Integration
TEMPORA
Nr. 13
 
NR. 13 INHALT
4 . . . . . Parallelgesellschaften vermeiden - von gegensiteigen Erwartungen - Roland Greis
6 . . . . . Es ist normal, verschieden zu sein - Im integrativen Kindergarten - Marianne Kretschmer
9 . . . . . Grenzen überwinden - Integration auf dem Land - Elke Zastrow
13 . . . . . Integration - Eine Begriffserklärung - Thomas Schaaff
16 . . . . . ubuntu - Computerprogramme aus Afrika - Thomas Schaaff
19 . . . . . Moçambique - Integration in Afrika - Kordula Koksch
24 . . . . . Is gaans anders als in Iran - Perser in Deutschland - Isabel Schayani
26 . . . . . Mit Rollenspielen Konflikte lösen lernen - People's Theater - Anke Keitel, Erfan Diebel
28 . . . . . Neubau einer Moschee - Eine Begegnungsstätte entsteht - Thomas Müller
EDITORIAL
  
INTEGRATION - bei diesem Begriff denken wir häufig recht einseitig an Probleme bei der Eingliederung sogenannter Ausländer. Dass Integration nur bei gegenseitigem Bemühen gelingen kann, ist eine Erkenntnis, die wir beim Vergleich unterschiedlicher Integrationsmodelle, aber auch bei Betrachtung biologischer Integrationsvorgänge gewinnen können.
Diese Ausgabe thematisiert deshalb eine Vielfalt von Ansätzen, Erfahrungen und Feldern der Integration. Auf diese Weise wird es möglich, Vergleiche und Schlussfolgerungen auf andere Gebiete zu ziehen, ein Verfahren, das immer dann hilfreich ist, wenn man auf einem isolierten Gebiet nur mühsam zu neuen Denkansätzen kommt.
In diesem Sinn hoffen wir unseren Lesern einige Anregungen zum selbständigen Weiterdenken zu bieten.
- Die Redaktion
 
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OHNE INTEGRATION KOMMT ES ZU PARALLELGESELLSCHAFTEN[Bearbeiten]
WAS VON DER GESELLSCHAFT UND WAS VON DEN ZUWANDERERN ZU ERWARTEN IST
Ein Blick in die Natur lässt uns verstehen, was Integration bedeutet. Ökosysteme funktionieren auf 
der Basis der Integration aller ihrer Teile. Diese übernehmen Funktionen im Gesamtsystem, die 
auf dem Prinzip des Gebens und Nehmens, des Austauschs mit anderen Teilen beruhen. Nicht 
integrierte oder nicht integrierbare Teile sterben ab und setzen dabei Verfallsprozesse in Gang, 
oder sie werden zu einer solchen Belastung, dass der Gesamtorganismus krank wird oder abstirbt. 
Das lässt sich besonders gut am Beispiel einer Krebszelle darstellen. Sie verselbständigt sich 
dadurch, dass sie Stoffwechselprodukte nicht mehr aufnimmt und wieder abgibt, sondern nur noch 
nimmt. Sie wuchert und drückt früher oder später ihrer Umgebung die Zufuhr von Nährstoffen ab. 
Die gleichen Prozesse lassen sich in gesellschaftlichen Organismen beobachten, wenn es nicht 
gelingt, neue Teile zu integrieren.
Menschen, die nicht integriert werden, kapseln sich ab, bilden zum Selbstschutz Ghettos, entwickeln eigene Wertesysteme, die zunehmend mit den sie umgebenden unvereinbar werden, wenn diese als feindlich wahrgenommen werden. Ausgrenzung wird mit innerer Abgrenzung beantwortet, mit der Folge, dass häufig auf archaische Wertesysteme zurückgegriffen wird, da diese mehr Schutz und Integration zu bieten scheinen als die Umwelt. Nichtintegration führt unweigerlich zu Vorurteilen, Missverständnissen und Diskriminierung, zu Aggression und Verteidigungsstrategien, die wiederum die Ausgrenzungstendenzen verstärken. Diese fatale Wechselwirkung ist wie die des Rüstungswettlaufs letztlich selbstzerstörerisch, wenn sie nicht durch einsichtiges Verhalten beendet wird.
Da es sich um gesamtgesellschaftliche Prozesse handelt, ist es von entscheidender Wichtigkeit, dass der Integrationsimpuls von oben, also von den Instanzen kommt, die den Organismus steuern können. Der Erziehungssektor spielt hierbei eine Schlüsselrolle, da er vor allem die nachwachsenden Mitglieder flächendeckend erreichen und durch geeignete Maßnahmen integrieren kann. Das ist übrigens entschieden billiger, als die Gesellschaft die verheerenden Folgen der Nichtintegration tragen zu lassen.
Wir haben also die Wahl: Weiter Menschen aus Arbeits-, Bildungs- und Entwicklungsprozessen auszugrenzen und dadurch zunehmend Kulturkämpfe, Kriminalität, Aggression und Depressionen zu fördern oder Menschen das zu geben, was ihnen als Menschenrecht zusteht.
Integration erfordert Mitgefühl. Man muss sich in die Lage dessen versetzen können, der ausgegrenzt wird. Wird das Problem lediglich unter wirtschaftlichen Aspekten betrachtet, kommt man zwar auch zu dem Ergebnis, dass Integration langfristig kostengünstiger ist als Nichtintegration. Denn sie lässt das menschliche Potenzial der Integrierten zur Wirkung kommen, was sich auch in materiellem Gewinn niederschlägt. Aber eine echte Motivation zum integrierenden Handeln leitet sich allein aus ökonomischer Sicht nur unzureichend ab. Diese ist meist so sehr mit egoistischen Einstellungen verknüpft und damit einäugig, dass sie selten zu nachhaltigen Entscheidungen führt.
Wäre das anders, hätte man das Problem der Arbeitslosigkeit längst durch eine gerechtere Aufteilung der Arbeit und der Löhne gelöst, statt arbeitsfähige Menschen auf die Straße zu setzen und die anderen durch Mehrarbeit zusätzlich zu belasten. Solange in den Köpfen der Entscheidungsträger die Wahnidee der kurzfristigen Profitmaximierung herumspukt, wird auch diese Form der Integration nicht zu realisieren sein.
Betrachtet man das Problem der Integration, der Gesunderhaltung des Organismus, mit beiden 
Augen, dem wirtschaftlichen und dem der Gerechtigkeit, so werden Lösungen realisierbar, 
die sonst gern
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als Illusionen realitätsferner Weltverbesserer diskriminiert werden. Eine Reihe Mut machender 
Beispiele aus aller Welt zeigt, dass Integration zu einer Win-Win-Lösung für alle Beteiligten 
werden kann. Völlig mittellose Menschen lassen sich in den Wirtschaftskreislauf wieder 
integrieren, wenn sie Basiswissen und Minikredite zur Verfügung gestellt bekommen, wenn man 
also Vertrauen in ihr menschliches Potenzial setzt. Das zeigen die in mehr als 50 Ländern 
entstandenen Dorfbanken. Der Initiator, Professor Muhammad Yunus aus Bangladesh, ist dafür 
mit dem diesjährigen Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. 
Wirtschaftsunternehmen, die nach dem Prinzip des Shareholdersystems organisiert sind und ihre Mitarbeiter am Gewinn beteiligen, schneiden deutlich besser ab, weil sie das kreative Potenzial ihrer Anteilseigner mobilisieren als solche, die mit Entlassungsdruck arbeiten.
Erziehungssysteme, die Hierarchien abbauen, Lehrende und Lernende in gemeinsame Lernprozesse integrieren und den sozialen Wert der Ausbildung in der Praxis erfahrbar werden lassen, erweisen sich als deutlich effektiver, kostengünstiger und befriedigender für alle Beteiligten als solche, die durch Auslese Eliten bilden und beträchtliche Teile demotivieren und ausgrenzen, die anschließend der Allgemeinheit zur Last fallen, da sie ihr Potenzial nicht entfalten konnten.
Zu den Grundbedürfnissen jedes Menschen gehört es im positiven Sinne, Wirkung zu haben, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen und dafür respektiert und anerkannt zu werden. Machen wir dieses Menschenrecht zum Ausgangspunkt gesellschaftlicher Überlegungen, setzen wir also den Menschen und nicht Verwertungsinteressen als Maßstab des politischen Handelns, so werden Lösungsansätze möglich, die viele heute noch für realitätsfern halten.
Für den Umgang mit Zugewanderten bedeutet das zunächst, dass man ihnen wirksame Fördermaßnahmen zur Beherrschung der Landessprache anbietet, denn ohne die sprachliche Integration lässt sich die Ghettobildung kaum vermeiden, wie zahllose Beispiele im In- und Ausland zeigen.
Besonders vor der Einschulung müssen die sprachlichen Voraussetzungen überprüft und geschaffen werden, was am besten im kostenfreien (!) und vor der Einschulung verbindlichen Kindergarten geschieht. Die Wohnsituation zugewanderter Mitbürger muss so gestaltet werden, dass diese zusammen mit Einheimischen in Miethäusern untergebracht sind. Das fördert den Kontakt und ermöglicht den Abbau von Vorurteilen. Persönliche Kontakte sind das beste Mittel, um Integration zu erleichtern. Hinzu muss aber eine langfristige Betreuung durch sozial kompetente Kontaktpersonen bis zur erfolgreichen Eingliederung kommen. Arbeit ist eine Grundvoraussetzung für jede Integration, da sie das Selbstwertgefühl entscheidend prägt. Ohne Integration in Arbeitsprozesse, das zeigen die zunehmenden psychosozialen Folgen der Arbeitslosenproblematik, ist an eine gesellschaftliche Integration nicht zu denken. Durch Einbeziehen in kulturelle Aktivitäten, Mitgliedschaft in Vereinen, Clubs und Teilnahme an regelmäßigen Treffs, die dem Austausch und der gegenseitigen Bereicherung dienen, aber auch durch interreligiöse Dialoge und gemeinsame soziale Aktivitäten lässt sich besonders gut das für eine erfolgreiche Eingliederung kennzeichnende Wir-Gefühl erzeugen. Diese Einheit ist in dem Maße tragfähig, wie sie mit der Anerkennung und Förderung der kulturellen Vielfalt einhergeht. Im Idealfall wird diese als echte Bereicherung für alle Beteiligten empfunden und zum Anlass, voneinander zu lernen.
Behörden mit Verständnis und Mitgefühl und möglichst ohne Vorurteile sind von Anbeginn an ein entscheidender Faktor, da sie die Einstellung gegenüber dem Staatswesen insgesamt prägen. Von Seiten der Zugewanderten sind unentbehrlich ein engagiertes Erlernen der Landessprache, die Bereitschaft, sich intensiv mit der Kultur des Gastlandes zu beschäftigen, aber auch sich selbst und die eigene Kultur gesellschaftlich aktiv einzubringen. Offenheit für Kontakte und die Bereitschaft, die eigenen Traditionen auf ihre Zukunftstauglichkeit zu überprüfen, helfen Konflikte zu vermeiden und die Unterschiede im Sinne gemeinsamen Wachstums nutzbar zu machen. Selbstverständliche Voraussetzung ist es, die Gesetze, Sitten und Bräuche des Gastlandes zu respektieren und ebenfalls eigene Vorurteile abzubauen.
Toleranz, das zeigen die zurückliegenden Jahrzehnte, ist bei weitem nicht genug. Den Andersartigen nur zu dulden führt automatisch zu Abgrenzung, Abkapselung und destruktivem Verhalten. An ihre Stelle müssen echte Wertschätzung und die Bereitschaft treten, den anderen als gleichberechtigten Bewohner auf diesem Planeten zu sehen und zu behandeln. Das kann erleichtert werden, wenn wir uns bewusst machen, dass wir nur zufällig auf der materiell begünstigten Seite unserer gemeinsamen Erde leben.
- Roland Greis
 
Es ist normal, verschieden zu sein[Bearbeiten]
DIE MÖGLICHKEITEN EINES INTEGRATIVEN KINDERGARTENS
Nach Artikel 3 Absatz 3 GG darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Deshalb 
sollen Behinderte durch verschiedene Hilfen ins Schul- und Arbeitsleben sowie in die Gesellschaft eingegliedert werden. Dazu zählen Maßnahmen der Rehabilitation und Sonderpädagogik, Leistungen 
der Pflegeversicherung und das Recht auf Betreuung.
Und wie sieht die Umsetzung dieses Paragraphen für behinderte Kinder in Kindergärten aus? Um sich Gedanken über Integration im Kindergarten machen zu können, müssen vorweg bestimmte Hintergründe bekannt sein.
- WAS IST INTEGRATION?
 
Unter sozialer Integration wird die Eingliederung von Mitgliedern einer bestimmten, meist als benachteiligt, gesellschaftlich randständig oder fremd empfundenen Gruppe, in unserem Beispiel behinderte Kinder, in ein größeres Gemeinwesen, hier in den Kindergarten, verstanden.
Integration greift im Wesentlichen nur bei Anerkennung gemeinsamer Merkmale, Grundwerte und Ziele. Außerdem ist es erforderlich, dass alle Mitglieder dieser Gruppe am Alltagsgeschehen nach ihren Möglichkeiten teilnehmen und die gemeinsam aufgestellten Regeln übernehmen.
Integration heißt im Kindergarten also nicht, dass das Kind mit Behinderung sich in das Bestehende einzupassen hat, sondern es muss ein wechselseitiger Prozess aller sein. Die Einrichtung und mit ihr alle Kinder und Erzieher müssen sich verändern.
- DIE AUFGABEN EINES KINDERGARTENS
 
Eine ganztägig geöffnete Kindertagesstätte ist eine Einrichtung zur Betreuung und pädagogischen Förderung der Kinder im Alter von zwei Jahren bis zur Einschulung. Zu den Hauptaufgaben gehört es, die Selbständigkeit und das Selbstbewusstsein, den Gemeinschaftssinn und die Umweltbegegnung sowie die allgemeine geistige, körperliche und seelische Entwicklung der Kinder zu fördern. Schulähnliches Leistungsdenken soll fern gehalten werden. In Deutschland hat jedes Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens, unabhängig von seiner körperlichen, geistigen und seelischen Entwicklung.
- WIE DEFINIERT MAN BEHINDERUNG?
 
Von einer Behinderung spricht man (im Unterschied zu vorübergehenden Erkrankungen)
- bei längerfristigen oder bleibenden körperlichen, geistigen und/oder psychischen Beeinträchtigungen eines Menschen, die seine Entwicklungsmöglichkeiten und seine Lebensumstände erheblich erschweren oder einschränken.
 
- wenn bestimmte Grade der Auffälligkeit überschritten werden, etwa bei Blindheit, Gehörlosigkeit oder einer Körperbehinderung, wenn die Defizite stark ausgeprägt sind, altersübliche Leistungen nicht erbracht werden können oder als deutlich abweichend oder behandlungsbedürftig empfundene psychische Auffälligkeiten vorliegen.
 
