TEMPORA
Nr. 11
Friedenswege
 
NR. 11 INHALT
Friedenserziehung und Schulalltag . . . . . 4
- Roland Greis zu Zielsetzung und Praxis von Friedenserziehung
 
Wege zum Frieden . . . . . 9
- Gedicht
 
Verhalten ändern - hier und jetzt: Ein Ausweg aus der Gewaltspirale . . . . . 10
- René Schulze über „People’s Theater“ beim Symposion „Gewaltprävention im Kreis Offenbach“
 
Beratung als Methode der Problemlösung . . . . . 13
- so gelingt es sicher...
 
Die Krise als produktiver Zustand . . . . . 14
- Nossrat Peseschkian über den Abbau von emotionalen Schranken und Vorurteilen
 
Porträt Suheil Bushrui . . . . . 20
- Ein Leben für Frieden und Völkerverständigung
 
Ich sehe mich eher als Freund . . . . . 22
- Ein Interview mit Rüdiger Nehberg
 
Kontemplation . . . . . 24
- Gemälde von Maria Windhab und Anne Bahrinipour
 
Das Selbstbestimmungsrecht der Nationen . . . . . 29
- Claudia Weisser über Eigenständigkeit und Staatenbündnisse
 
Das Wesen des Friedens heißt heute vor allem Gerechtigkeit . . . . . 32
- Peter Spiegel über einen globalen öko-sozialen Marshallplan zur Beseitigung der Armut
 
Die Zukunft gestalten . . . . . 38
- Buchvorstellung „You can change the World“
 
„Das Wesen der Religion ist die Liebe" . . . . . 39
- Michael Paul Gollmer über den Weltreligionstag in Stuttgart
 
Religionen - Hindernisse oder Wege zum Frieden? . . . . . 42
- Religionswissenschaftler Michael Blume über den Begriff „Religion“
 
Die Ethik der Globalisierung . . . . . 45
- Auszug aus einer Rede von Suheil Bushrui vor dem Europäischen Parlament in Brüssel
 
Editorial:
Liebe Leserinnen und Leser,
Wege zum Frieden gelten als lang und steinig. Dennoch beginnen sie mit einem ersten Schritt. Den kann jeder tun, denn heute leben - wohl ohne Übertreibung - alle Menschen dieser Erde in einer Gesellschaft, der es an Frieden und Harmonie mangelt. Aber viele glauben, sie müssten für den Frieden „kämpfen“, statt neue Wege und Handlungsmuster zu entwickeln. Die Ihnen vorliegende neue TEMPORA-Ausgabe möchte Anregungen geben, solche neuen Wege zu gehen. Zum Beispiel in der Schule, wo Friedenserziehung ein immer wichtigeres Ziel wird. Dabei helfen Initiativen wie das „People's Theater“, das Im Sinne des Wortes „Schule macht“ und mit spielerischem Einsatz neue Verhaltensmuster nicht nur bei Jugendlichen anregt. Immer wieder gefordert, um Konflikten angemessen zu begegnen, ist die vorurteilslose Beratung. Dass Krisen und Konflikte auch neue Möglichkeiten eröffnen, zeigt sich im Persönlichen ebenso wie in der Politik, wo das Selbstbestimmungsrecht von Nationen in einer globalen Gesellschaft ein Beitrag zum internationalen Frieden sein kann. Dabei geht es ebenso um Gerechtigkeit wie bei der Idee eines globalen Marshall-Plans, die verschiedene Nicht-Regierungs-Organisationen verfolgen. Nicht zuletzt werden die Rolle der Religionen für den Weltfrieden und die Notwendigkeit einer Ethik der Globalisierung behandelt. Ob mit den Texten und Zitaten oder den künstlerischen Interpretationen des Themas - möge jede Leserin und jeder Leser einen Einstieg in den persönlichen Weg zum Frieden finden.
- Die Redaktion
 
 
Friedenserziehung und Schulalltag[Bearbeiten]
Die Entwicklung einer Friedenskultur erfordert Strukturveränderungen im Schulwesen
 
Erziehung zur Friedensfähigkeit ist seit langem Bestandteil schulischer Lehrpläne: Die Schülerinnen und Schüler müssen lernen, sozial verantwortlich zu urteilen, zu entscheiden und zu handeln (...) Insbesondere soll (die Schule) die Bereitschaft und Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler fördern, sich mitanderen zu verständigen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse im Zusammenhang der sozialen Beziehungen einschätzen zu lernen, Toleranz und Solidarität zu üben. (...) Voraussetzung für die Entwicklung einer demokratischen Handlungsfähigkeit ist es, dass die Schülerinnen und Schüler bereits in der Schule an Entscheidungen mitwirken und Mitverantwortung übernehmen können. (...) Die Schülerinnen und Schüler sollen Einsicht in die Ursachen von Not und Hunger in der Welt gewinnen und sich für eine gerechtere Verteilung der Güter, für den Abbau von Unterentwicklung, Armut und Hunger und für die Förderung von Frieden und Freiheit einsetzen. (Richtlinien und Lehrpläne für das Gymnasium - Sekundarstufe 1 - in Nordrhein-Westfalen, 1993, S.12-14)
Wesentliche Grundlagen der Friedensfähigkeit werden hier genannt. Vor allem der Zusammenhang zwischen sozialer Kompetenz, demokratischer Handlungsfähigkeit und globaler Verantwortung wurde bereits vor zehn Jahren sehr klar erkannt und als Unterrichtsziel formuliert. Ist es da nicht erstaunlich, dass davon so wenig im Schulalltag zu erleben ist?
Körperliche Gewalt, Gruppendruck, Mobbing, Egomentalität, Verhaltensstörungen, Vandalismus, Verschmutzung durch Abfall, aber auch selbstzerstörerisches Verhalten wie Mager-, Ess-, Computer- und Fernsehsucht haben in den vergangenen zehn Jahren ständig zugenommen.
Wie kommt es, dass die guten Absichten der Lehrplanmacher durch die Wirklichkeit ad absurdum geführt wurden und werden? Liegt es wirklich, wie viele glauben, nur daran, dass immer mehr Eltern ihren Erziehungsaufgaben nicht mehr gerecht werden, oder sind auch die Schulen mit dafür verantwortlich?
Wo liegt dieser Beitrag der Schulen zur Misere im Erziehungswesen? Sind die Strukturen, in deren Rahmen heute schulische Erziehung stattfindet, überhaupt darauf angelegt, Kinder zu demokratisch handlungsfähigen, solidarischen und friedfertigen Menschen heranzubilden? Meine Hypothese lautet: Sie sind es nicht. Und solange die Bildungspolitik die von Schülern erfahrene Realität des Schulalltags nicht berücksichtigt und in einer Institution, deren Strukturen im 19. Jahrhundert entstanden sind, für die Zukunft zu erziehen versucht, wird dies misslingen.*)
Ein Schulsystem ohne Chancengleichheit
Im 19. Jahrhundert war das gegliederte Schulsystem ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Realität. 
Die einzelnen Schultypen bereiteten auf Berufe und gesellschaftliche Funktionen vor, die
höchst unterschiedliche Qualifikationen erforderten. Chancengleichheit war ein unbekanntes 
Wort. Das Denken war geprägt von gesellschaftlichen Hierarchien und sah im Prinzip strenger
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Auslese das geeignete Mittel, um Menschen auf ihre zukünftige Position vorzubereiten. 
Gleichzeitig begünstigte dieses Schulsystem die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen 
Unterschiede und sicherte den Status der profitierenden Machteliten.
Als im Deutschland der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts die Idee der Gesamtschule realisiert wurde, war dies ein ernstgemeinter Versuch, mehr Chancengleichheit in das Bildungswesen zu tragen. Es spricht für die Zählebigkeit alter Denkstrukturen, dass man in diesen gutgemeinten Ansatz das alte Prinzip der Gliederung wieder installierte. Was vorher Haupt-, Real- und gymnasialer Zweig gewesen war, lebte in den Gesamtschulen in Form von Leistungsgruppen weiter, mit dem Ergebnis, dass hier die gleichen psychologischen Prozesse abliefen. Wer sich in der schwächsten Gruppe wiederfindet, verliert oft einen Großteil seiner Lernmotivation, weil er sich als Versager fühlt und wenig wegweisende Vorbilder findet, wodurch das Leistungsniveau sinkt. Dagegen entwickeln die Teilnehmer der stärksten Lerngruppe ein elitäres Bewusstsein, das vor allem darauf beruht, sich besser als andere zu fühlen. Dass das Lernziel von Toleranz und Solidarität auf diese Weise durchkreuzt oder zumindest erschwert wird, dürfte einleuchten. Konkurrenzdenken und Loser-Winner-Mentalität sind nun mal denkbar ungeeignete Voraussetzungen für die Entwicklung von gegenseitigen Verständnis und Hilfsbereitschaft. Sie erschweren darüber hinaus eine realistische Selbsteinschätzung, weil sie den Blick auf fachliche Qualifikationen verengen und den Bereich der sozialen Kompetenz ignorieren. Diese ist aber die wichtigste Bedingung für beruflichen Erfolg, etwa 80 Prozent, während fachliche Qualifikationen nur 20 Prozent ausmachen.
Wissensvermittlung statt Bildung
Dennoch sieht sich ein erheblicher Teil der Lehrer an weiterführenden Schulen in erster Linie als Stoffvermittler. Viele betrachten „fachfremde" Tätigkeiten wie Klassenfahrten, künstlerische, handwerkliche und soziale Projekte reserviert und sehen sie als Ablenkung vom Eigentlichen. Im Mittelpunkt dieses Denkens steht nicht die Persönlichkeitsbildung, sondern Aneignung von Wissensstoff, ungeachtet dessen, wie erstaunlich wenig von diesem Wissen nach 10 bis 13 Jahren Schule noch vorhanden ist. Das hat vor allem zwei Gründe: Wegen der Fülle des zu vermittelnden Stoffs bleibt zu wenig Zeit, Lernmethoden bewusst zu machen und einzuüben, die auch in der Lehrerbildung zu wenig berücksichtigt werden. Solche fächerübergreifenden Fähigkeiten, die selbstregulierendes Lernen ermöglichen, sind aber Schlüsselqualifikationen. Hinzu kommt die Theorielastigkeit des Unterrichts, die eine praktische Anwendung des Gelernten weitgehend ausschließt, die selbstständige Überprüfung durch den Schüler verhindert und ihn abhängig macht von der Autorität des Lehrers. Das widerspricht nicht nur der lernpsychologischen Tatsache, dass Lernprozesse intensiver, nachhaltiger und bis zu vier mal schneller ablaufen, wenn Theorie und Praxis verbunden werden. Es demotiviert auch systematisch, weil es für den Schüler auf Dauer sinnlos erscheint, sich Wissen anzueignen, das keinen Bezug zu seinen eigenen Erfahrungen hat. Und es erzieht zur Kritikunfähigkeit, denn um unterscheiden zu können, muss man Überprüfungskriterien haben, die in der Theorie meist nicht gewonnen werden können. Hinzu kommt, dass unser reguläres Schulsystem Fehler- und Defizit-orientiert ist. Indem es Schülern vor allem ihre Schwächen bewusst macht, wirkt es entmutigend, zumal die Schule individuelle Förderung wegen des in Deutschland besonders niedrigen Bildungsetats (5,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gegenüber 5,9 Prozent im OECD-Durchschnitt) kaum leisten kann.
Schuldzuweisung und Bestrafung statt Hilfe
Versagen Schüler angesichts solcher Lernbedingungen in zwei oder mehr Fächern, weil sie 
weder selbstständige Lernkompetenz noch den Sinn des Lernens rechtzeitig vermittelt 
bekommen haben, weil ihre Frustrationstoleranz nicht ausreicht, um immer wieder als 
Einzelkämpfer die vielen Fächersteine den Berg hinaufzurollen, so dürfen sie mit allen 
Steinen noch einmal von vom anfangen, auch mit denen, die sie bereits nach oben 
gebracht haben. Anstatt ihnen zu helfen, Ihre Schwächen aufzuarbeiten, muss sich 
die Schule wegen staatlich verordneter
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Lehrkapazität für unzuständig erklären. Sie sondert aus, statt Integration zu ermöglichen. 
Was geschieht mit diesen Alleingelassenen, wenn sie nicht von Eltern oder Freunden 
aufgefangen werden? Was machen sie mit ihrer ohnmächtigen Wut, deren tiefere Ursachen 
sie oft nicht durchschauen? Werden sie in einem System, das ihnen individuell angepasste 
Hilfe verweigern muss, sozial verantwortlich handeln lernen, Toleranz und Solidarität 
üben und sich für den Abbau von Unterentwicklung, für Frieden und Freiheit einsetzen? 
Oder werden sie eher ihre angestaute Frustration in Akten der Gewalt gegen Schwächere,
durch Vandalismus oder in der Flucht in eine oder mehrere Süchte loszuwerden versuchen? 
Woher sollen sie gelernt haben, Selbst- und Mitverantwortung zu übernehmen in einem System,
das ihnen nicht hilft, Schwächen zu überwinden, sondern das sie als einzelne Versager 
für allein schuldig erklärt, mit Entzug von Lebenszeit bestraft und sie zur Wiederholung 
auch des bereits Gelernten zwingt?
 
- Wenn man Kinder und Jugendliche in einer Weise
 - erzieht, die sie daran hindert, ihre elementaren
 - Entwicklungsbedürfnisse zu befriedigen,
 - muss man sich nicht wundern, wenn sie
 - mit Aggression oder Rückzug reagieren.
 
Wer kommt mit diesem System zurecht? Es sind vor allem diejenigen Schüler, die im Elternhaus Unterstützung und Solidarität erfahren und Strategien der Selbstmotivation und des Frustrationsabbaus, des selbstregulierenden Umgangs mit Gefühlen gelernt haben. Wer diese emotionale Intelligenz nicht bereits in die Schule mitbringt, hat meist schlechte Karten, denn unser von Einsparzwangsvorstellungen dominiertes Schulsystem kann nur ansatzweise dort Hilfestellungen bieten, wo persönliche Initiative von Lehrkräften das auszugleichen versucht, was von staatlicher Seite vernachlässigt wird. Es ist daher kein Wunder, dass das deutsche Schulsystem im internationalen Vergleich vor allem bei der Integration der Benachteiligten, insbesondere ausländischer Kinder und solcher aus Elternhäusern mit geringer Schulbildung, extrem schlecht abschneidet. Das führt dazu, dass vor allem diese Kinder besonders gewaltbereit und problembeladen werden. Die Folgen davon kommen den Staat erheblich teurer als die Kosten einer frühzeitigen Integration.
Hypothese: Unser Schulsystem produziert systematisch Ohnmacht, Frustration, Verantwortungslosigkeit, Gewaltbereitschaft, Resignation und Fluchtmentalität, weil es die emotionalen Bedürfnisse und Fähigkeiten Heranwachsender weitgehend ignoriert, ihren unterschiedlichen Entwicklungsbedingungen nicht gerecht wird und die in jedem Kind vorhandene Lernmotivation durch Fehlerorientiertheit statt Ermutigung und Förderung eher abbaut als fördert. Von Kindern und Jugendlichen, die auf diese Weise im Unfrieden mit sich selbst und ihrer Umgebung aufwachsen, zu erwarten, dass sie friedensfähig und sozial verantwortungsbewusst und kompetent werden, ist illusionär.
Pädagogik soll Kindern gerecht werden und friedfertiges Verhalten fördern
- Jeder Mensch braucht das Gefühl, etwas bewirken zu können. Wenn er den Glauben daran verliert, verschwindet jede Motivation, jedes Engagement. Erziehung sollte daher von Anfang an Freiräume zum selbstständigen Ausprobieren bieten. Wenn Kinder mitgestalten können, Lernbedingungen ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten angepasst werden, wenn Ideen in die Tat umgesetzt werden können, Zeit für Experimente und gemeinsame Projekte und Erzieher vorhanden sind, die sich auf Kinder einstellen und vor allen Wege des Entdeckens und Lernens vermitteln können, bleibt die Lernmotivation, die jedes Kind mit auf die Welt bringt, erhalten und kann wachsen.
 
- Dazu ist aber Eltern- und Lehrerbildung erforderlich, die diesen die Grundgesetze menschlicher Entwicklung vermittelt. Da Eltern die ersten und wichtigsten Erzieher sind, sollte Grundlagenpädagogik in jeder weiterführenden Schule obligatorisch unterrichtet werden. Ergänzend dazu sollte Beratung werdender Eltern wie in Finnland als vorgeburtliche Maßnahme die schlimmsten Erziehungsfehler vermeiden helfen.
 
- Vor lern im Vorschul- und Grundschulbereich sollte die Integration der Schwächeren durch sprachliche und andere Fördermaßnahmen geleistet werden, denn hier lassen sich Defizite am leichtesten und auch am kostengünstigsten ausgleichen. (Deutschland gibt für Grundschüler deutlich weniger als der OECD-Durchschnitt aus, dafür aber mehr als dieser im Sekundarbereich mit dem Ergebnis, dass Länder wie Finnland und Schweden, die den Schwerpunkt auf Grundschulförderung legen, erheblich bessere Endresultate erzielen.) Es ist effektiver und billiger, Defizite im Frühstadium zu beseitigen als es zu versuchen, wenn Schüler bereits jahrelang entmutigt wurden und Abwehrhaltungen entwickelt haben.
 
- An die Stelle frühzeitiger Auslese müssen Ermutigung und individuell angepasster Abbau von Defiziten treten. Ziel ist die Integration. Dafür sind speziell ausgebildete Zusatzlehrer und Psychologen erforderlich. Sitzenbleiben sollte dadurch weitestgehend vermieden werden, denn das belastet auch die Lernatmosphäre der Klassen, welche die Betroffenen aufnehmen müssen.
 
- Integrierte Bildungswege sind die Bedingung für individuelle Integration. Finnland bietet hier ein interessantes Modell. Eine sechsjährige Grundstufe, gefolgt von einer dreijährigen Mittelstufe, die von allen Schülern besucht werden und in denen keine Aussonderung erfolgt. Daran schließt sich eine jahrganglose Oberstufe mit Kurssystem an. Da auch Kurse belegt werden können, die nicht besucht, aber geprüft werden, haben die 15 bis 17 Jahre alten Schüler beträchtliche Freiräume selbstständiger Fächerwahl und Stofferarbeitung. Das Zentralabitur wird von einer unabhängigen Kommission abgenommen.
 
- Die Schulen benötigen Autonomie bei Personalentscheidungen und Freiheit, die Lernumgebung nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Im internationalen Vergleich ist dies in Deutschland und Italien am wenigsten der Fall. Dieser Zentralismus verhindert eine bedarfsgerechte Versorgung der Schulen mit Personal und eine den jeweiligen Bedürfnissen und Möglichkeiten angepasste Ausstattung. Eigenverantwortliches pädagogisches Handeln und Engagement werden dadurch behindert.
 
- Die Ausbildung der Lehrer muss bereits im Studium viel praxisnäher gestaltet werden und vor aller deren menschliche Qualitäten stärker berücksichtigen, denn nur geachtete Lehrer können Orientierungshilfe geben und zum Lernen motivieren. Da gute Lehrer bei der Gesellschaftsentwicklung Schlüsselfunktionen innehaben, indem sie geistige Horizonte erweitern und Persönlichkeitsbildung betreiben, sollten nur die Qualifiziertesten diese Aufgabe übernehmen, wie das zum Beispiel in Finnland geschieht. Entsprechend sollte dieser Beruf auch gesellschaftlich anerkannt werden, was allerdings voraussetzt, dass Ungeeignete nicht länger dem Berufsbild Schaden zufügen können.
 
- Wer eine menschenwürdige Zukunft anstrebt, muss
 - zunächst eine Vision von dem haben, was Menschen
 - wirklich brauchen und was ihre Würde erfordert.
 - Hierfür liefert die Beobachtung heranwachsender
 - Kinder aufschlussreiche Erkenntnisse.
 
- Qualitätskontrolle des Unterrichts muss zur Regel werden. Dabei sollte die Wirkung auf die Schüler und deren Ansichten berücksichtigt werden. Weiterbildung sollte regelmäßig und verpflichtend sein, was auch in den Stundenplänen berücksichtigt werden muss und zusätzliche Einstellungen erfordert. Ungeeignete Lehrer müssen entlassen werden können.
 
- Da Kinder mehr lernen, wenn sie dies selbstständig tun können, als wenn sie belehrt werden, müssen Unterrichtsformen wie Projektarbeit, Arbeit im Team viel stärker praktiziert werden. Dadurch werden gegenseitige Hilfe und Respekt und die für beruflichen Erfolg so wichtige soziale Kompetenz gefördert. Die Lehrer müssen entsprechend ihrer veränderten Aufgaben (Moderatoren statt Dozenten) qualifiziert werden. Als Lernberater zunehmend selbstständig lernender Schüler können sie diese individuell weit besser fördern als dies beim Frontalunterricht möglich ist. Auf diese Weise lassen sich Begabtenförderung und Förderung Schwacher im Klassenverband meistern.
 
- Die Begeisterungsfähigkeit und der Tatendrang junger Menschen sollte durch Teilnahme an sozialen und Umwelt-Projekten, internationale Austauschprogramme nicht nur für Einzelne und konkrete Hilfsaktionen zum Beispiel für Schulen in benachteiligten Ländern genutzt und motiviert werden. Wenn theoretisches Wissen und die Erfahrung, etwas zu bewirken, zusammenkommen, können die aus der kritischen Distanz resultierende Apathie und Rückzugsmentalität überwunden und Vorurteile abgebaut werden. So kann Solidarität nicht nur in Worten entstehen.
 
