsentiert 
bekommen. Die Kunst ist es, auch mal hinter die eigenen Kulissen zu schauen oder schauen 
zu lassen. So bleibt letztendlich die Frage unbeantwortet, wer eigentlich Regisseur in diesem
geschilderten Szenario war. Man kocht vor Rache. Aber wie sagt ein chinesisches Sprichwort:
„jeder der sich zur Rache entschließt, sollte zwei Gräber graben”. Denn das zweite Grab
ist für mich selbst, für meine in den Rachegefühlen gestorbene Achtsamkeit und Lebendigkeit.
„DENN DIE ZUNGE IST EIN SCHWELEND FEUER, UND ZUVIEL DER REDE IST EIN TÖDLICH GIFT. NATÜRLICHES FEUER VERBRENNT DEN KÖRPER, DAS FEUER DER ZUNGE ABER VERZEHRT HERZ UND SEELE. DIE KRAFT DES EINEN WÄHRT NUR EINE WEILE; ABER DIE WIRKUNG DES ANDEREN DAUERT EIN JAHRHUNDERT LANG."4)
Gleichgültig in welcher Familie ich aufgewachsen bin, jede Familie ist individuell und hat ihre
eigenen Bedürfnisse und Notwendigkeiten. Wir können die Familien nicht so einfach untereinander 
vergleichen. Das Leben schreibt ihre eigene Geschichte; dabei dürfen psychosoziale Faktoren, 
unerwartete Lebensumstände und Zufälle nicht unberücksichtigt bleiben. Festhalten können wir 
jedoch, dass elterliche Verhaltens- und Reaktionsweisen sich wie ein Engramm auf uns auswirken 
und in den unterschiedlichsten Lebenssituationen unerwartet offenbaren. Dies spiegelt sich wider 
in 4 Typisierungen5), welche unbewußt ablaufen:
- 1. DER MUMIFIZIERTE TYP,
 - 2. DER REVOLTIERENDE TYP,
 - 3. DER INDIFFERENTE TYP,
 - 4. DER INTEGRATIVE TYP.
 
1. DER MUMIFIZIERTE TYP hält sich rigide fest an das Erlebte, er verhält sich mumifiziert, konserviert und wiederholt das elterliche Konzept, z.B. in der Ehe, in der Beziehung zu seinen Kindern oder im Umgang mit Religion.
2. DER REVOLTIERENDE TYP stellt alles in Frage, geht vehement gegen alles vor, glaubt nur, was er beweisen kann und macht das Gegenteil, wie es ihm zu Hause vorgelebt wurde.
3. DER INDIFFERENTE TYP, zu dem die meisten Menschen zählen, verhält sich indifferent und 
ambivalent, in manchen Punkten ist er sehr traditionsbewusst und wiederholt das elterliche Konzept, 
in anderen Bereichen ist er sehr revoltierend, auf jeden Fall hat er keine gerade Linie in seinen
Verhaltensweisen, z.B. in der Kindererziehung, der Partnerschaft. So kann es sein, dass jemand 
aufgrund eines extrem sparsamen Vaters heute sich indifferent verhält, indem er beim Tanken ganz
exakt auf den Pfennig schaut und mehrere Kilometer Umweg in Kauf nimmt, um günstiger zu tanken (in 
diesem Falle ist er mumifiziert wie der Vater in bezug auf Sparsamkeit), im Urlaub aber super 
verschwenderisch sich verhält, keineswegs auf Geld schaut (in diesem Falle verhält er sich 
revoltierend zu den Verhaltensweisen des Vaters). Die Reaktionsweise ist relativ sekundär, primär 
ist für unsere Betrachtungsweise die Tatsache, dass wir durch das Vorbild unserer Eltern geprägt
wurden und heute bewusst oder unbewusst oft noch weiter reaktiv uns dieser Prägung gegenüber
verhalten. Dies ist an sich kein wirkliches Problem, zu einem Problem wird es erst dann, wenn es
[Seite 21]
mich unbewusst immer wieder regiert, dirigiert und verleitet, mich anderen Alternativmöglichkeiten 
gegenüber intolerant und blind macht.
4. DER INTEGRATIVE TYP ist bemüht, sich die verschiedenen gelernten familiären Konzepte transparent zu machen und aufgrund dieser Tatsache selbst zu entscheiden, wie er reagieren möchte und sich nicht als fremdgesteuerte Marionette zu fühlen. Aktiv Agieren statt Reagieren ist angesagt.
- BEHARREN AUF GROLL UND ZORN
 - = GIFT IN KLEINEN DOSEN!
 
- UNTERDRÜCKTE WUT
 - = UNTERDRÜCKTE LIEBE!
 
- WOGEGEN ICH MICH STRÄUBE; DAS BLEIBT.
 
- ICH SETZE MICH UM MEINETWILLEN MIT MEINEM
 - GROLL UND ZORN AUSEINENDER.
 
- ICH WILL VERZEIHEN; UM MEINEN SEELENFRIEDN
 - WIEDERZUERLANGEN.
 