- wenn Menschen, die durch einen angeborenen oder erworbenen gesundheitlichen Schaden in der Ausübung der im entsprechenden Lebensalter üblichen Funktionen beeinträchtigt sind und/oder auch in der Wahrnehmung oder Fortsetzung ihrer sozialen Rollen, der Eingliederung in den gesamten Lebenskontext, Einschränkungen unterliegen.
 
Behinderungsarten im Kindergarten sind vielfältig: Körperbehinderungen, spastische oder schlaffe
Lähmungen, Dauerschädigung innerer Organe, Sinnesschädigungen, Sprachbehinderungen, geistige 
Behinderungen, Genstörungen, psychische Behinderungen, soziale Behinderungen, Lernbehinderungen, 
Verhaltensauffälligkeiten. Man unter scheidet je nach Schweregrad: entwicklungsverzögert, 
behindert, schwerstbehindert, schwerstmehrfachbehindert. Diese Einschätzungen werden vom 
Gesundheitsamt und/oder der Pflegekasse vorgenommen. Das Gesetz sieht auch Integrationsmaßnahmen 
für von
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Behinderung bedrohte Kinder vor. Leider werden diese Maßnahmen aus Kostengründen so gut wie
gar nicht mehr genehmigt.
- GESCHICHTLICHE ENTWICKLUNG
 
Behinderte Kinder in Kindergärten gibt es erst seit etwa 35 Jahren. Bis dahin blieben sie in der Familie, nicht selten wurden sie vor der Öffentlichkeit versteckt.
Es begann mit Kindergärten, die nur Behinderte aufnahmen, sogenannte „Sonderkindergärten“. Diese Einrichtung war für die gesamte Stadt (Kreis). Die Kinder wurden mit Bussen dorthin gebracht und hatten längere Anfahrtswege. Anfang der neunziger Jahre veränderten sich die Sonderkindergärten in „Integrative Kindertagesstätten“. Das heißt, sie betreuten fünf behinderte Kinder gemeinsam mit zehn nicht behinderten in einer Gruppe, und meist gab es noch eine heilpädagogische Gruppe nur für Schwerstbehinderte. Im Jahr 2000 löste der Gesetzgeber die heilpädagogischen Gruppen auf, auch diese wurden integrativ. Parallel dazu gibt es seit 1995 Einzelintegrationen. Das bedeutet, dass jeder Kindergarten gesetzlich verpflichtet ist, ein behindertes Kind aus dem nahen Wohnumfeld aufzunehmen. Das ist dann manchmal das einzige behinderte Kind in der Einrichtung. Die Gruppe dieses Kindes hat dann nicht mehr 25 Kinder, sondern nur noch 20.
- WARUM INTEGRATIVE KINDERGÄRTEN?
 
Kinder mit und ohne Behinderung brauchen den Kontakt zu anderen Kindern. Deshalb ist der Besuch eines Kindergarten auch für ein Kind mit Behinderung auf jeden Fall empfehlenswert und sinnvoll. Wenn ein Kind behindert ist, fällt es der Familie und diesem Kind viel schwerer, Kontakte zu anderen Familien mit Kindern zu knüpfen. Im Kindergarten hat das Kind diese Kontakte jeden Tag, es kann Erfahrungen machen, die es zu Hause nicht sammeln kann. So gut sich Eltern auch um ihr Kind kümmern, sie können die vielen Anregungen und Impulse, die es im Zusammensein mit anderen Kindern bekommt, nicht ersetzen. Es kann sich an anderen orientieren, dabei seine eigenen Fähigkeiten entwickeln und ausprobieren. Im Spiel mit anderen lernt es seine Bedürfnisse, Möglichkeiten und Grenzen kennen. Es erfährt dabei, dass andere Kinder andere Bedürfnisse und Interessen haben, und es beginnt zu lernen, mit Konflikten zurecht zu kommen. Darüber hinaus bietet der Kindergarten zahlreiche Aktivitäten, wie etwa musikalische Früherziehung, Turnen und Ausflüge. All das fördert und stärkt die Entwicklung eines Kindes. In einem Integrationskindergarten gibt es mehr Dynamik und Entwicklungsmöglichkeiten für die Kinder. Man muss nur genau gucken, was das Kind braucht.
Auch für nicht behinderte Kinder ist es gut und lehrreich, in einer Integrationsgruppe zu sein. Die Kinder lernen früh, dass Geduld und Hilfsbereitschaft zusammen gehören. Auf ein Kind, das langsamer ist als die anderen, wird eben gewartet, und einem Kind, das bestimmte Dinge nicht kann, wird geholfen. Für das soziale Verhalten bringt das sehr viel. Sie werden sich bewusst, wer sie eigentlich sind, dass jeder Mensch verschieden ist und andere Bedürfnisse hat. Das lernt man noch besser, wenn man sieht: Da ist jemand, der etwas anders ist, aber trotzdem liebenswert.
- INTEGRATION IN DER PRAXIS
 
Eigentlich sind wir ein ganz normaler Kindergarten, freilich mit sehr verschiedenen Kindern. Und als erstes lernen Kinder und Eltern: „Es ist normal, verschieden zu sein“. Kinder nehmen naturgemäß ihr „anders sein“ als normal an und für sie ist es nichts besonderes. Die Eltern brauchen meist etwas länger, da sie sich aber bewusst für diese integrative Einrichtung entschieden haben und somit sich mit dem integrativen Gedanken auseinandergesetzt haben, verlieren auch sie schnell eventuelle Hemmungen oder Scheu.
In unserem Kindergarten gibt es drei integrative Gruppen mit je 17 Kindern, von denen drei bis fünf behindert sind. Wir haben von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr geöffnet. Im Kindergarten werden folgende Therapien angeboten: Ergotherapie, Krankengymnastik, Logopädie und Motopädie. Wir arbeiten nach einem halboffenen Konzept. Das heißt, dass die Kinder bis 9.00 Uhr im ganzen Haus spielen können, also in jeder Gruppe. Danach sind sie in ihrer Stammgruppe mit festen Bezugspersonen. Etwa von 14.30 Uhr an spielen sie wieder gruppenübergreifend.
Dies klingt nach einem ganz normalen Kindergarten, und das sind wir auch. Trotzdem gibt es bei 
uns im Interesse der behinderten Kinder einige Besonderheiten,
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die aber meist auch für die nicht behinderten Kinder von Vorteil sind. So legen wir Wert auf 
einen klar strukturierten Tagesablauf. Diesen klaren Rahmen benötigen diese Kinder, um sich
orientieren zu können. Aber er ist für alle Kinder gut, denn schließlich sind die meisten
den ganzen Tag in der Einrichtung. So ist es wichtig, dass sich ruhige, kreative, bewegungsreiche, organisierte und selbstbestimmte Phasen überschaubar abwechseln.
Das gemeinsame Frühstück und Mittagessen sind zwei der täglichen Rituale. Wir nehmen die Mahlzeiten gemeinsam in der Gruppe ein. Für behinderte Kinder ist die Nahrungsaufnahme häufig etwas, was sie noch lernen oder verbessern müssen. Beim gemeinsamen Essen macht das Spaß, und es ist auch für alle anderen ein wichtiges Miteinander, denn gemeinsame Mahlzeiten werden in den Familien immer seltener.
Viele behinderte Kinder nehmen Medikamente ein, die müde machen, oder der Kindergartenalltag strengt sie mehr an. Daher machen sie gemeinsam mit den jüngeren Kindern einen Mittagsschlaf. Diese Erholungsphase tut ihnen gut und ist selbstverständlich kein Zwang. Natürlich ist immer eine Bezugsperson mit im Schlafraum. Jedes Kind kann im übrigen schlafen, wenn es das möchte.
Die lebenserhaltende Medikamentengabe ist aufgrund der Schwere der Behinderung oft unerlässlich. Würden wir im Kindergarten nichts verabreichen, könnten diese Kinder gar nicht kommen. Genauso selbstverständlich ist die Körperpflege. Das Windelnwechseln, Zähneputzen, waschen und der Toilettengang macht immer ein Teil der Gruppe gemeinsam. So lernt der eine vom anderen. Erziehung zur Selbständigkeit ist hier für alle Kinder wichtig. Körperliche Selbständigkeit, für viele selbstverständlich, muss von behinderten Kinder oft systematisch gelernt und eingeübt werden.
Wir haben altersgemischte Gruppen (von zwei Jahren bis zur Einschulung). Die Älteren können schon kleine Aufgaben übernehmen und lernen damit Verantwortung zu übernehmen. Die Zweijährigen sind dem Entwicklungsstand der behinderten Kinder oft näher. So kommt es schnell zu gemeinsamem Spiel und damit zum Lernen von einander.
Unsere Gruppen sind kleiner als üblich, zwischen 15 und 18 Kinder. Das erleichtert ihnen den Überblick und ermöglicht ein ruhigeres Spielen sowie einen behüteteren Rahmen, da auch der Personalschlüssel (noch) besser ist. Wir haben feste Gruppen mit festen Bezugspersonen. Das gibt den Kindern Sicherheit. Sie sind heute sehr viel länger im Kindergarten als früher (bis zu fünf Jahre und bis zu neun Stunden täglich). Für eine so lange Zeit sind vertraute Personen für das Wohlempfinden und die positive Entwicklung unerlässlich. Für eine gute Entwicklung braucht jedes Kind und ein behindertes erst recht eine stabile Beziehung.
Die Therapeuten im Haus entlasten die Eltern enorm. Denn Eltern von behinderten Kindern müssen viele Termine wahrnehmen. Behindert sein bedeutet nämlich oft lebenslange Therapien. Die Kindergartenzeit ist für viele Eltern die erste Zeitspanne seit der Geburt, in der sie eine „kinderfreie Zeit“ haben und mal wieder Zeit für sich oder den Partner oder die Geschwister haben. Für behinderte Kinder haben Therapien im Kindergarten ebenfalls viele Vorteile. Sie haben keine Anfahrtswege und Wartezeiten, und der Nachmittag ist frei von Terminen. Aber das wichtigste ist das gemeinsame Spiel mit Spaß und Freude. Alle zusammen ohne Unterschied nehmen an allem teil, jeder nach seinen Fähigkeiten. Und alle wissen:
- Es ist normal,
 - verschieden zu sein.
 
- Marianne Kretschmer
 
- 10 Jahre als
 - Kinderkrankenschwester tätig,
 
- nach Familienpause
 - Ausbildung zur Erzieherin,
 - Mutter von 3 Kindern, 52 Jahr alt,
 
- arbeitet seit 10 Jahren
 - in einer integrativen
 - Kindertagesstätte
 - in Hessen
 
GRENZEN ÜBERWINDEN[Bearbeiten]
- Gemeinsam neue Wege finden
 
Integration auf dem Land ist eine besondere Herausforderung
Der Umzug in eine andere Region ist immer eine einschneidende Veränderung im Leben eines Menschen. 
Er muß sich neu orientieren, neue soziale Verbindungen knüpfen. Sich neu einzuleben gelingt nicht 
immer schnell und reibungslos, vielen fällt es schwer. Ein Zuzug aus dem Ausland ist in dieser 
Hinsicht besonders einschneidend und bedarf zusätzlicher Anstrengungen, denn hier ändert sich 
noch mehr: Man kennt die Sprache nicht, die Gewohnheiten des neuen Landes sind anders als im 
Heimatland gewohnt. Und Andersartigkeit macht Angst. Viele Menschen - Einheimische wie 
Zuwanderer - meiden den Umgang mit ihr und miteinander. Und diese Angst wird zur Ursache von 
Vorurteilen und Rassismus, sie kann zur Bildung ethnischer Solidargemeinschaften führen, die ihre
gewohnten Lebensweisen und Sprachen auch in fremder Umgebung wie einen Schutzwall pflegen.
Das ist eine allgemein verbreitete Verhaltensweise, die nicht etwa auf Zuwanderer nach Europa 
beschränkt ist, wie das Beispiel Mallorca zeigt: Dort bleiben die Deutschen am liebsten unter sich. 
Im ländlichen Raum ist der Rückzug in die Sicherheit und Geborgenheit einer Solidargemeinschaft in
der Regel nicht möglich, da es dort keine großen ethnischen Gruppen gibt und Ausländer im 
Straßenbild generell nicht sehr auffallen. Hier gibt es nur zwei Möglichkeiten: Integration 
oder Vereinsamung.
- INTEGRATIONSVERLÄUFE
 
Allen Zuwanderern ist eine rasche, reibungslose Integration ins deutsche Umfeld zu wünschen. Sie
verlangt aber nicht nur besondere Anstrengungen, sondern auch günstige Ausgangsbedingungen, die
zum Teil in der Person selbst liegen, zum Teil aber auch von den äußeren Rahmenbedingungen abhängen. 
So vielfältig wie die Menschen sind auch ihre Integrationsverläufe: Ein aufgeschlossener,
motivierter und neugieriger Mensch, mit einem gesunden Selbst- und Gottvertrauen, einer stabilen
psychischen wie körperlichen Gesundheit und einer guten und lernerfahrenen Vorbildung, der in 
eine freundlich gesinnte deutsche Familie einheiratet, ist wahrscheinlich rasch integriert. Andererseits
braucht eine mit ihrer Familie eingeschleuste schüchterne, wenig selbstbewusste, kranke, eventuell 
durch einschneidende Kriegserlebnisse traumatisierte Mutter kleiner Kinder mit geringer oder fehlender Schulbildung viel Ermutigung, Unterstützung und Hilfen für kleine Integrationsschritte. Schon Teilerfolge 
sind in diesem Fall enorm hoch zu bewerten. Rückschläge sind allgegenwärtig, häufig begleitet von Depressionen, die durch einen unsicheren Aufenthaltsstatus begünstigt werden. Solche Menschen haben es 
auf dem Land extrem schwer, sich erfolgreich zu integrieren. Dazu kommt
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eine ganze Reihe von ungünstigen Verhältnissen, welche eine Integration auf dem Land zusätzlich
erschweren: Die Wege in die Zentren zu den Stellen, seien es Beratungsstellen, Ausländerbehörde, 
Fachärzte und Krankenhäuser, sind weit und teuer. Das Personal dort ist zumeist wenig bis gar 
nicht interkulturell und rechtlich geschult und häufig überfordert.
Den Menschen ist alles fremd, es gibt keine Läden mit vertrauten Lebensmitteln, und dabei steigt im Ausland der Appetit auf gewohnte Speisen ins Uferlose.
Es werden nur in den Zentren Sprachkurse angeboten, und auch dort meist keine speziellen, etwa für Mütter mit kleinen Kindern, SchülerInnen oder Analphabetinnen.
Die Bildungsangebote sind begrenzt, teuer und nur eingeschränkt zugänglich.
Das Jobangebot ist äußerst gering, oft nur saisonal, minimal bezahlt und wird häufig nur über Beziehungen vergeben.
Es gibt kaum Menschen, die dieselbe Sprache sprechen und dolmetschen könnten oder zu denen sich Freundschaften entwickeln könnten.
Die eigenen Kinder fungieren meist als Dolmetscher, erhalten selbst aber bei schulischen Problemen meist weder zu Hause noch in der Schule eine besondere zusätzliche Förderung.
Die Betroffenen sind in Krisensituationen äußerst hilf- und orientierungslos. Sie verstehen die deutschen Nachbarn weder sprachlich noch kulturell. Vieles spielt sich hinter verschlossenen Türen ab, besonders in Deutschland.
Viele Einheimische wiederum bemerken in ihrem eigenen Alltagstrott nicht einmal die Präsenz ihrer Mitmenschen, geschweige denn deren Not, oder sie verhalten sich konservativ-reserviert bis ablehnend.
Es gibt keine anderen religiösen Gemeinschaften außer den christlichen Kirchen, in denen die Betroffenen seelischen Beistand finden könnten.
- LÖSUNG: EIN NETZWERK FÜR MIGRANTINNEN
 