- Konfliktprävention und friedliche Konfliktstrategien müssen Schülern von Anfang an vermittelt werden. Dies ist Basiswissen des sozialen Miteinanders. Schüler, die nicht gelernt haben, Konflikte friedlich zu lösen, sind meist nicht in der Lage, sich ihrem Potenzial entsprechend zu entwickeln und behindern Lernprozesse in Ihrer Umgebung erheblich. Mangelnde emotionale Intelligenz im Umgang mit Konflikten ist zudem das größte Handicap für ein erfolgreiches und befriedigendes Berufsleben.
 
Ausblick
Die Zukunft beginnt in der Erziehung und wird auch hier verhindert. Ein Land, das seinem Bildungswesen nicht oberste Priorität zuordnet, verspielt seine Zukunft. Es ist daher absurd, in Zeiten ökonomischer Krisen den Bildungsetat zu kürzen. Das Gegenteil wäre sinnvoll, denn eine im oben beschriebenen Sinne gute Persönlichkeitsbildung ist die Voraussetzung für kreativen und flexiblen Umgang mit sozialen und wirtschaftlichen Problemen. Nur wenn es gelingt, die individuellen und gesellschaftlichen Denkblockaden abzubauen, die durch realitätsferne Lernmethoden, durch theorielastigen Unterricht und veraltete Bildungsvorstellungen verursacht werden, können wir auch die durch falsches Denken verursachten gesellschaftlichen Krisen bewältigen. Schule kann eine des Lebens sein, aber nur wenn sie ein Teil davon wird.
- *) Andere Länder, wie das in der PISA-Studie auf Platz 1 gesetzte Finnland, haben das bereits vor 30 Jahren erkannt und seit 1972 ihr Schulsystem grundlegend reformiert. (PISA untersuchte in 32 Teilnehmerstaaten bei Fünfzehnjährigen Lesekompetenz, mathematische und naturwissenschaftliche Grundbildung sowie fächerübergreifende Kompetenzen wir selbstregulierendes Lernen und Vertrautheit mit Computern.)
 
- Roland Greis ist seit 1977 Gymnasiallehrer und unterrichtet die Fächer Deutsch und Englisch sowie Konfliktprävention. Seit drei Jahren bildet er autonome Schülerstreitschlichter aus. Zwischendurch arbeitete er sechs Jahre an einer Waldorfschule. Fortbildung in Montessori-Pädagogik. In Zusammenarbeit mit dem Kindergartenprojekt „Wilde 9" in Guest bei Greifswald entstand die Gedichtsammlung „Ich weiß jetzt, warum ich Eltern habe. Im Bahá’í-Verlag erschienen: „Der Mersch ist zum Fliegen bestimmt. Selbsterziehung und geistiges Wachstum“
 
Wege zum Frieden[Bearbeiten]
So viele Kriege
(15000 seit Menschengedenken)
das tägliche Ringen um
Macht, Einfluss und Geld,
mit dem alles käuflich scheint.
Milliarden Leben geopfert
im Versuch
vor sich selbst davonzulaufen.
Vergeblich:
Wenn der Kriegsherr sich feiern lässt,
wenn die Bilanz Milliardengewinne verspricht,
wenn der Fuß auf dem Hals des Nächsten steht
und der Mörder sein Opfer getroffen hat,
wenn der Rausch des Triumphes verflogen ist -
Ist der finstere Saal der Seele immer noch da
und erwartet die Ankunft des Siegers
mit Grabesstille.
Und weil Du den toten Blick deiner Augen
nicht aushältst,
wirst Du morgen wieder Siege erringen,
wieder Menschen demütigen,
wieder Tod und Verderben einkalkulieren
im Versuch
durch Macht und Besitz
nicht werden zu müssen?
Ein wenig Licht schon
würde genügen
um Deinen wahren Wunsch
zu erkennen
und anzufangen
ein Mensch unter Menschen zu sein.
Ein wenig Licht
um zu sehen
dass Deine Seele
Heimat für andere werden will
und dass Du nur so
die tödliche Leere
aus ihr vertreiben wirst.
Wie lange willst Du
den Frieden noch aussperren
aus der Welt und aus Dir?
Seit Deiner Geburt
sehnt sich Dein inneres Licht
nach Enthüllung.
Wegen ihm bisst Du da,
also lasse nicht zu,
dass es von Dir oder anderen
verschüttet wird.
Wenn du anfängst
es freizulegen,
wird es Dich und Deine Umgebung
erleuchten
und je mehr Du enthüllst,
umso mehr wirst du den Sinn
Deines Lebens begreifen.
Wenn Du erkennst,
dass Du ein Teil von Allem bist,
wirst Du aufhören,
Dich selbst zu zerstören,
indem Du dem Ganzen
etwas wegzunehmen versuchst.
Das ist der Tag,
an dem Du anfangen kannst
anderen dienstbar zu sein
und dadurch Dich selbst
zu beschenken.
Und immer dann,
wenn Du aus freiem Willen
gebend
das Gleichgewicht wiederhergestellt hast,
wirst Du erfahren,
dass Frieden
aus Gerechtigkeit wächst.
- Roland Greis
 
Verhalten ändern - hier und jetzt: Ein Ausweg aus der Gewaltspirale[Bearbeiten]
- Das Projekt „People's Theater“ zeigt Alternativen
 - beim Symposion „Gewaltprävention im Kreis Offenbach“
 
- Das Kreisverwaltungsgebäude von Offenbach-Dietzenbach - der Veranstaltungsort
 
Nachhaltige Gewaltprävention an Offenbachs Schulen hat sich die Schauspielgruppe „People's 
Theater“ zur Aufgabe gemacht. Seit September 2002 arbeiten sechs engagierte Jugendliche im
Rahmen eines freiwilligen Jahres an dem Offenbacher Projekt. Unterstützt werden sie dabei von 
einem pädagogischen Beirat und Oberbürgermeister Gerhard Grandke, der die Schirmherrschaft 
übernommen hat.
- „Du stinkst.“
 - „Nein, Du stinkst.“
 - „Was? Du stinkst und deswegen darfst Du auch nicht mitspielen. Klar“
 
So oder ähnlich beginnen Konfliktsituationen auf deutschen Schulhöfen. Sie enden oft in 
gewaltsamen Auseinandersetzungen, aus denen keiner der Beteiligten als Sieger hervorgeht.
Die Ursachen für fehlende soziale Kompetenz bei Kindern und Jugendlichen liegen in frühen 
Erlebnissen der Kindheit. Die Familie legt die wichtigsten Grundlagen für die soziale 
Entwicklung jedes Menschen. Gibt es hier Versäumnisse, überlässt man die Lösung der Probleme 
den Schulen. Aber die stoßen bei Herausforderungen wie Drogenmissbrauch, Erpressung oder
Ausländerfeindlichkeit oft an ihre Grenzen. Das Projekt „People's Theater" zeigt einen neuen 
Ansatz, um den Problemen auf den Grund zu gehen und vor allem Lösungswege in 
Konfliktsituationen zu weisen.
„Willst du das Land in Ordnung bringen, musst du erst die Provinzen in Ordnung bringen. Willst du die Provinzen in Ordnung bringen, musst du die Städte in Ordnung bringen. Willst du die Städte in Ordnung bringen, musst du die Familien in Ordnung bringen. Willst du die Familien in Ordnung bringen, musst du die eigene Familie in Ordnung bringen. Willst du die eigene Familie in Ordnung bringen, musst du dich in Ordnung bringen.“
- Alte orientalische Weisheit
 
Im Rahmen dieses Beziehungsgefüges übernimmt das „People's Theater” eine wichtige Rolle im 
Kreis Offenbach, indem es die soziale und ethische Erziehung an Schulen unterstützt. Dazu
werden Elemente des Theaters und einer Talkshow miteinander verbunden: Den Schülern wird 
eine Art „Mini-Drama" vorgespielt, in dem ein Konflikt zwischen zwei Parteien entsteht. 
Sobald er eskaliert, wird das Stück mit einem „Gong” unterbrochen, ein Moderator der 
Schauspielgruppe beginnt mit gezielten
 
- Infostand von People's Theater
 
- Der Workshop von People's Theater zeigt die Arbeitsweise und erklärt das pädagogische Konzept
 
Fragen eine Diskussion unter den Schülern, bis die Ursachen des Konflikts klar erkannt werden. Dann übernehmen die Schüler die Regie für eine positive Version der Szene. Sie erarbeiten in der Gruppe, wie die einzelnen Charaktere ihr Verhalten ändern könnten, um die Eskalation eines Konflikts zu vermeiden. Man kann sich vorstellen, dass dies aggressiven Schülern nicht immer leicht fällt. Auch Rollenwechsel zwischen Täter und Opfer können einiges bewirken und zu unerwarteten Erkenntnissen führen. Die Schüler zeigen sich nämlich durchaus einsichtig und können an ihren persönlichen Schwächen (Ungeduld, beleidigendes oder gewalttätiges Verhalten) arbeiten.
Diese Ansätze aus der Theaterpädagogik können helfen. Wirklichen Erfolg erzielen sie jedoch nur durch regelmäßige Wiederholung und wenn das Umfeld der Kinder miteinbezogen wird. Das geschieht beim „People's Theater“ in vorbildlicher Weise. Auf Elternabenden wird das Erlernte aus den Theaterstücken den Vätern und Müttern nahegebracht, um die Familien beim Projekt mit einzubinden. Eltern nutzen ihrerseits die Gelegenheit, Probleme anzusprechen. Nicht selten berichten sie, wie sich neues, positives Verhalten Ihrer Sprösslinge im Alltag bemerkbar macht. Nicht umsonst nennt Dr. Helmut Fünfsinn, Leiter der Podiumsdiskussion beim Symposion zur Gewaltprävention im vergangenen Dezember im Kreishaus Dietzenbach, das „People's Theater” sein Lieblingsprojekt. Der Ministerialdirigent und Geschäftsführer der Hessischen Sachverständigenkommission für Kriminalprävention weiss, wovon er redet: „Dieses hochprofessionelle Projekt begeistert mich umso mehr, wenn ich sehe, dass alle Beteiligten dies ehrenamtlich tun. Es macht Spaß, mit welchem Engagement die jungen Leute bei der Sache sind. Ich sehe durchaus Möglichkeiten, bei entsprechender Vorbereitung dieses Projekt auch mal im Jugendstrafvollzug in Wiesbaden auszuprobieren. Den Ansatz über Theaterspielen, Betroffenen neue Werkzeuge zur Bearbeitung ihrer Schwächen an die Hand zu geben, finde ich ganz hervorragend".
Dass Gewaltprävention an Schulen kein leichtes Unterfangen ist, unterstreicht auch Gerd Herweg, Diplom-Psychologe vom Staatlichen Schulamt. „Wo ist denn der Raum für Prävention an den Schulen? Wir müssen fachliches und soziales Lernen miteinander vereinen und die Erziehung und Bildung der Kinder als Gemeinschaftsaufgabe von Schule und Eltern begreifen. Wir brauchen durchgängige Angebote, um die Nachhaltigkeit von Präventionsmaßnahmen zu gewährleisten“, stellt er zusammenfassend am Ende der Podiumsdiskussion fest
Der Aspekt der Nachhaltigkeit findet beim „People's Theater” neben der Einbeziehung der Eltern 
zusätzliche Berücksichtigung. Lehrer können sich zu Moderatoren ausbilden lassen und so mit den 
Schülern, wann immer nötig eigenständige „Shows“ zur Gewaltprävention veranstalten. Hierzu gibt 
es ein ausführliches Handbuch. In Deutschland wurden erstmals im Herbst 1999 Jugendliche und andere 
Interessenten zu Moderatoren ausgebildet. In ihrer Freizeit organisierten sie Projekte in Schulen 
und Jugendclubs. Bereits dort zeigten viele Schulen Interesse an einer dauerhaften Zusammenarbeit 
mit „People's Theater“. Mit Hilfe des Staatlichen Schulamts, der Leitstelle Zusammenleben in 
Offenbach sowie der kommunalen Präventionsstelle
[Seite 12]
 
- Die Podiumsdiskussion unter der Leitung von Dr. Helmut Fünfsinn
 
der Stadt gelang es, das Projekt auszubauen. Derzeit arbeitet „People's Theater“ mit 40 Schulen 
in Stadt und Kreis Offenbach zusammen. Die Gruppe besteht aus sehr unterschiedlichen 
Persönlichkeiten verschiedener Nationalitäten und Berufsgruppen. Da die Mitglieder - zwischen 
20 und 25 Jahre alt - verhältnismäßig jung sind, fällt der Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen
nicht schwer, sie sind schnell als kompetente Partner zur Lösung von Alltagsproblemen akzeptiert.
Die Erfolge des „People's Theater" können sich sehen lassen. Bereits im Dezember 2001 wurde das Projekt mit der Urkunde des parlamentarischen Initiativkreises „Demokratie leben", die von Bundestagspräsident Wolfgang Thierse verliehen wird, ausgezeichnet. Beim Wettbewerb „start social“ zur Förderung sozialer Projekte unter der Schirmherrschaft des Bundeskanzlers sicherte sich das Projekt eines von 100 Stipendien, die professionelle Beratung und Unterstützung enthalten.
Träger des Projekts ist der gemeinnützige Verein Forum e.V. in Offenbach, der sich zu einem Großteil aus Spenden finanziert. Wer Fördermitglied werden möchte, um die Arbeit von „People's Theater" zu unterstützen oder weitere Informationen anfordern möchte, wende sich bitte an:
- People’s Theater
 - Forume e.V.
 - Neusalzer Staße 60
 - 63069 Offenbach am Main
 
- Telefon 069 - 84 84 75 33
 - E-Mail: kontakt@peoples-theater.de
 - Intemat: www.peoples-theater.de
 
- René Schulze
 - Der Autor ist als freier Journalist tätig.
 
 
- Dr. Cengiz Deniz, Gerd Herweg, Ruth Anderson, Dr. Helmut Fünfsinn, Karsten Krause
 
Beratung als Methode der Problemlösung[Bearbeiten]
Beratung beruht auf der Gleichwertigkeit aller Beteiligten und der Einsicht, dass keinem Menschen absolute Wahrheitserkenntnis möglich ist. Daraus folgt, dass die Beiträge einzelner nur Teilaspekte der Wirklichkeit erfassen können. Der Versuch, die eigene, immer einseitige Ansicht durchzusetzen, ist daher von vornherein kontraproduktiv.
Schlussfolgerung: Nur wenn alle Beteiligten sich bemühen, Ihre begrenzten Vorstellungen durch die der anderen zu erweitern und zu ergänzen, kann Fortschritt erzielt werden. Gelingt das, entsteht ein Klima gegenseitiger Wertschätzung.
Das gilt auch, wenn gegensätzliche Interessen aufeinanderprallen. Aus der Einsicht, dass keiner seine Interessen auf Kosten anderer durchsetzen kann, ohne selbst langfristig Schaden zu nehmen, folgt, dass jeder Einzelne interessiert sein muss, einen tragfähigen Konsens zu erzielen.
Um ein gegenseitiges Vertrauen zu schaffen, sind gewisse Einstellungen und Verhaltensweisen unentbehrlich:
 
- 1. Jeder äußert in vollkommener Freiheit seine Meinung.
 
- 2. Niemand sollte sich verletzt fühlen, wenn ihm jemand widerspricht.
 
- 3. Die eigene Meinung wird als ein Beitrag abgegeben, zu dem es der Ergänzung durch die Auffassungen anderer bedarf. Keiner versucht, seine Ansicht durchzusetzen.
 
- 4. Mäßigung, Geduld, Höflichkeit und Bescheidenheit beim Sprechen!
 
- 5. Vertrauen, Offenheit, aktives Zuhören; Bemühen, die Standpunkte anderer zu verstehen.
 
- 6. Jeder versucht, den Beitrag eines anderen in seiner positiven Qualität zu erkennen, seine Verwertbarkeit für das gemeinsame Ziel zu erfassen.
 
- 7. Nicht die Gedanken, den Standpunkt eines anderen herabsetzen, keine persönlichen Angriffe!
 
- 8. Hat jemand ein Problem, wird dies als Ich-Botschaft artikuliert, ohne einen anderen dafür verantwortlich zu machen oder schuldig zu sprechen. Stattdessen versucht jeder herauszufinden, was er selbst zur Veränderung der Situation beitragen kann.
 
- 9. Ist ein Thema ausgiebig beraten worden, wird mit einfacher Mehrheit beschlossen, was zu tun ist. Einmütigkeit sollte aber das Ziel sein.
 
- 10. Eine getroffene Entscheidung wird von allen mitgetragen und sollte weder innerhalb noch außerhalb der Sitzung kritisiert werden.
 
Wenn sich der Beschluss nach einiger Zeit als nicht zielführend erweist, 
muss erneut beraten werden.
Die Krise als produktiver Zustand[Bearbeiten]
Der transkulturelle Ansatz als Hilfe für die Bewältigung von Schwierigkeiten / Wie Religion, Wissenschaft, Politik und jeder einzelne Mensch ihren Beitrag zum Weltfrieden leisten können
 
- Nossrat Peseschkian
 
Dostojewski sagte: „Die Erde ist wie ein Paradies, zu dem wir den Schlüssel verloren 
haben.“ Was liegt näher, als den Schlüssel zu suchen? Da jeder Mensch in einem 
Beziehungsgefüge lebt und alles mit allem vernetzt ist, haben bereits kleine 
Veränderungen in einem Lebensbereich Auswirkungen auf das Gesamtsystem. Im Sinne 
von Konfuzius ist jeder Mensch für Auf- und Abstieg der Menschheit verantwortlich.
Nach dem Sinn des menschlichen Lebens zu fragen heißt auch, nach seinem Ursprung und seinem Ziel zu fragen, nach dem Wesen des Menschen. Ist er gut oder böse? Ist er in seinen Entscheidungen frei? Gibt es eine Erfüllung für seine Sehnsucht nach Glück? Hat er Einfluss auf das Schicksal der Menschheit? Ist mit seinem Tod alles zu Ende?
Eine wichtige Motivation für den Ansatz der Positiven Psychotherapie mag gewesen sein, dass ich mich in einer transkulturellen Situation befinde. Als Perser (Iraner) lebe ich seit 1954 in Europa. Schon früh ist mir aufgefallen, dass viele Verhaltensweisen, Gewohnheiten und Einstellungen in den beiden Kulturkreisen unterschiedlich bewertet werden.
Diese Erfahrung konnte ich bereits während meiner Kindheit in Teheran machen. Sie betraf Vorurteile, vor allem religiöser Art, die ich ziemlich genau beobachten konnte. Als Bahá’í standen wir immer wieder im Spannungsfeld zwischen unseren islamischen, christlichen und jüdischen Mitschülern und Lehrern. Dies regte mich an, über die Beziehungen der Religionen untereinander und die der Menschen zueinander nachzudenken. Ich erlebte die Familien meiner Mitschüler und lernte, ihr Verhalten aus den weltanschaulichen und familiären Konzepten heraus zu verstehen. Später war ich Zeuge ähnlicher Konfrontationen, als ich während meiner fachärztlichen Weiterbildung erlebte, wie gespannt das Verhältnis von Psychiatern, Neurologen, Internisten und Psychotherapeuten war, und mit welcher Vehemenz die Auffassungen aufeinander prallten.
Diese Erfahrungen und Überlegungen führten zu der Erkenntnis, den Menschen nicht nur als isoliertes Einzelwesen zu begreifen, sondern auch seine Beziehungen zu anderen und seine transkulturelle Situation zu berücksichtigen, weil sie ihn erst zu dem machen, was er ist.
Nur den Samen
Ein junger Mann betrat im Traum einen Laden. Hinter der Theke stand ein älterer Mann. Hastig fragte er Ihn: „Was verkaufen Sie, mein Herr?" Der Weise antwortete freundlich. „Alles, was Sie wollen.” Der Junge Mann begann aufzuzählen. „Dann hätte ich gerne die Welteinheit, den Weltfrieden, die Abschaffung von Vorurteilen, Beseitigung der Armut, mehr Einheit und Liebe zwischen den Religionen, gleiche Rechte für Mann und Frau und... und". Da fiel ihm der Weise ins Wort: „Entschuldigen Sie, junger Mann, Sie haben mich falsch verstanden. Wir verkaufen keine Früchte, wir verkaufen nur den Samen.“
- (nach Peseschkian)
 
