Jahrgang I, Heft 3, OLA 76, (Oberherrschaft)
'Wirklichkeit'
Herausgegeben v. d. Bahai-Arbeitsgemeinschaft, Esslingen
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'Worte Abdul Baha’s'
Aufgenommen von Mirza Azizollah S. Bahadur und den deutschen Freunden zugesandt in einem Brief an A. K. in E.
„Meine Gesundheit ist gut, ich bin achtsam auf sie –
Ich weiß, dies ist notwendig für den Fortschritt der hl. Sache. Aber manchmal, wenn Ich fühle, dass in gewissen Gruppen der Freunde vollkommene Einigkeit, Harmonie und Liebe nicht vorherrschen, hält Meine Gesundheit nicht stand u. Fieber befällt Mich.
Die Gunst u. Gnade Gottes ist universal wie die Sonne, deren Licht ohne Unterschied auf jedes Fleckchen Erde fällt. Es treten verschiedene Seelen an den Tag, welche dieses Licht empfangen, in das Königreich Gottes eintreten und zu himmlischer Gnade gelangen.
Sie werden erleuchtet und reflektieren die göttlichen Bestätigungen, sie werden bestätigt sein in der Führung anderer zu dem Königreich Gottes. Wenn sie ihre Worte sprechen, werden die Zuhörer beeinflusst, weil der hl. Geist Gottes aus solchen oder ihrer Seele ausströmt. Diese Seelen, auf der einen Seite, sehen, dass ihre Worte Einfluß haben auf die Zuhörer; auf der andern Seite sehen sie, dass sie hochgeachtet sind unter den Freunden. Es ist ein Fehler; sie werden nachlässig und kommen stufenweise von dem Bahaigeist ab. Sie werden selbstzufrieden und fangen an zu denken, dass der Einfluß ihres Wortes ihrer eigenen Persönlichkeit zuzuschreiben ist. Sie denken sich
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nach und nach selbst als die bevorzugte höhere Klasse den andern Freunden gegenüber pessimistisch und fangen an, das Leben und den Dienst der andern Freunde zu kritisieren. In der Selbstüberhebung erreichen sei einen solchen Grad, dass sie denken, sie seien mit einer himmlischen Mission gesegnet, um die Sache zu reformieren; das ist wahrlich ein Fehler. Dieser Fehler ist gegründet auf Nachlässigkeit der göttlichen Verordnung. Diese Selbstzufriedenheit schneidet sie immer mehr von der Höhe des hl. Geistes ab, deshalb verlieren diese Menschen nach u. nach ihren Scharm und ihre Achtung im Ansehen. Selbst jene, welche sie in das Königreich eingeführt haben, werden nach und nach kalt u. verlassen sie. Auf einmal werden sie bewußt, dass sie sehr unglücklich sind, so welken sie und verblassen. Die Ursache dieses Misserfolges ist, dass sie nicht ganz in sich selbst sterben, auf dass sie wiedergeboren werden.
Wenn sie der Sache angehören, schreiben sie Mir Briefe. Ich lese ihr ganzes Wesen. Ich antworte ihnen mit größter Liebe, auf dass sie ihr inneres Wesen ganz verändern und für die zweite Wiedergeburt vorbereitet werden, von welcher Seine Heiligkeit Christus gesprochen hat.
Jeder von den Freunden, der wiedergeboren wird, wird ein Stein an der Errichtung des Himmlischen Bauwerkes, aber leider verstehen diese Seelen nicht Meine liebenden Wünsche und Ermahnungen, ohne sich von ihrem eigenen Selbst zu
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befreien und ohne sich abzuschneiden von ihrem Selbst, verlangen sie nach dem vergänglichen Ruhm; sie denken, dass sie schon ein Stein am Körper des himmlischen Bauwerkes seien. Solche Seelen werden stolz und dieser Stolz ist auf ihr Missverständnis und den Missbrauch Meiner Liebe gegründet. Wo keine Demut, ist kein Erfolg. Wo Ruhmsucht ist, dort ist auch das Misslingen. Diese Seelen bringen gewöhnlich Disharmonie unter den Freunden hervor, obwohl sie nur für eine gewisse Zeit wirken, denn die Wahrheit enthüllt sich selbst. Das Resultat ist der Misserfolg jener Seelen, welche das Heilmittel Meiner Liebe und Zuneigung als Gift aufnehmen.
