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TEMPORA
Nr. 6
DIE ENTWICKLUNGSHOCHSCHULE FUNDAEC
DAS FRAUENPROJEKT MATIMYAMI
DAS MEDIENPROJEKT STOP & ACT
DAS BAHÁ'Í-ENTWICKLUNGSKONZEPT
Expo 2000
INHALT
4 . . . Frauen managen Entwicklung
- - ein weltweites EXPO-2000-Projekt
 
10 . . . Wie zeigt man sechs Milliarden menschliche Bergwerke ... ?
- - der EXPO-Stand der Bahá’í International Community
 
16 . . . Fundaec - Ländliche Entwicklung und sozialer Wandel
- in Kolumbien - ein Bericht von Anis Towfigh
 
21 . . . Stop & Act - ein Medienprojekt von Shamil Fattakhov
25 . . . Ausweg aus der Krise - Beratung
- - Aspekte dazu von Studienprofessor a.D. Adolf Kärcher
 
28 . . . Der Prozess ist wichtiger als das Produkt
- - ein Interview mit Jens Loewe, dem Designer der Bahá’í-Ausstellung Lithografie
 
30 . . . Erst Menschheitsrechte werden die Menschenrechte verwirklichen
- - eine neue Entwicklungsstufe in der Entfaltung globaler Werte
 
33 . . . Wirtschaftliche und soziale Entwicklung aus Bahá’í-Sicht
36 . . . Bahá’í International Community
- - die internationale Bahá’í-Gemeinde
 
 
TEMPORA
- Nr. 6 - Juni 2000
 
Die Globalisierung unseres Planeten erfordert in allen Bereichen ein
gänzlich neues Denken und Handeln. TEMPORA beschäftigt sich auf
dem Hintergrund der Bahá’í—Lehren mit aktuellen Zeitfragen und möchte 
durch Gedankenimpulse die Entwicklung zu einer geeinten Welt fördern.
Herausgeber
- Der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in
 - Deutschland e.V., Eppsteiner Str. 89
 - 65719 Hofheim-Langenhain
 
Redaktion
Elena Afscharian, Roland Greis, Wolfram Enders, Karl Türke jun., Michael Willems
Redaktionsanschrift
- Redaktion TEMPORA
 - Eppsteiner Str. 89
 - D-65719 Hofheim
 
- E—Mail: tempora@bahai.de
 
Layout
Michael Willems
Lithografie
AWI-Design, Krefeld
Druck
Druckservice Reyhani, Darmstadt
Vertrieb und Bestellungen
- Bahá’í—Verlag
 - Eppsteiner Str. 89
 - D-65719 Hofheim
 
- Tel. 06192/2 29 21
 - Fax 06192/2 29 36
 - E—Mail: info@bahai-verlag.de
 
TEMPORA erscheint halbjährlich.
Abonnementpreis für vier Ausgaben
DM 35,- Einzelpreis DM 9,80.
Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die
Meinung der Redaktion oder des Herausgebers wieder. Für unverlangt 
eingesandte Manuskripte und Fotos übernimmt die Redaktion keine 
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und Änderungen der Beiträge vor. Die Zeitschrift und alle in 
ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. 
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion.
© Bahá’í-Verlag GmbH 2000
ISSN 1433-2078
Gedruckt auf umweltschonendem Papier.
Editorial
Seit 1851 werden Weltausstellungen veranstaltet. Ihr Ziel war und ist es, einer ständig 
wachsenden Öffentlichkeit die wirtschaftlichen, kulturellen und technischen Errungenschaften 
einzelner Länder vor Augen zu führen. Gleichzeitig waren sie - nicht unbedingt beabsichtigt - ein 
Beitrag zur Entwicklung eines fortschreitenden Weltbewusstseins. Auch unter 
unter diesem Aspekt hat die in Hannover stattfindende EXPO 2000 einen besonderen Stellenwert.
Im Zeitalter der Globalisierung, die von vielen Menschen als Bedrohung erlebt wird, bietet diese Weltausstellung die Chance, neue Denkansätze und Projekte bekannt zu machen, die zur Lösung der Probleme dieses Planeten beitragen können. Diese Aufgabe kommt vor allem denn im GLOBAL HOUSE vertretenen Initiativen zu.
Die Bahá’í wurden gemeinsam mit anderen ausgewählten Nichtregierungsorganisationen dazu eingeladen, im Rahmen des Programms „Weltweite Projekte” beispielhafte Entwicklungsprojekte vorzustellen. Drei davon werden in der Bahá’í-Ausstellung unmittelbar gegenüber dem Eingang des GLOBAL HOUSE präsentiert.
Es sind die ländliche Entwicklungshochschule FUNDAEC aus Kolumbien, das Frauen-Förderungsprojekt MATINYANI aus Kenia und das an ethischen Werten orientierte Konzept des interaktiven STOP & ACT Theaters, das von dem russischen Fernseh-Journalisten Shamil Fattakhov entwickelt wurde. Als vierter Beitrag wird die Bahá’í International Community als weltweite Gemeinschaft vorgestellt.
Allen Initiativen ist eines gemeinsam: Sie sind inspiriert von der Vision, daß der Mensch im Mittelpunkt aller Lösungsansätze für die Probleme unserer Zeit stehen muss. Wenn es gelingt, diesen Grundgedanken zu verwirklichen, werden ie Lösungen menschwürdig und nachhaltig sein. Dies bedeutet einen grundlegenden Wertewandel: Die Aufgabe der Maxime vom zwanghaften ökonomischen Wachstum und den Verzicht auf rücksichtsloses Profitstreben wie auch auf die Unterwerfung unter angeblich unkontrollierbare wirtschaftliche Mechanismen. Es bedeutet die Entfaltung einer Ethik, in deren Fokus die materielle und geistige Entwicklung sowohl des Individuums als auch - Hand in Hand und in wechselseitiger Abhängigkeit - der globalen Gesellschaft stehen wird. Dadurch werden die Opfer politischer und wirtschaftlicher Fehlentwicklungen zunehmend in die Lage versetzt, ihr Schicksal selbst zu bestimmen.
Diese Perspektive ist keine unerreichbare Utopie, das zeigen die ausgewählten Projekte. Im Gegenteil, die Umsetzung dieses Gedankens ist auch wirtschaftlich und sozial außerordentlich erfolgreich und vielversprechend, wie die Beiträge aufzeigen. Sie befreit Menschen aus ihrer Opferrolle, hilft ihnen aus eigener Kraft das in ihnen liegende Potenzial zu entfalten und sich selbst, ihre Familien und Gemeinden wirtschaftlich auf eigene Füße zu stellen.
„Betrachte den Menschen als ein Bergwerk, reich an Edelsteinen.“ Diese Worte Bahá’u’lláhs, des Stifters der Bahá’í-Religion, sind in den genannten Projekten Wirklichkeit geworden. Deshalb begegnet der Besucher des GLOBAL HOUSE diesem Satz an der Eingangsseite der Bahá’í-Ausstellung. Dahinter entfaltet eine riesige stilisierte Lotosblüte ihre Blätter und symbolisiert die Tatsache, dass die vorgestellten Projekte auf einer geistigen Grundlage fußen.
In Ergänzung zu den Artikeln, die sich mit den oben genannten Projekten befassen, wird auch die künstlerische Konzeption der Bahá’í-Präsentation beleuchtet, „Beratung als Methode der Problemlösung“ vorgestellt und aufgezeigt, dass erst mit der Anerkennung von „Menschheitsrechten“ die Menschenrechte nachhaltig vorangebracht werden können.
Aus aktuellem Anlass erscheint die zum Thema AGENDA 21 geplante TEMPORA-Ausgabe erst nach dieser hier vorliegenden im Herbst 2000.
  
- DIE REDAKTION
 
  
  
Frauen managen Entwicklung[Bearbeiten]
- Beratung in der Gruppe als Erfolgsfaktor
 
 
Frauenprojekte im Kitui Distrikt in Kenia zogen durch ihre Innovationen internationale Aufmerksamkeit auf sich. Gemeinsam wurden das Matinyani- und das Kalimani-Projekt zum „Weltweiten Expo-2000-Projekt”! erklärt. Auf der EXPO 2000 in Hannover werden beide Projekte in der Ausstellung der Bahá’í International Community im Global House präsentiert.
Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist ein zentraler Gedanke bei allen Entwicklungsbemühungen der Bahá’í. Wenn Frauen ihre Fähigkeiten auf allen Gebieten menschlichen Strebens entfalten können, ist dies für die ganze Menschheit - Männer wie Frauen - eine große Bereicherung. Sozialer und politischer Fortschritt ist erst dann möglich, wehn beide Geschlechter die Bedeutung der Gleichberechtigung erkennen und ihre Wirkung erfahren.
WASSER FÜR KALIMANI
 
Kenia im Mai 1998. Unter der sengenden Sonne tragen Frauen ihre schwere Last langsam und
bedächtig den steilen Pfad vom Fluss hoch. Einige stützen das Gewicht auf ihrem Rücken durch ein
Band ab, das sich bis über ihre Stirn zieht; andere treiben die von doppelter Last gebeugten
Esel mit Stöcken an. Fast täglich schleppen die Frauen des Dorfes Kalimani das lebenswichtige
Wasser vom Mutendea-Fluss in Kanistern nach Hause. An diesem Tag jedoch sind es Säcke mit Sand
aus dem Fluss. Wenn sie genügend Sand bewegt haben, hoffen sie kein Wasser mehr transportieren 
zu müssen.
„Wasser vom Fluss zu holen, kostet viel Zeit und es ist mühselig, es nach Hause zu schleppen”,
erklärt Lydia Kitheka. Die 28jährige ist Mitglied der Frauengruppe von Kalimani. Diese Frauen 
organisierten den Bau einer
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neuen Wasserpipeline und eines Systems, mit dem das Wasser vom Fluss zum Dorf gepumpt
wird. Lydia hat selbst viele Säcke Sand getragen; er wird für das Verlegen der Rohre und den Bau
der Vorratstanks eingesetzt. „Wenn wir damit fertig sind, werden wir mehr Zeit für unsere Kinder 
haben, mehr Zeit für unsere Gärten und mehr Zeit dafür, ein Einkommen zu erarbeiten.”
SELBSTBESTIMMTE DORFENTWICKLUNG
Wasserprojekte gibt es viele in den Dörfern der Welt. Ungewöhnlich am Projekt der Frauen von Kalimani ist das Ausmaß, in dem die Dorfbewohner - allen voran die Frauen - ihre Bedürfnisse erkannt und es selbst in die Hand genommen haben, ihr Projekt mit Fachleuten von außen zu planen, zu bauen und das installierte System zu warten. So sind dieses und eine Reihe weiterer Frauenprojekte in dieser dürren Gegend 150 Kilometer östlich von Nairobi beispielhaft für das Zusammenwirken von Frauengruppen, selbstbestimmter Dorfentwicklung und Hilfe durch Entwicklungsorganisationen.
„Wir sprechen zwar oft von der Beteiligung der Dorfgemeinschaft, aber in der Praxis sehen wir wenig davon”, sagt Dr. Eliab Some von AMREF einer afrikanischen Stiftung für Medizin und Forschung, die das Kalimani-Wasserprojekt technisch unterstützt. „Dies hier ist aktive Dorfbeteiligung. Man sitzt nicht da und schaut anderen bei der Arbeit zu. Nein, die Dorfgemeinschaft hat Verantwortung übernommen, sie identifizierte das dringlichste Problem, suchte nach einer Lösung und stellt nun die nötigen Arbeitskräfte bereit. So sollte es immer sein.”
Wie es der Frauengruppe von Kalimani gelang, ein Wasserprojekt auf die Beine zu stellen, das sauberes Trinkwasser für 6.000 Menschen in zwei Dörfern liefert, ist eine lange Geschichte. Die komplexen technischen Anforderungen erforderten unterschiedliche Partner, zumal das Wassersystem aus unterirdischen Dämmen besteht, eine innovative Technik, die darauf abzielt, ein Reservoir an Grundwasser zu schaffen.
Die Frauen leisteten nicht nur einen Großteil der Arbeit selbst, sondern brachten auch ihre Männer dazu mit anzupacken. Während die Frauen Sandsäcke den Hügel hinauf schleppten, schlugen ihre Ehemänner und Söhne mit Hacken und Pickel große Gräben für die Vorratstanks. Die Tradition verbietet es Männern, Wasser zu tragen. Überhaupt kommt es selten vor, dass Männer für Frauen arbeiten. Doch hier hatten die Frauen das Sagen. Die Männer erhielten wie die Frauen für ihre Arbeit einen gleich hohen „Lohn” von zwei Kilo Mais am Tag, den die deutsche Entwicklungsorganisation GTZ bereit stellte. „Die Köpfe dieses Projekts waren die Frauen”, so Dr. Eliab Some, „die Männer stellten nur ihre Muskeln zur Verfügung”.
BERATUNG HILFT BEDÜRFNISSE ZU IDENTIFIZIEREN
Es lohnt, das Wasserprojekt genauer zu untersuchen, gehört es doch zu den neueren Projekten von Kalimani und ist eher auf Gemeindeentwicklung ausgerichtet als lediglich auf Einkommenssteigerung. Beratung im Sinne von kollektiver Entscheidungsfindung in der Gruppe spielte dabei eine zentrale Rolle und half den Frauen, ihre Bedürfnisse und Ziele zu identifizieren.
Die harten Lebensbedingungen in dieser Region zwangen die Menschen schon seit jeher in den Dörfern zusammenzuarbeiten. Die Frauengruppe von Kalimani bildete sich Ende der 80er, Anfang der 90er aus kleineren Gruppen, die vom Erfolg der Matinyani-Frauengruppe im 10 Kilometer entfernten Dorf Matinyani inspiriert waren. Josephine Mailu half beim Aufbau der Kalimani-Gruppe, die inzwischen über 600 Mitglieder zählt. „Solche Gruppen sind hier eine natürliche Sache”, erklärt sie, „wir müssen uns gegenseitig helfen zu überleben.”
Zu Beginn der 90er startete die Gruppe ihre Zusammenarbeit mit REHEMA, einer kenianischen Nicht-Regierungsorganisation, die von Bahá’í getragen wird und auch mit dem Matinyani-Projekt kooperierte. Geraldine Robarts, eine der Gründerinnen von REHEMA, wußte vom Wunsch der Kalimani-Frauen nach Hilfe.
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Rehema bot Workshops zu Gesundheits- und Hygienefragen an, insbesondere aber auch über
Beratung in der Gruppe. Die Prinzipien der Bahá’í-Beratung erwiesen sich für die Frauen als 
entscheidend auf ihrem Weg, Prioritäten und Ziele zu setzen. „Es ist leichter, Ideen miteinander 
zu teilen”, so Patricia Munanie aus Kalimani. Die 42-jährige ist stellvertretende Vorsitzende des 
Komitees für das Wasserprojekt. Zu den Bahá’í- Beratungsprinzipien befragt, meint sie: „Diese helfen
uns zuzuhören und gute Ideen anzunehmen, gleichgültig, von wem diese in die Gemeinde eingebracht wurden.”
VON DER VISION ZUR TAT
Etwa zur selben Zeit träumte ein Gruppenmitglied von einem Krankenhaus in ihrem Dorf, das ausreichend Medikamente zur Verfügung hatte. Inspiriert von diesem Traum und den Seminaren über Beratung, beschlossen die Frauen ein Gesundheitszentrum zu bauen.
REHEMA half Kontakte zu Entwicklungsagenturen herzustellen und Geld für Baumaterialien zu beschaffen. Die Frauen ihrerseits kümmerten sich um die Bauarbeiten und fertigten selbst die Ziegel. Stein für Stein nahm das Gesundheitszentrum Gestalt an. 1995 wurde die Geburtsstation fertig; zwei weitere Räume und die Veranda wurden bis 1997 fertiggestellt; 1998 folgten Lagerraum und Labor. Insgesamt kostete das Zentrum weniger als 18.000 Mark. Josephine Mailu, Krankenschwester und Ernährungsberaterin, leitet die Klinik; bis zu 80 Patienten werden hier täglich behandelt. Das Zentrum brachte den Frauen jedoch noch mehr ein als gute medizinische Versorgung: Es wurde zum zentralen Treffpunkt der Gruppe und gab ihr allein durch seine Existenz ein neues Selbstbewusstsein.
Bald wurde deutlich, dass viele Gesundheitsprobleme im Dorf vom Mangel an sauberem Wasser herrührten. Der jährliche Niederschlag von 600 bis 1.000 Millimeter verteilt sich auf nur zwei Regenzeiten zwischen Oktober und Dezember sowie März bis Mai. Das restliche Jahr über beträgt er im Durchschnitt weniger als 200 Millimeter; von Juni bis September ganze 25 Millimeter. Während der Trockenzeit trocknet der Mutendea-Fluss vollständig aus und die Dorfbewohner müssen im Flussbett bis zu zwei Meter tief nach Wasser graben. So entstehen schmutzige Wassergruben, die auch von Tieren aufgesucht werden.
Durch Beratungen mit REHEMA lernte die Gruppe die Technologie des Grundwasser-Damms kennen. Im wesentlichen ein gewöhnlicher Damm, aber von besonderer Dicke und Festigkeit und einer Form, die den Sand auffängt und festhält. Mit der Zeit sorgt dieser zusätzliche Sand dafür, dass ein unterirdisches Reservoir an Grundwasser im Flussbett geschaffen wird, das die Verdampfung verhindert. So kann das Wasser in der Trockenzeit problemlos „geerntet” werden. Der Wall wächst mit jedem Jahr und vergrößert damit den Wasservorrat.
Der Bau eines solchen Dammes überstieg natürlich die finanziellen Möglichkeiten und das technische Wissen der Dorffrauen. Aber REHEMA half bei der Suche nach guten Partnern wie dem International Development Research Center in Kanada, der Europäischen Union, der deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, AMREF (Kenia), der Weltgesundheitsorganisation u.a. So errichteten die Frauen 1998 zwei Dämme, ein manuell betriebenes Pumpensystem und einen Vorratstank am Gesundheitszentrum. Im darauf folgenden Jahr verbesserten sie die Pumpenanlage und das Speichersystem, um mehr Wasser den Berg hoch und näher ans Dorf zu befördern. Derzeit sind sie dabei einen neuen und noch besseren Damm zu bauen.
MATINYANI: FORTSCHRITT DURCH FRAUEN
Ohne die Ausbildung durch die Matinyani-Frauengruppe, glaubt Tabitha Muthui, wäre sie vermutlich als Barmädchen gestrandet, wenn überhaupt noch am Leben! „Ich kenne so viele, die von ihren Eltern verlassen wurden und schmutzige Arbeiten verrichten mussten, zum Beispiel in einem der Clubs”, sagt Tabitha Muthui. „Und dann bekommen sie AIDS, werden krank und sterben.”
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Doch dank der Fertigkeiten, die sie in Webkursen im Matinyani-Gemeindezentrum erworben hat,
führt Tabitha heute einen relativ wohlhabenden Haushalt. Sie verdient sogar mehr als ihr Mann, ein
Bauarbeiter. Sie arbeitet zu Hause und webt farbenfrohe Wandbehänge, die sie für umgerechnet 120
Mark verkaufen kann. „Ich habe für uns und unsere Kinder ein Haus gebaut”, erklärt die 28-jährige
Mutter stolz, „Das Weben hat dies möglich gemacht.”
EINKOMMEN STEIGERN UND SINNVOLL EINSETZEN
Tabitha Muthuis Geschichte ist nicht ungewöhnlich für die Matinyani-Frauengruppe, die in Kenia zu den anerkanntesten Entwicklungsprojekten zählt. Ihr Erfolg liegt darin, dass sie ihre Mitglieder dabei unterstützt, Fertigkeiten für den Start eines kleinen Projekts zu erwerben, womit sie ihren Lebensunterhalt verdienen können.
Die Gruppe wurde in den späten 80er Jahren mit einer einfachen Idee gegründet: „Laßt uns ein eigenes Gemeindezentrum bauen!” Die Tatsache, dass sie dieses Ziel erreichten, zog die Aufmerksamkeit anderer Frauen-Gruppen sowie einiger Entwicklungshilfe-Organisationen auf sich. Weitere Projekte entstanden, wie der Vertrieb von Sisalkörben und kunstvoll gewebten Wandbehängen, eine einfache, aber höchst profitable Trocknungstechnik für Mangos, verschiedene kleine Bäckereien, eine Mühle für Getreide, eine Ziegelproduktion und eine Töpferei.
„Während meiner gesamten beruflichen Laufbahn, und ich arbeite seit fast 30 Jahren in der internationalen Entwicklungshilfe, sind diese Projekte insgesamt die beispielhaftesten und außergewöhnlichsten auf dem Gebiet nachhaltiger Gemeinde-Entwicklung, die ich bisher gesehen habe”, meint Alfred K. Neumann, Berater im Zentrum für Gesundheitswissenschaften an der Universität von Kalifornien in Los Angeles. „Bei den Projekten geht es nicht nur um Einkommensförderung innerhalb eines ethischen Rahmens”, so Alfred Neumann, „sondern gerade auch darum, das Einkommen sinnvoll einzusetzen. Und das Ergebnis: Es werden mehr Kinder geimpft, mehr Kinder gehen zur Schule, vor allem Mädchen, Ernährung und Gesundheit verbessern sich, und bessere Behausungen werden geschaffen.”
Nach Schätzung von Neumann kamen die Projekte bisher mehr als 1.000 Frauen unmittelbar zugute, sowie mittelbar 10.000 Familienangehörigen: „Wahrscheinlich strahlt die positive Wirkung dieser Projekte noch auf weit mehr Menschen aus, deshalb sind dies nur konservativ geschätzte Daten.”
Wie im Fall von Tabitha Muthui ist das Einkommen vieler Projektteilnehmerinnen beträchtlich gestiegen. Der Erfolg dieser Frauengruppe hat auch andere in der Region dazu bewogen Projekte zu starten; ein Beispiel ist das Kalimani-Gesundheitszentrum.
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Das Matinyani-Gesamtprojekt wird bei der Weltausstellung in Hannover als „Weltweites EXPO-Projekt” 
im Global House präsentiert. Das herausragende Merkmal aller Matinyani-Aktivitäten ist die 
Fähigkeit zur Selbsthilfe; dafür wurde das Projekt kürzlich mit dem „We the peoples...”-Preis
des International Institute for Sustainable Development bedacht.
PERSÖNLICHES ENGAGEMENT: SUSAN MWENDWA UND GERALDINE ROBARTS
Der Erfolg des Projekts gründet auf verschiedenen Faktoren. Dazu gehören auch besondere Traditionen des Akamba-Volkes, die den Frauen ein hohes Maß an Autonomie einräumen und den Respekt untereinander fördern. Aber hauptsächlich ist es den Bemühungen zweier Frauen zu verdanken - einer eingeborenen Akamba und einer Europäerin, aufgewachsen in Südafrika - die dem Projekt Perspektive und Führung verliehen und damit erst richtig zum Erfolg verhalfen.
Susan Mwendwa - im nahen Machakos Distrikt geboren - nutzte ihre Situation als Ehefrau eines Parlamentsmitglieds Ende der 80er Jahre dazu, umherzureisen und die Akamba-Frauen in gut strukturierten Gruppen zu organisieren, die in der Lage waren, sich selbst zu mobilisieren und die vielen Projekte in der Region auf die Beine zu stellen. Als Vorsitzende der Matinyani Frauengruppe wachte sie über den Bau des Matinyani-Mehrzweck-Zentrums - das erste große Projekt der Gruppe. In diesem Zentrum konnten die Ausbildungskurse stattfinden, die den Teilnehmerinnen helfen sich eigene Einkommensquellen zu erschließen.
Geraldine Robarts, in London geborene und in Nairobi lebende Künstlerin, stieg kurz nach Fertigstellung des Mehrzweck-Zentrums als Vertreterin von REHEMA, einer Bahá’í-inspirierten Nichtregierungsorganisation (NGO), in das Projekt ein. Sie brachte entscheidendes Know-how mit, das der Gruppe half, ihre Bemühungen neu zu fokussieren, und zwar weg von der Produktion einfacher Körbe hin zur Fertigung von qualitativ höherwertigen Wandbehängen. Geraldine Robarts stellte die Trocknungstechnik für Mangos vor, und REHEMA sponserte Workshops zu Themen wie Hygiene und Beratung. Dies verbesserte die Arbeitsweise der Gruppe und erhöhte das Bewusstsein für gesundheitliche Aspekte. Geraldine Robarts war auch ein wichtiges Bindeglied, wenn es darum ging, Hilfe von anderen Organisationen und Institutionen zu erhalten.
Susan Mwendwa und Geraldine Robarts achteten auf einige Schlüsselprinzipien, um die Bemühungen der Gruppe bei der Einkommensgenerierung am Laufen zu halten. So wurden Probleme vermieden, an denen andere Projekte der Landbevölkerung oft scheitern, z.B. teure Beratungsdienstleistungen von außerhalb oder Entwicklungshilfegelder, die ein Projekt künstlich durch Zahlungen an Teilnehmer von Ausbildungslehrgängen aufblähen.
- Geraldine Robarts
 