   
Frieden schließen mit den „Inneren Eltern”6). Dies kann ich sowohl mit noch lebenden oder bereits verstorbenen Eltern durchführen.
Versöhnung mit den Eltern kann verstanden werden als Versöhnung mit sich selbst. Es gilt, die unschönen Erlebnisse, Worte und Begebenheiten, die die Eltern in unsere Biographie reingeschrieben haben, durch bessere zu ersetzen. Alle Hochreligionen sprechen von der Einheit der Familie und stellen dabei die Wichtigkeit der Beziehung zu den Eltern und den damit verbundenen Respekt heraus.
Denn Unfriede ist Flucht und Kampf. Dies kann sich als roter Faden durch unser Leben und
vor allem durch unsere Beziehungen zu anderen Menschen durchziehen. Häufig schleppe ich
meinen „Vergangenheitsballast” mit in die nächste Beziehung und das gleiche Szenario wiederholt
sich, Freud nennt dies neurotischen Wiederholungszwang. Ich will mich anders verhalten, kann
dies aber aus irgendwelchen inneren Gründen nicht.
Der Preis des Unfriedens ist das Nichtloslassenkönnen. Wir tragen unsere inneren Eltern wie Polizisten mit in uns, sie sind schön sicher und fest verankert in unserem Kopf, in unseren Gedanken und Handlungen. Sie sind die Steuermänner unseres Schiffes. Es sind die familiären Konzepte, die wir bereits seit frühester Kindheit vorgelebt, gehört und erfahren haben: „Hast du was, dann bist du was” (Leistung), „Gäste sind Gnade Gottes” (Kontakt), „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert” (Sparsamkeit), „Lügen haben kurze Beine” (Ehrlichkeit). Sie spiegeln sich heute wider in den sogenannten Aktualfähigkeiten/Sozialisationsnormen, welche im tagtäglichen Kontakt mit anderen Menschen zu Tage treten, Leistung, Kontakt, Sparsamkeit und Ehrlichkeit, um nur einige zu nennen. (Peseschkian, Fischer Taschenbuch)
Der Preis des Unfriedens ist die Stornierung der eigenen Entwicklung. Der oben zitierte 
Geschäftsmann ist heute beruflich absolut erfolgreich, ist in seinem Bereich eine anerkannte 
Persönlichkeit, dennoch, so er selbst, „treibt mich eine innere Kraft, immer mehr
und mehr zu machen, nie genug zu bekommen, mit dem erreichten nicht zufrieden zu sein, es
immer noch besser machen zu wollen. Dieses Gefühl kommt von innen heraus, ich kann mich 
dagegen nicht auflehnen, es ist förmlich wie ein Zwang. Ich gehe und gehe und gehe auf einer
Straße, die nie ans Ziel kommt. Ich habe alles getan, um meinem Vater zu beweisen, dass aus mir
doch noch was wird, er anerkennt dies aber nicht”.
Die Familie befindet sich heute, wie die gesamte Welt, in einer Übergangsphase. In allen 
Kulturkreisen zerfallen oder zerbrechen Familien unter dem Druck von wirtschaftlichem und 
politischem Umbruch. Sie werden angesichts der sittlichen und religiösen Verwirrung immer
schwächer.7)
In Unfrieden gedeiht kein Mensch, keine Gesellschaft, keine Kultur. Eine von Autonomie und
Liebe geprägte Beziehung zwischen den Generationen ist hierfür nötig und möglich. Doch 
entscheidend ist das zugrundeliegende Menschenbild des Betroffenen. Ich kann immer Fehler bei
dem anderen finden, die Frage ist, ob ich mich auf einen Prozess der Annäherung einlasse, dem
anderen zuhören kann und auch die Möglichkeit der gegenseitigen Entwicklung und des gegenseitigen 
Respekts, wie in der systemischen Therapie vorausgesetzt wird, zulasse. Das Wohl des
Einzelnen ist nicht losgelöst vom Wohle der Familie und letztendlich der gesamten Menschheit zu
sehen. In den Bahá’í-Schriften finden wir immer wieder die Aufforderung, diesen Zusammenhang
nicht zu vergessen. „Es rühme sich nicht, wer sein Vaterland liebt, sondern wer die ganze Welt
liebt. Die Erde ist nur ein Land und alle Menschen sind seine Bürger”. „Wenn in einer Familie
Liebe und Einklang herrschen, wird diese Familie vorankommen und geistig erleuchtet werden”.8)
Man mag verleitet sein zu denken, dass nun alles zu spät ist, dass in der Vergangenheit bereits
Dinge gesagt wurden, die besser unerwähnt geblieben wären. Nach dem Motto: Es ist nicht zu
früh und nicht zu spät, es ist gerade die höchste Zeit. Egal was in der Vergangenheit war, ich kann
nun mein eigener Regisseur sein und meine Lebensinszenierung selbst in die Hand nehmen. Jede
Krise ist eine Chance, in der Krise liegt auch die Chance der Veränderung und des Wachstums.
Ohne Krise scheint Wachstum
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nicht möglich zu sein. Jede Krise birgt in sich auch eine Entwicklungschance. Ergreifen wir die
Gelegenheit! Denn es ist nicht immer so wie wir meinen, dass wir keine Chancen im Leben hatten und 
hätten, vielmehr stellt sich die Frage, ob ich die mir gebotenen Chancen überhaupt zuerst erkenne 
und dann in der Folge auch nütze. Hierbei bedarf es, „vom Mut eine Probe zu wagen”.
WAS KANN ICH TUN, UM MICH DIESEM THEMA LANGSAM ZU NÄHERN?
Hierbei bieten sich die folgenden Schritte der Konfliktlösung9) und Versöhnung an:
1. STUFE:
- Beobachtung/Distanzierung:
 - positive und negative Gedanken/Gefühle gegenüber den Eltern wahrnehmen und zulassen
 
2. STUFE:
- Inventarisierung:
 - Problemsituationen aufschreiben unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebenssituation
 
3. STUFE:
- Situative Ermutigung:
 - Was hat die Mutter/der Vater gut gemacht? - positive Aspekte herausstellen
 
4. STUFE:
- Verbalisierung:
 - Motive rausholen, Visualisieren der Eltern, sich in Gedanken vorstellen, wie man mit den Eltern die Problempunkte bespricht und dabei Gefühle von Wut, Zorn und Trauer los wird, eventuell einen Brief an die Eltern schreiben, den man nie abschickt, vielleicht Vorlesen der Punkte aus dem Brief, Einsatz von Gebet und Meditation, Verzeihen
 
5. STUFE:
- Zielerweiterung:
 - Was für Sehnsüchte habe ich? Wie könnte sich die Beziehung nun verbessern, da das Negative nicht mehr zwischen uns steht? Welche Wünsche würde ich mir gerne mit meinen Eltern erfüllen? Wie kann ich die letzten noch verbleibenden Jahre mit ihnen so angenehm wie möglich verbringen?
 
Also hatte Mutter Theresa Recht, als sie vor Jahren sagte:
„Wir alle können dort, wo wir stehen, zu Friedensstiftern und Trägern der Versöhnung werden.”
„Wenn ich Friede mit einem anderen schließe, schließe ich Frieden mit mir selbst. Ich vermag es aber erst dann, und das ist die Paradoxie, Frieden mit einem Verletzer zu schließen, wenn ich selbst stark genug geworden bin und mich liebe: Weil ich mich liebe, möchte ich nicht mehr in der Lieblosigkeit leben. Zum Friedensschluss gehört Einsicht in die Dramaturgie des Lebensdramas, Selbstkritik, Großzügigkeit und Mut. Wie sagte bereits der englische Erzähler des 18. Jahrhunderts, Lawrence Sterne: „Nur die Tapferen können verzeihen. Ein Feigling vergibt niemals; das liegt nicht in seiner Natur”.10)
- Nawid Peseschkian
 
- 1 Nossrat Peseschkian, Positive Familientherapie, S. Fischer-Verlag, S. 91
 - 2 a.a.O., S.99
 - 3 Der Gesundheitsberater 10/2000, S. 5
 - 4 Bahá’u’lláh, Ährenlese, Bahá’í-Verlag, 125:2
 - 5 Nossrat Peseschkian, Positive Psychotherapie, S. Fischer-Verlag, S. 161
 - 6 Harold H. Bloomfield, In Frieden mit den Eltern, rororo-Verlag
 - 7 „Die Familie in der Weltgemeinschaft”, Erklärung der Internationalen Bahá’í-Gemeinde zum Internationalen Jahr der Familie der Vereinten Nationen 1984
 - 8 Einheit der Familie, Bahá’í-Verlag, S. 22
 - 9 Nossrat Peseschkian, Positive Familientherapie, S. Fischer-Verlag, S. 146
 - 10 Mathis Jung, Versöhnung, Emu-Verlag
 