Aus den aufgezählten widrigen Gegebenheiten ergibt sich: Auf dem Lande bedarf es um so mehr einer Lobby, eines Sprachrohrs, am besten eines starken Netzwerks für MigrantInnen. Dieses verknüpft idealerweise hauptamtliche offizielle Stellen mit ehrenamtlich Engagierten, MigrantInnen mit Deutschen. Das minimiert so weit wie möglich die Belastungen Einzelner. Außerdem werden auf kurzen Wegen fachlich fundierte denkbare Lösungen und Grenzen aufgespürt. Ein solches Netzwerk sollte rasche individuelle und rechtliche Hilfestellungen und Aufklärung in Krisenzeiten bei Krankheit, Arbeitssuche, Kindererziehung oder Familienproblemen geben, darüber hinaus Kurse vermitteln oder gar anstoßen und öffentlich für die Probleme Zugewanderter sensibilisieren. Gleichrangig sollten Bemühungen sein, in den Zugewanderten den Menschen und sein Potenzial zu entdecken und gemeinsam mit ihnen möglichst viele glückliche Momente zu schaffen, sei es im Einzelkontakt mit „Paten“ oder in der Gemeinschaft, bei regelmäßigen Treffen, Aktivitäten und Feiern.
Das stellt die Integrationsbegleiter vor große Herausforderungen, denn sie Übernehmen eine große Verantwortung.
- Bei mangelnder interkultureller, psychologischer und rechtlicher Vorbereitung oder Schulung ist ein hohes Maß an Intuition erforderlich. Fehleinschätzungen und Enttäuschungen sind vor allem anfangs „normal“. Sie müssen lernen, damit richtig umzugehen.
 
- Zeitweilig durchleben sie starke Stimmungsschwankungen und müssen extreme seelische Belastungen (beispielsweise bei rechtlichen Grenzfällen wie drohender Abschiebung von Flüchtlingen) verarbeiten.
 
- Sie sollten sich daher Vertrauenspersonen zur eigenen Supervision auswählen, denn ein solches Angebot steht meist nicht zur Verfügung, ist aber dennoch extrem wichtig.
 
- Sie müssen auch loslassen können, da Zugewanderte nicht immer bleiben können oder wollen oder aber sich distanzieren. Die „Familie“ bleibt klein.
 
Dennoch sollte man die Mitwirkung in einem interkulturellen Netzwerk wagen, egal wo. Die Bahá’í-Schriften ermutigen ausdrücklich dazu:
- „O Menschenkinder! Wisst Ihr warum Wir euch alle aus dem gleichen Staub erschufen? Damit sich keiner über den anderen erhebe. Bedenket allzeit in eurem Herzen, wie ihr erschaffen seid...“1)
 
Man betrachte seinen Mitmenschen so, wie er oder sie erschaffen wurde: Als körperliches, gedanklich-intellektuelles, geistiges und soziales Wesen - wie man selbst. Die bestmögliche Entfaltung dieser Grundanlagen und -bedürfnisse sollte das Anliegen jedes einzelnen Menschen, aber auch jeder humanen Gesellschaft sein.
- „Mit Hilfe der Gerechtigkeit wirst du mit eigenen Augen sehen, nicht mit denen anderer.“2)
 
Man sollte seinen Horizont erweitern: die Mitmenschen und ihr Sozialverhalten, die Einstellung zu Kindern, Angehörigen, alten Menschen und Freunden beobachten und daraus konstruktive Schlussfolgerungen für sein eigenes Verhalten ziehen. Am besten die eigenen Vorurteile einfach loslassen.
- „Die Verschiedenheit der menschlichen Familie sollte die Ursache für Liebe und Eintracht sein, wie in der Musik, wo viele Noten zusammenklingen, um einen vollendeten Akkord hervorzubringen.”3)
 
Man kann die Welt zu sich kommen lassen und aus ihren Schätzen schöpfen. Dabei kann man gleichzeitig Sonderbotschafter Deutschlands sein. Dabei sollte man die vielfältigen individuellen, kulturellen und religiösen Erfahrungsschätze von Menschen der verschiedensten Weltregionen in seine eigene Planungen einbeziehen. So kann man Ideen und Visionen entwickeln und den Partner oder die Partnerin ermutigen, sie umzusetzen.
- „Ohne Zweifel verdanken die Völker der Welt, welcher Rasse oder Religion sie auch angehören, ihre Erleuchtung derselben himmlischen Quelle und sind einem einzigen Gott untertan...“4)
 
Kreativ sein und mutig neue Wege beschreiten: nicht nur interkulturelle Feiern planen, sondern unbedingt auch gemeinsame interreligiöse Andachten. Dabei gibt es nichts zu verlieren, sondern hier kann man im Gegenteil den eigenen Horizont und seine Liebes- und Glaubensfähigkeit erweitern. Die Intensität dieser Empfindungen entschädigt mehrfach für den Aufwand!
- „Wenn ihr von ganzem Herzen Freundschaft mit allen Rassen auf Erden wünscht, so werden sich eure Gedanken geistig und aufbauend verbreiten, sie werden zum Wunsche anderer werden, wachsen und wachsen, bis sie alle Menschen erreichen.“5)
 
Man sollte ganz unbefangen sein im Umgang mit Fachleuten, Personen des öffentlichen Lebens und Pressevertretern. Man wird nämlich unerwartet viele offene Ohren und Türen finden, welche die Sackgassen und eventuelle Anfeindungen nebensächlich erscheinen lassen.
- „Verzweifelt nicht! Wirkt ständig! Aufrichtigkeit und Liebe werden den Hass besiegen.“6)
 
Man muss durchhalten: Dann gewinnt man über gute und schlechte Zeiten hinweg nicht nur besondere Freunde und eine neue „Familie“, sondern man wird dankbar, demütig und schafft Loslösung in ungeahntem Maße.
Dienste am Ort für und mit MigrantInnen sind Friedensdienste in reinster Form und entwickeln in uns die Fähigkeit zur Mitgestaltung einer Kultur der Einheit der Menschheit, der Einheit in all ihrer Vielfalt!
- „Der ist wirklich ein Mensch, der sich heute in den Dienst der ganzen Menschheit stellt... Die Erde ist nur ein Land und alle Menschen sind seine Bürger“7)
 
QUELLENANGABEN:
- 1) BAHÁ’U’LLÁH, DIE VERBORGENEN WORTE, ARABISCH 68
 - 2) BAHÁ’U’LLÁH, VERBORGENE WORTE, ARABISCH 2
 - 3) 'ABDU'L-BAHÁ, DAS KOMMEN GÖTTLICHER GERECHTIGKEIT, S.63
 - 4) BAHÁ’U’LLÁH, ÄHRENLESE 111
 - 5) 'ABDU'L-BAHÁ, ANSPRACHEN IN PARIS, S.18
 - 6) 'ABDU'L-BAHÁ, s.o.
 - 7) BAHÁ’U’LLÁH, ÄHRENLESE 117
 
 
Beispiel für ein Netzwerk im ländlichen Raum
Der Förderverein für die Integration von Migrantinnen und Migranten (FIMM) e.V. 
Ostholstein/Schleswig-Holstein mit Sitz in Eutin begann als Netzwerk im September 2002. 
Er wurde im Februar 2003 als Verein gegründet.
Beim bundesdeutschen Wettbewerb „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ erhielt der Verein Ende 2003 einen Preis „für ein ideenreiches und wirkungsvolles Beispiel zivilen Engagements“.
So stellt sich die Gruppe im Internet vor:
- „Wir sind eine Gruppe weltoffener Menschen deutscher und anderer Nationalität, die in Ostholstein leben. Wir freuen uns, Sie kennenzulernen. Gemeinsam machen wir das Leben in Ostholstein bunter und friedvoller. Unser gemeinnütziger Verein fördert in vielfältiger Weise die Begegnung von Deutschen und MigrantInnen sowie die Integration zugewanderter Menschen „ohne Verlust der eigenen Identität“. Wichtig sind uns Vernetzung und Kooperation mit anderen Stellen und Initiativen.“
 
- SIEHE IM INTERNET:
 - WWW.AUSGEZEICHNETE-FLUECHTLINGSSOLIDARITAET.DE
 - WWW. FIMM.IN-EUTIN.DE
 
AKTIVITÄTEN UND INITIATIVEN:
- 1) Patenschaftsvermittlung im Sinne erweiterter Nachbarschaftshilfe
 
- 2) Einzelfallhilfen, etwa Frauenförderung, Beistand in Krisensituationen, Begleitung und Weitervermittlung (zum Beispiel in Gesundheits- oder Freizeitfragen) zu vorhandenen Stellen, Empfehlungsschreiben, Dolmetscher-Vermittlung, Vermittlung bei schulischen Problemen
 
- 3) Sprachkursvermittlung und -anregung
 
- 4) „Treff International“: Einmal pro Monat in Eutin mit Brunch, Begegnungen, Interreligiöser Andacht und gemeinsamen Aktivitäten
 
- 5) Informationsabende und Öffentlichkeitsarbeit. Eigene (zum Beispiel Ausstellung über ein Buchprojekt von Migrantinnen; Presseinformationen und -aufrufe) und auf Anfrage (beim evangelischen Frauenwerk des Kirchenkreises, bei den Landfrauen und in Schulen)
 
- 6) Mitwirkung bei Großveranstaltungen wie Stadtfesten
 
- 7)interreligiöse und interkulturelle Feiern. Adventsund Ramadanfeiern bei verschiedenen Kirchengemeinden, Naw-Rúz - Newroz (Neujahrsfeier aller Kurden, Iraner, Afghanen und Bahá’í), regionales interkulturelles Sommerfest
 
- 8) Mitwirkung beim Migrationsforum Ostholstein
 
  
- Elke Zastrow
 
- Weltbürgerin mit Wohnsitzen in Berlin, Trier, Tübingen,
 - Penang / Malaysia, Kürten (Kölner Großraum) und Eutin (seit 2001)
 
- Magister soc. rer. in Slavistik, Pädagogik und Geographie
 - 1993-1997 Vertreterin der Bahá’í Womens Society von Penang Island/Malaysia,
 - u.a. beim nationalen malaysischen Frauennetzwerk NCWO
 
- Dozentin für Deutsch als Fremdsprache
 
- verheiratet, Mutter zweier Kinder
 
- Mitinitiatorin und Vorsitzende des Fördervereins
 
Integration - eine Begriffserklärung[Bearbeiten]
„Die Tatsache, dass wir meinen, selber im Recht zu sein und jeden anderen für im Unrecht halten, ist das größte aller Hindernisse auf dem Weg zur Einheit.“
'ABDU'L-BAHÁ, ANSPRACHEN IN PARIS
Sofia F. spricht deutsch mit breitem hessischen Akzent. Sie kauft gern in der Frankfurter 
Kleinmarkthalle ein. Die 36jährige Frau arbeitet in der Verwaltung eines großen Seniorenstifts 
und ist bei den Heimbewohnerinnen äußerst beliebt. Ihre beiden Töchter gehen auf das altsprachliche 
Gymnasium und spielen in ihrer Freizeit in einem Mädchenfussballverein. Nur wenn Sofia Reis kocht 
und mit Tabasco so scharf würzt, dass sich die Eingeweide in flüssiges Feuer verwandeln, wird man 
daran erinnert, dass sie aus Indonesien kommt.
Antigone M. kommt aus dem Kosovo. Sie kann kaum Deutsch. Wenn sie einkaufen geht, fragt sie die Angestellten im Supermarkt oft: „Was sollen nehmen? Haben keine Nichts.“ Ihre Kinder haben dagegen keine Probleme, sich bestimmte Produkte auszusuchen und der Mutter in den Einkaufswagen zu mogeln. Obwohl beide Frauen Nachbarinnen sind, trennen sie Welten. Und das liegt nicht etwa an dem oft beschworenen Kopftuch, denn das hat Antigone schon abgelegt, als sie vor mehr als zehn Jahren nach Deutschland kam. Sie kleidet sich durchaus westlich elegant.
Was sie unterscheidet, beschreibt das Wort Integration
- 1. DAS WORT
 
Integration kommt aus dem Lateinischen. Dort bedeutet integer unversehrt oder ganz. Integration heißt wörtlich, ein Ganzes wieder herzustellen. Daraus leitet sich die Grundbedeutung ab: Integration ist das Einbeziehen oder Einbinden einer Minderheit in eine größere Gruppe. Interessant ist, sich das Gegenteil davon anzusehen. Das wäre etwa Abkapselung, Abschiebung, Ausgrenzung, Isolierung, Trennung oder Verbannung. Wer immer also dagegen ist, dass Menschen ausgegrenzt werden, abgeschoben oder verbannt oder auch nur von etwas oder jemandem getrennt, der ist für Integration
- 2. INTEGRATION NACH SOZIALPOLITISCHEM VERSTÄNDNIS
 
soziologisch betrachtet, beschreibt Integration einen Prozess, durch den bisher außen stehende Personen oder Gruppen nun zugehörige Glieder einer größeren sozialen Gruppe oder Gesellschaft werden. Diese Bewegung wird oft mit Assimilation verwechselt, was einer völligen Anpassung an ein bereits bestehendes Ganzes gleichkäme. Vielmehr handelt es sich hier um einen schöpferischen Vorgang, durch den etwas völlig Neues entsteht. Durch das Einbringen von Werten und der Kultur der außen stehenden Gruppe in die Gemeinschaft geschieht die kombinatorische Neuschaffung einer Gesellschaft, die es in dieser Form bisher noch nicht gab, bei Erhalt der jeweils eigenen Identität.
- 3. INTEGRATION IN DER PÄDAGOGIK
 
Schulische Integration bezeichnet das Einbinden von Menschen mit Behinderungen in den Schulunterricht 
von Nichtbehinderten. Solange es Sonderschulen gibt, war es deren Ziel, behinderte Menschen zu 
integrieren. Sie sollten die gleichen Rechte haben und sich so weit wie möglich selbst und 
unabhängig versorgen können. Heute geht man dabei noch einen Schritt weiter und sagt, dass alle 
Menschen verschieden sind und nicht alle zur gleichen Zeit und im gleichen Tempo das Gleiche 
lernen können. Bei zielgerichteter Integration werden alle 
[Seite 14]
Schüler nach den gleichen Rahmenrichtlinien unterrichtet, wobei den behinderten Schülern etwa 
besondere Sehhilfen zur Verfügung gestellt werden. In der zieldifferenten Integration werden die 
Schülerinnen und Schüler nach verschiedenen Rahmenrichtlinien unterrichtet und somit auch der 
Lerninhalt dem jeweiligen Fassungsvermögen der behinderten und nichtbehinderten Kinder angepasst. 
Grundvoraussetzung, dass die schulische Integration gelingt, ist eine positive Einstellung und die 
Bereitschaft aller zur Integration. Im integrativen Unterricht vergrößert sich die Spannbreite der 
Fähigkeiten der Schüler, und in dem Maße, in dem es gelingt, die Balance zwischen individuellem 
Lernangebot und gemeinsamem Lernen zu finden, bekommen die Kinder die Gelegenheit, voneinander 
zu lernen. Hier entsteht ebenfalls etwas schöpferisch Neues, nämlich die Erfahrung, dass die 
nichtbehinderten Kinder von den behinderten lernen können.
- 4. WIRTSCHAFTLICHE INTEGRATION
 
Unter wirtschaftlicher Integration werden Schritte verstanden, mit denen zwei oder mehrere Länder oder Regionen zu einer größeren Einheit zusammengeführt werden. Das ist ein Zusammenschluss zur Förderung des zwischenstaatlichen Wirtschaftsverkehrs. Die dadurch entstehende Förderung des wirtschaftlichen Wachstums basiert auf dem Prinzip internationaler Arbeitsteilung. Staaten in diesem Wirtschaftsverbund konzentrieren sich auf die Produktionszweige, in denen sie standort- oder entwicklungsbedingt größere Vorteile mitbringen und vernachlässigen diejenigen Sparten, in denen sie gegenüber den anderen Mitgliedsstaaten benachteiligt sind. Im Gegenzug kommt es dann zu wechselseitigem Tausch der Güter. Eine internationale wirtschaftliche Integration besteht aus Regeln und Institutionen, denen sich die Mitgliedsstaaten unterwerfen, wobei sie ihre bisherige Souveränität einschränken, ohne sie jedoch völlig aufzugeben. Solche Integrationsprozesse laufen typischerweise in mehreren Stufen ab:
- 1. Es werden innerhalb des Verbunds die Zölle für bestimmte Güter abgebaut.
 