HEIMISCHE ROHSTOFFE NUTZEN KREATIVITÄT ENTFALTEN
Im Falle der Matinyani-Projekte setzten Susan Mwendwa und Geraldine Robarts den Schwerpunkt darauf, alles Kunsthandwerk und alle zu verkaufenden Produkte aus heimischen Materialien wie Sisal herzustellen und dabei Fertigkeiten einzusetzen, die nur in geringem Maße auf technische Hilfsmittel angewiesen sind.
Die Sisal-Wandbehänge und -Körbe werden von den Frauen fast ausschließlich unter Verwendung heimischer Materialien angefertigt. Dabei werden die Fasern von den stacheligen Blättern der Sisalpflanze getrennt, zu Garn gesponnen und wenn möglich mit günstigen heimischen Färbemitteln eingefärbt.
„Jede Frau in Matinyani fertigt jetzt Körbe”, sagt Sally Nduku Kilonzo, Managerin des Mwendwa Kitui Zentrums, einer gerade gegründeten Bücherei und auch Ergebnis der Arbeit der Matinyani-Frauengruppe. Bei der Fertigung von Körben und Wandbehängen kreieren die Frauen ihr eigenes Design, was den Produkten besondere Lebendigkeit und einen eigenen Reiz verleiht.
„Ich habe an vielen Schulen in der ganzen Welt Kunst unterrichtet und noch nie solches Talent vorgefunden”, sagt Geraldine Robarts, die der Gruppe die Idee gab, Wandbehänge anzufertigen. „Ich sage ihnen immer - webt, was ihr seht.”
SOLARE TROCKENANLAGE STEIGERT WERTSCHÖPFUNG
Auch das Mango-Trocknungs-Projekt zeigt, dass die Gruppe die heimischen Ressourcen ausgezeichnet nutzt. Mangos wachsen in der Gegend wild und werden innerhalb weniger Wochen im Frühling reif. In der Vergangenheit sammelten die Frauen die Mangos ein und verkauften sie an Zwischenhändler für knapp zwei Mark pro Wagenladung. Das waren ungefähr 200 Kilogramm.
Jetzt, da die Mangos in Stücke geschnitten und in einer relativ günstigen Solartrocknungsanlage getrocknet werden, können die Frauen das Produkt für bis zu 35 Mark pro Kilogramm getrockneter Mangos verkaufen. Zehn Kilogramm reife Mangos ergeben ca. ein Kilogramm getrockneter Mango. Also bringen heute 200 Kilogramm an Mangos umgerechnet 750 Mark. Darüber hinaus sind die Frauen nicht gezwungen, alle reifen Mangos während der Erntezeit zu verkaufen, wenn die Preise am tiefsten sind.
STARK DURCH KOLLEKTIVE ENTSCHEIDUNGSFINDUNG
Entscheidend für den Erfolg des Mango-Projektes war wiederum der Beratungsprozess. Zuerst wollten die Frauen Mangomarmelade herstellen, aber nachdem sie intensiv darüber beraten hatten, erkannten sie, dass dies eine größere Investition in Gläser und Sterilisationsgeräte sowie gedruckte Etiketten erfordert. Geraldine Robarts trug zu dieser Beratung bei, indem sie eine Akamba-Frau aus einem anderen Ort in Kitui mitbrachte. Sie berichtete über den komplizierten Vorgang des Einkochens und machte besonders auf die hohe Menge an knappem Feuerholz aufmerksam, die notwendig wäre. Dies überzeugte die Matinyani-Frauen von der Undurchführbarkeit des Projektes. Geraldine Robarts schlug daraufhin den Einsatz von solaren Trocknungsanlagen vor. Auf diese Weise trug REHEMA als NCGO zu der Diskussion bei, aber diktierte nicht die Bedingungen des Projektes. Somit konnte der Impuls für das Projekt direkt von den Frauen der Region ausgehen.
Alfred Neumann berichtet, dass Entwicklungsexperten diese Projekte als im besten Sinne nachhaltig ansehen. „Die örtliche Bevölkerung hat das Wissen, die Fertigkeiten und den Willen weiterzumachen”, so Neumann. „Und sie haben das Gefühl, dass es ihr eigenes Projekt ist! Niemand wurde dafür bezahlt, diese Projekte durchzuführen. Diese Projekte waren ihre eigenen Ideen und Wünsche und erfüllten ein wirkliches Bedürfnis.”
- Text:
 - Brad Pokorny
 - Saba Khabirpour
 
- Fotos:
 - Geraldine Robarts
 - Brad Pokorny
 
WIE ZEIGT MAN MILLIARDEN MENSCHLICHE BERGWERKE VON UNSCHÄTZBAREM WERT?[Bearbeiten]
Die Kunsts sozialer Entwicklung - Die Kunst als soziale Entwicklung
- Die Entstehung des künstlerischen Designs von Jens Loewe
 - für die Ausstellung der Bahá’í International Community bei der Expo 2000
 
