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TEMPORA
Nr. 3
Kunst
editorial
- Kunst
 
„Jegliche Kunst ist die Gabe des Heiligen Geistes. Wenn dessen Licht
aus dem Geist eines Musikers leuchtet, zeigt es sich in der Schönheit von
Klängen. Leuchtet es aus dem Geist eines Dichters, wird es in feinsinniger
Poesie und Prosa sichtbar. Inspiriert das Licht der Sonne der Wahrheit den
Geist eines Malers, bringt dieser wundersame Gemälde hervor. Ihren höchsten 
Zweck erfüllen diese Gaben, wenn sie das Lob Gottes zum Ausdruck
bringen.“
'Abdu'l-Bahá
„Jeder Mensch ist ein Künstler, eine Gesellschaft formen wie eine
Plastik, das ist meine und die Aufgabe der Kunst.“
Joseph Beuys
Künstler waren schon immer die Fühler am Puls ihrer Zeit. In ihren Werken brachten 
und bringen sie ebenso offensichtliche wie verborgene geistige und materielle 
Strömungen einer Epoche zum Ausdruck. Doch das
Wesen der Kunst barg schon seit der Antike, womöglich schon immer, eine
Kontroverse in sich: zwischen dem, was geschaffen WIRD, und dem, was
geschaffen WERDEN SOLLTE, und vor allem ZU WELCHEM ZWECK.
Jegliche Kunst erhebt einen wie auch immer gearteten Anspruch. Kennzeichnend für das ausgehende 20. Jahrhundert ist der Wahlspruch „Alles ist erlaubt!“. Unbestritten ist die Befreiung von hemmenden Zwängen vergangener Zeitalter eine Notwendigkeit für den Fortschritt. Doch das Fehlen einer einenden Perspektive, einer verbindenden geistigen Dimension hat nicht zum erhofften Ergebnis geführt. Statt dessen findet man Orientierungslosigkeit und Chaos, nicht nur im Bereich der Kunst. Es stellt sich die Frage, ob moderne Künstler überhaupt dem Anspruch genügen wollen, den 'Abdu'l-Bahá - der Sohn des Stifters des Bahá’í-Glaubens bezüglich Quelle und Ziel jeder künstlerischen Bemühung formulierte.
Doch wohin steuern wir ohne eine Vision, die der Arbeit nicht nur des Künstlers Inspiration verleiht?
„Künstler im umfassenden Sinn sind für mich alle, die an dem was sie tun freudigen Anteil nehmen. Es wäre also zu wünschen, daß es in jedem Beruf Künstler gäbe: Zimmerleute, die glücklich sein müßten, selbst ihre einfachsten Arbeiten glücklich auszuführen; Maurer, die Gips und Mörtel mit Liebe zubereiten; Fuhrmänner, die stolz darauf sein müßten Pferd und Wagen gut zu behandeln... Das gäbe eine wunderbare Gesellschaft...”
Auguste Rodin
So gesehen sind wir alle aufgerufen, Künstler zu werden, gleichgültig,
wozu wir BERUFen sind; das würde auch dem „erweiterten Kunstbegriff“
Beuysscher Prägung entsprechen. Etwas Derartiges geht (und ging), wie
die Beiträge dieser Ausgabe deutlich machen, nur durch immerwährendes 
Bemühen und Ringen um Erkenntnis zur bestmöglichen Verwirklichung
der uns (selbst) gestellten Aufgabe. Kunstschaffende, die ihr Leben und
Wirken der Erforschung neuer geistiger Wahrheiten widmen, sind hier 
besonders gefordert. Denn, um nochmals Rodin zu zitieren: „Kunst ist 
Vergeistigung. Sie bedeutet die höchste Freude des Geistes, der die Natur 
durchdringt und in ihr den gleichen Geist ahnt, von dem auch sie beseelt ist.“
- Die Redaktion
 
INHALT
3 . . . Einige Gedanken zum Thema Kunst
6 . . . Das Musische als Lebensweise
- Auszug aus dem gleichnamigen Buch von Bijan Khadem-Missagh
 
9 . . . Nicht nur Seidentücher und Gewürze
- Kamaleddin Mazlumi gibt Einblicke in den Einfluß der orientalischen auf die europäische Musik
 
11 . . . Wohlstand und Fortschritt im 9. Jahrhundert: Cordoba
12 . . . Das Theater als geistiger Impulsgeber
- von Roland Greis
 
15 . . . Zeitblende
- - Einheit in der Vielfalt: Ort der Begegnung
- eine Skulptur zur EXPO 2000
 
 - - Kunst im Internet
 - - Kunst-Wettbewerb im Internet
 
16 . . . Mark Tobey und seine Bilder
- Portrait von Mario Lobmeyr
 
22 . . . Geschenk der Stille
- Gedicht von Roland Greis
 
23 . . . Interview mit der Malerin Anne Bahrinipour
27 . . . Mariposa und Atlantis
- Peter Spiegel besuchte die Keimzelle einer
 - zukünftigen Künstler- und Gelehrtenrepublik auf Teneriffa
 
30 . . . Architektur als Kunstform
- Bahá’í - Häuser der Andacht
 - von Elena und Andreas Afscharian
 
37 . . . Gedicht von Anna Achmatowa
38 . . . Die Bildhauerin Ariane Link
- Einfluß des Lichtes in die Schöpfung
 - Ein Zyklus von 9 Skulpturen
 
40 . . . Die Rolle der Kunst in der Erziehung
- von Anja Niemand
 
42 . . . Steps to World Peace - Schritte zum Weltfrieden
- Eine Tanzgruppe und ihre Ziele
 
44 . . . Zitate zum Thema Kunst
45 . . . Ritt auf der Untergangswelle ?
- Rezension des Titanic-Films
 
46 . . . Buchbesprechung
- Bella Chagall - Brennende Lichter
 
47 . . . Vorschau
TEMPORA
- Nr. 3 - Juli 1998
 
Die Globalisierung unseres Planeten erfordert in allen Bereichen ein
gänzlich neues Denken und Handeln. TEMPORA beschäftigt sich auf
dem Hintergrund der Bahá’í—Lehren mit aktuellen Zeitfragen und möchte 
durch Gedankenimpulse die Entwicklung zu einer geeinten Welt fördern.
Herausgeber
- Der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in
 - Deutschland e.V., Eppsteiner Str. 89
 - 65719 Hofheim
 
Redaktion
Elena Afscharian, Roland Greis, Wolfram Enders, Karl Türke jun., Michael Willems
Redaktionsanschrift
- Redaktion TEMPORA
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© Bahá’í-Verlag GmbH 1998
ISSN 1433-2078
Gedruckt auf umweltschonendem Papier.
 
Einige Gedanken zum Thema Kunst[Bearbeiten]
Kunst ist ein äußerst komplexes Phänomen. Es dürfte daher nicht einfach sein, allgemeingültige Aussagen zu diesem Thema zu machen. Ein denkbarer Ansatz könnte darin bestehen, vom Ganzheitsaspekt der Kunst auszugehen. Das bietet sich insofern an, als bei diesem Ansatz der enge Bezug zwischen der Welt der Schöpfung und der Welt des Schöpferischen deutlich wird.
So wie der Geist der Einheit bereits in der göttlichen Welt existiert und in der Einheit dieses 
Planeten sichtbar wird, auch wenn sich manche Menschen dieser Tatsache noch verschließen, so bilden
Kunstwerke in allen ihren Erscheinungsformen eine mehr oder weniger gelungene Einheit. Je vollkommener 
diese ist, umso stärker weckt sie Gefühle der Ehrfurcht, ganz ähnlich der, die sehende Menschen
der Schöpfung entgegenbringen. Jedes Kunstwerk besteht aus einer Vielfalt von Bestandteilen. Der 
eigentliche Schöpfungsakt besteht darin, diese auszuwählen und zu einer Einheit zusammenzufügen
und in dieser Einheit ein Beziehungsgefüge sichtbar werden zu lassen, dessen Aussage und Bedeutung 
weit über die der einzelnen Teile hinausgeht.1) Gelingt dies, so berührt es unmittelbar. 
Es ist, als erfasse die menschliche Seele einen flüchtigen Augenblick lang wie in einem Spiegel die 
Größe der Schöpfung. Gelingen kann es nur, wenn der Künstler mit liebendem Herzen, 
„mit dem Auge der Einheit“ die Schöpfung wahrnimmt. „Nähert euch nicht mit leblosem Herzen“, 
sagt Bahá’u’lláh. 
Unter dieser Bedingung kann Kunst zum Heilmittel werden, das die Zerrissenheit, die Zersplitterung und
Beziehungslosigkeit des Lebens heilen hilft, indem sie Bedeutungs- und Sinnzusammenhänge erschließt.
So wie der Künstler eine Vielzahl verschiedener Teile zu einem größeren Ganzen zusammenfügt und 
dadurch die Begrenzung der Ausdrucksfähigkeit dieser Einzelteile steigert, so kann auch eine 
Kunstästhetik, die vom Gedanken der Einheit alles Erschaffenen ausgeht, keine festgelegte Form
oder Methode annehmen. Die Ausschließlichkeit einer bestimmten Sicht verbietet sich hier ebenso 
wie ein Ausgehen von Konventionen und festgelegten Deutungsansätzen.2) Das Prinzip der 
Kreativität erfordert auch beim Rezipienten die Bereitschaft, alle denkbaren Ansätze zuzulassen 
und in die Betrachtung einzubeziehen.
Auf diese Weise kann Kunstbetrachtung zum Gegenstand gegenseitiger Bereicherung werden. Sie wird so vergleichbar dem Bemühen des Künstlers um Vereinigung der Teile seines Werkes, ein Spiegelbild der Suche der Seele des Einzelnen nach Vereinigung mit Gott.
In diesem Sinne kann die Schönheit großer Kunstwerke als das Ergebnis der liebenden Sehnsucht des Künstlers nach Gott verstanden werden, einer Sehnsucht, deren Ziel dem Suchenden nicht bewußt sein muß.
Es ist das Geheimnis des Schöpferischen, daß es immerfort aus der größten Quelle schöpft, aus der 
Schöpfung selbst, zu deren Ebenbild es zu werden versucht. Das Streben der Seele nach Vollkommenheit, 
die Sehnsucht der Menschen nach seiner geistigen Heimat, 
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ist die treibende Kraft und das innerste Wesen großer Kunst. Hierin ähnelt Kunst dem Gebet.
Aus dem Spannungsverhältnis, das die Suche des Unvollkommenen nach Vollkommenheit erzeugt, 
läßt sich ein wesentliches Motiv der Kunst ableiten: Das Wechselspiel zwischen Fernsein und 
Nahsein, zwischen Trennung und Wiedervereinigung. Ein Kunstwerk benötigt diesen polaren Gegensatz, 
der dem von Licht und Dunkelheit entspricht. Aus dem Wechselspiel der Kontraste entsteht die 
Wirkung eines Werkes der Kunst. Aber erst, wenn diese Gegensätze zur Einheit geformt und in 
ein dynamisches Gleichgewicht gebracht werden, wenn die Schönheit einer lebendigen Ordnung 
hergestellt wird, kann ein Kunstwerk zum Spiegel der Größe der Schöpfung werden.
Dann wird Kunst zur Metapher der Möglichkeiten des menschlichen Lebens und eine verwandelnde 
Kraft, die den Betrachter ein Stück mitnimmt auf dem Pfad der Vervollkommnung.
Diese Bedeutung der Kunst als eines Bindegliedes zwischen Materie und Geist, ihre transzendierende 
Potenz, wird in der Verwendung von Metaphern sinnfällig. Mit ihrer Hilfe macht der Künstler 
geistige Wahrnehmungen als geformte Materie sichtbar. Dies gelingt ihm, wenn
er im Konkreten, im historischen Augenblick, im Zusammenspiel der Formen und Töne 
etwas Typisches erkennbar macht, ein Muster, das auf Ähnliches, auf
vergleichbare Erfahrungen hinweist und übertragen werden kann. Seine höchste Wirkung
aber entfaltet ein Kunstwerk, wenn es einen Bogen zur Welt
des Geistes und seiner Gesetze zu spannen vermag, wenn es
uns im „farbigen Abglanz“ (Goethe) das Wesen der Dinge, das
Urbild schauen läßt.
„Dies beschreibt nichts anderes als die Reise von der Unmittelbarkeit zur Ewigkeit.“ 3)
Das Wesen großer Kunst, ihr zeitloser Charakter, läßt sich gerade hiermit erklären: daß sie die Ebene des Konkreten, den Einzelfall mit der Ebene allgemeingültiger Gesetze verbindet und in der Materie die Spur des Geistes sichtbar werden läßt.
Die Wirkung großer Kunstwerke rührt also daher, daß der Betrachter und Zuhörer im Einzelnen des Allgemeingültigen, des geistigen Gesetzes gewahr wird, das auch seine Einzelexistenz berührt und mit Sinn erfüllt.
- Allein wie herrlich, diesem Sturm ersprießend,
 - Wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer,
 - Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend,
 - Umher verbreitend duftig kühle Schauer.
 - Der spiegelt ab das menschliche Bestreben.
 - Ihm sinne nach, und du begreifst genauer:
 - Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.
 
- Faust II, Goethe
 
Da wir vom Geistigen angezogen werden wie Falter vom Licht, ist es nicht verwunderlich, daß große Kunstwerke auf empfängliche Menschen eine magnetische Wirkung ausüben, denn sie sind der Punkt, in dem das Schöne des Augenblicks und das Wahre, das Ewige zusammenfallen. Die Ewigkeit des Jetzt kann so in der Kunst offenbar werden.
Die Kunst wird zum Vermittler zweier Welten. Als Form, Materie, ist sie Teil dieser irdischen Welt, als Inhalt, Aussage Teil der geistigen Welt. Aufgabe des Künstlers ist es, die metaphorische Bedeutung der materiellen Dinge zu erkennen und diese so zu formen, daß in ihnen das Ewige zum Ausdruck kommt. In dem der Künstler eine Einheit in der Vielfalt gestaltet, zeigt er den Zusammenhang in der Welt der Dinge auf, die geistigen Prinzipien, die die Welt zusammenhalten und regieren. Er wird damit zum Wegweiser für andere, der das, was er fühlt und erkennt, mit anderen zu teilen versucht.
Eine Kunstpraxis, die ihre geistigen Ziele nicht mehr wahrnimmt, läuft Gefahr, zum bloßen
Formenspiel zu verkommen, in dem die Formen um ihrer selbst willen benutzt werden. Sie hat
keine Botschaft mehr zu übermitteln und endet leicht in der Selbstgefälligkeit, in der 
Sinnlosigkeit endloser Variationen und Wiederholungen.
Kunst hat Offenbarungscharakter. Dies sollte aber nicht dazu verführen, ihre Bedeutung zu überschätzen. Im Wissen um den relativen Wert jeder Aussage wie auch jeder Deutung von Kunst in Bezug auf die absolute Wahrheit ist sowohl die Demut des Künstlers als auch die Demut des Kritikers angebracht. Wenn beide, Künstler und Kritiker, im Geiste des Dienens handeln, können sie eine Spur der Erleuchtung durch unser Leben ziehen.
- Roland Greis
 
Dieser Beitrag stein Versuch, einige Kerngedanken zusammenzufassen, die vor allem von Bahiyyih Nakhjavani („Künstler, Sucher, Seher“) und Donald Rogers entwickelt wurden.
Einige Aspekte dieses Aufsatzes nehmen Bezug auf Goethes und Schillers kunsttheoretische Schriften.
(1) Hier ist eine aufschlußreiche Ähnlichkeit mit der Methode der Beratung erkennbar.
(2) Ein erschütterndes Negativbeispiel des destruktiven Charakters einer solchen Festlegung bieten die in sozialistischen Ländern erlassenen Richtlinien für „sozialistischen Realismus“ in der Kunst.
(3) Bahiyyih Nakhjavani, „Künstler, Seher, Sucher“
Das Musische als Lebensweise[Bearbeiten]
Es war in der Zwischenkriegszeit, als der damals 13-jährige Yehudi Menuhin sein erstes Konzert in Berlin gab. Unter Bruno Walter spielte er die großen Violinkonzerte von Beethoven und Brahms und errang einen sensationellen Erfolg. Als er am Ende des vielumjubelten Konzerts in das Künstlerzimmer trat, fand er einen kleinen älteren Mann mit dicker Brille und langen Haaren. Der strich ihm über den Kopf und sagte: „Mein lieber junger Freund, Deine Kunst hat mir mehr als alle Wissenschaft bewiesen, daß es Gott gibt."
- Der Mann hieß Albert Einstein.
 
