One Country/2001 Nummer 2/Text

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WELT-MAGAZIN

IMPRESSUM

0n: Couum wird herausgegeben von der Bahá’í International Community, die als Nicht-Regierungs~0rganisation bei den Vereinten Nationen die weltweite Bahá’í»Gemeinde représentiert. 0n: Coumv, Office of Public information, Bahá’í International Community, Suite 120, 866 United Nations Plaza, New York, New York10017,USA, E-Mail:1country@bic.org. Chefredakteur: Brad Pokorny Chefvom DienstzAnn Boyles. Auslandsredaktionen: Christine Samandari—Hakim (Paris), Kong Siew Huar (Macau), Guilda Walker (London). Deutschsprachige Redaktion: Peter Amsler,Theresa Kbther, Jens-Uwe Rahe. Freie Korrespondenten: Hilde Fanta (Osterreich), Silvia Frdhlich (Schweiz), Jutta Bayani (Luxemburg). Geschfiftsf(jhrung: Hartmut Nowotny, Arezu Braun. Übersetzerpool: Lisa Hiemer. Beitrége aus ONE Coumv können kostenfrei nachgedruckt werden unter Angabe der Quelle.

Anschrift; On: Coumv, Eppsteiner

Str. 89, D-65719 Hofheim-Langenhain, Germany.Tel._49-6192-99290,

Fax _49-6192—992999. Herausgeber der deutschsprachigen Ausgabe: Nationaler Geistiger Rat der Bahá’í in Deutschland e.V.

Einzelheft: DM 4,—/SFr 4,-IOS 28,4 LUF 80,-.Jahresabonnement: DM15,-/ SFr15,—/OS1oo,-/LUF 300,- (incLMWSt u. Porto)1Die Zeitschrift kann beim Bahá’í-Veriag, Eppsteiner Str 89, 65719 Hofheim-Langenhain, bestellt werden. Copyright 1999 by Bahá’í International Community. ISSN 0945-7062. Gedruckt auf1oo% Recyclingpapier.

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In Memoriam Victor de Araujo

NORWALK, USA. — Der Iangjéhrige Représentant der Bahá’í International Community bei den Vereinten Nationen, Victor de Araujo, verstarb im Januar im Krankenhaus von Norwalk in Connecticut im Alter von 78 Jahren. 23 Jahre lang vertrat er die Bahá’í International Community bei den Vereinten Nationen als deren Hauptreprésentant.

Dr. Victor de Araujo kam in Großbritannien zur Welt und verbrachte Kindheit und Jugend in Bfasilien. 1946 kam er als Vizekonsul des brasilianischen Konsulats in Chicago in die Vereinigten Staaten und wurde im selben Jahr Bahá’í. Spéter lehrte er an verschiedenen Colleges im













Dr. Victor de Araujo hat Liber zwei Jahrzehnte der Internationalen Bahá’í-Gemeinde in herausragender Weise gedient. Im Januar verstarb er 78jcihrig.

Staate Washington Englisch. Von 1967 his 1990 arbeitete Dr.Victor de Araujo als Generalvertreter der Bahá’í International Community bei den


Vereinten Nationen.

Während derJahre, in denen er diese Stellung innehatte, arbeitete er mit einer grofSen Anzahl internationaler, bei den Vereinten Nationen akkreditierten N605 eng zusammen und war Vorsitzender des Exekutivkomitees der NGOs fUr die Zusammenarbeit mit der UNHauptabteilung Presse und Information sowie dem NGOKomitee von UNICEF.

Das Universale Haus der Gerechtigkeit, das international gewéhlte Leitungsgremium des Bahá'itums, Iobte in einer Botschaft Dr. Victor de Araujo alsjemanden, der„mit vornehmem Geist, auf Prinzipien beruhendem Engagement und in wijrdevoller Haltung" langeJahre in herausragender Weise der Bahá’í International Community gedient habe.

Die Kluft zwischen Arm and Reich hat sich im letzten Jahrzehnt weiter vergrBBert

BERLIN. — Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich im letzten Jahrzehnt weiter vergrößert. Dies geht aus dem elften Bericht der Bundesregierung zur EntwickIungspolitik hervor. Danach lag die Einkommenslflcke zwischen dem reichsten Fflnftel der Weltbevélkerung und dem érmsten FUnftel im Jahr 1997 bei einem Verhältnis von 74 zu 1, während es1990 noch 6o zu 1 und 1930 nur 30 2111 betragen habe.

So verngen die drei reichsten Menschen der Erde über ein grbl Seres Vermögen als das gemeinsame Bruttoinlandsprodukt der 49 érmsten Entwicklungslénder. lnsgesamt verlaufe die Grenze zwischen Arm und Reich allerdings nicht mehr zwischen Nord und SUd oder Ost, sondern zunehmend zwischen Gewinnern und Verlierem der wirtschaftlichen Globalisierung. Das gelte sowohl flir Staaten oder Regionen als auch fUr die unterschiedli chen Chancen von Ménnern und Frauen.

Laut dem Bericht mUssen weltweit drei Milliarden Menschen ihr Überleben mit weniger als zwei US—Dollar pro Tag bestreiten. Von den knapp 1,2 Milliarden Armen, die mit weniger als einem Dollar täglich auskommen müßten, lebe knapp die Hélfte in Sildasien und etwa ein Viertel im sijdlichen Afrika. Die Zahl der Hungernden wird mit 800 Millionen Menschen angegeben.

lnsgesamt sei das weltweite Problem von mangelnder Bildung, Bevölkerungswachstum, Ausbreitung von Krankheiten sowie der Verénderungen wirtschaftlicher und politischer Strukturen gleichzeitig Folge und Ursache der Armut. Etwa 880 Millionen Jugendliche könnten nicht Iesen und schreiben, dabei seien Frauen flberproportional benachteiligt.

Während Landflucht und die Ballung der Bevölkerung

in den Megastédten der Entwicklungslénder zu Gewaltkonflikten und verstérkten Strukturproblemen flihre, geféhrde vor allem in Afrika die rasante Verbreitung von Aids/HIV bisherige Fortschritte und mache kiinftige Chancen zunichte.

Wirtschaftlich stellten die Auslandsverschuldung der érmsten Lénder, ihre unzureichende Beteiligung am Welthandel und Auswirkungen internationaler Finanzkrisen entscheidende Hindemisse und Risiken dar.

lm Politikbereich geféihrde die Zahl gewaltsamer Konflikte, der Mangel an guter Regierungsfflhrung, die geringe Beteiligung der Bevölkerung und die Ungleichheit der Geschlechter vielfach die Chancen fUr eine positive Entwicklung. Dabei wird auch ein Zusammenhang zwischen dem Konsummuster der Menschen in den Industrieléndern und den Folgen für Entwicklungsléinder angesprochen. (hib)



[Seite 3]„Deutschland ist kein Musterland sozialer Menschenrechte“

BERLIN.—„Deutschland ist kein Musterland sozialer Menschenrechte.“ Dies ist das Fazit eines Berichtes deutscher NGOs an die Vereinten Nationen. Der 4oseitige Bericht entstand im Rahmen des Forums Menschenrechte als Kommentar zum vierten Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland, in dem die Bundesregierung Rechenschaft über die Umsetzung des Internationalen Paktes für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte gibt.

Vortrag im „Forum Langenhain“ zur Menschenrechtslage der Bahá’í in Iran

Veranstaltungshinweis

Forum langenhain Eppsteiner Str. 89, 65119 Hofheim-Langenhain

Sonntag, 30. September 2001, 16.15 Uhr

ZUR MENSCHENRECHTSlAGE DER Bahá’í IN IRAN Referentin: Diane Ala’i

Seit ersten Anféngen war der Bahá’í-Glaube Ziel von Verfolgungen im Iran - die sich seit Anfang 1979 erhebIich ausweiteten. Unter der Herrschaft der Islamischen Republik Iran mußten die Bahá’í systematische und fléchendeckende Verletzungen ihrer grundlegendsten Menschenrechte hinnehmen. Frau Ala’i wird die zugrundeliegenden Motive und Argumente dieser Verfolgung und Unterdrückung analysieren. Hierbei wird sie auch auf die gegenwértige Situation sowie die verschiedenen von der internationalen Gemeinschaft unternommenen Initiativen, diese verfolgte Minderheit zu schützen, néher eingehen.

Diane Ala’i studierte in Paris, erwarb einen HochschulabschluS im Studien ln ihrem Kommentar zu

Deutschlands offiziellem Staatenbericht beméngeln die NGOs vor allem Bestimmungen des AsylberwerberIeistungsgesetzes, Zwangsverpflichtungen im Bundessozialhilfegesetz, den Ausschluss von geduldeten Flfichtlingen vom Kindergeld und die Abkopplung der Sozialhilfe von der Lebensstandardentwicklung.

‘ lm August hatte die Bundesregierung ihren Bericht im UN-Ausschuss für

gang Internationale Beziehungen, mit Schwerpunkt auf Menschenrechte im Mittleren Osten. Frau Ala’i ist in Genf Reprisentantin der Bahá’í International Community (BIC), einer bei den Vereinten Nationen akkreditierten Nicht-Regierungsorganisation (NGO).

Sie engagiert sich insbesondere für den Schutz und die weitere Durchsetzung von Menschenrechten. Derzeit ist sie intensiv für die BIC mit den Vorbereitungen der Weltkonferenz der Vereinten Nationen gegen Rassismus beschéftigt.

Wegbeschreibung

Man erreicht das Forum Langenhain mit dem Auto über die Autobahn A66 Frankfurt—Wiesbaden, Ausfahrt „Diedenbergen“. lm Ort an der Ampel links abbiegen, 5 km Richtung Langenhain.Von dort aus den Hinweisschildern „Bahá’í" folgen, Mit der S-Bahn féhrt man ab Frankfurt Hauptbahnhof mit der 52 in Richtung Niedemhausen (etwa 20 Minuten). Ab Hofheim mit dem Bus 403 bis LangenhainSiedlung (ca.1o min.) oder mit dem Taxi.

wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vorgestellt. Zuvor bekamen die NGOs Gelegenheit, bei einer Anhérung zivilgesellschaftlicher Akteure ihre Bedenken zu äußern. Sie baten den UNAusschuss um einen kritischen Kommentar. Dieser hat in derVergangenheit immer wieder die mangelnde Umsetzung der im Sozialpakt verankerten Menschenrechte in Deutschland betont.
































Interreligiiise Veranstaltung gegen Gewalt in Weimar

BERLIN.— Unter dem Motto „Gemeinsam gegen Gewait“ lédt der Interkulturelle Rat in Deutschland e.V. zu einer interreligiösen Veranstaltung zum Tag der Deutschen Einheit am 2. Oktober 2001 nach Weimar ein.