Der transkulturelle Ansatz bietet nicht nur Material zum Verständnis individueller Konflikte, sondern er hat darüber hinaus auch eine außerordentliche soziale Bedeutung, Er hilft beim Umgang mit Gastarbeiterproblemen, Problemen der Entwicklungshilfe, Schwierigkeiten im Umgang mit Mitgliedern anderer kultureller Systeme, Problemen transkultureller Ehen, Vorurteilen und ihrer Bewältigung sowie bei Alternativmodellen, die einen anderen kulturellen Rahmen entstammen. Für die zwischenmenschlichen Beziehungen heißt das, durch die Relativierung der eigenen Werthaltungen Vorurteile in Frage zu stellen, Fixierungen zu lösen und Kommunikationsblockaden aufzuheben.
Daraus kann ein heilsamer Prozess entstehen, in dessen Verlauf emotionale Schranken und Vorurteile abgebaut werden. Sie bestehen oft gegenüber fremden Denk- und Empfindungsweisen und lassen das Fremde als etwas Aggressives, als etwas Bedrohliches erscheinen, das Abwehr produziert, wo zunächst Verständnis am Platz wäre. Tatsache ist, dass wir in unserer Kommunikation heute eine weltweite Krise haben, die langsam das Ausmaß einer Epidemie annimmt. In der ehelichen Kommunikation erleben die Partner den Schmerz gegenseitigen Missverstehens und Nichtbeachtens. Familien leiden unter der nahezu fehlenden oder ausgesprochen oberflächlichen Art der Kommunikation zwischen Eltern und Kindern. Die Beziehung zwischen Regierungen und ihren Völkern ist geprägt von gegenseitigen Misstrauen, von Beschimpfung, Betrug und Feindseligkeit. Schließlich gab es eine beispiellose Kommunikationskrise zwischen den Supermächten - ein Zustand, der leicht mit der Zerstörung allen Lebens auf diesem Planeten hätte enden können. Wir haben gleichzeitig Dutzende von Kriegen und bewaffneten Auseinandersetzungen auf der Erde. Aber die Mehrzahl der Menschen befürwortet den Weltfrieden. Sie sind aber skeptisch gegenüber der Verwirklichung dieser Idee, sogar misstrauisch und voll innerer Abwehr.
Das ist ein Grund, warum die Weltkrise der Gegenwart jedem Bemühen widersteht, sie unter die Kontrolle normaler gesellschaftlicher Machtmittel zu bringen. Wenn wieder einmal ein Weltkrieg droht, nennen wir die Krise, „politisch” und strengen uns an, sie mit Mitteln der Staatsmacht zu beherrschen. Spitzt sich eine wirtschaftliche Depression zu, bezeichnen wir die Krise als „wirtschaftlich” und versuchen, ihrer mit ökonomischen Mitteln Herr zu werden. Es wäre genauso logisch, die Krise „religiös“ zu nennen und eine Lösung vom Einfluss der Religion zu erhoffen. In Wirklichkeit ist die Krise gleichzeitig politisch, wirtschaftlich, psychologisch, medizinisch, wissenschaftlich und religiös; aber die Menschheit hat kein verantwortliches maßgebendes Machtmittel, das alle Faktoren aufeinander abstimmen und einen weltweiten Plan dazu ins Leben rufen könnte. Es verwundert nicht, dass viele Menschen dieser mangelnden Fähigkeit zur Einheit ratlos gegenüber stehen. Von besonderem Interesse sind meiner Ansicht nach vier Bereiche, die am Weltfrieden arbeiten müssen: Es geht um die Beiträge von Politikern, von religiösen Führern, von Wissenschaftler und um die jedes einzelnen Menschen.
1. Der Beitrag der Politiker
Die Handlungen eines Politikers werden dadurch mitbestimmt, zu welcher Zeit er in welcher Kultur aufgewachsen ist, welches Maß an emotionaler Wärme und Vorbild ihm seine Familie gab, welche Beziehungen er zu seinen Mitmenschen entwickeln konnte und welche Bedeutung Menschen für ihn haben. Weiterhin sind ausschlaggebend die Sinnvorstellungen, die er aus seiner Religion und Weltanschauung erhält, sowie das Instrumentarium an Wissenschaft und Technologie, das ihm zur Verfügung steht.
Diese Überlegungen am Beispiel des Politikers beschränken sich nicht auf ihn. Weil der Mensch als soziales Wesen sein Leben nur zusammen mit anderen Menschen gestalten kann, kommt jedem ein politisches Mandat zu. Aufgaben lassen sich delegieren, Verantwortungen nicht. Auf die Sprache übertragen heißt das: Es ist wichtig, dass jeder seine Muttersprache beibehält, aber er sollte auch eine Sprache sprechen können, mit deren Hilfe er sich mit den anderen verständigen kann. Eine solche „Sprache” versucht die transkulturelle Psychotherapie als Metakommunikation, als Kommunikation über Konflikte zu erreichen.
 
Viele kleine Leute aus vielen kleinen Orten, die viele, kleine Dinge tun, werden das Gesicht der Welt verändern.
- Afrikanische Weisheit
 
2. Der Beitrag der religiösen Führer
Obwohl die Tendenz besteht, Religion zu ignorieren, lässt sich nicht bestreiten, dass Religion im Sinne von Moraltradition sowie im Sinne eines aktiven Glaubensbekenntnisses das Leben des einzelnen bis in die privatesten und intimsten Bereiche beeinflusst. Ohne auf eine inhaltliche Analyse der Religion genauer einzugehen, können wir sagen, dass ihre Grundanliegen trotz aller Unterschiede gleich sind. Die funktionelle Theorie der Soziologie und Psychologie lehrt, dass eine institutionelle Struktur im Hinblick auf Religionen gebildet worden ist, um eine Funktion zu erfüllen. Die Institution muss ein praktisches Bedürfnis der Gesellschaft und des Einzelmenschen erfüllen. Wenn sie keinen Sinn und keine Aufgabe hat, wird sie aufhören zu existieren, oder, wie es leider häufig der Fall ist, versuchen, sich durch Fixierungen und Dogmatisierung über die Zeit zu retten. Auch hier ist als grundlegendes Prinzip die Entwicklung, die Dimension der Zeit, zu sehen.
Religion ist wie ein Heilmittel, das dem Wesen des Menschen angemessen ist. Sie kann aber nur dann sinnvoll sein, wenn sie den Erfordernissen, Bedürfnissen und Nöten des Menschen entspricht und die Entwicklung (das Prinzip der Zeit), die Relativität und die Einheit berücksichtigt. Wenn eine falsch verstandene Religion zu Störungen führt, zu Fixierungen, Hemmung der Entwicklung, Starrheit der intellektuellen Abwehr, muss sie Unsinn sein: Feuerbach hat sie statt als Theologie als Pathologie bezeichnet, Marx und Engels sprachen von Religion als Opium für das Volk, und Freud karikierte sie als Versicherungsanstalt.
3. Der Beitrag der Wissenschaftler
Während Religion dem Menschen Werte, Ziele und Sinn aufzeigt (Sinngebung), sucht die Wissenschaft Erklärungen und stellt logische Gesetzmäßigkeiten her (Sinnfindung). Es gibt eine Vielzahl von Wissenschaften, die sich mit unterschiedlichem Blickwinkel der Wirklichkeit nähern. Hier findet sich die Konkurrenz einzelner Wissenschaften mit ihren Ansprüchen auf Absolutheit des eigenen Systems ebenso wie die Rivalität zu anderen Systemen. Diese Zusammenhänge zeigen, dass die Vorentscheidungen einer Wissenschaft, ihr Themengebiet, ihre Fragestellungen und Methoden von geschichtlichen, gesellschaftlichen, weltanschaulichen und religiösen Voraussetzungen abhängig sind. Nicht nur durch die geografischen Verbindungen ist die Menschheit zu einer funktionellen Einheit geworden, sondern die Elemente ihrer Zivilisationsstruktur hängen voneinander ab. So sind etwa Politik, Handel, Erziehung, Wissenschaft, Philosophie, Psychologie und Religion durch ein ganzes Netz von Beziehungen miteinander verknüpft. Praktisch wirkt sich dieser Sachverhalt so aus, dass die Wissenschaft nicht mehr Sache der Wissenschaftler ist und Erziehung nicht nur die Sache der Eltern. Alle Bereiche treten in irgendeiner Weise miteinander in Beziehung (Globalisierung). Die heutige Situation macht - angesichts der Gefahr der unmenschlichen Verselbstständigung der technischen Entwicklung - ihr Zusammenwirken notwendig.
„Welches ist der Sinn unseres Lebens, welches der Sinn des Lebens aller Lebewesen überhaupt? Eine Antwort auf diese Frage wissen, heißt religiös sein. Du fragst: Hat es denn überhaupt einen Sinn, diese Frage zustellen? Ich antworte: Wer sein eigenes Leben und das seiner Mitmenschen als sinnlos empfindet, der ist nicht nur unglücklich, sondern auch kaum lebensfähig.“
- Albert Einstein (1879 - 1955)
 - Deutscher Physiker, Begründer der Relativitätstheorie, Nobelpreisträger 1921
 
„Der erste Trunk aus dem Becher der Naturwissenschaft macht atheistisch, aber auf dem Grund des Bodens wartet Gott.“
- Werner Heisenberg (1901 - 1976)
 - Deutscher Physiker, Begründer der Quantenmechanik und der Heisenbergschen Unbestimmtheitsrelation. Nobelpreisträger 1933
 
„den größten Respekt und die größte Bewunderung für alle Ingenieure, besonders für den größten unter ihnen: Gott!“
- Thomas Alva Edison (1847 - 1931)
 - Amerikanischer Erfinder (über 1200 Patente) und Industrieller
 
„Nichts hindert uns, die Weltordnung der Naturwissenschaft und den Gott der Religion zu identifizieren.“
- Max Planck (1858 - 1947)
 - Deutscher Physiker, Begründer der Quantentheorie, Nobelpreisträger 1918
 
„Nur ein erneuter Glaube an Gott kann die Wandlungen herbeiführen, die unsere Welt vor der Katastrophe retten können. Wissenschaft und Religion sind dabei Geschwister, keine Gegensätze.“
- Wernher von Braun (1912 - 1977)
 - Deutsch-amerikanischer Physiker und Raketenforscher
 
4. Der Beitrag des Einzelnen
Wenn wir fragen, woher ein Mensch seine Eigenarten, Ansichten und Werturteile hat, kommen wir mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Umgebung zu sprechen, in der er aufgewachsen ist, nämlich seine Familie. Die Kontinuität der Gesellschaft erhält sich über die Spielregeln, die ein Mensch in seiner Familie erworben hat, und über die gemeinsamen Wertschätzungen, die als Gruppenziele eine Gesellschaft zusammenhalten. In diesem Spannungsfeld kulturspezifischer, weltanschaulich-religiöser und wissenschaftlicher Sinnangebote steht der einzelne Mensch. Er kann zwischen den Mühlsteinen miteinander konkurrierender Systeme zermahlen werden, wenn er sich nicht mit einem System identifizieren kann. Ist er dazu aber in der Lage, ergibt sich daraus, dass er selber in dieser Einheit eingegliedert ist und sich gewissen Ordnungen, Naturgesetzen und Regeln beugen muss. Da er die Fähigkeit der Unterscheidung und damit Verantwortung hat, bestimmt er sein Schicksal aktiv selbst innerhalb der gegebenen Möglichkeiten, weil er eben nicht passiv der Natur untergeordnet ist.
Auf der andere Seite darf die Emotionalität eines Menschen nicht zu kurz kommen. Das kann man mit ein paar Fragen zu den folgenden fünf Kategorien erkennen:
Wie ist das Verhältnis eines Menschen zu sich selbst? Nimmt er sich Zeit für seine Bedürfnisse wie Schlaf, Nahrung, Freizeit, Weiterbildung?
Wie ist das Verhältnis zum Partner? Hat er einen guten Kontakt zu seiner Frau, zu seinen Mann, zu seinen Kindern? Nimmt er sich Zeit für sie, hat er Vertrauen zu ihnen, fordert er nur Gehorsam und Höflichkeit oder legt er Wert auf offenen Meinungsaustausch, nimmt er Rücksicht auf die Familie?
Wie ist das Verhältnis zur sozialen Umgebung? Zu Verwandten, Freunden, Kollegen, Landsleuten, anderen Menschen überhaupt? Ist er kontaktbereit, gesellig, hat er Vorurteile, Ängste oder Aggressionen gegenüber einzelnen Personen oder Gruppen?
Wie ist das Verhältnis zum Beruf? Hat er ihn freiwillig gewählt oder wurde er dazu gezwungen? Gab es nichts anderes; interessieren ihn die Aufgaben, die ihm gestellt werden; arbeitet er nur, um Geld zu verdienen oder ist der Beruf auch Sinnerfüllung, ein inneres Bedürfnis geworden? Hat er Konflikte im Beruf; wird er über- oder unterfordert2
Wie ist das Verhältnis zur Zukunft? Ist er mit der Gegenwart zufrieden; sieht er Entwicklungsmöglichkeiten oder Stillstand, welche Ziele hat er und welches sind die Grundlagen seines Orientierungssystems; hat er dieses selbst erworben oder von anderen übernommen? Welche Bedeutung hat das Leben überhaupt; wie verarbeitet er Schwierigkeiten in anderen Bereichen; ist er bereit zu experimentieren; offen seine Meinung zu sagen und gerecht zu sein, auch auf die Gefahr hin, die freundlichen Blicke der anderen zu verlieren?
 
Keine Zukunft vermag gutzumachen, was in der Gegenwart versäumt wird.
- Albert Schweitzer
 
Das Modell der Positiven Psychotherapie in der Psychosomatik macht milieutherapeutische Eingriffe, familien- und psychotherapeutische Interventionen und Selbsthilfeaktivitäten möglich, die sich auf den verschiedenen Ebenen gegenseitig ergänzen. Darüber hinaus eröffnet sich ein Ausblick auf einen Bereich, der nicht mehr nur Domäne des Therapeuten ist, sondern politische und wirtschaftliche Belange betrifft, welche die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des menschlichen Zusammenlebens im Sinne einer umfassenden Psychosomatik weitgehend definieren. Wegen des immer engeren Kontakts zwischen den Kulturen kann man sich nicht mehr auf die Sicherheit des eigenen kulturellen Hintergrunds zu verlassen, sondern man muss im Sinne der transkulturellen Psychosomatik" andere Denkmodelle einbeziehen, von den Mitgliedern anderer Kulturen lernen und sein eigenes Konzept damit erweitern. Die Ausgestaltungen der Sphären des Individuums, der Wissenschaft, der Kultur und der Religion/Weltanschauung formen das Menschenbild, das als Maßstab, Verhaltensregulator, ethische Norm, Orientierungshilfe und Prototyp der Selbst- und Fremdwahrnehmung fungiert. Das Menschenbild bestimmt nicht nur, was wir von uns und anderen erwarten, sondern gibt vor, welche Fähigkeiten und Qualitäten wir uns und anderen bereit sind zuzugestehen.
[Seite 19]
Sicherheit und Orientierung findet der Mensch zumeist nur in seiner konkreten, fassbaren 
Umgebung. So sucht er Selbstbestätigung in körperlichen Aktivitäten, beim Partner, im 
Kontakt zu Gruppen, die sich in Ihrer Substanz bestätigen, indem sie sich gegenüber anderen 
Gruppen absetzen und profilieren. Es besteht ein Trend zu Ersatzreligionen, zu denen 
sogenannte Jugendreligionen genauso gehören wie die einseitige Neigung zu Astrologie, 
Parapsychologie und Esoterik, sowie die kleinen Ersatzreligionen, zu denen Jede einseitig 
hochstilisierte Überzeugung, jede verabsolutierte Werthaltung werden kann.
Diese Suche der Menschen nach einer neuen, gültigen Orientierung bringt wiederum eine Wechselbeziehung von Ursache und Wirkung mit sich. Das kulturell, gesellschaftlich, politisch und religiös enttäuschte Individuum, das Zuflucht und Hilfe in seiner Privatwelt sucht, multipliziert durch diese Verhaltensweise wiederum die kollektiven Probleme.
 
Denkst Du an ein Jahr, säe ein Korn!
Denkst Du an ein Jahrzehnt, pflanze einen Baum!
Denkst Du an ein Jahrhundert, erziehe einen Menschen!
- Orientalische Weisheit
 
Es zeigt sich, dass keines dieser kulturellen Systeme, keine dieser Lebensformen für sich gut ist. Ihre Qualitäten erweisen sich erst darin, wie sie sich für die Menschen auswirken, die in ihnen leben, und in wieweit ihre Spielregeln eine konstruktive Auseinandersetzung mit anderen soziokulturellen Systemen und ihren Angehörigen zulassen. So bleibt manches, was die Angehörigen der verschiedenen kulturellen Systeme voneinander lernen könnten - und wenn es nur das wäre, dass sie einander verstehen lernten.
- Professor Dr. med. Nossrat Peseschkian, Jahrgang 1933, ist Facharzt für Psychiatrie, Neurologie, Psychotherapie und Psychotherapeutische Medizin. Er ist Begründer der Positiven Psychotherapie und Leiter der Wiesbadener Akademie für Psychotherapie; Intensive Forschungs- und Lehrtätigkeit in über 60 Staaten; Autor zahlreicher Bücher und Veröffentlichungen; Träger des Richard-Merten-Preises.
 
Porträt Suheil Bushrui[Bearbeiten]
Ein Wegbereiter des Weltfriedens
    
- Suheil Bushrui
 
 
- Der britische Thronfolger Prinz Charles im Gespräch mit Professor Suheil Bushrui während eines Empfangs der Temenos Akademie im Jul 2002.
 
Er ist Literaturwissenschaftler, Khalil-Gibran-Experte, Präsidentenberater, Inhaber des Lehrstuhls für Weltfrieden an der Universität Maryland und ein begnadeter Redner: Suheil Bushrui. Seine ab Seite 45 in Auszügen abgedruckte Rede, die er am 1. Juni 2003 beim Europäischen Parlament in Brüssel hielt, legt beredtes Zeugnis seines Könnens und Wissens ab.
Er, der von sich sagt, er sei nur ein Kameltreiber, wurde 1930 in Nazareth geboren. Seine 
Eltern schickten ihn in eine arabische Schule, mit zwölf Jahren besuchte er in Jerusalem 
das St. George's College. „Ich hatte ein Grundwissen über den Koran und Arabisch, aber dann 
wechselte ich auf eine englische Schule, wo mich die Literatur faszinierte”, sagte er einmal 
im Gespräch mit der Zeitschrift „One Country“. „Besonders faszinierten mich die romantischen 
Dichter Keats, Shelley und Byron. Ich denke, dass sie meine arabische Vorstellungskraft 
ansprachen.“ Nach seiner Universitäts-Ausbildung in Alexandria ging er für fünf Jahre in
den Sudan, um Englisch zu unterrichten.
1959 bewarb er sich für ein Studium der englischen Literatur an der Universität von Southampton bei Professor Frank T. Prince. „Es war für jeden, der nicht Engländer oder Amerikaner war, sehr schwierig, dort Englisch zu studieren", stellte Bushrui rückblickend fest. „Bis Professor Prince davon überzeugt war, dass ich fähig war, mit der Arbeit fertig zu werden, war er sehr unwillig, Also wurde ich nur probeweise angenommen.“ Der junge Bushrui stellte sich aber als recht fähig heraus - so fähig, dass er seinen Doktor sechs Monate zu früh machte und einen befristeten Lehrauftrag angeboten bekam, um die Zeit zu überbrücken. „Ich war sprachlos“, sagte er über diese Zeit. Hier war ein arabischer Junge, der sich in der Situation wiederfand, Englischstudenten ihre Literatur zu lehren. Das war in dieser Zeit etwas Unglaubliches.“
Im Band zwischen seiner arabischen Kindheit und seiner englischen Ausbildung fand Suheil Bushrui eine wichtige Quelle für seine Idee der interkulturellen Harmonie. „Die Verbindung zwischen diesen beiden Kulturen ist dieses riesige Gebiet, wo sich, glaube ich, viele Kulturen treffen - was gemeinhin als die Ewige Philosophie bezeichnet wird“, sagte Bushrui. „In meiner ganzen Arbeit über William Butler Yeats ging es immer um diese Ewige Philosophie, um seine Suche nach einer universalen Religion.”
Aldous Huxley machte die „Ewige Philosophie“ populär. Ihre Idee ist, dass es nur eine göttliche Realität gibt, welche die Basis aller Religionen und Kulturen ist, obwohl sie der Menschheit zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Formen enthüllt wurde. Diese Vorstellung trifft sich mit den Lehren der Bahá’í-Religion, die außerdem starken Einfluss auf Bushruis Denken hat. Da seine Eltern und die Familie Bahá’í waren, wuchs er mit den Bahá’í-Lehren auf. „Für mich,” sagte er einmal, „öffnet die Bahá’í-Religion - die keine engstirnige religiöse Sichtweise betont - unglaubliche Aussichten auf die Akzeptanz anderer Traditionen, indem sie die Gemeinsamkeiten in den verschiedenen Kulturen und Religionen der Welt betont.“
Als junger Doktor unterrichtete Bushrui zunächst in Nigeria an der Universität von Ibadan und danach in Kanada an der Universität von Calgary. 1968 ging er in den Libanon und nahm dort eine Stelle am Englischen Institut der Amerikanischen Universität von Beirut an. Hier begann er, an Gibran zu arbeiten.
Wie bei William Butler Yeats fand Bushrui in den Werken und im Leben von Khalil Gibran einen 
Reichtum an Universalität, und er glaubte, dass sie eine starke Quelle der Heilung für die Welt
sein könnte. „Gibran war vielleicht einer der größten Förderer der Welteinheit und der Einheit 
der Religionen“, so Professor
[Seite 21]
Bushrui. „Leider wurde er von den Universitäten vernachlässigt.” Dieser wissenschaftlichen 
Vernachlässigung Gibrans wollte er abhelfen, indem er mehrere Bücher über den libanesischen 
Poeten schrieb, darunter „Khalil Gibran: Man and Poet", das er gemeinsam mit Joe Jenkins 
verfaßte und 1998 veröffentlichte. „Er war einer dieser seltenen Schriftsteller, die wirklich 
über die Trennung von Ost und West hinausgehen, und er konnte sich mit Recht - obwohl er Libanese
und Patriot war - einen Weltbürger nennen“, schrieben Bushrui und Jenkins. „Seine Worte gingen 
über die bloße Heraufbeschwörung des mystischen Ostens hinaus, sie waren bestrebt, die 
Notwendigkeit einer Versöhnung zwischen dem Christentum und dem Islam, zwischen Geistigkeit und 
Materialismus, zwischen Ost und West zu vermitteln.”
Diese Aussagen könnten auch über Leben und Werk von Suheil Bushrui gemacht werden, der durch seine Bemühungen, englische Poesie ins Arabische und arabische Poesie ins Englische zu übersetzen - und durch seine wissenschaftliche Arbeit und seine Kommentare über Dichter in beiden Kulturen - genauso versucht hat, Ost und West einander näher zu bringen. So ist eines seiner neuesten Projekte, das Buch „The Wisdom of the Arabs“, eine Sammlung traditioneller Redensarten und Aphorismen aus verschiedensten Teilen der arabischen Kultur, ein populärer Ansatz zur Förderung des Verstehens dieser fremden Kultur. „Es ist ein äußerst wichtiges Buch”, sagte auch Mounzer Sleiman, politischer Analyst und Sicherheitsexperte für den arabischen Raum am Al-Hewar Center in Washington, gegenüber der Zeitschrift „One Country”. „Er schafft es wirklich, die Kernaussage der Philosophie der Araber für ein westliches Publikum zu erfassen. Und er zeigt, wie das arabische Erbe untrennbar mit dem menschlichen Wissen verbunden ist.”
„Ich habe gelernt, dass Friedensschaffung mehr ist als UNO-Friedenstruppen zu versenden oder Abkommen zu unterschreiben. Ich habe gelernt, dass es auch notwendig ist, dass die Menschen an der Basis kommunizieren und ihre jeweiligen Kulturen, Ideale und Religionen verstehen. Und Suheil ist in dieser Hinsicht wirklich ein einzigartiger Brückenbauer.“
- Professor Jonathan Wilkenfeld, Leiter des Center for International Development and Conflict Management (CIDCM), Universität von Maryland
 
