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Das Rosengartlein.
Neunteljahrsschrift für die Bahä’ijugend und ihre Freunde. Jahrgang 2. ‚Hr. 4: 1. Asmä (Namen) 81. 1. August 1925.
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Schau nicht auf deine Schwachheit, Sondern bau auf deinen Herrn, Und Er wird dir die Antwort geben, Ohne daß du fragest.
’Abdu’l-Bahá, Book of T. II 31.
Prinz Liebeleer. Ein Märchen, erzählt von den Sonnenkindern, Wandsbek.
In einem Dorfe lebte einst ein Hirtenknabe, Seine Eltern waren früh gestorben, und da er so gar allein und ohne Liebe in der Welt dastand, nannten ihn die Leute Prinz Liebeleer, Des morgens früh zog er mit seiner Herde hinaus an die Abhänge der Berge, und erst späi am Abend kehrte er zurück. So kam er wenig unter Menschen, und auch dann, wenn er im Dorfe war, kümmerte man sich wenig um ihn, denn er träumte viel vor sich hin, vergaß die Menschen zu grüßen, und wenn ihn jemand fragte, vergaß er sogar, ihm zu antworten. Darum gab es niemanden, der ihn sehr gerne hatte, Wie er aber älter wurde, machte es ihn oft traurig, so verlassen zu sein, und eine große Sehnsucht nach Liebe wurde in ihm wach. Da saß er wohl am Bergeshang und stützte den Kopf in die Hände. Dann träumte er, wie schön es sein müßte, wenn ihn die Menschen, alle recht lieb hätten.
Wie er nun wieder einmal so dasaß und von der Liebe träumte, stand plötzlich ein freundlicher alter Mann vor ihm. „Ich kenne Deine Sehnsucht, Deinen Wunsch nach Liebe,“ sprach er zu ihm, „und ich bin gekommen, ihn Dir zu erfüllen. Hier ist eine seltsame und wunderbare Frucht, die ich Dir geben will. Sie hat die Macht, Liebe zu erwecken, doch wisse dines: Sie wird Dir die Liebe so erwecken, wie Du sie Dir erwünschest, darum hüte Dich, daß Du nicht eine törichte Liebe wühnschst, Behalte meine Worte gut und sorge sehr, die Frucht nicht zu verlieren.‘ Danach war er wieder so plötzlich verschwunden, wie er gekommen war. Dem Hirten- knaben wurde es so seltsam zu Mute, wie nach einem schönen Traum. Aber in seinen Händen sah er einen wunderbaren goldenen Apfel, und das wußte er, daß er nicht geträumt hatte, sondern daß alles Wirklichkeit war, „Ei,“ dachte er, „nun gehe ich in die weite Welt, daB mir die Menschen alle ihre Liebe schenken.“ Fröhlich sprang er auf, und ohne an seine Herde zu denken, lief er den Berg hinunter und in die weite Welt hinein. Nachdem er eine Zeit lang gelaufen war, kam er an einen schönen Garten. Bäume und Blumen und die Menschen, die in diesem Garten waren, sahen so schön und glücklich aus, daß er eintrat. Kaum war er darin, als Knaben und Mädchen, Frauen und Männer auf ihn zukamen und ihn umringten. Alle erzeigten ihm große Freundlichkeit und Liebe, sie lächelten ihm zu und liebkosten ihn. Der Hirtenknabe war glücklich, wie er nie zuvor in seinem Leben gewesen war, In seiner
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Freude warf er den goldenen Apfel hoch in die Luft, wie er ihr aber auffangen wollte, entglitt der Apfel seinen Händen und fiel in einen tiefen Brunnen. Da war mit einem Schlag alles ven- schwunden, der schöne Garten mit samt den Menschen darin, die ihm die Liebe erzeigt hatten, Der Knabe stand allein in einer öden Wildnis, Traurig setzte er sich nieder und klagte: „O, wie konnten sie mich verlassen, die noch eben so liebevoll zu mir waren. Weil ich den goldenen Apfei verloren, haben sie mich allein gelassen. All ihre Liebe war nur Trug.“ Wie er so dasaß und klagte, hörte er eine gütige Stimme neben sich, und als er umschaute, war es ‘wieder der freundliche Alte, der ihm den göldenen Apfel gegeben "hatte und nun zu ihm sprach: „Mein Sohn, klage nicht dig ‘ Menschen, sondern klage Dich selber an, Ich habe Dich ermahnt, die rechte Liebe zu wählen, Du aber wolltest nur von andern ge- liebt - werden und hast vergessen, selber die andern zu lieben, Kehre nun heim ‚und lerne erst, die Menschen zu ‘lieben. Ihre Liebe kann Dir genommen werden, doch nicht die Liebe, die Du für sie - hast.“ So sprach er,und als er ausgesprochen hatte, war' er wieder ‚ verschwunden. Da stand der Hirtenknabe auf und kehrte heim zu seiner Herde und zu seinem Dorf, war freundlich und liebreich zu alien Menschen und Tieren, grüßte die Leute, die ihm begegneten und schaute, wo er jemandem einen Liebesdienst erweisen konnte. Die Menschen aber waren auch freundlich zu ihm seitdem und hatten ihn wieder lieb, und hatten sie ihn. früher Prinz Liebeleer genannt, so hieß er von nun an nur noch in aller. Mund Prinz Liebereich.