In Anwesenheit von Bundestagsprésident Wolfgang Thierse werden Vertreter von Buddhismus,Judentum, Christentum, Islam und Bahá'itum in kurzen Ansprachen auf die spirituellen Ansétze ihrer Religion bei der Überwindung von Fremdenfeindlichkeit und Gewalt hinweisen. Bundestagsprésident Thierse wird bei seiner Ansprache auf die Aufgaben von Staat und Religionsgemeinschaften bei der Abwehr von Gewalt eingehen und der Menschenrechtspreistréger der Stadt Weimar im Jahr 2000, Pater Shay Cullan von den Philippinen, über Gewalt gegen Kinder sprechen.


EUROPA-MAGAZIN

















Deutschlands Umsetzung des Internationalen Paktesffir wirtschaftliche, soziale und kultureI/e Menschenrechte war aufdem Pnjfstand beim Menschenrechtszentrum der Vereinten Nationen im Genfer Palais des Nationes Der so genannte Staatenbericht, in dem die Bundesregierung Stellung zu Fragen der Vereinten Nationen nahm, ist unter www.auswaertiges-amtde abrufbar. Beim Forum Menschenrechte kann der Kommentar mehrerer Menschenrechtsorganisationen zu diesem Bericht bestellt werden. Anschrift: Greifswa/derstr. 4, 10405 Berlin

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[Seite 4]DEBATT


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ie weltweite Ausbrei tung der Demokratie

ist ein positiverTrend. In den neunzigerJahren haben viele Länder politische Systeme eingefilhrt, die freien Wahlen, parlamentarisch bestimmten Regierungen und hohen Menschenrechtsstandards verpflichtet sind.

lm gleichen Zeitraum war es jedoch selbst fUr Nationen mit Iangjährigen demokratischen Erfahrungen eine Herausforderung„,gutes Regierungshandeln" (good governance) zu gewfihrleisten. In einigen Léndern haben Korruption, Schmiergeldafféren, schmutzige Wahlkéimpfe, Stimmenfang und Ungewissheit zu einer Apathie der Wéhler gefflhrt — und zwar in einem Mars, das die Funktionsfaihigkeit des gesamten Systems in Frage stellt.

In anderen Féillen werden neue demokratische Versuche durch eine Unzahl von Problemen und Zwéingen bedroht, wie Mangel an demokratischer Erfahrung, uralte ethnische Spannungen oder unterschiedliche kultureIIe Erwartungen an das politische System. Immer mehr Menschen haben ihrVertrauen in die Regierungsvertreter verloren, neigen zu Zynismus gegenüber ihrem System und verneinen gar die Verpflichtungen, die aus ihrer Staatsbflrgerschaft erwachsen.

Eine Alternative zu den herkémmlichen Wahlsystemen stellt das Wahlsystem der weltweiten Bahá’í-Gemeinde dar, die ihre Angelegenheiten in gewéhlten Gremien auf 6rt|icher, nationaler und internationaler Ebene regelt.

|stmseu

offen Für Weitel

VieIe Aspekte des WahIsystems innerhalb der Bahá’IGemeinde stimmen mit denen anderer Wahlsysteme Überein: Die Wahlen werden regelméffiig und periodisch durchgefflhrt und erfolgen aufallen Ebenen in geheimer Form. Alle erwachsenen Gemeindemitglieder dflrfen unabhängig von Abstammung, Geschlecht und ethnischem Hintergrund gleichberechtigt an der WahI teilnehmen.

Zugleich unterscheiden sich die Wahlen der Bahá’í in einigen wichtigen Punkten. BeispieIsweise gibt es keine Nominierungen oder andere Formen der Aufstellung von Kandidaten. In den meisten Fallen Istjeder aus der gesamten Gemeinde gleichberechtigt fUr ein Amt wéhlbar. Darüber hinaus gibt es weder Wahlkampf noch Stimmwerbung in irgendeiner Form. Ebenso wenig sind ideologische Gruppen oder politische Parteien vorgesehen.

Nur auf den ersten Blick stellt das Fehlen von Kandidaturen, Wahlkampagnen und Parteien die Funktionsfähigkeit der Wahlen innerhalb der Bahá'iGemeinde in Frage.TatsaichIich hat sich das System als praktikabel erwiesen. Es ermöglicht eine besténdige, friedfertige und gegen Korruption gewappnete Ordnung des Gemeinwesens, die sich fflr das 6ffent|iche Leben In der Gemeinde als sehr férderIich erwiesen hat.

Vielleicht Iésst sich die Funktionsweise der Bahá’í-Wahlen am besten anhand eines loka Beispiel:

Ien Beispiels zeigen. Hier geht es um den 6rt|ichen Geistigen Rat, der die Belange der Gemeinde in einem Ort oder einer Stadt zu regeln hat.

Ein 6rt|icher Geistiger Rat besteht aus neun Mitgliedern, die in der Gemeinde leben, fur die sie gewéhlt sind. Der Rat wird jéhrlich neu gewéhlt. Der Wahlvorgang ist sehr einfach. Jedes Jahr im April versammeln sich alle erwachsenen Gemeindemitglieder und geben nach Gebeten und stillem Nachdenken einen Wahlzettel ab, auf dem sie jene neun erwachsenen Personen notiert haben,von denen sie meinen, sie seien am besten geeignet, die Gemeinde zu Ieiten. Die Ergebnisse werden sofort von Stimmauszéhlern, die zuvor von der Wéhlerschaft bestimmt wurden, ausgewertet. Die neun Personen, die die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen, werden Mitglieder des Rates.

Obwohl einfach in der Praxis, hat diese Methode einige entscheidende Vorteile, die Fflhrungspersonen aus der gesamten Gemeinde heraus zu wéhlen. Diese sind:

O Ginzlich freie Wahlmöglichkeit. Da es keine Nominierungen oder Kandidaturen gibt, kann sich der einzelne Wéther voIIkommen frei fflrjene Personen entscheiden, die er fUr am besten geeignet hélt.


[Seite 5]Demokrafle entwicklungen? Bahá’í-Wahlen

o Gewissensfreiheit bei der Entscheidungsfindungdene, die schließlich in die Versammlung gewéhlt werden, fUhlen sich nicht an irgendwelche Wahlversprechen gebunden. Sie müssen sich keinerWéihlerschaft, Partei und Wéhlergruppierung dankbar erweisen.Wenn sich die Versammlung trifft, sind die Mitglieder bei ihrer Entscheidungsfindung nur ihrem Gewissen verantwortlich; sie sind vollkommen frei in dem, was sie sagen und wie sie abstimmen.

o Kaine Einfliisse finanzieller Art. Da es keinen Wahlkampf gibt, werden auch keine Gelder danr benötigt. Und Korruption, die oft damit einhergeht, kann auch nicht aufkommen.

0 Die Betonung ethischer Führungsqualititen. Da es keine Ernennungen und Auswahlverfahren gibt, haben Personen, die primér gewéhlt werden wollen, um ihre eigenen Ideen, ihre Laufbahn oder ihre Privilegien zu f6rdern,



keine Vorteile — vielmehr sind sie de facto benachteiligt, da die Bahá’í nach einer ethisch motivierten Gemeindeleitung Ausschau halten.

O Ein anderes Konzept politischer Stärke. Da die Entscheidungsfindung bei kollektiven Institutionen liegt, erIaubt es das System nicht, dass Einzelne ihren Willen oder ihre alleinige Führerschaft durchsetzen. Die Wahlen können nicht als Wegbereiter zur Macht benutzt werden. Alle Mitglieder der Bahá’í-Gemeinde, egal welche Aufgabe sie in der Verwaltungsstruktur innehaben, sollen sich als eingebunden in einen Lernprozess betrachten und bemUht sein, die Prinzipien ihres Glaubens zu verstehen und umzusetzen.

Alles in allem versucht das Wahlsystem der Bahá’í, fflr den Dienst in der Gemeinde einen neuen Führungstyp hervorzubringen - einen, der durch Bescheidenheit, stille Dienstbereitschaft und ethische wie geistige Stérke die

Achtung der anderen Gemeindemitglieder gewinnt.

Shoghi Effendi, der den Bahá’í-Glauben von 1921 bis 1957 leitete, nannte die Eigenschaften, aufdie die Bahá’í bei Wahlen achten sollten. Er forderte die Wéhler auf,"ohne eine Spur von Leidenschaft oderVorurteil und ungeachtetjeglicher materieller Überlegungen filrjene zu stimmen, die am ehesten die notwendigen Qualitéten aufweisen: unbestrittene Loyalitét, Selbsthingabe, gut geschulten Geist, anerkannte Féhigkeit und reife Erfahrung."

Auch unterstreicht das System die Verantwortung der Stimmberechtigten und die Entwicklung der Gemeinde. Hierzu ein anderes Zitat von Shoghi Effendi:"Eines der wichtigsten Ziele der Bahá’iWahlen ist die Entwicklung des Verantwortungsgefflhls des einzelnen Gläubigen. Dadurch, dass die absolute Freiheit in der StimmausUbung betont wird, wächst derWunsch, ein aktives und gut informiertes Mitglied der Bahá’í-Gemeinde zu sein, in der man Iebt. Um eine weise Entscheidung bei der Wahl treffen zu können, ist es nötig, über alle Gemeindeaktivitéten bestens und fortwährend informiert zu sein und sich mit ganzem Herzen in die Aktivitéten der 6rtlichen und nationalen Gremien einzubringen."

Shoghi Effendi weiter: "Somit macht es das Bahá’í-Gemeindeleben fUrjeden loyalen und treuen Gläubigen zur Pflicht, ein kluger, gut informierter und verantwortlicher Wéihler zu sein. Und das GemeindeIeben seinerseits ermöglicht es ihm, eine solche Stufe zu

erlangen.„ Der gesamte Prozess ist also wichtig fUr Basisbeteiligung und Einbindung in die Gemeinde.

Auf nationaler und internationaler Ebene funktioniert das System genauso. So wird der Nationale Geistige Rat der Bahá’í in Deutschland ohne Ernennungen und Wahlveranstaltungen auf einer jéhrlich stattfindenden Nationaltagung durch über 50 Abgeordnete gewéihlt, die wiederum zuvor in regiona|en Wahlkreisen von allen dort wohnenden Gemeindemitgliedern gewéihlt wurden. Auf diese Art bestimmt, représentieren derzeit fUnf Frauen und vier Männer die deutsche Bahá’í-Gemeinde.

Bei derWahl des internationalen Leitungsgremium setzt sich die Wéhlerschafi aus den Mitgliedern der Nationalen Geistigen Rite zusammen. Das Universale Haus der Gerechtigkeit wird fijr fUanahre gewéhlt. Zur Zeit gibt es weltweit rund 180 Nationale Geistige Réte. In einigen Léndern bilden sie eine der wenigen existierenden demokratischen Einrichtungen.