Im Libanon war einer seiner Studenten Amine Gemayel, der später Präsident des Landes wurde. In diesem Amt ernannte er Bushrui zu seinem unabhängigen Berater für kulturelle Angelegenheiten. Diese Position brachte Professor Bushrui direkt ins Feld der internationalen Politik und Konfliktlösung. Im Libanon war gerade zu dieser Zeit die Hauptsorge, wie man zwischen den
„Er war einer dieser seltenen Schriftsteller, die wirklich über die Trennung von Ost und West hinausgehen, und er konnte sich mit Recht - obwohl er Libanese und Patriot war - einen Weltbürger nennen. Seine Worte gingen über die bloße Heraufbeschwörung des mystischen Ostens hinaus, sie waren bestrebt, die Notwendigkeit einer Versöhnung zwischen dem Christentum und dem Islam, zwischen Geistigkeit und Materialismus, zwischen Ost und West zu vermitteln.“
- Bushrui über Khalil Gibran
 
verschiedenen religiösen Gruppierungen, vor allem zwischen Christen und Moslems, 
Verständnis erzeugen und Konflikte lösen könnte", berichtete Bushrui rückblickend. 
„Ich glaubte, dass dies durch die Künste, durch die großen literarischen Werke und 
speziell durch die Werke von Gibran selbst möglich sein könnte. Die meisten Leute 
schätzen es aber nicht, dass Kunst und Literatur ganzheitlich sind und Psychologie, 
Geschichte, Kultur und Politik umfassen. Und was mich interessiert hat ist, wie 
Kultur und Religion aufeinander gewirkt haben. Und wie sie versöhnt werden können.”
In seinen Reden, Konferenzen und Vorlesungen hat Suheil Bushrui diese Einsichten zum Mittelpunkt seiner Arbeit am Lehrstuhl gemacht. Im Laufe der Zeit wurde er immer öfter eingeladen, vor immer prominenterem Publikum zu sprechen. In den Jahren 2000 und 2001 sprach er zum House of Lords und in der Kongressbibliothek der Vereinigten Staaten in Washington über das Thema „Globalisierung und die Bahá’í-Gemeinde in der moslemischen Welt.”
1999 wurde Professor Suheil Bushrui an der Universität Maryland mit ihren 2800 Lehrbeauftragten zum „Lehrer des Jahres“ gewählt. Außerdem erhielt er den Hallister-Preis 2003 der renommierten interreligiösen Organisation Temple of Understanding in New York.
- Quelle: One County
 
Ich sehe mich eher als Freund[Bearbeiten]
Ein Interview mit Rüdiger Nehberg - seit vielen Jahren Aktivist für Menschenrechte und friedliches Miteinander
Reimar: Herr Nehberg, Sie gehen mit Ihren „Survival-Projekten” nicht selten an die Grenzen der menschlichen Belastbarkeit. Heute suchen Sie durch Ihr Engagement eher „soziales Überleben” zu sichern - gab es einen Anlass für den Wandel Ihrer Arbeit?
Rüdiger Nehberg: Als ich den Yanomani-Indianern begegnete und Augenzeuge ihres chancenlosen Kampfes gegen ein Heer von 65 000 bewaffneten Goldsuchern wurde, einen Bürgerkrieg im Regenwald ohne Zeugen erlebte, und als die Indianer mich, trotz ihrer schlechten Erfahrungen mit Weißen, freundlich aufnahmen, begann mein Engagement. Es dauerte schließlich 18 Jahre. Als sie Frieden bekamen, habe ich mir eine neue Herausforderung gesucht. Es ist der Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung.
Reimar: Mit einer Ihrer „Target-Aktionen” ist es Ihnen gelungen, eine große Konferenz der Afar-Nomaden zu organisieren. In deren Folge wurde, nach eingehender Beratung der Stammesführer und verschiedener religiöser Führer, einmütig „das Ende der Verstümmelung von Frauen“ beschlossen. - Sehen Sie sich selbst dabei als „moderner Aufklärer“ oder sehen Sie sich eher als „Survival-Helfer“ für die jeweils bedrohten Völker?
Rüdiger Nehberg: Ich sehe mich eher als Freund, der Freunden helfen möchte, die in Situationen geraten sind, aus denen sie schwer allein herauskommen. Ich fühle mich deshalb als Freund, weil mir diese Afar-Nomaden mit ihrer großen Gastfreundschaft zweimal das Leben gerettet haben. Das verpflichtet.
Reimar: Wie war es für Sie möglich, in der Danakil-Wüste, wo Sie ja als Europäer wahrscheinlich als Ausländer gelten, Gehör und Vertrauen zu gewinnen?
[Seite 23]
Rüdiger Nehberg: Ich habe einen Afar-Freund, der als Vermittler agiert 
hat. Mir allein hätten sie nicht getraut. Außerdem bin ich in Demut, mit Respekt,
ohne Besserwisserei und ohne jeden missionarischen Hintergedanken gekommen. 
Inzwischen gehöre ich dazu. Inzwischen geniesse ich auch schon im Nachbarland 
Djibouti Vertrauen, und dort wird in Kürze die nächste Konferenz gegen weibliche 
Genitalverstümmelung stattfinden.
Reimar: Sie setzen sich mit solchen Aktionen ja auch direkt für eine neue, wortgetreuere Auseinandersetzung mit dem Koran ein. Denken Sie, dass in der Rückbesinnung auf den Kern einer „religiösen Lehre” große Friedenschancen liegen?
Rüdiger Nehberg: Ja, die hätte bei allen Religionen Chancen. Man muss nur die positiven Kräfte der jeweiligen Religion aktivieren und sich durchsetzen gegen religiöse Fanatiker, die die Lehren verbiegen und missbrauchen.
Reimar: Sie selbst teilen auf Ihrer Homepage und in Interviews mit, „keiner Religion anzugehören” - trotzdem, vermute ich, gibt es einen spirituellen Bereich in Ihrem Leben?
Rüdiger Nehberg: Ich glaube an die gewaltige Kraft der Schöpfung, wie auch immer man sie definieren mag. In diesem gigantischen Universumsgefüge bin ich ein mickriges Mosaik, das seine Zeit sinnvoll nutzen möchte, bevor es wieder von der Natur recycelt wird.
Reimar: Wie hoch schätzen Sie die Chancen für eine friedlichere Welt in der nahen Zukunft, sagen wir in 10 oder 20 Jahren?
Rüdiger Nehberg: Obwohl ich Optimist bin, schätze ich die Chancen eher gering ein. Zu viel Maßlosigkeit und Dekadenz.
Reimar: Herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für die Konferenz in Djibouti.
- NACHDEM ICH DIE WICHTIGSTEN RELIGIONEN,
 - SOWEIT ES MIR MÖGLICH WAR, STUDIERT HATTE,
 - KAM MIR DER GEDANKE, ES MÜSSE EINEN
 - HAUPTSCHLÜSSEL GEBEN, DER DIE ALLEN RELIGIONEN
 - ZUGRUNDE LIEGENDE EINHEIT ERSCHLIESSEN KÖNNTE,
 - SOFERN ES SINNVOLL UND NOTWENDIG IST, EINE
 - GEMEINSAMKEIT ZU ENTDECKEN.
 - DIESER SCHLÜSSEL IST WAHRHEIT UND
 - GEWALTLOSIGKEIT. (...)
 
- SOLANGE WIR NICHT DIESE GRUNDLEGENDE EINHEIT
 - VERWIRKLICHEN, WERDEN KRIEGE IM NAMEN
 - DER RELIGION NICHT AUFHÖREN.
 
- MAHATMA GANDHI
 
DIE WOHLFAHRT DER MENSCHHEIT;
IHR FRIEDE UND IHRE SICHERHEIT
SIND UNERREICHBAR; EHE NICHT
IHRE EINHEIT FEST BEGRÜNDET IST.
- BAHÁ'U'LLÁH,
 - ÄHRENLESE 131:2
 
WAHRE KULTUR WIRD IHR BANNER MITTEN IM HERZEN DER WELT
ENTFALTEN, SOBALD EINE GEWISSE ZAHL IHRER VORZÜGLICHEN UND
HOCHGESINNTEN HERRSCHER ... MIT FESTEM ENTSCHLUSS UND KLAREM
BLICK ZU NUTZ UND GLÜCK DER GANZEN MENSCHHEIT DARAN GEHT, DEN
WELTFRIEDEN ZU STIFTEN. SIE MÜSSEN DIE FRIEDENSFRAGE ZUM GEGENSTAND
GEMEINSAMER BERATUNG MACHEN UND MIT ALLEN IHNEN ZU GEBOTE
STEHENDEN MITTELN VERSUCHEN, EINEN WELTVÖLKERBUND ZU SCHAFFEN.
SIE MÜSSEN EINEN VERBINDLICHEN VERTRAG UND EINEN BUND SCHLIESSEN,
DESSEN VERFÜGUNGEN EINDEUTIG, UNVERLETZLICH UND BESTIMMT SIND.
SIE MÜSSEN IHN DER GANZEN WELT BEKANNT GEBEN UND DIE BESTÄTIGUNG
DER GESAMTEN MENSCHHEIT FÜR IHN ERLANGEN.
- ‘ABDU’L-BAHÁ
 
DAS GEHEIMNIS GÖTTLICHER KULTUR, S. 62
- Gemälte von Maria Windhab
 
FRIEDE SEI MIT DEM, DER DEN RECHTEN WEG GEHT!
DER STUFEN, DIE DEN WEG DES WANDERERS VON DER IRDISCHEN
WOHNUNG ZUR GÖTTLICHEN HEIMAT BEZEICHNEN, WERDEN SIEBEN
GEZÄHLT, VON MANCHEN ALS »SIEBEN TÄLER«, VON ANDEREN ALS
»SIEBEN STÄDTE« BEZEICHNET. UND ES HEISST, DASS DER WANDERER
NICHT EHER ZUM MEER DER NÄHE UND EINHEIT GELANGEN NOCH VON
DEM UNVERGLEICHLICHEN WEINE TRINKEN WIRD, ALS BIS ER SEIN ICH
AUFGEGEBEN UND DIE REISE VOLLENDET HAT.
- BAHÁ'U'LLÁH, DIE SIEREN TÄLER & DIE VIER TÄLER
 
- VERKEHRET MIT DEN ANHÄNGERN ALLER RELIGIONEN
 - IM GEISTE DES WOHLWOLLENS UND DER BRÜDERLICHKEIT.
 
- BAHÁ'U'LLÁH, ÄHRENLESE 43:6
 
DIE WELT BEDARF DRINGEND DES WELTFRIEDENS.
EHE ER ERRICHTET IST, WIRD DIE MENSCHHEIT NICHT
ZUR RUHE KOMMEN. DIE NATIONEN UND REGIERUNGEN
MÜSSEN EINEN INTERNATIONALEN GERICHTSHOF
GRÜNDEN UND ALLE STREITFRAGEN AN IHN
VERWEISEN. DIE ENTSCHEIDUNG DES GERICHTSHOFS
MUSS ENDGÜLTIG SEIN. PERSÖNLICHE STREITFÄLLE
WERDEN VON ÖRTLICHEN GERICHTEN ENTSCHIEDEN.
INTERNATIONALE FRAGEN WERDEN VOR DEN
WELTSCHIEDSGERICHTSHOF KOMMEN, UND SO WIRD
ES KEINE URSACHE FÜR KRIEG MEHR GEBEN...
- ‘ABDU’L-BAHÁ
 
- THE PROMULGATION OF UNIVERSAL PEACE, S. 301
 
IHR SEID DIE FRÜCHTE EINES
BAUMES UND DIE BLÄTTER EINES
ZWEIGES. VERKEHRT MITEINANDER
IN INNIGER LIEBE UND EINTRACHT, IN
FREUNDSCHAFT UND VERBUNDENHEIT.
... SO MACHTVOLL IST DAS LICHT DER
EINHEIT, DASS ES DIE GANZE ERDE
ERLEUCHTEN KANN.
- Bilder dieser Doppelseite von Anne Bahrinipour
 
GOTT SANDTE SEINE PROPHETEN IN DIE WELT,
UM DEN MENSCHEN ZU BELEHREN UND ZU ERLEUCHTEN,
IHM DAS GEHEIMNIS DER MACHT
DES HEILIGEN GEISTES ZU ERKLÄREN
UND IHN ZU BEFÄHIGEN, DAS LICHT ZU SPIEGELN,
SO DASS ER SEINERSEITS ZUR URSACHE
DER RECHTLEITUNG FÜR ANDERE WERDE.
DIE HIMMLISCHEN BÜCHER, DIE BIBEL,
DER QUR’ÁN UND DIE ÜBRIGEN HEILIGEN SCHRIFTEN
WURDEN VON GOTT ALS WEISER
AUF DEM PFAD ZU GÖTTLICHER TUGEND,
LIEBE, GERECHTIGKEIT UND FRIEDEN DARGEBOTEN.
- ‘ABDU’L-BAHÁ
 
- ANSPRACHEN IN PARIS
 
- Gemälde von Mara Windhab
 
DAS GEBOT,
AUF DEN WEGEN GOTTES ZU WANDELN
WANDELT NICHT AUF DEN PFADEN DES BÖSEN,
WANDELT WÄHREND DER WENIGEN
VERBLEIBENDEN TAGE EUERES
LEBENS AUF DEN WEGEN
DES EINEN, WAHREN GOTTES.
EUERE TAGE WERDEN DAHINSCHWINDEN
WIE DIE TAGE DERER, DIE VOR EUCH LEBTEN,
ZUM STAUBE WERDET IHR ZURÜCKKEHREN,
WIE EUERE VORVÄTER ZUM STAUBE ZURÜCKGEKEHRT SIND.
- BAHÁ'U'LLÁH,
 - ÄHRENLESE 66:1
 
Das Selbstbestimmungsrecht der Nationen[Bearbeiten]
Opium für die Völker oder Basis für den friedlichen Zusammenschluss von Ländern?
  
- „DER FRIEDE BEGINNT IM EIGENEN HAUS.
 - DER WELTFRIEDEN BEGINNT MIT DEM
 - INNEREN FRIEDEN DER STAATEN.”
 