   
Aus der Vogelperspektive betrachtet wirkt die ExP6 2000 wie andere Technikschauen 
zuvor, nur noch größer und noch futuristischer. Doch die Technik, die hier präsentiert 
wird, hat ein neues großes Thema entdeckt: Nachhaltigkeit, insbesondere im Sinne
einer größeren Naturverträglichkeit. Sie will in ihrer Produktionsweise so sanft 
sein, dass sie keine Naturbelastungen mehr für nachfolgende Generationen hervorbringt. 
Ist dies die wichtigste Wende an der Jahrtausendschwelle? Oder gibt es noch wichtigere,
zukunftsentscheidendere Ebenen, auf denen eine Wende angezeigt wäre? Das Expo-Motto 
nennt drei Ebenen: Mensch - Natur - Technik. Die Ausstellung der Bahá’í International 
Community rückt jene Richtungsänderungen in den Vordergrund, die auf der Ebene des 
Menschen notwendig wären und praktisch umsetzbar sind. 
Wenn der Expo-Besucher über die Allee der zentralen Expo-Plaza schlendert und den Ort der Selbstpräsentation des Gastgeberlandes, den Deutschen Pavillon, ansteuert, schimmert durch die Glaswand des gegenüberliegenden Global House ein Gebilde, das sich an einen gänzlich falschen Platz verirrt zu haben scheint. Während alles ringsum am Wettbewerb des Lauter und Spektakulärer teilnimmt, steht hier im optischen Zentrum dieses Gebäudes ein überdimensionaler Blütenkelch, der schlicht in sich selbst ruht und umweltvergessen aus sich selbst strahlt. Eine schneeweiß leuchtende, riesige Lotosblüte, die zu sagen scheint: Im Lauten gibt es nichts lauteres als das Leise.
Wer einmal in Neu Delhi weilte und dort die so genannte „Lotosblüte von Bahapur“ wahrnahm, 
dem widerfährt hier vielleicht ein Déjà-vu-Erlebnis. Dort erhebt sich aus der Skyline der 
indischen Metropole, die sich sonst nur marginal von den merkwürdig gemixten 
Reichtum-plus-Elends-Skylines anderer Dritte-Welt-Metropolen unterscheidet, ebenfalls 
eine weiße, strahlende, riesengroße Lotosblüte. Die Lotosblüte ist allen Religionen das 
Symbol der Reinheit und Schönheit. Dieser Reiz der Schönheit wird noch gesteigert durch 
den eigenwilligen Kontrast zu dem sumpfigen Untergrund, aus dem sie sich hervorhebt. 
Die „Lotosblüte von Bahapur“ wird offenbar von Menschen aller Denk- und Glaubensrichtungen 
als die Architektur gewordene Manifestation dieser Idee erlebt, denn sie ist mittlerweile 
mit jährlich 5 Millionen Besuchern zu einem der meistbesuchten Bauwerke der Erde avanciert.
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Welche menschliche Sehnsucht spricht ein solches Symbol an? Welche Art von Kommunikation
findet hier statt? Was kann die intendierte Botschaft einer Blütenkelch-Architektur auf einer
Weltausstellung sein? Jedenfalls keine esoterische. Dazu würde spätestens der Inhalt absolut
nicht passen, der auf jener Ausstellungsfläche kommuniziert wird, denn dort wird es sehr 
konkret, sehr gesellschaftsgestaltend.
Der Stuttgarter Künstler Jens Loewe übernahm die schwierige Aufgabe, ein Design für die 
Ausstellung der Bahá’í International Community auf der Expo 2000 zu entwickeln, ein Design, 
das im doppelten Wortsinne humane Entwicklungen sichtbar machen soll. Ihm waren zu diesem 
Zeitpunkt die Denkweise und Inhalte der Bahá’í zwar spontan sympathisch, aber im Detail 
noch wenig bekannt: Anfangs war es daher auch ein Stück nützlicher Pragmatismus, dass er sich 
auf ausgiebige Beratungsrunden mit jenen einließ, die von Bahá’í-Seite das Projekt der 
Expo-Beteiligung mitsteuerten. Doch auch zwei andere Aspekte sprachen für diesen Weg eines 
intensiven gemeinsamen Beratungsprozesses.
Zum einen bezeichnete es Jens Loewe als seinen langjährigen Traum, ein ehernes Gesetz der Kunst in Frage zu stellen: Kann Kunst in letzter Konsequenz immer nurein genuiner, individueller Akt eines Künstlers sein? Wie weit kann ein schöpferischer Gestaltungsprozess auch ein Gruppenprozess sein? Ist der künstlerische Impuls demokratisierbar, und wenn ja, wie weit? Verliert Kunst tatsächlich zwangsläufig an Genialität, wenn sie versucht, Sozialität die Türen zu öffnen? Sind Kunst und Beratung kompatibel?
Zum zweiten ist das vielleicht unterscheidendste Merkmal von Bahá’í-Projekten der Stellenwert einer Beratungskultur. Außenstehende Beobachter heben immer wieder die Art hervor, wie hier die in einem Projekt beteiligten Menschen als selbstverständlich Gleichberechtigte ihre Ansichten und Einsichten austauschen und dadurch oft zu Ergebnissen kommen, die zuvor keiner der Teilnehmer im Auge hatte. Nicht selten steigt hier - im Gegensatz zu den landläufigen Erfahrungen - die gegenseitige Wertschätzung gerade mit der Offenheit in der sachlichen Auseinandersetzung. Die Freiheit des Gedankenaustauschs wird nicht länger als Gefahr für die eigene Wertigkeit erfahren, sondern als überaus attraktive und inspirierende Bereicherung für einen selbst und für jeden anderen in der Gruppe. Beratung wird hier zum Gegenteil von Kompromiss, sie wird zu einem Mittel der Inspiration in und aus der Gruppe.
Wo Beratung in diesem Sinne gelingt, muss ein Gruppenprozess auch nicht länger im Gegensatz zur Genialität des Einzelmenschen stehen, auch nicht zu jener des Künstlers. Beratung erschließt, richtig verstanden und kultiviert, einen Tiefenaustausch menschlicher Genuinität. Die Kunst der Beratung macht auf diese Weise gleichzeitig gesellschaftliche Gestaltung in ihrem Kern zu einem künstlerischen Prozess und Kunst zu einem auch sozialen Prozess. Es war daher nur logisch, eine Ausstellung, die die Kunst der Beratung und das damit verbundene Menschenbild zum Zentrum hat, in einem intensiven Teamprozess zu designen.
Das Ergebnis dieser Arbeitsweise trägt dennoch die unverkennbare Handschrift der bisherigen 
Arbeiten des Künstlers, aber sie trägt gleichzeitig in besonderer Überzeugungskraft die 
Botschaft, die den Bahá’í für diese Weltausstellung die wichtigste war und die am besten 
in einem Zitat von Bahá’u’lláh zum Ausdruck kommt: „Betrachte den Menschen als ein Bergwerk, 
reich an Edelsteinen von unschätzbarem Wert.“ Nach Bahá’u’lláh-Auffassung kann die Nutzung 
der überaus reichen Potenziale von Natur und Technik nur dann eine wirklich nachhaltige und 
zukunftsfähige Richtung finden, wenn die Menschheit den Hauptfokus auf die Förderung der 
menschlichen Werte, der gegenseitigen Wertschätzung und die Entwicklung der spirituellen 
und sozialen Potenziale in jedem Menschen legt.
Die Nachhaltigkeit der Werte und der gegenseitigen Wertschätzung der Menschen bestimmt die Nachhaltigkeit ihres Umgangs mit Technik und Natur. Die Wertschätzung der Menschen füreinander findet ihren praktischen Ausdruck in der Art, wie Menschen miteinander beraten und ihr Zusammenleben gemeinsam gestalten. So schließt sich der Kreislauf zwischen einer neuen Qualität der Wertschätzung jedes Menschen, einer neuen Qualität der Beratung miteinander und einer neuen Qualität der Gestaltung der Lebensbedingungen der Weltgesellschaft. Und wie kann dieser Kreislauf in einem Ausstellungsdesign zum Ausdruck kommen?
Die knapp 200 qm große Ausstellungsfläche der Bahá’í International Community setzt den optischen Abschluss des in freier Glaskonstruktion hoch überdachten Foyers im Global House. Ihre Grundform ist quadratisch, in die sich die nach vorne halboffene Blütenkonstruktion mittig einfügt. Quadrat und Kreisform stehen zueinander in der Beziehung von Rahmen und Zentrum. Die quadratische Grundfläche ist - mit weit geöffneten Zugängen von vorne und hinten und weniger weit geöffneten von den Seiten - eingefasst von Ausstellungswänden, die bis zur Decke reichen. Diese greifen den zurückhaltenden Grauton der Gesamtkonstruktion des Hauses auf und werden dadurch als Teil der Hausarchitektur erlebt. Die - bezogen auf die Ausstellungsfläche der Bahá’í wie auf das Gesamthaus - ohnehin schon zentrale Position der Blütenformation, erfährt dadurch eine weitere Hervorhebung. Und sie wird noch durch ein weiteres Gestaltungsmoment im buchstäblichen Sinne „hervorgehoben“, da die gesamte Ausstellungsfläche um eine Stufe erhöht ist durch einen Holzboden, der in einem warmen, zarten Rotton eingelassen ist.
Die Blütenblätter von jeweils über drei Meter Höhe sind aus doppelschaligem Acrylglas gefertigt und in sich sphärisch gekrümmt. Ihre Oberfläche ist von Hand geschliffen, damit sie das Licht, das auf sie gerichtet ist, in einer Intensität aufnehmen, als wären sie selbst graziös geschwungene Leuchtkörper. Fünf dieser Blütenblätter bilden einen Halbkreis, der einen neunteiligen Blütenkreis andeutet. Das Fehlen von vier Blättern symbolisiert das Unfertige, das Offene des Prozesses, für den die Blütengestalt steht, und kann daher als Einladung zum Mitgestalten dieses Prozesses verstanden werden.
Aus der Entfernung wirkt die schlichte Schönheit dieser Gestalt. Wie schneeweiße Blütenblätter, von der Sonne lichtdurchtränkt, assoziieren sie Würde, Reinheit, innere Freude, aber auch Schutz für einen darin noch verborgenen inneren Schatz: die Blütenkrone. Das Design wählte dafür zwei weitere nach innen sich wendende konzentrische Kreise.
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Der erste besteht aus Sitzgelegenheiten für die Besucher der Ausstellung. Diese Angebote zur
Rast und einer wenigstens relativen Ruhe haben die Form von Kreissegmenten, wovon die fünf
vor den Blütenblättern zweistufig sind und dadurch wie Andeutungen eines Amphitheaters wirken.
Die vier Sitzbänke vor der offenen Flanke sind hingegen nur einstufig. Das schlichte Design 
dieser Runde für individuelles Innehalten und zwischenmenschlichen Austausch wird nur geschmückt
durch Sitzkissen. Diese wurden designt von Frauen aus einem der präsentierten Entwicklungsprojekte, 
dem Matinyani Women Project in Kenia. Die Füllung der Sitzkissen besteht nicht aus den vertrauten 
Materialien, sondern aus geschmeidigem Sand.
Den innersten Kreis bildet ein Teich. Seine Brüstung und sein Becken sind ein Mosaik aus tiefblauem Edelsteinbruch, in das Farbtupfer von Türkis über Gelborange bis Weinrot eingesprenkelt sind. Der Mensch als „Bergwerk, reich an Edelsteinen von unschätzbarem Wert“ findet hier eine von zahllosen möglichen Ausdrucksformen. Die Blütenform des äußeren Kreises wirkt in ihrem Bezug zur Teichform wie ein Kokon, das für dessen Gestaltfindung günstige Rahmenbedingungen bereitstellt, quasi die Freiheit für die schöpferische und wertsteigernde Gestaltung seiner Edelsteine schützt. Die Schaffung menschenwürdiger und menschengerechter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen für die bestmögliche Entfaltung der unvorstellbar reichen Potenziale in jedem Menschen erfährt in dieser Wechselbeziehung zwischen schützender Blütenform und dem mosaikreichen Teich seine Symbolik.
Doch letztlich steht auch die Gestaltgebung des Teichs wiederum in Wechselbeziehung zu einem weiteren Element: dem Element geistiger Werte. Der letztlich nicht-materielle, amorphe Charakter geistiger Werte wird durch das Element des Wassers in dem Teich angedeutet. Die Orientierung an geistigen Werten bestimmt die Schönheit und Wertigkeit des Gesamtkunstwerks Mensch, also die Qualität dessen, was der Mensch aus seinen inneren Rohstoffen, die zu Edelsteinen werden können, macht.
Auf den vier Wänden des die Ausstellung umschließenden Quadrats begegnet dem Besucher dieselbe Gedankenwelt noch einmal, diesmal jedoch auf gänzlich andere Weise: konkret, projektbezogen, in die Praxis umgesetzt.
In drei der vier Ecken werden auf überdimensionalen Tafeln Projekte vorgestellt, die von Bahá’í-Gedanken inspiriert sind: die Entwicklungshochschule FUNDAEC in Kolumbien, das Frauenprojekt MATINYANI in Kenia und das Medienprojekt STOP & ACT in Europa.
Gemeinsam ist all diesen Projekten:
Die betroffenen Menschen werden nicht als Hilfsbedürftige gesehen, sondern als Träger hoher Potenziale, die es zu entwickeln gilt. Die Entwicklung geistiger und menschlicher Fähigkeiten steht daher im Zentrum jedes Projektes. Technische und sonstige Formen der Hilfe werden weder von oben noch von außen besserwisserisch aufoktroyiert, sondern die Menschen vor Ort bestimmen nach souveräner Beratung, welche Art von Unterstützung sie brauchen.
In der vierten Ecke werden konkrete Bahá’í-Konzepte aufgeführt zur Verbesserung der globalen Entwicklungsbedingungen für die gesamte Menschheit. Die Bahá’í International Community versteht die Umsetzung des Menschenbildes vom Bergwerk an Edelsteinen auch als klaren gesellschaftspolitischen Auftrag. Dies bedeutet konkret die Schaffung von gleichen Entwicklungschancen für die eine und unteilbare Menschheit.
Dieses besondere Ernstnehmen jedes einzelnen Menschen als Mitträger am Fortschritt einer
sich entfaltenden globalen Kultur kommt auch in der Aktion zum Tragen, mit der sich die 
Bahá’í International Community im Zusammenhang mit der Weltausstellung an deren Besucher 
und allgemein an die Öffentlichkeit wendet. Die Aktion „Das Buch der Menschheit?” lädt 
alle Menschen ein, sich zu vier Fragen zu äußern wie beispielsweise: „Wie können Sie
sich eine stärkere Beteiligung aller Menschen an den wichtigen Entscheidungen über die
Zukunft der Menschheit vorstellen?“
Die Antworten können über Internet oder über Postkarten eingebracht oder vor Ort bei der Expo 2000 eingebracht werden. Auch an eine spätere Veröffentlichung einer Auswahl der Antworten in Buchform ist gedacht.
Die herausragende Würdigung und Wertschätzung der Menschen aller Kulturen und Ethnien
durchzieht jedes Detail der Ausstellung. Vom Eingang beziehungsweise vom Foyer des 
Global House werden die Augen
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nach der Entdeckung der strahlenden Blütenformation - von dem kraftvollen Zitat „Betrachte
den Menschen als ein Bergwerk reich an Edelsteinen von unschätzbarem Wert” angezogen,
das als einzige Aussage die Portalwände von außen ziert. Dieses Zitat wird künstlerisch 
unterstrichen durch ein wasserkinetisches Objekt von Jens Loewe, in dem durch chaotische 
Impulse „Edelsteinfische" ihre spielerischen Bahnen ziehen.
Auf jeweils einer der beiden Wände in den vier Ecken wird die Ausstellung umrahmt von gewaltigen Schwarzweißporträts von jeweils zwei Metern Breite und vier Metern Höhe. Auf den Texttafeln an den restlichen Wänden reiht sich in deren unterem Bereich eine endlos sich fortsetzende Menschenkette in Form von farbigen Porträtfotos rings um die Ausstellung. In der gesamten Ausstellung ist kein einziges Elendsfoto oder auf Mitleid zielendes Porträt zu sehen. Es wird bewusst und ausschließlich gerade die besondere Würde jedes Menschen sichtbar und erlebbar, gleichgültig in welcher Weltgegend und unter welchen Bedingungen diese Menschen leben.
Diese Ausstellung will der in der Tat überaus tristen Lage eines Großteils der Menschheit nicht einfach eine platte schönfärberische Hoffnung entgegensetzen. Sie zeigt vielmehr, wie die Lebensbedingungen der Menschen sehr konkret und erfolgreich würdevoller werden, wenn sie in ihrer Würde erkannt und angesprochen werden. Warum und wie der Hauptfokus im Dreigestirn „Mensch - Natur - Technik“ auf dem Menschen liegen kann, wird hier für Kopf, Herz und Hand nachvollziehbar. Diese Ausstellung rückt die Förderung der Würde des Menschen in der Gestalt von sechs Milliarden „Bergwerken von unschätzbarem Wert“ aus der Kategorie „Wunschträume“ in die Kategorie „Realistische Zukunftsprojekte“.
- Peter Spiegel
 
FUNDAEC - LÄNDLICHE ENTWICKLUNG UND SOZIALER WANDEL IN KOLUMBIEN[Bearbeiten]
In den vergangenen drei Jahrzehnten setzte sich eine Organisation namens FUNDAEC das Ziel, die weitreichenden Probleme der ländlichen Bevölkerung Kolumbiens mit Hilfe eines neuartigen Schulsystems nachhaltig abzubauen. Der Schlüssel hierfür liegt im Menschen selbst und in seinen eigenen Potenzialen.
Kolumbien erfuhr in den vergangenen Jahrzehnten grundlegende Umwälzungen des täglichen Lebens. Eine der zentralen Wandlungen ist, dass der Großteil der Bevölkerung bis vor einigen Jahrzehnten „Campesinos“ waren und - wenn auch nicht viel - eigenes Land besaßen. „Doch dann kamen diese reichen Firmen und boten den Campesinos wahnsinnig gute Preise für ihr Land an, welches schon ihren Vorfahren gehört hatte. Zunächst lebten sie alle gut, doch eigentlich zogen sie sich so den Boden unter den Füßen weg. Heute arbeiten viele dieser Campesinos auf den Zuckerrohrplantagen für einen Lohn, mit dem sie sich gerade so über Wasser halten können und auf einem Land, das ihnen selbst einst gehörte...”, berichtet der Einheimische Alejandro Mesa. Und dieser Trend setzt sich laufend fort: Nicht selten sieht sich ein Kleinbauer gezwungen, sein Land zu verkaufen, da er es nicht gewinnbringend genug bestellen kann.
- Alejandro Mesa (l.) im Gespräch mit einem Tutor für SAT
 
Dass Produkte nicht zu konkurrenzfähigen Preisen hergestellt werden können, liegt an der 
Bewirtschaftung des Landes mit völlig veralteten Methoden und vor allem am Fehlen fachmännischen 
Know-hows. Damit jedoch nicht genug: Züchtet eine Familie z.B. ein paar Hühner zum Nebenverdienst 
(was bei einer Großzahl der Kolumbianer der Fall ist), so kommt es oft vor, dass sie unter dem Strich 
Verluste macht, da sie die Kosten für die Zucht nicht ermitteln kann und letzten Endes zu einem viel 
zu geringen Preis verkauft.
Dies zeigt die scheinbar aussichtslose Situation der großen Mehrheit der kolumbianischen Gesellschaft und spiegelt die Ungerechtigkeit wider, der sie ausgesetzt ist.
- BILDUNG ALS AUSWEG
 
WAS KÖNNTE EIN AUSWEG AUS DIESER MISERE SEIN? WÜRDE EIN VERBESSERTER ZUGANG ZUR BILDUNG ODER BESSER GESAGT EINE ADÄQUATE BILDUNG FÜR DIE LANDBEVÖLKERUNG ABHILFE SCHAFFEN?
Dazu ist zu sagen, dass Kolumbien theoretisch jedem Bürger die Möglichkeit einer weiterführenden 
Bildung nach Abschluss der lokalen Grundschule bietet. Doch die traditionelle Bildung, welche die 
Schüler hier erfahren würden, wäre vor allem für die Landbevölkerung völlig fehl am Platze. Leider 
ist es so, dass die Art der Schulbildung keinen konkreten Bezug zum Leben
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herstellt und letzten Endes in den meisten Bereichen sinnlos ist. Der Schüler lernt im 
traditionellen System nichts, was ihm im täglichen Leben auf dem Lande hilfreich sein könnte. 
Umgekehrt könnte ein Gebildeter mit seinem Wissen in seinem Dorf ebenfalls nichts bewirken, 
was als Konsequenz die Landflucht nach sich zieht.
Erschwerend kommt hinzu, dass eine weitere schulische Ausbildung nach der Grundschule selbstredend nicht in jedem kleinen verschlafenen Dorf angeboten wird. Nicht selten kommt es vor, dass weite Strecken mit dem Bus zurückgelegt werden müssen oder gar in einer anderen Stadt gelebt werden muss, um die Schule zu erreichen. Beides kommt für die meisten Familien angesichts der finanziellen Lage gar nicht in Betracht, wobei Eltern ihre Kinder in Kolumbien ohnehin nur sehr ungern alleine mit dem Bus fahren lassen. Denn Busreisen sind alles andere als sicher, betrachtet man die Tatsache, dass Guerilla-Organisationen Dunkelziffern zufolge ca. 50% des Landes beherrschen und ihr eigenes Überleben mit Entführungen und Busüberfällen sichern (von weltweit 10 Kidnappings geschehen etwa 4 in Kolumbien). Darüber hinaus würde die Abwesenheit der Jugendlichen von zu Hause bedeuten, dass sie nicht arbeiten und so keinen Unterhalt für sich und ihre Großfamilie einbringen könnten.
Um es zusammenzufassen: Bei der traditionellen weiterführenden Bildung besteht das Problem, dass Unterrichtsinhalte nicht praxisorientiert und damit für die Landbevölkerung weitgehend sinnlos sind; die Schulen zentral gelegen und somit für Dorfbewohner nur äußerst schwer erreichbar sind; die Unterrichtszeiten sich nicht den Gegebenheiten (Erntezeiten etc.) der Bevölkerung anpassen und die Schüler in der Zeit ihrer Abwesenheit keinen Lebensunterhalt erwirtschaften könnten.
- oben: Grundschulklasse einer Schule des RUHI-Institutes
 