Das Wahlsystem der Bahá’í basiert auf einen geistigen Prozess, der unmittelbar von der inneren Motivation und der Andachtshaltung der Gemeindemitglieder beeinflusst wird, die ihre Stimmen abgeben.Von dieser inneren Einstellung hängt auch der Erfolg des Systems entscheidend ab. Gleichwohl denken die Bahá’í, dass auch die Welt insgesamt von der Beschäftigung mit diesem demokratischen Wahlsystem profitieren könnte. l

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[Seite 6]Ein Merkmal der WEP Dorfbanken ist ihr ausge klageltes System, mit dem

alle wichtigen Informationenfestgehalten werden.

Bei den Frauen der Dotf bank in Rajena in Nepal

dient ein Kofier sowoh/ als

‘ Geldkassette als auch Tisch 1 far die wbchent/iche i Zusammenkunft.

Frauen gründen eigen

414'

e Dorfbanken und


revolutionieren bisherige Kleinkreditprogramme durch neuartigeVerbindung von Alphabetisierung und Kleinkrediten 1 Mit einem innovativen

Ansatz ermutigt das I/Vomen’s

TITELSTO RY Empowemm

Program

(VVEP) mehr als 130. 000 Teilnehme rirmen zur eigenen


Entwicklung and errichtet nebenbeifast

1. 000 Doyban/een. Damit setzt es im Bereich der Kleinleredit programme neue Mq/J


stdbe.

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HAKALI CHOWK, I Nepal. — In dem lebendigen Dorf an der

in Ost—West—Richtung verlaufenden Hauptstrafie im Süden Nepals ist es für Frauen immer noch ungewöhnlich, wenn sie eigenen Geschiiften nachgehen — wie überall in diesem Land. Aber mit Hilfe des LVomen’s Empowerment Program (VVEP) macht Nirmala Khattri Chhettrie genau das. Sie hat eine kleine Biickerei aufgebaut und leitct sic. Ihr Mann backt und die 33jiihrige junge Frau erledigt alles weitere, vom Einkauf bis zur Beaufsichtigung der fiinf Mitarbeiter.

Eine Bickerei gegründet

“Sic hat alles im Griff,„ sagt Bijay Gaire, ein 6rtlicherWEP bereits mehr als 130.000 Frauen erreicht

Mitarbeiter, der mit Khattri Chhettrie und anderen Frauen in Thakali Chowk zusammenarbeitet. “Sogar in der Bickerei arbeitet die Frau mehr als ihr Mann. Sie kauft die Rohwaren ein, zahlt den Lohn an die Mitarbeiter aus und bedient die Kunden.„

Nach den kulturellen und religiösenTraditionen sollte die Frau hauptsiichlich im Hause bleiben und dem Mann untergeben sei11.WEP hat hier für einen deutlichen Wandel im Denken und Handcln bei den Frauen gesorgt. Gcwandclt hat sich aber auch die Einstellung der internationalen Entwicklungsspezialisten in Bezug auf Frauen, die ihr eigenes Geld verwalten, einen Betrieb leiten und sich sozial betätigen.

Das Programm basiert auf einem neuartigen Ansatz, in [Seite 7]dem es den Erwcrb von Bildung und Wcrten mit einer Ausbildung im Kleinbankwesen und der Einrichtung von Kleinbctrieben verbindet. So könnten schon in den crsten drci jahren mehr als 130.000 Frauen im stidlichen Nepal neues Selbstvcrtrauen in die eigenen Fiihigkeitcn gewinnen. Das Analphabetentum ist in dieser Region von 85 Prozent aufunter zchn Prozent zurückgegangen, cs wurdcn mehr 315 60.000 Kleinbctriebe gegründet und etwa 70.000 drtliche Sozialkampagnen eingelcitet, die vor allem gegen Alkoholismus, hfiusliche Gewalt, Kinderarbeit und Mlidchenhandel angehen.

Ein radikal neuer Ansatz bei Kleinkrediten Frauen gründen ihre eigene Dorfbank

Auch bei den sogenannten Kleinkrediten hat das Programm einen V'éllig neuen Ansatz gefunden, indem 65 die Frauen bc‘flihigt, aufDorfebene ihrc eigenen Banken einzurichtcn und zu leiten. Die Projcktleitcr und Kleinkreditspczialisten sind der Meinung, dass diesc Banken Viel anspruchsvollcr seien 315 die traditionellen Sparvereine, die es in vielen Teilen der Welt gibt. Denn sie sind V011 Kapital von außen unabhiingig. “

„Für mich ist es ein fast sensationelles Ergebnis, dass durch disses Programm etwa 130.000 Menschen erfasst worden sind.„s;1gt]cf?rey Ashe, ein internationalcr Kleinkreditberater, der das WEP—Projekt untersucht hat.“Dies sind geradezu außergewöhnliche Ergebnisse. Es gibt praktisch in der Welt kein Programm, das so groß ist, mit Ausnahme etwa der Grameen Bank in Bangladesh, und gewiss keines, das sich so schnell ausgebrcitet hat."

Man müsse feststellen, so der Finanzexperte. dass das Programm sich deutlich von

der orthodoxcn Kleinkreditfinanzierung unterschcidc. “Normalerweise hat man eine Nichtregierungsorganisation (NGO) dazwischengeschaltet, die an einzelnc Oder an Gruppen Kredite vergibt und sie mit Zinsen zurückerhalt. Das ist nun das Neue an diesem Programm, dass es unabhängig ist. seine eigenen Sparbetriigc einsammelt und Kredite an seine cigcnen Mitglieder vergibt." Aufdiese Art, sagt Ashe, werdc das Geld, das sonst als Zinseu an die NGO gehe, als Dividendc an die Mitglieder ausgezahlt.

Wesentlich kostengiinstiger als traditionelle Kleinkreditprogramme

“\X/ir habcn unsere Zahlen gennu durchgcrcchnet und ich meme, dieses Programm ist wescntlich kostcngiinstiger als traditionclle Kleinkreditprogramme." meint auch Marcia Odell, die Vertreterin der Organisation Pan in N6pal und Lcitcrin der Arbeitsgruppe für WEI). “D215 ganze Programm bietet Frauen Hilfe zur Sclbsthilfc auf einem Gebiet an, dds ihnen am Herzen liegt — Illimlich Lcsen und Schreiben lerncn, um das Fa milieneinkommen zu verbossem. Kein anderes uns bckanntes Kleinkreditprogramm beginnt damit, das Lesen und Schreiben beizubringen,„ fiigt sie hinzu. “Und kein anderes arbeitet mit Freiwilligen, wobei Frauen anderen Frauen helfcn.“

Pan ist eine NGO mit Sitz in den USA und betreibt mit ihrcn nationalen Vertretungen dds Ilbmtn's Empowerment Program. In derAntangsphase wurdc es von der US Agency for Inrcrmmmml Development (USAID) mic Cincm Betrag V011 über zlcht Millionen Mark (1nanzicrt. lrofiticrt hat das Projekt aber auch V011 der Zusammenarbeit mit Edmanon Currimlum and Titzimug A550mnvs (E(ITI4), einer V011 den Bahá’í—Lchren angeregten NGO in Nepal. Sic hat gcholfen, das meistc Lehrmaterial fiir das Programm zu entwik kehl.

Am Anfang steht das Wort: Lesen und Schreiben

Man kann WEI’ am bestcn

verstehcn. weml man sich scin Verfahren auf Dorrebene anschaut. In Thakali Chnwk hut eine Gruppe V011 Frauen eine Dorfbank eingerichtet und gm




“Für mich ist es ein fast sensationelles Ergebnis, dass (lurch dieses Programm etwa 130.000 Menschen erfasst worden sind. Dies sind gemdezu auflergewbhnllche Ergebnisse. Es gibt pnktisch in der Welt kein Programm, dds :0 gm]! ist, mit Ausnahme etwa der Grameen Bank in Bangladesh, and gewiss keines, dds sick :0 schnell aus gebreitet hat.„

Jeffrey Ashe Kleinkreditberater

Nirma/a Khattri Chhettri und ihr Mann vor dem Backofen, mit dem sie ein Geschdft mit inzwischen fanfMitarbeitem granden könnten.

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In Thaka/i Chowk hat Niru Gurung einen kleinen Lebensmitte/laden erbjfnet dank eines Kredits der Dorfbank, deren Vorsitzende sie ist. Wie auch bei anderen Dorfbanken des Women’s Empowerment Program (WEP) verleiht die Bank nur Geld an ihre Mitglieder.








Kathmandu

//

/ Nepalganj

Thakali Chowk

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_ , “ fl ihre Mitglieder erfolgreich Kredite ausgegeben, wie etwa an Khattri Chhettri, die sich letzten Sommer 750 Mark geliehen hat, um ihre Bickerei aufzubauen.

Zuerst bildet sich eine Frauengruppe, die Lesen und Schreiben lernt. In Thakali Chowk war C135 1111 Februar 1999. Der Unterricht ist deswegen ungewöhnlich, wei] Frauen, die schon lesen und schreiben können, die anderen unterrichten. Es gibt keine bezahlten Lehrer von außerhalb. Das von ECTA entwikkelte Arbeitsbuch ist dabei leicht zu handhaben.

Dieser erste Teil von WEP nutzt dabei Erfahrungen aus

einem früheren Projekt von Pan Ncpal, das IVomcn Reading

for Development Program. Die ses hat mit iihnlichen Methoden 500.000 Frauen das Lescn und Schreiben beigebracht und damit international Beachtung und Lob geemtet.

„Wir gründen unsere Dorfbank“ - Das ABC des Bankwesens

Sobald die Frauen lesen und schreiben kénncn, nehmen sie sich das zweite Arbeitsbuch vor, das den bezeichnenden TitEl “Wir grimden unsere Dorfbank„ trägt. Schritt für


Schritt warden die Frauen

dahingefijhrt, ihre eigene Bank 211 errichten Die Frauen in

Thakali Chowk haben das im April 2000 geschafft.

WEP unterscheidet sich von den herkémnflichen Sparvereinen auch darin, dass das Bankwescn mit allen Feinheiten gelchrt wird. Die Gruppe lernt intensiv Buchfiihrung und die Hilfsmittel, die Bankcn Liberal] bemltzen,von einfachen Sparbiichem bis zum BuchhaltungshauptbuCh. Die Frauen lernen auch Methoden des Personalwesens, darunter das Auswahlverfahrml für die Geschziftsleitung, wozu eine Schatzmeisterin, dieVorsitzende die Geschiiftsfiihrerin und die Controllerin gehören.Andere vom Programm zur Verfiigung gestellte Arbeitsbiicher bringen den Frauen bei, Wit“ man Kredite vergibt und abzahlt und kleine Firmen gründet.

