Wirklichkeit/Jahrgang 2/Heft 18/Text

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           Mulk 77 (Oberherrschaft), Jahrgang 2, Heft 18

'Wirklichkeit'

Herausgegeben v. d. Bahai-Arbeitsgemeinschaft, Esslingen.

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'A n s p r a c h e   A b d u l   B a h a s'

'in der Central Congregational Kirche in Brooklyn! 

Die Ursachen der religiösen Differenzen und wie sie beseitigt werden können. 

Dies ist ein schöner Tempel eine gute Gemeinde, denn Preis sei Gott, dies ist ein Tempel, in welchem Gewissensfreiheit herrscht. Jede Religion, jede religiöse Aspiration darf hier frei verkündet werden. Gerade wie es in der Politik nötig ist, Gedankenfreiheit zu haben, so sollte auch in der Religion jedermann das Recht auf eine uneingeschränkte Meinung haben. Betrachtet, welch ein grosser Unterschied besteht zwischen der heutigen Demokratie und den alten despotischen Regierungsformen. Unter einer despotischen Regierung sind die Meinungen nicht frei, während bei einer demokratischen Regierung der grösste Fortschritt möglish ist, weil bei ihr weder Gedanken noch Rede beschränkt sind. Ebenso ist es in der Religion. Wenn Gewissensfreiheit, Gedankenfreiheit und Redefreiheit vorherrschen, d.h. wenn sich jedermann gemäss seiner Ueberzeugung betreffs seines eigenen Glaubens aussprechen darf, dann werden Entwicklung und Wachstum unvermeidlich daraus hervorgehen. Deshalb ist dies eine gesegnete Kirche, weil ihre Kanzel für jede Religion offen steht und weil die Redner einer jeden Religion ihre Ideale der Gemeinde frei und offen darlegen dürfen.

Aus diesem Grund bin ich dem ehrwürdigen Herrn Pastor sehr dankbar denn ich finde, dass er ein Diener ist für die Einheit der Menschheit. Die hl. Manifestationen, welche die Urheber der verschiedenen Religionssysteme waren, sind alle miteinander in Uebereinstimmung. Z.B. Seine Heiligkeit Abraham, Mose, Zoroaster, Buddha, Jesus, Mohammed, der Bab und Baha Ullah sind eins im Geist und in den Lehren. Ja noch mehr, jeder Prophet hat die Lehren dessen erfüllt, der vor ihm da war und jeder Prophet verkündigte das Erscheinen dessen, der nach ihm kommen werde. Betrachte, wie Seine Heiligkeit Abraham das Kommen Moses voraussagte und wie Mose diese Darstellung Abrahams bestätigte. Seine Heiligkeit Mose prophezeite das messianische Zeitalter und Seine Heiligkeit Christus erfüllte das mosaische Gesetz. Es ist deshalb klar, dass alle geeinigt und einig sind, es gibt keinen Unterschied oder irgend welche Unterscheidungsmerkmale zwischen ihnen. Sie alle sind Gründer der Wirklichkeit und Verkündiger der Religion Gottes. Religion Gottes ist Wirk- 

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lichkeit, und diese ist nicht in der Mehrzahl, denn es gibt nur eine Wirklichkeit. Die göttlichen Religionen haben deshalb alle nur eine Grundlage, weil sie alle auf dieser einen Wirklichkeit gegründet sind. Aber die Anhänger dieser Religionen wurden uneins, Missklang, Feindseligkeit, Streit, Erbitterung und Krieg wurden reif unter ihnen, weil sie das göttliche Fundament der Wirklichkeit verlassen haben und sich an Aeusserlichkeiten hielten. Da diese Aeusserlichkeiten voneinander abwischen, hat sich Streit und Feindschaft eingeschlichen. Z.B. Seine Heiligkeit Christus – möge mein Geist ein Opfer für ihn sein – legte das Fundament, und dies Fundament war die ewige Wirklichkeit. Aber nach der Zeit Seiner Heiligkeit Christi erhoben sich viele Sekten. Was hat nun die Entstehung dieser Sekten verursacht? Sie wurden ohne Zweifel durch dogmatische Lehrsätze verursacht, denn die Fundamente Seiner Heiligkeit Christi bildeten das eine Fundament der Wirklichkeit. Dadurch, dass sich diese Aeusserlichkeiten eingeschlichen hatten, entstanden verschiedene Sekten und Konfessionen. Wenn nun die christlichen Konfessionen u. Sekten einmal die Wirklichkeit erforschen, dann wird das Fundament Christi, welches die göttl. Wirklichkeit ist, sie alle einigen.