DER TON MACHT DIE MUSIK
Stellt man die Frage nach einer einfachen Definition von Musik, 
erhält man oft die Antwort, Musik sei die Zusammensetzung von Tönen; 
also wenn Töne nacheinander oder miteinander erklingen. Stellt man 
die Frage, was denn ein Ton sei, ist es schon schwieriger eine 
Antwort zu erhalten. Natürlich ist er eine Luftschwingung, die wir 
hören, der wir eine Bezeichnung geben und die wir auch empfinden.
Wenn wir weiter untersuchen, stellen wir fest, daß der eine Ton,
den wir gehört haben, in Wirklichkeit die Summe des Klanges
von vielen Schwingungen ist. Wir nennen diese die Obertöne des 
einen Tones. Je obertonreicher der Klang, desto runder, voller 
und angenehmer wird der Ton empfunden. Im Gegensatz dazu, je 
ärmer an Obertönen, klingt er flacher, schriller bis hin
zum Geräusch.
Vergleicht man die Musik mit der Gesellschaft und den Ton
mit einem Menschen, läßt sich analog die Frage stellen: Was ist
es, was den Menschen ausmacht? Ist es seine äußere Erscheinung, 
sein Gewand, sein Name, sein Ruhm, sein Reichtum? Oder gibt es auch 
hier Schwingungen, die materiell nicht wahrnehmbar sind, quasi
unsere „Obertöne“. Könnte man nicht unsere geistigen Eigenschaften, 
unsere Charaktermerkmale und unsere ethischen Werte als unsere 
Wirklichkeit bezeichnen? Sind es nicht letztlich Werte wie Liebe, 
Gerechtigkeit, Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit, Treue, Güte, 
Nachsicht, ...bis hin zur Geduld, die einen Menschen ausmachen?
Dann jedoch stellt sich die Frage: „Ja kann ich dann jemals Mensch werden?“
Es ist, als ob ein Kind auf der Geige versucht, einen „schönen“ Ton zu produzieren, und sein Leben lang immer nur diesen „schönen“ Ton sucht und dabei daran verzweifelt.
Ein Mann geht in ein Konzert und hört ein großartiges symphonisches Werk. Dabei beobachtet er die Mitglieder des Orchesters. An einer sehr dramatischen und aufregenden Stelle beobachtet er, wie alle Kontrabassisten das Griffbrett mit der linken Hand auf und ab greifen, nur ein Musiker bewegt seine Finger nicht. Nach dem Konzert geht der Konzertbesucher schnell auf den Bassisten zu und erkundigt sich nach dem Grund, da er ja nicht so oft in ein Konzert kommt. Darauf sagt ihm der Musiker: „Wissen Sie, guter Mann, die anderen hatten den Ton noch gesucht, während ich ihn schon gefunden hatte.“
Diese Anekdote zeigt schon die Unmöglichkeit, sich
selbst allein perfektionieren zu wollen. Ein Ton allein wird noch
nicht zur Musik. Erst das 
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Zusammenwirken und die Beachtung der notwendigen Gesetzmäßigkeiten 
hilft auch dem Ton, seinen richtigen Platz zu finden und
seine ihm zukommende Aufgabe zu erfüllen.
  
- DER MENSCH WIRD ALSO EINE ZWEIFACH AUFGABE HABEN:
 - AN SICH SELBST ZU ARBEITEN UND DIE BEZIEHUNG ZU ANDEREN AUFZUNEHMEN.
 - DIESE BEIDEN PROZESSE WERDEN IHN WOHL EIN LEBEN LANG BEGLEITEN.
 
DAS ORCHESTER ALS SYMBOL DER MENSCHHEIT ODER "DER GEGNER UND SEIN FRISEUR"
Die Vielfalt der menschlichen Kulturen und Fähigkeiten
dient der Menschheit, so wie in einem Orchester die Vielfalt des
Musizierens der Musik dient. Verschiedene Menschen spielen
eine Instrumentenvielfalt unterschiedlicher Klangwelten, nach
ganz verschiedenen Noten, und dennoch wird das Ganze, nach
den notwendigen Proben, zu einer großartigen Symphonie verschmelzen. 
Voraussetzung ist ein gemeinsames Rhythmusempfinden, das Beherrschen 
des eigenen Instrumentes und das Bewußtsein, daß jeder seine 
eigene Aufgabe hat.
Die rhythmische Empfindung ist die Grundvoraussetzung für jegliche musikalische Betätigung. Sie gehört zum Wesen eines jeden Menschen. Schon der eigene Herzrhythmus, der Pulsschlag und die Atmung weisen auf die Abhängigkeit vom Rhythmischen hin. Tag und Nacht, die Woche, die Jahreszeiten - sie alle sind rhythmisch angelegt. Auch größere Zeitabschnitte wie Jahrhunderte und Jahrtausende verlaufen in Zyklen.
Den eigenen Lebensrhythmus mit dem größeren, universellen in Einklang zu bringen, ist die Aufgabe, vor die wir gestellt sind.
Die menschliche Gesellschaft ist in ihrer Struktur durch viele Stadien gegangen. Von Zeiten des Zusammenlebens in Familien, in Sippen, Stämmen, Völkern und Nationen, bewegt sie sich nun zur globalen Gesellschaft.
Übergangsphasen sind immer Problemphasen. Das Orchester und das gemeinsame Musizieren verdeutlichen die Situation.
Ein Orchester vereinigt die verschiedensten Instrumente. Eine hervorragende Komposition benützt die Vielfalt der Möglichkeit jedes Mitwirkenden. Die Probenarbeit besteht darin, diese Verschiedenheit zu einer Gesamtheit zu vereinen. Dabei ist die erste Aufgabe, die gemeinsame Empfindung für den Rhythmus zu entfalten, jenes Grundelement der Musik, das allen Völkern und Kulturen zu eigen ist. Ist das rhythmische Gefühl vorhanden, lassen sich Einzelteile gut zusammenfügen. Übergangsphasen, wie von Adagio zum Allegro, sind jene Stellen, bei denen in der Probe die höchste Konzentration und viel Zeit aufgewendet werden muß. Ist der Horizont beschränkt und die Verhaftung in alten Gewohnheiten groß, so ist der Übergang zum neuen Tempo sehr mühsam.
- Bijan Khadem-Missagh
 
- Chefdirigent des Tonkünstler Kammerorchesters Wien
 
- Künstlerischer Leiter des Internationalen Kammermusik Festivals Austria
 
- 1971 Ernennung zum 1. Konzertmeister des NTO Tonkünstler Orchesters
 
- 1977 Gründung des Tonkünstler Kammerorchesters Wien
 
- 1979 Gründung des Internationalen Kammermusik Festivals Austria „Allegro Vivo“ mit
 - seinen jährlichen Konzerten und seiner Sommerakademie mit Meisterkursen, Seminaren
 
- 1980 - 1990 Künstlerischer Leiter des „Internationalen Kammermusik Festivals“ und
 - seiner „Midsummer Music Academy“ in Umeå, Schweden
 
- 1980 - 1986 Initiator und Künstlerischer Leiter der „Badener Beethoventage“
 
- 1988 Berufung zum Professor am J.M. Hauer Konservatorium
 
- 1991 Berufung zum künstlerischen Leiter des „Musik Forum“ Landegg, Schweiz
 
- 1997 Ernennung zum Präsidenten von GlobArt
 
Wir stehen an einer Zeitenwende, alle Zeichen deuten darauf hin. Die Gesellschaft strebt zum Bewußtsein, daß alle Menschen Teil einer gemeinsamen Wirklichkeit sind. Die Verhaftung an Althergebrachtem und Trägheit sind die Hindernisse auf dem Weg zur neuen „rhythmischen Empfindung“, zum neuen Zeitmaß.
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Andererseits hat die Nachahmung eine verheerende Wirkung. Als in der 
Anfangsgeschichte der Wiener Philharmoniker die Regelung eingeführt wurde, 
daß ein Orchestermusiker einen Vertreter stellen kann, wenn er aus 
künstlerischen Gründen einmal verhindert sein sollte, seinem Dienst
nachzukommen, machte folgender Witz die Runde:
Ein Geiger, der keinen adäquaten Ersatz fand, bat seinen Friseur, mit dem er gut befreundet war, ihn am Abend im Orchestergraben der Oper zu vertreten. Worauf der Friseur beteuerte: „Aber ich habe das noch nie gemacht und kenne das Werk auch nicht.“ Darauf gab ihm der Musiker nur den Rat: „Du nimmst meine Geige, packst sie aus, hältst sie unterm Kinn und den Bogen in die rechte Hand. Wenn der Dirigent den Taktstock hebt, dann schau auf den Kollegen, der neben dir sitzt und mach’ das gleiche wie er.“ Nachdem er ihm auch noch ein reichliches Trinkgeld gegeben hatte, ließ der Friseur sich auf das Abenteuer ein. Als sie sich am nächsten Tag wieder trafen, fragte der Geiger den Friseur: „Na wie war's?“ Der Friseur antwortete: „Schrecklich !” „Ja hast du denn nicht das gemacht, was ich dir gesagt habe?“ fragte der Geiger entsetzt. „Ja schon”, nickte der armselige Friseur, „aber als der Dirigent den Taktstock erhob, schaute ich, wie du es mir sagtest, auf den Nachbarn... und er schaute erwartend auf mich!“
Das Beherrschen des eigenen Instruments wird nicht 
durch bloße Nachahmung erreicht.
Wenn das eigene Spiel das technisch, musikalische Mindestmaß aufweist, ist die Fähigkeit des Notenlesens unabdingbar. Erst das selbständige Lesen erlaubt das Vordringen zur Partitur, der authentischen Quelle eines Werkes, um ihm so am besten gerecht zu werden. Die Verwirklichung eines musikalischen Werkes durch Nachahmen ist unmöglich oder wird zur Karikatur.
Leonardo da Vinci sagte: „Wer zur Quelle gehen kann, der trinke nicht aus dem Wasserkrug.“
Das läßt sich auch - im übertragenen Sinne - auf die Quellen der Hochreligionen 
anwenden. Wo der Text der heiligen Schriften, quasi die Partitur, vorhanden ist, 
da ist kein Nachahmen menschlicher Auslegung, sondern ein direktes Schöpfen
aus der ursprünglichen Quelle angebracht. Um zur Quelle zu gelangen, muß man 
bekanntlich auch gegen den Strom schwimmen.
Aus der Quelle zu schöpfen bewirkt, daß der Mensch seine Beziehung zum Schöpfer und zu den Mitmenschen erkennt und stärkt und so zu einem Wesen wird, das innerhalb eines großen Orchesters seinen Platz einnimmt und mit dazu beiträgt, daß die große Symphonie der Menschheit zu einem Wohlklang wird.
- Bijan Khadem-Missagh
 
 
Der abgedruckte Text ist ein auszugsweiser Vorabdruck aus dem Buch „Das Musische als Lebensweise” von Bijan Khadem-Missagh, das im August 1998 aus Anlaß des 20. Internationalen Kammermusik Festivals Austria erscheint.
 
- Stift Altenburg - ein Veranstaltungsort des diesjährigen 20. Internationalen Kammermusik Festivals Austria vom 15. August bis 20. September 1998
 
- Allegro Vivo
 
Nicht nur Seidentücher und Gewürze[Bearbeiten]
DER EINFLUSS DER ORIENTALISCHEN AUF DIE EUROPÄISCHE MUSIK
Der Fluß, der die Kultur trägt, ist immer einer Hochreligion entsprungen. Wenn er einmal über sein Ufer tritt und andere Kulturen überschwemmt, stellt er den Nährboden für die neuen Felder der menschlichen Zivilisation bereit. Gleichzeitig übernimmt er von den überfluteten Gegenden das wertvolle Erbe einer sich oft im Untergang befindenden Kultur, all das, was für die Entwicklung anderer Gegenden wiederum von großer Bedeutung ist.
Einen wichtigen Beitrag hat der Islam in dieser Beziehung geleistet, und 
die Geschichte des legendären Musikers Zirjab aus der frühislamischen Zeit 
macht deutlich, wie jener Fluß das Kulturgut transportiert.
Erfüllt vom Geiste des neuen Glaubens brachten die Moslems den Persern, die in Künsten und Wissenschaften versiert waren, die Religion der Brüderlichkeit, Gleichheit und vor allem Demut. Der Islam befreite sie von vielen gesellschaftlichen Zwängen und versetzte sie in die Lage, ihre Künste zu verfeinern und den Bereich ihrer Wirkung auszudehnen. Viele der Politiker, die im Dienste von islamischen Kalifen in Baghdad standen, waren Perser.
Wissenschaftler und Künstler wurden ebenfalls von überall nach Baghdad geholt, und die Bücher aus den eroberten Gebieten füllten die Bibliothek der Hauptstadt, die übrigens den Beinamen „Haus des Friedens“ trug.
Zu Beginn des neunten Jahrhunderts lebte am Hofe des Kalifen Harun a Rashid in Baghdad der Musiker Ebrahim Mawssili, der über 900 Melodien komponierte, ein Konservatorium gründete und ein Orchester ins Leben rief, das aus 50 Musikern bestand. Nach Ebrahim übernahm sein Sohn Ishagh den Dirigierstab und bildete viele Schüler aus, die von überall nach Baghdad strömten, um in dieser Stadt, die inzwischen zu Recht als Kulturhauptstadt der damaligen Welt betrachtet werden konnte, die Tonkunst aus erster Hand zu erlernen. Unter vielen Schülern, die bei Ishagh bin Mawssili das Studium der Musik vollendeten, war ein hochbegabter Student, der sehr bald die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich zog. Dieser hervorragende Musiker, der unter anderem in Astronomie, Geografie und Völkerkunde bewandert war, hatte auch eine sehr gute Stimme. Sein Name Zirjab deutet auf seine persische Abstammung. Sein Geburtsjahr wird mit 789 n. Chr. angegeben, sein Geburtsort jedoch ist umstritten. Entweder ist er in Baghdad oder in Ray, unweit von Teheran geboren. Ein Konzert in der Gegenwart des Kalifen brachte ihn in eine schwierige Lage. Der größte Herrscher der Welt war von seinem Können so verzaubert, daß er ihn sofort als seinen Hofmusiker haben wollte. Dies weckte den Neid seines Meisters Ishagh, der bis dahin die Stelle des Hofkapellmeisters des Kalifen innehatte.
Zirjab sah sich gezwungen wegzugehen, weil er einerseits nicht seinen Meister hintergehen wollte und andererseits das Wort des Herrschers nicht ablehnen konnte. So wanderte Zirjab
   
 
 
 
 
 
- TANBUR
 
 
- TAR
 
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von Baghdad nach Nordafrika aus. Später kam erauf Einladung von Kalif 
Abd’ar'Rahman II. nach Andalusien und bereicherte den europäischen Kontinent 
mit den Juwelen seines Geistes. Er enthüllte immer neue Tugenden und Kenntnisse.
Es wird berichtet, daß Zirjab mehr als zehntausend Melodien abspielen und deren Struktur erläutern konnte, und zwar aus dem Gedächtnis, da man noch nicht in der Lage war sie aufzuschreiben.
- Aus der Santur entwickelten sich Hackbrett, Zither, Cembalo und Klavier.
 
Er war so beliebt, daß die Menschen seine Kleidung, seine Tischmanier und sogar seine Frisur nachahmten. Noch 200 Jahre später, wenn in Andalusien etwas Neues auftauchte, erinnerte man sich sprichwörtlich an Zirjab.
Abd’ar’Rahman richtete ihm in Cordoba ein Konservatorium ein. Zirjab, der zuerst nach dem Vorbild seines Meisters Ishagh lehrte, entwickelte allmählich neue Methoden für das Erlernen der Musik und setzte Interpretationsregeln und den Ablauf eines Konzertes fest, was Jahrhunderte nach ihm in Europa praktiziert wurde.
Er war es, der durch seine enormen Kenntnisse von der Musik der Völker zum ersten Mal orientalische Gesänge altgriechischen und persischen Ursprungs in Spanien einführte, was als eigentliche Quelle der späteren europäischen Musik betrachtet werden kann.
Die Aufzählung seiner Leistungen könnte noch Seiten füllen.
Zirjab entwickelte eine neue Lautenart, indem er zwischen die vier Saiten der herkömmlichen Laute eine fünfte spannte und das Griffbrett genau bemessen mit Bünden versah. Bis zur Gitarre war es nicht mehr weit.
Neben Zirjab gab es zahlreiche andere große Gelehrte, die sich unter anderem mit Musik auseinandersetzten.
Avicenna (980-1037), der eigentlich Abu Ali al Husain Ibn Abdallah Ibn Sina hieß und als bedeutendster Mediziner seiner Zeit gilt, war eine musikalische Autorität ersten Ranges.
Die Schriften Al Farabis zogen bis ins 17. Jahrhundert die Aufmerksamkeit der Musikwissenschaftler auf sich. Es ist unumstritten, daß diese beiden Gelehrten den Grundstein der Harmonielehre, die Definition der kleinen und großen Terz, gelegt haben.
Die Rolle Andalusiens als Kulturschleuse in der musikalischen Entwicklung des europäischen Mittelalters ist größer als allgemein angenommen wird.
Um dies besser zu verstehen, sollte man auf einige geschichtliche Tatsachen hinweisen. Zwischen dem 9. und dem 13. Jahrhundert schrieben die islamischen Gelehrten über 200 Musikabhandlungen. In den bedeutendsten Klöstern Europas waren diese Bücher bekannt. Nicht nur die Instrumente wie Fiedel, Laute, Psalterion und die altgriechische Orgel, die Vorfahren von Geige, Gitarre, Cembalo bzw. Klavier und Orgel wurden nachgebaut und verfeinert, sondern auch die Musiktheorien wurden sorgfältig studiert und angewandt. Diese Tatsache wird offensichtlicher, wenn man die mittelalterlichen Gesänge der spanischen und südfranzösischen Christen sowie die gregorianische Musik mit dem, was von den Liedern der arabischen Andalusier übriggeblieben ist, vergleicht.
Die Troubadoure, die Minnesänger dieser Zeit, die von einem Land zum anderen reisten, die Zigeuner und die Juden waren die wichtigsten Kulturbotschafter, ohne die all jene Abhandlungen bloße Theorie geblieben wären.
Die Wißbegier der Menschen kann man selten durch künstliche Schranken des Fanatismus und der Engstirnigkeit bändigen. So kamen nicht nur die schönen Seidentücher und aromatische Gewürze über Spanien vom Orient zum Okzident.
- Kamaleddin Mazlumi
 
Kamaleddin Mazlumi wurde 1953 in Shahi, Iran geboren, studierte persische und europäische klassische Musik, unterrichtet die Instrumente Santur, Geige, Gitarre und Tombak (persische Trommel). Konzerttätigkeit auf diesen vier Instrumenten.
Sein Repertoire umfaßt sowohl orientalische als auch westliche Musik. Dabei experimentiert er auch mit der europäisch gestimmten Santur, um das Völker verbindende Element der Musik zum Ausdruck zu bringen.
  