“In der ganzen Welt ist es fiir Frauengruppen iibhch, solche Kreditgemeinschafien zu gründen und Sparbetriige einzusammeln,„ sagt der Finanzexperte Ache. “Aber dies hier ist ganz antlers. Es ist viel flexibler,wei1 die Menschen unterschiedliche Betriige ansparen und nicht gezwungen sind unbedingt Kredite zu beantragen, Es können Vielmehrjene

Geld bekommen, die 65 brauchen und die Betrage können rccht hoch 56in. Es sind echte Dorfbanken,„ meint Ache.“Die Frauen sammeln Ersparnisse ein und vergeben Kredite. Sie haben Anteilseigener, die selbst Sparer sind und die auf ihr Geld Zinsen bekommen.„

Die Frauen sind nicht Objekt, sondern Gestalterinnen der Entwicklung

“Dorfbanken gibt es in der ganzen Welt in über hundert Ländern,„ sagt die sclbstiindig6 Kleinkreditexpertin Cheryl Lassen, die bei der Entwicklung der WEP—Arbeitsbficher geholfen hat. “WEP unterscheidet sich dadurch. dass es zusiitzlich Fiihigkeiten entwikkelt. Die Konchtion dtr Unternehmensfijhrung zicht sich durch die gauze Buchserie ebenso wic dieVorstellung, dass nicht nur das Sparkapital. sondern die ganze Dorfbank wachsen kann," sagt Dr. Lassen. “Ich habe den Eindruck, dass die Frauen V011 WEI) ein besseres Gefühl dafür bekommen, Eignerinnen, Managerinnen und Schöpferinnen von Besitz zu sein 2115 in irgendeinem anderen Projekt. Hier sind die Frauen nicht Objekt der Entwicklungsarbeit, sondern ihre Gestalterinnen.„

Bis zum November 2000 batten einzelne Mitgheder der Thakali Chowk Gruppe acht kleine Unternehmen gegründet: fiinf Laden, eine Ziegenzucht, eine Hiihnerfarm und Khattri Chhettris Bdckerei. “Vor Vier Monaten habe ich den Kredit aufgenommen,„ sagt Khattri Chhettri. Heute habe sie fimf Angestellte und verkaufe Waren im Werte VOI) 5.000 Rupien in der Woche, was etwa 160 Mark cntspricht. Sic erziihlt noch, dass ihr Mann schon einmal eine Biickcrei hatte, aber sie sich einen Kredit aus anderen Quellen nicht leisten konntcn, weil sie 60 Prozent Zinscn hattc zahlen

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ECTA konzentriert sich auf die Stärkung der Menschen an der Basis

ATHMANDU, NEKPAL. — Ein Wichtiger Partner des VVomen’s

Empowerment Program (WEP) ist die Organisation Education, Curriculum and Training A550ciates, kurz ECTA, die als kleine Nichtegierungsorganjsation (NGO) eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des innovativen Lehrplans und bei der Ausbildung der Trainer spielte.

ECTA bedeutet in nepalesischer Sprache „Einheit“ und wurde 1997 von Bahá’í, die in Nepal in der Entwicklungszusammenarbeit tzitig waren, gegründet. „Unser Ziel war, liindliche Entwicklungsstrategien und Programme zu fdrdern, die bei geringem Kestenaufwand und ohne große Hilfe von außen von Dorfgruppen durchgeführt werden können“, erliiutert Keshab Thapaliya, ein Mitbegrfinder von ECTA. „Denn bevor Kapazititen aufder Ebene der NGOs aufgebaut werden, erscheint es uns nachhaltiger, Kapazitaiten bei den Dorfbewohnern selbst aufzubauen“, so Thapaliya, der auch maßgeblicher Partner des WEP—Projektes ist.Von Dr. David Walker, der früher Vorsitzender von Pact in Nepal war und gegenwdrtig Berater dieses und anderer Projekte ist, erhielt WEP viele neue Ideen und Ansiitze.

ECTA bedeutet Einheit

Die beiden Bahá’í Thapalyia undWalker arbeiteten eng zusammen und entwickelten den Inhalt und das Konzept der WEP—Arbeitsbficher. Beide sagen, dass viele Konzepte und Neuerungen, die in das Projekt einflossen, ihrem Ver stiindnis des Bahá’í—Glaubens, seiner Sicht über die Natur und die Fiihigkeiten des Menschen und dem daraus resultierenden Entwicklungsansatz entsprangen. „Der Geist dieses Projektes kommt aus unserem Glauben als Bahá’í, dass Frauen etwas für sich selbst tun können und dass der Aufbau lokaler Institutionen, die die Menschen vor Ort verwalten, der Schliissel zur Lösung ihrer Probleme ist“, erliiutert Dr. DavidWalker.

„Uns beschiiftigte bei der Entwicklung des Programmes sowohl die Notwendigkeit, den materiellen Lebensstandard zu heben, als auch dieArt und Weise, wie dies für die Frauen in einer ermutigenden Weise umgesetzt werden könnte.“

Geistige Prinzipien als Grundlage wirtschaftlicher Entwicklung

So waren die beiden bei der Entwicklung der HandbfiCher VI/bmen in Business zur Einsicht gekommen, dass das Programm nur dann Erfolg haben würde, wenn auch eine Erziehung zu Werten mafigeblicher Inhalt sein würde. „In diesen Handbfichern finden sich Viele geistige Prinzipien, die das Fundament eines soliden wirtschaftli Chen Fortschritts sind. Dazu gehören Opferbereitschaft, Ehrlichkeit, Disziplin, VerlaiBlichkeit,Verantwortungsgefiihl und Offenheit“, sagt Dr. David Walker. Korruption werde

nicht toleriert. „Die Frauen nehmen diese Lektionen sehr Ernst und denken die Programme oft weiter“, so Wal ker.

Die Lerngruppe als Quelle der Ermutigung

Aber es werden auch andere Werte, die wichtig für die Entstehung eines Zusammengehérigkeitsgefijhls in der Gruppe sind, angesprochen: Toleranz,Vermeidung von Diskriminierung anderer Kasten und dieVermeidung politischer Dispute in den Gruppentreffen. Das Programm ermutigt Gruppenarbeit und gegenseitige Unterstiitzung, so class die Gruppe als Quelle der Ermutigung und als ein Ort des Lernens verstanden wird.

Dr. Cheryl Lassen, Mitarbeiterin von Dr. David Walker und Keshab Thapalyia bei der Erstellung der Arbeitsbijcher, hebt den Anteil der beiden an der Idee und am Konzept des Programmes hervor. „Ich glau






be, Wir müssen David für Viele innovative Ideen danken“, sagt sic. „Normalerweise beginnen die Kleinkreditprogramme auf kleinem Niveau, um sicherzugehen, dass die Darlehen zurückgezahlt warden können. Erst dann werden sie ausgedehnt. David hingegen, der aus dem Bereich der Alphabetisierung und Erziehung kommt, sieht die Dinge aus dem BlickWinkel der Bildung.“

Dr. Cheryl Lassen erléiutert die zweifache Rolle von ECTA. Zum einen war ECTA maßgeblich an der Entwicklung des Programmes und am Lehrmaterial beteiligt. Zum anderen leitete die Organisation die erfolgreiche Umsetzung vor Ort, als es darum ging, den Frauen im Dorf die neue Methode und die Ideen des Programms vorzustellen. „Es wire nicht möglich gewesen, dies für die Dorfbewohner ohne die Hilfe von einheimischen Erziehern, so Wie

Keshab Thapaliya, zu schaflen“, sagt sie. I










Keshab Thapaliya, links im Bild, spricht mit den Frauen der Mahila Sewa Dorjfbank in Thakali Chowk, Nepal. Als Mitbegrfinder van ECTA spielte er bei der Entwicklung des innovativen Ansatzes des Women’s Empowerment Program (WEP) eine maflgebliche Rolle.


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[Seite 10]Bishnu Marasi aus Rajena konnte ihre Hahnerfarm nur aufgrund der niedrigen Zinsen der Dorfbank erbfinen. Zundchst begann sie ihren Betrieb in zwei Räumen ihres elter/ichen Hauses, links von ihr. Spdter konnte sie in die hinteren, grbfleren Räume umziehen. Die Hahnerfarm sichert ihrer Familie ein rege/mdfsiges Einkommen.

Eine WEP-Gruppe im Dorf Bardhawa hat neulich edolgreich gegen elne Kinderehe Widerstand geleistet. “er huben mit den Eltern darüber gesprothen und sullen Iange ml! ilmen zusammen, aber schlieflllch könnten wir sic davon fibeneugen,

es nicht zu tun.„

Sumat Rani Chaudhary WEP—Vorsitzende in Bardhawa

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müssen. Die von WEP gefér derten Dorfbanken verlangen nur 24 Prozent Zinsen imjahr und dieser für Entwicklungskinder verhéltnismiifiig niedrige Satz hat es Khattri Chhettri und ihrem Mann ermöglicht, ihre Biickcrei dicsmal erfolgreich zu eröffnen.

In vier Jahren 1.000 Dorfbanken gegründet - 0hne jegliche Zuschiisse von außen

Seit Beginn des Projekts im Dezember 1997 hat WEP in 21 der 75 Distrikte in Nepal gearbeitet und etwa 6.600 Lerngruppen und Sparvereine unter den Frauen gegründet. Bisher wurden daraus etwa 1.000 Dorfbanken, was nach Ansicht V01] Finanzexpertin Lassen sehr Vie] ist.“Eintausend Dorfbanken ist ein äußerst großes Programm,„ sagt sie. “Die meisten anderen Dorfbankenprogramme bringen es höchstens auf 50 Oder 100 Dorfbanken."

Laut einem Bericht vom Februar 2001 haben die Frauen zusammen etwa 3,5 Millionen Mark zusammengespart und rund 3,1 Millionen Mark 2115 Kredite an sich selbst ausgegebenVon außen hat es keine Zuschiisse gegeben. Die Frauen haben alles unter sich

selbst gesammelt, einige wenig6 Rupien pro Woche, gewöhnlich aus dem Haushaltsgeld Oder vom Taschengeld.

“Früher war cs sehr miih53m, etwas zu sparen,„ sagte Shanta Marasini, 30 Jahre alt, die Revisorin der Pushpanagar Dorfbank, einer WEP—Gruppe im Dorf Rajena in der N‘éhe der im Westen gelegcnen Stadt Nepalganj.“Wir hatten immer das Gefühl, Class wir jemand anderen die Kredite zurückzahlen mfissten. Heute zahlen wir an uns selbst.„

Die 30 Frauen der WEP Gruppe in Rajena batten sich im September 1998 zusammengefunden. Damals könnten nur zehn Mitglieder lesen, heute 3116. 1111 September 2000 gründeten sie ihre Bank und im November des gltichen jahres hatten sie bereits Rupien im Wert V011 über 800 Mark angesammeltVon diesem Geld gaben sie an Frauen aus der Gruppe Kredite, mit denen diese Liiden, die Bücher, Geschirr und Lebensmittel verkauften, aber auch Ziegenund Hfihnerziichtereien gründeten.