- Mitte: Schulkinder in Zanjon Rico, in der Nähe Calis
 
- unten: RUHI-Grundschule, Porto de Jada
 
- ADÄQUATES SCHULSYSTEM FÜR DIE LANDBEVÖLKERUNG
 
Vor diesem Hintergrund starteten einige Professoren und Studenten der Universität del Valle in Cali 1974 einen Feldversuch und testeten an einer Gruppe von etwa 20 Jugendlichen ein neues Schulsystem in der Norte del Cauca Region (etwa 30 km von Cali). Sie gründeten eine NRO (Nicht-Regierungsorganisation) namens FUNDAEC (Stiftung für die Anwendung und Lehre der Wissenschaften) mit der Zielsetzung, ein für die Landbevölkerung passendes Schulsystem zu entwickeln. Bereits 1980 systematisierten sie ihre Bemühungen mit Lernkreisen in verschiedenen Dörfern mittels Lehrbüchern, welche in intensiver Zusammenarbeit mit der einheimischen Bevölkerung eigens hierfür erarbeitet wurden, und nannten dieses Projekt SAT (Sistema de Aprendizaje Tutorial; zu deutsch System für tutorielles Lernen).
„Die Texte sind sehr gut, da sie in der Umgangssprache verfasst wurden und somit für jeden leicht verständlich sind. Die Theorie ist immer mit der Praxis verwoben. So ist es auch leicht für alle, das Erlernte direkt umzusetzen. Das Erfolgserlebnis ist garantiert - und das motiviert die Schüler sehr“, berichtet der SAT-Tutor Juan Gómez aus El Aguila, wo er kürzlich eine SAT-Gruppe ins Leben rief.
BETRACHTE DEN MENSCHEN ALS EIN BERGWERK, REICH AN EDELSTEINEN...
Das Projekt basiert auf der Überzeugung, dass der Mensch selbst der Schlüssel für den Weg aus 
seiner scheinbaren Ausweglosigkeit ist und selbst das Potenzial hat, die Missstände, die sein Leben
beeinträchtigen, zu beseitigen. Diese Überzeugung knüpft am Menschenbild der Bahá’í an, das
in folgendem Zitat von Bahá’u’lláh zum Ausdruck kommt:
„Betrachte den Menschen als ein Bergwerk, reich an Edelsteinen von unschätzbarem Wert. Nur die Erziehung kann bewirken, dass es seine Schätze enthüllt und die Menschheit daraus Nutzen zu ziehen vermag.“
Der zweite Satz ist wohl der Grundstein der Bemühungen dieses Projektes und zeigt wiederum 
einen der Schwerpunkte bei dieser Schulbildung auf: der Dienst an der Gemeinschaft. Wenn 
sich die Menschen der Dorfgemeinschaft gegenseitig unterstützen und für ein besseres Leben 
arbeiten, erfahren sie, dass es einem selbst bessergeht, wenn es allen besser geht. So 
beeinflusst diese Ausbildung auch das Gemeindeleben, wobei die Schüler konkret das Erlernte 
zum Wohl aller umsetzen. Die Herausforderungen, denen sich
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FUNDAEC gegenübergestellt sieht, sind also der Aufbau und die Festigung von Gemeindestrukturen, 
die Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls und das Erwirken eines höchst möglichen
Beteiligungsgrades: am Gemeinschaftsleben: Dies ist weit mehr als nur eine Schulausbildung, denn
FUNDAEC möchte nicht nur Wissen vermitteln, sondern die passive Einstellung eines Großteils
der Bevölkerung in aktives Mitwirken verwandeln. 
Ein weiteres Prinzip dieses Systems ist es, lokale Gegebenheiten mit in das Lernen einzubeziehen. So wird z.B. in den Lehrbüchern beigebracht, wie man beim Erbauen eines Hühnergeheges Materialien der Umgebung einsetzen kann, anstatt teure Drahtzäune zu kaufen.
- EINE NEUE ART DES LERNENS
 
DOCH WIE FUNKTIONIERT DIESES SCHULSYSTEM?
Zunächst einmal wird ein Tutor - oder Lehrer - gesucht; der aus der Ortschaft stammt, in der es eine SAT-Gruppe geben soll. Dieser muss einen High-School-Abschluss (vergleichbar mit einem Abiturabschluss) haben und bereit sein, eine Gruppe von Schülern (10-25 Schüler) nach der ersten Etappe seiner eigenen Ausbildung zu betreuen. Die Tutoren, welche eine Schulung anhand der erstellten Materialien erhalten, werden immer mit „Stängeln, an denen der Wein hochwächst“ verglichen, eine Formulierung, welche die Zusammenarbeit der Schüler mit dem Tutor und nicht eine frontale Lernart „von oben herab" betont.
   
- SAT-Lernkreis in der Nähe von Cali
 
- Tutorenseminar in Trujillo
 
SCHÜLER WERDEN ZU VORBILDERN IM TÄGLICHEN LEBEN
Da der Tutor aus der eigenen Gemeinde stammt, kennt er die Probleme und Bedürfnisse seiner Ortschaft und kann flexibel darauf reagieren. Stundenpläne werden in einer Gruppenberatung festgelegt, wobei eine Stundenanzahl von 15 bis 25 Stunden pro Woche (je nach Grad der Ausbildung) vorgegeben ist. Die Schüler können unterdessen in ihrer Heimatgemeinde leben und arbeiten. „Dem Tutor geht es nicht um das Geldverdienen“, so der Tutor Nilo Hoyas, „- im Gegenteil: der Lohn, der vom Ministerium gegeben wird, ist äußerst gering. Man ist jedoch der Gemeinde unglaublich verbunden, da man Teil eines Ganzen ist und versucht, sein Bestes zu geben. Es ist rührend zu sehen, welche Anstrengungen die Teilnehmer auf sich nehmen, um an einem solchen Kurs teilzunehmen. Außerdem ist es toll mit anzusehen, wie aus den Schülern nicht nur gebildete Leute werden, sondern auch Vorbilder im täglichen Leben. Ja, sie verändern sich selbst durch den Kurs - oftmals ohne es selbst zu bemerken.“
Die Ausbildung, die vom Erziehungsministerium voll anerkannt ist und zusammen mit anderen Organisationen finanziert wird, umfasst drei Etappen. Diese dauern jeweils ca. zwei Jahre und bauen aufeinander auf. Der Schüler ist jedoch nicht gezwungen bis zur letzten Bildungsstufe zu studieren und kann die einzelnen Etappen auch mit zwischenzeitigen Pausen durchwandern. Der Abschluss der dritten Stufe ist dabei gleichrangig mit einem High-School-Abschluss, er befähigt den Schüler zu einer normalen Hochschulausbildung.
Bei diesem System ist außerdem zentral, dass keine aufwendige Infrastruktur notwendig ist, um eine Gruppe ins Leben zu rufen. Anders als bei dem in Europa verbreiteten Denken, welches vorgibt, dass es erst eine Örtlichkeit geben muss, bevor man darin etwas machen kann, ist es FUNDAEC immer wichtig gewesen, eine Gruppe von Menschen zu finden, die wirklich etwas lernen möchten. Die äußeren Umstände sind sekundär; der Unterricht findet ohnehin zumeist in privatem Rahmen statt.
„DIE SCHÜLER ENTWICKELN EIN NEUES GEFÜHL DER MENSCHENWÜRDE...“
Bemerkenswert ist, dass dieses Schulsystem nicht statisch ist. Dem Selbstverständnis nach
befindet sich dieses Schulsystem in einem wachsenden Prozess. Die Schüler kennen ihre Nöte am
Besten und bringen diese ein. Wie Alejandro Mesa erklärte, lernen die Teilnehmer eines Kurses mit
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den Dingen umzugehen, die um sie herum eingesetzt werden. Da es heute z. B. noch völlig
undenkbar ist, Computer anzuschaffen - der Kaufpreis eines solchen Gerätes wäre höher als ein
Jahresgehalt - wird im Moment kein Unterricht hierin erteilt.
Dieses gesunde Wachstum lässt die Schüler spüren, dass sie nicht etwas aufgezwungen bekommen, was sie nicht möchten. „Wir drängen unser Wissen nicht auf, wir teilen es. Das System passt sich an den Menschen an und nicht umgekehrt“, so Juan Gómez, ebenfalls Tutor. „Die Schüler entwickeln so ein neues Gefühl der Menschenwürde und des Selbstwertes.“
All dies führt dazu, dass die Schüler Freude am Lernen entwickeln. Sowohl die Art des Lernens in einer Gruppe, in welcher sich jeder gleichwertig fühlt und der Tutor eher ein Freund als Lehrer im herkömmlichen Sinn ist, als auch die Tatsache, dass alles Erlernte einen Lokalbezug hat, führt zu produktiven und sinnvollen Lernprozessen und zu verantwortlichem Handeln.
Da dies alles in einem solchen Gegensatz zur sonstigen Gesellschaft und zur finanziellen Unterdrückung der kolumbianischen Landbevölkerung steht, wird das SAT Programm hoch angesehen und weitergetragen. FUNDAEC arbeitet mit einem Netzwerk von 50 anderen NROs zusammen, die dieses Projekt weltweit einsetzen und auf andere Regionen übertragen. Heute ist das System in ganz Kolumbien, einigen Teilen Süd- und Mittelamerikas und sogar in Afrika und Spanien verbreitet und erreicht derzeit mit ca. 2500 Tutoren über 40 000 Menschen.
 
   
    
- Dr. Gustavo Correa
 
 
- FUNDAEC UMFASST DREI GROSSE PROJEKTZWEIGE
 
Dr. Gustavo Correa, Mitbegründer und derzeitiger Direktor von FUNDAEC erklärt,
wie sich FUNDAEC bis heute weiterentwickelt hat. Heute gibt es drei große 
Zweige. Zum einen gibt es das SAT-Programm, wobei auch mit verschiedensten 
staatlichen und nicht-staatlichen Organisationen zusammengearbeitet wird. 
Auf dieser Philosophie aufbauend ist 1990 eine eigene Universität „CUBR” mit 
einem etwa sechs Jahre dauernden Studium mit umfassender Bildung gegründet worden. 
Als Basis dienen zwar die SAT-Lehrbücher, jedoch werden hier auch entwicklungspolitische
Elemente und Zusammenhänge erlernt. Die „Universität für Integrale Entwicklung“
mit Hauptsitz in einem Ort bei Cali hat mittlerweile drei Außenstellen und insgesamt 
über 500 Studenten. Als dritten Zweig der Arbeit hat FUNDAEC die
Agrarproduktionsstätte FIDAR ins Leben gerufen. Sie bietet der Bevölkerung Kurse
zur Frage an, wie man die einheimischen Früchte und Gemüse, die es oft in einer
solchen Überzahl gibt, dass sie verfaulen, zu Produkten weiterverarbeitet, die auf
dem Markt verkauft werden können. Die Menschen der Umgebung können dann
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auch die Gerätschaften zur eigenen Produktion dieser Güter gegen die Entrichtung der 
Energiekosten nutzen. So wird die Naturverbundenheit weiter gestärkt und ein Bewusstsein 
für die einheimischen Produkte entwickelt.
- NEUE DENKMUSTER FÜHREN ZU NACHHALTIGER ENTWICKLUNG
 
FUNDAEC strebt eine umfassende Bildung durch alle Altersstufen an und arbeitet so eng mit der Schwesterorganisation „INSTITUTO RUHI“ zusammen. Hier sind bereits Vor- und Grundschulen entstanden, die auf den selben Prinzipien aufbauen, wie die Projekte FUNDAECs. Hier findet sich auch die Schnittstelle, über welche FUNDAEC mit seinen Universitätsstudenten in den Dörfern Mikrokreditsysteme aufbaut.
Bemerkenswert bei all diesen Ansätzen ist die Tatsache, dass traditionelle Methoden abgelegt und neue Wege gegangen werden, die den Menschen nicht nur auf der Ebene des Wissens, sondern auch in seinem Sozialverhalten entwickeln. Dem Selbstverständnis FUNDAECSs nach sind diese Ansätze revolutionär und gleichzeitig so gut realisierbar, dass sie „...falls erfolgreich, das gegenwärtige Muster des Wissensflusses in der Welt brechen..." und „..Entwicklung vom grausamen und destruktiven Prozess der Modernisierung trennen werden".
Bleibt zu hoffen, dass diese Projekte weiterhin mit der gleichen Intensität wachsen, in naher Zukunft verstärkt in das Licht der Öffentlichkeit treten und von anderen Organisationen zunehmend übernommen werden.
 
Text und Fotos von Anis Towfigh
   
- Viehzuchtanlage, Bestandteil von FIDAR
 
- Zuckeranbau, Kolumbiens größter Industriezweig
 
- Gebäude des RUHI-Institutes
 
- Teilnehmer eines RUHI-Instituts Kurses
 
STOP & ACT[Bearbeiten]
Die Show bei der das Publikum Regie führt
ZAGREB, Kroatien - Als Schauspiel hätte das kurze Theaterstück, das an einem Samstagabend im 
November im Europahaus Zagreb aufgeführt wurde, nicht viel Lob von Theaterkritikern bekommen
können. Der ungefähr fünf Minuten dauernde Sketch war in weniger als einer Woche geschrieben 
und am Tag zuvor geprobt worden. Keiner der vier Schauspieler war ein Profi.
Trotzdem erreichte die Aufführung die Herzen und erfüllte den Zeitungsberichten zufolge ihre Aufgabe bestens.
- „HEISSES EISEN” ETHNISCHE KONFLIKTE
 
Das „Kalter Kaffee” genannte Theaterstück berührte ein besonderes Konfliktthema in dieser Weltregion: den dringenden Bedarf an besseren Beziehungen zwischen den verschiedenen Volksgruppen im Lande.
Das Stück zeigt drei Kroaten in einem örtlichen Kaffeehaus, zwei Männer und eine Frau. Sie sitzen um einen Tisch und sprechen abfällig über ihren Kellner, der angeblich ein Serbe ist. Auf dem Höhepunkt des kurzen Schauspiels schüttet der Kellner unbeabsichtigt Kaffee über einen der Kroaten, woraufhin die beiden Männer aufstehen, um ihn anzugreifen.
An dieser Stelle ruft plötzlich aus dem Hintergrund eine Stimme „Stop” und das Publikum wird gebeten, sich an einer Diskussion über den Konflikt zu beteiligen. In dieser Region, in der ethnische Gewalt seit dem Zusammenbruch des ehemals kommunistischen Jugoslawien vor zehn Jahren Zehntausende das Leben gekostet hat, ist das ein hoch sensibles Thema.
- ALLES ZWISCHEN TOLERANZ UND KRIEGSRECHTFERTIGUNG
 
Der darauffolgende Austausch war lebhaft. Zuschauer äußerten die unterschiedlichsten Standpunkte vom Aufruf zur Toleranz bis hin zu gestenreichen Rechtfertigungsreden, dass ethnische Unterschiede eine Tatsache sind, die man weder ignorieren noch überspielen könne. Dennoch schienen die meisten Besucher am Ende das Gefühl zu haben, dass einige alte Mauern durchbrochen wurden und neue Chancen einer Konfliktlösung aufgetan waren.
„Ich fand es hervorragend, weil hier wirklich versucht wurde, das Problem zu lösen, und die Leute offen redeten”, sagte Igor Zagrecki, ein 23jähriger Student der Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Zagreb. „Viele können in ihrer Familie nicht offen reden, aber wenn man zu Veranstaltungen wie dieser hier kommt, kann man sich Gehör verschaffen.”
Diese Art von Workshop beruht auf einer Initiative der Bahá’í International Community.
Solche Veranstaltungen wurden bisher in Zusammenarbeit mit nationalen und örtlichen Bahá’í-Gremien in acht Ländern Südosteuropas durchgeführt, neben Kroatien in Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Slowenien, Albanien, Mazedonien und Bosnien. Es ist vorgesehen ähnliche Programme ebenfalls in Jugoslawien durchzuführen.
Ihr Ziel ist es, schwierige soziale Probleme auf eine Weise anzugehen, die sowohl unterhaltsam ist, als auch zu positiven Lösungen führt.
- UMSETZUNG DES DAYTONER FRIEDENSABKOMMENS MIT ANDEREN MITTELN
 
Die Workshops finden im Rahmen eines Programms statt, das einen parallelen Prozess zum Daytoner Friedensabkommen in Gang setzen sollte, eine innere Aussöhnung der Völker. Die Workshops werden finanziell von der luxemburgischen Regierung unterstützt und von dem russischen Fernsehjournalisten Shamil Fattakhov geleitet.
Sie sollen Rundfunk-, Fernseh- und Pressejournalisten, Pädagogen und Vertreter von NGOs (Nicht-Regierungsorganisationen) in der Gestaltung und Produktion einer innovativen Art der Darbietung schulen, die Techniken der Schauspielkunst, des Journalismus und von „Talkshows” verbindet, um „gut nachbarliches Verhalten” und soziale Stabilität zu fördern.
Die Reaktion auf diese Workshops war bisher überwältigend positiv. Nicht nur die 
teilnehmenden Medienleute sahen sich dadurch in ihren Bemühungen um die Förderung von 
Verständigung gestärkt, auch die Regierungsbeamten, 
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die die Aktionen des Projektes beobachtet haben, sagen, dass diese Techniken das Potential 
für eine weite Anwendung bei der Förderung von sozialer Aussöhnung und Verständigung 
zwischen den Volksgruppen haben.
„Es ist eine interessante Herangehensweise an dieses Thema eines gutnachbarschaftlichen Verhaltens. Es zeigt nachvollziehbare Wege, wie man gute Beziehungen zwischen Menschen herstellen kann”, sagt Per Vinther, der Sondergesandte der Europäischen Kommission für Kroatien, der hier die öffentliche Aufführung von „Kalter Kaffee” besuchte. „In jeder Familie und jeder Nation gibt es solche Probleme, für die man bessere Lösungswege finden könnte. Und dies ist ein solcher Lösungsweg.”
- TEIL DES ROYAUMONTPROZESSES
 