- Claudia Weisser
 
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die politische Wirklichkeit auf unserem Erdball stark verändert. Ein meßbares Zeichen hierfür ist, dass die Zahl der unabhängigen Staaten von rund 50 auf mehr als 185 stieg. Diese Entwicklung war nicht auf Mittel- und Osteuropa beschränkt, wo zahlreiche Republiken vornehmlich seit 1989 einen demokratischen Wandel durchliefen, der zumeist in Emanzipationsbestrebungen gipfelte. Auch in Ländern Afrikas und Asiens, in denen Einparteiensysteme und Diktaturen vorherrschend waren, geriet die bestehende Ordnung ins Wanken. Und in Westeuropa wurden wir Zeugen von großen Veränderungen in unseren Nachbarstaaten, wie beispielsweise dem dramatischen Zerfall des ehemaligen Jugoslawiens. All diese Ereignisse, auch die deutsche Wiedervereinigung oder die Trennung der Tschechoslowakei, waren von einem völkerrechtlichen Prinzip geprägt: dem Grundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Völker.
Was sich genau hinter diesem Ordnungs- und Gestaltungsprinzip der Staatenwelt verbirgt, welche völkerrechtlichen Interpretationen im Laufe der Geschichte möglich waren und welch wichtige Rolle 
es auch in der Zukunft spielen wird, soll im Folgenden aufgezeigt werden.
Schon seit jeher haben Völker gegen Fremdbestimmung und imperialistische Vorherrschaft gekämpft. Die Trennung der Niederlande von Spanien im 16./17. Jahrhundert oder die der nordamerikanischen Kolonien von Großbritannien macht deutlich, dass Menschengruppen, die von einem anderen Staat regiert werden, nach Selbstbestimmung streben, die sich zu einem Verlangen nach Loslösung steigern kann. Einen weiteren Impuls bekam dieser Gedanke, als logische Konsequenz des Ideenkomplexes von Volkssouveränität, Demokratie und Verfassungsstaatlichkeit, in der französischen Revolution, die das Prinzip einer „Regierung mit Zustimmung der Regierten“ propagierte. Während des Ersten Weltkriegs betonten sowohl Lenin 1917 als auch Wilson 1918 die Bedeutung dieser Idee, dass Völker nicht verschachert werden dürften, als „ob es sich um bloße Waren oder Steine in einem Spiele handeln würde", sondern Gebietsfragen auf Grund der freien Annahme durch die unmittelbar betroffene Bevölkerung geregelt werden müssen. Trotz der langen Verankerung dieses Gedankens in der internationalen Politik wurden in der Praxis dennoch Verletzungen dieses Prinzips toleriert, da man die Selbstbestimmung eher als politisches Konzept denn als einen verbindlichen Rechtsanspruch betrachtete.
Dies änderte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als das Recht in völkerrechtlichen Verträgen 
normiert und das Selbstbestimmungsrecht zu einen universellen Ordnungsprinzip internationaler 
Beziehungen erhoben wurde. Die Vereinten Nationen leisteten hierbei Wesentliches. So deklariert 
die UN-Charta in Art.1 Ziff.2 sowie in Art.55 Abs.1 das Selbstbestimmungsrecht zu einem Ziel 
der Vereinten Nationen. Der Gedanke der Gleichheit der Völker, der dem Selbstbestimmungsrecht 
als Institut zur Korrektur historischer Fremdbestimmung innewohnt, legitimierte konsequenter 
Weise auch das Ende der Kolonialherrschaften: In
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den 60er Jahren verabschiedete die 15. UN-Generalversammlung die Entschließung über die 
Gewährung der Unabhängigkeit an koloniale Länder und Völker. Die Unterwerfung von Völkern
wurde hierin als Behinderung der „Förderung von Frieden und Zusammenarbeit in der Welt" 
bezeichnet. Zahlreiche Länder in Afrika und Asien wurden in den Folgejahren in die 
Unabhängigkeit begleitet.
In zwei weiteren wichtigen internationalen Vertragswerken wurde ebenfalls das Selbstbestimmungsrecht niedergelegt, nämlich im Pakt über bürgerliche und politische Rechte und im Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Darüber hinaus war das Selbstbestimmungsrecht Gegenstand unzähliger UN-Resolutionen und Erklärungen.
Der Inhalt des Selbstbestimmungsrechtes nach heutiger Rechtsauffassung ist ein zweifacher. Es enthält zum einen das Recht auf volle Unabhängigkeit - dieses Recht steht nur Kolonien, Treuhandgebieten und anderen Territorialverbänden zu - und zum anderen den Anspruch einer jeden Volksgruppe auf die Wahl einer bestimmten Rechtsform in einem Staat. Diese Unterscheidung spiegelt sich in den Begriffen „innere“ und „äußere“ Selbstbestimmung wider. Die Innere Selbstbestimmung, also das Recht eines jeden Volkes, seinen politischen Status sowie seine politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung zu gestalten, ist zugleich ein wichtiger Ausfluss der völkerrechtlich geschützten Menschenrechte, wie auch die Aufnahme des Rechtes in den oben beschriebenen Pakten verdeutlicht.
Damit dieser fundamentale Rechtsgedanke nicht nur Lippenbekenntnis blieb, bietet die völkerrechtliche Praxis drei Möglichkeiten, wie das Recht verwirklicht werden kann: Erstens durch die Errichtung eines selbständigen Staates, zweitens durch freien Anschluß an einen oder Integration in einen unabhängigen Staat oder drittens durch den Übergang in einen anderen politischen Status, der von den Menschen eines bestimmten Territoriums in freier Wahl getroffen werden muss. Von diesen drei Möglichkeiten birgt die Sezession die größten Probleme in sich, da sie im Gegensatz zum Prinzip der territorialen Integrität eines Staates steht. So wird ein Anspruch eines Volkes auf Losreißen von einem Staat generell verneint, es sei denn, der betreffende Staat hätte sich gegenüber dieser Volksgruppe diskriminierend verhalten. Aber auch aus einem anderen Grund kann das Völkerrecht, dessen eigentliches Ziel die Befriedung der Staaten ist, nur sehr eingeschränkt ein Sezessionsrecht gewähren. Ein Recht, das ausschließlich auf Eigenstaatlichkeit und Territorialhoheit abzielt, würde auf Dauer die internationale Stabilität beeinträchtigen, da an den Grenzen der entstehenden Nachbarstaaten immer schwelende Konfliktherde zu finden wären.
Fraglich bleibt daher, wie in Zukunft dieses Recht auszulegen ist, wie es den Bedürfnissen einer zusammenwachsenden Welt am besten gerecht werden kann. Ist in einer Welt, die sich auf dem Wege zu einer Einheit befindet, die Aufsplitterung in immer neue Einzelstaaten noch notwendig oder wünschenswert? Diese Frage wird man wohl bedingt mit Ja beantworten müssen, wenn man das Spannungsfeld zwischen lokaler Verwurzelung einerseits und einer immer größer werdenden Verantwortung für die größere Gemeinschaft, die Menschheit, andererseits lösen will.
Die Nation kann das Bedürfnis nach Identifikation, nach Nähe, Homogenität und Vertrautheit, 
das jeder Mensch hat, am ehesten befriedigen. Und in einer Zeit, in der sich eine neue
Welteinheit manifestiert, erlangt dieses Bedürfnis eine neue Bedeutung, da eine „globalisierte 
Gesellschaft” in ihrer überragenden Dimension viele Menschen erschreckt. Obgleich nun die
Errichtung einer Welteinheit für die Zukunft unabdingbar sein wird, bedarf es dieser soliden 
Bausteine, damit sich Menschen „zu Hause” fühlen. Erst wenn diese vom Volk selbstbestimmte
Basis geschaffen ist, kann der nächste Schritt zu einem bewußt gewählten Zusammenschluss in 
eine größere Einheit erfolgen. Eine falsch verstandene Welteinheit hingegen könnte Kulturen
zerstören, sie zu einer Einheitskultur verschmelzen, womit die Welt nichts gewonnen hätte. 
Auch in den Schriften der 
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Bahá’í-Religion, deren vornehmliches Ziel es ist, ein Bewußtsein für die Einheit der Menschheit 
zu wecken, wird dieser Ansatz empfohlen, da „weder die Flamme einer vernünftigen Vaterlandsliebe
in den Herzen der Menschen” erstickt werden solle, noch der „Grundsatz nationaler Selbstbestimmung abzuschaffen [seil, der so wesentlich ist, wenn die Übel übertriebener Zentralisation vermieden 
werden sollen.“
Man wird daher sagen können, dass die internationale Agenda wohl weitgehend frei von militärischen Konflikten sein könnte, wenn alle Nationen auf dem Willen ihrer Völker basierten, die ihnen Mitwirkungsrechte einräumen und die Minderheiten schützen würden. So bleiben offene Gebietsansprüche und Grenzfragen immer noch eine Hauptursache für Kriege, da die Grenzen vieler Nationalstaaten oft auf willkürliche Weise festgelegt worden sind. Vor allem die Kolonialmächte schufen künstliche Grenzen, die meist ohne ethnische, religiöse oder sprachliche Berechtigung willkürlich gesetzt wurden. Die nachhaltigen Folgen hiervon waren unbefriedigte Ansprüche von einzelnen Völkern und ethnischen Gruppen, die sich in ihren Rechten verletzt sahen. Für viele dieser betroffenen Völker, denen rund 300 Millionen Menschen auf allen Kontinenten angehören, wird die Sezession keine wirkliche Alternative darstellen, da entweder ihre Siedlungsgebiete zu klein sind, eine klare Grenzziehung wegen der territorialen Verteilung nicht mehr möglich ist oder die Volksgruppe im Laufe der Zeit zu einer numerischen Minderheit geworden ist. Daher wird das Selbstbestimmungsrecht wohl zunehmend in Richtung Regionalisierung, Föderalisierung und Autonomie zu interpretieren sein. Der Ansatzpunkt wird darin liegen, das Selbstbestimmungsrecht nicht als Grenzziehungsfrage zu verstehen, die in ihrer Konsequenz auf eine territoriale Abgrenzung zielt.
Zugleich muß an den Beweggründen für Forderungen nach Selbstbestimmung angesetzt werden. Diese liegen oftmals in der Verletzung von Menschen- und Minderheitenrechten. Die internationale Beachtung dieser Rechte kann hier einen konstituierenden Faktor in einer sich etablierenden Weltordnung darstellen und gleichzeitig als ein Instrument politischer Mitwirkung an globalen Fragen betrachtet werden. Hierbei wird das Streben nach Gerechtigkeit, das zu den elementaren Impulsen der Geschichte zählt, der treibende Faktor sein. Denn wie die Bahá’í International Community in ihrem Statement „Wendezeit für die Nationen” schreibt, ist Gerechtigkeit als jene Kraft anzusehen, die das „allmählich dämmernde Bewußtsein der Einheit der Menschheit in einen gemeinsamen Willen übertragen kann, mit dessen Hilfe das Rahmenwerk einer Weltgemeinschaft sicher aufgebaut werden kann.” So gilt es in der Zukunft eine Brücke zwischen drei Pfeile zu schlagen: zwischen dem Interesse der Staaten an Stabilität, dem Verlangen von oftmals über Jahrzehnte unterdrückten Völkern nach einer Selbstbestimmung in Freiheit und dem im Zeitalter der Globalisierung erforderlichen Zusammenhalt der Völker. Nur eine Berücksichtigung dieser Belange kann eine Ordnung hervorbringen, die sich allseitiger Legitimität erfreut und somit auch Frieden schafft.
Weiterführende Literatur:
- Heintze, Hans Joachim,
 
- Selbstbestimmungsrecht der Völker
 - Herausforderung der Staatenweit
 
- Bahá’í International Community,
 
- Wendezeit für die Nationen
 
- Ferencz, Benjamin,
 
- New Legal Foundations for Global Survival
 
- Volger,
 
- Lexikon der Vereinten Nationen
 
- Dr. Claudia Shirin Weisser hat Rechtswissenschaften mit dem Schwerpunkt Völkerrecht / Europarecht sowie Politikwissenschaft studiert, sie ist derzeit als Juristin in München tätig.
 
Das Wesen des Friedens heißt heute vor allem Gerechtigkeit[Bearbeiten]
Eine weltweite Initiative für einen ökosozialen Marshallplan zur Beseitigung der Armut und zur Etablierung einer nachhaltigen Wirtschaft als Voraussetzung für einen nachhaltigen Frieden
   
Frieden bedeutet heute etwas tief greifend anderes als das, was man beispielsweise noch Mitte der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts unter diesem Thema diskutiert hat. Bevor wir diese Frage der inhaltlichen Verschiebungen während der vergangenen zwanzig Jahre nicht geklärt haben, ist es wenig sinnvoll, weiter über Frieden zu philosophieren. Umgekehrt gilt aber auch: Anhand dieser Verschiebungen werden wir sehr schnell und leicht verstehen, was Frieden heute bedeutet und was konkret zu tun ist, diesen Menschheitstraum endlich Realität werden zu lassen.
Erste Stufe eines historischen Rechenschaftsberichts:
Vom Frieden der Nationen zum sozialen Weltkrieg
In der ehemaligen Sowjetunion begann Mitte der achtziger Jahre die Perestroika, die die 
Koordinaten des Weltgeschehens gründlich veränderte. Wohl nicht zufällig erschien kurz zuvor
eine visionäre Schrift des höchsten Gremiums der internationaler Bahá’í-Gemeinde, des 
Universalen Hauses der Gerechtigkeit, in dem folgender Satz zu finden ist: „Die Zeit ist 
gekommen, dass diejenigen, die die Dogmen des Materialismus - ob aus Ost oder West, ob 
Kapitalismus oder Sozialismus - predigen, Rechenschaft ablegen müssen über die moralische 
Führung, die auszuüben sie sich angemaßt haben.”
Mit der Perestroika legte eine dieser beiden Ideologien, der Sozialismus, diese Rechenschaft ab - und verschwand aus der Geschichte. Die Folgen waren zwiespältig. Einerseits endete eine ideologische Auseinandersetzung, die nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer historisch beispiellosen Aufrüstung geführt und der Menschheit eine gleich vielfache Existenzbedrohung beschert hatte durch einen atomaren, biologischen und chemischen Overkill. Erstmals in der Geschichte der Menschheit gab es echte Abrüstungsverträge und eine tatsächliche Abrüstung mit einer „Friedensdividende", die allein aus den eingesparten Rüstungsausgaben eine Summe von mehr als 400 Milliarden Dollar jährlich ausmachte. Zahlreiche Völker erlangten ein deutlich höheres Maß an Selbstbestimmung, und viele der so genannten Stellvertreterkriege endeten. Die Völkergemeinschaft übte Druck auf Südafrika aus, um dort Apartheid und Rassismus zu beseitigen, und beendete erstmals gemeinsam mehrere nationalistisch begründete Kriege.
Andererseits erlebte durch den Niedergang des Sozialismus das zweite „Dogma des Materialismus”, die Ideologie des Kapitalismus, erst seine „volle Blüte” - eine Blüte, die sich jedoch als sehr kurzlebig erwies und die Menschheit in noch weit gefährlichere Widersprüche und Probleme hineintrieb. Der Kapitalismus sah sich Anfang der neunziger Jahre als der historische, als der endgültige Sieger - einige Historiker verstiegen sich gar dazu, vom „Ende der Geschichte” zu sprechen. Die Protagonisten eines von allen „überflüssigen Bürden befreiten” Kapitalismus, der sich inzwischen als Neoliberalismus bezeichnete, versprachen das Heil der Menschheit von einer alleinigen Orientierung aller gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entscheidungen am Wohl der Shareholder, der Besitzer von Aktien. Das sei der gerade Weg in ein goldenes Zeitalter für die gesamte Menschheit. Der Schutz der Umwelt, der Schutz von Arbeitnehmerrechten oder der Schutz schwächerer Länder vor der Übermacht der starken: All das würde die Intelligenz der Märkte und die der Shareholder nur einschränken, für alle den größtmöglichen Wohlstand zu erzeugen, so die reine Lehre des neoliberalen Fundamentalismus.
Die Folge dieser Verabsolutierung der kapitalistischen Ideologie war jedoch eine dramatische, 
historisch beispiellose Umverteilung von Arm nach Reich, von der erstmals nicht nur breite 
Massen in den Ländern der so genannten Dritten Welt betroffen waren, sondern zunehmend große 
Teile der Bevölkerung in den bisher wohlhabenden Ländern. Bereits 1985 fragte das Universale 
Haus der Gerechtigkeit: „Warum sinkt die große Mehrheit der Völker der Welt immer tiefer in 
Hunger und Elend, wenn den gegenwärtigen Sachwaltern der menschlichen Angelegenheiten Reichtum 
in einem von den Pharaonen, Cäsaren oder selbst den imperialistischen Mächten des 
19. Jahrhunderts nicht erträumten 
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Umfang zur Verfügung steht?" Aber erst nach diesem Statement begannen die Gegensätze so 
richtig zu explodieren.
Während sich das reale Einkommen der Masse der Menschheit verschlechterte, erhöhten sich nicht wenige Spitzeneinkommen in nur zehn Jahren um das 15- bis 25-fache. Zur Jahrtausendwende entsprach das Einkommen der 300 reichsten Menschen der Welt jenen der armen Hälfte der gesamten Menschheit. Mehr noch: Statt die Mittel für Entwicklungsförderung in den Armutsregionen der Welt aufzustocken, wurden sie in den meisten Industrieländern innerhalb einer einzigen Dekade halbiert. Die langsam entstandene mittelständische Wirtschaft in vielen Entwicklungsländern wurde in den neunziger Jahren durch den Druck einer zu schnellen Marktöffnung zugunsten globaler Konzerne in den Ruin getrieben. Auf alle Kommunen und Nationen der Welt, ob arm oder reich, wurde Druck ausgeübt, die Steuern zu senken, wovon überall der reichere Teil der Gesellschaft sehr einseitig profitierte. Immer mehr Nationen und Kommunen wissen heute nicht mehr, wie sie ihre sozialen und sonstigen öffentlichen Dienstleistungen finanzieren sollen.
In dieser geänderten Welt entstand eine gänzlich neue Form des Krieges. Die tiefe Frustration breiter Massen der Weltbevölkerung über die offensichtliche Missachtung ihrer Bedürfnisse und berechtigten Anliegen, die weltumspannende mediale Zurschaustellung von protzendem Luxus und das Gefühl der Demütigung vieler Kulturen durch eine erdrückende materielle Überlegenheit und zivilisatorische Überheblichkeit der Gewinner der Globalisierung, all das staute - weit über die Protestbewegung der so genannten Globalisierungsgegner hinaus - Verzweiflung, Wut und Hass auf. Immer mehr Menschen sahen und sehen sich als Opfer in einem sozialen Weltkrieg, der von einem übermächtigen und weitgehend unsichtbaren Gegner gegen sie geführt wird.
Einige verwirrte Geister, die sich mit völlig verdrehten religiösen Argumenten fanatisierten, trafen in dieser Situation eine fatale Entscheidung: Sie eröffneten einen asymmetrischen Krieg. Mit einem Märtyrerbewusstsein, das jegliches ehrliche religiöse Empfinden auf das unerträglichste mit Füßen tritt, werden in diesem neuen Krieg Menschen zu lebenden Bomben und zivile Einrichtungen wie Passagierflugzeuge zu Massenvernichtungswaffen. Welch tragische Perspektive eröffnet eine solche Form des Krieges in einer hoch komplexen Welt? Nach menschlichem Ermessen muss man wohl diagnostizieren, dass die „Aufrüstungsspirale“ erst begonnen hat - und zwar auf beiden Seiten dieser neuen, asymmetrischen Kriegsführung.
Die Phase der globalen Abrüstung nach der Perestroika wurde längst abgelöst durch eine neue Phase weltweiter Aufrüstung. Keine Wirtschaftsbranche boomte nach 2001 mehr als jene der Sicherheitstechnologien. Doch die Ergebnisse sind überaus ernüchternd: Afghanistan avancierte nach seiner Befreiung von einem fundamentalistischen Regime zumindest vorläufig zum Drogenexporteur Nummer 1 in der Welt, Irak nach seiner Befreiung von einem despotischen System zum Schauplatz Nummer 1 für täglichen Terror. Das Feuer des Hasses erhielt durch das bisherige Maßnahmenpaket gegen den Terrorismus, in den die von allen geforderten Maßnahmen zur Überwindung der Armutskluft in der Welt noch eine viel zu geringe Rolle spielen, nur neue Nahrung und beflügelte die menschenverachtende Phantasie zu immer neuen Formen des Terrors. Da neue Generationen von „Kriegern des Terrors“ so gut wie unsichtbar agieren, lassen sie zudem die Kriegs- und Verteidigungsmaschinerie der Nationen der Welt ins Leere laufen. Die Gefährlichkeit dieser neuartigen asymmetrischen Kriegsspirale kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Der soziale, kulturelle und ökologische Weltfrieden ist erreichbar - durch Maßnahmen wie einen Global Marshall Plan
Die Aussichten des Kampfes gegen den globalen Terrorismus sind so lange überaus düster, wie 
die soziale und kulturelle Demütigung eines Großteils der Menschheit nicht ein Ende
hat. Anders ausgedrückt: Der Krieg gegen den Terrorismus wird
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nicht auf einem Schlachtfeld gewonnen, sondern in den Herzen der Menschen. Das Gefühl der 
Demütigung und der Hoffnungslosigkeit muss besiegt werden. Wenigstens ein Silberstreif der
Hoffnung, dass Gerechtigkeit wieder einen Stellenwert in der globalen Gesellschaft erlangt, 
muss am Horizont auftauchen, bevor die Gewalteruptionen aus der Gemengelage sozialer
Depression enden werden. Gerade der zweifelhafte „Sieg“ der zweiten großen materialistischen 
Ideologie, des Kapitalismus, in den vergangenen 15 Jahren machte deutlich: Ohne sozialen
Weltfrieden in der Form einer globalen Gerechtigkeit, die das Elend von Milliarden Menschen 
nicht länger duldet, gibt es keine Ruhe für die Menschheit, mehr noch: Alle Strukturen werden 
ihre Wirksamkeit verlieren:
„Gerechtigkeit ist die herausragende Macht, die das erwachende Bewusstsein für die Einheit der Menschheit in einen gemeinsamen Willen umsetzen kann. Erst durch diesen gemeinsamen Willen können die für ein globales Zusammenleben notwendigen Strukturen mit Aussicht auf Erfolg errichtet werden. Ein Zeitalter, das Zeuge davon ist, wie die Menschen weltweit immer mehr Zugang zu allen Arten von Information und einer Vielfalt von Ideen erlangen, wird erkennen, dass sich Gerechtigkeit als das vorherrschende Prinzip für eine erfolgreiche Sozialstruktur durchsetzen muss. Vorschläge, die auf eine Entwicklung des Planeten abzielen, werden sich nur dann als erfolgreich erweisen, wenn sie den klaren Maßstäben globaler Gerechtigkeit standhalten.“ Dies schrieb die Bahá’í International Community 1995 in einem ausführlichen Statement „Entwicklungsperspektiven für die Menschheit“, dessen Hauptadressaten die Vereinten Nationen sowie nationale Regierungen und Nichtregierungsorganisationen waren. Staatsoberhäupter in New York einmütig auf die so genannten Millennium Development Goals. Die Völkergemeinschaft verpflichtete sich darin unter anderem auf folgende Ziele, die bis zum Jahr 2015 erreicht sein sollen:
- Weltweite Halbierung der Anzahl der Personen, deren Einkommen weniger als einen Dollar pro Tag beträgt
 
(zur Zeit noch mehr als eine Milliarde)
- Ermöglichung des Besuchs eines vollen Grundschulprogramms für alle Kinder
 
- Senkung der Kindersterblichkeit auf ein Drittel der heutigen Werte
 
- substanzielle Verbesserungen bei der Gesundheit von Müttern
 
- Umkehrung des Trends bei HIV/AIDS, Malaria und anderen epidemischen Krankheiten
 
- Umkehrung des Trends beim Verlust von Umweltressourcen
 
- Halbierung der Anzahl der Menschen, die keinen Zugang zu gesundem Trinkwasser haben (heute mehr als eine Milliarde)
 
- Herbeiführung einer neuartigen Partnerschaft für Entwicklung; insbesondere durch
 
- (1) die Entwicklung eines offenen Welthandels- und Weltfinanzsystems unter geeigneten Rahmenbedingungen, das national und international eine Verpflichtung zu Good Governance beinhaltet, sowie
 - (2) Aktivitäten zur Armutsüberwindung, etwa bei der Schuldenproblematik von besonders armen Ländern,
 - (3) die Schaffung von sinnstiftenden und produktiven Arbeitsmöglichkeiten, besonders für Jugendliche,
 - (4) Sicherstellung eines bezahlbaren Zugangs zu wichtigen Medikamenten in Zusammenarbeit mit Pharmafirmen und
 - (5) Zugang für alle zu den Vorteilen moderner Technologie, vor allem im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie, und damit Anstrengungen zur Überwindung der digitalen Spaltung.
 