Neues Selbstvertrauen in die eigenen Fiihigkeiten hilft der lusammenarbeit


Die 27jL1'hIige Bishmu Marasini findet es gut, dass die V0111 Programm geforderten niedrigen Zinsen es ihr möglich gemacht haben, ihre kleine Hiihnerfarm zu vergréBem. So kalm sie jetzt ihre Familie unterhalten. 35.000 Rupien im Jahr nimmt sie ein, etwa 1200 Mark.

“Ich hätte nicht expandiert, wenn ich nicht Mitglied dieser Gruppe gewesen wire," sagt die junge Frau, die auch Sekretarin der Pushpanagar Dorfbank ist. “Früher arbeitcrte mein Mann in einem Möbelgeschdft. Aber jetzt hat er diese Arbeit aufgegeben, um mir ganz 1111 Geschiift zu helfen.Wir verdienenjetzt mehr, 315 was er frijher nach Hause brachtel Ich war auch immer ganz V011 ihm abhhngig, aber jetzt arbeiten wir zusammen. Ich verdicne mein eigenes Geld und f Lihle mich nicht mehr so abhängig."

Auch andere Mitglieder von WEP—Gruppen sagen, class sie ein neues Selbstvertrauen gewonnen haben und sich selbstst'éndig fijhlen, weil sie neue Fzihigkeiten erworben haben, sparen und selbst Geld verdienen — und vor allem, weil sie gelernt haben zusammenzuarbeiten.

“Wir haben unter uns gegenseitiges Vertrauen und ge [Seite 11]

genseitige Achtung aufgebaut,„ sagte Basanti Adhikari, eine Frau aus der Paushpanagar

Gruppe. “Wit fingen an, einander zu mögen, weil wir vieles gemein hatten.Wir lernten auch aus den Problemen, denen jede von uns sich gegenüber sieht, weil Wir miteinander darüber redeten.„.

Ein Programm zur Ermutigung von sozialem Engagement

Außer der Alphabetisierung und dem Bankwesen gibt es in dem Programm noch ein drittes Element: die Frauen werden zu sozialem Engagement ermutigt. Finanzielle Unterstiitzung durch die Asia Foundation hat es möglich gemacht, eine WEP—Komponente hinzuzufügen, durch die Menschenrechte, staatliche Verpflichtungen und Rechtsansprfiche in sechsmonatigen Kursen durch értliche NGOs vermittelt werden.

Eine durch Part erstellte Übersicht zeigt, dass die einzelnenWEP—Gruppen zusammen mehr als 70.000 6rtliche soziale Aktiviteiten initiiert haben. “Die Frauen informieren sich gem über ihre Rechte und es macht ihnen SpaBNcriinderungen in ihren Gemeinden zu planen,„ sagt Marcia Odell von Pact Nepal. “Am meisten Zuspruch finden die Kampagnen gegen Alkohol und Glückspiel. Aber es gibt auch Viele Kampagnen gegen das Brautgeld und gegen den Midchenhandel nach Indien sowie gegen héusliche Gewalt.„

Die Frauen verstehen sich als Anwiltinnen Für Menschenrechte

Eine WEP-Gruppe im DorfBardhawa hat neulich erfolgreich gegen eine Kinderehe Widerstand geleistet. Die Gruppe war im Januar 1999 gebildet worden, hatte aber bis zum November 2000 noch

keine Bank gegründet. Das gemeinsame Lernen hatte die

Frauen einander naher gebracht und das neuc Gefijhl der Solidarit'ét brachte sie dazu zu verhindern, dass ein 10j'2ihriges Miidchen in sin Nachbardorf verheiratet werden solltc.“Wir haben mit den E1tern gesprochen und sie davon überzeugt, es nicht zu tun,„ sagt Sumat Rani Chaudhary, die Vorsitzende der Gruppe. “Wenn ein Kind verheiratet Wird, wird es im Haus seines Ehenlannes leiden. Und sic wird vor allem leiden, wenn sie ein Baby bekommt.Wir haben also mit den Eltern darüber gesprochen und saBen lange mit ihnen zusammen, aber schließlich könnten Wir sie davon überzeugen, es nicht zu

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run.

Lernen Für das Leben wird hier sehr praktisch verstanden

Nach Aussagen der Projektleiter beruht der Erfolg von WEP auf einer Reihe von grunds'étzlichen Neuerungen. Zunéchst einmal spielen die Arbeitsbiicher selbst eine entscheidende R011€, weil das Lehrmaterial in kreativerWeise die Inhalte vermittelt. Die Themen werden einfach und

in effektiverWeise présentiert, wobei kurze Geschichten und Dialogs aus dem Dorfleben benutzt werden.“Es gibt mehrere Elemente, die den Zauber vonWEP ausmachen,„ sagt Connie Kane, die das Programm überwacht und stellvertretende Vorsitzende von Pact ist.“EinTeil davon sind die Bücher. Es ist erstaunlich, wie eifrig die Frauen sie benutzen und waiterreichen.„

Ein anderes wichtiges Element liege in dem Bemühen, von Anfang an die Frauen dazu zu ermutigen, unabhängig zu sein und auf die eigenen F21higkeiten zu vertrauen. So erhalten zum Beispiel die Frauen im Unterschied zu anderen Alphabetisierungsprogrammen in Nepal, bei denen die BiiCher, die Lehrer und sogar die Lampen mit dem Brennmaterial gestellt werden, nichts umsonst. Sie müssen sogar die Bücher kaufen, allerdings zu einem stark subventionierten Preis, sagt Connie Kane. “Wenn die Frauen die Bücher bezahlen, fühlen sie sich als Eigentijmer,„ sagt auch Bhaktaraj Ranjit, der Geschaiftsfiihrer von WEP in Nepal. “Die Frauen bekommen das Gefijhl, dass es ihr Programm ist. Sic behandeln die Bijcher gut und benutzen sie eine lange Zeit.


“Früher arbeitete mein Mann in einem Mbbelgesché'fi. Aberjetzt hat er dies: Arbeit aujgegeben, um mir gun: im Geschiifl zu helfen. Wir verdienen jetzt mehr, «I: was er früher nach Hausa brachte. lch war auch immer gun: van ihm abhiingig, aberjetzt arbeiten wir zu sammen."

Bishnu Marasi aus Rajena

Muhammad Yunus (links), der Grander des bisher erfolgreichsten Kleinkreditprojektes Grameen in Bankgladesh, wurde 1997 mit dem Planetary Consciousness Award des Club of Budapest ausgezeichnet.


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Frauen der WEP-Gruppe in Bardhawa. Durch ihr soziales Engagement könnten sie verhindern, dass ein Mddchen gegen ihren Willen verheiratet wurde.

Seit Beginn des Projekts im Dezember 1991 hat WEP in 21 der 75 Distrikte in Nepal gearbeitet and aim: 6.600 Lerngruppen und Sparverelne unter den

‘ Frauen gegnindet. ‘ Bisher warden damn: etwa 1.000 Dorfbanken, was mull Ansitht von Finanzexperten 50hr viel ist.


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Sie nehmen es wirklich ernst.„

Anerkennung und Wertschitzung ermutigen die Menschen und machen sie stark

Das Programm benutzt in starkem M2186 einen neuen Ansatz in der Organisationsentwicklung. Mittels “anerkennenden Fragen„ Wird die Aufmerksamkeit der Frauen auf das bereits Erreichte gerichtet. Durch Anerkennung und Wijrdigung bei der Planung und Durchfiihrung ihrer Entwicklungsprojekte hilft man den Frauen, sich auf das Positive zu konzentrieren und nicht aufdie Fehler, die natürlich auch entstehen. “Bei der heutigen Entwicklungsarbeit kommt es hauptszichlich auf die Motivation an,„sagt Keshab Thapaliya, ein Mitglied von ECTA, der sich von Anfang an stark bei WEP engagiert hat. “DiesesVerfahren ermutigt die Menschen, stat: dass sie sich von ihren Problemen Liberfahren fühlen.„

Das Projekt hat auch davon profitiert, dass es von Alphabetisierungsexperten entwickelt wurde, die Erfahrungen damit batten, ein Pro jekt mit den geringsten Kosten voranzutreiben, indem man sich darauf verließ, dass die Frauen selbst die Ausbildung übernehmen würden

“Das Geniale beiWEP war, dass sie mit Sparen anfmgen,„ sagt Dr. Lassen. “So ging es zun’échst nicht um Kredite, die nur klein gewesen wiren. Der Ansatz über die Alphabetisierung fiihrte zu einer starken Beteiligung. Alle, die die Bücher hatten und zur Gruppe gehören wollten, könnten tcilnehmen. Dies war Cine praktische und schnelle Methode, um das System der Dorfbanken kennenzuler n

nen. D i e Unterstfitzung durch

USAID läuft im September aus. Part hofft natürlich andere

finanzielle

Finanzquellen zu finden, ist abet auch entschlossen, das Programm in jedem Fall weiterzuführen und sich dabei auf die Frauen selbst zu verlassen. “Wit sehen, dass das Beispiel großartige Wirkungen hat: eine Gruppe von Frauen beobachtet eine andere, die schon eine


Dorfbank hat,„ sagt Marcia Odell.

“Die Frauen sprechen miteinander und wollen dann auch eine Dorfbank habcn. Es gibt schon einige Gruppen, die sagen zu den anderen, wir wer


ZILtfi/ aim; Mewmnwmes in Nepal. Die Reihe derArbeits bacher beinhaltet nicht allein Ausgaben zurA/phabetisierung, sondem auch zur Crandung einer Dorfbank und Geschdftsftihrung kleinerer Betriebe. Die Didaktik richtet sich dabei an die Lebenswirklichkeit der Frauen, so dass viele Geschichten und Dialoge aus dem Alltag das Lernen erleichtem.

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Zwolfjahre nach dem VVelt/eindeggipfel Ziehen vom 19.1913 21. September die Véreinten Nationen Bilcmz. Dabei wird es nicht nur eine Rückschau auf das Erreichte im Kampffiir das Kindeswohl gehen, sandem vielmehr werden die Probleme im Mittelpunletstehen, die seit 1990fiir Kinder undrjugendliche neu aujfgetreten sind. Religibse NGOS nahmen an den Vorbereitungstreflen aktiv teil.























EWYORK. —W'2ih rend das Globale

Dorfmit Kriegen und Menschenrechtsverletzungen zu kampfen hat, wichst in der Sesamstrasse ein Keim des Friedens. Diejfidische Marionette Daß und Hansen, eine palistinensische Puppe, lernen gemeinsam ihre beiden Kulturen schiitzen. Sic respektieren das, was dis wirklichen Menschen ablehnen. Daß wohnt in Rechov Sumsum, w'éhrend Haneen in der parallel verlaufenden Straße Shara’a Simsim lebt — so heißt die Sesamstrasse einmal aufhebréisch und einmal auf arabisch. Manchmal besuchen sich die beiden Marionettenpuppen gegenseitig. Es überrascht sie, wie viel sie doch gemeinsam haben, nicht nur die leckeren Falafelgerichte. Doch diese Idylle ist in Wahrheit weir weg vom Krisenherd Nahost.

