Des Kindes Lehrstunde. Einheit der Religionen, Jesajas sprach:
Dereinst in den späteren Tagen wird aufgerichtet sein der Tempel des Herrn, hochragend über ‘alle Berge und erhaben über alle Hügel — denn zu Ihm werden alle Nationen strömen,
Jesaja 2.2. Christus sprach:
Ihr sollt nicht wälmen, daß Ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen! Ich bin nicht gekommen aufzu- lösen, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich Ich sage euch, bis daß Himmel und Erde vergangen sind, wird kein Jota, noch ein einziges Strichlein vom Gesetz vergehen, bis daß alles geschehen ist,
Mith. 517 u. 18. Muhammed sprach:
Wahrlich, diejenigen die glauben, die jüdisch, christlich oder
sabäisch sind, die an Gott glauben und an den jüngsten Tag und
Gutes üben, ihnen ist ihr Lohn bei ihrem Herrn; keine Furcht über
sie, sie sollen nicht betrübt sein. Koran 2,59.
[Seite 20]Einen einheitlichen Glauben hatten die Menschen, und Gott
entsandte die Propheten, Heil verkündend und ermahnend, und
offenbarte durch sie die Schrift in Wahrheit, um unter den Menschen
zu entscheiden, worüber sie stritlig waren; aber aus Streitsucht
stritten diejenigen, denen sie gegeben wurde, untereinander, nach-
dem ihnen deutliche Wunder geworden. Koran 2,209
Bahä’tulläh sprach:
Die Religion Gottes und der Glaube an Gott wurden vom Himmel des göttlichen Willens geoffenbart und verkündet, .ım Einigkeit und Harmonie unter die Menschheit zu bringen; machet sie daher nicht zur Ursache der Uneinigkeit und des Mißklangs!
Tablett Ischrakat, 9. Ischrak. Abdu’l-Bahá sprach:
Alle Manifestationen (z. B. Moses, Christus, Muhammed) waren an sich gleich groß, jede sprach mit derselben Autorität, jede ver- breitete in gleicher Weise den Odem Gottes. Die gleiche funda- mentale Wahrheit unterliegt den Lehren jeder Manifestation. Die Unterschiede zwischen den Manifestationen lagen nicht in ihnen selbst, sondern in den Entwicklungsstufen der Völker, die sie lehrten. Ptelps S. 144,
Die Religionen, Rassen und Nationen sind Unterschiede, welche die Menschen machen; sie existieren nur in den Gedanken der Menschen, denn vor Gott gibt es weder Perser und Araber, noch Franzosen, Deutsche oder Engländer, Gott ist der Gott für alle und bei Ihm ist die ganze Schöpfung nur eine.
. Ansprachen in Paris S..142.
Im Gärtlein des Herrn.
Gottes Liebe irrte suchend lange über manches Land,
bis in duftgen Blumengärten
froh sie eine Wohnung fand. Blumen blühen allerorten, Menschenblumen zart und fein, Und durch off’ne Gartenpforten strömt so licht der Sonnenschein,
Segnend hält der Herr die Hände
über jedes schlanke Reis,
und die zarten Blumen duften
Lob dem Herren, Dank und Preis.
Liebe atmen Seine Blumen,
blühend über Wald und Feld,
— süße, holde Blumenkinder —
Seine Rosen in der Welt.
E. M. Gr.
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„9 Künste‘. Einbanddecken für das Rosengärtlein.
Die Einbanddecken für den ersten Jahrgang des „Rosengärtleins“ sind fertig und können von allen seinen kleinen und großen Freunden gegen Einsendung einer Bastel- oder Handarbeit oder einer freiwilligen Geldgabe an die nachstehende Adresse bezogen werden. Die Einband- decken sind sehr schön geworden, und das „Rosengärtlein‘ wird sicher eine Zier für jedes Bücherbrett oder jeden Bücherschrank sein.