Es wird keine Feindseligkeit oder Erbitterung mehr unter ihnen zurückbleiben; denn sie werden alle der einen Wirklichkeit nacheifern.

Wenn nun in gleicher Weise die jetzt existierenden Religionssysteme ihre von den Vorfahren ererbten Anschauungen aufgeben würden, wenn sie sich bemühen würden, dann wüssten sie die wirkliche Bedeutung der hl. Bücher herauszufinden, denn das Fundament aller Religionen ist die Wirklichkeit. Solang sie diesen gefälschten Lehren folgen und die Wirklichkeit nicht erforschen, wird unzweifelhaft Erbitterung und Streit unter ihnen herrschen und sich Tag für Tag vergrössern. Lasst mich diesen Punkt etwas illustrieren. Seine Heiligkeit Mose und die israelitischen Propheten verkündigten das Kommen des Messias, aber sie taten dies in symbolischer Sprache. Als dann Seine Heiligkeit Christus erschien, verwarfen Ihn die Juden, obgleich es Tatsache ist, dass sie Seine Manifestation erwarteten und in den Tempeln und Synagogen beteten und flehten: O Gott! Beschleunige das Kommen des Messias! Aber als Seine Heiligkeit der Messias erschien, verleugneten sie Ihn. Warum verleugneten sie Ihn? Weil sie den Ueberlieferungen gefolgt waren, und die 

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Wirklichkeit nicht erforscht hatten. Sie hatten den inneren Sinn der Bibel nicht erkannt. Sie machten Einwendungen und sagten:

1. Wir erwarten Seine Heiligkeit Christus; aber das Kommen Seiner Heiligkeit ist an gewisse Erfüllungen gebunden. Die Propheten gaben hierfür gewisse Ankündigungen. Eines der prophetischen Zeichen in Bezug auf das Kommen war, dass Seine Heiligkeit von einem unbekannten Ort kommen werde, dieser Messias dagegen kam von Nazareth. Wir wissen sein  Haus und kennen seine Mutter.

2. Eine der Bedingungen oder eines der messianischen Zeichen war, dass sein Scepter ein eiserner Stab sein werde (Psalm 2:9). Dieser Christus hat aber nicht einmal ein Scepter aus Holz.

3. Er werde auf dem Throne Davids sitzen, dieser Messias dagegen befindet sich in grösster Armut und hat nicht einmal eine Matte, worauf er sitzen könnte.

4. Er werde den Osten und Westen besiegen. Dieser Mann hat aber nicht einmal ein Dorf besiegt; wie kann er dann der Messias sein?

5. Er hätte die Gesetze der Bibel zu verkündigen. Dieser aber hat es nicht nur unterlassen, die Gesetze der Bibel zu verkündigen, sondern er hat sogar das Gesetz des Sabbaths gebrochen.

6. Der Messias hätte allen Juden, welche in Palästina zerstreut sind, sammeln und sie ehren sollen. Aber dieser hat die Juden herabgesetzt u. hat sie nicht versammelt.

7. Durch seine Regierung sollten sich sogar die Tiere seines Segens erfreuen. Gemäss der prophetischen Worte soll der Messias die Welt erobern und der Friede soll derart sein, dass der Adler und die Wachtel zusammenleben; der Löwe und das Reh auf denselben Weideplatz liegen werden. Unter den Menschen werde der Kampf gänzlich aufhören und die Kriege werden nicht mehr sein, die Schwerter werden in Pflugscharen und die Spiesse in Sicheln verwandelt werden, die Kriege werden für immer verschwinden. In den Tagen dieses Messias sehen wir jedoch die Ungerechtigkeit derart herrschen, dass sogar Er Selbst geopfert wurde. Wie kann er der verheissene Messias sein? Dies ist nicht der verheissene Messias.

Solche schändliche Worte äusserten sie. Die Juden könnten die Bedeutung dieser Prophezeiung insofern nicht begreifen, weil sie in die See der vererbten Ueberlieferungen untergetaucht waren. Alle diese Prophezeiungen waren erfüllt; da sich aber die Juden beharrlich an die angestammten Lehrsätze hielten, so begriffen sie die Bedeutungen der hl.  

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Bibel nicht, leugneten Seine Heiligkeit den Messias. Der Sinn der profetischen Worte war nicht die äussere buchstäbliche Bedeutung, sondern die in Symbolen zum Ausdruck gebrachte Bedeutung. Z.B. sie erwähnten, dass der Messias von einem unbekannten Ort kommen müsse. Dies bezog sich nicht auf den Körper von Jesus; es bezog sich auf die Wirklichkeit von Christus, d.h. die Christus-Wirklichkeit kam von dem unsichtbaren Reich und diese ist geheiligt über jeden Ort.