Die Sache der Gesegneten Schönheit ist keine Vereinigung oder gewöhnliche Gesellschaft, welche begründet und aufgebaut wir von gewissen Individuen. Der Architekt dieses göttlichen Bauwerkes ist weise genug gewesen. Neue Gesetze werden von dem Haus der Gerechtigkeit, wenn die Erfordernisse der Zeit sie bedingen, gemacht und nicht von Individuen. Es sind die Fehler gewisser Individuen u. ihre konsequenten Misserfolge an der Fassade der göttl. Kapelle, welche Mich in Meiner großen Sympathie u. Liebe betrüben, es ist der Kummer, welcher gewöhnlich in Fieber endet.“
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'Auszug aus einem Tablet geoffenbart von Abdul Baha'
'an einen amerikanischen Gläubigen'
Du hast über die Unpersönlichkeit der Gottheit geschrieben. Persönlichkeit ist in der Manifestation und nicht in dem Wesen der Gottheit. Die Wirklichkeit der Göttlichen Welt ist von Beschränkung und Einschränkung gereinigt und geheiligt. Nur der reine Spiegel, welcher der Offenbarer der Sonne der Wahrheit ist, und in welchem die Sonne der Wahrheit sich in voller Erscheinung offenbart, ist begrenzt, aber nicht die Strahlen der Sonne: Die Seele beherrscht den ganzen Körper und ihr Wille wirkt in allen Teilen und Gliedern des Menschen. Dessen ungeachtet ist die grösste Heiligung dieser Seele geoffenbart und in allen ihren Graden in dieser materiellen Form augenscheinlich. Man versteht unter „Gott sehen“ die Offenbarung Seiner Selbst. Denn die Erscheinung der Sonne in ihrer vollen strahlenden Pracht in einer klaren Spiegelfläche ist gleichbedeutend mit der Erscheinung des Wesens der Sonne selbst. Wenn die Seele der Aufrichtigen sich löst von dem Körper wird ihre unwirkliche Vision d.h. das Sehen in wirkliches Schauen verwandelt. Gleichwie ein Mensch, der noch in dem Alter der Kindheit und Unvollkommenheit ist, alle Dinge nur oberflächlich und äusserlich sieht, sobald er aber die Welt und das Alter der Vollkommenheit erreicht hat und mit dem Verstand
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und Beurteilungsvermögen und mit Fassungskraft ausgestattet ist dann wird seine Vision ein Sehen der Wirklichkeit und nicht der Unwirklichkeit.
Es ist ein Beweis, dass die göttliche Nähe eine unbeschränkte Nähe ist, sei es in dieser oder in der nächsten Welt. Dieses ist eine Nähe, welche geheiligt ist über die Fassungskraft der Vernunft. Der Mensch wird die Nähe des Lichts der Sonne der Wahrheit erreichen, je mehr er darnach sucht, ein reiner Körper z. B. ist der Sonne näher, während ein dunkler schwarzer Stein fern von ihr ist. Diese Nähe hängt ab von Reinheit & Vollkommenheit, die Entfernung dagegen ist die Ursache der Beschränktheit, Trägheit & Unvollkommenheit.
Bezüglich der Frage, ob sich Seelen untereinander in der geistigen Welt erkennen: Diese Tatsache ist gewiss, denn das Königreich ist die Welt der Vision (die Dinge sind sichtbar darin) worin sich alle verborgenen Wirklichkeiten offenbaren. Die Geheimnisse, über welche der Mensch während seines irdischen Daseins achtlos hinweggeht, wird er in der himmlischen Welt entdecken und die Geheimnisse der Wahrheit erkennen; wieviel mehr wird er die Personen, mit welchen er hier verkehrte, wiedererkennen. Ohne Zweifel werden diese heiligen Seelen, welche mit reinen Augen und geistigem Gesicht begünstigt sind, in alle Geheimnisse des Königreiches der Lichter einge-
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weiht werden und die Gnade der Wahrheitsbeweise jeder grossen Seele suchen.
Diese werden sogar in jener Welt die geoffenbarte Schönheit Gottes schauen. Gleicherweise werden sie allen Freunden Gottes der vergangenen & gegenwärtigen Zeiten in der himmlischen Versammlung begegnen.