 
      
- Fotos: TEMPORA
 
Cordoba[Bearbeiten]
Ein Muster für Wohlstand und Fortschritt im 9. Jahrhundert
  
Wenn wir in der Lage wären, um das Jahr 950 einen Blick aus der Vogelperspektive über die
Stadt Cordoba im andalusischen Spanien zu werfen, würden wir eine Großstadt vorfinden,
die heute in verschiedenen Bereichen der Gesundheit, Bildung, Infrastruktur und Architektur
als Vorzeigemuster für jedes der hochentwickelten Länder der Welt dienen könnte. Von 
den literarischen und künstlerischen Fähigkeiten seiner Bewohner ganz zu schweigen.
In einer Zeit, in der keine Stadt im restlichen Europa eine höhere Schule oder eine nennenswerte Bibliothek besaß, nirgends ein öffentliches Bad oder Krankenhaus sich befand, in der die Straßen der Stadt ungepflastert und schmutzig und in der Nacht unbeleuchtet waren, verfügte Cordoba mit seinen insgesamt 28 Vorstädten +übr 80 öffentliche Schulen, 17 höhere Lehranstalten und Hochschulen, 20 öffentliche Bibliotheken, 300 Bäder, 50 Hospitäler, nur um einige Beispiele zu nennen. Es ist klar, daß eine solche Lawine von Zivilisation nicht an irgendeiner Grenze aufgehalten werden konnte, obwohl es sicherlich nicht einfach war, die anderen Völker davon zu Überzeugen, denn die Cordobaner mit Ihren 600 Moscheen waren keine Christen.
Die Franzosen brauchten fast 200 Jahre, um ein paar Straßen von Paris nach dem Vorbild der andalusischen Metropole zu pflastern, und die Kölner hatten laut „Kölnische Zeitung“ vom 28. März 1819, also fast 900 Jahre später, immer noch gewisse Schwierigkeiten mit den Errungenschaften der Zivilisation. Diese Zeitung schrieb: „Aus theologischen Gründen ist die Beleuchtung der Straßen durch Gaslaternen verwerflich, da die göttliche Ordnung und Finsternis nicht vom Menschen zerstört werden darf.“
Trotz soviel Wohlstand und Fortschritt haben die Menschen im arabischen Teil Spaniens sich nicht dem Müßiggang und maßlosen Vergnügungen hingegeben, sondern ihre Erfüllung in einem menschenwürdigen und gottgefälligen Leben gesucht. Der Herrscher, der über das damals bevölkerungsreichste Land Europas herrschte und eine Armee zur Verfügung hatte, die hochdiszipliniert und bestens ausgebildet war, durchdrungen von wissenschaftlichen Kenntnissen und beseelt vom gleichen Geiste des Glaubens wie das Volk, förderte unermüdlich die geistige und kulturelle Entwicklung seiner Untertanen, ob diese Moslems waren oder nicht. Alle Kalifen von Andalusien pflegten gute Beziehungen zu Ihren christlichen Nachbarn und versuchten nicht, ihr Herrschaftsgebiet zu erweitern.
- Kamaleddin Mazlumi
 
- Große Moschee in Cordoba
 
Das Theater als geistiger Impulsgeber[Bearbeiten]
Als Friedrich Schiller vor über 200 Jahren seinen berühmten Aufsatz „Die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet” (1784) schrieb, befand er sich in einer Situation, die unserer heutigen in vielen Punkten ähnlich war. Die gesellschaftliche Ordnung des Adels befand sich im Endstadium des Verfalls, hervorgerufen durch die jahrhundertelange Mißachtung geistiger Werte, durch Korruption und einen rücksichtslosen Materialismus der herrschenden Kräfte.
Die christliche Religion hatte durch engstirnigen Dogmatismus und ihr Bündnis mit dem Adel ihre Rolle als geistiger Impulsgeber weitgehend verspielt. Eine ihrer Aufgaben, die Einforderung der Menschenrechte, war von der Aufklärungsphilosophie übernommen worden.
Zu diesem Zeitpunkt suchte Schiller nach einem Mittel, das die ursprünglich der Religion eigene Aufgabe der „Erziehung des Menschengeschlechts“, wie Lessing es formulierte, übernehmen konnte. Er fand es im Theater.
„Die-Schaubühne ist mehr als jede andere öffentliche Anstalt des Staates eine Schule praktischer Weisheit, ein Wegweiser durch das bürgerliche Leben, ein unfehlbarer Schlüssel zu den geheimsten Zugängen der menschlichen Seele“
Das Theater als moralische Instanz, als ein Ort der Selbst- und Welterkenntnis, der „Vergnügen mit Bildung“ verbindet und „Menschen aus allen Kreisen und Zonen und Ständen(...), durch eine allwebende Sympathie verbrüdert, in ein Geschlecht wieder aufgelöst (...), ihrem himmlischen Ursprung“ näher kommen läßt - das war Schillers große Vision.
Ich wage zu behaupten, daß es die Größe dieser Vision war, die Schillers und seines Wahlverwandten Goethes Werken bis heute ihre klassische Bedeutung verlieh und sie zum Erziehungsmittel der nachfolgenden Generationen werden ließ.
Im zwanzigsten Jahrhundert hat noch einmal Brecht den Versuch unternommen, eine 
Theorie des Theaters zu entwickeln, die den gesellschaftlichen Zuständen und der 
menschlichen Psychologie gerecht werden sollte. Er ging allerdings von Voraussetzungen 
aus, die seinen Überlegungen eine eingeschränktere Wirksamkeit verliehen. Brechts 
Prämisse war ein Gesellschaftsbild einander bekämpfender Klassen, er folgerte
daraus, Literatur habe der unterdrückten Klasse zur Erkenntnis ihrer Lage zu 
verhelfen und zum Hilfsmittel gesellschaftlicher Umwälzungen zu werden.
Brecht hielt die gefühlsmäßige Identifikation mit den Akteuren der Bühne für ein ungeeignetes Mittel, um Menschen zur Einsicht zu bringen, daß sie sich selbst und die Welt verändern müßten. Brechts Theater sollte die gesellschaftlichen Zustände studieren und „Mittel ausfindig machen, welche die betreffenden schwer ertragbaren Zustände beseitigen konnten“, seine Theorie des „Epischen Theaters“ mißt vor allem der nüchternen Distanz rationaler Erkenntnis eine verändernde Kraft zu. Damit verzichtet er darauf, die Macht starker Gefühle zu nutzen, die mehr als der Verstand Menschen zum Handeln motivieren kann.
In seinem Aufsatz „über Anmut und Würde“ hatte Schiller in einer Kritik der einseitigen
Verstandesorientierung der Philosophie Kants auch die Schwächen des Brechtschen
Ansatzes benannt.
Sein Erziehungsideal einer „schönen Seele“ meint einen Menschen, der „seiner Vernunft mit Freuden gehorcht“, bei dem das „sittliche Gefühl“ mit dem kritischen Verstand eine Einheit bildet.
 
Handelt der Mensch bloß aus moralischem Pflichtbewußtsein, aus Erkenntnis, und nicht auch aus gefühlsmäßiger Neigung, aus innerer Hingabe an das Gute, so besteht nach Schiller jederzeit die Gefahr, daß der „Naturtrieb im Affekt eine vollkommene Zwangsgewalt über den Willen” ausübt und die „Sittlichkeit“ der „Sinnlichkeit“ geopfert wird.
[Seite 13]
Schiller hält aus diesem Grund die Charakterbildung des Menschen für den Schlüssel 
zur Verbesserung der Welt. Die Hoffnung, die Brecht mit anderen Anhängern der 
kommunistischen Ideologie teilte, man brauche nur die gesellschaftlichen Strukturen 
zu revolutionieren, damit der Mensch gut werde, ist inzwischen historisch 
widerlegt worden.
Beiden Autoren gemeinsam war ein Wille zur Veränderung einer als menschenunwürdig 
empfundenen Welt. Ihre Visionen einer Gesellschaft der Brüderlichkeit waren so ähnlich
wie ihre methodischen Ansätze verschieden sind. Daß ihre Stücke heute noch Impulse 
geben können, liegt vermutlich an den ihnen zugrundeliegenden Motiven und ihrer 
Fähigkeit, die Nöte ihrer Zeit realistisch darzustellen.
Der Gedanke, daß Literatur die Aufgabe haben könnte, geistige Impulse zu setzen, 
die Menschen motivieren, ihre Welt menschenwürdiger zu gestalten, scheint in der 
zweiten Häfte des 20. Jahrhunderts weitgehend abhanden gekommen zu sein. Er wird
häufig als unliterarisch diffamiert. Historisch ist das verständlich, denn 
Literatur wurde in unserem Jahrhundert bereits zweimal als Instrument politischer 
Zielsetzungen mißbraucht. Die Tatsache, daß die nicht parteipolitisch kompromittierte
Literatur des 20. Jahrhunderts häufig Anklage und Beschreibung unmenschlicher 
Zustände war, hängt sicherlich mit der Wirklichkeit zweier Weltkriege und der sie 
ermöglichenden gesellschaftlichen Strukturen zusammen.
Wenn Kritiker heute behaupten, Literatur könne auch in Zukunft nur Beschreibung des Bestehenden, Anklage, Provokation oder l’art pour l’art, also Selbstzweck sein, übersehen sie die historische Bedingtheit dieser Art von Literatur. Daß die Literatur vergangener Jahrhunderte immer auch die positiven Ideen und Strömungen der Zeit widerspiegelte, wird dabei unterschlagen.
In dem Maße, wie in unserer Zeit positive Visionen, zukunftsorientierte Ideen und
neue Ansätze für die Lösung der dringenden Probleme dieses Planeten entwickelt und 
wahrgenommen werden, wird sich auch zunehmend eine Literatur herausbilden, die diese 
neuen Impulse zum Ausdruck bringt und sie verbreiten hilft.
Wesentliche Merkmale dieser Literatur werden ihre Vielfalt und ihre globale Orientierung sein.
Globale Orientierung bedeutet, der Tatsache Rechnung zu tragen, daß wir alle auf einem rasch zusammenwachsenden Planeten leben und unser Handeln Auswirkungen auf jedes andere Mitglied der menschlichen Rasse hat. Dies führt zwangsläufig zum Gedanken globaler Gerechtigkeit, zu einer Vision gleichberechtigter Weltbürger.
Der Aspekt der Vielfalt, die die kulturelle und individuelle Verschiedenartigkeit der Menschen widerspiegelt, wird ein tieferes Verständnis für die Eigenarten der Kulturen ermöglichen und gleichzeitig das Gemeinsame bewußt machen. Dadurch werden Vorurteile abgebaut und Horizonte erweitert werden können.
Literatur wird auf diese Weise ihre erzieherische Aufgabe wiedergewinnen, die Aufgabe geistige Impulse zu setzen, die Menschen helfen, über sich selbst hinaus zu wachsen und ihrer göttlichen Bestimmung näher zu kommen.
„Welche Verstärkung für Religion und Gesetze, wenn sie mit der Schaubühne in Bund treten“, hatte schon Schiller in seinem oben zitierten Aufsatz formuliert.
Um ein Höchstmaß an Wirksamkeit gewinnen zu können, müßte das Theater in zwei Richtungen Impulse setzen: Es müßte eine anziehende und eine abschreckende Funktion haben.
Indem es vorführt, welche Folgen egoistisches, materialistisch orientiertes Handeln hat,
ermöglicht es Einsichten in die geistigen Gesetzmäßigkeiten der Welt, indem es positive 
Alternativen aufzeigt, läßt es die Größe der menschlichen Bestimmung erahnbar werden. 
Aus dieser Polarität von Anziehung und Abstoßung ergibt sich die Möglichkeit, erzieherisch 
auf den Betrachter zu wirken. Verstand und Gefühl müssen dabei gleichermaßen angesprochen 
werden. Erkenntnis und emotionale Identifikation sind die beiden Hauptfaktoren, die 
Menschen zum Handeln motivieren können. Bei-
[Seite 14]
 
damit der Wille zur Veränderung dauerhaft mobilisiert werde.
So wenig wie aus dem reinen Denken, das aus der Distanz heraus stattfindet, ein Antrieb zum Handeln gewonnen wird, so wenig garantiert die gefühlsmäßige Verbindung mit einem Gegenstand eine klare Orientierung. Erst wenn Verstand und Gefühl als Polaritäten vereint und ins Gleichgewicht gebracht werden, kann daraus fruchtbares Handeln erwachsen. Dies kann als Aufgabe von Literatur, insbesondere von dramatischer Kunst verstanden werden.
Aus dem Gesagten wird verständlich, daß die Literatur des 20. Jahrhunderts, die eher
Kritik am Bestehenden war und wenig positive Visionen darstellte, eine einseitige 
Erziehungsfunktion ausübte. Sie machte ihre Leser zu scharfsichtigen Kritikern, im 
Extremfall zu Zynikern und Weltverächtern, zu Einäugigen, die häufig den Sinn für das
Konstruktive verloren. Damit leistete sie ungewollt einer egozentrischen Weltsicht 
und Einstellung Vorschub, die individualistische Distanz zur Realität übte und 
dadurch Ohnmachts- und Resignationshaltungen verstärkte.
Aus einer Literatur, die von ihrer Funktion her ursprünglich der Kommunikation und Realitätsbewältigung diente, degenerierte sie in Teilbereichen zum Ausdrucksmittel intellektueller Überheblichkeit und zum Vehikel des Rückzugs in den Elfenbeinturm.
Es ist aufschlußreich, daß dieses Phänomen der Kunst um ihrer selbst willen, bzw. der Kunst
als reinem Unterhaltungsmittel vor allem in Epochen des gesellschaftlichen und Werteverfalls
auftritt. Zur Zeit des Niedergangs des römischen Weltreiches war dies der Fall. Goethe
und Schiller standen vor einer ähnlichen Situation, dem Zersetzungsprozeß der 
Feudalgesellschaft. Deren künstlerischer Ausdruck erschöpfte sich in formalistischen 
Wiederholungen und in selbstgefälliger, lustorientierter Unterhaltungsliteratur. Es war 
das große Verdienst der Klassiker, das Mittel der Literatur als Instrument einer 
einheitsstiftenden, humanen Erziehung wiederzuentdecken und weiterzuentwickeln.
Heute, im Zeitalter einer noch weitgehend anarchischen und inhumanen Globalisierung, im Zerfallsstadium der spätkapitalistischen Gesellschaft, sollte ihr Beispiel ermutigen.
Es ist höchste Zeit und geradezu überlebenswichtig, die Literatur, das Theater wieder zum Erziehungsmittel zu machen, zu einem Medium, das die fortgeschrittensten geistigen Impulse der Zeit lebendig werden läßt und damit zum Katalysator menschlicher und gesellschaftlicher Weiterentwicklung wird.
   
- Text und Zeichnungen Roland Greis
 
Zeitblende[Bearbeiten]
ORT DER BEGEGNUNG
Im Rahmen eines Wettbewerbs zur Gestaltung des Vorplatzes der Markthalle von Osnabrück 
schuf die Künstlerin Henriette Echghi-Ghamsari eine bemerkenswerte Skulptur.
Die darin verwendeten Formen des Kreises, der Spirale und des Pentagramms symbolisieren die Elemente des Dialogs, des Wachstums und der Entwicklung sowohl des einzelnen Menschen als auch der Menschheit.
Aus einer quadratischen Grundfläche von 10 x 10 Metern wächst eine kreisförmige Skulptur von 9 Metern Durchmesser, deren abgestufte Segmente ein sich nach außen öffnendes Amphitheater bilden. Aus den 9 äußeren Absätzen ragen 9 Säulen aus Graugußlegierung empor, an denen Texttafeln mit Zitaten aus den Weltreligionen angebracht sind: sichtbare Wegweiser und Begleiter der menschlichen Entwicklung über die Jahrtausende.
Die Jury, die das Modell in die Auswahl der acht besten Entwürfe aufnahm, hob besonders die kommunikative Bedeutung der Skulptur hervor, deren Form zum Begehen einlädt, geistige Inspirationen vermittelt und die Möglichkeit zum gemeinsamen Niederlassen und Gespräch oder zur ruhigen Betrachtung bietet.
Im Mittelpunkt der Skulptur befinden sich in der Form des Pentagramms (Fünfecks) angeordnet 5 Elemente von unterschiedlicher Form, Größe und Material. Sie symbolisieren sowohl den Menschen als auch die unterschiedlichen Rassen und die 5 Kontinente. Die grundlegende Idee der Skulptur, das Prinzip der EINHEIT IN DER VIELFALT, ist von der Künstlerin in beispielhafter Weise umgesetzt worden. Die reduzierte und gleichzeitig sehr klare Gestaltung regt an zum Nachdenken über den Weg und die Entwicklung, die die Menschheit genommen hat und in Zukunft nehmen könnte, ein Thema, das auch auf der EXPO 2000 im Mittelpunkt stehen wird. Deshalb erwägt die Künstlerin zur Zeit Möglichkeiten einer Realisierung auf der EXPO 2000.
 