Der Ausdruck „gutnachbarschaftliches Verhalten” ist ein Schlüsselbegriff des sogenannten Royaumont-Prozesses, einer diplomatischen Initiative zum Daytoner Friedensabkommen.
Das Daytoner Abkommen von 1995 beschloss einen Waffenstillstand im Krieg in Bosnien und Herzegowina, der damals Jugoslawien und Kroatien einbezog. Der Royaumont-Prozess trug dabei entscheidend zur Förderung der regionalen Stabilität bei.
Der Royaumont-Prozess ist nach der französischen Ortschaft Royaumont benannt, wo sich die Mitgliedsstaaten des Daytoner Abkommens 1995 trafen, um sich darüber Gedanken zu machen, wie man „Stabilität und gutnachbarschaftliches Verhalten in Südosteuropa” fördern kann, wie Botschafter Vinther es bezeichnete.
Als eine gemeinsame Bemühung der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, der Vereinigten Staaten, Russlands, der Türkei und der Nationen Südosteuropas sowie der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments ist der Royaumont-Prozess ein „weicher” diplomatischer Versuch, die Zivilbevölkerung zur Überwindung der kulturellen, sozialen und ethnischen Vorurteile zu bewegen, die schon so lange für Spannungen in der Region sorgten.
- VON RUSSISCHER FERNSEHSHOW ZU FRIEDENSPROJEKT IN SÜDOSTEUROPA
 
Etwa 70 Projekte sind von NGOs vorgeschlagen worden, und nach Panagiotis Roumeliotis, dem Koordinator des Royaumont-Prozesses, sind bis jetzt mindestens acht Projekte gestartet worden. Das Projekt der Bahá’í International Community wurde als erstes Projekt begonnen, weil, wie Roumeliotis es formulierte, „es so gut vorbereitet und umfassend war”. Das Projekt, „Förderung friedlicher Konfliktlösungen durch die Medien” genannt, wurde von dem Pariser Bahá’í-Büro für Öffentlichkeitsarbeit entwickelt. Es basiert auf der von Shamil Fattakhov konzipierten und geleiteten „Happy Hippo Show”, einem Fernsehprogramm, das von 1994 bis 1996 in Kazan, Russland, gesendet wurde und dort sehr beliebt war. Die Sendung richtete sich an die Jugend und bot ihr Gelegenheit zur Aufarbeitung der dynamischen Veränderungen in allen Bereichen der Gesellschaft in der damaligen Sowjetunion, einschließlich der damit verbundenen Fragen der ethischen Werte.
- ÜBERTRAGBAR AUF ANDERE FORMEN KÜNSTLERISCHEN AUSDRUCKS
 
Shamil Fattakhov arbeitete mit dem Pariser Bahá’í-Büro für Öffentlichkeitsarbeit zusammen, um einen Workshop zu konzipieren, der die Teilnehmer in der Kunst schulen soll, eine ähnliche Show zur Einübung friedlicher Konfliktlösungsmuster für das Fernsehen, das Radio, die Bühne oder auch für Kulturfeste zu produzieren.
In dieser Hinsicht knüpft das Projekt mit einem ursprünglichen Etat von rund 75.000 Euro, der inzwischen im Rahmen der zweiten Phase auf knapp 200.000 Euro stieg, an die zahlreichen Versuche in der Kulturgeschichte an, die künstlerischen Mittel von Musik, Schauspiel oder anderen Kunstformen für die Bewusstmachung und Vertiefung sozialer Entwicklungen einzusetzen. Dennoch bringt seine Durchführung mehrere bemerkenswerte Neuerungen hervor.
Dazu gehört die direkte Beteiligung des Publikums wie bei einer „TV-Talkshow”. Hier jedoch wird das Publikum unmittelbar in die Inszenierung von Sketchen, die moralische Probleme darstellen und aufarbeiten, einbezogen. Diese Sketche konzentrieren sich auf den Kern einer bestimmten sozialen oder moralischen Streitfrage, ohne ihn vom Standpunkt der Täter bzw. der Opfer darzustellen. Das Projekt führt ferner Elemente der „Beratung” ein - ein spezieller Entscheidungsfindungsprozess, der weltweit von Bahá’í-Gemeinden als ein Instrument genutzt wird, um Konsens und gemeinsame Handlungslinien zu erreichen.
- EIN VOLLER ERFOLG
 
Dr. Roumeliotis meint, dass die Regierungen der Region Anfangs bezweifelten, dass ein Workshop zur Produktion einer an die Jugend gerichteten Fernsehshow ihre Lage verbessern könnte. „Aber nachdem sie gesehen haben, was die Organisatoren in diesen Ländern bisher erreicht haben, sind sie nun richtig begeistert davon.”
„Die Durchführung des Projektes ist ein Erfolg, und die Berichte, die wir erhalten haben, veranschaulichen das starke Interesse der Zielländer an der von der Bahá’í International Community vorgeschlagenen Arbeit”, meint Roumeliotis.
- DIE GROSSE WIRKUNG DES KLEINEN WORTES „STOP”
 
Was das Programm so erfolgreich im Auslösen. öffentlicher Diskussionen über schwierige moralische Streitfragen macht, ist die Weise, in der die Mittel des Schauspiels verwendet werden, um das Publikum einzubeziehen. Jeder Workshop beginnt mit einer Demonstrations-Show,und das Hauptstück dieser Shows ist ein kurzer Sketch oder ein kurzes Schauspiel, welches seine Charaktere an die Schwelle zu einer wichtigen moralischen Entscheidung, wie man z.B. auf ethnische Beleidigungen reagieren soll, führt. An dieser Stelle ruft der Moderator plötzlich „Stop”, und die Handlung wird „eingefroren”. „Dieses ist der magische Trick, genau vor dem Hauptdilemma anzuhalten”, sagt Shamil Fattakhov. Dann regt der Moderator das Publikum zu einer Diskussion darüber an, was die Schauspieler als nächstes tun sollten, wobei Wert darauf gelegt wird, ein positives Ergebnis zu erreichen. „Die meisten der den Leuten bekannten Talkshows nehmen ein soziales Problem auf und beginnen, es wie eine Juckstelle am Körper zu untersuchen. Und das Beste, was man dann machen kann, ist zu kratzen bis Blut herauskommt”, meint Shamil Fattakhov. „Und das war's dann. Die Show ist gelaufen. Was wir mit dem Konzept der „Happy Hippo Show” versuchen wollten, ist, durch Beratung nach einer positiven Lösung zu suchen.”
- EINEN ÖFFENTLICHEN PROZESS DER GEMEINSAMEN BERATUNG IN GANG BRINGEN
 
Nach Shamil Fattakhov basiert der in der „Happy Hippo Show” verwendete Prozess der Beratung auf den folgenden Prinzipien:
1) Verstehen, dass positive Lösungen in der Tat möglich sind;
2) Definieren, um welches höchste ethische Prinzip es gerade geht;
3) Konzentrieren auf durchführbare Lösungswege und
4) Führen des Publikums durch die Erfahrungen unterschiedlicher Kulturen und Sichtweisen.
Das Ergebnis, sagt Fattakhov, „ist eine neue Methodik, eine neue Technik zur gemeinschaftlichen öffentlichen Suche nach ethischen Lösungen.”
- KEINE SCHEU MEHR VOR KRITISCHEN FRAGEN
 
5o, wie die von Shamil Fattakhov geleiteten Workshops an das Royaumont-Projekt angepasst sind, trainieren sie die Teilnehmer nicht nur in der Idee der praktischen friedlichen Konfliktbewältigung durch das Konzept der „Happy Hippo Show”, sondern darin, wie man entsprechende Sketche schreibt und inszeniert. Die Workshops begeisterten die Teilnehmer durch die neu gewonnenen Möglichkeiten, einen öffentlichen Dialog über kritische soziale und ethische Streitfragen zu eröffnen.
- INTERESSE VOM BILDUNGSMINISTERIUM BIS ZU REGIONALEN NGOs IN GANZ SÜDOSTEUROPA
 
Das erste Schulungsseminar wurde vom 12. bis 17. Oktober 1998 in Sofia, Bulgarien, abgehalten. Die Demonstrationsshow behandelte das Thema des „gutnachbarschaftlichen Verhaltens”. Unter den Seminarteilnehmern waren ein Vertreter des Bildungsministeriums, ein Vertreter des Ministeriums für Jugend und Sport, zwei Programmdirektoren vom bulgarischen Nationalrundfunk, ein Programmdirektor vom Vitosha Radio, ein Koordinator auf Landesebene von UNICEF, mehrere Lehrer sowie Vertreter einer Jugendbewegung und eine Kindertheatergruppe.
Viele der Teilnehmer äußerten die Hoffnung, das Programm auf die Erreichung Ihrer eigenen Ziele anpassen zu können. „Das Programm eignet sich für Projekte von UNICEF für staatliche Erziehung in Waisenheimen, Jugendgruppen und Schulen, wo ein Großteil der Kinder aus Minderheiten stammt”, sagte Margarita Dimitrova, eine Lehrerin, die am bulgarischen Workshop teilnahm. „Und vielleicht können später Wirtschaftsleute eingeladen werden, um auf diese Weise über Ethik im Geschäftsleben zu diskutieren.”
Andere Workshops in Rumänien, Ungarn und Slowenien arbeiteten insbesondere mit Sketchen, die sich auf Spannungen zwischen den Volksgruppen und neue Wege zu deren Lösung konzentrierten.
Die abschließende Show in Rumänien zum Beispiel wurde am 25. Oktober 1998 im World Trade Center in Bukarest veranstaltet. Im Publikum von über 120 Personen befanden sich Vertreter des Außen- und des Bildungsministeriums, der Medien, von UNICEF, der UNESCO, anderer NGOs und Stiftungen und viele Jugendliche. Eine der Ideen und Bitten, die bei dieser Veranstaltung entstanden, war beispielsweise, die „Happy Hippo Show” an den Schulen einzuführen.
Ein örtliches Jugendmagazin wollte eine regelmäßige Kolumne einrichten, die auf der Botschaft der Show basiert. „Das Ziel ist, dass die Teilnehmer in Techniken der Show geschult werden und dass sie diese dann in ihren eigenen Organisationen einsetzen werden”, sagt Christine Samandari-Hakim, Direktorin des Bahá’í-Büros für Öffentlichkeitsarbeit in Paris. „Das langfristige Ziel des Programms ist natürlich, zum Frieden beizutragen, und wir glauben, dass der von diesem Projekt angebotene Prozess eines öffentlichen Dialoges einen neuen Weg eröffnet, die Bedingungen für Verständigung, Kooperation und letztendlich für einen dauerhaften Frieden zu schaffen.”
- DIE INNOVATION: IN RUNDFUNK- UND FERNSEHSENDUNGEN ÜBER LÖSUNGEN NACHDENKEN
 
Auch in Kroatien erkannten die Teilnehmer des Workshops die Chancen, die in der Förderung der Verständigung über schwierige soziale Streitfragen liegen.
„Eine Sache, über die ich noch nie zuvor nachgedacht hatte, war die Möglichkeit, die angerissenen Probleme in der Sendung zu lösen”, meinte Robert Zuber, ein Talkshow-Moderator und Rundfunkjournalist bei Radio 101, der beliebtesten unabhängigen Rundfunkstation in Zagreb. „Die Vorstellung, über Lösungen nachzudenken, ist etwas ziemlich neues für kroatische Journalisten.” Vertreter örtlicher NGOs sagten außerdem, sie würden versuchen, das Gelernte bei Verständigungsbemühungen innerhalb ihrer eigenen Organisationen sowie bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit gegenüber ihrem Zielpublikum anzuwenden. „Ich werde das, was ich hier gelernt habe, in das, was ich bereits mache, einbeziehen”, meinte Elizabeta Rudic, die an dem Workshop als eine Vertreterin des Offenen Zirkels teilnahm, einer in Rijeka ansässigen NGO, die sich mit den Suchtproblemen junger Leute befasst. Sie sagte, sie hoffe, Aufführungen bei einem jährlich stattfindenden Fest in Rijeka anbieten zu können. „Diese Show ist einzigartig.”
- EIN BEITRAG ZUR PERSÖNLICHEN AUFARBEITUNG DER KRIEGSFOLGEN
 
Für einige Teilnehmer war der Workshop auch in einer anderen Hinsicht besonders ergreifend. „Ich weiß, dass das Fernsehen und die Medien die Leute beeinflussen können”, sagte Helena Vidosavijevic, eine 31-jährige Künstlerin, die an der Schulung teilnahm, „weil sie die Leute auch 1991, während des Krieges, beeinflussten.” Helena Vidosavijevic ist die Tochter eines serbischen Vaters und einer halb kroatischen und halb italienischen Mutter und verspürte in besonderem Maße die Vorurteile, die dem kroatischen Unabhängigkeitskrieg zugrunde lagen und durch seine Folgen vergrößert wurden. „Obwohl ich in einer Region lebte, die nicht direkt vom Krieg betroffen, nicht von tatsächlicher Zerstörung berührt war, waren wir doch wirtschaftlich betroffen. Es gab einen Bruch in den Köpfen der Leute. Das System veränderte sich, und es war eine sehr harte Zeit mit Aggression auf beiden Seiten.” Sie hofft, sich an Bemühungen beteiligen zu können, die unternommen werden könnten, um hier wirklich etwas wie die „Happy Hippo Show” zu starten. „Sie hat das Potential, erst eine, dann zwei, und irgendwann 100 Ansichten zu verändern”, sagt sie. „Sie ist nicht das einzige, was den Frieden bringen wird, aber sie ist ein Teil des Prozesses. Das, was wir im Moment im Fernsehen sehen, ist hauptsächlich Müll. Gerne würde ich im Fernsehen etwas wie dieses sehen und auch, dass meine Kinder es sehen.”
Im Oktober 1999 trafen sich Vertreter der verschiedenen Länder, wo erfolgreiche Nachfolge-Projekte durchgeführt werden, in Busteni, Rumänien, um sich in dieser neuen Methode und im Thema der Konfliktlösung weiter zu vertiefen und ihre Erfahrungen auszutauschen. Bei dieser Gelegenheit wurden eine Reihe von erfolgreichen Fallbeispielen vorgestellt, unter anderem das Pilot-Projekt, das in Zusammenarbeit mit dem Erziehungsministerium mit großem Erfolg in drei Schulen im Raume Bukarest seit September 1999 bis zum Schuljahresende im Juni 2000 durchgeführt wird. Andere sehr interessante Projekte in Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Rumänien stehen kurz vor der Einführung. Diese betreffen vor allem die Medien sowie den Erziehungssektor.
- Shamil Fattakhov, der Erfinder der Happy Hippo Show,
 - auf einem seiner zahlreichen Seminare, auf denen er
 - das Konzept seiner Show weiterträgt.
 
 
 
Ausweg aus der Krise durch vorurteilslose Beratung[Bearbeiten]
Wer wachen Sinnes unsere Gesellschaft im Kleinen und weltweit betrachtet, erblickt überall Symptome von Krisen. Nirgends stimmt es mehr. Es beginnt in den Familien und hört auf bei den Völkern und der Völkergemeinschaft der UN. Bei allen Verhandlungen gibt es Sieger und Unterlegene. Faule Kompromisse, die meistens zu spät kommen und nur selten die besten der erreichbaren Lösungen darstellen, sind noch überall Trumpf.
Global-Playing anstelle globaler Verantwortung?
Zur gleichen Zeit schreiten die Großunternehmen unberührt von all diesen Problemen zur Globalisierung. Niemand fragt sich, welche Folgen es haben könnte, wenn einer der neuen Wirtschaftsmammute in eine Krise gerät. Der Gedanke „je größer - desto sicherer” ist leider eine reine Illusion. Weder die Qualität der Produkte oder der Leistung noch der Wettbewerb haben bisher durch diese Zusammenschlüsse gewonnen. Die Anteilseigner spielen fast wie die Lemminge mit. Ihr einziges Interesse gilt dem persönlichen Profit. Unter welchen Bedingungen und in welchem Land dieser Profit zu Stande kommt, ist ihnen gleichgültig.
Ersetzen veralteter Verhandlungsstrategien durch Beratung
Unsere Gesellschaft glaubt noch immer, dass Konflikte, Misstrauen und Brutalität unvermeidliche Züge des menschlichen Charakters seien und dass es nur darum gehe, diese Konflikte einzukalkulieren. Die bisher benutzten Konfliktstrategien führen häufig nur zu wenig tauglichen Kompromissen. Die wirklichen Probleme werden meist übertüncht, verschoben oder wohlgefällig verschwiegen, doch nur selten zeit- und sachgerecht gelöst. Keiner der Beteiligten will sein Gesicht verlieren. Fortwährend gibt es Gewinner und Verlierer.
Auch das alte religiöse Fundament trägt nicht mehr. Einst haben die Verhaltensregeln der Religionen für die Ordnung des Zusammenlebens gesorgt. Heute werden diese Regeln überall in der Welt immer weniger beachtet. Die Menschheit braucht aber ein Mindestmaß gemeinsamer Verhaltensnormen und eine bessere Methode der Problemlösung und Entscheidungsfindung.
Eine solche Methode ist das „System der vorurteilslosen Beratung”. Es hat allerdings einige wichtige Voraussetzungen. So muss akzeptiert werden, dass der Mensch die Fähigkeit zum Guten hat und kein geborener Bösewicht ist und dass die Menschheit eine organische Einheit darstellt. Ferner, dass Gerechtigkeit und nicht Egoismus im Mittelpunkt stehen muss und dass Vorurteile und Prestigedenken abzulegen sind.
Die wichtigsten Werte für eine vorurteilslose Beratung sind Gerechtigkeit, Menschenliebe, soziale Verantwortung, Vorurteilslosigkeit, Ehrlichkeit, Höflichkeit, Bescheidenheit, Würde, Geduld, Umweltbewusstsein, globales Denken und Dienstbereitschaft.
Die 7 entscheidenden Beratungsregeln
Kein Teilnehmer legt sich für ein bestimmtes Beratungsergebnis im Voraus fest. Die Beratung hat
zwar klare Ziele, aber sie muss bezüglich des konkreten Ergebnisses völlig offen sein. Die Beratung
darf auch nicht ein Mittel zur Selbstdarstellung eines Teilnehmers oder einer Teilnehmergruppe sein.
Ein listiges Taktieren, um sich durchzusetzen oder ein Überreden sind unzulässig. Alle Teilnehmer, ob
Chef, Experte oder Laie, sind absolut gleichrangig.
Jeder ist verpflichtet, alle Informationen zum Problem vorurteilslos, ehrlich und klar auf den Tisch zu legen. Niemand darf sich hinter einer Gruppenmeinung verschanzen.
Jeder Teilnehmer muss die Argumente der anderen genauso ernst nehmen wie seine eigenen, unabhängig von einer anerkannten Fachkompetenz oder einer herausragenden Rede- oder Verhandlungskunst.
Jeder Teilnehmer muss sich von seiner selbst vorgetragenen Argumentation innerlich lösen, um ehrlich urteilen zu können und sich vom Zwang zu siegen oder das Gesicht wahren zu müssen, freimachen.
Die Argumente werden mit den verschiedenen Denkmethoden zunächst ohne Bewertung gesammelt, bevor sie dann vorurteilslos gemeinsam geprüft und verglichen werden. Nicht Köpfe, sondern Argumente sollen zusammenprallen. Beratungsblockierer sind mit dem Geist einer solchen Beratung unvereinbar: Überheblichkeit und Arroganz (z.B. was von dem kommt...), Killerphrasen (z.B. purer Unsinn), Scheinargumente (z.B. realitätsfern), Killergesten (z.B. Kopf schütteln, abwertende Handbewegung) oder Killerblicke (z.B. Himmelfahrtsblick).
  