- 2. In einer Freihandelszone werden die Zölle abgeschafft, jedoch die eigenen Zölle gegenüber Drittländern beibehalten.
 
- 3. Es wird ein gemeinsamer Außenzoll eingeführt, die eigenen Zölle entfallen.
 
- 4. In einem gemeinsamen Markt werden Normen und Gesetze abgebaut, die Handelshemmnisse darstellen.
 
- 5. In einer gemeinsamen Marktordnung werden einheitliche ökonomische Rahmenbedingungen für alle geschaffen.
 
- 6. In einer Währungsunion wird eine gemeinsame Währung eingeführt.
 
- 7. In einer Wirtschaftsunion wird eine gemeinsame Beschäftigungspolitik festgelegt.
 
- 8. In einer politischen Union entsteht eine gemeinsame Verfassung.
 
- 5. STUFENMODELL EINER INTEGRATION
 
Dieses Stufenmodell kann man problemlos verallgemeinern und erhält so eine Prozessbeschreibung, die sich auf viele Integrationsprozesse anwenden lässt:
- 1. Es werden Grenzen abgebaut, der Austausch über bestimmte Themen wird erleichtert.
 
- 2. Hindernisse auf dem Weg zu gemeinsamen Aktionen werden überwunden. Das beschränkt sich zunächst auf gegenseitige Interessen und Themen.
 
- 3. Eine gemeinsame Handlungsstrategie gegenüber Dritten wird überlegt und beschlossen.
 
- 4. Normen und Gesetze aus den jeweiligen Kulturen, die ein gemeinsames Handeln erschweren, werden nach und nach abgebaut.
 
- 5. Die Gemeinschaft entwickelt eigene Regeln und Gesetze, die gleiche Bedingungen für alle entstehen lässt.
 
- 6. Es wird eine gemeinsame Wertehierarchie aufgebaut.
 
- 7. Es werden Instrumente geschaffen, diese Wertehierarchie umzusetzen.
 
- 8. Es entsteht eine neue Gemeinschaft mit
 
- gemeinsamen Idealen, Werten und Zielen, ohne dass die einzelnen Mitglieder ihre Herkunftsidentität aufgegeben hätten.
 
- 6. EIN BLICK IN DIE BAHÁ’Í-SCHRIFTEN
 
Den Begriff Integration sucht man zunächst vergeblich in den Bahá’í-Schriften, und dennoch gibt es kaum einen Gedanken, um den so viele Aussagen Bahá’u’lláhs und 'Abdu'l-Bahás kreisen, wie um die Integration. Wieder ist man geneigt, sich ein Stufenmodell vorzustellen, ähnlich dem eben gezeigten. Zumindest ist es einen Versuch wert.
- 1. „Sollte jemand einwerfen, es sei unmöglich, eine ideale Einheit zu schaffen und eine völlige Einigung unter den Menschen zu verwirklichen, da die Gemeinschaften und Nationen, die Rassen und Völker dieser Welt in Förmlichkeiten und Gebräuchen, Geschmack und Temperament, Moral, Gedanken, Ansichten und Meinungen verschieden seien, so weisen wir daraufhin, dass diese Verschiedenheiten von zweierlei Art sind. Die eine führt zur Zerstörung; sie entspricht dem Streit zwischen kriegführenden Völkern und wetteifernden Nationen, die sich gegenseitig zerstören, Familien ausrotten, sich aller Ruhe und allen Wohlergehens berauben und in Blutvergießen und Rohheit versinken. Dies ist tadelnswert. Die andere Art von Verschiedenheit ist Mannigfaltigkeit. Sie ist reine Vollkommenheit und lässt göttliche Gnade erscheinen...
 - Der Unterschied in den Sitten und Gebräuchen, Gewohnheiten und Gedanken, Ansichten und Temperamenten ist eine Zier für die Menschenwelt. Er ist lobenswert.“
 
- 'ABDU'L-BAHÁ, DER WELTFRIEDENSVERTRAG, 1:37
 
- 2. „Schließt eure Augen vor Entfremdung; sodann richtet euren Blick auf die Einheit.“
 
- BAHÁ’U’LLÁH, BOTSCHAFTEN AUS AKKA, 6:27
 
- 3. „Wer aufrichtig und getreu ist, sollte sich in strahlender Freude mit allen Völkern und Geschlechtern der Erde verbinden, da der Verkehr mit anderen Menschen Einheit und Eintracht schafft, was wiederum zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Welt und zur Neugeburt der Nationen führt.“
 
- BAHÁ’U’LLÁH, BOTSCHAFTEN AUS AKKa, 4:11
 
- 4. „Seit Anbeginn der Zeit ergießt das Licht der Einheit seinen göttlichen Strahlenglanz auf die Welt, und das wichtigste Mittel für die Förderung dieser Einheit ist, dass die Völker der Welt sich gegenseitig in Wort und Schrift verstehen.”
 
- BAHÁ’U’LLÁH, BOTSCHAFTEN AUS AKKA, 8:58
 
- 5. „Irdisches Ziel und heilsgeschichtlicher Auftrag dieser jüngsten Gottesoffenbarung ist die schließliche Realisierung des seit alters verheissenen "Reiches Gottes auf Erden", zu dessen wesentlichen Bestandteilen die Einheit der Menschheit in allen Aspekten des Denkens und Handelns gehört, bei gleichzeitiger Bewahrung der Mannigfaltigkeit des kulturellen Erbes und individuellen Ausdrucks.”
 
- U. GOLLMER IN: 'ABDU'L-BAHÁ, DER WELTFRIEDENSVERTRAG
 
- 6. „Die Wohlfahrt der Menschheit, ihr Friede und ihre Sicherheit sind unerreichbar, wenn und ehe nicht ihre Einheit fest begründet ist.”
 
- BAHÁ’U’LLÁH, ÄHRENLESE, 131:2
 
- 7. „...es kommt gewiss eine Zeit, da die Religionen der Welt miteinander in Frieden sein werden. Lassen wir ab von dem misstönenden Streit um äußere Formen und schließen wir uns zusammen, um die göttliche Sache der Einheit voranzutreiben, bis die ganze Menschheit weiß, dass sie 'eine in Liebe vereinte Familie' ist!”
 
- 'ABDU'L-BAHÁ, ANSPRACHEN IN PARIS, 39:26
 
- 8. „Nur wer durch den göttlichen Geist getauft ist, wird imstande sein, alle Menschen durch die Bande der Einheit zu verbinden. Durch die Macht des Geistes vermag sich die östliche Denkwelt derart mit dem westlichen Tatreich zu vermischen, dass die Welt des Stoffes göttlich werden kann.“
 
- 'ABDU'L-BAHÁ, ANSPRACHEN IN PARIS, 28:9
 
- Thomas Schaaff
 
- Fotos: M. Willens
 
 
Bildung für alle[Bearbeiten]
Ein Werkzeug dafür ist ubuntu - eine Sammlung von Computerprogrammen aus Afrika
Blättern Sie bitte nicht weiter. Bleiben Sie hier. Sie sind nicht versehentlich in eine 
Computerzeitschrift geraten. Sie sind nach wie vor bei der Tempora. Es geht zwar jetzt um Computer, 
aber es geht dabei in erster Linie um den freien Zugang zu Bildung.
- INTEGRATION: BILDUNG IST DER SCHLÜSSEL
 
„Zur gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft gehört Bildung“ (Bundeszentrale für Politische Bildung). Manche Binsenweisheiten müssen noch einmal explizit formuliert und durch Studien belegt werden, um wirklich in das Bewusstsein der Menschen zu dringen.
Das trifft binnenpolitisch genauso zu wie zwischenstaatlich und multilateral. Jedes Gelingen von Integration, ganz gleich ob es darum geht Migrantinnen und Migranten in eine Gesellschaft zu integrieren oder ein Land in eine internationale Staatengemeinschaft, hängt maßgeblich davon ab, ob alle Beteiligten einen gleichberechtigten Zugang zur Bildung erhalten. Eine Studie aus der Schweiz zu diesem Thema stellt die entscheidenden Fragen:
- Wie kann der Zugang zur Bildung gefördert werden?
 
- Welche Hindernisse stehen einer Nutzung der Bildung im Wege?
 
- Welche formellen und informellen Bildungsformen bieten sich bevorzugt an?
 
Und laut einer Studie des Familienministeriums in Berlin von 2004 schafft bessere Bildung für künftige Generationen die Basis für eine eigene wirtschaftliche Existenz.
Das sind alles Binsenweisheiten, die nur deshalb noch einmal wiederholt werden, weil man es nicht oft genug sagen kann. Hier soll nun das Augenmerk auf einen speziellen Aspekt aus dem weiten Feld der Bildung gerichtet werden: den gleichberechtigten Zugang aller Menschen zu den Quellen des Wissens. In der heutigen Informationsgesellschaft ist das technisch überhaupt kein Problem. Jeder könnte an jedem Ort der Welt über alle Informationen verfügen, die er braucht und die er haben will. Er müsste nur „können“. Es ist letztlich eine politische und eine wirtschaftliche Entscheidung, ob das gewollt wird.
Das Bahá’í-Weltzentrum schreibt in der Erklärung Ein gemeinsamer Glaube: „Neben der Erleichterung des interpersonalen und intersozialen Austausches hat der generelle Zugang zu Informationen den Effekt, dass das gesammelte Wissen aus Jahrhunderten, statt wie bislang nur einer Elite zugänglich zu sein, zum kulturellen Erbe der ganzen Menschheit wird, ohne Unterscheidung der Nation, Rasse oder der Kultur. Trotz aller Ungerechtigkeit, die die globale Vernetzung konserviert, ja noch verstärkt, kann doch kein informierter Beobachter leugnen, dass von diesem Wandel der Impuls ausgeht, über das Wesen der Wirklichkeit erneut nachzudenken.“
Initiativen, die den gleichberechtigten Zugang aller zu den Quellen der Bildung anstreben und vielleicht sogar ermöglichen - und sei es nur partiell - verdienen unsere Aufmerksamkeit. Freier Zugang für alle! Das kann global betrachtet nur zweierlei heißen: frei im Sinne von freiheitlich und frei im Sinne von kostenlos. Ubuntu bietet beides. Und das national wie international außerordentlich erfolgreich.
- TECHNISCHER FORTSCHRITT AUS AFRIKA? DAS KLINGT WIE BANANEN AUS GRÖNLAND
 
Aber vielleicht liegt das ja an unseren Ohren? So schreibt die Süddeutsche Zeitung: „.. auf unseren inneren Landkarten taucht Afrika vorwiegend als Sorgenkind auf, weniger als selbstbewusster Produzent weltweit konkurrenzfähiger Güter. Das könnte sich bald ändern - und es beginnt in einem Bereich, den man wohl am wenigsten auf der Rechnung hatte. Es geht um High-Tech. Es geht um Linux, genauer, um die neueste Variante dieses Betriebssystems für Personal-Computer. Sie heißt ubuntu und hat Erfolg wie kaum ein Linux zuvor.”
Ubuntu ist nicht nur eine Ansammlung von Software - hinter der Idee steckt eine tiefgründige
Philosophie: ubuntu ist ein altes afrikanisches Wort und bedeutet (Mit-)Menschlichkeit im besten 
Sinne. Es ist der Glaube an etwas Universelles, das die gesamte Menschheit verbindet. Dieses 
Konzept ist
[Seite 17]
die Grundlage für ubuntu. Der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu beschreibt es so: „Ein
Mensch mit ubuntu ist für andere offen und zugänglich. Er bestätigt andere und fühlt sich nicht
bedroht, wenn jemand gut und fähig ist, denn er oder sie hat ein stabiles Selbstwertgefühl, das in
der Zugehörigkeit zu einem größeren Ganzen verankert ist” (ubuntu-Anwenderhandbuch S.20). Für
Bahá’í mögen solche Sätze nicht gerade fremd klingen, in einem Computerhandbuch sind sie aber
geradezu revolutionär.
Dahinter steht die Shuttleworth Stiftung aus Südafrika, und gemeinsam mit dieser Stiftung hat die ubuntu-Gemeinschaft einige Grundsätze formuliert und sich verpflichtet, sie bei allen Aktivitäten strikt zu beachten. Dort stehen dann Sätze wie:
- Jeder hat das Recht, alle Computerprogramme seiner Wahl uneingeschränkt kostenlos zu nutzen.
 
- Jeder hat das Recht, alle Programme seiner Wahl beliebig oft zu kopieren und an jeden weiterzugeben, ohne etwas dafür bezahlen zu müssen.
 
- Jeder hat das Recht, Programme seinen Bedürfnissen und Wünschen anzupassen und zu verändern und darf durch nichts daran gehindert werden.
 
- Alle verpflichten sich, ihre Erfahrungen, ihr Wissen, ihre Fragen, Probleme und Lösungen mit allen zu teilen und so eine Gemeinschaft aus Hilfsbereitschaft zu bilden.
 
- ubuntu soll in möglichst alle Sprachen der Welt übersetzt werden, damit jeder es in seiner Muttersprache benutzen kann.
 