Unter dem Schwert, das Christus führen werde ist Seine Zunge gemeint welche das Wahre vom Falschen trennen werde, und durch dieses scharfe Schwert besiegte Er die Reiche der Herzen. Er siegte nicht durch einen eisernen Stab; er besiegte den Osten und Westen durch das Schwert Seiner Zunge.

Er sass auf dem Throne Davids, aber Seine Herrschaft war keine Souveränität eines Napoleon, sie war auch keine Souveränität eines Pharao. Die Christus-Herrschaft war eine ewige und immerwährende, für welche es kein Ende gibt.

Mit der Verkündigung der biblischen Gesetze war die Wirklichkeit der Gesetze Moses gemeint. Diese Gesetze sind die wahren Grundlagen des Christentums. Es gibt keinen Unterschied zwischen ihnen.

Er besiegte und überwand den Osten und Westen. Dieser Sieg wurde bewirkt durch die Kraft des Heiligen Geistes, der dem Osten und Westen die wahre Freiheit brachte.

Gemäss der Prophezeiungen werden in Seinen Tagen der Wolf und das Lamm aus derselben Quelle trinken. Dies wurde verwirklicht. Unter der Quelle ist das Evangelium zu verstehen, aus welchen das Wasser des Lebens hervorsprudelt. Der Wolf und das Lamm versinnbildlichen die verschiedenen einander feindlich gesinnten Rassen, welche sich wie diese Tiere zeigten. Sie könnten unmöglich zusammenkommen. Nachdem sie aber an Jesus Christus gläubig geworden waren, wurden sie, obgleich sie zuvor wie die Wölfe und die Lämmer einander gegenüberstanden durch die Worte des Evangeliums geeinigt.

Damit will ich sagen, dass die Bedeutungen der Prophezeiungen erfüllt wurden. Da aber die Juden in den ererbten Anschauungen befangen waren und sich die Weissagungen nicht nach ihrem Sinne verwirklichten, so leugneten sie Seine Heiligkeit Christus, ja noch mehr, sie gingen soweit, dass sie Ihn kreuzigten. Bedenkt, wie verderblich solche Uebelieferungen sind! Dies waren Ueberlieferungen, welche sie von ihren  

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Vätern und Voreltern ererbt hatten, und weil sie sich an diese hielten, wurden sie des Segens, der von Christus ausging, beraubt.

Es ist deshalb klar, dass wir all diesen Ueberlieferungen entsagen müssen, damit wir nicht denselben Irrtum begehen, wie die Juden. Wir müssen die Wahrheit erforschen. Wir müssen alle selbstsüchtigen Absichten ablegen. Wir müssen alles, was vom Hörensagen herrührt, von unserem Geist verbannen und die Wirklichkeiten erforschen. Die Juden betrachteten Seine Heiligkeit Christus als einen Feind Moses, wohingegen Seine Heiligkeit Christus die Worte Moses verkündigte. Er verbreitete den Namen Mose im ganzen Orient und im Occident. Er verbreitete die Bücher Moses. Wenn Seine Heiligkeit Christus nicht gewesen wäre, dann würden wir wohl kaum den Namen Mose gehört haben. Wenn Seine Heiligkeit Jesus Christus nicht als der Messias geoffenbart worden wäre, dann hätten wir das Alte Testament nicht so vollständig erhalten. Tatsache ist es, dass Seine Heiligkeit Jesus Christus das mosaische Gesetz erfüllte und Mose in jeder Weise hochhielt. Aber blinder Ueberlieferungen wegen betrachteten die Juden Seine Heiligkeit Christus als einen Feind Moses.

Eine der zeitgenössischen Religionen ist der Mohammedanismus. Diese Religion hat über 300 Millionen Nachfolger. Von den alten Zeiten an bis auf den heutigen Tag gab es Feindschaft und Streitigkeiten zwischen den Mohammedanern und Christen. Daran ist das Missverständnis schuldig, welches zwischen diesen zwei grossen Religionen besteht. Könnten die Aeusserlichkeiten vergessen werden, dann würde auch keine Feindschaft mehr zwischen ihnen vorhanden sein und sie würden in bester Kameradschaft miteinander leben. Ich möchte nun eure Aufmerksamkeit auf einen sehr wichtigen Punkt lenken. Alle Islamiten betrachten den Koran als das Wort Gottes. Der Koran, die Bibel der Mohamedaner, entält ausführliche Berichte, dass Seine Heiligkeit Jesus Christus das Wort Gottes war, dass Er der Geist Gottes war, dass Jesus Christus in diese Welt kam durch die Belebung des Hl. Geistes, dass Seine Geburt durch den Hl. Geist veranlasst wurde und dass Seine Mutter, Maria, heilig und geheiligt war.