Keine Zukunft ohne interreligiöse Erziehung[Bearbeiten]
DAS NIEDERSÄCHSISCHE UNTERRICHTSFACH „WERTE UND NORMEN” - EIN WEGWEISENDES MODELL ZUR ERZIEHUNG ZUM FRIEDEN UNTER DEN RELIGIONEN?
Als vor zwanzig Jahren Autoren die ersten Rahmenrichtlinien für das Unterrichtsfach Werte und
Normen erstellten, schrieben sie: Es „besteht die Gefahr, dass der Blick für den Grundbestand 
weitgehend anerkannter Grundwerte, der das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft
ermöglicht, verlorengehen kann,” deswegen müsse „Ziel des Unterrichts zunächst sein, den 
Grundbestand weitgehend anerkannter Grundwerte in seiner Bedeutung für den Einzelnen und die
Gesellschaft bewusst zu machen.”1 Die Autoren hatten die Tendenz, dass ethisches Basiswissen 
verloren geht, bereits vor Augen. Seien wir uns über die Zukunftsaussichten dieser Gesellschaft 
im Klaren: Diese Heranwachsenden sind in etwa zehn Jahren selbst Erwachsene und die Eltern und 
die Lehrkräfte der nächsten Generation.
WELCHES WISSEN WERDEN SIE WEITERGEBEN?
UND WIE WERDEN SIE DANN WIEDERUM AUF DIE FOLGENDE GENERATION EINWIRKEN?
'UND WELCHE ROLLE SPIELEN DIE RELIGIONEN?'
Jahrhunderte lang, teilweise sogar Jahrtausende, hatten die Religionen eine dominierende und ehrwürdige Funktion in der Geschichte der Menschheit inne. Heute wird den Religionen nahegelegt, sich als eine Weltanschauung neben anderen zu begreifen. Selbst wer die Religionen ablehnt, wird sie auch heute als ernst zu nehmende, grundlegende, gesellschaftliche und existentielle Realität akzeptieren müssen. Auf der einen Seite bieten sie den Menschen Begründungen für die Rätsel der Welt, sorgen für Sinnstiftung und ethische Orientierung der Menschen und beantworten die vielfältigen Fragen des Lebens und Sterbens.
Auf der anderen Seite werden Religionen in ihrer konkreten Erscheinung aber auch zur Quelle
der tiefsten Meinungsverschiedenheiten und fanatischer Streitigkeiten zwischen den Menschen. 
Der Blick in Geschichte und Gegenwart zeigt, dass Religionen in vielen Konflikten als
Mittel zum Zweck missbraucht werden und/oder sich missbrauchen lassen. Mit der Berufung
auf Religion lassen sich Ansprüche leichter begründen, Gegensätze verschärfen, Gegner 
verteufeln und die eigenen gewaltbereiten Reihen schließen. Weltweit werden politische 
Reibungspunkte verstärkt religiös akzentuiert. Das zeigen beispielsweise der Krieg auf 
dem Balkan zwischen orthodoxen Serben, katholischen Kroaten und muslimischen Bosniern, 
die Konflikte zwischen Katholiken und Protestanten in Nordirland, das Pulverfass im Nahen 
Osten zwischen Juden und Muslimen, der Kaschmirkonflikt der Nuklearmächte Indien und
Pakistan, bei dem sich Hindus  
[Seite 24]
und Muslime unversöhnlich gegenüberstehen, gewalttätige Auseinandersetzungen in Indonesien 
und auf den Philippinen zwischen Christen und Muslimen, usw. Es ist nicht zu übersehen, 
dass der soziale Friede der Zukunft in entscheidendem Maße von der Verträglichkeit der 
Religionen untereinander abhängt.
Der Club of Rome kommt zu dem Ergebnis: „Die globale Gesellschaft, auf die wir zusteuern,
kann nur zustande kommen, wenn sie von moralischen und spirituellen Werten getragen und
geordnet wird.”2  Von unschätzbarem Wert ist dabei die Entdeckung des Theologen 
Prof. Dr. Hans Küng, dass es ein entscheidendes Minimum an Werten gibt, das die Weltreligionen 
gemeinsam haben - ein Weltethos. Dies zu lehren muss ebenfalls zu den Grundanforderungen 
gehören, die an Schule zu stellen sind, damit die Heranwachsenden erkennen, dass ein Dialog 
über die anstehenden globalen Probleme dieses Planeten auf einem ethischen Konsens möglich 
ist. (In die nds. Rahmenrichtlinien Werte und Normen für das Gymnasium von 1999 ist dies 
bereits aufgenommen, siehe S. 51).
Wir müssen uns bewusst machen, dass keine Religion mehr in einer „splendid isolation” lebt, die Pluralität eine nicht weg zu diskutierende Tatsache ist und wir zu lernen haben miteinander zu leben. Die Befähigung zu interkultureller und interreligiöser Kompetenz ist eine dringende und unverzichtbare Aufgabe der Erziehung in der Schule. Zu den Schlüsselqualifikationen, die den Schülerinnen und Schülern zu vermitteln sind, gehört auch das Finden der eigenen Identität innerhalb dieser Kultur, in der wir leben. Dazu gehört ein Basiswissen über den kulturgeschichtlichen Zusammenhang der jüdisch-christlichen Tradition, um sich zur Selbstidentifikation der kulturellen Werte bewusst zu werden, als auch ein differenziertes Sachwissen, um ein rationales, aufgeklärtes Verhältnis zu den Weltreligionen aufzubauen, Distanz zu erkennen und abzubauen.
Die rasante Entwicklung der Wissenschaft stellt uns vor eine gewaltige Menge an Fragen, für
deren Beantwortung die Heranwachsenden in der Zukunft vorbereitet werden müssen. Grosse
ethische Problemkomplexe wie Ökologie, Genetik, Medizin und Ökonomie fordern zu einer 
internationalen Zusammenarbeit auf.
WIE WERDEN EIGENTLICH DIE SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER AUF DIESE AUF SIE ZUKOMMENDEN PROBLEME VORBEREITET?
Zum einen müssen sie lernen interkulturell und interreligiös dialogfähig zu sein, zum anderen müssen sie über ein gutes ethisches Basiswissen verfügen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Als ein Beispiel ließe sich die Genforschung anführen: Die Folgen dieser Wissenschaft sind mit keiner anderen wissenschaftlichen Leistung bisher vergleichbar. Der Mensch versucht sich an seiner eigenen Schöpfung. Die Fragen, die sich bei der rasanten Entwicklung der Forschung ergeben, sind:
DÜRFEN WIR EIGENTLICH ALLES, WAS WIR KÖNNEN?
WELCHEN STELLENWERT SOLL FORSCHUNG IN DEN NÄCHSTEN JAHRZEHNTEN EINNEHMEN?
HAT FORSCHUNG PRIORITÄT VOR DEM LEBENSRECHT VON TIEREN UND MENSCHEN? WOLLEN WIR ZULASSEN, DASS DIE FORSCHUNG DEN MENSCHEN VOM SUBJEKT ZUM OBJEKT DEGRADIERT?
DARF DER DRANG NACH VERMARKTUNG DES LEBENS, DIE GIER NACH PROFIT GRENZENLOS SEIN?
WELCHEN STELLENWERT SOLL DEMGEGENÜBER DER RESPEKT UND DIE ACHTUNG VOR DEM LEBEN UND DER WÜRDE VON LEBEWESEN ERHALTEN?
[Seite 25]
 