Herzlichen Gruß Euch allen von Eurer Tante
Mariele Schweizer, Zuffenhausen b. Stuttgart, Karlstr. 26
Der Kinder weltweite Briefgemeinschaft.
Ihr seid alle die Blätter eines Baumes und die Tropfen eines Meeres. Baha’u’llah.
Rosengarten EBlingen: Als EBlinger Bahä’ikind möchte ich euch einen kleinen Gruß zukommen lassen. Wir freuen uns jedesmal, wenn wir etwas von euch hören. Sonntagsmorgens gehen wir in unsere Sonntags- schule, da erzählt uns Tante Anna von 'Abdu’l-Baha und Bahä’u’lläh. Ueber die Geschichte von Mutter Eva im Rosengärtlein haben wir uns alle sehr gefreut. Auch wir EBlinger Kinder wollen euch von unseren ersparten Groschen zukommen lassen, damit ihr auch bald zu einem schönen Waisenhaus kommt. Amalie.
An unserem Weihnachtsfest war es sehr schön. Ich will dir nun schreiben, wie es am Weihnachtsfest war. Wir sangen zuerst schöne Lieder. Onkel Schwaderer hielt einen Vortrag. Bald darauf kam eine schöne Aufführung, wobei ich auch mitmachen durfte. Wir wurden reichlich mit Gaben beschenkt. Wir hatten auch eine Ausstellung von allerhand Handarbeiten. Jetzt ging unser Fest zu Ende.
Erika vom Rosengarten.
(Bemerkung: Infolge Platzmangels konnte dieser Brief erst jetzt abgedruckt werden, worüber ihr aber nicht böse sein werdet!)
Heute will ich euch etwas erzählen, wie es mir in der Bahä’i-
senntagsschule gefällt. Ich gehe jeden Sonntag in die Sonntagsschule, ich
freue mich sehr, daB ich auch dahin gekommen bin, denn da lernt man,
wie man gegen Freunde, Feinde und Geschwister sein soll. Wir haben
auch eine freundliche Lehrerin. Sonntags bekommen wir auch Bücher
zum Lesen, in denen geschrieben steht, wie man sich vertragen soll.
Ich bin noch gar nicht so lange in der Bahä’isonntagschule und es ge-
fällt mir auch sehr, ich möchte nicht mehr wegbleiben. Nun will ich
meinen Brief schließen, und ich will euch recht viel Glück wünschen,
auch eurer Lehrerin oder Tante. Ilse,
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Tante Anna hat uns in der Sonntagsschule deinen lieben Brief vor- gelesen; ich habe mich entschlossen dir zu schreiben. Wir im Rosen- gärtlein wollen uns auch nicht als brieffaul erklären. Ich will dir auch Bescheid geben über unser Rosengärtlein. Montags bekommen wir von Onkel Schwaderer eine Esperantostunde, und sobald ich mich für fähig halte, dir so zu schreiben, tue ich es. Mittwochs haben wir ebenfalls wieder von Onkel Schwaderer Singstunde, wo wir sehr schöne Lieder singen lernen. Dienstags haben dann die Großen Versammlung, wo von unserem lieben "VAbdu'l-Bahä erzählt wird und Sonntags haben wir unsere Lehrstunde von Tante Anna, wo wir auch unseren lieben ’Abdu’l- Bahä immer weiter kennen lernen. Immer mehr Kinder zeigen sich in der Lehrstunde, sie wollen alle unsern Meister ’Abdu'l-Bahä kennen lernen. Grüße die Kinderlein herzlich. Gertrud,
Durch Tante Anna habe ich im Verlauf des Jahres das schöne Rosen- gärllein bekommen. Es ist für mich eine große Freude, daß ich es be- kommen und ich will bemüht sein, all das Schöne und Gute im Herzen zu bewahren. Hauptsächlich gefällt mir „des Kindes Lehrstunde.“ Ich bin gerade heute daran, das Gebet „HabSonne“ auswendig zu lernen, welches im Rosengärtlein in Nummer drei kommt, und auch „Sei gut“ aus Nummer sechs—sieben. Für deine Müh und Arbeit, welche du, lieber Onkel, mit dem Rosengärtlein hast, danke ich herzlich. Viele Grüße von allen Rosen im EBlinger Garten an alle Kinder, Gott sei mit ihnen auf allen Lebenswegen. Hilde.