- Foto: Henriette Echghi-Ghamsari
 
INTERNET
Auch wenn die Nutzung der virtuellen Welt durch Kulturbeauftragte erst am Anfang 
steht, ist die Auswahl, die sich dem Websurfer inzwischen bietet, beachtlich. 
Museen weltweit stellen ihr Angebot vor, Kunstwerke können ohne Rücksicht auf 
Öffnungszeiten oder Warteschlangen betrachtet werden, Übersichten wecken Appetit 
auf Kunst, von der auf herkömmlichem Weg nur eine verschwindend kleine Minderheit 
überhaupt etwas gehört hätte. Darüber hinaus birgt das Internet unerwartete Chancen: 
die Betrachtung von Kunstwerken, deren Empfindlichkeit einen direkten Kontakt mit 
der Masse der Interessenten verbietet, so geschehen im Falle der überaus kostbaren 
Steinzeitmalereien in den Höhlen von Ardeche. Bereits zwei Monate nach ihrem 
Auffinden waren sie der Öffentlichkeit weltweit via Internet zugänglich.
Interessante Webadressen sind z.B.:
die Hamburger Kunsthalle:
http://www.hamburg.de/Behoerden/Museen/kh
Kunsthalle Emden:
http://www.et-inf.fho-emden.de/Kunsthalle/kunsthalle.html
Guggenheim-Museum New York:
http://math240.lehman.cuny.edu/gugg/srgm.html
Louvre Paris:
Durchaus auch beispielhaft die Adresse des französischen Kulturministeriums, 
das neben einer breiten Kunstpräsentation u.a. per Internet nach Besitzern 
von aufgefundener Kunstraubbeute fahndet: http://www.culture.fr
Neben der herkömmlichen Kunst bietet das www natürlich noch die völlig neue Welt der Webart: internetspezifische Kunst. Kunst, die nur durch die technischen Möglichkeiten dieses Mediums entstehen kann. Es tummelt sich da einiges auf dem „Markt“, die Auswahl der Beispiele ist willkürlich:
Internet Gallery Rhein-Neckar-Dreieck (Künstlerprojekt)
http://www.she.de/gallery/ und
DER TIEGEL (Netzkunst und interaktive Projekte):
http://members.aol.com/tiegel/info.htm
KUNST-WETTBEWERB IM INTERNET
„Gerade die Kooperation mit dem Theater, dem Tanz, dem Film, dem Fernsehen, den Museen - der Kunst - wird zu neuen Fragestellungen führen, die den fortschrittsbestimmten Industriepartnern die Notwendigkeit der Reflexion und die „Ethik der Erhaltung“ (Hans Jonas) vor Augen führen.“ Unter diesem Geleitwort von Monika Fleischmann, künstlerische Leiterin des Cyberstar, lobt der WDR Köln mit verschiedenen Projektpartnern den Wettbewerb „Shared Visions - Cyberstar 98" aus.
ZIEL DES WETTBEWERBES: 
„Der Cyberstar wurde Initiiert, um für die Verschmelzung der traditionellen Rundfunkmedien mit der Computer- und Netztechnik geeignete Ausdrucksformen zu finden.“
Infos unter: http://www.wdr.de/cyberstar/
Die ZEIT, IBM, Radio Bremen und ARD online sowie das 
„Zentrum für Kunst und Medientechnologie“ (ZKM) Karlsruhe schreiben unter dem 
Namen „Pegasus 98“ einen Wettbewerb aus, bei dem Sprache mit den ästhetischen 
und technischen Mitteln des Internets verknüpft werden soll, um neue Ausdrucksformen 
zu entwickeln.
Der Preis wird in zwei Kategorien vergeben:
- allgemeiner Wettbewerb „Pegasus“
 - (für alle Interessenten) und
 - Jugendwettbewerb „e-generation“
 - (für 14 bis 20 jährige)
 
Infos unter: http://www.pegasus98.de/
PORTRAIT
Mark Tobey[Bearbeiten]
Mark Tobey in eine bestimmte Kunstrichtung einzuordnen, ist bis heute kaum möglich, noch wäre es sinnvoll. Er selbst kritisierte zuweilen, wie oft sein Œuvre unsinniger Weise so nonchalant in die Nähe des Action-Painting oder des Informel gerückt werde, obwohl weder das eine noch das andere auch nur irgend etwas mit seinen eigenen Intentionen verband.
Am Beginn seines malerischen Schaffens beeindruckten ihn Werke Holbeins d.J., von John S. Sargent und die großen Zeichner der Renaissance. Später waren es Rembrandt, El Greco und vor allem Turner, daneben aber auch die visionären Studien William Blakes, denen er Bewunderung zollte. Die zeitgenössischen Strömungen vor allem der zweiten Jahrhunderthälfte schätzte er wenig und vermied jegliche Zugehörigkeit zu einer Künstlergruppe.
Seine befruchtendsten Anregungen verdankte Tobey aber der ostasiatischen Kunst und Philosophie. Doch wäre die Formel zu einfach, das Œuvre des Meisters sei - zumindest seit seinen ersten »WHITE WRITINGS« ab 1935 — nur eine abendländische Nachempfindung der Zen-Malerei. In stetem Üben lernte Mark Tobey nicht nur die östliche Pinseltechnik und Kalligraphie in ungewöhnlicher Perfektion zu beherrschen: In ihnen fand er, tief beeindruckt von östlichem Gedankengut, die seiner kosmogenen Weltsicht adäquaten Ausdrucksmittel.
Die ostasiatische Kunst bestärkte seine Überzeugung, daß alles in steter Bewegung sei, daß die festen (perspektivischen) Formen aufgelöst und durchscheinend gemacht werden müssen, um so Raum und Zeit durch die »Living Line« spürbar zu machen. Wie falsch es wäre, in ihm nur einen abendländischen Zen-Maler zu sehen, wird schon dadurch belegt, daß seine persönliche religiöse Anschauung andere Wege ging: Schon 1918 bekannte er sich zu der Glaubenslehre der Bahá’í.
Auch ein weiteres zentrales Antriebsmoment im Schaffen des Künstlers wird meist zu wenig beachtet, obwohl zahlreiche Bildtitel einen Hinweis geben: Mark Tobey war ausgebildeter Musiker. Er hatte Klavier, Querflöte und Komposition studiert, und wir kennen eine stattliche Reihe bemerkenswerter Zeugnisse seines musikalischen Schaffens. Wer mit ihm befreundet war, weiß, wie gerne der Meister seine Arbeit (gerade während kritischer Phasen) unterbrach, sich versonnen an seinen Flügel setzte, oder zur Flöte griff, um nach einiger Zeit — wie neu beflügelt - erleichtert und entschieden weiterzumalen, als lasse ihm die aufatmende Seele wieder frische Kraft zufließen.
Solch pulsierende Rhythmik, dieses melodische An- und Abklingen einzelner Themata, die immer in einer allgegenwärtigen Grundtonart schwingen, - all das, gerade seinem Spätwerk auf so unverwechselbare Art eigen, mag hier seinen Ursprung haben.
„Alle Menschen tragen gegenseitige Verantwortung und das Versäumnis, uns dessen nicht bewußt zu sein bringt Beschränkungen und Trennungen in die Gesellschaft, für die die Gemeinschaft als Ganzes den Preis eines geringeren Wachstums bezahlen muß. Wenn die Menschen in jeder Art Gesellschaft lernen, daß Kunst ein tätiger Bestandteil ihres Lebens wird, werden sie dadurch mehr Lebensinhalte entdecken, eine neue Art des Hörens und Sehens... bis zur Vision des Ganzen....“
- Mark Tobey
 
Ihre charakteristische Gestaltkraft empfangen Tobeys Bilder im wesentlichen aus dem lebendigen Duktus seiner Pinselschrift. Sie wollen nicht bloß erschaut, sondern erlesen werden. Wir finden keine dominierenden Formen, keine großen Farbflächen. Bei jedem erneuten Betrachten muß und soll sich unser Auge anders einstellen: »moving focus« nannte Tobey diese Aufforderung an den Betrachter, dem er eine Vielzahl einzelner Struktursysteme darbietet, von denen jedem, gleich einem Grund- oder Seitenthema im Gesamtkanon, eine eigenständige, in sich gefügte Ordnung zukommt.
Sich nach allen Richtungen überlagernde, oft linienförmige Elemente schaffen 
eine phantastisch anmutende Raumtiefe, die den einzelnen Systemen der vielfältigen 
Bildräume ihre Gültigkeit gibt. Die ständig wechselnden neuen Zuordnungsmöglichkeiten, 
zu denen der Betrachter förmlich verführt wird, schaffen die vehemente Dynamik seiner 
Bilder: Kalligraphische Linien und Pinselschwünge scheinen nicht mehr in einer 
ebenen Bildfläche
[Seite 17]
zu verlaufen; sie durchdringen und verbinden die vielfältig entstehenden Struktursysteme 
zu einem meta-perspektivischen Gesamtbild.
Das Betrachten von Tobeys Bildwerken ist stets ein kontemplativer, anregender, aufregender Akt - und so verwundert es nicht, daß er, von den großen repräsentativen Auftragsarbeiten abgesehen, meist mittlere oder kleine Formate bevorzugte.
Für Tobey ist das vorgestellte Kunstwerk nur Kondensationskern. Das Eigentliche, meinte er, finde hinter der Retina (des Betrachters) statt. Seine Bildelemente sind deshalb sehr bewußt auf einen überschaubaren intimen menschlichen Umraum abgestimmt; vergrößern oder verkleinern wir sie mit optischen Hilfsmitteln, werden wir erstaunt entdecken, wie sie sofort an Intensität verlieren. (Bitte bedenken Sie dies, wenn Sie Abbildungen betrachten!)
„Am liebsten entdecke ich in der Natur, was ich durch meine Malerei erreichen will. Gelingt es uns, das Abstrakte in der Natur aufzuspüren, finden wir zur tiefsten Kunst.“
- Mark Tobey
 
(aus dem Amerikanischen übertragen von Mario Lobmeyr)
Schließen wir aber einmal nach dem eingehenden Betrachten (selbst eines kleinen Formates) die Augen - und wir finden uns eingewirbelt in einen geradezu kosmischen Um-Raum. Ja, einem geübten Betrachter, der sich einem Tobey hinzugeben vermag, kann es geschehen, daß er mit seinem geistigen Auge meditierend mitgerissen wird in einen dynamischen, nicht mehr perspektivisch faßbaren, kugelförmig infiniten Raum des Weltgeschehens.
Gestalt gewordene Sphärenklänge!
- Mario Lobmeyr
 
 
- Die Edition de Beauclair in München, Gabelsbergerstr. 17,
 - hat das originalgraphische Œuvre des Künstlerfreundes verlegt.
 
Es mag verwundern, wieso Werke kleinen Formats von Klee oder Tobey uns weit mehr überzeugen als die ausladenden Kompositionen anderer berühmter Zeitgenossen. Es wird daran liegen, daß eine übersteigerte Sprache über ihr Ziel hinausschießt und uns den wahren Genuß vorenthält. Die Selbstbeschränkung eines Tobey oder Klee berührt uns stärker, weil ehrliche Beredsamkeit eine Gabe des Herzens ist.
- Michel Seuphor
 
 
Tobey baut seine Traumwelten aus ungewöhnlicher Tiefe auf. Der Religion, den Philosophen und Weisen innig zugeneigt, kennt er die Wahrheit in Meister Eckharts Worten: „Die Schale muß zerbrechen, soll herauskommen, was darinnen ist.”
Wie die Dichtung und die Musik enthalten seine Bilder das Element der Zeit; sie entfalten ihr Innerstes nur nach und nach. Man muß sich ihnen mit wacher Vorstellungskraft nähern, muß sie lesen, muß ihre Symbole zu deuten suchen. Dem, der ihnen mit dem inneren Ohr zu lauschen weiß, offenbaren sie ihr eigentliches Wesen.
- Lyonel Feininger
 
 
In Tobeys Bildern haben wir die Genesis der Schrift.
- Paul Klee
 
- Lilie
 
- Du bist wie die Lilie eines Gartens unter weißem Mondlicht.
 - Aufrecht stehst du, bewegungslos und geheimnisvoll.
 
- Kein Lüftchen rührt sich, um deinen Duft zu vertreiben,
 - und keine Biene findet ihren Weg in dein goldenes Herz.
 
- Der Mond und die Sterne
- sind eifersüchtig auf deine Keuschheit,
 - denn ihre Blicke haben sich auf dich gerichtet;
 
 
- Aber du bist die Reinheit der Nacht,
- unberührt und unbekannt.
 
 
- Die rastlosen Strahlen des Springbrunnens steigen hoch,
- damit sie dir zusehen können,
 - wie du dich in ihren silbernen Armen spiegelst.
 
 
- Die Schönheit der Nacht gehört dir -
 
- Und deine Antwort liegt in der Würde deines Schweigens.
 
- Mark Tobey
 
- Übersetzung von Hans Knospe
 
   
Mark Tobey 
- 1890 - 1976
 
1890 . . . Am 11. Dezember wird Mark Tobey als Sohn einer Farmer- und Zimmermannsfamilie in Centerville, Wisconsin, geboren. Nach dem Besuch der Dorfschule absolviert er in Hammond, Indiana, die Highschool und nimmt gleichzeitig am Art Institute in Chicago ersten künstlerischen Unterricht.
1909 . . . Die Familie übersiedelt nach Chicago. Der Tod des Vaters zwingt Mark Tobey, sein Kunststudium aufzugeben und sich einen Broterwerb zu suchen. Als Angestellter in einem Studio für Modezeichnungen beginnt er, seine zeichnerische Begabung auszuwerten.
1917 . . . Dieses Jahr bringt erste Anerkennung: Die Galerie Knoedler in New York veranstaltet eine erste Einzelschau seiner Portraits. Doch Tobey will nicht Portraitmaler werden. Er liebt seine Unabhängigkeit über alles, lehnt weitere Portraitaufträge namhafter Persönlichkeiten ab und lebt stattdessen von Entwürfen für Innendekorationen.
1918 . . . Tobey begegnet der Malerin Juliet Thompson, die der Bahá’í-Religion angehört. Tobey gewinnt die Überzeugung, in diesem Glauben die Erfüllung seines religiösen und menschlichen Wollens gefunden zu haben.
1922 . . . Mark Tobey übersiedelt nach Seattle und übernimmt dort ein Lehramt für Malerei an der Cornish School. Seine Lehrtätigkeit läßt ihm genügend Freiraum, um seine eigenen Studien fortzusetzen: Er entdeckt den europäischen Kubismus und die asiatische Malerei. Daneben beginnt er, Gemälde und Webereien der Tlingit- und Haida-Indianer zu sammeln.
1923 . . . Er lernt den chinesischen Studenten und Maler Teng Kuei kennen, der ihm den Geist und die Technik der ostasiatischen Malerei nahe bringt. Tobey erkennt schnell, daß ihm diese Kunst einen neuen Weg ureigenster Aussage eröffnet.
1927 . . . Er beginnt sich mit persischer und arabischer Literatur zu beschäftigen, um tiefer in den geistigen Wesensgrund seines neuen Glaubens einzudringen. Bis 1930 lebt er abwechselnd in Seattle, Chicago und New York.
1929 . . . Alfred H. Barr hatte einige Arbeiten von Mark Tobey entdeckt, die ihn so sehr begeisterten, daß er sie in die ständige Ausstellung »Painting and Sculpture by living American Artists« in das Museum of Modern Art aufnimmt.
1930 . . . Nach einem Besuch Mexikos wird Mark Tobey als Lehrer nach Devonshire in England an die Dartington Hall School berufen. Diese privat getragene Ausbildungsstätte hatte es sich zur Aufgabe gemacht, östliches und westliches Ideengut zu verbinden. Hier begegnet Tobey bedeutenden Persönlichkeiten beider Hemisphären. Zu seinem Freundeskreis zählen neben anderen Aldous Huxley, der Sinologe, Dichter und Übersetzer Arthur Waley, Pearl S. Buck, Rabindranath Tagore und Rudi Shankar. Reisen durch Europa und nach Palästina.
1934 . . . In Dartington reift der Entschluß, Asien zu erleben: Er fährt nach Schanghai, wo er Teng Kuei wiedertrifft. In Japan verlebt er später einige Zeit in einem Zen-Kloster in Kyoto, wo er die Zen-Lehre und -Malerei weiterstudiert, sich auch in japanischen Formen der Hai-Ku Dichtung übt und vor allem mit der Kalligraphie beschäftigt. Hier vertiefen sich jene entscheidenden Impulse, die sein Lebenswerk so nachhaltig befruchten sollten.
1935 . . . bis 1960 wählt Tobey Seattle zu seinem bevorzugten Domizil. Hier erhält er 1940 den ersten Preis der Worthwest Annual Exhibition des Seattle Art Museums, nachdem ab 1935 seine ersten »WHITE WRITINGS« entstanden waren.
1944 . . . findet die erste große Einzelausstellung in der Willard Gallery in New York statt, die von nun an regelmäßig Mark Tobeys Werke zeigen wird.
1955 . . . Die internationale Anerkennung setzt sich mit der ersten Einzelausstellung in Europa fort, die ihm die Galerie Jeanne Bucher in Paris ausrichtet. Einladungen nach England und in die Schweiz folgen.
1956 . . . Wieder zurück in Seattle, erhält Mark Tobey den Nationalpreis der Guggenheim-Foundation und wird ständiges-Mitglied des National Institute of Arts and Letters. 1957 entsteht seine berühmte Folge von Sumi-Tuschen.
1958 . . . Mark Tobey ist mit 35 Werken auf der XXIX Biennale in Venedig vertreten, die ihm als erstem Amerikaner seit Whistler ihren großen internationalen Preis verleiht. Reisen nach England, Belgien, Italien und in die Schweiz.
1959 . . . Auftrag für das berühmte große Wandbild in der Washington State Library.
1960 . . . Für die letzten 16 Jahre seines Lebens nimmt Mark Tobey Wohnsitz in Basel. Die Kunsthalle Mannheim richtet ihm die erste Einzelausstellung in Deutschland aus. Eine Aufnahme in die Arnerican Academy of Arts and Sciences lehnt er mit der Begründung ab, er sei für diesen Kreis zu unakademisch.
1961 . . . Als erstem Nichtfranzosen wird dem Künstler die Ehre einer umfassenden Retrospektive im Musee des Arts Decorativs (Paris, Louvre) zuteil. Im Vorwort zum Katalog schreibt Mark Tobey: „The old Chinese used to say, „It is better to feel a painting than to look at it. So much today is only to look at.“
1962 . . . Große Retrospektive im Museum of Modern Art in New York. Reisen nach New York und Seattle.
1968 . . . Der französische Staat verleiht Mark Tobey auf Initiative des damaligen Kultusministers André Malraux den Orden »Commandeur de l’Ordre des Arts et des Lettres«.
1976 . . . Zahlreiche Ausstellungen in aller Welt ehren den Altmeister der amerikanischen Moderne. Am 24. April stirbt Mark Tobey nach schwerer Krankheit in Basel. Sein Werk jedoch lebt weiter.
- Meditation 18 x 28,5 cm
 
- Glowing Fall
 
- Serigraphie in 28 Farben
 - 33,5 x 48 cm
 
- Blossoming Moments
 
- Serigraphie in 35 Farben
 - 33,5 x 48 cm
 
Geschenk der Stille[Bearbeiten]
- Das Weltauge öffnen,
 - weit werden
 - und einströmen lassen,
 
- einatmen mit allen Sinnen,
 - absichtslos,
 - mitschwingen,
 - der Bewegung nachspüren.
 