WELCHE ORIENTIERUNG BIETEN DIE WELTRELIGIONEN DEN MENSCHEN MIT IHREM WEISHEITSWISSEN IN DIESEN FRAGEN?
Aufgrund seiner Konzeption kann das niedersächsische Unterrichtsfach Werte und Normen wie kein anderes die Ziele des Bildungsauftrags umsetzen. Insbesondere ist es in der Lage ein schulisches Angebot zu schaffen, das die Fähigkeit zu interkultureller Verständigung entwickelt.3 Die Notwendigkeit einer zeitgemässen Richtungsänderung in der Erziehung wird durchaus von verantwortlichen Institutionen gesehen. Gemäss der Forderungen des Europarates ist auf ein „besseres und tieferes Verständnis der jeweils anderen Religionen hinzuwirken”. Um zu lernen, mit Menschen anderer Kulturen und Religionen in einen fruchtbaren Kontakt zu treten, brauchen die Heranwachsenden religionswissenschaftlich ausgebildete Fachlehrkräfte - Dolmetscher in Sachen Weltreligionen und Weltanschauungen. Auch die Vorstellungen des Club of Rome gehen in die gleiche Richtung4:
1. die Wissenserweiterung angesichts der Veränderungen in der Welt und Berücksichtigung 
der Weisheiten der Weltreligionen,
2. die Identitätsbildung als Reflexionsfähigkeit,
3. die Dialogfähigkeit, gekoppelt mit einer einhergehenden Handlungskompetenz.
Dem tradierten Lernen wird vom Club of Rome ein anderer Stellenwert beigemessen:
„Tradiertes Lernen ist wichtig, aber unzureichend.”5
Seit etwa dreißig Jahren gibt es In fast allen Bundesländern aufgrund verfassungsrechtlicher
Vorgaben unter verschiedenen Namen ein Unterrichtsfach als Ersatz für den kirchlich 
gebundenen Religionsunterricht. In den meisten Bundesländern heisst es „Ethik”, in 
Nordrhein-Westfalen „Praktische Philosophie” (Modellversuch) und in Niedersachsen
„Werte und Normen”. Was ist nun das Besondere am niedersächsischen Modell? Niedersachsen
verfügt über die älteste schulische religionskundliche Tradition nicht nur Deutschlands, 
sondern Europas. Einen Zauberstab haben wir zwar auch nicht - aber ein diskutierwürdiges 
Modell ethischer Erziehung, das nicht nur bundesweit einmalig ist.
WAS IST DAS BESONDERE AM UNTERRICHT WERTE UND NORMEN?
Es läßt sich in fünf Punkten zusammenfassen:
1. SEIN NAME:
Dazu bedarf es der Beantwortung der Frage: Was sind eigentlich „Werte” und „Normen”?
Normen sind Wegweiser, Regeln, Gebote, Verbote, Gesetze, Absprachen, Vorschriften u.a., die dem Menschen für das Zusammenleben mit anderen eine Orientierung geben und festlegen, was er machen soll und was nicht. Sie sind für das friedliche Zusammenleben in einer sozialen Gemeinschaft unverzichtbar. Sie sichern das Zusammenleben. Jede soziale Norm dient als Schutzhülle für einen oder sogar mehrere Werte. Soziale Werte sind zu verstehen als soziale Objekte, die aufgrund ihrer sachlichen Beschaffenheit für den Fortbestand einer sozialen Gemeinschaft positiv bedeutsam sind.
2. SEINE DEFINITION IM NIEDERSÄCHSISCHEN SCHULGESETZ
Das Unterrichtsfach Werte und Normen weist insofern eine Besonderheit auf, als es das einzige Fach im niedersächsischen Schulgesetz ist, das inhaltlich definiert ist. Gerade mit dieser Definition ist eine richtungsweisende und unmissverständliche Werteerziehung vorgegeben, die nicht der Beliebigkeit unterworfen ist. So heißt es im § 128 Abs. 2 NSchG:
„Im Fach Werte und Normen sind religionskundliche Kenntnisse, das Verständnis für die in der Gesellschaft wirksamen Wertvorstellungen und Normen und der Zugang zu philosophischen, weltanschaulischen und religiösen Fragen zu vermitteln.” Der Inhalt des Werte und Normen-Unterrichts orientiert sich also an den Wertvorstellungen der Verfassung und an dem gesetzlich normierten Erziehungs- und Bildungsauftrag. Darüber hinaus bemüht sich der Unterricht um das Verstehen der westlichen Gesellschaftsordnungen prägende Religionen als Wert- und Sinnträger und das „Kennenlernen anderer Lebensordnungen einschließlich ihrer kulturellen und religiösen Voraussetzungen zur Erweiterung der eigenen Wahrnehmungsfähigkeit"6 und um die Befähigung zur ethischen Urteilsbildung.
[Seite 26]
 
3. SEINE BEZUGSWISSENSCHAFTEN
Aus der Definition des Unterrichts Werte und Normen lassen sich die drei Bezugswissenschaften 
ableiten, die das Fach tragen: Religionswissenschaft, Philosophie und Gesellschaftswissenschaften. 
In diesem Punkt unterscheidet sich das Fach grundlegend von den anderen Ersatzfächern zu Religion. 
Ethik und Praktische Philosophie haben nur die Philosophie als Bezugswissenschaft. Die drei 
Bezugswissenschaften des Unterrichts Werte und Normen ergänzen einander: Mittels philosophischer
Fragestellung lassen sich die anderen beiden Bezugswissenschaften eröffnen bzw. erweitern.
Beispielsweise fragen wir: „Was sollen wir tun?” wenn wir sowohl religionskundliche Kenntnisse als
auch Verständnis für die Grundwerte und Normen unserer Verfassung vermitteln wollen. „Jeder
hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.” So steht es im Grundgesetz Art. 2. 
Das verstehen schon die ganz Kleinen und sind tief beeindruckt davon, daß Erwachsene ein Gesetz 
haben, das auch sie, die Kleinen, auf dem Schulhof vor gewalttätigen Übergriffen schützen soll. 
Gleichzeitig erfahren sie aber auch, dass Gewaltausübung tabu sein soll. Wenn sie dann noch 
schrittweise lernen, dass der Schutz des Lebens obendrein nicht nur im Christentum oder Islam gilt, 
sondern in allen Religionen normativ festgelegt ist, dann glaube ich, wirkt dieses Wissen 
richtungweisend in der Werteorientierung. Die Heranwachsenden können das Phänomen Religion als
Schlüssel zur Ergründung der Geheimnisse dieser Welt kennenlernen. Sie finden Identität und 
Antworten auf die Frage: Warum ist diese Welt so und nicht anders? Sie lernen bei den 
Kernproblemen der Menschheit auch das Weisheitswissen der Weltreligionen zu befragen und 
sich Orientierung zu holen. So untersuchen sie die Antworten auf Fragen wie:
WAS SAGEN DIE WELTRELIGIONEN:
- - ZU DEN UMWELTPROBLEMEN?
 - - ZUR FRIEDENSPROBLEMATIK?
 - - ZU TOD UND STERBEN?
 - - ZUM VERHÄLTNIS VON MANN UND FRAU, ZUR FAMILIE, ZUM UMGANG MIT ALTEN LEUTEN?
 - - ZUM UMGANG MIT DEN SCHWACHEN DER GESELLSCHAFT: DEN ARMEN, KRANKEN, BEHINDERTEN, ALLEINSTEHENDEN, FREMDEN, ÄUSSENSEITERN?
 - - ZUR SEXUALITÄT, ZU SEXUELLEM MISSBRAUCH?
 - WAS GILT ALS KRIMINELL?
 - USW.
 