Bei all dem setzt ubuntu auf Benutzerfreundlichkeit und einfache Bedienung, damit auch der Neueinsteiger keine unüberbrückbaren Hürden vorfindet. Dazu weiter unten mehr.
- GEISTIGE HINTERGRÜNDE
 
Doch die technische Seite von ubuntu soll nicht im Mittelpunkt stehen, auch wenn sie sehr interessant ist. Hier soll der Fokus mehr auf die geistigen Hintergründe gerichtet werden. Anlässlich der Gründung des Vereins ubuntu Deutschland schreibt ein Gründungsmitglied: „Es gibt eine Menge edle Ziele, um die Welt zu verbessern: den Welthunger stillen, den Krieg abschaffen, Krankheiten ausrotten, Bildung für alle. Die erste und wichtigste Komponente in diesem System muss die Bildung sein. ...Wollen wir eine Zukunft, die jedem - und zwar unabhängig vom gesellschaftlichen Stand - Zugang zur Bildung ermöglicht? Wie viel Zeit wollen wir dafür aufbringen? Zwei Stunden täglich oder einige Stunden im Jahr? Wollen wir überhaupt etwas dafür tun? Wie viele Menschen müssen das 'wollen‘, bevor die Vision möglich wird? Ist mein persönlicher Einsatz wichtig, kann ich etwas bewirken?“
Der Vater von ubuntu ist Marc Shuttleworth. Er war derjenige, der sich vor einigen Jahren seinen Kindheitstraum erfüllte und als einer der ersten Zivilisten (genauer gesagt als zweiter) einen Weltraumflug absolvierte. Er sagt selbst über seine Stiftung: „Ich glaube, dass freie Software uns in ein neues Technologiezeitalter bringt und außerdem verspricht sie den universellen Zugang zu den Werkzeugen des digitalen Zeitalters. Ich treibe ubuntu voran, weil ich dieses Versprechen Realität werden sehen möchte.“
ubuntu ist aus der Idee entstanden, dem aufstrebenden Afrika eine Software (Betriebssystem) als Grundlage für die Entwicklung weiterer Software-Zweige an die Hand zu geben. Es soll Hoffnung für das junge Afrika symbolisieren. Trotz allem soll sich ubuntu auch um die ganze Welt verbreiten. Das Logo von ubuntu wird durch mehrere Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen imitiert. Dieser „circle of friends“ symbolisiert den wesentlichen Charakterzug von ubuntu - Linux for human beings.
Menschen bilden Netze. Aus der Hirn- und Nervenforschung weiß man, dass die Entwicklung
menschlicher Intelligenz ganz wesentlich von der Fähigkeit bestimmt wird, schnell neue und 
umfangreiche Vernetzungen aufzubauen. Wäre es also denkbar, menschliche Grundsätze, die hinter 
technischem Wissen stehen, mit Bahá’í-Konzepten zu verknüpfen? In der Textzusammenstellung 
Die Bewahrung der Erde und ihrer Hilfsquellen (S.6 und 8) findet man folgende bemerkenswerte 
Sätze: „Bahá’u’lláh entwirft ein Weltbild 
[Seite 18]
auf der Grundlage: »Die Erde ist nur ein Land, und alle Menschen sind seine Bürger«. Er ruft die
Menschen dazu auf, »dem Wohle aller Völker und Geschlechter der Erde zu dienen«. 'Abdu'l-Bahá 
weist auf die wachsende wechselseitige Abhängigkeit in der Welt ... hin. Er stellt sich vor, dass 
die Entwicklung auf eine geeinte Welt hin zunehmen und als »Einheit des Denkens in weltweiten 
Unternehmungen« und in anderen wichtigen Lebensbereichen zum Ausdruck kommen wird. Gemeinsames
Handeln ist vor allem erforderlich, wenn es gilt, die Hilfsquellen dieses Planeten zu erhalten. 
»Solange jedoch materielle Errungenschaften, naturwissenschaftliche Kenntnisse und menschliche 
Tugenden noch nicht durch geistige Vollkommenheiten, strahlende Eigenschaften und Kennzeichen 
der Barmherzigkeit verstärkt sind, bringen sie keine Frucht und kein Ergebnis; auch bewirken 
sie nicht der Menschheit Glück, welches doch das letzte Ziel ist.«“
- UBUNTU - SHOOTINGSTAR DER COMPUTERWELT
 
Das passt schon, würde vielleicht ein Bayer sagen, und gleich nachhaken: Aber läuft es denn auch? Viele gutgemeinte Ideen scheitern oft daran, dass sie zu kompliziert sind, nicht richtig funktionieren und sich darum nicht etablieren können. Da ist dann neben Toleranz und Idealismus auch der Verzicht auf Komfort gefordert. Meist dauert es nicht lange und man gibt das Thema wieder auf. Ubuntu dagegen ist seit seinem ersten Erscheinen im Oktober 2004 die unangefochtene Nummer eins auf der Beliebtheitsskala der freien Computerprogramme! Auch die Presse ist voll des Lobes. Dabei stehen für die eher technisch orientierte Fachwelt das Funktionieren und die Leistungsfähigkeit im Vordergrund. Die sind unbestritten und füllen die Titelseiten der Zeitschriften bis heute. Ubuntu ist der Shootingstar schlechthin. Da scheint jemand die Technik mit Mitmenschlichkeit erobert und durch Leistung überzeugt zu haben.
Die Mühe lohnt sich, ubuntu kennen zu lernen. Das geht völlig gefahrlos über eine sogenannte Live-CD. Dazu muss nichts installiert oder gar am Computer verändert werden. Das komplette Programm startet von der CD, und man kann ubuntu nach Herzenslust ausprobieren. Hat man Gefallen daran gefunden und will es auf seinem Rechner haben, findet man nicht nur ein ausgezeichnetes Handbuch (natürlich) kostenlos im Internet, sondern auch eine sehr muntere und hilfsbereite ubuntu-Gemeinde, die über alle Hürden hinweghilft. Vielleicht entdeckt man dann auch „mehr Menschlichkeit am PC“, wie der Deutschlandfunk seine Sendung im vergangenen Jahr überschrieb. Bleibt noch anzumerken, dass in Mazedonien gerade 5000 Schulen mit ubuntu ausgestattet wurden. Aus drei Gründen: Es ist kostenlos, es läuft auch auf alten Rechnern, und es ist komplett ins Mazedonische übersetzt.
QUELLEN:
WWW.UBUNTUUSERS.DE — DEUTSCHSPRACHIGES FORUM UND PORTAL FÜR ALLE UBUNTU BELANGE
HTTP://VEREIN.UBUNTU-DE.ORG/ — INTERNETADRESSE DES VEREINS UBUNTU DEUTSCHLAND
HTTP://WWW.ELYPS.DE/ — UBUNTU HANDBUCH ZUM HERUNTERLADEN
T-SCHAAFF@IMAIL.DE — EMAILADRESSE DES AUTORS. ÜBER IHN GIBT ES TECHNISCHE INFORMATIONEN UND DIE UBUNTU CD.
- Thomas Schaaff
 
- Dipl.-Theologe und Pädagoge,
 - verheiratet,
 - ehemals kath. Pfarrer,
 
- seit dem Jahr 2000 Bahá’í.
 
- Arbeitet heute als
 - Meditationslehrer
 
MOÇAMBIOUE[Bearbeiten]
Facetten einer Integration in Afrika
- „DIE ERDE IST NUR EIN LAND UND
 
- ALLE MENSCHEN SIND SEINE BÜRGER.“
 
- BAHÁ’U’LLÁH
 
„Wenn unser Kelch vom Ich erfüllt ist, so ist in ihm kein Raum mehr für das Wasser des Lebens. Die Tatsache, dass wir meinen, selber im Recht zu sein und jeden anderen für im Unrecht halten, ist das größte aller Hindernisse auf dem Weg zur Einheit, und Einheit ist nötig, wenn wir zur Wahrheit kommen wollen, denn die Wahrheit ist nur eine.“
- 'ABDU'L-BAHÁ, ANSPRACHEN IN PARIS, S. 106
 
Sich als Europäerin in Moçambique zu integrieren bedeutet Freude, Wut, Staunen, Faszination, 
Traurigkeit, Fassungslosigkeit, Frieden, Einheit und Verbundenheit, Verzweiflung, Erfülltsein, 
Wachsen, Angst, Verstehen, Orientierungslosigkeit, Alleinsein, Angenommensein, Kämpfen, Loslassen. 
Im Mittelpunkt all dieser Empfindungen steht notwendigerweise die eigene Familie: die Kinder, die Partnerschaft.
Integration beginnt für mich nicht einfach irgendwo, sondern ganz nah mit meinem Mann. In unserer „bikulturellen“ Partnerschaft sind wir in hohem Maß gefordert, Verständnis mit einer anderen Kultur aufzubringen, zu erfahren, wie man mit einem Menschen lebt, der ganz anders aufgewachsen ist. Wir sind zwar aufgerufen, die eigenen Ansichten nicht als die einzig wahren zu betrachten, andere als Bereicherung zu erfahren - aber sind wir nicht im Tiefsten doch davon überzeugt, dass unsere Ansicht die richtige ist? Die Partnerschaft mit meinem Mann in Moçambique bedeutet zu versuchen, die potentielle Gefahr des Andersseins zu einer Chance fürs gemeinsame Zusammenleben werden zu lassen. Das ist kein neutrales Ideal, sondern vor meinem geistigen Auge fahren Bilder ab von verzweifelten Gesprächen, Gefühlen des Nichtverstandenseins, aber auch vom ständigen Bemühen, aufeinander zuzugehen. Partnerschaft mit meinem Mann bedeutet Momente der Überforderung angesichts der Unterschiede, aber auch Momente des tiefsten inneren Friedens, die einen dann spüren lassen, dass diese Partnerschaft die Anstrengungen wert ist. Es bedeutet, in kleinen Schritten aufeinander zuzugehen und dabei auszuhalten, dass der Partner diese Schritte manchmal gar nicht bemerkt — wenn ich mich etwa dazu durchringe, mich genau wie meine Mutter um die Anziehsachen meines Mannes zu kümmern, ihm das Wasser zum Baden zu erwärmen, sein Frühstück vorzubereiten und die Wohnung sauber zu halten und er diese Veränderungen angesichts der Selbstverständlichkeit eines solchen Verhaltens für Frauen in Moçambique gar nicht bemerkt, sondern sich im Gegenteil noch darüber beschwert, dass ich ihm die Banane nur in der Hand anstatt auf einem Teller reiche.
Solch eine Partnerschaft macht es mitunter auch nötig, neue Wege im Umgang mit Konflikten zu finden. Während ich eher dazu neige, Probleme direkt anzusprechen und dabei auch ärgerlich zu werden, stellt dieses Verhalten für meinen Mann einen tiefen Angriff auf seine Person dar, er besteht darauf, ruhig und mit wohlbedachten Worten die Sachlage zu klären. Wir mussten erkennen, dass wir nur weiterkommen, wenn wir bereit sind, unsere jeweils eigenen Schwächen und Ängste anzuerkennen, um uns so aus wahrer innerer Freiheit und in Toleranz gegenüber den Grenzen des anderen allmählich den Idealen einer guten Art, Konflikte zu lösen, anzunähern. Dabei ist es uns eine unschätzbare Hilfe, dass wir beide die jeweils andere Kultur im täglichen Leben kennen lernen konnten.
[Seite 20]
Mit den Kindern - bei unserem Umzug nach Moçambique waren sie 11 und 13 Jahre alt - plötzlich 
in einer anderen Kultur zu leben, ist eine ganz eigene Herausforderung. Besonders, wenn sie im 
Unterschied zu Kindern von Diplomaten oder Entwicklungshelfern zur neuen Kultur einen wirklich 
familiären Bezug, also nicht nur Kontakte mit anderen ausländischen Kindern haben, und doch wegen 
ihrer so anderen kulturellen Erfahrungen eben auch nicht.
So bedeutet das Zusammenleben mit unseren Kindern hier anregende und klärende Gespräche, die uns allen helfen, Menschen in ihrer Abhängigkeit von dem Umfeld, in dem sie aufwachsen, verstehen zu lernen; zu erahnen, was es wirklich konkret bedeutet, dass die Menschheit eine Familie sein soll und dass es manchmal eine große Bereicherung und oft Innere Arbeit bedeutet, sich mit diesen meinen anderen Brüdern und Schwestern wirklich familiär verbunden zu fühlen. Und es ist faszinierend zu erkennen, welch scharfe Beobachtungen die eigenen Kinder anstellen - sowohl an anderen Menschen als auch an sich selbst - bezüglich der hiesigen oder auch der europäischen Kultur und Gesellschaftsentwicklung.
Schließlich sind da noch all die Selbstverständlichkeiten eines normalen Lebens, die plötzlich gar nicht mehr als so selbstverständlich erscheinen: ausreichend Essen, Eltern, bei denen Ich mich bei Bedarf anlehnen kann; Spielzeug; die Freude, im Haus zu sein, wenn es draußen regnet (während andere gerade bangen müssen, dass Ihre Hütte einstürzt); die Menge an Wissen über die Natur, die Religionen, die Möglichkeit, Bücher zu lesen und gut gestaltete Lehrbücher zu haben. Für uns als Eltern und speziell für mich Mutter und Bahá’í bedeutet das vor allem, die Begrenztheit des gegenwärtigen Entwicklungsstadiums der Menschheit sowie die großen Unterschiede in den materiellen Lebensumständen bei der Erziehung mit offenen Augen wahrzunehmen, oft einfach hinzunehmen, nicht schönzureden.
Integration in Moçambique als Frau heißt auch Konfrontation mit einem Geschlechterverhältnis, das einen manchmal erschauern lässt. Im Kontakt mit einheimischen Frauen sehe ich mich mitunter plötzlich hineinversetzt in die unmöglichsten Situationen:
- - Frauen, die gewalttätigen Männern schutzlos ausgeliefert sind und auch nicht auf die Unterstützung der Nachbarn zahlen können;
 
- - Frauen, die bei der Schwangerenuntersuchung feststellen, dass sie HIV-positiv sind und daraufhin von Ihrem Mann oder der Schwiegermutter auf die Strasse geworfen werden selbst dann, wenn sie sich nur bei ihrem eigenen Mann infiziert haben können;
 
- - der Sohn, der seine alte Mutter schlägt, weil er ihr die Schuld an seiner eigenen misslichen Lage gibt;
 
- - eine Mutter, die Wochen nach dem Verschwinden Ihres Mannes zu einer anderen Frau in ihrer Verzweiflung ihre kleinen Kinder bei der Polizei abliefern wollte, da sie sich selbst nicht mehr um die Kinder kümmern konnte - die Polizei dann aber nichts anderes tat, als die Frau eine Nacht einzusperren, „damit sie lernt, dass eine Mutter niemals ihre Kinder verlassen darf”.
 