In Bezug auf die Verschiedenheit und den Unterschied zwischen dem armen Lazarus & dem reichen Mann war der erste geistig, während der zweite materiell war. Der eine war auf der höchsten Stufe der Erkenntnis, der andere dagegen in dem tiefsten Abgrund der Unwissenheit. Dieser Unterschied und die Verschiedenheit wird sicherlich von allen Menschen, nachdem sie diese sterbliche Welt verlassen habe, erkannt werden. Diese Verschiedenheit bezieht sich aber nicht auf einen Ort, sondern auf die Seele und das Bewusstsein, denn das Königreich Gottes ist über Raum und Zeit geheiligt. Es ist eine andere Welt und ein anderes Universum. Aber den hl. Seelen ist die Gabe der Vermittlung verheissen, und sei versichert, das die geistig Geliebten in der göttlichen Welt einander erkennen werden und die Vereinigung untereinander suchen, aber eine geistige Vereinigung.
Ich hoffe, dass wir in allen göttlichen Welten beisammen sein werden.
Gleicherweise wird eine Liebe, welche gegenseitig empfunden wurde, in der Welt des Königreiches nicht vergessen.
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Werden. Ebenso wirst du das Leben, welches du in der materiellen Welt geliebt hast, in der geistigen Welt nicht vergessen.
O Dienerin Gottes! Halte dieses starke Seil und sei ganz und gar vom Königreich Abhas angezogen, dass du in jeder Weise neue Bestätigung finden mögest die wundervollen Gaben erhältst und die Ursache der Führung der Seelen wirst.
Auf dir sei Gruss und Lob.
gez. Abdul Baha Abbas.
'Erkenntnis des göttlichen Wortes!
Am schwierigsten ist nach der Erkenntnis Gottes die Erkenntnis Seiner Worte und wenn diese gut verstanden werden, ist es der grösste Beweis, Ihn erkannt zu haben Es ist das herrlichste Wunder, durch welches die Propheten gewirkt haben, es ist das immerwährende Zeichen und das ewige Wunder, es sind die Worte Gottes, gesprochen durch Seine Propheten. Wenn auch die Worte der Propheten ausgesprochen werden, wie die der andern Menschen, und geschrieben sind wie in den andern Büchern, so sind sie in der Tat doch über allem Vergleich.
Diese Worte sind in Wirklichkeit durch geistige Elemente zusammengesetzt, von welchen das geistige Leben des Menschen abhängt.
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'Botschaft vom geliebten Vater Abdul Baha.
O liebe Freunde!
Gelobt sei Gott, wir sind alle wohl und sicher unter dem Obdach göttlicher Oberherrschaft und göttlichen Schutzes; wir sind in schönster Harmonie; wir beten Tag und Nacht und erflehen Gottes Gnade für alle Völker der Welt, dass Er nicht auf die Eigenschaften Seiner Geschöpfe sehe (auf das, was die Menschen verdienen) sondern, dass Er mit ihnen tue nach Seinen alleinigen Segnungen und Verzeihung, auf dass Mittel zum Wohlergehen und zur Freude erlangt werden möchten, auf dass die Herzen Lampen für Sein Licht werden und die Seelen der Menschen Gottes Wohlgefallen erlangen.
Dies ist unser höchster Wunsch und unser Sehnen.
Und betet auch ihr, dass der Ozean der Wohltaten sich in Wogen erhebe und alle Menschen in das Meer der Vergebung Gottes versenkt werden.
Gott sei gepriesen, dass eine starke Liebe zwischen Deutschland und dem Islam geschaffen ist: Die islamitische Welt ist in Liebe mit der deutschen verbunden. Die erstere liebt letztgenannte ausserordentlich. Welch eine gute Freundschaft ist verursacht.
Wir hoffen, dass diese Liebe und Freundschaft zu grossen Resultaten führen wird, die darin bestehen, dass sie auch andere beeinflussen.
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Durch Gottes Gnade sind wir wohl und glücklich. Wir hoffen, dass auch Ihr glücklich seid. Eure Postkarten wurden erhalten. Da sie die frohen Nachrichten von eurem Wohlbefinden enthielten, wurden sie zur Ursache unseres Vergnügens und der Freude.
Möge Friede auf euch sein.
Uebersetzt von Mirza Azizollah S. Bahadur. Haifa; Syrien, 25. Juli 1915
O Gott! Stehe mir bei mit den Heerscharen der höchsten Versammlung und mache mich fest und verleihe mir Stärke und Kraft in dem Bündnis und Testament. Ich bin arm, segne mich mit den Gütern des Königreichs. Ich bin unwissend, öffne mir die Tore der Weisheit. Ich bin tot, hauche mir den Odem des Lebens ein. Ich bin taub, verleihe mir eine beredte Sprache, sodass ich mit packender, mächtiger Rede den Ruf Deines Königtums erheben und alle im Dienst für das Bündnis beleben kann.
Du bist der Edle, der Geber, der Mächtige.