Seit dreiJahren können die New Yorker Stadtmenschen diese multireligiöse Sesamstrasse sehen. Eine Grofibildfléiche hdngt über der Strasse zwischen den beiden Hauptsitzen der Vereinten Nationen und UNICEF. Die Aktion war nur Cine von Vielen Ereignissen, die auf derVorbereitungskonferenz vom 29.Januar bis 2. Februar 2001 für die kommende Kindersondersitzung der Vereinten Nationen angeboten wurde.

Die Generalversammlung, die sich mit dem Kindergipfel von 1990 beschäftigen wird, findet vom 19.bis 21. September 2001 in NewYork statt.Auf derTagesordnung steht die Bilanz über die Umsetzung der Beschlfisse von 1990. A15 Ergebnis wird eine Erklarung „World Fit for Children“ und ein Aktionsplan erwartet, der





















An diesem Grenzübergang von Nepal nach Indien wird mit einem Schild (li.) gegen den Mddchenhandel demonstriert. Das Schild zeigt eine weinende Mutter, die ihr Kind verloren hat.

UNO


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Ausschnittvergrbflerung von dem aufder Vorseite abgebildeten Plakat.

Der Entwurf World Fit for Children erkennt an, dass cine “bessere ZukunftFür alle„, wie es beim Weltklndergipfel im Jahr 1990 formuIiert wurde, sick «I: lllusorisch herausgestellt but.

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an die Ergebnisse von 1990 ankniipfen und um neuere Entwicklungen ergénzen wird.

Der Entwurf zu „Wor|d Fit for Children“ nennt :ehn Vorhaben

Die Vertreter der teilnehmenden Staaten 21m Vorbereitungstreffen Anfang des Jahres haben einen Erklärungsentwurfangenommen, der die “körperlichen, sozialen, emotionalen, sensitiven und geistigen Fähigkeiten„ der Kinder in denVordergrund rückt. Die Erklzirung fuBt dabci aufzehn Vorhaben, die noch einmal die Verpflichtungen des 19906r Gipfels bestätigen und eine “weltweite Bewegung Fur das Wohl der Kinder„ in Gang setzen sollen.

Zu den Vorhaben gehören die Beendigung jeder Form von Diskriminierung, die Sicherung freier, grundlegender Erziehung unter Berücksichtigung der allgemeinen Schulpflicht, der Schutz der Kinder vor Kriegsgeschehen, die Beendigung der Ausbeutung von Kindern, die Bekiimpfung der Armut, der Schutz der Umwelt fiir die zukijnftigen Generationen und die Auflorderung, den

Kindern mehr zuzuhören.

„Wir können eine weltweite Bewegung fijr Kinder in Gan g setzen, Cine Bewegung, die die Welt auf A denWeg zur Be"! . endigung derAr ' mut, der Krankheir, der Verge; waltigung und

der Diskriminie rung bringen

wird, wodurch so

  • v Viele Leben zer

stcjrt werden„,

sagte der ge schziftsführende

Leiter von

UNICEF, dem

„3 " ’ Kinderhilfswerk

derVereinten Nationen, Carol

Bellamy bei der Eréffnung der Vorbereitungssitzung.

Ein großer Teil der Erklärung „World Fit for Children“ behandelt den Schutz des kindlichen Lebensumfcldes, der durch Kriege,Armut Oder sozial schwache Familien bedroht ist. „Die Familie ist der Kern der Gesellschaft. Sic ist in erster Linie für die Eméihrung und den Schutz der Kinder verantwortlich„, heisst es in dem Entwurf. „Alle gesellschaftlichen Institutionen sind aufgerufen, den Schutz und die Hilfe für Eltem und Familien zu beachten. Sie sollen Sorge tragen, damit die Kinder in einer sicheren, stabilen und fdrdernden Umwelt heranwachsen können„.

Die Erklärung muss noch priiziser formuliert warden

Vertreter von Nichtregierungsorganisationen (NGOS) arbeiten daran, dass bei weiterenVorbereitungssitzungen der Erklärungsentwurf préziser formuliert wird, bevor er dann in der Sondersitzung im September angenommen wird.

“Die vorliegende Fassung

von World Fit for Children muss beim Schutz der Médchen und der Sicherung ihrer Emahrung noch nachdrückliCher werden,„ sagt Bani Dugal Gujral, Vorstandsmitglied der NGO—Arbeitsgruppe für Midchen und Leiter des Biiros der lnternationalen Bahá’í—Gemeinde für den Fortschritt der Fraucn.“ln den meisten Kulturen sind Mfidchen Gefahren ausgesetzt, die allein aufgrund der gesellschaftlicheu Rahmenbedingungen bestehen, unter denen sie leben müssen.„

1m Vorfeld der Vorbereitungssitzung haben NGOs eine Reihe von Sitzungcn organisiert, die die Auswirkung der Armut auf Kinder, die soziale Lager der Miidchen, Kinderarbeit, die Auswirkung von HIV und AIDS aufKinder und Familien, die Fijrderung der Konvention über die Rechte des Kindes und andereThemen behandelten. Eine Podiumsdiskussion über Médchen hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Genitalverstfimmelungcn,V€rgewaltigung und sexuellen Missbrauch, Kinderschwangerschaft, Depressionen und Selbstmord zur Sprache zu bringen. “Das Augenmerk richtete sich in derVergangenheit auf die Erziehung der Mfidchen. Doch sollten Erziehungsprogramme auch für jungen erstellt werden, damit sie lernen, Maidchen und Frauen zu achten„ sagt Mary Purcell, die frühere Vorsitzen de der NGO—Arbeitsgruppe fiir Mfidchen.

Konservative NGOs sind in der Minderheit

Wis schon bei vorhergegangenen UN—Konferenzen, haben Vertreter verschiedener religiöser Organisationen von konservativer Seite versucht, ein Diskussionsprogramm für die Familie und gegen Abtreibung ins Leben zu rufen. Um eine eventuelle Konfrontation zwischen diesen Gruppen und anderen, liberaler gesinnten

[Seite 15]NGOs, welche an der Sondersitzung über Kinder im September teilnehmen, zu verhindern, hat der Ausschuss für religiöse Organisationen bei den Vereinten Nationen einen Sonderdialog fijr diese beiden Themenkreise angesetzt. „Wit wollten damit Gruppen von unterschiedlichen politischen Standpunkten zusammenbringen, die normalerweise nicht miteinander reden, damit wir gemeinsam überlegen, aufwelche Weiss die religiösen Organisationen am besten ihren Beitrag in die Diskussion bringen können. Denn erst wenn es gar nicht anders geht, sollen sie sich wenigstens darauf verstaindigen, dass sie uneins sind„, sagt Jeffery Huffines in seiner Eigenschaft als zweiter Vorsitzender des Religionsausschusses der NGOS, der zugleich Vertreter der US—amerikanischen Bahá’í bei denVereinten Nationen ist. jennifer Butler, außerordentliches Mitglied der presbyterianischen Kirche der USA und Für weltweite Angelegenheiten zustandig, erkl'ért, we die Grfinde für die Meinungsunterschiede sind: “Die meisten religiösen NGOs arbciten für die Stairkung und Verbesserung der Ziele der Vereihten Nationen. Die Gruppen der pro—life—Bewegung haben hingegen ein tiefverwurzeltes Misstrauen gegenijber denVereinten Nationen. Und gerade dies fiihrt zu einem sehr politisierten Klima„ Einer der Zweifel der konservativen NGOs gegenüber dem Kinderhilfswerk derVereinten Nationen, UNICEF, ist dessen angebliche Befiirwortung und Finanzierung von Abtreibungen. Meg Gardinier von der Verwaltung des USFonds bei UNICEF, möchte hingegen den Verdacht zerstreuen:“Hierfiir gibt es keine finanziellen Zuwendungen und die UNICEF unterstiitzt diesesThema auch nicht„,ver sucht sie dieVorbehalte zu entkriiften.

“Wir wissen, dass wir in dieser Sache eine Minderheit darstellen„, meint der Président des katholischen Familien— und Menschenrechtsinstituts (CFAM), Austin Ruse, dazu. Er ist Sprecher der konservativen Gruppen. “Unsere Themenordnung ist sehr eng geschniirt, weil Wir uns nicht verzetteln wollen. Das wichtigste ist für uns aber das Dokument.„

Die Forderung, zukünftig eher in den Prozess der Meinungsfindung einzusteigen, um einen Konsens unter allen religiösen Gruppen zu finden, pragte deshalb auch die Diskussion unter den NGOS bei der Vorbereitungskonferenz Anfang des jahres.

“Obwohl wir in der Substanz einige Differenzen haben, wiinschen wir doch alle ein offenesVerfahren ohne vorbestimmte Ergebnisse", 50 Austin Ruse. Das Ziel sci, so war die herrschende Meinung, zukLmftig gemeinsam Vorstellungen und Ideen in die offiziellen Sitzungen der Regierungsvertreter einzubringen. “Religiöse Gruppen bieten eine von den anderen NGOs abweichende Perspektive, was ihren besonderen Reiz ausmacht. Dies gilt sowohl für ihr karitatives Engagement als auch für ihreVorstellungen über eine Hilfe zur Selbsthilfe„ sagt Meg Gardinier von UNICEF. “Es besteht ein Bediirfnis an interreligiöser Zusammenarbeit„, meint sie. “Die Zusammenarbeit muss nicht unbedingt formal sein, aber Regierungen schiitzen cine gemeinsame Stimme.„

Positive Tendenzen sind auch sichtbar

Wiihrend des Gipfeltreffens von 1990 haben die Staats— und Regierungschefs die wesentlichen Gefahren, denen die Kinder heute ausgesetzt sind, definiert. Sie verpflichteten sich zu bestimmten Zielen, die sie bis zum Jahre 2000 erreichen wollten. So sprachen sie sich für die Schaffung eines Zugangs zu

einer angemessenen Gesundheitsversorgung aus, Krankheiten sollten nicht weiter verbreitet werden, Erziehungsmöglichkeiten geschaffen und die Erniihrung der Kinder verbessert werden.

Die Erklärung der Sondersitzung im September soll auf diesenVerpflichtungen aufbau en, aber auch weitereThemen Wie HIV/AIDS, Kindersol


daten Oder die sexuelle Ver— „Die vorliegende marktung von Kindern anspre— Fussy"! w" Chen. So müssen heute bei— „WorIdI-itfor spielsweise mehr als eine halbe Children“ muss Milliarde Kinder mit weniger helm Still" def als einenii Douar tiglich über- Madthen und der leben, em Drlttel delr Kmder Sichcrung „"2, haben wemger als funf jahre

Schulunterricht und mehr als Emahung nah einhundert Millionen Kinder "ahd’fi‘klih" arbeiten und leben unter ge— fomuliert werflihrlichen, gewaltiitigen oder den,“ ausbeuterischen Bedingungen. Bani Dugal Gujral,

Vorstandsmitglied i der NGO-Arbeits- 1 gruppe für Mfidchen ‘ und Leiter des Bfiros

der Internationalen Bahá’í-Gemeinde fijr

den Fortschritt der

Frauen.