Außerdern die vielen Geschichten von Frauen, die von Ihren Männern wegen einer anderen Frau verlassen wurden - eine eigentlich schon ganz normale Erscheinung; gleichzeitig haben wir es in Moçambique mit einer Gesellschaft zu tun, in der die Mehrheit der Frauen mit ihren Kindern in wirtschaftlich vollkommener Abhängigkeit vom Mann leben und keinen Zugang zu Verhütungsmitteln haben, die sie selbst anwenden könnten.
Die daraus resultierenden Probleme sind so umfassend und so allgegenwärtig, dass an die Lösung der Entwicklungsprobleme dieses Landes kaum zu denken ist, solange solch ein Chaos in der Geschlechterbeziehung herrscht. Das Erleben dieser Geschichten lässt erahnen, welch unermessliche Macht hinter den Worten Bahá’u’lláhs steckt, wenn Er die Menschen zur Gleichwertigkeit von Mann und Frau aufruft und zu einem Leben nach Seinen Gesetzen. In einem Land wie Moçambique wird deutlich, dass die Beachtung geistiger Prinzipien schlichtweg überlebensnotwendig sein kann. Und dass geistige Prinzipien Hand in Hand gehen sollten mit der materiellen Entwicklung zur Beseitigung von Armut.
Integration in Moçambique heißt natürlich auch Leben als  „Weiße” unter einer Mehrheit von 
„Schwarzen“. Im Großen und Ganzen ist dies ein eher nebensächlicher Aspekt und nicht schwer 
auszuhalten, sofern man damit klarkommt, immer irgendwie als etwas Besonderes gesehen zu 
werden. Dabei möchte ich betonen, dass ich nicht gern mit dunkelhäutigen Ausländern in 
Deutschland tauschen möchte, die ihr
[Seite 21]
Anderssein mitunter ganz offen negativ erleben müssen, während der Nachteil des Weiß-Seins 
in Moçambique zunächst einmal nur darin besteht, dass einem die Menschen mit größerem 
Respekt begegnen.
Tiefer geschaut kann das dann natürlich auch recht unangenehm werden - wenn ich zum Beispiel spüre, dass ich von vornherein den Reichen zugeordnet und als potentieller Geldgeber betrachtet werde und damit rechnen muss, dass das Interesse anderer Menschen an einer Freundschaft von der Hoffnung auf etwaige Vorteile gespeist wird.
Wenn dann ganz ohne Bitterkeit, aber mit vollem Ernst geäußert wird, dass die Weißen ja das Glück hätten, von Gott besonders geliebt zu werden oder wenn ein alter Mann sich dafür einsetzt, mich in der Warteschlange vorzulassen, weil ich doch schließlich weiß sei, dann sehe ich, wie weit das Ziel der Einheit der Rassen noch entfernt ist.
Der alltägliche Umgang mit Armut ist ein weiterer Aspekt. Ich muss wahrnehmen, was es heißt, zu den Reichen dieser Welt zu gehören - ob ich mich in Deutschland jemals so wahrgenommen habe oder nicht. Ich musste lernen, bettelnde Kinder mit einer gewissen Harte anzusprechen, wollte ich nicht bei jedem Schritt von Ihnen umringt sein. Es ist fast schon erschreckend festzustellen, wie leicht mir dieser harte Tonfall mittlerweile fällt. Dann spüre ich den Wunsch, 'Abdu'l-Bahá bei mir zu haben, um zu erfahren, wie ich angemessen mit der Situation der Bettler umgehe. Hat er nicht jeden Tag einen armen Menschen willkommen geheißen, beschenkt, gepflegt? Aber kann ich das, wo wir uns schon um all die eigenen armen Familienangehörigen zu kümmern haben. Will ich als Gnädige, Barmherzige, Heilige verehrt werden, nur weil ich jemandem eine Münze gegeben habe?
Integration bedeutet für mich auch die alltägliche Auseinandersetzung mit all jenen Erscheinungsformen einer anderen Kultur, die ich kaum annehmen kann. Das beginnt bei so banalen Ereignissen wie denen, dass man mit Entsetzen feststellt, dass im Garten die Grünpflanzen so gestutzt wurden, dass kaum etwas davon übrigblieb - leicht zu verstehen, da wir Pflanzen als etwas Schönes, Belebendes betrachten, während sie für die Menschen hier vorrangig eine Bedrohung darstellen (wegen der Schlangen und Moskito).
Schwieriger wird es, wenn ich völlig unvorbereitet erfahre, dass wir plötzlich ein Kind mehr in der Familie haben, für das wir verantwortlich sind: Der Schwager hat es einfach bei uns gelassen und ist abgereist. Der Versuch anzunehmen, dass das nach traditioneller Lebensweise normal sei, kann mich nicht von einem Gefühl der Wut und Verletztheit abbringen, weil jemand mit Selbstverständlichkeit unsere Hilfe in Anspruch nimmt, ohne uns auch nur eines Wortes für würdig zu halten. Und wenn ich dann von der individualistischen europäischen und der gemeinschaftsorientierten afrikanischen Gesellschaft höre, dann erweckt das in mir nur eine Sehnsucht nach der Weisheit der Bahá’í-Lehren, die so vielfältige Wege aufzeigen, wie sowohl gemeinschaftsverbindende als auch das einzelne Individuum wertschätzende Handlungsweisen miteinander verbunden werden können.
Natürlich ist es auch notwendig und mitunter sehr schwierig, sich an problematische Situationen zu gewöhnen, die mir meiner Herkunft wegen wenig vertraut sind, dass etwa Abmachungen nicht eingehalten, Verbindlichkeiten nicht ernst genommen werden, dass nichts richtig klappt, immer irgendwelche Hindernisse auftreten - oft bedingt durch Fehlverhalten oder Inkompetenz einzelner Menschen oder Institutionen. Oder das verbreitete Denken und Handeln in Hierarchien nach dem Gesetz des Stärkeren, bei dem es dem Mächtigeren, Reicheren erlaubt ist, einen Untergebenen in demütigender Art zu behandeln.
Wenn ich dann in solchen Situationen eine gewisse Wut spüre, merke ich, dass ich anfange, 
Menschen zu verurteilen. Auch wenn mir bewusst ist, dass viele Europäer in Moçambique verzweifeln 
und nicht selten mit recht üblen Überzeugungen wieder nach Hause fahren - finde ich es zunächst 
erschreckend festzustellen, wie schnell ich zu solchen dunklen, banalen Gedanken und Vorurteilen 
gelange - trotz all der Bahá’í-Ideale von der Einheit der Rassen. Aber es sind gerade die Schriften, 
die mich zu dem Schluss gelangen lassen: Nein, so simpel kann das nicht sein. Und es ist mir eine 
große Hilfe zu wissen, dass es keine Unterschiede der Rassen gibt, dass all die Phänomene alle 
möglichen Ursachen haben können, nicht jedoch solche, die auf die Zugehörigkeit zu einer 
Menschengruppe zurückzuführen sind. Oder besser ausgedrückt: Dass das Wort „Die Erde ist nur 
ein Land und alle Menschen sind seine Bürger” auch bedeutet, dass es zwar gewachsene
Unterschiede zwischen einzelnen Menschentypen oder -gruppen verschiedener Herkunft geben 
kann, dass es sich hierbei jedoch niemals um vorbestimmte, festgelegte Unterschiede handelt. 
Und dass verschiedenste Menschen unter ähnlichen Umständen auch tendenziell ähnlich handeln 
würden. Während die Menschen meiner Kultur eher dazu
[Seite 22]
tendieren, nach optimalen Lösungen für ein Problem zu suchen, neigen die Menschen hier eher
dazu, Probleme mit Gelassenheit anzunehmen und durchzustehen. Nachdem ich das in unserer 
eigenen Familie mehrfach erlebt hatte, wurde mir bewusst, dass beide Ansätze Ihre Vor- und 
Nachteile haben, während ich bei der Suche nach optimalen Wegen oft in Stress gerate, im 
positiven Falle dann aber auch wirklich Lösungen finde, die zuvor nicht möglich erschienen, 
steckt hinter der Haltung, Probleme zunächst einmal anzunehmen, die Gefahr, von vornherein 
aufzugeben, gar nicht erst nach Alternativen zu suchen, im positiven Falle aber auch die 
Fähigkeit, mit wirklichen Problemen gelassener umzugehen und aus dieser Gelassenheit heraus
mitunter dann doch wenigstens annehmbare Lösungen zu finden. Beide Handlungsweisen für sich
allein sind oft zu extrem. Zusammen können sie aber zu einer gegenseitigen Bereicherung 
werden. Die Auseinandersetzung mit den Erscheinungen der anderen Kultur führt automatisch zu 
einer vertiefteren Auseinandersetzung mit der eigenen Kultur. Es wird mir immer bewusster, wie 
sehr die Ausrichtung auf ein geistiges Leben auch von der Erfüllung materieller Grundbedürfnisse 
abhängig ist.
Ein Lebensbereich, in den man afrikanischen Menschen besondere Kraft nachsagt, ist die Spiritualität, das geistige Leben. Wie sieht hier Integration für mich als Europäerin aus? Eines konnte/musste ich schnell lernen: Es erscheint mir auch in dieser Hinsicht ein Stereotyp, ein zu banaler Versuch, Gesellschaften einzuteilen - hier die eher materiell orientierten Europäer, die immer mehr an Spiritualität verlieren, dort die Afrikaner mit ihrer inneren Religiosität. Es stimmt einfach so nicht. Die Menschen in Moçambique sind - sicherlich auch wegen der vielen existenziellen Probleme und der Abkehr von Religion in den kommunistischen Jahrzehnten - mindestens genauso stark materiell orientiert.
Und wie geht es mir hier als Bahá’í? Es waren die kleinen christlichen Gemeinden, die ich zuerst zu meinen Bahá’í-Abenden eingeladen hatte. Beeindruckend war zunächst einmal die unglaubliche Offenheit der Menschen, Ihre Bereitschaft, die Lehren Bahá’u’lláhs ohne Vorurteil anzuhören, Ihn sogar auf ihre Art als wichtige Person anzunehmen.
Auf der anderen Seite bleibt da aber auch jene mich ständig begleitende Unsicherheit angesichts dessen, dass ich die einzige Bahá’í und noch dazu als Ausländerin mit der Denkweise, den Gewohnheiten, dem Fühlen der einheimischen Menschen kaum vertraut bin, dass mir der Unterschied zwischen ihrer viel emotionaleren, kraftvolleren und meinem eher verstandesmäßigen, besinnlichen Umgang mit Spiritualität und Religion jedoch deutlich bewusst ist. Eine Botschaft Bahá’u’lláhs haben sie sehr gut verstanden: Dass Bahá’í Menschen sind, die ihre Türen öffnen, sie auf ihren Möbeln sitzen lassen, mit ihnen Ihr Essen teilen - eigentlich eine Selbstverständlichkeit für jeden Bahá’í und bei jeder Bahá’í-Veranstaltung, hier jedoch angesichts der unterschiedlichen Rassen und des damit einhergehenden großen Unterschieds zwischen Arm und Reich offensichtlich leider eine herausragende Besonderheit.
Und so wurde dann auch die Geburtstagsfeier Bahá’u’lláhs zu einer der schönsten Bahá’í-Feiern, denen ich bisher beiwohnen kannte: Die Teilnehmer, die während der Feier regelrecht an meinen Lippen hingen, als ich einen Tell der Lebensgeschichte Bahá’u’lláhs erzählte, bedankten sich am Ende dafür, dass ich durch dieses Fest einige eigentlich zerstrittene Gemeinden zusammengebracht hätte. Sie bedankten sich auch bei Bahá’u’lláh in dem festen Glauben, dass die Kraft, die mich dazu führe, Menschen unabhängig von Ihrer Religion, Rasse und Herkunft in eine Einheit zusammenzubringen, von Ihm ausgehe.
Was es heißt, sich in eine andere Gesellschaft zu integrieren, spürt man wohl am intensivsten in persönlich einschneidenden Lebenssituationen - bei der Geburt eines Kindes zum Beispiel. Schon bei der Frage des Entbindungsortes wurde mir der riesige Unterschied zwischen Europa und den Umständen bewusst, unter denen die meisten Frauen leben und entbinden. Und während ich mit meinem Mann noch darüber nachdachte, ob wir lieber einen 1000 Euro teuren Flug in Kauf nehmen, um unser Kind in einer deutschen Klinik zur Welt zu bringen oder ein hiesiges Krankenhaus aufsuchen, wachte ich an einem Morgen auf und stellte fest, dass in aller Frühe eine Frau ihre Tochter direkt auf dem Sandweg vor unserem Hauseingang entbunden hat, weil ihr der Weg zum lokalen Hospital einfach zu lang geworden war. Integration in Moçambique - das bedeutet noch vieles, vieles mehr. Zum Beispiel beim Rückflug von Deutschland nach Moçambique die freudige Erkenntnis: „Ich fahre nach Hause.”
- Kordula Koksch
 
INTEGRATION IN MOÇAMBIQUE HEISST FÜR MICH
- eigene Vorurteile zu erkennen und zu hinterfragen
 
- bei befremdlichen Situationen unterscheiden zu lernen, ob es sich um andere Lebensweisen handelt, die es zu respektieren gilt, oder um wirkliche Probleme, die einer Entwicklung bedürfen
 
- in Gedanken einen Brief an deutsche Freunde zu schreiben und erst nach einer Weile zu merken, dass ich die Sätze die ganze Zeit in portugiesisch formuliere
 
- die Einheit von materiellem und geistigem Fortschritt verstehen zu lernen - zu erkennen, wie sehr ein tugendhaftes, geistiges Leben auch an eine materielle Grundsicherung gebunden ist; zu erkennen aber auch, dass selbst unter schwierigsten Bedingungen eine geistige Ausrichtung Kraft für Veränderungen im menschlichen Verhalten und somit Antrieb zu Neuentwicklung geben kann und dass ein Mangel solch einer Ausrichtung immense Umwege und Blockaden in der Entwicklung einer Gesellschaft mit sich bringt
 
- angesichts der Armut und all der damit einhergehenden problematischen Verhaltensweisen der Menschen zu spüren, wie wichtig neben materieller Fortentwicklung gerade auch die Annahme geistiger Grundwerte wäre
 
- Zitate Bahá’u’lláhs und 'Abdu'l-Bahás nicht mehr nur als schöne Worte und Ideale zu bewundern, sondern alltäglich hautnah zu erleben, welche Herausforderung, welche Kraft und welche Weisheit dahinter steht, wenn sie sagen „Die Erde ist nur ein Land und alle Menschen sind seine Bürger“ oder „Die Tatsache, dass wir meinen, selber im Recht zu sein und jeden anderen für im Unrecht halten, ist das größte aller Hindernisse auf dem Weg zur Einheit.“
 
- mein Verhalten und das meines Partners in seiner Abhängigkeit von unserer jeweiligen Kultur verstehen und mich dann davon auch lösen zu lernen in dem Wunsch, eine ganz neue Einheit miteinander zu finden
 
- in der Beziehung zu meinem Mann in einem Wechselbad zu leben zwischen Gefühlen der gegenseitigen Überforderung und Verzweiflung angesichts der allgegenwärtigen persönlichen, kulturellen und familiären Herausforderungen
 