Alle zentralen internationalen Organisationen haben sich diese Ziele mittlerweile zu eigen gemacht, so die Welthandelsorganisation (WTO), die Weltarbeitsorganisation (ILO), United Nations Environmental Program (UNEP), die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF).
Eine ganze Generation von engagierten Nichtregierungsorganisationen der globalen Zivilgesellschaft 
und von Repräsentanten aller Nationen der Welt arbeitete in den 90er Jahren auf diesen
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Konsens für einen globalen Plan zur Überwindung der Armut in der Welt, zur Sicherung der grundlegenden sozialen Güter und zum weltweiten Wandel zu einer ökologisch nachhaltigen Form des Wirtschaftens hin. 
Diese Übereinstimmung über die grundlegenden Ziele und Maßnahmen zur inneren Befriedung der Menschheit 
war bis zum Jahr 2000 erreicht. Auch beim UNO-Weltgipfel für Entwicklungsfinanzierung 2002 in Monterrey,
Mexiko, waren sich ausnahmslos alle Regierungen einig, dass Terrorismus nur durch massive Maßnahmen zur Überwindung der Armutskluft in der Welt besiegt werden kann. Und dennoch fehlt bis heute ein Plan für 
die praktische Umsetzung derartiger Maßnahmen.
Da dieser auch drei Jahre später nicht in Aussicht war, einigten sich im Mai 2003 Repräsentanten führender Nichtregierungsorganisationen wie des Club of Rome, des Club of Budapest und mehrerer Umwelt- und Entwicklungsorganisationen auf eine Initiative für einen Global Marshall Plan zur Überwindung der Armut in der Welt bei gleichzeitiger Durchsetzung einer ökologischen Wende in der Form des Wirtschaftens. In Erinnerung an den erfolgreichen Marshallplan, der Europa nach den Verheerungen und Verletzungen des Zweiten Weltkriegs Jahrzehrte des Friedens und des Wohlstands bescherte, schlagen die Initiatoren vor, nun endlich einen Plan für die innere soziale Befriedung der Menschheit umzusetzen. Sie gewannen in kürzester Zeit die Unterstützung vieler namhafter Vordenkerinnen und Vordenker aus der ganzen Welt und aus allen Bereichen der Gesellschaft. Erstmals schlossen sich dieser Initiative sowohl radikale Globalisierungskritiker an als auch ganze Unternehmensverbände. Im Januar 2004 legten die Initiatoren ein erstes Diskussionspapier vor, wie ein solcher Global Marshall Plan finanziert und umgesetzt werden könnte.
Ein planetarischer Vertrag zur Überwindung der Armut und zu ökologischer Nachhaltigkeit
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Als erstes galt es zu klären, wie viel ein solcher Plan kosten würde und wie dies finanziert werden 
könnte. Die Frage der Kosten war bereits durch mehrere Fachleute und internationale Organisationen 
unabhängig voneinander mit fast exakt derselben Summe beantwortet worden: 70 Milliarden Dollar 
pro Jahr. Da man dabei jedoch noch von einem Beginn im Jahr 2001 ausging, erhöht sich die Summe auf
120 Milliarden Dollar, wenn man die beschriebenen Ziele doch noch bis zum Jahr 2015 erreichen will. 
Wie lässt sich dies finanzieren? Zunächst gilt es, die Höhe dieser Summe richtig einzuordnen. Eine 
Umfrage in den USA ergab, dass die Bevölkerung die Auslandshilfe auf 18 Prozent des 
Bruttoinlandsprodukts (BIP) einschätzte und 5 Prozent als angemessen ansah. Der Marshallplan der 
USA nach dem Zweiten Weltkrieg lag über vier Jahre hinweg jedoch bei nur 13 Prozent, und heute 
geben die USA lediglich 0,1 Prozent ihres BIP für Entwicklungshilfe aus. Der Durchschnitt aller Industrieländer liegt bei 0,2 Prozent, obwohl diese sich bereits vor 30 Jahren auf 0,7 Prozent 
als Ziel festgelegt hatten. Die komplette Finanzierung des vorgeschlagenen Global Marshall Plans 
wäre bereits bei einer Erhöhung auf 0,43 Prozent sichergestellt.
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Dennoch entschieden sich die Initiatoren für einen Global Marshall Plan zu Vorschlägen, die für 
die knappen Haushaltskassen der Nationen überhaupt keine Belastung darstellen würden. Sie schlugen 
neue, alternative Finanzierungswege vor wie
- die Nutzung der Sonderziehungsrechte beim Internationalen Währungsfonds
 
- die Einführung einer minimalen Tobin-Abgabe, eine Abgabe auf alle globalen Finanztransaktionen, in Höhe von 0,01 Prozent
 
- die Einführung einer Terra-Abgabe, eine Abgabe auf den Importwert aller Welthandelstransaktionen, in Höhe von 0,5 Prozent des Welthandelsvolumens
 
Alle drei Belastungen sind so gering, dass sie von den Märkten und den Konsumenten praktisch nicht wahrgenommen würden. Ein Liter Benzin würde demnach beispielsweise ganze 0,1 Cent teurer. Kleinste Kursschwankungen an den globalen Märkten wirken sich im Vergleich dazu bereits wesentlich stärker aus. Kann es angesichts dieser Zahlen irgendeinen vernünftigen Grund für irgendeinen Menschen, ein Unternehmen oder eine Nation geben, diesen Finanzierungsvorschlag abzulehnen?
Zum zweiten muss die Frage beantwortet werden: Wie kann sichergestellt werden, dass ein Global Marshall Plan seine Ziele erreicht und dass ein wirtschaftliches Wachstum in den Armutsregionen der Erde die Umwelt nicht noch weiter belastet? Dafür schlagen die Initiatoren einen Mechanismus vor, der bei allen bisherigen Erweiterungen der Europäischen Union und auch bei den in den letzten Jahren zu erfüllenden Voraussetzungen zur Osterweiterung erfolgreich angewandt wurde: Co-Finanzierungen aus dem Fonds des Global Marshall Plans sollen in dem Maße gewährt werden, wie die betreffenden Länder sich im Gegenzug auf ökologische, soziale und demokratische Standards verpflichten. Damit kann soziale und wirtschaftliche Entwicklung gleichzeitig zu einem Motor für einen ökologischen, demokratischen und sozialen Wandel werden. In dem Maße, wie ein solcher Plan greift, fordert er gleichzeitig eine schnellere ökologische Umorientierung der Wirtschaft in den Industrieländern, denn diese kann nur dann an dem Globalen Marshall Plan mitverdienen, wenn sie ihrerseits die ökologischen Standards erfüllt.
Trotz der vergleichsweise geringen Investitionssumme in einen sehr wirksamen Global Marshall Plan bringt dieser keineswegs nur für die heutigen Armutsregionen Vorteile. Er wäre das beste Investitionsprogramm für eine neue Art von Weltwirtschaftswunder. Der Aufbau einer klugen und fairen Infrastruktur für jene zwei Drittel der Menschheit, die heute mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen müssen, erschließt deren immense wirtschaftliche Impulse für die gesamte Weltgemeinschaft. Mehr noch: Nur wenn die Löhne in den heutigen Armutsregionen der Welt steigen, kann sich der drastisch verschärfte Lohndruck in den alten Industrieländern wieder vermindern.
Viele der letztlich hilflosen und vergeblichen Programme, den Druck des globalen Wettbewerbs auf den Finanz- wie Arbeitsmärkten durch nationale Maßnahmen aufzufangen, würden durch einen klugen Global Marshall Plan überflüssig. Allein die Einsparungen auf diesen Gebieten würden einen wirksamen Global Marshall Plan spielend finanzieren. Ein solcher Plan ist nach Überzeugung vieler führender Wissenschaftler, Politiker und NGO-Repräsentanten aller Richtungen gleichzeitig das beste Wirtschaftsförderungsprogramm für jede Nation, das beste Umweltprogramm, das beste Sicherheits- und Friedensprogramm und das beste Programm, dass die gesamte Menschheit in den Genuss der reichen Vielfalt aller ihrer Kulturen kommt. Hans-Dietrich Genscher, der frühere deutsche Außenminister, sprach von einer „historischen Stunde“, als die Global Marshall Plan Initiative am 11. Oktober 2003 im Neuen Schloss Stuttgart der Öffentlichkeit vorgestellt wurde und meinte: „Möge es uns allen gelingen, mit dem, was die Stuttgarter Erklärung will, ein ganzes Meer von Solidarität in der ganzen Welt zu schaffen. Für eine menschenwürdige Welt, in der nicht mehr die Zahl der gewonnenen Schlachten zählt, sondern in der alle Regionen dieser Welt die neue Ordnung als eine gerechte erkennen können, in der ihre Würde genauso geachtet wird wie die der anderen, wo es nicht das Recht des Stärkeren, aber die Pflicht zur Solidarität gibt." Die Stuttgarter Erklärung für einen Global Marshall Plan wurde bisher von knapp 300 international bekannten Persönlichkeiten unterzeichnet.
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Wann wird die Menschheit endlich lernen, dass es für sie keinen größeren Reichtum geben kann, 
als sich als Einheit zu begreifen, als einen großen, lebendigen Organismus, der nur aus einem
ganzheitlichen Verständnis heraus vernünftig und zukunftsweisend organisiert werden kann? Die 
großen, heute noch armen Menschenmassen in vielen Ländern der Dritten Welt lediglich als 
„billige Arbeitskräfte” zu sehen, ist nicht nur zynisches Unrecht, sondern auch unter allen 
vernünftigen, auch wirtschaftlichen Gesichtspunkten pure Dummheit. Dass es heute Methoden gibt,
bettelarme Menschen, die zum großen Teil noch Analphabeten sind, höchst effektiv, mit relativ 
geringem Aufwand und mit geringen Kosten zu erfolgreichen „Unternehmern ihrer eigenen
Potenziale” zu entwickeln, zeigt ein Pilotprojekt, das vor kurzem in Nepal durchgeführt wurde. 
Das Curriculum wurde maßgeblich von einem Bahá’í-Entwicklungsexperten geschrieben und von 
einem Netzwerk zahlreicher Organisationen unter der Leitung von „Pact“ umgesetzt:
130.000 Frauen, von denen weniger als 15 Prozent lesen und schreiben konnten und von denen keine ein eigenes Einkommen oder gar Ersparnisse hatte, wurden über einen Zeitraum von drei Jahren in fünf Bereichen trainiert: Lesen und Schreiben, Gründung eines Miniunternehmens, Gründung einer Dorfbank, gemeinsame Organisation von sozialen Projekten und Wahrnehmung der sozialen Rechte, von denen sie zuvor keine Kenntnis hatten. Die Ergebnisse sprechen für sich: Nach drei Jahren konnten mehr als 90 Prozent lesen und schreiben, hatten mehr als 60.000 Frauen ein Kleinunternehmen gegründet, waren mehr als 1000 Dorfbanken im direkten Besitz der Projektteilnehmerinnen, organisierten diese mehr als 70.000 soziale Projekte zur Verbesserung Ihrer Lebenssituation und steigerte sich ihr Familieneinkommen im Durchschnitt um 800 Prozent. Ganze 25 Dollar pro Teilnehmerin reichten aus, um diesen Entwicklungsschub zu erreichen.
Dieses Beispiel zeigt auch: Wir müssen uns nach einem neuen Typus von Projekten umsehen, die - bewusst oder unbewusst - sich am Menschenbild Bahá’u’lláhs orientieren: „Betrachte den Menschen als ein Bergwerk, reich an Edelsteinen von unschätzbarem Wert." Mit solchen Projekten, die die Menschen in ihren hohen Potenzialen ernst nehmen, kann ein Traum von Muhammad Yunus, dem Gründer der Kleinkreditbank für Arme (Grameen), in weniger als einer Generation verwirklicht werden: der Bau von „Museen der Armut“, in denen künftige Generationen lernen können, unter welch unvorstellbaren Bedingungen Milliarden von Menschen mitten in einer steinreichen Zeit leben mussten.
Zu den zentralen Forderungen der Initiatoren für einen Global Marshall Plan zählt daher in deren Publikation, „Global Marshall Plan”: „Die Suche nach besonders erfolgreichen und effektiven sozialen und ökologischen Projekten und deren Erfolgskriterien sollte als neuer internationaler Forschungsschwerpunkt definiert und gefördert werden. Mit der Identifikation und Förderung von Best-Practice-Projekten kann die Effizienz vieler heutiger Formen der Entwicklungszusammenarbeit massiv gesteigert werden.“
Die Mittel, so schlagen die Initiatoren ferner vor, sollen durch den Internationalen Währungsfonds und die Weltbank verwaltet und ihr Einsatz über Förderprogramme der entsprechenden Sonderorganisationen der Vereinten Nationen koordiniert werden. Die Förderprogramme sollen jedoch öffentlich ausgeschrieben werden, so dass sich vor allem auch unabhängige Organisationen der Zivilgesellschaft darum bewerben können.
Die Global Marshall Plan Initiative
Im Mai 2002 von Repräsentanten von 12 NGOs gegründet, wird sie heute von mehr als 300 internationalen Vordenker/innen unterstützt wie Franz Alt, Karlheinz Böhm, Heiner Geißler, Hans-Dietrich Genscher, Hazel Henderson, Mary Robinson, Rita Süssmuth, Klaus Töpfer, Ernst Ulrich von Weizsäcker und Jakob van Uexkuell. Das Basispapier zur Initiative,„Global Marshall Plan”, wurde verfasst von Uwe Moeller, Generalsekretär des Club of Rome, Prof. Dr.Dr. Franz Josef Radermacher, Stiftung Weltvertrag und Direktor des FAW Ulm, Josef Riegler, ehemaliger Vize-Kanzler von Österreich, Surjo R. Soekadar, Projektleiter der Global Marshall Plan Initiative, und Peter Spiegel, Generalsekretär des Club of Budapest.
- Peter Spiegel, geb. 1953, Soziologe, Verleger, Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher, 1989 - 2001 Mitglied in Nationalen Geistigen Rat der Bahá’í in Deutschland. 1994 Gründer des Terra One World Network, seit 2002 Generalsekretär des Club of Budapest International, 2003 Mitgründer der Global Marshall Plan Initiative.
 
Ervin Laszlo
You can change the World
Mitgestalten an einer besseren Welt
Mit Change-the-World-Wettbewerb und Global Marshall Plan.
Vorwort von Michail Gorbatschow. Anleitung zum Handeln von Peter Spiegel. Epilog von Paulo Coelho.
3. Auflage 2004, Horizonte Verlag 200 Seiten.
Die Zukunft gestalten[Bearbeiten]
Kommentar von Michail Gorbatschow: „Dieses Buch hilft uns, die aktuelle Lage auf unserem Planeten zu verstehen, unsere gemeinsame Lage, und es hilft uns, den Pfad zu erkennen, den wir einschlagen müssen. Es hilft uns zu bestimmen, was zu tun ist und wie, um mit beidem unser gemeinsames Wohlergehen sicher zu stellen. Die Zukunft, vor der wir stehen, ist offen. Jeder von uns kann seinen entscheidenden Teil dazu tun, die Zukunft zu bestimmen.“
Mit „You Can Change the World” legt der Zukunftsforscher und Gründer der Vordenkerorganisation Club of Budapest, Ervin Laszlo, einen praktischen Leitfaden vor, was jeder einzelne Mensch sehr konkret zu einer besseren Welt beitragen kann. Längst ist aus diesem Impuls eine weltweite Bewegung geworden. Eine Reihe von deren ersten Früchten sind in der dritten Auflage in einen ausführlichen zweiten Buchteil aufgenomrnen. So gibt es einen Change-the-World-Fund, durch den besonders innovative Projekte für eine bessere Welt unterstützt werden, einen Internationalen Jugend-Ideenwettbewerb, eine Global Marshall Plan Initiative und vieles mehr.
„Das Wesen der Religion ist die Liebe"[Bearbeiten]
Der Weltreligionstag unter der Schirmherrschaft der Landeshauptstadt Stuttgart
- Michael Paul Gollmer
 
Unsere säkulare Gesellschaft lebt von Werten, die sie sich nicht selbst schaffen kann. Der 
weltanschaulich neutrale Staat braucht einen grundlegenden Wertekonsens, der über Politik und 
Wirtschaft hinausweist. Religion kann zu dieser gemeinsamen Basis beitragen. Gerade in einer 
Zeit globaler Migrationsströme mit ihren tiefgreifenden Veränderungen kann sie aber auch die
desintegrierenden Kräfte stärken. Der Zusammenprall der Kulturen stellt den religiösen 
Pluralismus vor eine Zerreißprobe. Religion, die sich dem Dialog verweigert, ist sozialer 
Sprengsatz. Nur durch eine gemeinsame Anstrengung der Religionen kann gesellschaftlicher 
Zusammenhalt erzielt werden, der vom gleichgütigen Nebeneinander zu einem konstruktiven 
Miteinander, von Desintegration zu gegenseitiger Bereicherung führt. Die Bahá’í-Gemeinde 
möchte In diesem Annäherungsprozess der Religionen als Katalysator wirken und den Dialog 
fördern. Dieses Ziel verfolgt auch der Stuttgarter Weltreligionstag. Die Stuttgarter 
Bahá’í-Gemeinde bietet damit den Menschen unterschiedlicher Religionen ein Forum, wo sie 
sich gegenseitig mit dem Glauben und Denken Andersglaubender vertraut machen und gemeinsame 
Visionen für die Zukunft der Religionen in unserer pluralistischen Gesellschaft entwickeln 
können.
Die Anfänge der Stuttgarter Bahá’í-Gemeinde gehen zurück auf das Jahr 1905. Stuttgart war die erste deutsche Stadt, in der Bahá’í lebten. Als 'Abdu'l-Bahá, der Sohn des Religionsstifters Bahá’u’lláh, 1913 Europa besuchte, wurde er von der schwäbischen Gemeinde gebeten, auch nach Stuttgart zu kommen. Sie erwartete seine Ankunft voller Freude. 'Abdu'l-Bahá, eine ehrwürdige orientalische Persönlichkeit, hinterließ tiefe Eindrücke. Viele, die Ihm begegneten und noch wenig wussten von seinen Lehren, empfanden ihn spontan als „einen Menschen wie Christus", als Verkörperung aller Hoffnung und Sehnsucht, die sie mit der Botschaft Christi verbanden. Was war der Kern seiner Botschaft?
In einer Ansprache am 3. April 1913 wandte sich 'Abdu'l-Bahá angesichts der Wirren auf dem Balkan mit folgenden Worten an sein Publikum in Stuttgart: „Wie viel Blut wird dort vergossen. Wie viele tausend Mütter haben Ihre Söhne verloren, wie viele Kinder sind Waisen geworden! Wie viele Häuser wurden vernichtet, wie viele Dörfer zerstört, wie viele Städte verwüstet! Aus dem Balkan ist ein Vulkan geworden. Alle diese Ruinen - woher rühren sie? Teilweise von den gegenseitigen Vorurteilen der Religionen. Sie werden hervorgerufen durch Aberglauben und Rassendünkel. Das Wesen der Religion ist die Liebe und die Erleuchtung der Menschheit; alle heiligen Bücher legen Zeugnis davon ab. Aber die Menschen haben heute vergessen, was das wahre Wesen der Religion ist." (Quelle: „Mein Herz ist bei euch“, Hofheim-Langenhain 1988)
Sich zurückzubesinnen auf das wahre Wesen der Religionen, die Liebe zu Gott und zu den Menschen zu leben, das war 'Abdu'l-Bahás einfache und überzeugende Botschaft. Die Bahá’í-Gemeinde nahm sich die Worte 'Abdu'l-Bahás zum Leitbild. Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und echte Liebe zu allen Menschen und Kulturen sollten sie auszeichnen. Bevor ihr Glaube unter Hitler verboten wurde, zählte die Gemeinde in Stuttgart rund 200 Gläubige. Doch nichts konnte ihre innige Verbundenheit zerschlagen. Waren auch die meisten Bücher beschlagnahmt und verbrannt worden, so traf man sich doch regelmäßig bei Geburtstagsfeiern und dergleichen. Konnten die Bahá’í-Feiertage nicht mehr gefeiert werden, so gab es doch andere Anlässe genug, sich zu treffen. Dann las man gemeinsam aus den Heiligen Schriften Bahá’u’lláhs, sprach die Gebete 'Abdu'l-Bahás und erinnerte sich an seinen Besuch.
Während der Kriegsjahre schärfte sich das Bewusstsein, dass der versöhnende Charakter der 
Bahá’í-Lehren nicht nur innerhalb der eigenen Gemeinde wirken, sondern auch für andere 
Glaubensgemeinschaften fruchtbar gemacht werden sollte. So entschloss man sich 1951, nach 
amerikanischem Vorbild, einen Weltreligionstag einzuführen. Das sollte ein Tag sein, der 
gemeinsam mit den Anhängern unterschiedlicher Religionen begangen wird, um sich gegenseitig - das 
Denken der anderen - besser kennenzulernen. Vorurteile sollten überwunden werden. Gegenseitige
Bereicherung, ohne den eigenen Standpunkt aufzugeben, war das Ziel. Die Veranstaltung am dritten 
Sonntag im Januarwurde bald zu einer festen und gut besuchten Einrichtung und zu einem
[Seite 40]
 
- Neues Schloss Stuttgart — Weißer Saal am 25. Januar 2004.
 - Podiumsgespräch „Glauben alle an denselben Gott?"
 