Am Ostermontag durften wir mit Tante Anna nach Canstatt, in die Wilkelma. Nun kamen wir in die Gewächshäuser. Herrlich blühten die Blumen, z. B. Palmen, Zimmerlinden, Bananenblüten, Kaffeebaum, Kakao- baum, Kaktus und andere Blumen aller Art. Nun gingen wir zum Schloß, hieı mußten wir warten bis der Führer kam. Nun kam er. Wir kamen in König Wilhelms Arbeitszimmer, Gesellschaftszimmer, Ankleideraum, Bad, Schlafzimmer und in das Empfangszimmer. Wir schenkten dem Führer 50 Pfennig und traten ins Freie. Nun gingen wir ins andere Schloß. Der Führer kam und führte uns hinein. Das ganze Gebäude ist nur ein Saal, der „Festsaal.“ Die Fenster waren mit Blumen bemalt. Zwei Blumen- ständer aus Blumenporzellan standen im Saal. Nun gingen wir wieder ins Freie. Wir gingen jetzt auf den Rosenstein. Dort blieben wir einige Stunden und dann gingen wir heim. In Cannstatt auf dem Wasen durften wir noch Karusell fahren. Wir kamen wohlbehalten in EBlingen an. Viele Grüße vom ganzen Rosengarten. Hilde.
Das „Rosengärtlein“ erscheint neunmal jährlich und kann kostenlos bezogen werden durch die Weltgemeinschaft, ’andsbek (Hamburg) Schillerstraße la, an die auch alle für das „Rosengärtlein“ bestimmten Schriftbeiträge, Briefe usw. zu richten sind,
Postscheckkonto unler Dr. Hermann Grossmann, Amt Hamburg Nr. 3534.
[Seite 23]Esperanto - Eifer Nr. 2.
Liebe Kinder!
Im letzten „Rosengärtlein‘ habt ihr gelesen, wie es so schwer ist, mit Ausländern, die eine andere Sprache haben, zu sprechen und zu schreiben und auch, wie ihr diesem Uebel abhelfen könnt, indem ihr ‚Esperanto‘ lernt.
Heute will ich euch erzählen, wie das „Esperanto“ entstanden ist.
Zu Bjelostock, im ehemals russischen Polen, hatte ein Sprach- lehrer namens Zamenhof einen Sohn, der schon von Jugend auf die vier Sprachen seiner Vaterstadt beherrschte. Oft hörte er Russen, Polen, Juden, Deutsche auf dem Markt und in den Straßen streiten. Und der Grund, weshalb sie stritten? Sie verstanden einander nicht. Der Junge stand dazwischen und war traurig. Immer stärker und ernster dachte er: „Wenn ich groß sein werde, werde ich eine ganz leichte Spräche machen, die alle verstehen können!“
Und er hielt Wort. Schon in der achten Gymnasiumsklasse hatte er mit neunzehn Jahren eine Sprache gemacht, die er und ein großer Teil seiner Mitschüler konnten. Als aber alle ausein- ander gingen und er 1879 zur Universität kam, hörte man nichts mehr von seiner Spache, Als er sechs Jahre später aus seiner Spıache in alle die Sprachen, die er konnte, zu übersetzen begann (er hatte noch französisch, englisch, latein, griechisch u, a. m. dazu gelernt) sahı er, daB vieles noch zu verbessern sei. Im Laufe der Jahre kam er so weit, daß er sein Grammatikbuch drucken lassen wollte, Doch woher Geld nehmen? Lange suchte er. Dann, als er sich 1887 verlobte und seine Braut und sein Schwiegervater sich für die Sache interessierten, konnte er das Büchlein, Grammatik und Wörterbuch, herausgeben.
„Dro. Esperanto: Lingvo internacia, Antauparolo kaj plena leınolibro“ so hieß es, (Esperanto heißt in Esperanto: Hoffender.)
Langsam zwar kamen die Anhänger, doch sie kamen. 1903 war der erste internationale Kongress in Frankreich und seitdem fand jedes Jahr einer statt. Verbände entstanden, Zeitungen er- schienen auf Esperante, und da kam — der schreckliche Krieg. Vieles ging verloren, 1917 starb Zamenhof selbst in Warschau und fast sollte alles verloren gehen. Aber nach Kriegsende erstand wieder neues Leben. Kongresse, Zeitungen, Verbände mehr und immer mehr,
Schon 1634 hatte ein großer Lehrer, Amos Comenius, die babylonische Sprachverwirrung, die Gottesstrafe, aufheben wollen und ihm folgten einige hundert andere überall, Doch am leichtesten und geeignetsten hat sich „Esperanto“ erwiesen.
Es grüßt euch euer Onkel Friedrich,
Herausgegeben von der Weltgemeinschaft Wandsbek (Hamburg) Schillerstraße 1a.