Schließlich werden die gemeinsam erarbeiteten Alternativen (Lösungsmöglichkeiten) sorgfältig verglichen. Am Schluss steht die Auswahl der bestmöglichen Lösung. Bei der Abstimmung ist Einstimmigkeit erwünscht, aber nicht Voraussetzung.
 
Das Ergebnis der Abstimmung wird von allen Beteiligten ohne jeden offenen oder versteckten Vorbehalt akzeptiert und als gemeinsame Lösung mit getragen und in der zeit- und sachgemäßen Durchführung ohne Einschränkung oder Behinderung unterstützt.
Welches sind die Vorteile einer solchen Beratung?
Es gibt weder Sieger noch Verlierer, weder einen Prestigeverlust noch stillen Groll und auch keine
geheimen Vorbehalte von Teilnehmern. Vor allem schwelt der Konflikt nicht weiter. Es gibt keine
Minimallösung und auch keinen faulen Kompromiss, damit alle ein bisschen Recht haben. Die
Lösung ist optimal, praktisch, annehmbar, sachgemäß und vor allem nicht verspätet. Alle Teilnehmer 
sehen ihren eigenen Beitrag irgendwie enthalten und suchen nicht krampfhaft, was von Ihnen stammt. 
Die Hauptenergie der Beratungsteilnehmer wird bei der vorurteilslosen Beratung tatsächlich für 
wirklich bessere und neuere Lösungen eingesetzt und nicht - wie bei allen bisherigen 
Verhandlungsmethoden - zur Verhinderung und Widerlegung anderer Entscheidungen.
Die Stufen einer einfachen Beratung
- - Eine vorurteilslose Beratung erfordert auch die Beachtung eines bestimmten Ablaufes
 
- - Geistige Einstimmung, verstärkt durch eine Entspannungsübung, Meditation oder ein Gebet.
 
- - Einigung über Leitung und Aufschrieb, Der Aufschrieb ist auch bei einfachen Problemen wichtig.
 
- - Einigung über die Beratungszeit (Anfang und Ende der Beratung).
 
- - Kurze Darstellung des Problems oder der Aufgabe.
 
- - Sammlung und Vergleich von Tatsachen und Lösungsvorschlägen.
 
- - Bewertung der Vorschläge und Einigung über den besten Vorschlag, evtl. Abstimmung.
 
- - Einigung über die Durchführung.
 
Die Stufen einer schwierigen Beratung
- - Geistige Einstimmung, eine echte Beratungshaltung, gefördert durch Entspannung, Meditation oder Gebet.
 
- - Kurze Erklärung der Beratungsregeln. Das ist besonders bei den ersten Beratungen wichtig.
 
- - Einigung über Leitung, Protokoll und Zeitvorgabe. Der Leiter oder Vorsitzende achtet auf die Einhaltung der Regeln und der Zeit. Bei fortgeschrittener Beratung (bei der Phase der Bewertung und Lösungsauswahl) leitet er die Teilnehmer an, auf nicht zum Thema gehörende Argumente zu verzichten.
 
- - Endgültige Problemformulierung nach Vortrag des formulierten Problems und Problemanalyse.
 
- - Faktensammlung ohne Bewertung, anschließend Sortierung. In der Sammlungsphase werden alle geeigneten Ideensammlungsmethoden (z.B. Brainstorming, Synektik, Morphologie) innerhalb eines Zeitrahmens angewandt.
 
- - Aussprache über die Vorschläge. Präzise, aber absolut sachlich ohne „Beratungsblockierer”. Immer in Übereinstimmung mit den geistigen Grundlagen der Beratung.
 
- - Systematische Bewertung der Vorschläge und Auswahl der besten Alternativen. (Evtl. Entscheidungsbilanz)
 
- - Abstimmung über die beste Alternative. Einstimmigkeit ist anzustreben. Andernfalls gilt die Mehrheit. Das Ergebnis wird von allen Teilnehmern ohne Einschränkung akzeptiert
 
- - Erstellung eines Durchführungsplanes. Wer macht was, wann, wie und wo?
 
- - Festlegung der Durchführungskontrolle. In welcher Weise, von wem und wann wird die Durchführung kontrolliert?
 
   
Endgültiger Abschied vom Kampf- und Streitprinzip
Der Abschied vom Kampf- und Streitprinzip ist gekommen. Das, was bisher als „Streitkultur” angepriesen wird, ist nur eine leicht humanisierte Form bisheriger Streitmethoden. Es bleiben immer noch strahlende Sieger und andererseits enttäuschte Unterlegene, die bereits die Faust in der Tasche ballen und auf eine Gelegenheit zur Rache sinnen. Das zeitgemäße Konzept zur Lösung der Probleme des begonnenen Jahrhunderts ist die vorurteilslose Beratung, bei der letztlich alle Sieger sind. Wenn dieses Prinzip vom Ehegespräch bis zu den Vereinten Nationen beachtet würde, bedeutete das einen geistigen Entwicklungssprung, um den uns frühere Generationen beneiden könnten. Dabei wurde dieses Beratungssystem in Grundzügen schon vor fast 130 Jahren von Bahá’u’lláh, dem Stifter der Bahá’í-Religion, als wesentliches Element einer neuen Weltordnung verkündet.
- Studienprofessor a.D. Adolf Kärcher
 
Der Prozess ist wichtiger als das Produkt[Bearbeiten]
Den künstlerischen Impuls um die Dimension des sozialen Prozesses erweitern
- ein INTERVIEW mit Jens Loewe - Designer der Bahá’í-Ausstellung bei der EXPO 2000
Gibt es für Sie eine besondere künstlerische Erfahrung bei der Gestaltung der EXPO-Ausstellung der
Bahá’í International Community?
- Ja, die Schlüsselfrage an die Kunst lautet für mich: Wie funktioniert Gestaltung? Gemeinhin gilt der künstlerische Impuls, den der Künstler mit seinem Werk in die Welt setzt, als undemokratisch, und zwar als unumgänglich undemokratisch. Beim Malen eines Bildes ist dies jedermann unmittelbar nachvollziehbar.:
 
- Aber ein Merkmal von Kunst ist, dass sie sich ständig verändert. Sie spiegelt die technischen und geistigen Veränderungen in der Gesellschaft. Sie bringt einerseits entlang der technischen Entwicklungen neue Genres hervor wie in jüngerer Geschichte die Kunstfotografie oder die Filmkunst. Diese mussten sich als Kunstgenres erst durchsetzen.
 
- Spätestens seit Joseph Beuys existiert nun der Gedanke, dass auch die soziale Gestalt ein Objekt der Kunst sei. Sie ist künstlerisch zu gestalten, und diese Gestaltung des Sozialen ist ganz und gar nicht als undemokratisch zu sehen, sondern vielmehr als Auftrag zur Demokratie.
 
- Bei der Entwicklung des Designs für die Bahá’í-Ausstellung war es möglich, an der Überwindung dieses vermeintlichen Widerspruchs zu arbeiten: Wie lassen sich die beiden Ebenen des individuellen künstlerischen Impulses und der künstlerischen Gestaltung des Sozialen miteinander verbinden? Kann es überhaupt eine Kunst außerhalb des Individuellen geben?
 
Wo sehen Sie den Ansatz für eine solche Verknüpfung von individuellem und sozialem Impuls?
- Ich erlebe diese neue Kunstform, wenn ich sehr wohl meinen individuellen Impuls uneingeschränkt und auch machtvoll einsetze, aber nicht mit dem Ziel, meine Vorstellung um jeden Preis durchzusetzen. Vielmehr richte ich meine Kraft darauf, eine Entwicklung im Gruppenprozess zu impulsieren, bei der jeder Teilnehmer seine Vorstellung und sein Potenzial einbringen kann. Es geht also um eine umgewandelte Macht, die den anderen fördern und nicht erdrücken soll.
 
- Der entscheidende Unterschied zu einem individuellen Kunstwerk besteht darin, dass hier durch die Gruppe alle beteiligten Menschen zu inhaltlichen Trägern des Projekts werden.
 
Wie lässt sich dabei die Professionalität des Künstlers sicherstellen?
- Der Künstler bringt seinen Impuls ebenso ein wie jeder andere Teilnehmer der Gruppe und wirbt für dessen Richtigkeit. Der alles entscheidende Punkt bleibt aber, dass er sich immer für den Prozess in der Gruppe öffnet - mit der Konsequenz, dass der Prozess ergebnisoffen ist. Nur wenn er als Impulsator die Bereitschaft hat zu einem ergebnisoffenen Prozess, kann er dazu beitragen, dass das Potenzial aller Teilnehmer aufgeweckt und genutzt werden kann.
 
Wie sah dies bei dem Bahá’í-Projekt aus?
- Bei der Designentwicklung für die Bahá’í-Ausstellung auf der EXPO 2000 waren alle Beteiligten am Gruppenprozess nicht mehr und nicht weniger fachlich vorgebildet wie in Teams bei ähnlichen Projekten auch. Nur war hier jeder ohne Ausnahme bereit, sich vorbehaltlos in dem zuvor beschriebenen Sinne einzubringen. Noch deutlicher zugespitzt: Das entscheidende Erlebnis war für mich, dass ich bei keiner der zahlreichen inhaltlichen Auseinandersetzungen das Gefühl hatte, einen Kampf zwischen zwei Persönlichkeiten auszufechten, sondern dass jeder bereit war, sich dienend in den Prozess miteinzubringen.
 
Wie wirkt sich das konkret aus?
- Auf diese Weise fließen die Kräfte in die Weiterentwicklung des Prozesses und des Projektes, anstatt in einem Kampf der Egos verzehrt zu werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass das äußerliche Ergebnis eines Planungsprozesses, der auf diese Weise abläuft, durchaus professionell ist, vielleicht sogar in einigen Facetten noch professioneller als ich es von kommerziellen Arbeiten her kenne.
 
- Auf der anderen Seite aber ist es für mich ein entscheidendes Erlebnis, wie hier eine ganze Gruppe von Menschen zu wirklichen Trägern des Inhalts wird, wie sie das Projekt eiterentwickelt und deshalb auch umfassend verstanden hat. Und ich gewinne immer stärker den Eindruck, dass gerade dieser Umstand vielleicht letztlich viel wertvoller ist als das Projekt in seiner materiellen Erscheinungsform.
 
Der Prozess ist wichtiger als das Produkt des Prozesses?
- In letzter Konsequenz: Ja. In dieser anderen Sichtweise ist ein Projekt erforderlich, um an dessen Erarbeitung menschliche Entwicklung zu ermöglichen. Das Projekt ist ein notwendiges Geschehen zur Entwicklung des Einzelnen und der Gemeinschaft. Die Entwicklung des Menschen wird in den Mittelpunkt gerückt, Projekte sind die notwendige Voraussetzung dafür.
 
Lässt sich ein solches Kunstverständnis auch auf die soziale Gestaltung ganzer Gesellschaften übertragen?
- Ich denke schon. Im Zuge von Gleichberechtigung und weiterentwickelten Formen von Demokratie sollte in der Tat das Ergebnis zweitrangig sein und die Qualität der Beteiligung in den Vordergrund treten. Auch hier ist die innere Haltung der Ergebnisoffenheit Voraussetzung für ein Gelingen.
 
- Nach meiner Überzeugung kann nur in einem solchen ergebnisoffenen Prozess wirkliche Veränderung entstehen und gedeihen. Ich glaube, dass aus diesem Grunde eine Haltung, wie sie die Bahá’í praktizieren, auch für den weltweiten Prozess der Lokalen Agenda 21 eine sehr große Bereicherung sein kann, denn bei der Grundidee „Beteiligung aller gesellschaftlichen Akteure auf gleicher Augenhöhe” müssen wir uns wohl in einer Beratungskultur üben, bei der wir wirklich dem Anderen offen gegenübertreten können.
 
     
- Jens Loewe
 
Geb. 1958 in Bochum. Studium Grafik-Design an der Merz-Akademie Stuttgart. Seit 1986 selbstständig als freischaffender Künstler, Mitgründung des Ateliers Bormann & Loewe. Entwicklung kinetischer Objekte und Rauminstallationen, Auftragsarbeiten für private Personen, mittelständische und Großunternehmen. Diverse Einzel- und Gruppenausstellungen. Zahlreiche Gemeinschaftsprojekte wie Helion, Solarzeppelin, Atlantis-Mariposa.
1993 Mitgründung und Vorstand der Hilfsorganisation Phoenix e.V., Hilfsgüterlieferungen, Rückkehr und Wiederaufbau u.a. in Kroatien und Bosnien. Seit 1998 Mitglied im Vorstand von Terra One World Network. Kommunales Engagement in den Bereichen Architektur, Planungskultur, Konversionsflächen und Nachnutzung. Mitarbeit in der Lokalen Agenda 21. Vorträge und Kurse zu den oben genannten Themen. Autor mehrerer Bücher und Beiträge, zuletzt „Chancen - Projekte zur nachhaltigen Gestaltung der Globalisierung”.
Erst Menschheitsrechte werden die Menschenrechte verwirklichen[Bearbeiten]
Eine neue Entwicklungsstufe in der Entfaltung globaler Werte
Mehr als 50 Jahre ist es her, seit die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine
Erklärung der Menschenrechte verabschiedete. Die Völker der Welt verbanden damit die Hoffnung, 
nach den schrecklichen Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges würden die fundamentalen Menschenrechte 
endlich mehr Beachtung finden. Trotz einiger Erfolge sind wir davon aber auch zu Beginn des 
neuen Jahrtausends noch weit entfernt. Die Menschenrechte bedürfen zu ihrer Realisierung dringend 
der Ergänzung: durch Menschheitsrechte.
Die Ursachen für die bisher geringen Fortschritte bei der Verwirklichung einer humaneren Welt sind vielfältig: Auf der einen Seite fehlen noch immer die nötigen Instrumente, um elementare Menschenrechte über die Grenzen der Nationen hinweg wirkungsvoll als ein unveräußerliches globales Recht durchsetzen zu können. Auf der anderen Seite unterläuft eine globale Wirtschafts- und Sozialordnung, die es zulässt, dass 3,3 Milliarden Menschen in absolut unwürdiger Armut1) leben müssen, von vorneweg jede Chance auf ein menschenwürdiges Leben für mehr als die Hälfte der Menschheit.
- Ohne globale Gerechtigkeit verlieren wir die Fähigkeit, die Probleme der Menschheit zu lösen
 
Ein anachronistisches System von Nationalstaaten, das hinter dem Schild nationaler Souveränität noch immer einen gnadenlosen Egoismus und einen barbarischen internationalen Wirtschaftskampf verstecken kann, ist der Hauptfeind der Menschenrechte. Wir brauchen über die individuellen Menschenrechte hinaus eine globale Diskussion über das kollektive Recht der Menschheit auf eine gesellschaftliche Ordnung, die den Maßstäben globaler Gerechtigkeit entspricht.
Die Bahá’í International Community trägt seit ihrer Entstehung nachhaltig zu einer solchen weltweiten Diskussion bei.
'Abdu'l-Bahá, der die Bahá’í-Gemeinde von 1892 bis 1921 führte, schlug dem damaligen amerikanischen Finanzminister Lee Mc Clung neue globale Einrichtungen wie beispielsweise ein Weltparlament und einen globalen Friedensgerichtshof vor.2) Präsident Woodrow Wilson ergriff kurz darauf mit einem 14-Punkte-Programm die Initiative zur Gründung des Völkerbundes. Allerdings war diese Einrichtung noch weit von den Bahá’í-Empfehlungen entfernt und konnte allein schon wegen des Vetorechts der Großmächte nicht erfolgreich sein. Auch zur Gründung der Vereinten Nationen und später zu deren Reform legten die Bahá’í immer wieder sehr konkrete Vorschläge vor.
Durch ein Büro am Sitz der Vereinten Nationen und durch die Bahá’í-Institutionen in 181 Ländern präsentierten sie eine reiche Fülle an Vorschlägen, wie universell gültige geistige Prinzipien in gesellschaftsgestaltende Konzepte und Institutionen gegossen werden können - in Strukturen, die dem Zeitalter der Globalisierung und der einen Menschheit gerecht werden. Sie trugen diese bei den großen internationalen UN-Konferenzen vor, in ihren Kontakten zu den Regierungen, in öffentlichen Kampagnen und in enger Zusammenarbeit mit zahlreichen internationalen Nichtregierungsorganisationen.
In einem Statement, das die Bahá’í International Community zum Weltsozialgipfel 1995 in Kopenhagen vorlegte, heißt es: „Vorschläge, die auf eine Entwicklung des Planeten abzielen, werden sich nur dann als erfolgreich erweisen, wenn sie den klaren Maßstäben globaler Gerechtigkeit standhalten... Erst durch diesen gemeinsamen Willen können die für ein globales Zusammenleben notwendigen Strukturen mit Aussicht auf Erfolg errichtet werden.”3)
- Die unumgänglichen Menschheitsrechte
 