- Prof. Dr. Urs Baumann und Rabbiner Netanel Wurmser
 
willkommenen Anlass, den Dialog zwischen den Religionsgemeinschaften in Stuttgart das 
ganze Jahr über zu intensivieren. Nach einer Pause von einigen Jahren wurde diese Tradition 
im Jahr 2000 unter dem Motto „Friede unter den Religionen als Voraussetzung für den 
Weltfrieden” wieder aufgenommen. Dass der zu beschreitende Weg noch weit ist, machte Meinhard 
Tenné deutlich. „Solange evangelische Christen versuchen, Juden zu missionieren, kann es keinen Religionsfrieden geben”, sagte der damalige Vorstandssprecher der Israelitischen 
Religionsgemeinschaft Württemberg. Die Pluralität der Religionen sei von Gott gewollt, 
so Dr. Udo Schaefer von der Bahá’í-Gemeinde.
Unter dem Eindruck der Terroranschläge des 11. Septembers 2001 stellten hochrangige Vertreter der Religionen beim Weltreligionstag 2002 einstimmig fest, dass wirklich religiöse Menschen Gewalttaten ablehnen und keine Fanatiker sind. Freilich gebe es zahlreiche Beispiele, wo im Namen der Religion Gewalt legitimiert werde. Wir müssten jedoch lernen zu unterscheiden: Was ist wirklich Religion? Und was pseudo-religiöse Entartung und Verblendung? Wo und wie wird Religion missbraucht? Und was hingegen führt uns den Weg zur Erkenntnis spiritueller Wahrheit über die Grenzen der Religionen hinweg?"
Keine Religion sei im Besitz der Wahrheit, so der Sprecher der Deutschen Buddhistischen Union, Dr. Paul Köppler. Für religiös eingestellte Menschen sei „Bescheidenheit” angebracht. Auch die Gläubigen seien „Unwissende". Eine klare Gegenposition dazu vertrat der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Dr. Nadeem Elyas. Religiöser Glaube bedeute immer feste Überzeugung. Dieser Glaube könne nicht relativiert werden. Gott sei für ihn „absolute Wahrheit“. Doch dürfe diese Überzeugung nie zu Gewalt führen. Denn „in ihrem Kern sind die Religionen nicht gewalttätig, sondern wollen den Frieden.“ Es gelte, auf die Entstehungszeit der Religionen zu blicken, auf ihren ursprünglichen Friedensimpuls. Meinhard Tenné betonte als Vertreter des Zentralratspräsidenten der Juden, dass es auf den Willen zum Dialog ankomme. Ehrlichkeit und Offenheit im Umgang miteinander seien Grundvoraussetzungen dafür, dass das Motto „Religionen gemeinsam gegen Gewalt” zu einer Welle der Solidarität werde.
Können wir so die bestehenden Konflikte lösen? Welche Qualitäten braucht eine Friedenskultur? Das war die Frage des Weltreligionstags 2003. Ein unvereinbarer Gegensatz der Meinungen zeigte sich bei dem Versuch, sich auf ein gemeinsames friedensstiftendes Menschenbild zu einigen. An einem zu hohen Anspruch müsse man scheitern, so Barbara Traub, die Vorstandssprecherin der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg. Einig war man sich In der Wahrnehmung der Geschichte der Religionen, „dass alle Ihre Stifter ihr eigenes Wohl für das Glück der anderen geopfert haben". Das könne uns ein Beispiel für eine dienende Lebensgrundhaltung geben, so Dr. Farah Dustdar, die für die Bahá’í-Gemeinde sprach. Es seien die traditionell weiblichen Qualitäten, Mitgefühl und Fürsorglichkeit, die auch Männer auszeichnen sollten. Die Direktorin der Evangelischen Akademie Bad Boll, Godlind Bigalke, unterstrich, dass Friedenskultur mit uns selbst beginne, vor unserer eigenen Haustür.
Mit einem Aufruf zur nachhaltigen Überwindung religiöser Konflikte wandte sich das Haus der 
Gerechtigkeit, das aus neun Personen bestehende Leitungsgremium der weltweiten Bahá’í-Gemeinde, 
an die Oberhäupter der Weltreligionen. Diese Botschaft legt den Repräsentanten der Religionen 
nahe, die gemeinsame Quelle der Religionen anzuerkennen und aus dieser Quelle ein Maximum an 
gemeinsamen Werten zu schöpfen. Es gehe darum, die Vielfalt der Religionen auf gleicher Augenhöhe
[Seite 41]
- Prof. Dr. Urs Baumann / Rabbiner Netanel Wurmser / Michael Blume / Armin Eschraghi / Raimund Ulbrich / Imam Bekir Alboda / Prälat Martin Klumpp
 
in der Gewissheit zu umarmen, dass sie alle vom selben Gott kommen. Letztlich sei die Religion 
nur eine einzige - jenseits ihrer unterschiedlichen Ausprägungen in Interpretation und Kultur. 
Wie aber sehen das die anderen Religionen? Kann dieser Vorstoß der Bahá’í angenommen werden? 
Geht er nicht zu weit? Glauben alle Menschen wirklich an denselben Gott? So lautete denn die 
Frage des Weltreligionstages 2004. Um den Rahmen der Diskussion nicht zu weit zu spannen, 
entschied man, sich bei dieser Fragestellung zunächst auf die monotheistischen Religionen 
zu beschränken.
Bei allen fundamentalen theologischen Unterschieden, die nicht ausgeklammert wurden, haben die Podiumsteilnehmer darum gerungen, Verbindendes herauszustellen. Wer sein eigenes Gottesverständnis mit der letzten Wirklichkeit selbst gleichsetze, mache Gott zum Götzen, betonte der katholische Theologieprofessor Urs Baumann. Auch der Trinitätsglaube stehe dem muslimischen Gottesverständnis nicht unbedingt entgegen. Der evangelische Prälat Martin Klumpp legte die Trinität als Zusammenfassung dreier Punkte aus, in denen sich die monotheistischen Weltreligionen einig seien: „Erstens ist Gott der Schöpfer der Welt und unseres Lebens. Zweitens offenbart sich der eine, ewige Gott in der Welt. Drittens ist Gott jetzt hier, wenn wir uns verstehen und lieben können. Diese drei Punkte nennen wir Christen Vater, Sohn und Geist." Der württembergische Landesrabbiner Netanel Wurmser betonte ausdrücklich „Der Gedanke an den Einzigen und Ewigen sollte unsere Einheit stärken". Imam Bekir Albaga schloss sich dem an und ergänzte: „Jeder Mensch kann Gott im Innersten seines Herzens spüren und verehren”. Das muslimische „Allah'u'Akbar" deutete er erkenntnistheoretisch: Gott sei immer größer als alle unsere Vorstellungen. Alle menschlichen Gottesvorstellungen seien begrenzt und zu hinterfragen. Ganz im Sinne der Bahá’í-Botschaft rief der Religionswissenschaftler Michael Blume dazu auf, nicht immer jede theologische Spitzfindigkeit in den Vordergrund zu stellen. Am besten offenbare sich Gott dort, „wo Menschen gut miteinander umgehen". Mit den Worten 'Abdu'l-Bahás: „Das Wesen der Religion ist die Liebe.”
Weiterführende Informationen zum Weltreligionstag:
www.weltreligionstag.de
- Michael Paul Gollmer ist Mitglied des Geistigen Rates der Bahá’í in Stuttgart und Sprecher des Arbeitskreises für den Weltreligionstag.
 
Religionen - Hindernisse oder Wege zum Frieden?[Bearbeiten]
Mit Religion an sich verhält es sich ähnlich wie mit Zeit. Jeder weiß, was damit gemeint ist, bis er es definieren soll. Die Religionswissenschaftler haben ein paar hundert Definitionen parat, etwa: Religion ist, wenn man an Gott oder Götter glaubt. Dan wären Buddhismus und Jainismus keine Religionen. Oder: Religion ist, wenn man an etwas glaubt und darauf hofft! Klingt auch gut, ist aber sehr wenig präzise. In so gut wie allen Gesellschaften dieses Planeten gibt es etwas, das wir als „Religion“ bezeichnen würden - aber in so gut wie keiner Sprache ein wirklich gleichbedeutendes Wort.
Wie schwierig die Definition von Religion ist, wird dann deutlich, wenn wir gedanklich einen 
Moment gelten ließen, dass das gesamte Universum und alle Naturgesetze tatsächlich nichts als 
Zufall sind. Alles, was Menschen tagtäglich erfahren, jeder Anblick, Gedanke, jedes Gefühl, 
jede Begegnung wären demnach nur ein absolut zufälliges Chaos ohne Sinn, es machte keinen 
Unterschied, ob jemand weint oder lacht - es wäre und bliebe alles sinnloser Zufall. 
Wahrscheinlich hat jeder Mensch manchmal solche Gedanken, aber wir wären nicht lebensfähig,
wenn wir auf Dauer so dächten. Wir alle ordnen die täglichen Erfahrungen, geben ihnen Sinn. 
Wir unterscheiden zwischen Wichtig und Unwichtig, Gut und Schlecht, setzen Prioritäten. Wir 
deuten und ordnen die täglichen Erfahrungen, „transzendieren“ sie, indem wir einigen 
besondere Bedeutung zuschreiben, sie mit anderen verknüpfen. Das Mittel dazu ist die Sprache. 
Mit Hilfe der Erzählung beantworten wir uns selbst und anderen die Fragen unseres Lebens - was 
gerecht ist und ungerecht, gesund und ungesund, wofür man lebt und was es mit dem Glück und
Unglück, der Liebe und den Tod auf sich hat. So ist es kein Zufall, dass die ersten menschlichen 
Zeugnisse von Religion - rund um Bestattung und Fruchtbarkeit - zu jener Zeit auftauchen, als 
der Mensch zu sprechen begann. Religion ist demnach die Summe aus Erzählungen, Ritualen und 
Symbolen, mit denen Menschen ihrem Leben Sinn und Bedeutung abgewinnen.
Aus Tausenden von Erzählungen, vom Reim im Kindergarten bis zum Vortrag an der Hochschule, von der Lebensgeschichte unserer Eltern bis zu den Berichten in den Medien und Kommunikation mit anderen konstruiert jeder seine Sicht auf unsere Welt. Dabei geht es aber nicht nur um „Märchen”. Jeder kennt Erzählungen, die „das Herz bewegt haben“, Geschichten, die unsere Sicht auf die Welt prägen. Die Gegenwart Gottes oder die Wirkung der Meditation wird nicht nur „geglaubt", sondern zutiefst, „gespürt” - sie sind eigene, ganz reale Erfahrungen, von denen wir wiederum „begeistert" erzählen können.
Eine der beliebtesten modernen Religionserzählungen ist die vom „freien Willen“, An Gott glauben 
in Deutschland nicht alle Menschen, an ihren „freien Willen” aber die allermeisten. Unser 
Strafrecht hätte keinen Sinn, wenn wir nicht der Meinung wären, wir müssten Verbrecher bestrafen, 
die zwar die falsche Entscheidung getroffen haben, aber eben nicht gezwungen waren, das
zu tun. Aus einer rein naturwissenschaftlichen Perspektive ist ein „freier Wille” ebenso 
wenig darstellbar wie Gett oder Engel. Denn wenn die gesamte Welt nur das Ergebnis von [Seite 43]
Naturgesetzen und mathematisch-chemischen Formeln ist - dann ist da kein Platz für 
irgendein metaphysisches „Etwas", das freie Entscheidungen treffen könnte.
Doch der Gedanke, keinen „freien Willen" zu haben, erscheint den meisten Menschen heute ebenso fremd und undenkbar wie vielleicht unseren Urgroßeltern die Vorstellung, es gäbe keinen Gott. Wir „spüren“ doch täglich, dass wir einen freien Willen haben. Es ist doch „selbstverständlich“. Also glauben die meisten daran, und nicht wenige machen sich über jene Menschen lustig, die an Gott glauben. Dabei steht nicht Religion gegen den freien Willen, sondern auch der freie Wille „ist“ Religion.
Menschen spüren aber, dass die wirklich wichtigen Erzählungen ein Teil unserer Identität werden, erkennbar daran, dass wir sie instinktiv verteidigen. Kein Wissenschaftler kann beweisen, dass es einen freien Willen und einen Sinn im Leben gibt - aber er wird sich vielleicht dennoch gefühlsmäßig dagegen wehren, wenn jemand diese Dinge leugnet. Wenn jemand zentrale Erzählungen unseres Lebens - unseren Glauben oder unsere Weltanschauung, unsere Klugheit, unsere Familie, unser Land angreift, reagieren wir emotional viel stärker. Wir fühlen uns selbst angegriffen. Deswegen scheint die beliebte These „Ich achte dich als Mensch, deine Religion aber verachte ich!” kaum sinnvoll. Die religiösen Erzählungen in all ihren Formen gehören zu unserem Menschsein. Der enge Zusammenhang zwischen persönlicher Identität und Religion zeigt sich in der großen Bedeutung von Biographien religiöser Persönlichkeiten. Buddha, Konfuzius, Moses, Jesus, Muhammad, Ali oder Baha’u’llah haben sich nicht selbst in den Mittelpunkt ihrer Lehren gestellt und übertriebene Verehrung stets abgelehnt. Erzählungen aus ihrem Leben spielen jedoch für zahllose Menschen eine große und oft prägende Rolle.
Martin Luther hat lange vor Entstehung der Religionswissenschaft formuliert: Das, woran Du Dein Herz hängst, das ist Dein Gott.“ Aus heutiger Sicht möchte man ihm zustimmen, denn wir alle „hängen“ unsere persönliche Identität, unser Sein an bestimmten Erzählungen auf, die unserem Leben Sinn geben. Wenn wir ein Quentchen freien Willens haben sollten, dann vielleicht den, mit zu entscheiden, an welchen.
- Michael Blume ist Religionswissenschaftler und als evangelischer Christ mit einer Muslima verheiratet. Er engagiert sich als Vorsitzender einer Christlich-Islamischen Gesellschaft für Dialog und Zusammenleben der Religionen
 
Weder traditionelle nach klassische Religionen dürfen wir uns als unveränderliche Muster vorstellen, sondern als lebendige Ströme von Erzählungen, die zwar von ihren jeweiligen Quellen ausgehen, aber sehr verschiedene Formen annehmen können. Keine einzige Religion stand oder steht still - sie alle werden täglich neu erlebt, erzählt, interpretiert. Aus dem überlieferten Leben heiliger Personen, den Vorbildern unserer Gemeinde, den Erzählungen und Büchern unserer Lehrer und Prediger, den Worten heiliger Schriften, dem, was wir in den Ritualen erleben, der Geschichte unserer Glaubensgemeinschaft und den immer neuen Fragen schöpfen wir immer wieder neue Erfahrungen und Erzählungen. Von Zeit zu Zeit, von Land zu Land, letztlich von Mensch zu Mensch kann und wird die Gestalt der gleichen Religion sehr unterschiedlich sein. Wenn daher jemand allgemeingültige Geschichten über „die Juden“, „die Muslime“ oder „die Baha'i" erzählen will, ist Skepsis angebracht.
Als Beispiel diene das Christentum, die in Deutschland meist verbreitete Religion. Jeder kennt Menschen, die in christlichen Erzählungen Halt und Geborgenheit, Glück und Ermutigung zur Nächstenliebe gefunden haben. Ebenso aber auch Beispiele, in denen Menschen aus dem Christentum Argumente schöpfen, um ängstlich, intolerant, selbstgerecht und manchmal sogar feindselig zu sein. Welches ist da das „richtige” Christentum? Und könnte nicht für verschiedene Menschen eine je verschiedene Form die „richtige" sein?
Ein Hauptgrund, warum Ältere gelegentlich der Meinung sind, „früher war alles besser oder zumindest übersichtlicher”, liegt wohl darin, dass wir im Laufe der Jahre viel Gelegenheit haben, die Erzählungen unseres Lebens vor uns selbst und vor anderen zu ordnen, zu gestalten, zu deuten. So sehr mancher heute über das Alter schmunzeln oder herziehen mag - die Ruhe, den Halt und die Konzentration auf das Wesentliche, die viele ältere Menschen in ihren Erzählungen, Liedern und Riten wiederfinden, sind gewiss ebenso achtenswert wie der Drang anderer, neue Formen zu entdecken, in denen sie Sinn für ihr heutiges Leben finden.
Sind also alle religiösen Erfahrungen und Erzählungen einfach gleich gültig - ist es also 
gleichgültig, woran oder wie die Menschen glauben? Gewiss nicht. Diese Antwort kann freilich 
nicht der beobachtende und beschreibende Wissenschaftler geben, sondern der Mensch, der den Mut 
hat, den Dingen Werte zuzuschreiben: etwa zu vertreten, dass Frieden sinnvoller ist als Krieg 
und dass es grundsätzlich einen Unterschied macht, ob Menschen glücklich oder unglücklich sind. 
Die Gesellschaft unterscheidet aber sehr wohl, ob die Religionen Drohbotschaften oder 
Frohbotschaften aussenden. Es ist etwas anderes, ob 
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mit religiösen Erzählungen Ängste, Zwanghaftigkeit oder gar Gewalt heraufbeschworen werden oder 
ob sie den Menschen Halt geben, sie zum Leben, Fieden und zum Engagement für andere ermutigen.
In allen großen Religionen ist das Potenzial für beides vorhanden: positive Erzählungen der Liebe und des Mitgefühls und negative Erzählungen der Angst und des Zwanges. Fragt man die Menschen, welche große Religion außer dem Christentum sie für die friedlichste halten, nennen die meisten in Deutschland den Buddhismus. Und die Frage nach der mindestens aktuell gewalttätigsten wird mit dem Islam beantwortet. Nun ist die Religionsgeschichte aber voller anderer Beispiele: So trifft man auf zahllose Muslime, die sich aus Liebe zu Gott für Frieden und Toleranz engagiert haben. Andererseits hat 1959 ein angesehener buddhistischer Mönch in Sri Lanka den Premierminister erschossen. Nationalistische Bewegungen, die so gar nicht in unsere positiven Klischees dieser Religion passen, finden wir in allen mehrheitlich buddhistischen Ländern - und wir werden sie in allen Religionen und Weltanschauungen finden, oft gerade auch bei jenen, die sich für besonders tolerant, gütig, fortschrittlich und aufgeklärt halten.
Man kann daher sagen, dass jede Religion und Weltanschauung grundsätzlich beides sein kann: ein Weg des individuellen und gesellschaftlichen Friedens, des Engagements sowie der Stabilisierung und Bereicherung von Identität - aber ebenso ein Weg von Zwang, Missbrauch und sogar Gewalt gegen sich selbst und andere. Menschen sind immer wieder verblüfft, wie viele gleichlautende Lehren von Liebe, Toleranz und Menschlichkeit sich in den unterschiedlichen Religionen finden - und wie oft sie doch alle daran scheitern, diese Werte umzusetzen. Aber wo Erzählungen in den verschiedensten Formen frei gestaltet und weitergegeben werden können, wächst die Chance, dass sich von den Entscheidungen vieler Menschen auf Dauer jene durchsetzen, die Ängste abbauen und inneren wie äußeren Frieden fördern. Die Religionsgeschichte kennt Menschen wie Mahatma Gandhi, der gegen alle Wahrscheinlichkeit aus dem Hinduismus seiner Zeit Erzählungen von Frieden, Demokratie und der Abschwächung des Kastenwesens begründen konnte, deren Wirkung bis heute nicht erloschen ist. Sie kennt aber auch vergleichsweise wohlhabende und demokratisch organisierte Länder, die bis tief in die Religionen hinein Erzählungen des Nationalismus, Rassismus und angeblicher Verschwörungen bis in Kriegsrausch und Völkermord verfallen konnten.
Am Ende müssen wir zu uns selbst kommen. Denn so wahr es ist, dass wir durch die religiösen Erzählungen geprägt werden - so sehr prägen wir diese mit. Diese Lehre findet sich in verblüffend ähnlicher Form in allen großen Religionen: Das Ringen beginnt in jedem selbst und wird auch dort entschieden. Alle Eltern können ihren Kindern vermitteln, dass alle Menschen von Gott geliebt werden - das ist pure Friedenserziehung.
Zu erleben, wie Menschen füreinander einstehen, unabhängig von ihrem Glauben, das zeigt, dass Religionen eben doch Wege des Friedens sein wollen und können, wenn wir sie ernst nehmen und bei uns selbst anfangen.
Die Ethik der Globalisierung[Bearbeiten]
Eine Bahá’í-Perspektive
Am 11. Juni 2003 hielt Professor Suheil Bushrui anlässlich eines Empfangs der europäischen Bahá’í-Gemeinden im Europäischen Parlament in Brüssel eine vielbeachtete Rede. Darin machte der Inhaber des Bahá’í-Lehrstuhls für Weltfrieden an der Universität Maryland deutlich, dass die Globalisierung ohne den Rückgriff auf das religiöse Erbe der Menschheit und ohne Wahrung ihrer kulturellen Identitäten vor allem für die Entwicklungsländer und die indigenen Völker ein „Ungeheuer“ bleibe.
Die wichtigste Frage zurzeit sei, wie man sicherstellen könne, dass der Prozess der universalen Integration nicht auf Kosten der Integrität der einzelnen Teile gehe. Wir drucken die Rede in Auszügen. Die Übersetzung besorgte Dagmar Wenninger.
In den vergangenen Jahrzehnten haben die Kritiker des Weitwirtschaftssystems unsere Aufmerksamkeit 
auf Probleme wie den Umweltschutz oder den Schutz und die Förderung von Arbeitnehmerrechten gelenkt. 
Auf diese Weise haben sie sowohl den Politikern als auch den Journalisten sowie der breiten 
Öffentlichkeit geholfen, das Phänomen der Globalisierung besser zu verstehen.
Die Debatten zur Globalisierung sind besonders in politischen Kreisen oft von rein nationalen Interessen bestimmt, seien es soziale, wirtschaftliche oder politische. Das ist eine ziemlich engstirnige Sichtweise. Untersuchte man das Phänomen der Globalisierung genauer, würde man feststellen, dass es um weit mehr als nur die wenigen Angelegenheiten und Punkte geht, auf die sie normalerweise beschränkt wird. Die Diskussion sollte vielmehr auf die kulturellen und geistigen Dimensionen ausgedehnt werden, denn Globalisierung ist nicht nur ein unpersönlicher und sachlicher, sondern auch ein menschlicher
 