Im Koran ist der Geschichte  von Jesus Christus ein ganzes Kapitel gewidmet, und es ist berichtet, dass Er in Seiner Jugendzeit Gott verehrte in dem Tempel von Jerusalem; dass Manna vom Himmel für Ihn herabkam und dass Seine Heiligkeit bald nach Seiner Geburt Worte äusserte. Kurz gesagt, im Koran ist in bezug auf Christus ein Lobpreis und ein Lob enthalten, wie ihr es in den Evangelien nicht finden werdet. Die  

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Evangelien berichten nichts davon, dass das Jesu Kindlein bald nach seiner Geburt sprach. In den Evangelien ist auch nicht berichtet, dass Gott Nahrung für das Kindlein herabsandte; aber im Koran ist es wiederholt gesagt, dass Gott Tag für Tag Manna als Nahrung für das Kind herabsandte. Beachtenswert ist, dass Mohammed, als Er Sein werk und Seine Mission verkündigte folgende Worte an Sein eigenes Volk richtete: „Warum habt ihr das Evangelium nicht angenommen? Warum habt ihr nicht an Mose geglaubt? Warum habt ihr nicht an das Alte Testament geglaubt? Warum habt ihr nicht an die israelitischen Propheten geglaubt? Warum habt ihr nicht an die Jünger Christi geglaubt?

Die erste Pflicht, die Ich euch Arabern auferlege, ist, dass ihr an diese glaubt. Ihr müsst Mose als einen Propheten betrachten. Ihr müsst Jesus Christus als das Wort Gottes betrachten. Ihr müsst das Alte und Neue Testament als das Wort Gottes anerkennen! Sein Volk erwiderte: Sehr gut, wir würden an ihn glauben, aber unsere Väter und Voreltern glaubten nicht an Ihn und doch sind wir stolz auf sie. Was wird aus Ihnen? Mohammed sagte: Ich erkläre euch, dass sie die niederste Stufe der Hölle bewohnen, weil sie nicht an Mose glaubten, weil sie nicht an Christus glaubten und weil sie die Bibel nicht annahmen; sie befinden sich in einem Zustand der Verzweiflung in der Hölle, obgleich sie Meine Vorfahren waren. Dies ist ein ausführlicher Abschnitt aus dem Koran. Es ist keine Ueberlieferung, es ist keine leere Erzählung. Es steht in dem Koran, welcher in den Händen des Volkes ist. Deshalb ist es klar, dass es Missverständnisse sind, welche so viel Kriege und Streitigkeiten verursachten. Wenn beide Parteien (Christen und Mohammedaner) die Wirklichkeit erforschen würden, dann würde dadurch die grösste Einigkeit u. Freundschaft zustande kommen. Streit und Feindseligkeiten würden für immer verschwinden und die Menschheit würde Friede und Ruhe finden.

Es gibt 250 Millionen Christen und über 300 Millionen Mohammedaner. Wieviel Blut wurde vergossen, wieviel Menschen wurden getötet, wieviele Kinder wurden vaterlos, wieviele Väter verloren ihre Kinder, wieviele Mütter beweinten den Verlust ihrer Lieben. Alle diese Dinge sind Missverständnissen zuzuschreiben. Wenn die Hl. Schriften richtig verstanden worden wären, dann würden alle diese Uneinigkeiten nie aufgekommen sein: es würde die grösste Liebe und Brüderlichkeit geherrscht haben. Dasselbe ist der Fall bei allen anderen Religionen. Ich gab diese Schilderung um die Zustände auch bei den andern zu illustrieren. Es soll damit  

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gesagt sein, dass die Religion Gottes das Mittel zur Einigkeit ist. Die heiligen göttlichen Manifestationen Gottes waren alle Gründer der Gemeinschaft. Sie kamen alle in die Welt, um Brüderlichkeit und Freundschaft zu errichten. Sie kamen nicht, um Missklang, Streit und Feindschaft unter die Menschen zu bringen. Die Religion Gottes ist die Ursache der Liebe; wenn sie aber zur Ursache des Streites und der Feindschaft wird, dann ist es sicherlich besser, ohne sie zu sein, denn alsdann ist sie ein Unglück für die Menschheit. Es ist daher sicher, dass sich die Menschheit von einem solchen Unglück befreien muss.