 
Und sie lernen, dass zwar viele Menschen den Blick für den in unserer Gesellschaft 
bestehenden Konsens, die Grund- und Menschenrechte, verloren haben, dass es aber lohnt, 
sich mit unseren Werten wie Menschenwürde, dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, 
Freiheit, Gerechtigkeit, Toleranz, Gewaltlosigkeit, Solidarität, sozialer Gerechtigkeit 
u.a. auseinanderzusetzen, denn sie sind wesentliche Elemente der unser Handeln und Denken 
prägenden abendländischen Kultur. Wie zu sehen ist, beschäftigt sich der Unterricht Werte 
und Normen - ausgehend von den aktuellen Fragen und Problemen der Gegenwart - sowohl mit 
geschichtlichem und interreligiösem Hintergrundwissen als auch mit möglichen 
Zukunftsvisionen. Die Themenbereiche des Unterrichtsfaches Werte und Normen umfassen das 
persönliche Leben ebenso wie auch das Zusammenleben mit anderen, das Leben in der Gesellschaft,
das Leben in der Einen Welt und das Leben in und mit der Natur.
4. SEIN JURISTISCHER HINTERGRUND
Die derzeitige gesetzliche Regelung, die keine Parallele in einem anderen Bundesland hat, 
ist nur historisch zu verstehen und begründet in einem 1970 geschlossenen Staatsvertrag 
zwischen dem Land Niedersachsen und der freireligiösen Landesgemeinschaft Niedersachsen.
Darin wird ein weltanschaulich-neutraler religionskunndlicher Unterricht garantiert, der 
im Unterrichtsfach Werte und Normen als ein wesentlicher Teil wiederzufinden ist. Der 
Unterricht Werte und Normen beginnt vom 5. Schuljahrgang an und ist auch als Abiturfach 
vorgesehen, sobald die entsprechenden Rahmenrichtlinien entwickelt sind und entsprechend 
ausgebildete Lehrkräfte zur Verfügung stehen.
5. SEIN UNIVERSITÄRER STUDIENGANG
Einzig in Niedersachsen, an der
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Universität Hannover, gab es seit 1970 einen universitären Lehramtsstudiengang Religionskunde. 
Er wurde 1998 zugunsten eines universitären Studiengangs Werte und Normen geschlossen.
ZUR REALEN SITUATION
Ein Problem der derzeitigen Diskussion liegt darin, dass überwiegend aus Angst vor Machtverlust der Kirchen - nicht aber pädagogisch - argumentiert wird. Denn das Dilemma der geringen Ausgestaltung einer interkulturellen und interreligiösen Erziehung in Deutschland ist:
- l. das Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Religions- und seinem Ersatzunterricht,
 - 2. der Anspruch der Kirchen auf das Monopol der religiösen Dimension in der Schule7 und
 - 3. die mangelnde Einsicht, dass religiöse und interreligiöse Erziehung - gemäß ihrer doch so verschiedenen Intentionen - keine Konkurrenz zueinander darstellen.
 
Die 1993 auf dem Weltparlament der Religionen in Chicago veröffentlichte Erkenntnis, dass alle Weltreligionen ein gemeinsames ethisches Fundamentum besitzen - Küng nennt es „Weltethos” - wird für manche Religion ein Umdenken erfordern, dessen Folgen bisher kaum reflektiert worden sind. Zumindest werden Teile der Einzigartigkeit einer Religion in Frage gestellt.
Mit anderen Worten: Ein Monopol in Sachen Ethik kann keine Religion mehr für sich beanspruchen. Das Selbstverständnis, z.B. des Christentums, als „Garant ethischer Wert” wird dadurch zwangsläufig eine Veränderung erfahren, wenn andere Religionen ihre ethischen Weisheiten ebenfalls vorbringen, darstellen, miteinander vergleichen und voneinander lernen. Welcher Ort eignet sich dafür zum Wohle der Menschheit besser als der weltanschaulich-neutrale Unterricht in der Schule?
- Christel Hasselmann
 
Quellennachweis:
- 1 RRL für den Unterricht W+N, Hannover 1980, 5.
 - 2 Alexander King, Bertrand Schneider, Die globale Revolution. Ein Bericht des Rates des Club of Rome. Spiegel Spezial, Hamburg 1991, 122.
 - 3 Siehe Bildungskommission NRW, Zukunft der Bildung, Schule der Zukunft. Denkschrift der Kommission „Zukunft der Bildung - Schule der Zukunft” beim Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Neuwied u.a. 1995, 105.
 - 4 James W. Botkin, Mahdi Elmandjra, Mircea Malitza, Club of Rome. Das menschliche Dilemma - Zukunft und lernen -. Mit einem Vorwort von Aurelio Peccei, Präsident des Club of Rome, Wien:4 u.a. 1981. Zum Konzept des innovativen Lernens siehe S. 40-78.
 - 5 AaO., 78
 - 6 RRL, aaO., 10.
 - 7 Siehe Amtsblatt der EKD, Nr. 116, Kundgebung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland zum Religionsunterricht, vom 25.05.1997, Heft 7, Jg.1997, Hannover.
 