In diesem und anderen Statements stellen die Bahá’í Menschheitsrechte zur Diskussion, 
durch die globale Gerechtigkeit und globale Handlungsfähigkeit erreicht werden können. 
Gerechtigkeit bedeutet im Zeitalter der[Seite 31]
 
Globalisierung: Zugang für alle zum Weltwissen und zu den Rohstoffen der Erde, Einführung einer
Welthilfssprache, einer Weltwährung, eines kollektiven Sicherheitssystems und einer globalen
Demokratie.
- Das Menschheitsrecht auf gleichen Zugang zum Weltwissen
 
Das durchschnittliche Vermögen pro Erdenbürger hat sich - trotz Bevölkerungsexplosion - in den vergangenen 100 Jahren um mehr als das Dreißigfache erhöht. Der wesentlichste Antrieb für diese Wohlstandsexplosion ist der Fortschritt im technologischen Know-how. Dieses Fortschrittswissen hat sich bis zum Jahr 1990 zu fast 100 Prozent in Firmen in den weit vorausgeeilten Industrieländern konzentriert. Auf dieser Grundlage explodierte der Wohlstand extrem einseitig. So hat sich allein in den Jahren seit 1950 das Einkommen für gleichartige Arbeit im Verhältnis der armen zu den reichen Ländern von 1:20 bis zu 1:1000 verschoben.
Ohne geeignete Maßnahmen, die allen Menschen der Erde reale Möglichkeiten zur Nutzung des schnell wachsenden Weltwissens verschaffen, bleiben Begriffe wie Gerechtigkeit, Fairness oder Menschenrechte im Zeitalter der Globalisierung nur zynische Leerformeln, denn ein Konkurrenzkampf Mikrochip gegen Kinderarbeit ist eine permanente eklatante Menschenrechtsverletzung. Ein Menschheitsrecht auf gleichen Zugang zum Weltwissen ist jedoch nur einlösbar, wenn dafür geeignete globale Handlungsstrukturen geschaffen werden. Es ist nicht als individuelles Recht durchsetzbar, sondern nur durch die Wahrnehmung einer menschheitlichen Verantwortung und durch Strukturen, die diese in praktisches Handeln umsetzen können. Dasselbe gilt für alle weiteren genannten Menschheitsrechte. Die Bahá’í fordern eine derart handlungsfähige globale Demokratie.
- Das Menschheitsrecht auf eine Welthilfssprache
 
Der Zugang zum Weltwissen hängt täglich mehr vom Zugang zur internationalen Kommunikationssprache ab. Als diese hat sich das Englische vorläufig etabliert, sei es auf internationalen Konferenzen oder im Internet.
Die Bahá’í schlagen seit über 100 Jahren die Einführung einer Welthilfssprache vor, die in allen Schulen der Welt neben der Muttersprache gelehrt werden sollte. Es ist nicht einzusehen, weshalb alle Eliten in allen Ländern der Welt dieses Recht für sich in Anspruch nehmen, aber der breiten Bevölkerung mit fadenscheinigen Gründen noch immer oft vorenthalten. Die universelle Etablierung einer Welthilfssprache neben der Muttersprache ist im Zeitalter der Globalisierung ein Grundrecht der gesamten Menschheit.
- Menschheitsrecht auf eine Weltwährung
 
Mit Währungsspekulationen wird heute bereits mehr Vermögen angehäuft als die 100 größten Unternehmen der Welt durch wirtschaftliche Tätigkeit erwirtschaften. Dies ist ein weiterer Faktor extremer globaler Ungerechtigkeit gegenüber all jenen, die durch diese Spekulationen verlieren.
Immer mehr Wirtschaftsexperten sind davon überzeugt, dass eine Weltwährung neben anderen Vorteilen die Spekulation und unvorhersehbare Marktschwankungen wirkungsvoll eindämmen würde. Auch wäre dies ein Instrument zur Anpassung der Löhne und Preise. Eine Weltwährung würde ferner zu bedeutsamen Einsparungen im weltweiten Wirtschaftsprozess führen, so dass davon alle Völker der Welt profitieren. Selbst die „Financial Times” meinte kürzlich, nach der Einführung des Euro gebe es keine überzeugenden Argumente mehr gegen die Einführung einer Weltwährung. Die Bahá’í stellen diese Forderung seit Jahrzehnten.
- Das Menschheitsrecht an den Rohstoffen der Welt
 
Ebenso wenig wie es in einer zusammengewachsenen Weltwirtschaft als gerecht angesehen werden kann, dass der Zugang zum technologischen Fortschrittswissen nur in den Händen eines kleinen Teils der Menschheit liegt, ebenso wenig ist es gerecht, wenn der Zugang zu den Rohstoffen der Welt höchst ungleich verteilt ist.
Die Bahá’í-Lehren schlagen vor, dass die Rohstoffe der Erde heute als gemeinsamer Schatz der Menschheit betrachtet und der Zugang zu diesen dementsprechend geregelt werden sollte. Wenn der Schutz und die Nutzung der weltweiten Rohstoffe in der öffentlichen Verantwortung der Weltgemeinschaft liegt, kann ferner Raubbau und Verschwendung weit wirkungsvoller Einhalt geboten werden.
- Das Menschheitsrecht auf ein weltweites Sicherheitssystem
 
Noch immer wird jedes Jahr rund eine Billion Dollar in Rüstungsgütern verschleudert und sterben jährlich mehr als eine Million Menschen in ebenso grausamen wie sinnlosen Kriegen. Es ist nicht einzusehen, weshalb ein derart teures und unzulängliches Sicherheitssystem noch länger aufrecht erhalten werden soll. Die Menschheit hat ein Anrecht auf ein System zivilisierter Konfliktaustragung.
Schon im vergangenen Jahrhundert schlug 'Abdu'l-Bahá ein kollektives Sicherheitssystem
für die Menschheit vor. Ebenso wie Streit in der Zivilgesellschaft[Seite 32]
nicht mehr durch Gewaltakte ausgetragen werden darf, sondern nur vor Gerichten nach 
festgelegten Regeln, ebenso soll ein globaler Friedensgerichtshof geschaffen werden, 
der jeglichen Streitpunkt zwischen Nationen verbindlich schlichtet. Als Garant
dieses Friedensgerichtshofes sollen alle Nationen durch einen gemeinsamen Pakt dienen. Zur 
Einhaltung von dessen Rechtssprüchen soll eine internationale Streitmacht etabliert werden,
durch deren globalen Schutz äußerst weitreichende Abrüstungsmaßnahmen aller Nationen ermöglicht 
werden. Ein solches globales Sicherheitssystem würde nicht nur Frieden und Gerechtigkeit weit 
besser garantieren als das fortgesetzte Wettrüsten der Nationen, sondern der gesamten 
Menschheit eine reiche Friedensdividende bescheren.
- Das Menschheitsrecht auf Partizipation und globale Demokratie
 
Dank der Entwicklungen in den vergangenen Jahrzehnten tritt die Menschheit in eine Phase des Erwachsenwerdens ein. Die Voraussetzungen sind gegeben, dass heute jeder Mensch ein Maß an Bildung erlangen kann, durch die er zu einem aktiven Mitgestalter im gesellschaftlichen Leben werden kann. Dies reicht heute weit über die Möglichkeit hinaus, nur an demokratischen Wahlen teilzuhaben. Jeder Mensch kann unmittelbar an Meinungsbildungs- und Beratungsprozessen in seiner Gemeinde und letztlich weltweit teilnehmen.
Wie dies in der Praxis aussehen kann, zeigt die Bahá’í-Weltgemeinde durch die Anwendung des Beratungsprinzips für alle wichtigen Themen und auf allen Ebenen der Gesellschaft. Das Recht für alle Menschen, aktive Mitwirkende an den gesellschaftlichen Beratungsprozessen zu sein, sichert nicht nur eine neue Qualität von Gerechtigkeit, sondern setzt auch ungeahnte kreative gesellschaftliche Potenziale frei. Das Bahá’í-Beratungsprinzip betrachtet es nicht länger als erstrebenswertes Ziel, die eigene Meinung durchzusetzen, sondern erkennt in der Betrachtungsweise jedes Menschen eine Bereicherung für ihn selbst wie für die Gemeinschaft insgesamt. Beratung überwindet daher von ihrem Ansatz her jegliches parteiische und kurzsichtig egoistische Denken.
Dieses fortentwickelte demokratische Denken muss auch auf der globalen Ebene zu neuen Formen und Foren der Entscheidungsfindung führen. Die Menschheit hat ein Anrecht auf globale Gremien, die nach demokratischen Prinzipien legitimiert und keinerlei nationalen oder sonstigen Teilinteressen verpflichtet sind, sondern allein den unteilbaren Rechten der gesamten Menschheit. Die konkreten Vorschläge der Bahá’í hierzu reichen weit über die heutige Struktur der Vereinten Nationen hinaus.
In diesen deutlich weiter demokratisierten globalen Institutionen sollen jedoch nur die Rahmenbedingungen für ein friedliches, gerechtes und schöpferisches weltweites Zusammenleben entschieden werden. Ansonsten sollen sehr viele Entscheidungskompetenzen wieder zurück an die Menschen vor Ort gegeben werden, weil diese der beste Garant für angepasste Entscheidungen und eine reiche Vielfalt sind, von der letztlich wieder die gesamte Menschheit profitiert.
- Die Globalisierung des Denkens und Handelns
 
Die Menschheit ist an einem Wendepunkt angelangt. Sie bedarf allein schon zur Sicherung ihres Überlebens und zum Schutz ihrer zivilisatorischen Errungenschaften eines weltumspannenden Denkens. Sie muss nun allerdings noch erkennen, dass die Verbesserung der Lebensbedingungen für alle Menschen des Planeten auch die beste Bereicherung des eigenen Lebens bedeutet. Bahá’u’lláh schreibt: „Befasst euch nicht rastlos mit eueren eigenen Belangen! Lasst euere Gedanken fest auf das gerichtet sein, was das Glück der Menschheit wiederherstellen und der Menschen Herzen und Seelen heiligen wird.”4)
- Peter Spiegel
 
- 1.) Der Spiegel v. 3. April 2000
 
- 2.) Eunice Brown / Hugh E. Chance: A Crown of Beauty. The Bahá’í Faith and the Holy Land. Oxford 1982
 
- 3.) Entwicklungsperspektiven für die Menschheit. Ein neues Verständnis von globalem Wohlstand. Ein Statement der Internationalen Bahá’í-Gemeinde. Hofheim/Ts. 1996, S.8
 
- 4.) Bahá’u’lláh, Ährenlese 43:4.
 
Wirtschaftliche und soziale Entwicklung aus Bahá’í-Sicht[Bearbeiten]
Trotz Hilfsgeldern in Milliardenhöhe, trotz Hunderttausenden von Arbeitsstunden von Entwicklungsorganisationen und einem Meer guter Absichten befinden sich heute viele Länder in einer schlechteren Situation als vor 30 oder 40 Jahren, als die Entwicklungsprogramme westlicher Prägung einsetzten.
Aus diesem Grund haben sich die Spezialisten für wirtschaftliche und soziale Entwicklung anderen Lösungen zugewandt. Unter den vielversprechendsten neuen Ideen ist auch die der aktiven Einbeziehung und Teilhabe der betroffenen Menschen vor Ort.
Die Entschlossenheit, die lokale Bevölkerung nunmehr an den Programmen zu beteiligen, ist der Erkenntnis zu verdanken, dass traditionelle Entwicklungsprogramme häufig scheitern, weil die betroffene Bevölkerung weder befragt noch zur Teilnahme eingeladen wurde. Die Menschen wurden lediglich als Objekte der Entwicklung betrachtet und hatten keinen Einfluss auf ihre Zweckbestimmung. Aus diesem Grund entwickelten sie auch kein Interesse, die Bemühungen zu unterstützen.
Der Gedanke der Teilnahme der lokalen Bevölkerung besagt Folgendes: Wenn man Menschen ermutigt sich selbst einzubringen, werden ihre konkreten Entwicklungsbedürfnisse besser befriedigt. Internationale Bemühungen haben dann den Vorteil von der lokalen Bevölkerung selbst unterstützt zu werden und ihr Erfolg wird dadurch sehr viel wahrscheinlicher.
Die Begeisterung für diese neue Art des Denkens ist eng verbunden mit dem Respekt vor den universellen Menschenrechten und mit der Anerkennung der Tatsache, dass jeder Mensch, unabhängig von seiner Bildung, seiner sozialen Entwicklung oder finanziellen Lage im Rahmen der Gesetze das Recht auf Gleichbehandlung und Anerkennung genießt.
Aus der Sicht der Bahá’í jedoch hängt die echte Beteiligung der Bevölkerung davon ab, dass die Völker der Welt - und zwar sowohl die materiell entwickelten wie auch die materiell weniger entwickelten - eine Reihe von Aspekten in ihre Überlegungen einbeziehen, die über den Rahmen der gegenwärtigen Menschenrechte hinausgehen.
Obwohl sie im Vergleich zu anderen viel älteren Religionsgemeinschaften zahlenmäßig klein und in ihren Mitteln begrenzt ist, hat die Bahá’í-Weltgemeinde in den vergangenen Jahren beträchtliche Anstrengungen unternommen, die Probleme der Unterentwicklung und der weltweiten Umweltzerstörung lösen zu helfen.
Diese Bemühungen sind nicht so sehr bemerkenswert wegen ihres Umfangs wie wegen Ihrer erneuernden Dimension und der Hoffnung, die sie in die Welt tragen. Nach neuestem Stand führt die Bahá’í-Gemeinde mehr als 1800 Entwicklungsprojekte weltweit durch. Diese reichen von einfachen Alphabetisierungs-Zentren bis zu Wiederaufforstungsarbeiten, von der Unterhaltung von Polikliniken bis zur Einrichtung von Umweltforschungszentren. Die Mehrheit dieser Projekte wird in sogenannten Entwicklungsländern verwirklicht.
Kennzeichnend für die
[Seite 34]
 