Jackie Shapiro von Zonta International und zweite Vorsitzender der NGO—Arbeitsgruppe flir Mfidchen bei UNICEF sagt: „Allgemeine Formulierungen der Rechte der Kinder wurden zugunsten von konkreten Aussagen aufgegeben. Diese sehen nun vor, die Regierungen an ganz bestimmte Staatspflichten zu binden und sie für derenVerwirklichung verantwortlich zu machen.„ So erkennt der Erklärungsentwurf an, class eine “bessere Zukunft für alle„, wie CS 1990 formuliert wurde, sich als illusorisch herausgestellt hat.

Der Text stellt aber auch einige positive Tendenzen fest, die ermutigen. So bilden bessere Kommunikationsmöglichkeiten und der Fortschritt auf technischem und medizinischem Gebiet die Grundlage für ein effektiveres Handeln zum Wohl der Kinder.V0r allem das Recht auf Entwicklung liefert hierzu einen

menschenrechtlichen Maßstab. Und die wachsende Bedeu tung einer Zusammenarbeit



mit dem privaten Sektor trägt ein Ubriges dazu bei, neue Ressourcen zu mobilisieren.

Von Veronica Shofiktall I

„K ONE COUNTRY

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[Seite 16]

lllmlilfliliiflflfln

Die Veranstalter: Dr. Hossain Danesh, Rektor der Landegg-Akademie, und Professor Moshe Sharon, Inhaber des Lehrstuhlstr Bahá’í—Studien an der Hebnzischen Universitdt



Die Herausforderungen der Mdderne verbinden die Religionen

M‘h""5° 6" Konferenz des Lehr lehrte suchten .. , , stuhlsfur Baha’z mull gemeinsamen

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veranstaltet vom Lehrstuhl für Bahá’í—Studien an der Fakultdt für Geisteswissenschaften der Hebréischen Universitait in Jerusalem zusammen mit der

Die Landegg Academy veröffentlichte mehrere Aufsétze, die auf den Vorträgen derTagung basieren,

an ihrer Webseite unter Schweizer Landegg Academy.

1111 Mittelpunkt der wissenschaftlichen Tagung Stand die Frags, wieJudentum, Christen it 2/2001- SEITE 16

Cum, Islam und Bahá’itum auf die philosophischen, gesellschaftlichen und psychologischen Herausforderungen der Moderne reagieren. Ein weiteres Ziel war es, die Bahá’iStudien als unabhiingiges akademjsches Arbeitsgebiet vorzustellen und den Dialog über gemeinsame Grundwerte der monotheistischen Religionen zu fdrdern.

„Religiöse Studien befassen sich oft mit den Anfzingen Oder der Geschichte von Religionen.Wir untersuchen zum Beispiel die Entstehung des 15lams Oder das judentum im Mittelalter“, soYair Zakovitch, Dekan der Fakultzit für Geisteswissenschaften der Hebraischen Universitét. „Dabei ist gerade das Studium der Religion heute wichtig Für die Menschen. Es war ein Zeichen, dass sich die Wissenschaftler trotz der brisanten politischen Situation in Jerusalem getroffen haben, um über das Gemeinsame zu sprechen und auch über die Unterschiedel Im

Allgemeinen sind die Menschenja misstrauisch — aber nun ist die Mauer cles Misstrauens gefallen.“

Der Président der Hebraischen Universitét, Professor Menachem Magidor, sprach iibcr seine Vision, die Hebriiische Universitét zu einem führender) Zentrum Für Religionsstudien zu machen — mit Forschungszentren für alle monotheistischen Glaubensrichtungen. „Das erste Glied in dieser Kettc ist der Lehrstuhl fiir Bahá’í—Studien“, so Magidor.

Erste Bahá’í-Lehrstiihle

Der Inhaber dieses Lehrstuhls, Professor Moshs Sharon, sagte, die Bahá’í—Studien entwickelten sich zu einer unabhiingigen Domiine akademischer Forschung. Die Konferenz sei die erste, die Cine renommicrte internationals Universitfit zum Studium des Bahá’itum sowie ihrer Beziehung zu ihren Schwcster [Seite 17]religionen einberufen habe. „Durch diese Tagung bekundet die Hebrfiische Universität ihr Interesse an den Bahá’í—Studien und ihren Wunsch, dass dieses Fach neben den jfidischen, christlichen und islamischen Studien anerkannt wird.“

Mitorganisator war die Landegg Academy, eine durch Bahá’í gefdrderte Bildungseinrichtung in der Schweiz. Deren Rektor, Dr. Hossein Danesh, hob hervor: „Die Jerusalemer Konferenz konzentrierte sich aufgemeinsame Grundfragen der Religionen und das an einem Ort zu einer Zeit, da religiöse Spannungen in einem politischen Zusammenhang betnichtlich waren.“

In seiner Rede warf Danesh einen Blick auf die gemeinsamen Elemente der monotheistischen Religionen, welche als Eckpfeiler der Zivilisationen zu betrachten seien. Dabei erwsihnte er auch einige Lehren aus dem Bahá‘itum, die direkt aufdie Herausforderungen des modernen Zeitalters antwortetenAls Geschenk überreichte Danesh dem Prisidenten der Universitét einen Band mit Federzeichnungen der heiligen Stitten der Bahá’í in der Altstadt von Akká, die der persische Architekt und Zeichner Hushang Seyhoun angefertigt hatte.

Auf den Podien diskutierte man überThemen Wie „Religion in moderner Zeit“, „Mystizismus und Messianismus“, „Endzeit1ehre und Ethik„, „Tradition, Erneuerung und Reform“ Oder „Religion und Wissenschaft“. Die meisten Referenten sprachen über Aspekte des Juden- Oder Bahá’itums. So referierte Professor Degui Cai von der chinesischen Shandong—Universit‘ét über die Prinzipien des Bahá’itums und ihre Bedeutung für die chinesische Gesellschaft. Daneben gab es Beitrzige zum Sufismus, modernen Islam und Mormonentum. Die Teilnehmer undTeilnehmerin nen der Tagung kamen aus aller Welt, so aus Kanada, Dinemark, Russland, Sfidafrika, Schweden, der Schweiz,Thailand und Großbritannien, hauptsiichlich aber aus den USA und Israel.

Die abschließende Podiumsdiskussion trug den Titel „Begegnung der größten Gegensaitze in unserer Zeit“. Hier gab es unter anderemVortr'ége über afrikanische Christen in Israel und das Christentum und die Religionen der Eingeborenen auf den pazifischen Inseln. Schließlich referierte Amnon Netzer von der Hebrziischen Universita't über „ uden und Bahá’itum“. Professor Netzer, selbst Jude mit persischem Hintergrund, sprach über die Umstande, die rund zehn Prozent der persischen Juden veranlasst hatten, zum Bahá’itum überzutreten.

Atmosphare der Versiihnung

„Die liebenswürdige Arc, in der Netzer seinen Respekt flir die Konvertiten bekundete, schuf eine Atmosphzire interreligiöser Verséhnung unter den Zuhfirern, unter denen auch zahlreichejfidische Israelis mit Bahá’í—Verwandte n wa ren“, sagte spliter R ob ert S to c k m a n n , K 0 0 rd 1 n a t 0 r des Instituts für Bahá’í—Studien in Wilmette im U S — B u n cl e s staat Illinois.

We i t e r e s M erkmal d er Konferenz war die Teilnahme vieler junger Wissenschaftler neben bekannten, herausragenden Professoren und Gelehrten der Religionswissenschaft. „Das Nebeneinander von Jugend und Erfahrung war aufschlussreich und Vielversprechend für die Zukunft religiöser Studien“, so





Danesh. „Es zeigt, dass brillanter Nachwuchs d3 ist, und das verspricht neue Einsichten in die Rolle der Religion bei der Entwicklung von Zivilisation.“

Außerdem bot die Konferenz eine Reihe kultureller Aktivitéten. Der Erdflhungstag schloss mit klassischer Musik, dargeboten durch das King David String Ensemble, eines der Wichtigsten Kammermusikorchester Israels. Kiu Haghighi, ein persischer Bahá’í und Meister auf der Santur, beendete die Konferenz mit einer Virtuosen Darbietung einer eigenen Komposition für diesen Anlass.

Zum Abschluss derTagung reisten die Teilnehmer zum internationalen Zentrum der Bahá’í nach Haifa und Akká. Sie besuchten den Schrein des Báb und machten einen Rundgang über die Gartenterrassen an den Hingen des Berges Karmel. Spater besuchten sie den Schrein Bahá’u’lláhs und die Heiligen Steitten der Bahá’í in Akká.

Die Hebreiische Universitiit und die Landegg Academy vereinbarten, jaihrlich Konferenzen dieser Art zu unterstützen, wobei die Zusammenkfinfte abwechselnd in Jerusa lem and an der Landegg Academy in Wienacht, Schweiz, stattfinden sollen. Das übergreifende Thema der Serie 5011 „Religion undWissenschaft“ sein. Die nichste Konferenz ist für EndeJanuar 2002 in Landegg geplant. I


Der Lehrstuhlfür Bahá’í-Studien an der Hebrfiischen Université't wurde 1999 als enter akademischer lehrstuhl der Welt [fir dds Stadium des Bahiitums geschafien. Andere akademische Zentren and Programme, var allem der Bahá’í-Lehrstuhl fiir Weltfrieden am Zentrum Für internationale EntwickIung und Konfliktbewfiltigung der Unlvenitiit Maryland, haben dds Ziel, Aufiassungen und Beitriige der Bahiizu anderen Disziplinen zu studieren.


M; Stephen Lambden, Susan Maneck, Vahid Rafati und Amin Banani (v.I.n.r.) bei einer Podiumsdiskussion auf der Konferenz über Religionen an der Hebrciischen Universitcit in Jerusalem

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„Zuer5t hatte ich Angst davor hier zu bleiben. lch warja mit all den stereotypen Vorstel/ungen Über das Leben unter Schwarzen behaftet, darunter auch eine über stdndige Bedrohung durch VerbreChen und Gewa/ttcitigkeit", sagt Frau Streifii hier mit ihrem Mann.

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„Rassismus ist eine Krankheit“ - Beispiel geben gegen die „weiße Flucht“


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US


Zwei Familien mathen in der ameri/eaniscllen Promnz Sclzluss mit den subtilen Formen des Rasszsmus. Sie setzen damit Programme um, die amh bei der VVeltrassismusIeonferenz in Sadcfrilea I'm September zur

Sprache kommen.