Im Orient herrschte unter den verschiedenen Völkern und Nationen Streit und Aufruhr. Sie pflegten den grössten Hass und die grösste Feindschaft unter einander; Dunkelheit umgab alle Nationen. In einer solchen Zeit trat Seine Heiligkeit Baha Ullah auf. Er besiegte alle die Vorurteile, welche die Ursache der Trennung waren und legte das Fundament für die eine Religion Gottes.

Als die Vorurteile beseitigt waren, da zeigte es sich, dass Mohammedaner, Christen, Juden, Zoroaster und Buddhisten in Liebe und Freundschaft geeinigt waren. Die Seelen, welche Baha Ullah aus allen Nationen nachfolgten, wurden wie eine Familie, sie lebten in einem Zustand der grössten Liebe und Eintracht und waren sogar willens, ihr Leben für einander zu opfern. Z.B. die Mohammedaner gaben ihr Leben hin für die Christen, die Juden opferten ihr Leben für die Christen, und sie alle waren willens, ihr Leben aufzuopfern für die Zoroaster. Sie leben jetzt in der grössten Liebe, Freundschaft und Einigkeit. Sie haben den Zustand der Wiedergeburt erlangt, sie wurden neu belebt durch den Odem des Hl. Geistes. Preis sei Gott! Ein solches Leben ging vom Osten aus, und schliesslich wird die Zeit kommen, in der es im Osten keine Feindschaft mehr geben wird. Durch die Macht Baha Ullahs werde alle geeinigt werden. Seine Heiligkeit Baha Ullah hisste diese Fahne von der Einheit der Menschheit im Gefängnis. Als Er von zwei Königen verbannt wurde, schrieb Er während der Tage Seiner Einkerkerung an alle Könige. Er ermahnte sie zur Eintracht, zur Einigkeit und zum internationalen Frieden. Er machte ihnen zur Pflicht, dass ein Schiedsgericht eingesetzt werden soll, zu welchem alle Regierungen Abgeordnete senden sollen. Dies soll dann einen grossen Schiedsgerichtshof der Gerechtigkeit bilden, in welchem alle internationalen Streitigkeiten geschlichtet  

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werden sollen. Er schrieb an die Königin Victoria von England, an den Zar von Russland, an den König von Preussen und an Napoleon III von Frankreich. Er schrieb an alle Könige und ermahnte sie zur Einigkeit und zum Frieden. Er wurde durch eine himmlische Macht befähigt, diese Ideale im Orient zu verbreiten. Sogar Könige könnten Seiner Macht nicht widerstehen. Sie bemühten sich, Seine Lampe auszulöschen, aber Baha Ullah widerstand sogar im Gefängnis, sowohl dem Schah von Persien als dem Sultan der Türkei und verbreitete Sein Wort, bis Er endlich das Banner der Wahrheit und der Einheit der menschlichen Rasse im Orient aufpflanzte. Ich selbst war 40 Jahre lang ein Gefangener, bis die Jungtürken von dem Komitee für Einheit und Fortschritt den Despotismus Abdul Hamids brachen, ihn selbst entthronten und Freiheit verkündigten. Wenn das Komitee für Einheit und Fortschritt nicht gewesen wäre, dann wäre ich ein Gefangener geblieben bis zum Ende meines Lebens. Bemerkenswert ist, dass Baha Ullah im Gefängnis die Fahne des Friedens hissen konnte, obgleich zwei despotische Könige Seine Unterdrücker waren. Der König von Persien Naser Ed Din Schah liess 20 000 Bahais töten. Diese Märtyrer opferten ihr Leben mit grösster Bereitwilligkeit für ihren Glauben. Diese zwei Könige könnten einem Gefangenen nicht widerstehen; dieser Gefangene pflanzte die Fahne der Menschenfreundlichkeit auf und verursachte, dass die orientalischen Völker geeinigt wurden.

Jetzt leben im Orient nur noch die in Feindschaft miteinander, welche Baha Ullah nicht nachfolgen, aber diejenigen aus allen Nationen, welche Baha Ullah nachfolgen, erfreuen sich eines Zustandes der Brüderlichkeit und Freundschaft.

Wenn ihr einer ihrer Versammlungen beiwohnen könntet, so würdet ihr keinen Unterschied finden zwischen Christen und den Mohammedanern, ihr würdet nicht wissen, wer von ihnen zuvor ein Jude, ein Zoroaster oder ein Buddhist war, sie sind alle in grösster Liebe miteinander verbunden, als ob sie einer Familie angehörten und als ob sie ein Volk wären.

Darum, an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen! 

Aus dem Englischen übers.  v. W. Herrigel, Stuttgart.