Dr. Christel Hasselmann M.A.
arbeitet als Lehrerin und Religionswissenschaftlerin in Niedersachsen. Sie ist Mitglied der Rahmenrichtlinienkommission „Werte und Normen”, sowie Pressesprecherin des Fachverbandes „Werte und Normen”. Mehrere Jahre bildete sie als Fachseminarleiterin Referendare für das Fach Werte und Normen aus.
Kunst als Selbsterziehung und Lebensweise[Bearbeiten]
Ralph Waldo Emerson, der große amerikanische Denker, sagte einmal: „Die Aufgabe des Lehrers ist nicht, zu instruieren, sondern zu provozieren.” Kunst ist für die Menschheit eine permanente Provokation anders zu denken, zu fühlen und zu handeln.
Kunst ist die Grundlage der Erziehung; sie vereint die Vernunft mit den Gefühlen, regt die Phantasie an und verändert die Umwelt. Lange nachdem materielle Erfolge in Vergessenheit geraten sind, bleibt die Kunst als Ausdruck der inneren Haltung bestehen. Kunst legt in jeder Beziehung Zeugnis ab für das Streben des Menschen nach Unsterblichkeit. Emerson sah in der Kunst das Wesen der Sittlichkeit: „Das Problem der Schönheit führt uns vom Oberflächlichen zum Nachdenken über die Grundlagen der Dinge.”
Künstlerische Kreativität kann durch das soziale Milieu angeregt werden. So haben verschiedene Zeitalter, wie das Perikleische in Griechenland, die Renaissance in Italien und die Aufklärung in Frankreich, eine hohe Blüte der Genialität hervorgebracht. Wir beobachten andererseits, dass bestimmte Epochen äußerst unproduktiv waren. Das gilt zum Beispiel für das Frühmittelalter, die Zeit des Dreißigjährigen Krieges und die Herrschaft des Puritanismus in den Vereinigten Staaten. Einige Kulturen, wie die von Sparta und Assyrien, leisteten nur geringe Beiträge zur Weltkultur. Ihr Hauptinteresse galt der Kriegskunst; daher wurden die Domänen des Geistes vernachlässigt.
Die schöpferische Blütezeit war meist kurz - das Perikleische Zeitalter dauerte ungefähr von 460 bis 429 v. Chr. In dieser Epoche erfuhren die Traditionen Griechenlands eine Überprüfung. Die Kaufleute aus dem Mittleren Osten, die nach Athen kamen, brachten nicht nur Waren, sondern auch neue Ideen. Die alte Aristokratie wurde durch die neue Schicht der Kaufleute ersetzt; es herrschte intellektuelle Toleranz; es gab kein unfehlbares Buch und kein Dogma, an das alle glauben mussten. Der Mensch war das Maß aller Dinge; die Ideale und Bedürfnisse des Menschen beschäftigten nicht nur Denker, sondern auch Künstler und Wissenschaftler.
In Athen nahmen die Bürger persönlich Anteil an der Verschönerung des Stadtstaates; die Dramatiker schrieben nicht für einen ausgewählten Hörerkreis, sondern wurden von ganz Athen beurteilt. Dieses goldene Zeitalter war rein diesseits bezogen und trug den Stempel eines Skeptizismus, der der Vielfalt gesellschaftlicher, politischer und wirtschaftlicher Meinungen entsprang. Diese Ära hatte auch Nachteile, weil die Gesellschaft auf Sklaverei und soziale Ausbeutung aufgebaut war. Die Toleranz war sogar in Athen nicht vollkommen, wie man z.B. an der Verfolgung Anaxagoras sieht. Er wurde des Unglaubens bezichtigt, weil er leugnete, dass der Mond göttlich sei. Die Renaissance in Italien war, wie das Perikleische Zeitalter, eine Zeit der Rebellion: Im Mittelalter war man der Ansicht, dass die Hauptaufgabe des Menschen in der Verherrlichung Gottes und im Kampf gegen die Versuchungen des Teufels bestünde. In der Renaissance erfolgte ein Wandel. Macht trat an die Stelle der Religion und die Parole hieß Humanismus. Verkündete Rabelais nicht das Evangelium der Meinungsfreiheit? Griff nicht Erasmus die Torheiten engstirniger Kirchlichkeit an? War Leonardo da Vinci nicht das Vorbild eines universell gebildeten Menschen?
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Auch die Renaissance dauerte nicht lange. Auf sie folgte die Herrschaft des Puritanismus. Der
Dreißigjährige Krieg schuf dann eine Ödlandschaft in der europäischen Kultur.
Ein Hindernis, das den Weg zur Kreativität versperrt, liegt in der ständigen Wiederkehr von Kriegen. In der modernen Zeit werden diese Konflikte immer blutiger und kostspieliger. Es werden davon nicht nur Soldaten an der Front, sondern auch die Zivilbevölkerung betroffen. Man darf nicht vergessen, dass Kriege gewöhnlich auf die Versklavung der Persönlichkeit hinauslaufen. Der Soldat wird Teil einer Maschinerie, er muss sich den Forderungen der Gruppe beugen und seine eigene Kreativität hintansetzen. Das Leben wird zum Überlebenskampf.
Echte Kultur verlangt Gleichstellung von Frauen und Männern. Ohne diese Gleichstellung, betont 'Abdu'l-Bahá, gibt es keine kreative Entwicklung der Menschheit.
Puritanismus ist wie der Krieg ein Feind echter Kultur und Kreativität - der gewissensstrenge Puritaner findet, dass Kunst und Seelenheil nicht vereinbar seien. So war Calvin in Genf gegen jede Form der Kunst und verdammte sogar so unschuldige Vergnügen wie das Wetten. Unter Cromwells Herrschaft in England waren die Theater geschlossen, weil die Puritaner sie als Stätten des Lasters betrachteten. In Neuengland war in der ersten Siedlerzeit die Theologie das wichtigste Studiengebiet, während alle weltlichen Bücher als Versuchung des Teufels angesehen wurden. Der Hexenwahn war Ausdruck einer unglaublich primitiven Mentalität. Die Puritaner standen natürlich im Gegensatz zu den kritischen Wissenschaftlern, weil diese den Aberglauben ablehnten und die Vernunft auf alle Lebensbereiche anzuwenden versuchten.
Der Puritaner wertet das Leben absolutistisch. Jede Vielfalt ist verboten. Eine kreative Lebenseinstellung schließt aber notwendigerweise die Anerkennung und Aufnahme gegensätzlicher Meinungen ein. Der reife Mensch sieht die ethische Komplexität aller Probleme.
Kunst hat nicht in erster Linie eine rigide moralische Funktion; sie dient vielmehr als Schlüssel zur subjektiven und objektiven Realität. Dadurch, dass sie den Menschen voraussetzungslos zeigt, wie er ist, gibt die moderne Kunst eine echtere Darstellung vom Menschen und der Kultur als in früheren Epochen. Wenn der Künstler zum kategorischen Moralisten wird, verliert er einen Teil seines schöpferischen Genies. Erzieher fordern oft wie Tolstoj eine Zensur der zeitgenössischen Kunst. Es soll nur das Schöne gefördert, Naturalismus abgelehnt, unmoralische Literatur in Acht und Bann getan werden. Sie vergessen ganz, dass Kunst nicht lebendig sein kann, wenn sie sich in Idealsphären bewegt. Die Athener waren in mancher Hinsicht glücklich zu preisen, weil ihnen die historische Perspektive fehlte. Sie verglichen nicht alle ihre Kunstwerke mit den babylonischen oder den ägyptischen. Sie imitierten nicht andere Stilformen in der Malerei und Architektur, sondern vertrauten auf ihr eigenes Kulturempfinden.
Aufgabe der Kunst
Kunst hat fast überall eine untergeordnete Stellung, obwohl sie ein Symbol für das Bleibende 
ist und das was den Menschen am meisten heben kann in Denken, Gesinnung und Handeln. Deshalb: 
Kunst muss im Zentrum des Lebens stehen. Die Hauptfunktion der Kunst ist, das Ghetto zu
überwinden, in sozialer, erzieherischer, aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Kunst muss 
viel
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mehr als jetzt die Umgebung des Menschen prägen, eine Umgebung, die jetzt von Technik und
Automatisierung geprägt ist. Alles Provinzielle und Partielle muss im Kunstunterricht 
überwunden werden, d.h. die Kunst als internationales Erlebnis - mit genau soviel Interesse 
für asiatische als für europäische Kunst. Man kann das Interesse an künstlerischem Schaffen 
und Gestalten nicht früh genug wecken. Es muss konsequent erfolgen und erreicht seinen 
Höhepunkt im Alter.
Ohne Intensivierung der Wahrnehmungsmöglichkeiten, wie Sehen, Hören, Analysieren, Sprechen 
wird Kunst immer nur ein oberflächliches Unterfangen sein. Künstlerisches Interesse zu
wecken, heißt in die Tiefe gehen. Kunst ist die Fähigkeit zur Konzentration.
Wenn Erziehung als Kunst der Ermutigung und Kunst als Begegnung betrachtet wird, dann müssen wir die Produktionen und Darstellungen von jungen Künstlern viel mehr fördern. Theoretisch wird das Schöpferische gepriesen, aber praktisch auf fast jedem Gebiet vernachlässigt.
Mehr als irgendein Gegenstand kann der Kunstunterricht zum schöpferischen Gestalten und zu einem schöpferischen Lebensstil führen. Sicher ist zum Beispiel, dass das Theatererlebnis wichtiger ist als mathematische Begriffe, aber wo ist das Theater Zentrum der Erziehung?
In einer Massengesellschaft, wo der Konsum herrscht, wo eine graue Umgebung besteht, einer Gesellschaft, geprägt durch Interesselosigkeit, hat Kunst die Bekehrerfunktion, den Menschen zu aktivieren, so dass er seine Möglichkeiten besser verwirklichen kann.
Kunst ist eine Methode der permanenten Sensibilisierung und emotionaler Erweiterung. Konkret heißt das, dass die Kunst nicht für ein elitäres Publikum da ist, dass sie uns provozieren muss zum Verständnis, zur Anteilnahme und zum Mitgefühl für die Schwachen und Verstoßenen der Gesellschaft. Kunst vereint, vertieft und erweckt immer wieder eine neue Sehnsucht. Musik als bedeutendste Stufe der Kunst ist, wie Beethoven sagte, „Höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie”.
- Frederick Mayer
 