Herangehensweise der Bahá’í ist dabei die Einbeziehung der geistigen, sozialen und administrativen
Prinzipien, die von Bahá’u’lláh vor einem Jahrhundert verkündet wurden. In jedem dieser Bereiche,
ob es sich um den der Spiritualität, der sozialen Ideale oder der Methode der Administration handelt, 
bieten die Lehren Bahá’u’lláhs einen neuen Weg und eine neue Perspektive.
Global betrachtet ist der Ansatz umfassend: Die Bahá’í sind davon überzeugt, dass die Lehren Bahá’u’lláhs wirkungsvolle Instrumente anbieten, um das gemeinsame soziale Handeln anzuleiten, das die Menschheit heute benötigt, um zu überleben und sich weiterzuentwickeln.
Die geistigen Lehren Bahá’u’lláhs unterstreichen die Bedeutung der Selbstständigkeit und der Mäßigung und befürworten eine globale und ganzheitliche Herangehensweise, um die sozialen Probleme und die ihnen zugrunde liegenden Ursachen zu verstehen. Insbesondere verbinden sie die das Wesen des Menschen ausmachenden Elemente - vor allem spirituelle - und sprechen dadurch die Fähigkeit der Motivation des menschlichen Geistes an.
Die sozialen Lehren Bahá’u’lláhs geben eine Fülle von Empfehlungen für soziales und ethisches Handeln, das nicht nur die edelsten Ideale für eine nachhaltige Gesellschaft bestätigen, sondern darüber hinaus ihre tiefsten Hoffnungen ansprechen. Sie verkörpern das Prinzip der Gerechtigkeit und führen bei der Suche nach Lösungen der sozialen Probleme zu unmittelbaren und praktischen Konsequenzen.
Beispielsweise ist es sinnlos, die Armut besiegen zu wollen, ohne gleichzeitig dafür einzutreten, dass Frauen gleichberechtigt behandelt werden. Die große Mehrheit der Armen in der Welt wird von Frauen und Kindern gebildet. In vielen sich entwickelnden Ländern, insbesondere in Afrika, sind es die Frauen, die den Boden kultivieren. Die Bahá’í sind der Auffassung, dass die Bemühungen um eine sichere Versorgung mit Nahrung in diesen Ländern zum großen Teil davon abhängen, dass die Lage der Frauen verbessert wird. Die Probleme der Entwicklung und der Umwelt sind ebenfalls mit Problemen des Rassismus, des Analphabetismus und mit religiösen Konflikten verknüpft.
Die von Bahá’u’lláh gestiftete administrative Ordnung beinhaltet gleichzeitig eine neue Methode sozialen Handelns. Die Struktur des weltweiten Netzes örtlicher, nationaler und internationaler Geistiger Räte der Bahá’í repräsentiert ein neues Modell dezentraler Verwaltung. Dies gilt vor allem für die örtlichen Geistigen Räte, die als Entscheidungsorgane an der Basis gesehen werden können, Organe, die fähig sind, für die Entwicklung erforderliche Entscheidungen zu erkennen und zu treffen. Darüber hinaus sind die Beratungsverfahren, die von den Bahá’í angewandt werden, auch unter zahlreichen anderen Rahmenbedingungen anwendbar, um dort die Zusammenarbeit und soziale Entwicklung voranzutreiben.
Historisch gesehen war Religion immer einer der machtvollsten Motoren für die Veränderung der Einstellungen und des Verhaltens der Menschen. Sie hat stets die Natur unserer Zielvorstellungen und unserer Beziehungen bestimmt. Und gerade an diesem Punkt - dem des Ringens um veränderte Einstellungen und Verhaltensweisen - gibt das Herangehen der Bahá’í an die Probleme der Erziehung, der Entwicklung und der Bewahrung der Natur vielleicht zu großen Hoffnungen Anlass.
Aufgrund der Tatsache, dass die Ressourcen der Bahá’í-Gemeinde begrenzt sind, ist der Umfang ihrer Tätigkeit oft auf die unmittelbare örtliche Umgebung beschränkt. Dennoch ist die Methode der Planung und der Umsetzung dieser Projekte Bahá’í-typisch. Alle Maßnahmen stärken direkt oder indirekt die Einheit der Menschheit. Viele von ihnen legen das Schwergewicht auf die Verbesserung der Lage der Frauen oder versuchen den Interessen von Bevölkerungsminderheiten zu dienen, die Gegenstand von Diskriminierung geworden sind. In der Mehrzahl der Fälle werden vor allem teamorientierte Beratungsmethoden benutzt, um diejenigen einzubeziehen, zu deren Unterstützung die Projekte durchgeführt werden. Global gesehen entsteht daraus ein neues zusammenhängendes und ganzheitliches Modell sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung.
Eine Erklärung, die die International Bahá’í Community im Jahre 1975 der Kommission für soziale Entwicklung der Vereinten Nationen unterbreitete, fasst diese Position zusammen:
[Seite 35]
„Die Beteiligung der Bevölkerung, die so unverzichtbar für die wirtschaftliche und soziale 
Entwicklung ist, erfordert einen grundlegenden Wandel der Werte und Einstellungen jedes Einzelnen
und der jeweiligen sozialen Gruppe, einen Wandel, dem die Überzeugung zugrunde liegt, dass die
Menschheit eine organische Einheit bildet. Um eine erfolgreiche Entwicklung zu erreichen, muss
zunächst anerkannt werden, dass jede Person ein untrennbarer Bestandteil der Menschheit ist.”
Obwohl ihr Ursprung religiös ist, haben die Bahá’í-Institutionen gleichfalls die Aufgabe übernommen, das soziale und wirtschaftliche Wohl der Menschheit zu fördern. Auf örtlicher, nationaler und internationaler Ebene funktionieren diese Institutionen nach einem Modell von Maßnahmen, die die Beteiligung der gesamten Bevölkerung ermutigen, um die oben genannten Ziele zu erreichen.
Mehr noch als Technologie oder Geldmittel erfordert eine wirkliche Entwicklung aus Bahá’í-Sicht neue Methoden zur Organisierung menschlicher Angelegenheiten, die auf der Anerkennung der Beteiligung der betroffenen Menschen beruhen. Dabei muss den oben genannten Punkten Rechnung getragen werden und alle Menschen müssen mit dem gleichen Respekt behandelt werden.
Der Erfolg der in Entwicklung begriffenen Völker und Nationen beruht nicht auf technischen Kenntnissen, natürlichen Ressourcen oder der Verfügbarkeit von Kapital. Entwicklung entfaltet sich in dem Maße, wie dem menschlichen Wesen Respekt entgegengebracht wird und wie daraus sozialer Fortschritt entsteht.
- Bahá’í International Community
 - Office of Public Information Paris
 
Bahá’í International Community[Bearbeiten]
Die internationale Bahá’í-Gemeinde
Die Bahá’í International Community ist eine Nichtregierungsorganisation, die alle dem Bahá’í-Glauben 
angehörenden Menschen umfasst und vertritt, insgesamt mehr als fünf Millionen Frauen und Männer aus 
mehr als 2100 ethnischen Gruppen und nahezu jeder Nationalität, wirtschaftlicher Schicht und 
Berufsgruppe. Es gibt größere Bahá’í-Gemeinden in 235 Ländern und Territorien, von denen 181 in Form
von nationalen oder regionalen Unterorganisationen mit etwa 12500 örtlichen Gemeinden zusammengefasst 
sind. In ihrer Beziehung zu den Vereinten Nationen ist die Bahá’í International Community ein 
Zusammenschluss demokratisch gewählter Körperschaften, die als Nationale Geistige Räte bekannt sind.
Die Bahá’í International Community hat eine lange Geschichte der Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen. Im Hauptquartier des Völkerbundes in Genf diente ein 1926 eingerichtetes internationales Bahá’í-Büro als Ausgangsbasis für die an Aktivitäten des Völkerbundes teilnehmenden Bahá’í. Im Jahre 1945, als die UN-Charta in San Francisco unterzeichnet wurde, waren Bahá’í-Vertreter anwesend. 1948 wurde die Bahá’í International Community bei den UN als internationale Nichtregierungsorganisation (NGO) eingetragen und im Jahre 1970 erhielt sie beratenden Status (heute heißt es „spezieller” beratender Status) beim Wirtschafts- und Sozialrat der UN (ECOSOC). Es folgte der beratende Status beim Kinderhilfswerk der UN (UNICEF) im Jahre 1976 und Arbeitsbeziehungen mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden 1989 offiziell hergestellt. Über diesen Zeitraum hat die Gemeinde auch eng mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), dem Büro des Hochkommissars für Menschenrechte, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) und dem Entwicklungsfond für Frauen (UNIFEM) zusammengearbeitet.
- Bahá’í-Delegation einer NGO-Konferenz der damaligen UNO im April 1949
 
Die Bahá’í International Community hat Büros bei den Vereinten Nationen in New York und
Genf und Vertretungen bei regionalen Kommissionen und Büros der Vereinten Nationen. In den
letzten Jahren wurde ein Büro für Umwelt und eines für den Fortschritt der Frauen als Teil 
des permanenten Büros bei den Vereinten Nationen eingerichtet. Ein Büro für Öffentlichkeitsarbeit
im Bahá’í-Weltzentrum in Haifa und eine Zweigstelle in Paris versenden in die ganze Welt 
Informationen über die Bahá’í-Weltgemeinde und ihre Projekte und geben eine Vierteljahreszeitschrift, 
ONE COUNTRY, heraus. Diese wird in Englisch, Französisch, Chinesisch, Russisch, Spanisch und Deutsch 
an Leser in mehr als 170 Ländern versandt und stellt soziale und wirtschaftliche Entwicklungsprojekte 
dar, veröffentlicht Artikel zur Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und über globale Themen,
die für Entscheidungsträger von Belang sind.
ZIELE UND AKTIVITÄTEN
Überall in der Welt fördern Bahá’í-Gemeinden den Weltfrieden, indem sie Bedingungen schaffen, in denen Einheit als der natürliche Zustand menschlicher Existenz entstehen kann, und indem sie helfen, die oben genannten humanitären, sozialen und wirtschaftlichen Ziele durch eine Vielzahl von Aktivitäten zu erreichen. Diese Aktivitäten schließen auch die Förderung der Beteiligung an Basisaktivitäten bei nachhaltigen Entwicklungsprojekten, bei der Förderung des Status der Frauen, der Kindererziehung, bei Vorbeugungsmaßnahmen gegen Drogenmissbrauch, der Bekämpfung des Rassismus und bei der Unterstützung der Menschenrechtserziehung mit ein. Mehr als 1800 Projekte werden gegenwärtig von Bahá’í-Gemeinden weltweit unterhalten, darunter etwa 300 von Bahá’í geleiteteSchulen und mehr als 400 Dorfschulen. Unter diesen Projekten und Aktivitäten haben die folgenden besonderen Vorrang.
- FÖRDERUNG DER EINHEIT DER MENSCHHEIT.
- Begegnung auf einer Weltkonferenz für Religion und Frieden in Italien im Juli 1991
 
Der Frieden und das Wohlergehen der Menschheit hängen von der Errichtung ihrer Einheit ab,
was die Gleichheit der Rassen und die Beseitigung aller Formen von Vorurteilen einschließt. 
Seit mehr als 140 Jahren haben Bahá’í Gemeinden aufgebaut, die sich durch ihre Vielfalt 
auszeichnen und der Einheit verpflichtet sind. Die Schaffung solcher Gemeinden erfordert 
die Aufgabe von Vorurteilen aller Art und fordert die Mitglieder heraus, miteinander zum 
Wohle aller arbeiten zu lernen. Gewählte lokale Räte fördern die Zusammenarbeit zwischen 
den verschiedenen Teilen der Gemeinde, indem sie die umfassende Teilnahme bei der 
beratenden Entscheidungsfindung ermutigen.
- DIE ERKENNTNIS DER GLEICHWERTIGKEIT VON FRAUEN UND MÄNNERN.
 
- Teilnehmerinnen und Teilnehmer der 4. UN-Weltfrauenkonferenz in Beijing/China, im September 1995
 
In Bahá’í-Gemeinden fühlen sich Frauen und Männer gleichermaßen verpflichtet, das Prinzip
der Gleichheit zu verwirklichen, was die volle Emanzipation der Frauen erfordert. Beide 
Geschlechter bemühen sich, die Einstellungen zu entwickeln, die dem gleichberechtigten Status
der Frauen entsprechen und beide nehmen an sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungsprojekten 
der Bahá’í teil.
- FÖRDERUNG WIRTSCHAFTLICHER GERECHTIGKEIT UND ZUSAMMENARBEIT.
Bahá’í betrachten den Dienst an der Menschheit als ein wesentliches Lebensziel und als Mittel zum sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt. Die gewählten Bahá’í-Räte sind dafür verantwortlich, die Gemeinden zur Beratung, zur Planung und Durchführung von Projekten zusammenzubringen, die das Wohlergehen des gesamten Gemeinwesens fördern.
- FÖRDERUNG UNIVERSELLER ERZIEHUNG.
     
   
- Bahá’í-Kinder bei einem UN-Weltkindertag in Pakistan, November 1997
 
Die Erziehung des Einzelnen, der Familie und Gesellschaft war ein Hauptbemühen der Bahá’í,
seit die ersten Gemeinden gebildet wurden. Besonderer Wert wird dabei auf die Ausbildung
der Mädchen gelegt, wegen der wichtigen Rolle, die sie in allen Gebieten menschlichen Strebens
spielen und weil sie als Mütter die ersten Erzieherinnen ihrer Kinder sind. Unter den sozialen
und wirtschaftlichen Entwicklungsprojekten, die von Bahá’í-Gemeinden unterhalten werden, sind 
741 Schulen, 7 Radiostationen und 203 Alphabetisierungsprogramme und andere Erziehungsprojekte. 
Ein ganzheitlicher Ansatz der Gesundheitsförderung, der das Gleichgewicht von körperlichem, 
seelischem, sozialem und geistigem Wohlbefinden betont, ist ein Element der Bahá’í-Erziehung. 
Einige Bahá’í-Gemeinden unterstützen spezielle Gesundheitsprojekte: Zum Beispiel wurde ein 
Modellprogramm für Gesundheitsvorsorge auf Dorfebene in 12 Ländern initiiert.
- ERZIEHUNG ZUM WELTBÜRGERBEWUSSTSEIN.
Bahá’í unterstützen die Ziele der Charta der Vereinten Nationen und die humanitären, sozialen 
und wirtschaftlichen Ziele ihrer Unterorganisationen. Wertvorstellungen wie die gemeinsame 
[Seite 38]
   
- Anlässlich eines Besuches überreicht Jordan Melic, ein Bahá’í-Jugendlicher, ein Buch an UN-Generalsekretär Boutros Boutros Ghali, San Francisco, im Juni 1995
 
Sorge um die Erde, die auf internationaler Ebene geäußert werden, spiegeln sich in den Aktivitäten 
auf lokaler Ebene wider. Zum Beispiel betonen die Bahá’í-Projekte nachhaltige Entwicklungsstrategien 
wie Wiederaufforstung, Entwicklung erneuerbarer Energien, Naturschutz und gesunde 
landwirtschaftliche Methoden.
- FÖRDERUNG DER RELIGIÖSEN TOLERANZ.
- Mitglieder unterschiedlicher Religionen bei einer interreligiösen Feierlichkeit im Oktober 1998 in Panama aus Anlass des 53. Jahrestages der UN.
 
Bahá’í unterstützen interreligiöse Zusammenarbeit und Verständigung auf der Grundlage
der Anerkennung der gemeinsamen Quelle aller großen Glaubensgemeinschaften der Erde
und haben die Vereinten Nationen dazu aufgefordert, ein System zu entwickeln, das die 
religiöse Freiheit der ihnen angeschlossenen Religionsgruppen in den verschiedenen Teilen 
der Welt schützt. Außerdem ermutigen die Bahá’í die Anerkennung der grundlegenden 
Übereinstimmung, die zwischen Wissenschaft und Religion bestehen muss.
- ERMUTIGUNG ZUR ANNAHME EINER WELTHILFSSPRACHE.
Ein grundlegendes Kommunikationsproblem behindert ernsthaft die Bemühungen um Weltfrieden. Bahá’í unterstützen die Annahme einer Welthilfssprache, die zur Lösung dieses Problems beitragen würde.
Die Bahá’í International Community arbeitet als NGO mit anderen zusammen, tauscht ihre
Erfahrungen aus und nimmt an den regelmäßigen Sitzungen der folgenden UN-Unterorganisationen 
teil: Der Kommission für Menschenrechte, der Kommission für Frauenangelegenheiten und der 
Kommission für Nachhaltige Entwicklung. Nach ihrem letzten Vierjahresbericht an den
Wirtschafts- und Sozialrat der UN (ECOSOC) nahm die Gemeinde zwischen Januar 1994 und 
Dezember 1997 an etwa 150 von den UN unterstützten Treffen teil und gab mehr als 80 Erklärungen 
zu einer Vielzahl von Themen ab.
Die Bahá’í International Community war auch beteiligt an einer Reihe kürzlich abgehaltener UN-Weltkonferenzen zu drängenden globalen Themen und ebenso an gleichzeitigen NGO-Aktivitäten. Diese schlossen die 1992 abgehaltene Umwelt- und Entwicklungskonferenz in Rio de Janeiro (Erdgipfel), die Menschenrechts-Weltkonferenz von 1993 in Wien, die Globale Konferenz der kleinen Inselstaaten von 1994 in Barbados, die Internationale Konferenz über Bevölkerungs- und Entwicklungsangelegenheiten in Kairo im Jahre 1994, den 1995 abgehaltenen Weltgipfel für Soziale Entwicklung in Kopenhagen, die Vierte Weltfrauenkonferenz in Peking von 1995, die UN-Konferenz von 1996 über Menschliche Besiedelung (Habitat II) in Istanbul und den Welternährungsgipfel von 1996 in Rom ein. Die NGO-Foren, die in Verbindung mit diesen UN-Konferenzen abgehalten wurden, zogen eine begeisterte und zahlreiche Bahá’í-Beteiligung aus der ganzen Welt an.
 
- Bahá’í International Community
 - Office of Public Information Paris
 
DIE BAHÁ'Í-RELIGION
ZENTRALE LEHREN
- Die Einheit Gottes
 
- Es gibt nur einen Gott, mit welchem Namen er
 - auch benannt oder umschrieben wird.
 
- Die Einheit der Religionen
 
- Alle Offenbarungsreligionen bergen den gleichen
 - Kern ewiger Wahrheiten, wie die Liebe zu Gott und
 - den Menschen.
 
- Bestimmte Gesetze jedoch, die z.B. die Organisation
 - der Gemeinde, das Sozialwesen, Hygiene etc. betreffen,
 - müssen sich im Zuge der Menschheitsentwicklung
 - verändern. In großen Zyklen offenbart Gott
 - sich durch seine Boten wie Moses, Krishna, Buddha,
 - Christus, Mohammed und Bahá’u’lláh und erneuert
 - diesen Teil seiner Gebote als Antrieb für den
 - menschlichen Fortschritt.
 
- Die Einheit der Menschheit
 
- Die Menschheit ist eine einzige, große Familie mit
 - völlig gleichberechtigten Mitgliedern.
 
- Ihren Ausdruck finden diese grundlegenden Lehren
 - in Prinzipien wie:
 
- ▪ Selbständige Suche nach Wahrheit
 
- ▪ Gleichwertigkeit von Frau und Mann
 
- ▪ Soziale Gerechtigkeit
 
- ▪ Entscheidungsfindung durch Beratung
 
- ▪ Abbau von Vorurteilen.
 
- ▪ Übereinstimmung von Religion und Wissenschaft
 
 
ZENTRALE GESTALTEN
- Báb (1819-1850), der Vorbote
 - Bahá’u’lláh (1817-1892), der Stifter
 - 'Abdu'l-Bahá (1844-1921), der Ausleger
 - Shoghi Effendi (1897-1957), der Hüter
 
DIE BAHÁ'Í-GEMEINDE
- organisiert sich in Gremien, die auf örtlicher, nationaler und internationaler Ebene
 - von allen erwachsenen Gemeindemitgliedern in freier, gleicher und geheimer Wahl
 - ohne Kandidatur oder Wahlkampagnen gewählt werden. Es gibt keine Priester.
 
  
      
- Europäisches Bahá’í-Haus der Andacht in Hofheim-Langenhain/ Deutschland
 
 
- Die nächste Ausgabe
 
- TEMPORA
 
- Nr. 7
 
- AGENDA 21