- sich bei ständigen Analysen über die Erziehungsweise der Menschen hier und in Europa und der Hinterfragung der eigenen Ansichten hierzu zu ertappen
 
 
„Is gaans anders als in Iran, aber auch guut!“[Bearbeiten]
GESCHICHTEN ÜBER DIE INTEGRATION VON PERSISCHEN BAHÁ’Í IN DIE DEUTSCHE GEMEINDE
„Ich sag dir, wie es ist. Es gibt zwei Typen von uns.“ Sie tat so, als würde sie das nur mäßig 
interessieren und schaute einfach weiter in die Windschutzscheibe. „Die einen kamen und wollten 
um jeden Preis hier leben. Die heirateten vielleicht eine Deutsche und entschieden sich, glücklich 
zu sein.” Sie guckte weiter geradeaus, hörte aber genau hin. Er setzte wieder an: „Die anderen 
waren fremd, von Anfang an. Nichts klappte. Sie haderten mit dem Land. Sie fuhren immer wieder 
in den Iran, ihre Eltern suchten ihnen eine Frau aus, sie brachten sie mit nach Deutschland, aber 
sie waren einfach am falschen Ort.“ Wo er das denn gelesen hätte, fragte sie jetzt „Gelesen? Das 
habe ich erlebt.“ Und dann erzählte er ihr die Geschichte von dem Architekturstudenten, die 
Geschichte von dem jungen Mediziner und seine eigene. Zwei gingen gut aus, eine unglücklich, 
nämlich die des Architekturstudenten.
Die Geschichte der Integration iranischer Bahá’í in die deutsche Gemeinde ist eine Erfolgsgeschichte, mit nur kleinen Talfahrten. Die erste „Zuzugswelle“ erlebte die kleine Gemeinde in den 50er Jahren. Damals kamen vor allem junge Männer, um hier zu studieren. Sie kamen aus einer intakten und aktiven Bahá’í-Gemeinde, oft mit dem Wunsch, die Prinzipien Bahá’u’lláhs im Nachkriegsdeutschland zu verbreiten. Obwohl die jungen Studenten anfangs fremd waren und nicht gut Deutsch sprachen, wurde ihnen Respekt entgegengebracht, denn sie kamen aus dem Herkunftsland der Religion, der sich Deutsche und Iraner gleichermaßen verbunden fühlten. Dieser Respekt war das Öl, das die kleine Maschine Integration zum Laufen brachte. Jenseits von unterschiedlicher Wahrnehmung und Sozialisation ist die gemeinsame Orientierung auf ein religiöses Ziel etwas, was zwei sehr unterschiedliche Mentalitäten zueinandergeführt hat. „Nicht nur die Bahá’í empfingen uns herzlich. Wir wurden von deutschen Familien zum Essen eingeladen, immer und immer wieder. Die waren sehr an uns interessiert,“ erinnert sich Parvis Eschraghi, der zum Medizinstudium nach Deutschland gekommen war.
Es dauerte nur wenige Jahre, und schon gab es unter den jungen Persern Vorbilder. Sie sprachen hervorragendes Deutsch, hatten ihr Studium abgeschlossen, waren Teil des Wirtschaftswachstums und zentrale Figuren in der Bahá’í-Gemeinde. Sie hatten eine Heimat gefunden, in der ihre Herkunft auf jeden Fall ein Pluspunkt war, kein Grund sich zu schämen, sondern eher eine Auszeichnung. Dadurch waren sie für andere Zugewanderte Vorbilder, der Beweis, dass es klappen kann.
Anziehungskraft übte die Gastfreundschaft der Neuen aus, die Charme und Wärme vermittelte. In den späten sechziger Jahren etablierte beispielsweise die Familie Rastegar, ein iranischer Ingenieur und seine rheinische Ehefrau, ein orientalisches Wohnzimmer mitten in Köln. Sie boten den jungen Persern regelmäßig ein Zuhause, halfen bei Problemen mit Ämtern und luden häufig 30 oder 40 Bahá’í und Freunde ein, um Feste zu feiern, an Karneval zu schunkeln und um über die Lehren der Bahá’í zu sprechen. Damit hatten die Gäste gleich einen Hafen und die junge Familie Rastegar große Verantwortung und Anerkennung.
Auch wenn die Integration der persischen Bahá’í in Deutschland eine Erfolgsgeschichte ist, gelang es nicht allen, hier eine Heimat zu finden. Manche schafften es einfach nicht, diese Angst zu überwinden, die ihnen ständig zuflüsterte: „Du bist nicht mehr der, der du mal warst, du verlierst dich, du wirst wie sie.“ Also sprachen und fühlten sie zu Hause viel Persisch, kamen einfach mit dem „Betriebssystem“ der deutschen Gesellschaft nicht klar und schon gar nicht damit, dass ihre Kinder so werden würden „wie Frau Hammes von nebenan“.
„Erinnerst du dich an den Architekten. Er ist nach drei Jahrzehnten Deutschland an gebrochenem
Herzen und Fremdheit gestorben. Ganz allein. In irgendeiner Wohnung. Alles, was er in Deutschland
angepackt hatte, ging daneben und wurde ein Desaster: Die persische Ehefrau kehrte zurück in
die Heimat, seine erste Firma ging pleite, bei der zweiten haute ihn der Kompagnon übers Ohr - hat 
er immer gesagt - , mit Mitte fünfzig fand er keine Anstellung, er machte sich wieder selbständig. 
Mit den üblichen Import-Exportgeschäften, bei denen keiner weiß, mit was er
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da handelte. Er handelte auch nicht sonderlich lange und war bald finanziell ruiniert. Zu den 
Bahá’í-Veranstaltungen ging er immer noch. Das blieb sein Kompass. „Warum ging er denn nicht 
zurück?“ Natürlich wusste er mehr über den Architekten, aber er murmelte „keine Ahnung", „das Haus“, 
„die Kinder“. Er blieb einen Moment still und fügte hinzu: „Es gefiel ihm von Anfang an nicht. 
Er war falsch hier.“
Wenn man in den 50er und 60er Jahren von der ersten Zuzugswelle sprechen kann, so folgte die zweite nach der islamischen Revolution im Iran. Familien flüchteten aus ihrer Heimat, Schüler wurden allein vorgeschickt, und alte Menschen mussten alles zurücklassen, was ihnen vertraut war. Sie hatten nicht den Wunsch, im Ausland zu leben, sie kamen, um sich und ihre Kinder vor der systematischen Verfolgung zu schützen. Es waren Hunderte, die über die Türkei oder Pakistan aus dem Iran flohen. Einen Koffer hatten sie dabei und die Angst, nie wieder ihre Angehörigen, ihre Freunde sehen zu können. Natürlich trugen sie auch noch den Zweifel mit sich, ob sie die anderen im Stich gelassen hatten, um sich zu retten.
Viele Gemeinden unternahmen große Kraftanstrengungen, um den Neuen aus dem Iran zu helfen. Asylverfahren, Sozialhilfe, Wohnberechtigungsschein waren die Worte, die nun irgendwie ins Persische übersetzt werden mussten.
„Du kennst den Medizinstudenten nicht, der Ende der 80er Jahre gekommen ist. Ich habe dir nie von ihm erzählt.“ Vermutlich wollte er nun den anderen Typ beschreiben, von dem er eingangs gesprochen hatte. „Er kam ganz allein hierher, sein Vater hatte etwas Land verkauft, damit er seinem Sohn die Flucht bezahlen konnte. Zwei Jahre lebte er in Pakistan. Als er mitten im Winter in Deutschland ankam, war er dünn, nervös und hatte schreckliches Heimweh. Ich weiß nicht, woher er die Kraft genommen hat, in kürzester Zeit Deutsch zu lernen. In der Gemeinde war er einer der Tüchtigsten.” Natürlich wusste sie, wen er meinte, sie bewunderte diesen Mann seit Jahren, aber es gefiel ihr, ihn in dem Glauben zu belassen, sie wisse nicht, um wen es sich handele. „Der hat es sogar geschafft, einen Medizinstudienplatz zu bekommen. Er wollte nun hier leben. Und der Witz ist, er hat es geschafft. Verheiratet, eine Frau, ein Kind, er ist glücklich und eine Säule seiner Gemeinde. Er ist der andere Typ, der, der bleiben will, der glücklich sein will, der Deutschland mag.“
Mittlerweile leben die Iraner in der zweiten und dritten Generation hier. Keine Frage, sie sind deutscher geworden: Sie tanzen nicht mehr bei jeder Gelegenheit wilde persische Gebirgstänze - was schade ist -, ihre Reisberge sind nicht klein zu kriegen, und der Respekt vor ihnen - das ist der Stoff, aus dem diese Erfolgsgeschichte gemacht ist - auch nicht. Würde man die Erfahrungswerte beschreiben, die man für andere Integrationsprozesse nutzen kann, dann wären dies einige:
- - Die Zugewanderten sollen den Ureinwohnern etwas beibringen. Wertschätzung und Neugier sind wesentlich.
 
- - Die Neuen sollen etwas von den Deutschen lernen. Die Wertschätzung muss folglich gegenseitig sein, und wenn dann mal der eine oder die andere sich ineinander verlieben und heiraten, ist das noch besser.
 
- - Respekt. Auch wenn dem Deutschen die Höflichkeitsfloskeln der Iraner wie pure Silbenverschwendung erscheinen und der Iraner denkt, eine menschgewordene Tiefkühltruhe stünde vor ihm, Respekt führt sie zueinander.
 
- - Und schließlich: Die gemeinsame Vision, das geistige Band. Das ist, um es sehr schlicht zu sagen, Gott zu dienen.
 
Sie waren kurz davor auszusteigen. Eine Frage hatte er ihr nicht beantwortet. „Und was ist mit 
dir selber,“ fragte sie ihn, „welcher Typ bist du?“ Er zögerte einen Moment, lachte kurz und sagte: 
„Dreimal darfst du raten.“ Sie kannte die Antwort, und das gab ihr ein gutes Gefühl.
- Isabel Schayani
 
 
Mit Rollenspielen Konflikte lösen lernen[Bearbeiten]
Integrationspreis für People's Theater aus Offenbach
„Bildung und nochmals Bildung- das ist die grundlegende Voraussetzung für jede Integration“, 
formulierte es der verstorbene Altbundespräsident Johannes Rau.1) Die Schule ist hier 
ein zentraler Dreh- und Angelpunkt. Auf diesem Feld leistet der gemeinnützige, Bahá’í-inspirierte 
Verein „People's Theater e.V.” aus Offenbach am Main Integrationsarbeit.2) Als Medium 
bedient er sich der „People's Theater Show“, einer Kombination von Talkshow und Theater. Alltägliche Schulkonflikte werden aufgegriffen und in Rollenspielen bis zur Eskalation eines Konflikts 
nachgespielt. Anschließend sucht der Moderator gemeinsam mit den Schülern nach alternativen 
positiven Handlungsmöglichkeiten, die das Publikum schauspielerisch umsetzt. Dabei steht immer 
wieder das Stichwort Integration im Mittelpunkt, und in Offenbach ist es besonders aktuell. Denn 
die Stadt hat mit 33,9 Prozent den höchsten Ausländeranteil In Hessen3). Laut Luigi
Masala von der Leitstelle Zusammenleben in Offenbach hat sie mit 40 bis 41 Prozent sogar die 
höchste tatsächliche Ausländerquote in ganz Deutschland, eingebürgerte Personen inbegriffen. 
Auch aufgrund des Einbürgerungstests steht das Thema Integration immer häufiger im Rampenlicht.
In der Präambel zum Statut des Hessischen Integrationspreises heißt es dazu: „Rund 13,5 Prozent 
aller in Hessen lebenden Menschen sind Ausländer. Die soziologische, soziale, kulturelle und 
religiöse Vielfalt bedeutet nicht nur eine Bereicherung, sie birgt auch in einer ohnehin nicht 
homogenen Gesellschaft Konfliktpotenzial und Vorbehalte bzw. Ängste auf allen Seiten.“4) Konsequenzen der nicht erfolgten Integrationsarbeit In den vergangenen Jahrzehnten begegnen wir 
tagtäglich. Ob klar ersichtlich wie bei den Ausschreitungen in Pariser Vororten oder in eher 
unterschwellig ablaufenden Prozessen - es führt dazu, dass es in Deutschland immer noch 
einen problematischen Zusammenhang zwischen Herkunft und Chancen gibt. Sich diesen Verhältnissen 
zu stellen und sie aufzubrechen, so Stadträtin 
[Seite 27]
Birgit Simon, bleibe eine kommunale Aufgabe. Integrationspreise an herausragende Vereine, Personen 
oder Verbände zu verleihen ist ein Weg der Politik, dieser Aufgabe und Pflicht nachzukommen und 
damit gleichzeitig die Bevölkerung dafür zu sensibilisieren. In Offenbach, in der Integrationsarbeit deutschlandweit führend, geschieht das schon seit fast zehn Jahren. Im März 2006 wurde der
achte Integrationspreis dem People’s Theater e.V. und seinem Initiator Erfan Enayati verliehen. Mit
dem Preis werden jährlich Privatpersonen, Verbände, Vereine oder Firmen ausgezeichnet, die sich für
„das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern in besonderer Weise engagieren."5)
Die Jury honorierte, „dass die vielfältigen Ansätze des Vereins vor allem helfen, Vorurteile zu benennen und abzubauen - rassistische, nationale, kulturelle und religiöse. Der Verein hilft Konflikte zu bearbeiten, die auf Grund sozialer Unterschiede entstehen. Er vermittelt seinem Publikum Erfahrungen, die hierfür den Blick schärfen. Die Projekte von People’s Theater sind offen für Menschen jeglichen kulturellen Hintergrunds. Die Gleichbehandlung aller Beteiligten, unabhängig von Nationalität oder sozialer Herkunft, ist ein tragender Aspekt der Arbeit von People’s Theater“, so Stadträtin Birgit Simon in ihrer Laudatio. Auch die Mitglieder von People's Theater selbst sind eine bunte Mischung aus verschiedenen Ländern und kulturellen Hintergründen, aus Iran, Griechenland, Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, Australien, USA, Portugal, Republik Moldau, Polen, Österreich und natürlich Deutschland.
Des Weiteren wurde People’s Theater mit einem Multiplikatorenprojekt beim Bundeswettbewerb „startsocial 2005”, unter der Schirmherrschaft von Bundeskanzlerin Angela Merkel, im April 2006 „als eine der sieben herausragendsten Initiativen bürgerschaftlichen Engagements Deutschlands geehrt”.6) Auch von diesem Projekt erhofft sich People's Theater direkte Integrationsarbeit mit Jugendlichen zwischen 11 und 15 Jahren. Die Gruppe bemüht sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten, Impulse zur Integrationsarbeit zu geben und so einen Beitrag auf lokaler Ebene zu leisten. Doch selbstverständlich kann Integration nur im Zusammenspiel vieler Beteiligter funktionieren. „Integration ist daher die Aufgabe, die wir gemeinsam anpacken müssen, wenn wir das Zusammenleben erfolgreich und friedlich gestalten wollen.”1)
- Anke Keitel
 - Erfan Diebel
 