- Ausatmen,
 - und leer werden.
 
- Den farbigen Klängen
 - Nachlauschen:
 
- zu empfangen
 - den Funken des Lichts,
 - der die Seele in Brand setzt.
 
- Roland Greis
 
Anne Bahrinipour[Bearbeiten]
INTERVIEW
Ein Interview mit der Malerin ANNE BAHRINIPOUR
Frau Bahrinipour, aus welchen Motiven sind Sie Malerin geworden?
Gemalt habe ich schon als Kind sehr viel, und es gab keine Unterbrechung dieser Tätigkeit. Es geschah aus einer Sehnsucht heraus, die ich damals überhaupt nicht benennen konnte, aus Sehnsucht nach Ruhe, innerem Frieden und Harmonie.
Hat sich Ihre Motivation im Laufe der Jahre verändert?
Ich glaube, diese grundsätzliche Motivation hat sich nicht verändert. Aber die Ziele, das, was ich will, hat sich total gewandelt. Früher wollte ich vor allem sozialkritisch arbeiten.
Irgendwann hat sich dann dieser Schwerpunkt verändert, in Richtung auf das Schöne. Ich habe mich auf Aktzeichnen verlegt, habe aber spontan gearbeitet, spontan Stimmungen eingefangen.
Als ich Bahá’í wurde, hat sich das wieder gravierend verändert, weil ich das Bedürfnis entwickelte, nicht mehr realistische Abbildungen zu schaffen, sondern versucht habe, mehr mit den inneren Auge zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt habe ich angefangen, abstrakt zu arbeiten, habe mich gelöst von der menschlichen Darstellung und in den letzten Jahren eher dynamische abstrakte Bilder gemalt. Daraus habe ich dann Lebensrollen entwickelt, das sind lange, in einem fortlaufenden Prozeß gemalte Papierbahnen, in deren Gestaltung ich mich wie bei einem meditativen Tanz vertieft habe.
Dabei beginne ich mit der Tuschefeder. Die Tusche ist ein erdiges Material, das ich mit einer spröden Bambusfeder auftrage. Sie bietet ganz viel Widerstand, den ich überwinden muß.
Manchmal fließt sie kaum, manchmal kräftig, dann wieder versiegt sie, bildet Kleckse. Das wirkt sehr lebendig und abwechslungsreich.
Ich beginne immer mit dem Punkt, der für mich der Beginn des Lebens ist. Ich denke dabei an die Aussage aus den Verborgenen Worten von Bahá’u’lláh:
„Aus den Wüsten des Nichtseins ließ ich dich durch den Lehm Meines Befehls in Erscheinung treten.“
Je nach meinen inneren Gedanken entwickelt sich aus dem Punkt die Linie und es entsteht neue Form. Dann kommen die farblichen Elemente dazu, aber das Wesentliche ist für mich die Lebenslinie.
Die Tusche ist für mich das Lebensblut, sie repräsentiert Dynamik, Bewegung. Die Farbe ist für mich das Atmosphärische, die Stimmung, der Raum. Als Ausgangsfarbe wähle ich gelbe Sandtöne, das hat etwas Erdiges, Erdgebundenes, und das Blau ist das Unendliche. Beide Farben bilden die Polaritäten des Materiellen und des Geistigen, und mit diesem Kontrast beschäftige ich mich.
Die Formen bewegen sich im unendlichen Raum, sie schweben.
Welche Wirkung erhoffen Sie sich von Ihren Arbeiten?
Ich hoffe, daß der eine oder andere Mensch berührt wird von meinen Bildern. Ich weiß aber, daß nur wenige Menschen tatsächlich eine Beziehung zur modernen Malerei haben, besonders zur zeitgenössischen. Das ist schon immer ein Dilemma für den bildenden Künstler gewesen. Damit leben wir. Aber wenn man wirklich künstlerisch arbeitet, kann man nicht stehenbleiben.
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Meinen Sie eher gefühlsmäßig berührt oder denken Sie an geistige Impulse dabei?
Farben und Formen nehmen wir mit den Sinnen auf, sie ziehen uns an oder stoßen uns ab. Unsere Gefühle werden dadurch direkt angesprochen, entweder das Gesehene läßt uns kalt oder es erweckt Gefühle der Liebe, Sehnsucht usw. Wenn ich von einem Kunstwerk berührt werde, bekomme ich immer auch geistige Impulse.
Was bedeutet für Sie Kunst?
Kunst hat für mich etwas mit der Sehnsucht zu tun, mich selbst zu verstehen. Und auf diesem Wege hoffe ich, auch Gott näher zu kommen.
In den Selbstzeugnissen vieler bildender Künstler wird Kunst als liebende Hinwendung zur Schöpfung verstanden, als Versuch, den Gesetzmäßigkeiten des Schöpferischen nachzuspüren.
Hat Kunst für Sie etwas mit Liebe zu tun?
Ja. Das habe ich immer wieder beim Malen erlebt, daß eigentlich jede Veränderung nur möglich wurde durch Liebe. Da war immer ein wichtiger Impuls der Liebe, und der hat dann auch etwas bei mir oder in meiner Arbeit verändern können. Ich glaube, Veränderungen sind anders überhaupt nicht möglich. Die wichtigste Energie ist für mich die Liebe. Denn sie ist die Sehnsucht, dem Schöpferischen näher zu kommen.
Welchen Zusammenhang zwischen Ihrer Arbeit und Ihrem Glauben sehen Sie?
Seit ich vor 11 Jahren Bahá’í wurde, hat sich, wie ich schon sagte, meine Arbeit ganz stark zum Abstrakten hin verändert. Ich beginne überhaupt kein Bild mehr, ohne in den heiligen Texten zu lesen. Diese Texte haben eine ganz starke Wirkung auf mich, und das drückt sich auch in meinen Bildern aus. Ich habe mich so daran gewöhnt, daß ich ohne diese geistigen Impulse überhaupt nicht mehr das Bedürfnis habe, zu malen. Das gehört für mich dazu, und insgesamt hat mein Glaube eine wichtige Auswirkung auf meine Arbeit, weil sich meine Zielrichtung dadurch verändert hat.
In welche Richtung?
Meine Lebensziele haben sich verändert. Es geht mir um meine innere Einheit. Früher wollte ich die Welt verändern durch diese sozialkritischen Darstellungen. Aber ich weiß jetzt, daß ich mich erst selbst verändern muß, um überhaupt eine positive Veränderung bewirken zu können.
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Aus welchen Impulsen heraus malen Sie?
Ich versuche, das, was ich durch die Schriften Bahá’u’lláhs für mich erkannt habe, für andere zugänglich zumachen. Ob mir das gelingt, ist natürlich eine andere Frage.
Glauben Sie, daß Ihnen dies durch Performances noch besser gelingen kann als nur durch ein Bild?
Ja. Ich kann auf jeden Fall das, was ich im Bild ausdrücken will, was schwer übersetzbar ist, noch stärker verdeutlichen in einer einfachen symbolischen Körpersprache, weil viele Menschen einen Schlüssel brauchen, um meine Symbolik zu verstehen. Ich glaube schon, daß es schwieriger ist, mit abstrakten Bildern umzugehen, und ich möchte die Möglichkeit haben, mit Menschen über meine Bilder zu sprechen und Ihnen meine Gedanken näherzubringen, damit sie besser verstehen, was ich meine.
Beziehen Sie auch Texte in Ihre Performances mit ein?
Ja. Ich versuche, Texte von Bahá’u’lláh mit einzubeziehen. Ich träume noch von einer guten Verbindung bei Ausstellungen, ich überlege, wie ich am besten Texte und Bilder vereinen kann. Aber das Wichtigste ist die Stimmung, die das Bild selbst vermittelt, darauf muß ich vertrauen und daran arbeite ich weiter.
- ANNE BAHRINIPOUR:
 
- Studium der freien Kunst in Köln,
 - Dozentin für Aktzeichnen,
 - regelmäßige Ausstellungen in
 - verschiedenen Städten,
 - Mutter dreier Kinder
 
Fotos: TEMPORA, Leica R8
Mariposa & Atlantis[Bearbeiten]
Zeichen für die Wiederverzauberung der Welt
Auf Teneriffa entsteht eine ungewöhnliche Künstler- und Gelehrtenrepublik
Einst vermittelten sie die Werke junger Avantgarde-Künstler, engagiert und erfolgreich wie kaum jemand sonst in Deutschland. Kunstwerke vor allem entstanden aus Selbstsuche und Kulturkritik.
Sensibilisiert durch den Umgang mit Kunst liegt ihnen heute die Schönheit von Steinen, Erzen, Hölzern und Pflanzen am Herzen, die Wiederentdeckung ihres Zaubers und die Wiederverzauberung der Welt: eine Art holistischer Kunst (das frühere Wort für holistisch war “heilig“).
Die Rede ist vom Galeristenehepaar Helga und Hans-Jürgen Müller und ihrem Projekt Atlantis/Mariposa.
Eine Prophezeiung besagt, die versunkene Kulturinsel Atlantis würde zur Jahrtausendwende wieder auftauchen. Müllers wollen diesen Mythos nicht-materiell verstanden wissen - und ihm trotzdem eine materielle Manifestation geben: zuerst in einem Pilotprojekt namens Mariposa (span. für Schmetterling), später in Gestalt einer integrierten Künstler- und Gelehrtenrepublik unter dem Namen Atlantis.
Mariposa wächst bereits aus der Welt der Ideen in jene der Wirklichkeit.
Ort der Manifestation ist das Gebiet um einen historischen Ratsplatz der Guanchen-Könige, der Ureinwohner der Insel des ewigen Frühlings Teneriffa. Ein im ursprünglichen Wortsinne „ganzes“ und daher auch ganz anderes Dorf entsteht hier in unverwechselbaren Konturen.
Jedes Detail von Mariposa ist von Künstlerhand ausgewählt, gesetzt, gestaltet. Jeder Stein in seiner eigenen Schönheit und Skulpturhaftigkeit wahrgenommen - und integriert in neuen Wegen, Begrenzungen, Übergängen, Umfassungen, Plätzen, Podesten. Jede Farbe und Form in Beziehung gesetzt zu den umgebenden Farben und Formen. Jeder Blickwinkel bietet so neue kontrastierende oder komplementäre Harmoniespiele, jeder Ort andere Schwingungen. Diese Qualität springt auf den Menschen über, verzaubert seine Seele.
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In diesem “Hanggartendorf“ mit Atlantikblick wurden bisher realisiert:
- Seminarhaus. In dessen Hauptraum wurden die Wände als Erdhalbkugel aufgefaßt. Alle bekannten Ziffernsysteme der Welt - insgesamt 72 - wurden von der Künstlerin Rune Mields in Form des Saturnquadrates jeweils dort plaziert, wo die Länder (der Raum ist in 360° eingeteilt) zu finden sind. (Abb. S. 27)
- Seminarhaus. Ein Wohnhaus mit I-Ging-Türe, Naturstein-Bad, einem Mini-Spielzeugmuseum aus 50 verschieden gestalteten Schneckenhäusern und vielem mehr - und ein weiteres Wohnhaus, dessen Wände, Decken und Inventar die Künstler Jürgen Kleinmann und Sabine Holz mit symbolischen Motiven des Kulturzusammenpralls westlicher Zivilisation mit ethnogenen Kulturen überzogen.
- Seminarhaus. Zwei Künstlerateliers, eines davon unter einem archaisch-zeitlos anmutenden Belvedere.
- Ein Solarhaus.
- Ein Haus der Stille, in dem sich ein christliches Fresko eines russischen Künstlers und eine Buddha-Statue friedlich gegenüberstehen.
- Eine „Philosophenrunde“ um einen weißen Teich mit hellgrünem klarem Wasser und einem zufließenden Wasserspiel.
- Eine goldene Treppe, die sich durch das gesamte Gelände zieht und auf deren 84 Stufen Sponsoren des Projekts bedeutende Leitzitate festschreiben lassen können.
- Zahlreiche Plätze, kleine und größere, zur Kommunikation, von idyllisch versteckten Sitzecken über einen „roten Platz“ bis zum historischen Thing-Platz, auf dem die Künstlerin Ulrike Arnold mehr als zehn verschiedenfarbige Erdproben von der ganzen Insel gestalterisch umgesetzt hat.
- Und immer wieder Monumente und Skulpturen, von einer symbolischen Erdkugel in rotem und einem Riesenbrot in schwarzem Vulkanstein bis zur raffiniert ausgeklügelten geometrischen Darstellung des Ur-Prinzips.
In Planung sind ferner Galerie, Musikraum, Restaurant, Gesundheitstrakt, Kommunikationszentrum und nicht zuletzt achtzehn Wohneinheiten.
[Seite 29]
 
Doch zu welchem Zweck das ganze?
„In der Zukunftswerkstatt Mariposa sollen einflußreiche Menschen aus Wirtschaft und Politik zusammentreffen mit Wissenschaftlern, Querdenkern und Künstlern, um für eine begrenzte Zeit zu diskutieren, zu forschen, zu arbeiten und Kontakte zu pflegen, damit die Ergebnisse dieser Begegnungen anschließend auch an den jeweiligen institutionellen Wirkungsstätten positiv umgesetzt werden können. Mariposa geht auf Impulse der bildenden Kunst zurück und ist daher rein optisch sofort als Stätte ästhetischer Zielsetzungen erkennbar. Die Schönheit eines von Künstlern gestalteten Ortes beflügelt nicht nur die Empfindungen, sondern auch das Denken.“
Leonardo da Vinci schrieb einst: „Die Erkenntnis, die nicht durch die Sinne gegangen ist, kann keine andere Wahrheit erzeugen als eine schädliche.“
Eine Zukunftswerkstatt also in einer Atmosphäre, die die besten Rahmenbedingungen schafft für die Entstehung kreativer und ganzheitsverträglicher Lösungen für die drängenden Menschheitsprobleme.
Für einige solcher neuen Lösungsansätze will das Projekt Mariposa selbst beispielgebende Impulse setzen:
In der Neubesinnung der Kunst auf die ästhetische Durchdringung aller menschlichen Schöpfung sieht Hans-Jürgen Müller eine Chance für einen völlig neuen Stellenwert der Kunst und des Handwerks in der Gesellschaft, der gleichzeitig eine Lösung des Arbeitslosenproblems bedeuten kann.
„Wenn den Menschen das Bedürfnis nach einer ästhetischen Umgebung wichtiger wird als nach nichtbefriedigender oberflächlicher Zerstreuung, werden sie nicht nur die Cola-Dose auf dem Gehweg entfernt wissen wollen. Sie werden in die Schönheit ihrer Wohnräume, ihrer Häuser und ihrer Gärten investieren. Und sie werden für eine Politik sorgen, die den Zusammenhang von Ästhetik auf der einen und Wohlbefinden und Ethik auf der anderen Seite kennt. Die neue Wertigkeit von arbeitsplatzintensiver Kunst und Handwerk würde die dank industrieller und Computerrevolution freiwerdenden Kräfte und Wohlstandszuwächse zu einer echten Verschönerung unserer Welt umsetzen. Kunst würde gleichzeitig zu ökonomischer Wertschöpfung und ästhetischer Werte-Schöpfung.“
„In einer solchen neuen Kulturepoche wäre schließlich der öffentliche Druck auf ein ökologisches Wirtschaften so stark, daß umweltzerstörerisches Handeln keinen Platz mehr hätte.“
Vor der Realisierung von Mariposa hatten Müllers das weit größere Projekt Atlantis im Sinn. Der Architekt Leon Krier lieferte bereits 1987 einen grandiosen Entwurf für eine komplette Vordenker- und Vorreiterstadt in klassisch-griechischem Stil. Das Projekt fand weltweites Echo und lebhaften Beifall aus der globalen Riege der Zukunftsdenker. Die Bedeutung des Projekts wurde erkannt, das benötigte Geld zu seiner Realisierung wollte sich aber nicht finden.
Die Not zwang zum deutlich kleineren, aber nicht weniger imposanten Pilotprojekt Mariposa als erstem Schritt. Hans-Jürgen Müller sieht darin heute eine Chance:
„Atlantis muß als Utopie in unseren Köpfen weiterarbeiten. Mariposa aber läßt sich sicherlich finanzieren - als Geschenk zum Jahrtausendwechsel - und mit Mitteln, die aus der Kultur kommen sollten. Denn schließlich geht es ja auch darum, die Millionen teuren Kunstwerke von Rembrandt bis Picasso vor dem Untergang zu bewahren.“
- Peter Spiegel
 
- Fotos: Peter Spiegel
 
Bahá’í-Häuser der Andacht - Symbole der Einheit[Bearbeiten]
ARCHITEKTUR ALS KUNSTFORM
- besonders bei Sakralbauten wird dieser Zusammenhang deutlich. Das deutsche
Wort „Kunst“ leitet sich ursprünglich von dem Bereich „Wissen, Weisheit, Kenntnis“
her. Später dann bezog man den Kunstbegriff vor allem auf die bildnerische,
musikalische oder sprachliche „Schöpfung des Menschengeistes“. Sakralbauten, also
Gebäude, die dem Gottesdienst, dem Lobpreis Gottes, der Andacht und Meditation
gewidmet sind, verbinden diese Hintergründe des Wortes „Kunst”: Andacht und
Meditation um Wissen, Weisheit und Kenntnis zu erwerben, bildnerische Schöpfung 
des Menschengeistes zu Ehren Gottes.
- Stupa in Santschi
 