„SELIG UND GLÜCKLICH IST, WER SICH ERHEBT,
DEM WOHLE ALLER VÖLKER UND GESCHLECHTER
DER ERDE ZU DIENEN, ... Es RÜHME SICH NICHT, WER
SEIN VATERLAND LIEBT, SONDERN WER DIE GANZE
WELT LIEBT. DIE ERDE IST NUR EIN LAND, UND ALLE
MENSCHEN SIND SEINE BÜRGER. ... DIE WORLFAHRT
DER MENSCHHEIT, IHR FRIEDE UND IHRE SICHERHEIT
SIND UNERREICHBAR, WENN UND EHE NICHT IHRE
EINHEIT FEST BEGRÜNDET IST." [1]
Prozess mit einerseits politischen, wirtschaftlichen und sozialen und andererseits kulturellen, geistigen und religiösen Aspekten. In anderen Worten: Globalisierung ist in Wahrheit ein ebenso ethischer und geistiger wie ein wirtschaftlicher, sozialer und rechtlicher Prozess.
Nur durch das vereinte Handeln der internationalen Staatengemeinschaft kann es Hoffnung dafür geben, dass Bedrohungen wie der internationale Terrorismus, der Handel mit tödlichen Waffen und illegalen Drogen, die organisierte Kriminalität und die Ausbreitung von Krankheiten und Umweltzerstörungen bewältigt und ausgerottet werden können. Zusätzlich zu diesen großen globalen Anliegen müssen ernsthafte Versuche unternommen werden, die Kluft zwischen Arm und Reich zu schließen, das Bildungssystem neu zu strukturieren, damit es den Ansprüchen des 21. Jahrhunderts gerecht wird, und sich mit dem weit verbreiteten moralischen Verfall im privaten und öffentlichen Leben zu befassen.
[Seite 46]
Vor dem Hintergrund der derzeitigen Irritationen in den internationalen Beziehungen sind alle 
verantwortlichen Akteure dazu aufgerufen, Mittel zur globalen Konfliktlösung und Schlichtung
zu finden. Ganz konkret muss die Frage gestellt werden: Wie können wir einen verheerenden 
„Kampf der Kulturen“ vermeiden, in dem es keine Sieger, sondern nur Verlierer geben kann?
Der Autor dieser umstrittenen These schlägt selbst eine Antwort vor. In seinem 1996 erschienenen Buch „Kampf der Kulturen - Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert“ kommt Professor Samuel Huntington zu folgendem Schluss:
„Den großen Weltreligionen — westliches Christentum, Orthodoxie, Hinduismus, Buddhismus, Islam, Konfuzianismus, Taoismus, Judentum -sind doch gewisse zentrale Werte gemeinsam, mögen sie auch die Menschheit in einem größeren oder geringeren Maße gespalten haben. Falls die Menschen je eine Universalkultur entwickeln, wird sie nach und nach aus der Erkundung und Ausweitung dieser Gemeinsamkeiten hervorgehen.“ [2]
Bahá’u’lláh erkannte schon vor 125 Jahren die dringende Notwendigkeit der geistigen und religiösen Versöhnung der Menschheit und sprach in seinen Schriften die grundlegenden Voraussetzungen für die Schaffung einer universalen Gesellschaft und die Bildung eines Weltregierungssystems an. Er betonte die Notwendigkeit, ein universales, globales Bewusstsein, eine neue Geistigkeit und ein neues Gefühl der Verantwortung zu schaffen. In einem seiner Sendbriefe mahnt Bahá’u’lláh die Völker der Welt:
„O ihr Vielgeliebten! Das Heiligtum der Einheit ist errichtet; betrachtet einander nicht als Fremde. Ihr seid die Früchte eines Baumes, die Blätter eines Zweiges. Wir hegen die Hoffnung, dass das Licht der Gerechtigkeit über die Welt scheine und sie von aller Tyrannei heilige.“ [3]
Eine solche Vision der Einheit und Integration des gesamten Planeten hat jedoch nichts mit dem oft nüchternen, gesichtslosen und amoralischen globalen Marktplatz zu tun, den wir heutzutage vorfinden. Stattdessen wird die reiche Vielfalt an Glaubensbekenntnissen und Kulturen anerkannt und bejaht, während gleichzeitig die grundlegende Einheit der Menschheit bestätigt wird. Der Gedanke an eine globale Gesellschaft sollte nicht die Schreckensvision einer weltweiten Uniformität hervorrufen, die von einer zentralisierten, totalitären Macht erzwungen wird. Eine vielfältige Welt bietet vielmehr die optimalen Voraussetzungen dafür, dass alle ihre Fähigkeiten durch eigenständige intellektuelle, geistige oder ästhetische Bemühungen bestmöglich entwickeln können. Wenn die Einheit ihren Platz im menschlichen Bewusstsein erlangt hat, wird gerade ihre Vielfalt zu einem Schutz vor Tyrannei, anstatt die Ursache für Konflikte und Uneinigkeit zu sein.
Dieser multikulturelle Ansatz ist eine überzeugende Alternative für die real existierende Globalisierung. Seit dem Ende des Kalten Krieges vor mehr als zehn Jahren haben die Befürworter der Globalisierung das Wandlungspotenzial von Märkten und deren Mechanismen als eine Art Allheilmittel für alles Schlechte in der Welt begeistert gefeiert. Ohne Zweifel erfüllen Märkte wichtige Funktionen, sie sind nach und nach zu einem brauchbaren Instrument für die Verteilung von Waren und Dienstleistungen geworden und haben in gewissem Sinn die Völker miteinander verbunden. Aber gibt es nicht noch andere Wirtschaftsmodelle, die menschliche Potenziale freisetzen und entwickeln, indem sie sich die dem Menschen innewohnenden Triebkräfte für Fairness und Mitgefühl zunutze machen?
Wir lägen sicherlich falsch, wenn wir glaubten, die Menschheit habe bereits den Gipfel ihrer wirtschaftlichen Entwicklung erreicht, was sie daran hindern würde, ein finanz- und währungspolitisches System zu entwickeln, das auf den Prinzipien der Gerechtigkeit, der Zusammenarbeit und des Altruismus basiert. Es ist außerdem wichtig zu betonen, dass der Markt kaum Antworten auf so grundlegende Fragen liefert wie zum Beispiel: „Wie kommen wir zu einer globalen Regierung?“ oder „Wie fördern wir den Dialog zwischen den Kulturen?“ Kurz gesagt: Es ist ziemlich offensichtlich, dass wir die Zukunft unserer gerade hervortretenden globalen Gesellschaft durch ein völliges Vertrauen auf Marktkräfte nicht aufs Spiel setzen dürfen.
All zu oft wird eine Diskussion über Globalisierung mit der Anspielung auf einen kulturellen Relativismus verhindert. In der Theorie vertritt kultureller Relativismus die Ansicht, dass bestimmte soziale, wirtschaftliche, kulturelle und politische Praktiken das Wesen bestimmter Gruppen ausmachen und dass das gebieterische Einwirken von fremden und künstlichen Standards ein nicht zu rechtfertigender Eingriff sei. Solche Hinweise sind oft aber nur Versuche, der Anwendung eines universalen Menschenrechtskodex zu entgehen.
Kultureller Relativismus ist, wenn er solche universalen Normen verneint, eine politische List, 
die von der falschen Voraussetzung ausgeht, dass sich die heutigen Gesellschaften in 
hermetischer Isolation entwickelt haben. Dabei zeigt schon die oberflächlichste Untersuchung 
der menschlichen Geschichte zweifelsfrei, dass jede Gesellschaft auf tausenderlei Art mit ihren 
Schwestergesellschaften verbunden ist. Das ist eine Realität, die durch die Forschung von 
Archäologen und anderen Wissenschaftlern jeden Tag stärker untermauert wird. Die Notwendigkeit 
eines globalen Verhaltensstandards und einer globalen Regierung
[Seite 47]
 
kann nicht länger mit so unhaltbaren Argumenten abgetan werden. Welche Umstände auch immer die 
Möglichkeiten des Einzelnen, seine angeborenen Fähigkeiten zu entwickeln oder als menschliches 
Wesen zu gedeihen, einschränken, sie müssen geändert werden!
Vielleicht ist die essentielle und grundlegende Einheit, die alle Völker und Rassen der Welt verbindet, nirgendwo offensichtlicher als in der ewigen Weisheit - von Gottfried Wilhelm von Leibniz die „philosophia perennis" genannt. Diese „universelle und einheitliche Tradition” ist es, die allen Kulturen gemeinsam ist und die, wenn auch auf unendlich viele verschiedene Arten, eine gemeinsame Sicht der Not des Menschen aufzeigt. Würde man solche grundlegenden Einsichten wiederentdecken, könnte man daraus ohne Zweifel diese wichtigen Gemeinsamkeiten, die alle Völker vereinen, ableiten und darauf ein einziges globales Regierungssystem aufbauen. Daraus könnten dann ein umfassendes Weltethos und eine gemeinsame „Verfassung der Rechte und Pflichten der Menschen“ entwickelt werden. Und haben sich diese erst einmal durchgesetzt, wäre die Menschheit dafür gerüstet, die notwendige moralische Reife und Weisheit für die Schaffung einer echten globalen Gesellschaft oder für eine Neue Weltordnung zu entwickeln. Für eine Regierung gibt es kein anderes gerechtigkeits- und einheitsförderndes Instrument als sich in ihrem Entscheidungsprozess von ethischen und geistigen Prinzipien leiten zu lassen.
Für die Bahá’í liegt die Ursache für Globalisierung in der Evolution der menschlichen Zivilisation. Die Bahá’í sehen sie als unvermeidbares Ergebnis des schrittweisen Heranreifens der Menschheit als Ganzes. Shoghi Effendi, der Hüter der Bahá’í-Religion, beschrieb die globale Weltordnung als „das Ziel, dem die Menschheit, durch die vereinenden Lebenskräfte angetrieben, zustrebt". [4]
Er führte folgende unerlässliche Voraussetzungen für die Schaffung eines existenzfähigen globalen Systems auf:
 
- ein demokratisch gewähltes Weltparlament mit der Autorität der Gesetzgebung;
 
- eine globale Exekutive, die mit der Umsetzung dieser Gesetze betraut ist;
 
- ein internationales Gericht, um über Rechtsstreitigkeiten zu richten;
 
- ein weltweites Kommunikationssystem, das auf jedem Fleck der Erde allen Bürgern zugänglich ist;
 
- eine internationale Welthilfssprache;
 
- ein einheitliches Gewichts-, Maß- und Währungssystem;
 
- eine ethisch orientierte Weltpresse und ethisch orientierte Weltmedien;
 
- wirtschaftliche Gerechtigkeit für alle;
 
- eine Welt frei von Vorurteilen.
 
 
Es muss betont werden, dass der von Shoghi Effendi entwickelte Plan nicht als Antwort auf 
die zwei großen Weltkriege oder andere Katastrophen im 20. Jahrhundert entworfen wurde. Die 
Kernpunkte seiner Vision sind vielmehr schon in den Bahá’í-Schriften festgehalten worden, 
die lange vor dem Beginn des 20. Jahrhunderts offenbart wurden. In Ihrem Streben nach einer 
Welt, aufgebaut auf das Prinzip der Einheit in der Vielfalt, beschäftigen sich Bahá’í bereits 
seit den Anfängen ihres Glaubens in der Mitte des 19. Jahrhunderts eingehend mit den 
Herausforderungen der Globalisierung.
Um nun zur Frage nach einem kollektiven Sicherheitssystem und des Schutzes von Recht und 
Ordnung auf internationaler Ebene zu kommen: Dieser kritische Punkt wurde von Bahá’u’lláh 
zum ersten Mal in den Jahren 1867 und 1868 angesprochen. In seinen Briefen an die damals 
regierenden Könige und Herrscher betonte er, wie wichtig es sei, ein System der kollektiven 
globalen Sicherheit zu entwickeln, das alle Staaten umfasst. Er sah zweierlei Mechanismen zu 
deren Sicherung vor: In erster Instanz die formelle Anwendung von Beratungsmechanismen, um den
Dialog zwischen Regierung und dem Volk anzuregen und damit Spannungen abzuschwächen, 
Aggressionen zu vermeiden und Konflikte zu lösen. Nur in zweiter Instanz, und erst wenn
alle friedlichen Mittel ausgeschöpft seien, würden wirksame Zwangsmechanismen eingesetzt, 
um Staaten oder Gruppen, die eine kriegerische Politik verfolgten, im Zaum zu halten oder
zu bestrafen. Diese zweifache Maßnahme der kollektiven 
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Sicherheit - Beratung und Sanktionierung - wurde von Bahá’u’lláh folgendermaßen beschrieben:
„Die Zeit muss kommen, da die gebieterische Notwendigkeit für die Abhaltung einer ausgedehnten, allumfassenden Versammlung der Menschen weltweit erkannt wird. Die Herrscher und Könige der Erde müssen ihr unbedingt beiwohnen, an ihren Beratungen teilnehmen und solche Mittel und Wege erörtern, die den Grund zum Größten Weltfrieden unter den Menschen legen. Ein solcher Friede erfordert es, dass die Großmächte sich um der Ruhe der Völker der Erde willen zu völliger Aussöhnung untereinander entschließen.“ [5]
Trotz der Überzeugung der Bahá’í, dass die Ursachen für Konflikte zwischen den Völkern überwunden werden können, anerkennt dieser Entwurf zur kollektiven Sicherheit dennoch die Realität, dass die Möglichkeit, Zwietracht zu stiften, eine dem menschlichen Wesen innewohnende Wirklichkeit ist. Deshalb unterstützt die Bahá’í-Gemeinde die Einsetzung einer internationalen Polizeitruppe zur Friedensüberwachung und -erhaltung. Denn damit Globalisierung in ihrer höchsten Form funktioniert, muss die Staatengemeinschaft vorbereitet sein - psychisch, politisch und militärisch —, um einzugreifen, damit die unveräußerlichen Rechte der Menschen, der Gemeinden und Staaten auf Sicherheit und Schutz gleichermaßen gewahrt bleiben. Tatsächlich ist die wichtigste Frage in Hinblick auf die Globalisierung zurzeit, wie man sicherstellen kann, dass der Prozess der universalen Integration nicht auf Kosten der Integrität der einzelnen Teile geht.
Obwohl so viele der Wertvorstellungen, die mit der Globalisierung zusammenhängen, gefühllos und entmenschlicht sind, wäre die schlechteste Art sie zu bekämpfen, sich aus dem Prozess zurückzuziehen. Es wurde mit Recht gesagt, dass sich der Globalisierung zu widersetzen dem Kampf gegen das Gesetz der Schwerkraft gleichkomme, beide Versuche seien zum Scheitern verurteilt. Der französische Philosoph Voltaire schrieb: „Wer nicht im Geist auf sein Alter eingestimmt ist, hat das ganze Ungemach seines Alters zu tragen.“ Anstatt sich aus dem Prozess der Globalisierung zurückzuziehen, sind gerade die Entwicklungsländer und indigenen Gemeinschaften dazu aufgerufen, diesen Prozess selbst zu formen, indem sie aktiv daran teilnehmen. Der Welt dürfen auf keinen Fall die unverkennbaren und unschätzbar wertvollen Beiträge vorenthalten werden, die alle Gesellschaften ohne Ausnahme leisten können, indem sie mit anderen ihre höchsten und edelsten Werte teilen. Wenn man nicht verhindert, daß die Globalisierung - wie es im Moment geschieht - wie ein führerloser Bulldozer einen Kurs der Verwüstung fährt, wird sie vor allem für jene Völker Zerstörung bringen, deren Leben sich primär nach ethischen und geistigen Faktoren ausrichtet. Wird dieses Ungeheuer allerdings mit einem fühlenden Herzen und erleuchteten Gedanken ausgestattet, wird es eine genauso ertragreiche Quelle des Guten werden, wie es vorher eine des Bösen war.
Damit die geistigen Dimensionen der Globalisierung zum Ausdruck kommen, ist es unerlässlich, dass das Bildungssystem der ganzen Welt dafür genutzt wird, der nächsten Generation die entsprechenden Prinzipien zu diesem ganzheitlichen Weltbild zu vermitteln. Sogar die grundlegendste Bildung muss der Globalisierung dienen, indem sie die Menschen ermutigt, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Um diesem Ziel zu dienen, ist ein Bildungssystem mit einer moralischen Ausrichtung und von universellem Umfang vonnöten. Es setzt sich dafür ein, unter allen Umständen das Prinzip der Einheit in der Vielfalt zu erhalten und ein Gefühl der Weltbürgerschaft zu vermitteln - eine Art des Bewusstseins, die Hand in Hand mit der Anerkennung der Einheit des menschlichen Seins geht. In seinem Antwortschreiben an die „Zentralorganisation im Haag für einen dauernden Frieden“, einer privaten Friedensinitiative in Den Haag aus dem Jahr 1919 erklärt 'Abdu'l-Bahá:
„Es gibt keine Seele, deren Gewissen nicht bezeugte, dass es heutigen Tages nichts Wichtigeres auf der Welt gibt als den Weltfrieden. ... Der wesenhaften Beziehung gewahr, die von der Wirklichkeit der Dinge ausgeht, bedenken weise Seelen jedoch, dass eine einzelne Sache für sich die menschliche Wirklichkeit nicht so beeinflussen kann, wie es sein sollte und müsste; denn ehe die Menschen in ihrer Gesinnung geeinigt werden, lässt sich nichts Wichtiges bewerkstelligen. Heute ist der Weltfriede von großer Bedeutung, aber die Einheit des Gewissens ist dabei wesentlich, damit des Friedens Grundlage gesichert, sein Gefüge fest und sein Bau stark sei.“ [6]
- [1] Bahá’u’lláh, Ährenlese - Eine Auswahl aus den Schriften Bahá’u’lláhs, Bahá’í-Verlag 1980, S. 218, 249
 - [2] Samuel P. Huntington, Kampf der Kulturen - Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert (München, Europa Verlag GmbH, 1998), S. 528. Im vergangenen Jahrzehnt wurde Professor Huntingtons Theorie über internationale Beziehungen viel diskutiert und in manchen Kreisen lautstark dafür verurteilt, dass sie geholfen hätte, die Konsequenzen, vor denen sie vorgab zu warnen, herbeizuführen. Der Autor dieses Textes lehnt die Ansicht, dass ein „Kampf der Kulturen“ zurzeit stattfindet oder unvermeidbar ist, strikt ab.
 - [3] Bahá’u’lláh, Botschaften aus Akká, Bahá’í-Verlag 1982, S. 190
 - [4] vgl. Shoghi Effendi, Guidance for Today and Tomorrow, London, Bahá’í Publishing Trust 1973, S. 169
 - [5] Bahá’u’lláh, Ährenlese - Eine Auswahl aus den Schriften Bahá’u’lláhs, Bahá’í-Verlag 1980, S. 217
 - [6] 'Abdu'l-Bahá, Der Weltfriedensvertrag, Bahá’í-Verlag 1988, S. 2
 
TEMPORA
- Nr. 11 - Mai 2004
 
Die Globalisierung unseres Planeten erfordert in allen Bereichen ein
gänzlich neues Denken und Handeln. TEMPORA beschäftigt sich auf
dem Hintergrund der Bahá’í—Lehren mit aktuellen Zeitfragen und möchte 
durch Gedankenimpulse die Entwicklung zu einer geeinten Welt fördern.
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© Bahá’í-Verlag GmbH 2004
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Familie
  
Familie - glücklich
wer eine hat.
Glücklich,
wer in einer Familie aufwachsen darf.
Gar nicht so
selbstverständlich, leider.
 
Familie -
Urzelle einer harmonischen
Entfaltung des Lebens.
Ist das zu romantisch gesehen?
Zu ideal gedacht?
Tempora geht der Frage nach
Was gefährdet unsere Familien?
Und was kann man / frau / kind
dagegen tun oder
besser dafür,
dass Vertrauen groß werden
und Liebe wachsen kann?
Wie lassen sich Probleme kreativ lösen?
Und was steckt hinter Begriffen wie
Verzauberung und Keuschheit,
die scheinbar
so ganz aus der Mode gekommen sind?
  
Wir bitten Künstlerinnen und Künstler:
„Zeigt uns Bilder, Visionen oder Installationen zum Thema Familie.“
Wir freuen uns auf Ihre Zusendung von Fotos oder Bildmaterial.
- Einsendeschluss
 
- 15. Dezember2004
 - Zusendungen an:
 - Redaktion TEMPORA
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 - D-65719 Hofheim
 
TEMPORA Familie
Erscheint im Mai 2005
Die Bahá’í-Religion
Zentrale Lehren
- Die Einheit Gottes
 
- Es gibt nur einen Gott,
 - mit welchem Namen
 - er auch benannt oder
 - umschrieben wird.
 
- Die Einheit der Religionen
 
- Alle Offenbarungsreligionen bergen den
 - gleichen Kern ewiger Wahrheiten, wie
 - die Liebe zu Gott und den Menschen.
 
- Bestimmte Gesetze jedoch, die zum
 - Beispiel die Organisation der Gemeinde,
 - das Sozialwesen oder die Hygiene
 - betreffen, müssen sich im Zuge der
 - Menschheitsentwicklung verändern.
 
- In großen Zyklen offenbart Gott sich
 - durch seine Boten wie Krishna, Buddha,
 - Moses, Christus, Mohammed und
 - Bahá’u’lláh und erneuert diesen Teil
 - seiner Gebote als Antrieb für den
 - menschlichen Fortschritt.
 
- Die Einheit der Menschheit
 
- Die Menschheit ist eine einzige,
 - große Familie mit völlig
 - gleichberechtigten Mitgliedern.
 
- Ihren Ausdruck finden diese
 - grundlegenden Lehren in Prinzipien wie:
 
- ▪ Selbständige Suche nach Wahrheit
 
- ▪ Gleichstellung von Frau und Mann
 
- ▪ Soziale Gerechtigkeit
 
- ▪ Entscheidungsfindung durch Beratung
 
- ▪ Abbau von Vorurteilen.
 
- ▪ Übereinstimmung von Religion und Wissenschaft
 
 
Zentrale Gestalten
- Báb (1819-1850), der Vorbote
 - Bahá’u’lláh (1817-1892), der Stifter
 - 'Abdu'l-Bahá (1844-1921), der Ausleger
 - Shoghi Effendi (1897-1957), der Hüter
 
Die Bahá’í-Gemeinde
- organisiert sich in Gremien,
 - die auf örtlicher, nationaler und
 - internationaler Ebene von den
 - erwachsenen Gemeindemitgliedern
 - in freier, gleicher und geheimer Wahl
 - ohne Kandidatur oder Wahl-
 - kampagnen gewählt werden.
 - Es gibt keinen Klerus.