- Der Autor ist international als Kreativexperte anerkannt. Er war Universitätsprofessor in den USA und ist Autor von mehr als 20 Büchern.
 - moderne internationale Pädagogik hat er wesentlich beeinflusst.
 - Sein Buch „History of Educational Thought” war als Lehrbuch an über 400 Universitäten für Pädagogikstudenten Pflichtlektüre.
 
Autonome Schülerstreitschlichtung[Bearbeiten]
am Michael-Ende-Gymnasium in Thönisvorst
Konflikte friedlich lösen
Was ist das: Autonome Schülerstreitschlichtung?
Wenn es mal wieder in der Klasse oder in der Pause Streit gegeben hat und niemand 
in der Lage ist, das Problem zu lösen, gibt es in Zukunft die Möglichkeit, eine(n) 
Schüler(in) um Hilfe zu bitten, der/die ein Training als Streitschlichter mitgemacht 
hat. Ein Schüler deshalb, weil es hier leichter ist Vertrauen zu fassen und weil das 
Problem vertraulich behandelt werden soll. Außer den Konfliktparteien und dem Schlichter 
wird also niemand eingeweiht. Autonom heißt die Streitschlichtung, weil sie von 
Schülern für Schüler durchgeführt wird.
Wie funktioniert so eine Streitschlichtung
Zunächst einmal müssen die Streitenden oder wenigstens einer von ihnen bereit sein, das Problem anzugehen.
Dann begeben sie sich zu den angegebenen Zeiten in den Streitschlichterraum und bitten einen der Schlichter um HILF: In dringenden Fällen dürfen sie mit Einverständnis des jeweiligen Fachlehrers sofort einen Schlichter ihrer Wahl aufsuchen.
Dieser erklärt ihnen zunächst die Gesprächsregeln und fordert der Reihe nach beide 
Seiten auf, ihre Sicht darzustellen. Der Schlichter hat dabei die Aufgabe,
dafür zu sorgen, dass die Parteien sich nicht gegenseitig unterbrechen und 
aufmerksam zuhören,
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wenn der Andere das Problem aus seiner Sicht darstellt. Er achtet auch darauf, dass 
die Gegner sich nicht neue Kränkungen zufügen, die die Schlichtung erschweren würden. 
Wenn das Gesamtbild des Konflikts beiden verständlich geworden ist, fordert der Schlichter 
die Parteien auf, ihre Gefühle darzustellen, die das Verhalten des Anderen in der
Streitsituation hervorgerufen hat. In dieser Phase werden die Gegner angeleitet, sich 
in die Lage des Gegenübers zu versetzen und beginnen dadurch, den Anderen und sein 
Verhalten besser zu verstehen. Das führt meist dazu, dass gegenseitige Ablehnung
sich langsam auflöst und Vertrauen wachsen kann. Die Streitenden erkennen, dass nicht die
Absicht, den Anderen zu verletzen, sondern der Versuch, sich selbst vor Verletzungen zu 
schützen das als feindselig empfundene Verhalten ausgelöst hat. Indem die Motive sichtbar 
gemacht werden, die beide zu ihren Reaktionen veranlasst haben, wird meist die Grundlage 
für gegenseitiges tieferes Verständnis geschaffen. Erst jetzt hilft der Schlichter den 
beiden Parteien selber eine Lösung zu finden, mit der beide einverstanden sein können. 
Anschließend vereinbart er mit ihnen einen Termin, bei dem sie berichten, wieweit sie die
Vorschläge umsetzen konnten.
Das klingt einfach, erfordert aber viel Einfühlungsvermögen und ein klar strukturiertes Vorgehen. Dieses lernen die Schlichter, die sich freiwillig in der Streitschlichter-AG zum Training anmelden in etwa 15 Wochen. Die AG dauert pro Woche 2 Unterrichtsstunden, also 90 Minuten.
Welche Vorteile hat eine solche Einrichtung für Schüler und Lehrer?
Die Schüler lernen schrittweise, ihre Konflikte nicht mehr gewaltsam auszutragen, sondern Lösungen zu suchen, die allen Beteiligten Gewinn bringen. Vor allem lernen sie aktives Zuhören und Verstehen fremder Standpunkte.
Dadurch verbessert sich das Klima in den Klassen und in der Schule insgesamt. Ängste werden abgebaut und alle Beteiligten gewinnen mehr Selbstvertrauen, weil sie sicherer sein können, dass ihre Probleme ernst genommen werden und gelöst werden können.
Die Streitschlichter gewinnen im Laufe der Ausbildung, die überwiegend in Form von Rollenspielen abläuft, mehr Selbstbewusstsein und Sicherheit, weil sie wissen, wie Konflikte ablaufen und wie man sie bewältigen kann.
Es hat sich gezeigt, dass Streitschlichter bei der späteren Berufswahl von Arbeitgebern 
besonders gerne eingestellt werden, weil sie das Arbeitsklima verbessern. Der wirtschaftliche
Schaden, der jedes Jahr durch Mobbing am Arbeitsplatz entsteht, geht in die Milliarden. Deshalb 
wissen kluge Arbeitgeber eine solche Qualifikation zu schätzen. Aber auch im Privatleben ist 
die Fähigkeit, Konflikte friedlich zu lösen, von unschätzbarem Wert.
Die Lehrer werden in ihrer Arbeit durch die Streitschlichter entlastet, weil sie nicht mehr 
große Teile der Unterrichtszeit für Konfliktbewältigung opfern müssen und weil Schüler, die nicht
von seelischen Problemen belastet sind, besser mitarbeiten können. Es ist daher oft günstiger,
wenn Schüler, die sich gerade in den Haaren liegen, während der Unterrichtszeit zum 
Streitschlichter gehen können,
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statt im Unterricht zu stören und sich und andere an der Arbeit zu hindern.
Wie wird man Streitschlichter?
Die Ausbildung zum Streitschlichter ist freiwillig. Das Anfangsalter beträgt ca. 14 Jahre, d.h. ab der 8. Klasse, in Ausnahmefällen in der 2. Hälfte der 7. Klasse können Schüler mit dem Training beginnen. Da die AG aber nicht mehr als 20 Schüler pro Halbjahr ausbilden kann, kann es passieren, dass Bewerber erst in einen der Folgekurse aufgenommen werden.
Die Namen, Klassen, Dienstzeiten und Fotos der Schlichter werden nach abgeschlossenem Training im Schulgebäude sichtbar plakatiert, so dass Hilfe suchende Schüler wissen, an wen sie sich wenden können.
Wie werden die Schlichter nach Abschluss des Trainings betreut?
In der Anfangsphase werden die Schlichter von dem ausbildenden Lehrer betreut. Bei dringenden Problemen wenden sie sich an ihn. Ansonsten haben sie die Möglichkeit, einmal pro Woche zu einem festgesetzten Termin zum Erfahrungsaustausch in den Schlichterraum zu kommen.
Später, wenn die Streitschlichter mehr Erfahrungen gewonnen haben, können sie selbst freiwillig als Tutoren Anfänger beraten und betreuen. An Schulen, wo das Projekt schon mehrere Jahre läuft, hat sich gezeigt, dass die Schüler, die schon einige Dutzend Schlichtungen gemacht haben, oft bessere Ratschläge geben können als die betreuenden Lehrer. Diese stehen aber dennoch zu den festgelegten Terminen für Beratungen zur Verfügung.
Welche Grenzen hat die Schüler-Streitschlichtung?
Die Streitschlichtung kann nicht Konflikte verhindern, denn wo Menschen zusammenleben, entstehen Konflikte.
Ihr Ziel ist es, mit Konflikten angemessen und menschenwürdig umgehen zu lernen.
Es gibt allerdings Konflikte, die die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Schülerschlichter übersteigen. In Fällen, wo eine psychologische Beratung erforderlich ist, können in Absprache mit den Konfliktparteien andere Wege gesucht werden. Der Fall muss aber vertraulich behandelt werden, das heißt, dass nur mit dem Einverständnis der Beteiligten andere Personen um Hilfe gebeten werden.
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Welche Bedenken könnten gegen das Projekt vorgebracht werden?
Lehrer befürchten manchmal, die gewährten Freiheiten könnten von Schülern missbraucht werden oder die Verantwortung könne von Schülern nicht getragen werden. Es hat sich aber herausgestellt, dass diese Bedenken immer geringer werden, je länger ein solches Projekt an einer Schule existiert. Da eine Streitschlichtung für die Streitenden keine lockere Freizeitunterhaltung ist, sondern anstrengende Bemühungen erfordert, begreifen Schüler sehr schnell, dass es einfacher ist, im Unterricht anwesend zu sein als sich zur Schlichtung zu begeben. Das verhindert den Missbrauch der Einrichtung.
Die Streitschlichter-Ausbildung macht auch nicht die pädagogischen und psychologischen Fachkenntnisse der Beratungs-, Klassen- und Fachlehrer überflüssig. Sie entlastet diese Personen nur auf Gebieten, zu denen sie weniger Zugang haben als Schüler und wo sie sich oft überfordert fühlen. Sie stellt also keinen Ersatz für Beratung und Erziehung durch Lehrerinnen und Lehrer dar, sondern versucht einen Beitrag für ein friedliches Schulleben zu erbringen.
Auch die Befürchtung, die Schlichter oder die Konfliktparteien könnten durch Ausfall von Unterricht im Lernfortschritt behindert werden, hat sich in der Praxis als weitgehend unbegründet erwiesen. Die Schlichter stehen nur zu bestimmten, mit ihrem Stundenplan abgestimmten Zeiten zur Verfügung. Nur in seltenen Ausnahmefällen werden sie aus dem Unterricht geholt, dessen Stoff sie wie die Konfliktparteien nacharbeiten müssen.
Diese geringfügigen Einschränkungen werden mehr als aufgewogen durch das spürbar größere Maß an sozialer Verantwortlichkeit und Problemlösungskompetenz, die die betreffenden Schüler gewinnen und dadurch, dass ihr positives Beispiel auch auf andere Schüler positiv wirkt.
Was erfordert das Projekt?
Eine Streitschlichtung an Schulen kann nur soweit erfolgreich sein, wie sie von allen am Schulgeschehen Beteiligten unterstützt, d.h. zumindest nicht behindert wird. Wenn Eltern, Schüler und Lehrer an einem Strang ziehen, wenn erkannt wird, dass durch ein solches Projekt alle nur gewinnen und niemand etwas verlieren kann, dann entstehen mehr Vertrauen und Verständnis in alle Richtungen. Dies aber ist die wichtigste Voraussetzung für ein effektives Lernen und Arbeiten an der Schule.
- Roland Greis
 