Seit jeher gestaltet der Mensch Orte zur Anbetung eines höheren Wesens. Aus
dem Dunkel der Geschichte berichten uns rätselhafte Stätten von längst vergessenen 
Kulturen. Tonnenschwere Steine wurden aufgetürmt, monolithische Tempelanlagen aus 
Bergen herausgearbeitet, gigantische Pyramiden in den unterschiedlichsten Gegenden 
der Welt errichtet. Es wurden Tempel mit harmonischen Proportionen erdacht, deren 
heutige Entschlüsselung in akademischen Zahlenspielen verläuft, die aber noch
nach Jahrtausenden eine Kraft besitzen, die auch nicht religiöse Menschen
tief beeindruckt. Ob wir diese Orte Tempel, Stupa oder Shinto-Schrein, Synagoge, 
Kirche oder Moschee nennen, hilft allenfalls unserem Bedürfnis, für alles in der Welt
die entsprechende Schublade zu ersinnen und Unterschiede festzuschreiben. Unterschiede, 
die im historischen Rückblick meist zur Trennung voneinander führten. Den
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meisten dieser Stätten gemeinsam ist das intensive Bemühen Ihrer Gestalter und Erbauer,
größte Sorgfalt und Kunstfertigkeit walten zu lassen in dem Bewußtsein, daß von Menschen
Geschaffenes doch nie einen wahrhaft würdigen Rahmen für die Verehrung ihres Schöpfers
bieten kann.
Heute setzt sich allmählich die Erkenntnis einer fortschreitenden Kultur in der Menschheitsentwicklung durch. Betrachtet man den Kern der einzelnen Offenbarungen, sieht man schnell die zugrundeliegenden gemeinsamen Wurzeln. Immer deutlicher wird das Bewußtsein, daß das Zentrum der Anbetung in allen Kulturen stets dasselbe war und ist. Dieser Gedanke einer weltweiten gemeinsamen Grundlage in der Beziehung zu einem einzigen Gott, der in vielfältigen Namen in den Traditionen verwurzelt ist, bringt eine neue Form des Sakralbaus hervor.
Bahá’í-Häuser der Andacht stehen allen Menschen offen, egal welchen religiösen oder kulturellen Hintergrundes, egal welcher Rasse oder Kaste. Gelesen wird dort aus den Heiligen Schriften aller Offenbarungsreligionen. Predigten oder rituelle Handlungen sind nicht gestattet. Völlig ohne Ritus und Priester steht hier allein das offenbarte Wort Gottes im Mittelpunkt der Betrachtung. In der Bahá’í-Religion wird jeder Gläubige als selbstverantwortlich angesehen und ist verpflichtet, sich selbst durch das Studium von religiösen und wissenschaftlichen Quellen ständig weiterzuentwickeln. So werden diese Stätten durch die reine Anwesenheit göttlicher Offenbarungstexte aus den Quellen aller Religionen einzigartig. Kein menschlicher Kommentar darf in diesen Gebäuden die Urwahrheiten verschleiern, kein Ritus lenkt die Betenden ab. Die Ausgrenzung Andersgläubiger ist überwunden.
  
GRUNDLAGEN DER GESTALTUNG
Betrachtet man den historischen Kontext sakraler Architektur in 
aller Welt, muß für eine Einordnung der Bahá’í-Tempel
ein neues Kapitel aufgeschlagen werden. Wurden Synagogen,
Kirchen und Moscheen, Tempel der Hinduisten, Buddhisten oder
Zarathustrier stets in ihren spezifischen Formen durch eine
lange Tradition des Ritus und des Aufbaus auf zuvor bestehenden
Gebäudetypen entwickelt, so finden wir hier eine neue Grundlage. 
In den Schriften der Bahá’í-Religion selbst sind eine Reihe 
von grundlegenden Bestimmungen festgelegt, die den Aufbau eines 
Hauses der Andacht definieren. Sie dienen der materiellen 
Umsetzung geistiger Prinzipien, die ihrerseits wiederum 
eine entsprechende Wirkung auf die Besucher ausübt.
- Rad des Lebens
- Buddhismus
 
 
Häuser der Andacht werden als Kern zukünftiger Stadtentwicklungen 
gesehen. Ihre Gestaltung wird somit einen wichtigen Einfluß auf 
das Leben in der Stadt oder dem Dorf im allgemeinen ausüben. Es 
würde an dieser Stelle zu weit führen, auf die gestaltpsychologischen
Zusammenhänge im einzelnen einzugehen, daher lediglich der
Hinweis darauf, daß von einem ansprechenden, harmonischen
Ensemble eine Wirkung ausgeht, die das Befinden des Einzelnen und 
der Gemeinschaft positiv stimmen kann. Die Bedeutung der Gesellschaft 
als Gemeinschaft wird durch die Festlegung gestärkt, daß um
die Häuser der Andacht Nebengebäude (soziale Einrichtungen
wie Schulen, Krankenhäuser, Altenheime, aber auch Herbergen) 
gruppiert werden sollen, eingebettet in schöne Gärten
und allen Menschen zur Verfügung stehend.
Das zentrale Gebäude des Hauses der Andacht symbolisiert mit seiner Ausführung diese Öffnung für alle. Die Zahlenmystik, die sowohl im orientalischen Raum, als auch z.B. im europäischen Mittelalter eine hohe Bedeutung besaß, findet sich auch in den Bahá’í-Lehren. Als höchste Ziffer umfaßt die Neun alle anderen Zahlen. Sie findet sich u.a. in den neun Offenbarern der Weltreligionen: Adam, Moses, Krishna, Zarathustra, Buddha, Jesus, Muhammad, dem Báb und Bahá’u’lláh. Neun Personen werden in die Gremien der Bahá’í gewählt. Neun Heilige Tage sind über das Jahr verteilt. Neun Eingänge laden den Besucher zum Gebet in das Haus der Andacht ein.
Das Gebäude selbst muß als Zentralbau errichtet werden, dialsymmetrisch sein, bzw. auf einer Kreisform basieren. Nach oben hin soll der Raum durch eine Kuppel abgeschlossen werden.
Die Gestaltpsychologie weist auf eine besondere Wirkung derart überwölbter Räume hin. Bedingt durch das Fehlen der sonst allgegenwärtigen Raumecken und -kanten wird der Innenraum selbst als wesentlich größer empfunden, als er tatsächlich von seinem Grundriß her ist. Die Kuppel lenkt immer wieder den Blick nach oben und erleichtert dem Besucher die zeitweise Lösung von seinem gewohnten Denkhorizont. Es stellt sich das Gefühl ein, im Brennpunkt des Geschehens zu stehen.
Wie in anderen Religionen auch gibt es eine Gebetsrichtung. Sie 
richtet sich nach dem Schrein Bahá’u’lláhs nach Bahji (Israel). 
Auf diese Weise
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erhält das Haus der Andacht zwei feste Bezugsachsen: eine weist 
direkt nach oben auf die persönliche Beziehung des Gläubigen zu 
Gott,der durch den im Scheitelpunkt der Kuppel angebrachten 
„Größten Namen” (Lobpreis Gottes und Symbol der Bahá’í-Religion) 
symbolisiert ist, während die zweite Achse die “weltweite Einheit 
der Bahá’í, die sich alle täglich beim Gebet diesem gemeinsamen Punkt
zuwenden, in der Horizontalen sichtbar macht.
Im vertikalen Aufbau weisen die Bahá’í-Schriften auf eine Gliederung im Erdgeschoß, eine eventuelle Galerie und die Kuppel hin.
Wie bereits erwähnt, ist der zentrale Andachtsraum nur für Meditation und Gebet, Lesen und Singen aus den Heiligen Schriften aller Offenbarungsreligionen bestimmt. Es ertönt ausschließlich die menschliche Stimme, d.h. auch Musikinstrumente erklingen nicht.
Bahá’í-Häuser der Andacht gehen in ihrer Bedeutung wesentlich über einen reinen Gebetsraum hinaus. Wie zuvor beschrieben markieren sie als Kristallisationskern einer zukünftigen Stadtentwicklung den räumlichen Bezugspunkt, um den sich in Form festgelegter Nebengebäude soziale Einrichtungen gruppieren werden. Eingebettet in wundervolle Gärten wird dies allen Menschen zur Verfügung stehen. Dieses gesamte Ensemble wird in den Bahá’í-Schriften als Mashriqu’l-Adhkár, als Dämmerungsort des Lobpreises Gottes beschrieben.
REALISIERTE BAHÁ'Í-TEMPEL
Das erste Haus der Andacht, das in ‘Ishqábád (Turkistan) stand, wurde zerstört. Häuser der Andacht gibt es derzeit in:
· Wilmette (USA)
· Kampala (Uganda)
· Hofheim-Langenhain (Deutschland)
· Sydney (Australien)
· Panama City (Mittelamerika)
· West-Samoa (Ozeanien)
· Neu Delhi (Indien)
Mit Ausnahme der Antarktis stehen so in allen Kontinenten 
Bahá’í-Andachtsstätten. Im Zuge der zu erwartenden Ausdehnung der 
personellen und finanziellen Möglichkeiten sollen zahlreiche weitere 
Tempel errichtet werden, bis schließlich in jeder Stadt und in jedem Dorf,
ein solcher geistiger Mittelpunkt zur Verfügung steht. Die sensible 
Einbettung in die lokalen Bauformen und städtebaulichen Zusammenhänge 
wird dabei sicherlich eine unendliche Fülle von verschiedenen 
Entwurfsansätzen ergeben, die zum heutigen Zeitpunkt noch nicht 
erahnt werden können.
DER LOTOS VON BAHAPUR
Einen Blick in die Zukunft dieser völlig neuen Gattung des Sakralbaus bietet der 1986 fertiggestellte Tempel auf dem indischen Subkontinent.
Um die Entwurfsaufgabe zu lösen, die wie bei jedem Haus der Andacht darin bestand, die Bahá’í-Prinzipien der Einheit Gottes, Einheit der Religionen und Einheit der Menschheit ebenso auszudrücken wie den Bezug zur Kultur der Umgebung herzustellen, bereiste der Architekt Faribors Sahbá, geboren 1948 im Iran, ausführlich die verschiedensten Teile Indiens. In dem Bewußtsein, daß diese Anforderungen ohne die Führung Gottes niemals erfüllt werden könnten, ließ er unendlich viele Eindrücke aus der reichen indischen Kultur auf sich wirken. Er wollte eine Form finden, die die Einfachheit, Klarheit und Frische der Bahá’í-Lehre und gleichzeitig Respekt für alle Religionen
der Vergangenheit ausdrückt. Eines Tages zwangen ihn Umstände, 
die Reiseroute zu ändern und in einem kleinen, unbekannten Städtchen 
zu verweilen. Er traf einen Bahá’í, der ihm von sich aus die 
Lotosblüte als Vorbild für das Haus der Andacht vorschlug. Sahbá 
fühlte sich von dieser Anregung zutiefst beeindruckt und gewann im weiteren
Verlauf der Reise immer mehr die Überzeugung, daß die Worte dieses Bahá’í 
ein Hinweis Gottes für ihn sein sollten. Bei allen Stätten, die er besuchte, 
alte Hindutempel, buddhistische Höhlen oder islamische Gebetsstätten,
entdeckte er stilisierte Lotosblüten. Für die Hindus ist die Lotosblüte 
der Geburtsort des Schöpfers des Universums, die Buddhisten wenden sich 
mit der
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Gebetsformel „O Du Edelstein im Lotos“ (Om Mani Padme Hum) an Buddha 
und auch die Moslems verwenden sie als bildnerisches Mittel, Reinheit
und Schönheit auszudrücken. Der Lotos erwies sich als das Symbol, das die 
unzähligen, zum Teil sich bekämpfenden Kulturen des indischen
Subkontinentes eint.
Anfangs wehrte sich der Architekt gegen eine einfache Umsetzung des Motivs in konkrete Architektur, gelangte jedoch allmählich zu der Überzeugung, daß gerade das in diesem speziellen Fall die richtige Lösung zu sein schien.
Der gesamte Baukomplex, der auf dem 10,5 Hektar großen Gelände in Bahapur am Rande von Neu Delhi errichtet wurde, beinhaltet Empfangsräume, eine Bibliothek, ein Versammlungszentrum, ein gesondertes Gebäude für die sanitären Anlagen und natürlich den lotosförmigen Tempel selbst. So wie die Lotosblüte von den stets auf dem Wasser liegenden Blütenblättern, ist er von neun großen Wasserbecken umgeben, die neben ihrer ästhetischen Wirkung auch zur Klimatisierung des Gebäudes beitragen. Die heiße Außenluft wird über den Wasserflächen durch Springbrunnen angefeuchtet und dadurch abgekühlt, streicht dann durch die Eingangsbereiche in den großen Andachtsraum unter der Kuppel und wird in ihrem Scheitelpunkt - unterstützt durch Ventilatoren - wieder ausgeblasen. Dieses System, das speziell für diesen Bau entwickelt wurde, ist in Herstellung und im Betrieb wesentlich günstiger als eine herkömmliche Klimaanlage.
Die Lotoskuppel ist aus drei Reihen gestaffelter Blätter aus dünnen Betonschalen aufgebaut. Die äußeren bilden die Eingangsbereiche und neigen sich vom Gebäude weg. Die mittleren neun Schalen überdachen den Umgang, durch den man nach Durchschreiten großer Bögen den zentralen Raum erreicht. Dieser wird nach außen hin durch die höchsten Blattschalen begrenzt und im Inneren durch eine zweite Schicht, welche die innere Kuppelkonstruktion überwölbt. Im Scheitelpunkt beider Konstruktionen ist eine verglaste Öffnung belassen, durch die das Tageslicht in den Innenraum gelangen kann.
Die planungs- und bautechnische Umsetzung der Entwurfsidee forderte eine Reihe neuer Denkansätze und Techniken. Die Geometrie der Bauteile war derart komplex, daß die Planer über zweieinhalb Jahre benötigten, um die Detailzeichnungen fertigzustellen. Allein für den Bau der Gerüste und Verschalungen waren über 150 Zeichnungen nötig. Abmessungen, Form, Stärke und andere Einzelheiten der Elemente wurden mit Hilfe von Gleichungen verschiedener geometrischer Oberflächen und deren Schnittpunkten bestimmt. Viele Konstruktionszeichnungen enthielten daher nur Ebenen, Radien und eine Anzahl komplexer Gleichungen. Diese Angaben wurden schließlich während des Bauvorganges für die zuständigen Bauleiter, Eisenbieger und Zimmerleute in konkrete Angaben wie Länge, Breite und Stärke umgesetzt. Bei diesen Vorbereitungen mußte immer wieder auf computergestützte Systeme zurückgegriffen werden.
Die Entwicklung und der Bau der Gußformen forderte größte Genauigkeit. Die in Beton 
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gegossenen Schalen sind an einigen Stellen nur sechs Zentimeter stark und sollten jeweils 
ohne Arbeitsfugen in einem Guß gefertigt werden. Die von der ausführenden Firma empfohlene 
Höhe für ein solches Bauteil lag bei 125 Zentimetern. Bei der angestrebten Höhe von bis zu 
25 Metern (!) und dem dabei sich entwickelnden enormen Druck auf die Innenseite der Form mußte
ein völlig neues Verfahren erdacht werden. Jeweils 30 Ingenieure und 300 Arbeiter wurden
schließlich für jeden dieser Betoniervorgänge benötigt, wobei sich der kontinuierliche
Guß auf bis zu 48 Stunden ausdehnte. Insgesamt dauerte allein diese Phase des
Baus etwa zwei Jahre.
Die in Indien bestehenden Bauvorschriften erfordern weitgehende Handarbeit, wobei als einzige Geräte neben einem Kran zwei kleine Betonmischmaschinen zur Verfügung standen, von denen häufig jeweils eine defekt war. Aufgrund der hohen Außentemperaturen von etwa 45° C während der Sommermonate wurde der Beton schon beim Mischen hart. Als Problemlösung mußte bei der Herstellung des Ortbetons vorgekühltes Gestein und statt des Wassers eine genau dosierte Menge zerkleinerten Eises beigefügt werden, bevor er in die Schalung eingebracht werden konnte.
Der Arbeitsalltag auf der Baustelle erfordert an dieser Stelle einen besonderen Exkurs. Die bereits erwähnten indischen Vorschriften gewährleisten den Einsatz möglichst vieler einheimischer Rohstoffe bei gleichzeitiger Schaffung vieler Arbeitsplätze. Sondergenehmigungen wurden immer erforderlich, wenn bestimmte Bauteile oder Materialien im Lande nicht erhältlich waren und importiert werden mußten. Dies betraf z.B. weißen Zement aus Korea oder die weißen Marmorverkleidungen der Außenschalen, die in Griechenland gebrochen und in Italien bearbeitet wurden.
Selbst das Ausheben der Baugrube mußte in Handarbeit geschehen. Hunderte von Frauen und Männern zerkleinerten mit Hacken den Fels und trugen das Geröll anschließend in auf dem Kopf balancierten Körben heraus. Ebenfalls landesüblich war beispielsweise auch das Baugerüst, das zum Teil aus Bambusstäben errichtet wurde.
Ein Problempunkt war die Ausbildung und Motivation der BauarbeiterInnen. Sie gehörten verschiedensten Religionen und Kasten an und waren anfangs schwer zu einer Zusammenarbeit zu bewegen. Erst eine tägliche Morgenandacht, zu der jede Gruppe ihren Teil beitragen konnte, führte schließlich alle in der anschließenden gemeinsamen Arbeit zusammen. Und so bildete sich entgegen aller Voraussagen Außenstehender so etwas wie eine inspirierte Gemeinschaft, die an einer gemeinsamen Vision arbeitete. Während der Bauzeit lebten die ArbeiterInnen auch mit ihren Familien auf dem Gelände. Dort wurde u.a. für die Ausbildung der Kinder in entsprechenden Gruppen gesorgt. Am Ende gab es viele Arbeiter, die das Gefühl hatten für diese ihnen heilig gewordene Arbeit eigentlich keinen Lohn verlangen zu dürfen. Obwohl westliche Fachleute prophezeit hatten, dieses Bauvorhaben sei, wenn überhaupt, nur mit modernster westlicher Technik in einem Industrieland zu realisieren, gelangte der Architekt F. Sahbá zu der Überzeugung, daß das Projekt tatsächlich nur hier in Indien zu verwirklichen war. Nur die Hingabe und hervorragende Zusammenarbeit aller Beteiligten, die ein Stück der Seele Indiens in das Gebäude gaben, hatten es in seinen Augen möglich gemacht.
Da die Internationale Bahá’í-Gemeinde keinerlei Gelder von außen annimmt und außerdem der größte Teil der Bahá’í in den sogenannten Entwicklungsländern in armen Verhältnissen lebt, erschien die Finanzierung eines solchen Projektes auf den ersten Blick unmöglich. Allein die große Zahl der Spender und die völlige Freiwilligkeit des Spendens brachte die erforderliche Summe auf. Es gingen nicht nur Geldbeträge aus aller Welt sondern auch viele Sachspenden ein. Geschickt wurden z.B. Reis, Getreide oder selbstgemachte Handarbeiten. Die weitweiten sozialen Projekte der Bahá’í-Gemeinden wurden davon nicht beeinträchtigt.
Der „Lotos von Bahapur” (so von der Bevölkerung wegen des in der Nähe liegenden
Dorfes genannt, das seit alter Zeit den Namen „Bahapur“, Wohnort des Baha, trägt) 
erhielt zahlreiche Architekturpreise und ist mittlerweile allgemein als positives Beispiel 
zeitgenössischer Sakralarchitektur anerkannt. Über vier Millionen
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Menschen besuchen den Tempel jährlich. Und trotz der Besucherströme kann sich der
Einzelne der beeindruckenden Schönheit der Anlage, der großen Anziehungskraft des Gebäudes, 
dem Zauber unzähliger Lichtreflexe in seinem Innenraum, der vergeistigenden Raumwirkung 
und der innere Sammlung vermittelnden Würde dieser Andachtsstätte nicht
entziehen. In seiner scheinbaren Schlichtheit vereint dieses Haus der Andacht Symbolkraft und
Schönheit. Darin zu verweilen, unterstützt den Gläubigen, auf seiner persönlichen Suche nach
Wahrheit Wissen und Erkenntnis zu erlangen. Der „Lotos von Bahapur“ ist ein vollendetes 
Beispiel für die Kunstform Architektur.
- Andreas Afscharian,
- Architekt
 