QUELLEN:
- 1) RAU, JOHANNES: BERLINER REDE „OHNE ANGST UND OHNE TRÄUMEREIEN: GEMEINSAM IN DEUTSCHLAND LEBEN", AM 12. Mai 2000 IM HAUS DER KULTUREN DER WELT
 - 2) SIEHE AUCH SCHULZE, RENÉ: VERHALTEN ÄNDERN HIER UND JETZT: EIN AUSWEG AUS DER GEWALTSPIRALE, TEMPORA AUSGABE NR. 11 - FRIEDENSWEGE, S.10
 - 3) HESSISCHES STATISTISCHES LANDESAMT: AUSLÄNDER IN HESSEN AM 31. DEZEMBER 2003, KENNZIFFER A14-J/03, S.7, WIESBADEN, AUGUST 2004
 - 4) PRÄAMBEL DES STATUTS DES HESSISCHEN INTEGRATIONSPREISES
 - 5) OFFENBACH POST, 30. DEZEMBER 2005, S.2
 - 6) OFFENBACH POST, 12. APRIL 2006, S.20
 
„EIN HAUS MIT SEHR OFFENEN TÜREN“[Bearbeiten]
Neubau einer Moschee mit Begegnungsstätte
- DUISBURG - DIE MIGRATIONSHAUPTSTADT IM RUHRGEBIET
 
Viele Migranten haben ihre Absicht, in ihre Ursprungsländer zurückzukehren, aufgegeben und Deutschland als ihr zweites, neues Heimatland erwählt, weil sie hier ihren Lebensmittelpunkt haben. Mit einem Ausländeranteil von 15 Prozent unterscheidet sich Duisburg auf den ersten Blick nicht von anderen Kommunen. Tatsächlich ist aber keine andere Stadt in Nordrhein-Westfalen so sehr von Zuwanderung geprägt, meint das in Essen ansässige Zentrum für Türkeistudien (ZfT) und weist darauf hin, dass unter den 504 000 Einwohnern rund 48 000 Eingebürgerte leben, die oder deren Eltern nach Deutschland eingewandert sind. ZfT-Direktor Faruk Sen erhebt Duisburg daher zur „Migrationshauptstadt im Ruhrgebiet“. Unter den Migranten bilden Muslime mit rund 70 000 die Mehrheit. Sie beten in über 40 Moscheen.
- DIE GEWANDELTE PERSPEKTIVE
 
Da der Aufenthalt in Deutschland zunächst nur als vorübergehend geplant war, genügte es den ausländischen Arbeitskräften, die Gebetsräume in zurückgezogenen Räumlichkeiten einzurichten - ein Refugium für die eigene Religion und Kultur. Doch mit dem Nachwachsen der nächsten Generationen, welche die Türkei nur noch im Urlaub erlebt, trat immer stärker der Wille zutage, sich nicht nur im Arbeitsleben zu integrieren, sondern auch im Bereich der Religion und in der Gesellschaft anerkannt und geachtet zu sein. Konkret bedeutet das zum Beispiel, dass die Hinterhof-Moscheen aufgegeben und repräsentative Gebetsstätten geschaffen werden, mittels derer die eigene Kultur und Religion der deutschen Öffentlichkeit präsentiert werden, ohne aggressiv zu wirken. So beteiligen sich Moschee-Gemeinden in zunehmendem Maße an Bürgerfesten, laden zu Besichtigungen ein und klären über den islamischen Glauben, dessen Sitten und Gewohnheiten auf.
- MUSTERPROJEKT: „MOSCHEE MIT BEGEGNUNGSSTÄTTE“
 
Der türkisch-islamische Kulturverein „DITIB-Merkez-Moschee Duisburg-Marxloh“ ist bereits in der Vergangenheit bestrebt gewesen, durch vielfältige Angebote in den Bereichen Jugend-, Kultur- und Dialogarbeit zur Integration der türkischen Migranten in diesem Stadtteil beizutragen. Als eine der ältesten und größten islamischen Gemeinden in Duisburg setzt er sich ursprünglich aus den muslimischen Arbeitnehmern des Bergwerks zusammen, die ihre ehemalige Werkskantine zum Gebets- und Gemeindehaus umgewandelt hatten.
- DITIB - TÜRKISCH-ISLAMISCHE UNION DER ANSTALT FÜR RELIGION
 
- 1984 gegründeter Dachverband von 870 Mitgliedsvereinen (Ortsgemeinden) und der mitgliederstärkste Migrantenverband in der Bundesrepublik Deutschland. Wird von der staatlichen Türkischen Anstalt für Religion kontrolliert und zählt zu den nicht-fanatischen islamischen Organisationen.
 
Mit einem bislang einzigartigen Projekt plant die Gemeinde, den muslimischen Bürgern Duisburgs eine religiös-kulturelle Heimat und allen Bürgern dieser Stadt eine Stätte der Begegnung, des Dialogs und des Miteinanders zu geben. Mit dem Neubau einer Moschee mit Begegnungsstätte soll ein Zentrum entstehen, in dem muslimische Gläubige ihre religiöse und kulturelle Heimat haben sollen, wo am Glauben ihrer islamischen Brüder und Schwestern interessierte Christen, Nicht-Gläubige oder an ihrem Glauben zweifelnde Menschen einen Ort der Information, der Kontemplation und des Dialogs finden. Der Aufbau gemeinsamer christlich-muslimischer und nicht-konfessioneller Sozial- und Jugendarbeit sowie Frauen- und Bildungsarbeit als Ausdruck von gelebtem Dialog und gemeinsamer sozialer Verantwortung sind Oberziele des Projekts.
- FÖRDERUNG DURCH LAND UND EU
 
Die Stadt Duisburg, die sich für Fördergelder von Land und Europäischer Union stark gemacht hatte, ist sich des hohen Stellenwerts dieses Vorhabens bewusst. „Als Heimat von Migranten der ersten, zweiten und dritten Generation türkischer Herkunft und weiteren Gruppen von Einwanderern hat Duisburg schon heute eine interkulturelle Identität, die mit diesem Projekt weiter an Profil gewinnen wird“, stellt Adolf Sauerland, Oberbürgermeister von Duisburg, fest, und erklärt weiter: „Durch eine repräsentative Gebetsstätte mit Minarett und Kuppeln wird die interkulturelle Stadtentwicklung in Duisburg von den muslimischen Bürgern in enger Kooperation mit der Mehrheitsgesellschaft selbstbewusst vorangetrieben. Die angegliederte Begegnungsstätte unter dem Kuppelbau wird Duisburg-Marxloh über die Grenzen Nordrhein-Westfalens hinaus zu einem auch städtebaulich hervorstehenden ‚Leuchtturm’ des interkulturellen Dialogs sowie zu einem Beispiel des friedlichen Zusammenlebens der Kulturen werden lassen.“
Der damalige NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück ließ es sich daher nicht nehmen, am 22. März 2005 persönlich an der Grundsteinlegung mitzuwirken. „sie bauen unzweifelhaft ein Haus für sich, aber es ist eines mit sehr offenen Türen“, urteilte er.
- BEIRAT
 
Zu den „offenen Türen” gehört entscheidend der Beirat, welcher der Begegnungsstätte angegliedert ist. In ihm sitzen Vertreter von Schulen, christlicher Kirchen und Stadtteilpolitiker, die das Moschee-Projekt schon seit Beginn der heißen Planungsphase vor drei Jahren begleiten.
DER BEIRAT ZUR BEGEGNUNGSSTÄTTE - EIN GESPRÄCH MIT BEIRATSMITGLIED L. PELLER
Herr Peller, was ist unter dem „Beirat“ zu verstehen? Welche Aufgaben hat er?
Ich verstehe den Beirat zur Moscheegemeinde so, dass das Vorhaben begleitet wird von Menschen aus dem Ort, die den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen angehören - sowohl politischen als auch anderen. Der Beirat unterstützt dieses Vorhaben und begleitet es durch konstruktive kritische Anregungen. Er hat darüber hinaus auch eine gewisse Kontrollfunktion sowie eine Funktion nach außen hin, um das, was hier passiert, in Duisburg widerzuspiegeln und einerseits die Interessen des Projekts zu vertreten, auf der anderen Seite aber auch die Interessen der gesellschaftlichen Gruppen, die hier zusammenleben, mit einfließen zu lassen.
[Seite 30]
 
Gab es denn schon einmal Probleme, bei denen der Beirat vermitteln musste?
Die Thematik der Moschee ist in Duisburg eine, die nicht nur auf Begeisterung stößt, und das Positive dieses Beirats war - so wie ich es eben geschildert habe -, dass die verschiedensten gesellschaftlichen Interessengruppen hier sehr konstruktiv zusammenwirken und auch sehr glaubwürdig nach außen vertreten können, dass es hier wirklich um Begegnung geht, also eine ganz positive Zielrichtung für unsere Stadt. Das heißt, die Problematik, die Sensibilität, die hier im Duisburger Norden vorliegt, konnte durch den Beirat sehr gut abgefedert werden.
Was war ausschlaggebend dafür, dass Sie in den Beirat berufen wurden?
Einerseits wurde ich wegen meiner Funktion als Leiter einer Schule im Duisburger Norden angesprochen von Muslimen, die auch Kinder bei mir an der Schule haben, und auf der anderen Seite werde ich - denke ich - auch wahrgenommen als Vertreter der Freikirchen, der Christen hier in Duisburg, und drittens auch als politisch aktiver Mensch. Angesprochen wurde ich - wie gesagt - von Muslimen, die mich auf diesen drei Schienen erlebt haben.
Sie sprachen gerade Ihren christlichen Hintergrund an. Wie sind Sie selbst religiös eingestellt? Zu welcher Gemeinschaft gehören Sie?
Ich habe meine Wurzeln in der evangelischen Landeskirche, im lutherischen Gedankengut und da so ein wenig in der pietistischen Ausrichtung. Ich gehe jetzt seit 23 Jahren in eine evangelische Freikirche, die in einer großen Offenheit ganz bewusst in diesem Stadtteil lebt und Dialog führt, einlädt und keine Berührungsängste hat mit türkischen Menschen in unserem Gemeindehaus, und keine Probleme hat, türkische Menschen und auch Moscheen zu besuchen. Mein Hintergrund ist ein evangelikaler, ich habe eine klare christliche Position, aber mit einer großen Offenheit und mit dem Grundanliegen, auf Menschen zuzugehen, mit Menschen zusammenzuleben und den Stadtteil zu gestalten.
Hin und wieder wird behauptet, dass man zur Religionsvermischung beitrüge, wenn man sich an solchen Projekten beteiligt. Wie sehen Sie das?
Nein, das sehe ich überhaupt nicht so, weil Begegnung hier immer damit zu tun hat, dass sich verschiedenste Positionen und Ansichten treffen. Die vielen positiven Ansätze, die aus den verschiedenen Richtungen kommen, werden zusammengetragen, aber nicht vermengt. Es ist zwar ein buntes Gemisch, aber die einzelnen Farben behalten ihre Konsistenz, also: grün bleibt grün und rot bleibt rot. Es ergibt sich ein buntes Bild, wo sich auch Farben schon mal beißen, um bei diesem Bild zu bleiben. Aber letztlich ist es eine wunderbare Gemeinschaft, die sich da ergibt, die bei aller Unterschiedlichkeit ein spannendes und sehr lebendiges Miteinanderleben ermöglicht.
WEITERE INFORMATIONEN:
WWW.DUISBURG.DE/EGDU/MARXLOH /MOSCHEEPROJEKT.PHP
WWW.SOZIALESTADT.DE /PRAXISDATENBANK/SUCHE/AUSGABE.PHP?ID=327
Thomas Müller
- Der Autor, Bahá’í aus Moers,
 - war am Zustandekommen
 - der Finanzierung des Projekts
 - maßgeblich beteiligt.
 
TEMPORA
- Nr. 13 - 2006
 
Die Globalisierung unseres Planeten erfordert in allen Bereichen ein
gänzlich neues Denken und Handeln. TEMPORA beschäftigt sich auf
dem Hintergrund der Bahá’í—Lehren mit aktuellen Zeitfragen und möchte 
durch Gedankenimpulse die Entwicklung zu einer geeinten Welt fördern.
Herausgeber
- Der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in
 - Deutschland e.V., Eppsteiner Str. 89
 - 65719 Hofheim-Langenhain
 
Redaktion
- Roland Greis, Thomas Schaaff, Monika Schramm, Karl Türke jun., Shirin Weisser, Michael Willems
 
Redaktionsanschrift
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Layout
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© Bahá’í-Verlag GmbH 2006
ISSN 1433-2078
Gedruckt auf umweltschonendem Papier.
Die Bahá’í-Religion
Zentrale Lehren
- Die Einheit Gottes
 
- Es gibt nur einen Gott,
 - mit welchem Namen
 - er auch benannt oder
 - umschrieben wird.
 
- Die Einheit der Religionen
 
- Alle Offenbarungsreligionen bergen den
 - gleichen Kern ewiger Wahrheiten, wie
 - die Liebe zu Gott und den Menschen.
 
- Bestimmte Gesetze jedoch, die zum
 - Beispiel die Organisation der Gemeinde,
 - das Sozialwesen oder die Hygiene
 - betreffen, müssen sich im Zuge der
 - Menschheitsentwicklung verändern.
 
- In großen Zyklen offenbart Gott sich
 - durch seine Boten wie Krishna, Buddha,
 - Moses, Christus, Mohammed und
 - Bahá’u’lláh und erneuert diesen Teil
 - seiner Gebote als Antrieb für den
 - menschlichen Fortschritt.
 
- Die Einheit der Menschheit
 
- Die Menschheit ist eine einzige,
 - große Familie mit völlig
 - gleichberechtigten Mitgliedern.
 
- Ihren Ausdruck finden diese
 - grundlegenden Lehren in Prinzipien wie:
 
- ▪ Selbständige Suche nach Wahrheit
 
- ▪ Gleichstellung von Frau und Mann
 
- ▪ Soziale Gerechtigkeit
 
- ▪ Entscheidungsfindung durch Beratung
 
- ▪ Abbau von Vorurteilen.
 
- ▪ Übereinstimmung von Religion und Wissenschaft
 
 
Zentrale Gestalten
- Báb (1819-1850), der Vorbote
 - Bahá’u’lláh (1817-1892), der Stifter
 - 'Abdu'l-Bahá (1844-1921), der Ausleger
 - Shoghi Effendi (1897-1957), der Hüter
 
Die Bahá’í-Gemeinde
- organisiert sich in Gremien,
 - die auf örtlicher, nationaler und
 - internationaler Ebene von den
 - erwachsenen Gemeindemitgliedern
 - in freier, gleicher und geheimer Wahl
 - ohne Kandidatur oder Wahl-
 - kampagnen gewählt werden.
 - Es gibt keine Priester.
 
  
- 100 Jahre
 - Bahá’í-Gemeinde
 - Deutschland
 
Die nächste Ausgabe:
 
 
 
 
TEMPORA NR. 14
 
Gesundheit