DIE BAHÁ'Í-RELIGION
ZENTRALE LEHREN
- Die Einheit Gottes
 
- Es gibt nur einen Gott, mit welchem Namen er
 - auch benannt oder umschrieben wird.
 
- Die Einheit der Religionen
 
- Alle Offenbarungsreligionen bergen den gleichen
 - Kern ewiger Wahrheiten, wie die Liebe zu Gott und
 - den Menschen.
 
- Bestimmte Gesetze jedoch, die z.B. die Organisation
 - der Gemeinde, das Sozialwesen, Hygiene etc. betreffen,
 - müssen sich im Zuge der Menschheitsentwicklung
 - verändern. In großen Zyklen offenbart Gott
 - sich durch seine Boten wie Moses, Krishna, Buddha,
 - Christus, Mohammed und Bahá’u’lláh und erneuert
 - diesen Teil seiner Gebote als Antrieb für den
 - menschlichen Fortschritt.
 
- Die Einheit der Menschheit
 
- Die Menschheit ist eine einzige, große Familie mit
 - völlig gleichberechtigten Mitgliedern.
 
- Ihren Ausdruck finden diese grundlegenden Lehren
 - in Prinzipien wie:
 
- ▪ Selbständige Suche nach Wahrheit
 
- ▪ Gleichwertigkeit von Frau und Mann
 
- ▪ Soziale Gerechtigkeit
 
- ▪ Entscheidungsfindung durch Beratung
 
- ▪ Abbau von Vorurteilen.
 
- ▪ Übereinstimmung von Religion und Wissenschaft
 
 
ZENTRALE GESTALTEN
- Báb (1819-1850), der Vorbote
 - Bahá’u’lláh (1817-1892), der Stifter
 - 'Abdu'l-Bahá (1844-1921), der Ausleger
 - Shoghi Effendi (1897-1957), der Hüter
 
DIE BAHÁ'Í-GEMEINDE
- organisiert sich in Gremien, die auf örtlicher, nationaler und internationaler Ebene
 - von allen erwachsenen Gemeindemitgliedern in freier, gleicher und geheimer Wahl
 - ohne Kandidatur oder Wahlkampagnen gewählt werden. Es gibt keine Priester.
 
  
      
- Europäisches Bahá’í-Haus der Andacht in Hofheim-Langenhain/ Deutschland