 
- Elena Afscharian,
- Dipl.-Ing. Innenarchitektur
 
 
Anna Achmatowa 1839 - 1966[Bearbeiten]
Alexander Solschenizyn auf die Frage nach dem größten zeitgenössischen Dichter:
„Für mich gibt es nur Achmatowa. Sie ist die einzige wirklich Große.“
Lew Kopelew:
„Die Dichtung von Anna Achmatowa, ihr Schicksal... verkörpern Rußland in den schwersten und tragischsten Jahren seiner tausendjährigen Geschichte. Anna von ganz Rußland, doppelt gekrönt mit der „Dornenkrone des Leidens“ und der „Sternenkrone der Poesie“... Sie bleibt unsterblich wie das russische Wort.“
Zitate aus dem Buch „Zeitgenossen, Meister, Freunde“ von Raissa Orlowa und Lew Kopelew, erschienen im Albrecht Knaus Verlag.
DIE MUSE
Wie nur leb ich mit dieser Last,
Und sie nennens noch MUSE, das,
Sie sagen: in Wiesen Inspiration,
Sie sagen: Göttliches Lallen -
Sie wird dich wie Fieber befallen,
Und dann wieder ein Jahr lang kein Ton.
- Anna Achmatowa
 
ARIANE LINK[Bearbeiten]
Bildhauerei als Ausdruck geistiger Prozesse
Meine Skulpturen sind Ausdruck meiner geistigen Suche.
Die erste ernste Auseinandersetzung mit der Bildhauerei begann, als ich für mein Studium ins Ausland ging. Letztendlich war es eine geistige Reise, die mich zu neuen Horizonten führte.
Oft ist mein erster Schritt, einen Durchbruch in den Stein zu schlagen, so daß sich „Vorne“ und „Hinten“ des Objektes verbinden.
Auch geistige Erkenntnis durchbricht Schichten unserer Persönlichkeit und wir erfahren eine Tatsache in mehreren Realitätsschichten und Dimensionen. Dieses spontane und intuitive Arbeiten setzt einen Ausdruck frei, der momentane Erfahrungen und Einsichten widerspiegelt.
  
So wird Bildhauerei zur Meditation. Organische, abstrakte Formen werden Ausdruck von „Seelenbewegungen“.
Ich versuche, die Komplexität und den Reichtum des Lebens zu erfassen und auszudrücken. Trotz der Vielfalt, die ich wahrnehme, richtet sich mein Streben nach Einheit und Harmonie.
 
Kunst kann Menschen verbinden und daher eine neue Dimension menschlicher Erfahrung geben, die in unserer multikulturellen Gesellschaft leider oft untergeht.
Die sich im Arbeitsprozeß erschließenden Zusammenhänge und Einsichten veranlassen mich manchmal, die entstandenen Objekte mit anderen Skulpturen in Beziehung zu setzen und damit größere Prozesse und Entwicklungen wahrnehmbar zu machen. Manche Skulpturen schließe ich zu Zyklen zusammen. Oft wähle ich neun Objekte aus - neun als Symbol der Vielfalt und der Einheit.
Diese höchste Ziffer symbolisiert die Vielfalt vor einer neuen Dimension. Sie kann deshalb als Verbindung der materiellen mit der geistigen Ebene gedeutet werden. Durch den Kontakt mit dem Material vollzieht sich meine geistige Erfahrung auf so ursprüngliche Art und Weise, daß sie mitteilbar wird.
Bei einer abstrakten Sache ist es nicht so einfach, diese Kommunikation in Worte zu fassen. Meine Erfahrung zeigt, daß Menschen einen Einklang, etwas Geborgenes, aber auch gleichzeitig etwas Fremdartiges bei meinen Skulpturen empfinden. So meinte ein afrikanischer Besucher bei der Ausstellung meiner Lehmskulpturen, daß er sich beim Anblick dieser Formen „wie zu Hause“ fühle.
Einfluß des Lichtes in die Schöpfung
- Zyklus von 9 Skulpturen
 
Die Kerze deines Herzens ist durch die Hand Meiner Macht entzündet.
Liebe Mich, damit ich dich liebe.
Am Anfang war überall nur Finsternis - Finsternis und Wasser. Und die Finsternis zog Sich mancherorts dicht zusammen, ballte sich und spaltete sich wieder, ballte und spaltete sich...
Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.
Nachdem Ich diese Skulpturen in Zusammenhang brachte, verband ich sie mit
Textstücken aus denn heiligen Schriften der Religionen, die ja schon immer 
den Ursprung der geistigen Entwicklung des Menschen bzw. der Menschheit ausmachten.
Dies verdeutlicht dem Betrachter, daß ich hier geistige Prozesse anspreche. Besondere Inspiration sind mir in diesem Zusammenhang die Schriften Bahá’u’lláhs, der in schönster Poesie den Geist des Menschen anspricht und die Einheit der Menschheit für den heutigen Tag verkündet.
Auf meinen letzten Vernissagen wurden diese Texte von den beiden Musikern Stefan Mennemeier und Angelika Görs vertont. Sie gingen dabei von Skulptur zu Skulptur und schufen eine Atmosphäre, die es dem Betrachter erleichterte sich einzulassen, zu hören und zu verstehen. Jeder konnte nach seinem eigenen Vermögen, mit seiner eigenen Persönlichkeit seine Erfahrung daraus ziehen.
Mit welchem Material ich auch arbeite - Stein, Holz, Lehm... - es geht mir darum, mit diesen Formen das Innere des Menschen anzusprechen und seine Menschlichkeit zu erspüren. Deshalb verwende ich Naturmaterialien, die uns auf ursprüngliche Weise ansprechen. Jeder kann vielleicht so auf seine Weise erfahren, in sich schwingen lassen und erkennen, daß wir durch eine Dimension von Unendlichkeit miteinander vereint sind.
- Ariane Link
 
 
Daraufhin sahen Wir eine der Schönen des erhabensten Paradieses auf einer Säule reinen Lichtes stehen und mit lauter Stimme rufen.
 
Ihr seid die Bäume Meines Gartens.
 
Wenn wir den Duft eurer Gemeinschaft verspüren, wird sich Unser Herz gewiß freuen, denn nichts anderes kann Uns genügen.
 
Nach dem schweren Schicksalsschlag der Trennung wurde der Windhauch der Nähe und der Verbindung bewegt.
 
Seit Anbeginn der Zeit ergießt das Licht der Einheit seinen göttlichen Strahlenglanz auf die Welt.
Fotos: Ariane Link
Die Rolle der Kunst in der Erziehung[Bearbeiten]
Kinder sind von der ersten Sekunde ihres Lebens an aktive und kreative Wesen. Schon sehr früh beginnen sie, ihrer inneren Aktivität Ausdruck zu verleihen, sie singen, tanzen oder malen. Diese Bedürfnisse sind bei allen Kindern dieser Erde ähnlich stark ausgeprägt und hinterlassen auch ähnlich aussehende Spuren. Zum Beispiel finden wir in Kinderbildern unterschiedlicher Kulturen gleiche symbolische Zeichen und Darstellungen Wir Erwachsenen sind oft stark beeindruckt von der Natürlichkeit und Unmittelbarkeit von Kinderwerken. Kinderbilder werden daher oft als „Kunst“ mißverstanden. Meines Erachtens sind diese Werke nicht für einen Betrachter geschaffen. Kinder malen aus reinem Selbstzweck heraus. Sie formulieren spontan ihre Gedanken und Gefühle. Dinge, die ihnen besonders wichtig sind, werden vielleicht besonders groß und übertrieben dargestellt, besondere Farben werden dafür benutzt. Das Kind dient sich hier selbst, indem es auf der schöpferischen Ebene vieles verarbeiten kann, das es verbal nicht auszudrücken vermag. Wenn ein Kind vertieft malt, tanzt, singt, heißt das nicht, daß es innerlich darauf hinarbeitet, einmal Künstler zu werden. Es schafft sich vielmehr Ebenen, um seine eigene Gesamtentwicklung zu harmonisieren und zu unterstützen. Dieser schöpferische Wille kommt später in allen menschlichen Lebensbereichen zum Ausdruck, vorausgesetzt, wir wurden nicht entmündigt und entmutigt. Letztlich zeichnet sich eine reife Persönlichkeit dadurch aus, daß sie für sich selbst Lösungen finden kann.
Ich hoffe, es wird deutlich, welch sensibler Bereich dieses Kreativitätsbedürfnis bei Kindern ist. Deshalb sollten wir Kinderwerke nie leichtfertig kritisieren oder kommentieren. Die Kinder haben ihre Werke nicht für uns geschaffen. Leider meinen wir Erwachsenen oft, wir förderten unsere Kinder, wenn wir ihnen gutgemeinte Ratschläge geben. Viel wichtiger wäre es, den Kindern natürliche Sinneserfahrungen und konkrete Erfahrungen mit den Dingen des täglichen Lebens zu ermöglichen, um ihre Empfindsamkeit und Aufmerksamkeit zu schulen. Neben diesen Erfahrungen mit der natürlichen und konkreten Welt steht das Kennenlernen und Erleben geistiger Qualitäten, angefangen bei einer religiösen Lebenshaltung, der Begegnung mit geistiger Kunst in ihrer geschichtlichen Dimension und ihrer ganzen ethnischen Vielfalt.
Kinder, die nicht überfrachtet sind vom Medienlärm und nicht gehetzt werden durch 
übertriebene Erwartungen ihrer Eltern und Umgebung, leben sehr intensiv
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in ihren Sinnen und Gefühlen. Sie haben unmittelbaren Zugang zu künstlerischen Werken,
zu Musik, bildender Kunst, Tanz. 
Kinder verarbeiten gewonnene Eindrücke nicht intellektuell, sondern sie lassen sich inspirieren, werden selber aktiv und setzen sie auf der ihnen eigenen Ebene um.
Es ist beeindruckend zu erleben, was geschieht, wenn man mit Kindern eine Bildbetrachtung macht und sie anschließend malend ausdrücken läßt, wie sie das Gemälde erfaßt haben. Ich selber habe mich magisch von den Aquarellen Noldes angezogen gefühlt, die jedesmal eine starke Sehnsucht in mir auslösten, wenn ich sie betrachtete.
Das bedeutet meiner Meinung nach nicht, daß wir unsere Kinder überschütten sollten mit Kunstbüchern, ständig laufender Klassikmusik oder Museumsbesuchen. Kunst läßt sich nicht konsumieren, sondern sie fordert etwas von uns. Wenn wir intensiv beten wollen, müssen wir uns auch für den richtigen Ort, die passende Zeit und das Maß entscheiden. Eine intensive Begegnung mit Kunst fordert ähnliche Voraussetzungen. Dazu kommt, daß wir den Kindern eine Haltung des Respekts gegenüber Kunst vermitteln können, wenn wir Kunsterleben in einen würdigen Rahmen setzen. Zum Beispiel entsteht eine erhebende Atmosphäre, wenn wir Musik und Gebete miteinander verbinden. Kinder, die die Erfahrung von tiefen Begegnungen mit Kunst gemacht haben, werden sich immer wieder nach diesen Empfindungen sehnen. Das Kind spürt seelisch die geistige Nahrung, die durch Kunst sinnlich vermittelt wird.
Schwierig ist es für Erwachsene, gute, für Kinder gemachte Kunst auszuwählen. Wir sollten die Angebote, ob Kinderbücher, Kinderlieder oder Märchenkassetten, ganz abgesehen von Kinderfilmen, mit denen unsere Kinder überall konfrontiert werden, kritisch prüfen. Leider sind die meisten Angebote auf den reinen Konsum hin ausgerichtet und haben eher suchtfördernden Charakter. Von Geistigkeit fehlt hier jede Spur.
Für Kinder ist es ein großes Erlebnis, Kunst anderer Kulturen kennenzulernen. Sie kennen weder Berührungsängste noch Vorurteile, wenn sie mit Musik aus Afrika, Indien oder China konfrontiert werden.
Das Gegenteil geschieht: Sie entwickeln ein intuitives Verständnis für die geistige Einheit der Menschheit.
Dies ist ein weiterer Grund, sie möglichst früh mit der Kunst anderer Völker vertraut zu machen.
Bietet man Kindern die Möglichkeit, die Kunst fremder Kulturen kennenzulernen, so ist das eine wunderbare Gelegenheit, ihnen von dem entsprechenden Land, seinen Menschen und deren Lebensgewohnheiten zu erzählen - sofern wir sie zu Weltbürgern erziehen wollen. Außerdem tragen wir damit dazu bei, eine Weltkultur zu entwickeln, zu deren Entfaltung viele Generationen von Menschen beitragen werden und deren Grundlagen wir legen können.
Die Begegnung unserer Kinder mit geistiger Kunst ist ein Stück Charaktererziehung; denn das Kind kommt in Berührung mit den großen, echten Gefühlen der Menschheit und seine Sehnsucht wird entflammt, Gott näher zu kommen.
- Anja Niemand, Greifswald
 
- Holzbildhauerin
 
- Mitbegründerin des Vereins für integrative Erziehung
 
Fotos: TEMPORA, mit Leica R8
Zeichnungen: Lisa Willerns, 11 Jahre
 
STEPS TO WORLD PEACE[Bearbeiten]
Viele Kleine Schritte zum Frieden
An Anfang eines jeden Projektes steht eine Idee. In unserem Fall entstand sie durch die
Inspiration des amerikanischen „DIVERSITY DANCE WORKSHOP", der das in Amerika seit fast 
zwanzig Jahren bekannte Konzept des Tanzworkshops auf einer europäischen Jugendkonferenz 
in Berlin im Juli 1994 auch nach Deutschland brachte.
Die Idee fiel auf fruchtbaren Boden. Mir verdeutlichte der Auftritt des „DIVERSITY DANCE WORKSHOP" die Realisierbarkeit eines Traumes - das Verbinden meiner tiefen Liebe zur Musik und Kunst mit den transformierenden Prinzipien meines Glaubens. Und so dauerte es nur wenige Wochen, bis sich die erste kleine Gruppe von Jugendlichen traf, um über die Gründung des ersten deutschen Bahá’í-Tanzworkshops zu beraten.
Schon bald konnten wir uns darauf einigen, daß wir damit beginnen würden, einige Tänze der amerikanischen Tanzgruppe zu lernen und uns später an eigene Choreographien heranzuwagen.
Da kaum einer von uns tänzerische Erfahrungen hatte, übernahm für die ersten Monate eine befreundete Amateurtänzerin die Leitung der Gruppe.
Auf der Suche nach einer eigenen Identität wurde es natürlich auch wichtig, einen Namen für die Gruppe zu finden. Das stellte sich als schwieriger heraus als wir erwartet hatten. Doch als schließlich der Name „STEPS TO WORLD PEACE" (Schritte zum Weltfrieden) vorgeschlagen wurde, waren bald alle davon begeistert, da er nicht nur unser Ziel verdeutlicht, sondern auch einen Bezug zum Tanzen herstellt, da Tanzen schließlich zum größten Teil aus Schritten besteht.
Trotz des neuen Namens waren. die ersten Fortschritte langsam, und da sich die Zusammensetzung der Gruppe ständig änderte, war es sehr schwierig, ein Repertoire aufzubauen. Doch nach und nach steigerten sich die Begeisterung und der Einsatz der Tänzer und nach etwa einem Jahr hatte sich eine relativ feste Gruppe gebildet, die durch zahllose Stunden von Proben, Beratungen, Vertiefungen, Auftritten und langen Fahrten immer enger zusammenwuchs.
Und so wurde nach den Erfolgen der Auftritte, die immer häufiger wurden, der Wunsch wach, in den Sommerferien eine Tour durch Deutschland zu organisieren.
In den beinahe zwei Jahren bevor die erste Tour schließlich stattfinden konnte, wurde uns durch die Reaktionen unseres Publikums immer wieder vor Augen geführt, daß die Künste besser als jedes andere Mittel in der Lage sind, die Herzen der Menschen anzusprechen.
Viele Male sahen wir in den tränengefüllten Augen unserer Zuschauer das Verständnis, daß es für diese Welt nur ein Heilmittel gibt - den Weltfrieden, erreicht durch die Einheit der Menschheit.
Dies ist die Botschaft, die wir mit unseren Tänzen bringen wollen.
In den Worten Bahá’u’lláhs, des Stifters der Bahá’í-Religion:
„Die Erde ist nur ein Land und alle Menschen sind seine Bürger. Es rühme sich nicht, wer sein Vaterland liebt, sondern wer die ganze Welt liebt.”
Mitglieder der Tanzgruppe kommen aus den verschiedensten Ländern der Welt und haben die unterschiedlichsten kulturellen und ethnischen Hintergründe. Und dennoch haben sie sich in dieser Gruppe zusammengefunden, um zu demonstrieren, daß das, was sie verbindet, Grenzen überwindet. Im Menschen versuchen sie nicht seine Rasse, sondern seine Herkunft - Gott - zu sehen.
Was sie verbindet, ist ihr Glaube, und dieser ist auch der
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Grund, warum sie in den letzten drei Jahren fast alle ihre Wochenenden und die 
gesamten Schulferien Auftritten und Projekten widmen.
Ihr Lohn ist neben unvergeßlichen Erfahrungen, vielen neuen Freunden in ganz 
Europa und dem Erlernen vieler wichtiger Eigenschaften, wie Flexibilität, 
Beratungsfähigkeit, Opferbereitschaft, Toleranz und Kompromißfähigkeit vor allem 
das Wissen um die vielen Menschen, die sie mit ihrer Botschaft erreichen konnten, 
und die Gewißheit, einen Beitrag dazu geleistet zu haben, daß die Lehren der 
Gleichberechtigung von Mann und Frau, der Abschaffung von Vorurteilen jeglicher 
Art, des Ausgleichs der extremen Unterschiede von Armut und Reichtum, der Einheit 
der Menschheit und viele andere, mehr und mehr Menschen zugänglich gemacht werden.
Manche Auftritte bleiben natürlich ganz besonders in Erinnerung.
Für mich war der wohl beeindruckendste Auftritt in einem Frauengefängnis. Selten war der Effekt der Tänze so hautnah zu spüren wie an diesem Nachmittag.
Da dort kein Raum zur Verfügung stand, in dem die Aufführung hätte stattfinden können, traten wir in einem Gang auf und kamen aufgrund der beengten Verhältnisse natürlich in sehr direkten Kontakt mit den inhaftierten Frauen, die nur wenige Zentimeter vor uns saßen.
Und so konnten wir die ergriffenen Gesichter hautnah sehen, konnten jedes gemurmelte Wort hören. Besonders unser Tanz des Betruges, der die Geschichte einer Drogensucht erzählt und sich gegen den Mißbrauch von jeglichen Drogen wendet, bewegte unser Publikum zutiefst, denn beinahe alle Frauen waren wegen Drogenhandels oder -mißbrauchs im Gefängnis.
War dies auch sicherlich, zumindest für mich, das intensivste Erlebnis und der bewegendste Auftritt, so hat doch jeder Auftritt seine besonderen Momente und unvergeßlichen Erlebnisse. Und wenn man nach den Aufführungen in strahlende Augen blicken darf, die widerspiegeln, daß sie unsere Botschaft verstanden haben, wenn zuvor wildfremde Menschen auf einen zukommen und einem sagen, daß sie durch unseren Auftritt tief bewegt wurden, daß wir ihr Leben verändert haben, daß sie durch die Botschaft, die unsere Tänze übermitteln, begriffen haben, daß Weltfriede nicht nur möglich, sondern unausweichlich ist und daß ein bereits im Kleinen funktionierendes Konzept davon schon existiert, dann weiß man, daß die hunderte Stunden Proben sich gelohnt haben.
- Katrin Greis
 
    
Fotos: R. Greis
Zitate[Bearbeiten]
Pablo Picasso
Was ist Plastik? Was ist Malerei? Immer klammert man sich an 
altmodische Ideen, an überlebte Definitionen, als ob es nicht 
gerade die Aufgabe des Künstlers wäre, neue zu finden ... 
Man muß immer noch mehr wagen, auch wenn 
man sich dabei das Genick bricht. 
Etwas Geheiligtes, darum geht es. Man müßte ein Wort dieser Art
gebrauchen können, aber es würde schief aufgefaßt, in einem
Sinn, den es nicht hat. Man müßte sagen können, daß ein
bestimmtes Bild so ist, wie es ist, mit seinem Gehalt an Kraft, weil
es „von Gott berührt“ ist. Aber die Leute nähmen es krumm. Und
doch käme es der Wahrheit am nächsten ...
Wassili Kandinsky
.. In den Perioden, in welchen die Seele durch materialistische 
Anschauungen, Unglauben und daraus fließende rein praktische
Bestrebungen betäubt und vernachlässigt wird, entsteht die
Ansicht, daß die „reine“ Kunst nicht für spezielle Zwecke dem 
Menschen gegeben ist, sondern zwecklos, daß Kunst nur für Kunst 
existiert (l’art pour l’art).
.. Musiker, wie Debussy, bringen geistige Impressionen, die sie oft
aus der Natur entnehmen und in rein musikalischer Form in geistige
Bilder verwandeln.
Die geistige Nacht sinkt allmählich tiefer und tiefer ... Die Kunst, 
die zu solchen Zeiten ein erniedrigtes Leben führt, wird ausschließlich 
zu materiellen Zwecken gebraucht. Sie sucht ihren inhaltlichen Stoff 
in der harten Materie, da sie die feine nicht kennt.
 
Auguste Rodin
Worauf es ankommt: sich rühren lassen, lieben,
hoffen, erschauern, leben! Mensch sein, bevor man
Künstler ist! 
Die Werke der Kunst, die man als die vornehmsten Zeugnisse des
menschlichen Geistes und menschlicher Lauterkeit betrachten
muß, sagen zwar alles, was man über den Menschen und die Welt
sagen kann, machen aber außerdem begreiflich, daß es noch etwas
gibt, das man nicht erkennen kann.
Überall hört der große Künstler, wie der Geist der Dinge seinem
Geiste Antwort gibt. Wo fänden sie wohl einen religiöseren Menschen?
- Kunst
 
 
    
Ritt auf der Untergangswelle ?[Bearbeiten]
Manche haben ihn ein Dutzend Mal gesehen. Der Rekord soll bei über hundert liegen. Ich selbst habe ihn mir zweimal angeschaut, einmal in der deutschen, einmal in der englischen Version.
Das bisherige Einspielergebnis von über einer Milliarde Dollar ist in der Filmgeschichte unerreicht.
Bemerkenswert ist aber nicht der materielle Erfolg. Viel erstaunlicher scheint mir die Tatsache zu sein, daß dieses Ergebnis mit einem Film erzielt wurde, in dessen Mittelpunkt nicht das übliche Actionpaket steht, mit dem Hollywood bislang seine größten Geschäfte machte. Wie Schwarzeneggers „Last Action Hero“ andeutet, sind sich Teile der Filmbranche durchaus bewußt, daß die Rambo-Rezepte abgewirtschaftet haben.
Sicher, Action gibt es im Titanic-Untergang genug. Noch braucht ein massenwirksamer Film die übliche Prise davon. Aber man entkleide den Film seiner zentralen Handlung, der Geschichte einer aufopferungsvollen Liebe. Übrig bleibt die technisch perfekte Inszenierung einer Katastrophe. Spektakulär, aber damit hätten die Entstehungskosten von 200 Millionen Dollar wohl kaum eingespielt werden können.
Was den Film zu dem macht, was hundert Millionen Menschen erstaunlich dauerhaft berührt, ist die menschliche Dimension, die er durch die Beziehung der beiden Helden gewinnt.
Es ist nicht nur die Geschichte einer durch Klassenschranken beinahe unmöglich gemachten Liebe, eine Satire auf die Absurdität einer von „Geschäftsmännern“ beherrschten Welt, auf die Leere und Sinnlosigkeit ihres um Macht, Reichtum und Selbstdarstellung kreisenden Lebens, eine Abrechnung mit einem größenwahnsinnigen Lebensstil und Wertmaßstäben, die nicht ein Schiff, sondern unseren ganzen Planeten in Katastrophen getrieben haben. Das alles hatten wir schon. Seit Jahrzehnten hat die Filmindustrie Weltuntergangsszenarien durchgespielt und dabei stellenweise kritischen Scharfblick gezeigt.
Dieser Film zeigt vor allem eines: menschliche Größe und Würde sind völlig unabhängig vom materiellen „Outfit“. Sie haben etwas zu tun mit der Fähigkeit, Verantwortung für andere zu empfinden, mit liebenden Augen zu sehen und mit der Bereitschaft sich selbst zurückzustellen und Opfer zu bringen. Wunderbar humorvoll macht diesen Zusammenhang die erste Lebensrettungsszene deutlich.
Besitzdenken, Eitelkeit, egozentrische Selbstüberschätzung und Rücksichtslosigkeit auf Seiten des Verlobten der Hauptdarstellerin Rose sind die gegenübergestellten Kontrasteigenschaften. Ihre Abwendung von einem Leben an der Seite dieses Mannes ist gleichzeitig eine Abwendung von jenem postmodernen Zynismus rücksichtsloser „Macher“, der in den vergangenen Jahrzehnten Gesellschaft, Kultur und Politik geprägt hat.
Dieser Film vereint vieles: Er zeigt das verzweifelte Ringen einer Frau um Selbstbestimmung in einer von Männern dominierten Welt, die Befreiung aus dem Zwangskorsett weiblicher Unterwürfigkeit und Eheprostitution, das Sprengen von Klassenschranken, die auf allen Seiten mit unendlicher Erniedrigung bezahlt werden.
Vor allem aber macht er deutlich, daß dies alles nicht möglich wäre ohne die Kraft der Liebe, ohne gegenseitiges Vertrauen, Opferbereitschaft und bedingungslose Hingabe.
Ich halte es für ein positives Zeichen, daß ein solcher Film heute Kultcharakter gewinnt. Dies zeigt, wie weit verbreitet am Ende dieses Jahrtausends die Sehnsucht nach echten, tiefem Gefühlen, nach einem auf Würde, Selbstbestimmung und Verantwortung beruhenden Leben, nach menschlicher Weiterentwicklung ist.
Der Marsch durch das Tal der Selbstentfremdung, von der Filmindustrie der vergangenen Jahre getreulich protokolliert, liegt, so bleibt zu hoffen, größtenteils hinter uns.
Was jetzt zum Thema werden könnte - und diesmal nicht auf der Ebene elitärer Kleinkunstkinos - ist die Suche nach den wahren Dingen, die das menschliche Leben lebenswert machen.
Dies ist nicht der erste Versuch. Attenboroughs „Gandhi“ und Kostners 
„Der mit dem Wolf tanzt“ waren auch kommerziell erfolgreiche Vorläufer, 
die in die gleiche Richtung wiesen. Aber bis vor kurzem waren die Rambos 
und Terminators noch stärker, konnten größere 
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Menschenmassenmassen anlocken und mit ihrem abgestandenen Aufguß 
steinzeitlicher Problemlösungen zufriedenstellen.
Vieles weist darauf hin, daß sich - nicht nur im Film - langsam die Waage zugunsten menschenwürdiger Verhaltensweisen neigt und wir an die Schwelle eines zivilisierten Zeitalters gelangen.
Ist es da ein Zufall, daß im Mittelpunkt des Titanic-Films die Selbstfindung einer Frau steht?
 
- Roland Greis
 
   
 
 
 
Jedes Kunstwerk ist Kind seiner Zeit[Bearbeiten]
Bella Chagall - große Muse Marc Chagalls, erste Ehefrau Marc Chagalls (bis zu ihrem frühen Tod 1944), Mutter der Tochter Marc Chagalls. Zumeist wird Bella Rosenfeld, verheiratete Chagall im Zusammenhang mit ihrem berühmten Mann erwähnt. Daß diese Frau eine Würdigung als eigenständige Künstlerin auf literarischem Gebiet verdient hat, beweist sie mit dem autobiographischen Erzählband „Brennende Lichter”.
1895 in Witebsk geboren, gelang Bella Rosenfeld eine zu ihrer Zeit seltene Leistung: Als eine von vier Schülern ihres Jahrgangs war sie nach Absolvierung des Gymnasiums mit der Goldmedaille ausgezeichnet worden und hatte sich damit das Recht auf einen Studienplatz in Moskau erarbeitet. Dort erwarb sie 1914 das Diplom für Literaturwissenschaften - außergewöhnlich in doppelter Hinsicht, denn sie war nicht nur eine Frau, sondern auch Jüdin. 1915 heiratete sie Marc Chagall, den sie aus ihrer gemeinsamen Geburtsstadt seit 1909 kannte.
In „Brennende Lichter“ läßt Bella Chagall den Jahresablauf in der jüdischen Gemeinde von Witebsk, im „Schtetl” zu Beginn des 2o. Jhdts. lebendig werden. 1939, zu einer Zeit, die für Juden in Europa äußerst dramatisch war, hält sie in ihrem französischen Exil für ihre Tochter und ihren Mann in zarter, poetischer Prosa die althergebrachte Atmosphäre in einer osteuropäischen jüdischen Familie fest, Arbeits- und Feiertage, schon ahnend, daß die Welt ihrer eigenen Kindheit dem Untergang geweiht ist. Die einnehmende Sprachmelodie dieses Buches, die die ganze Eindringlichkeit der kindlichen Wahrnehmung wiedergibt, läßt den Leser der deutschen Ausgabe bedauern, nicht der Muttersprache Bella Chagalls, des Jiddischen mächtig zu sein. Wenn die Übersetzung schon solches Lesevergnügen bereitet, wie muß es dann um den Originaltext bestellt sein!
Ihre Herkunft hat Bella ebenso geprägt wie Marc. Und ebenso wie er bis an sein Lebensende auf märchenhafte Weise immer wieder Motive des „Schtetls“ in seinen bildlichen Ausdruck aufnimmt, beschwört sie in diesem Buch mit Worten die Kultur ihrer Ahnen; mehr noch, es wurde ein Gemeinschaftswerk: Bella schrieb dieses Buch für Kind und Mann, Marc trug 39 illustrierende Zeichnungen dazu bei. So ist „Brennende Lichter“ ein leises, wunderschönes Dokument der Liebe dieser beiden Menschen zu ihrer Heimat, zur vergangenen Welt des osteuropäischen Judentums.
- Elena Afscharian
 
Bella Chagall, Brennende Lichter, 230 S., Rowohlt Taschenbuch Verlag, DM 12,95
THEMA DER NÄCHSTEN AUSGABE
FRAUEN
Aus DEM INHALT:
- Die Stellung der Frau in den Weltreligionen
 - Das Weibliche in der Entwicklung des Mannes
 - Vorstellung des Bahá’í-Frauen-Forums
 - Aufbruch der Frauen
 
- Kleinstkredite für Frauen der Dritten Welt
 
- ..und vieles mehr
 
DIE BAHÁ'Í-RELIGION
ZENTRALE LEHREN
- Die Einheit Gottes
 
- Es gibt nur einen Gott, mit welchem Namen er
 - auch benannt oder umschrieben wird.
 
- Die Einheit der Religionen
 
- Alle Offenbarungsreligionen bergen den gleichen
 - Kern ewiger Wahrheiten, wie die Liebe zu Gott und
 - den Menschen.
 
- Bestimmte Gesetze jedoch, die z.B. die Organisation
 - der Gemeinde, das Sozialwesen, Hygiene etc. betreffen,
 - müssen sich im Zuge der Menschheitsentwicklung
 - verändern. In großen Zyklen offenbart Gott
 - sich durch seine Boten wie Moses, Krishna, Buddha,
 - Christus, Mohammed und Bahá’u’lláh und erneuert
 - diesen Teil seiner Gebote als Antrieb für den
 - menschlichen Fortschritt.
 
- Die Einheit der Menschheit
 
- Die Menschheit ist eine einzige, große Familie mit
 - völlig gleichberechtigten Mitgliedern.
 
- Ihren Ausdruck finden diese grundlegenden Lehren
 - in Prinzipien wie:
 
- ▪ Selbständige Suche nach Wahrheit
 
- ▪ Gleichwertigkeit von Frau und Mann
 
- ▪ Soziale Gerechtigkeit
 
- ▪ Entscheidungsfindung durch Beratung
 
- ▪ Abbau von Vorurteilen.
 
- ▪ Übereinstimmung von Religion und Wissenschaft
 
 
ZENTRALE GESTALTEN
- Báb (1819-1850), der Vorbote
 - Bahá’u’lláh (1817-1892), der Stifter
 - 'Abdu'l-Bahá (1844-1921), der Ausleger
 - Shoghi Effendi (1897-1957), der Hüter
 
DIE BAHÁ'Í-GEMEINDE
- organisiert sich in Gremien, die auf örtlicher, nationaler und internationaler Ebene
 - von allen erwachsenen Gemeindemitgliedern in freier, gleicher und geheimer Wahl
 - ohne Kandidatur oder Wahlkampagnen gewählt werden. Es gibt keine Priester.
 
  
 
      
- Europäisches Bahá’í-Haus der Andacht in Hofheim-Langenhain/ Deutschland