TLANTA. —V0r zwei Jahren bauten Larry und Carole Miller ein

neues Haus. Die Kinder waren erwachsen und mit ihren guten Renten könnten sie sich aussuchen, wo sie leben wollten. Das Ungewöhnliche daran war: sie zogen in einViertel von Atlanta City, das mehrheitlich von Afroamerikanern bewohnt wird: Lithonia. Ihr

Entschluss widerspricht völlig der jahrzehntelangen Abwanderung weißer Familien aus diesem Stadtteil, ein Phinemcn, das als „weiße Flucht“ bekamlt ist.

“Ich glaube, dass wir andercn Familien, die in vergleichbaren Lebensumstiinden waren, sonderbar vorgekomnwn sind“, sagt Larry Miller. „Wir bitten ja überall hinziehen können.Aber wir1neinten,ein Beispiel geben zu müssen.“

Miller ist 54 jahre alt und Vorruhestzindler. Vor kurzem erst hatte der Bahá’í seine Unternehmensberatung verkauft. „Wir möchten in einer pluralistischen Gesellschaft leben, in der die Menschen lernen, von sich aus gut miteinander umzugehen, statt widerwillig durch Regierungsprogramme dazu gezwungen zu werden. Außerdem möchten wir zeigen, class wir Menschen Rassentrennungen in das Gegenteil verkehren können“. Denn

trotz der jahrelang durchge fiihrten Regierungsprogramme zur Behebung der Rassenschranken bestimmten die Zugehérigkeit zu einer Rasse immer noch den Alltag der Menschen.

So ist zwar im Bezirk der Millers die Hilfte der Bevblkerung weiß und die andere Halfte farbig, doch konzentrieren sich Farbige und WeiBe in ihren Stadtvierteln. So sind im Gymnasium von Lithonia 96,6 Frozent der SChiiler farbig. In anderen Gebieten des Bezirks sind aber wenigcr 2115 7 Prozent der Bevblkerung Afroamerikaner. Ahnliche Aufieilungen finden sich überall in Atlanta: Die Hauptstadt Atlanta City ist zwar über 70 Prozent farbig, aber im Nordcn des Bundesstaates gibt es mehr 2115 95 ProzentWeiBe.

Immer noch bestehen Rassenschranken

„Geschichtlich betrachtet leben wir noch immer in

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rassengetrennten Gebieten“, ist sich der Soziologe undVölkerkundler an der Universita't Georgia, Prof. Bachtel, sicher. Wfihrend in fiffentlichen Institutionen Rassentrennung kein Thema mehr sei, habe sich die Integration an den Schulen Oder bei derArbeit nicht wirklich durchsetzen können. „Man kann sogar sagen, dass, seitdem in den siebziger und achtziger Jahren die WeiBen angesichts der Zuwanderung von Farbigen abwanderten, ein Prozess von erneuter Rassentrennung in Gang gekommen ist.“

Diese Erfahrungen in der amerikanischen Provinz dekken sich mit weltweiten Beobachtungen. Oflensichtlich seien Formen der Intoleranz, Feindschaft zwischen ethnischen Gruppen und Gewalttaten im Zunehmen begriffen, stellte die Generalversammlung derVereinten Nationen schon 1998 fest.Trotz der Bemühungen der internationalen Gemeinschaft seien Millionen Menschen selbst heute noch Opfer verschiedener Former] von Rassismus und Rassendiskrirrfinierung.Vor allem stellte die Generalversammlung mit Besorgnis fest, dass rassistische und fremdenfeindliche Propaganda auch über das Internet verbreiten werden.

Im gleichen Jahr beschloss die Generalversammlung, im September 2001 in Sfidafrika die dritte Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhéngende Intoleranz, so der volle Titel der Konferenz, zu veranstalten. Ziele der Mammutveranstaltung sollen sein, die Fortund Rückschritte bei der Bek'éimpfung des Rassismus seit 1948 zu untersuchen, die normativen Instrumente gegen Rassismus zu überprfifen, das antirassistische Bewusstsein zu stiirken, konkrete Empfehlungen umzusetzen sowie neue zu formulieren und die Hintergrfinde V011 Rassismus zu analysieren.

Erst die Menschen beleben Anti-Rassismus-Programme

Doch Konferenzen und Programme entfalten ihreWirkung erst, wenn Menschen ihre Zielc umsetzen, wie es Familie Streifltat. Denn auchjeffrey und Sarah Streifizogen zusammen mit ihren Kindern in Cine von mehrheitlich von Farbigen bewohnte Gegend. Die Streiffi meinten, dass sie durch das Leben in einer größtenteils durch Afroamerikaner bewohnten Gegend gezwungen waren, ihre als WeiBe in Amerika anerzogenen rassistischenVorstellungen zu revidieren.

„Zuerst hatte ich Angst davor hier zu bleiben“ bekennt Frau Streiff „Ich warja mjt all den stereotypenVorstellungen über das Leben unter Schwarzen behaftet, darunter auch cine über stindige Bedrohung durchVerbrechen und Gewalttätigkeit. Nun leben wir hier schon zweiJahre und es ist nie etwas passiert. Unsere Angste verschwanden und wir sehen nun, dass man hier wie in irgendeiner anderen bfirgerlichen Umgebung leben kann.“ Es sei ganz anders, als das, was die meisteaniBen erwarten.

„DerVorteil, hier zu leben, ist, dass ich als WeiBe an dem mjr von Kindesbeinen an cingetrichterten Rassismus arbeiten kann“, sagt sie weiter. Den WeiBen habe man stets beige


bracht, einer privilegierten Klasse anzugehören. Viele fühlen sich nicht als ein Teil cler Menschheit. „Rassismus bedeutet nichts anderes, als dass ein Teil der Menschheit meint, aufgrund bestimmter LiuBerer Merkmale wie Hautfarbe Oder Körperbau den anderen Teilen überlegen zu sein.Aber

das ist ganz einfach nicht wahr. Gott schuf uns als Menschheit und wir sind es doch, die die Unterschiede machen.“

eine

Subtile Formen des Rassismus bestehen überall

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen dies.Vorurteile, Stereotypen Oder Feindbilder werden von weiten Teilen der Menschen geteilt, auch wenn die Phiinomene des Rassismus wie aggressive und gewalttaitige Handlungen nur an wenigen Bevölkerungsgruppen feststellbar ist. Die Vielfliltigen Erscheinungsformen des Rassismus zeigen sich also nicht allein an gewalttaitigen Übergriflén vonjugendlichen, sondern im Alltag auch an zum Beispiel schlechteren Zugangsbedingungen zur schulischen und beruflichen Bildung.

Einer subtileren Form des Rassismus treten die Familien Miller und StreiEentgegen: der Kontaktvermeidung gegenüber Menschen aufgrund ihrer äußeren Merkmale. „Ras sismus ist eine fible Krankheit, mit der die Menschheit behalf tet ist“, äußert sich Herr Streilf

„Wir könnten unseren Einsatz für die Einheit der Menschheit nicht besser bezeugen als durch den Umzug in eine Gegend wo nur Farbige wohnen, um damit dieser Krankheit die Stirn zu bieten.“ I

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Rasslsmus entsteht, wenn ein fiufleres Merkmal einer bestimmte Eigenschaft zugeordnet und diese negativ bewertet wird. Duran: ergibt sich ein Überlegenheitsgeffihl, das cine Gewaltanwendung rechtferligt. BeitpiekAlle Farblqe (Meninmfl

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(Eigelmlmffl, weslmlb :ie minderwertlytind (humility). Die Welsun sindtamitmelt! wed (überbgenlleillgefiillll, weslmlb tie mtg: ditklimfi niemn diiqen (delimit).

„Wir meinten, ein Beispiel geben zu müssen." Die Millers in ihrem Haus in Lithonia, einem mehrheitlich von Farbigen bewohnten Stadtteil in Atlanta Citiy




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[Seite 20]Über alle Kategorien hinaus

„Bahá’u’lláhs vielschichtiges Schrifttum transzendiert alle astlichen und westlichen Denkkategorien, seien sie traditionell oder modern. Seine Schriften müssen unter ihren eigenen Bedingungen und im licht ihrer eigenen hermeneutlschen Primipien gelesen

werden.“ Prof. Dr. Nader Saiedi


ie zunehmende g6

genseitige Abhingig

keit der Menschheit bewirkt gulch, dass sich Wissenschaftler der verschiedensten Fachbereiche weitaus grfindliCher mit den Schriften Bahá’u’llzihs beschiiftigten als es frijher der Fall war. Denn Bahá’u‘lléhsVision der Einheit der Menschheit und sein Aufruf zu einer neuen Weltordnung sind ohne Zweifel eine der frühesten Äußerungen für eine friedliche und gerechte Globalisierung.

Bahá’u’lláh verfasste seine Aufrufe in der zweiten Hiilfte des 19.]ahrhunderts und forderte alle Männer und Frauen auf, sich als Weltbiirgcr zu betrachten. Er appellierte an die politischen Herrscher seiner Zeit, einen internationalcn Staatenbund zu griindcn. und rief die Reprfiscntanten der verschiedenen Religioncn dazu auf, die Gemeinsmnkeiten aller Religioncn :mzucrkennen. Dabei interpreticrtc cr

die menschlichc

R E Z E N S | O N Geschichtc radikal


Nader Saiedi

Logos and Civilization Spirit, History, and Order in the Writings of Bahdu’l/cih

University of Maryland Press, MD, USA

it ‘ ONE COUNTRY

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neu. er entwarfcin neues Bild von der Natur dcs Menschen und stiftctc eine unabhlingigc ncuc Religion, das Bahziitum.

[11 „Logos and Civilization: Spirit, History, and Order in the Writings of Bahá’u’lláh“ fiihrt der am Carleton College in Minnesota, USA, lehrende Soziologieprofessor Dr. Nader Saiedi eine der ersten systematischen Untersuchungen dieser Huuptthemen dsr Schriften Bahá’u’lláhs durch. Dabei verv gleicht er sie nicht nur innerhalb des Textkorpus der wichtigstenWerke Bahá’u’lláhs, sondern auch mit den Denkstrijmungen vor allem des 19. jahrhunderts, die mit diesen Themen verkniipft sind. Bahá‘ulléhs Schriften, die für die Bahá’í als Gottes Wort gelten, wurden im Laufe von

mehr als dreiBigJahren verfasst. Ihr Stil reicht vom Mystischen bis ins sachlich Erkllirende. Dr. Saiedi berücksichtigt cine grOBe Bandbreite an Themen, von Theologie über Okologie zu PolitischerTheorie. Er analysiert die Bedeutung persischer und arabischcr Ausdrücke in den Originalwerken und gibt eine detaillierte Beschreibung dcs historischen Kontextes wieder, in den] sic geschrieben wurdcn. „Bahá’u’ll2ihs vielschichtiges Schrifttum trnnszendicrt“, so der Autor, „;11]e (")stlichen und wcstlichen Dcnkkategoricn, scicn sie tmditioncll oder modern.“ Seine Schriften miisstcn untcr ihren cigev nen Bcdingungcn und 1111 Licht ihrcr cigcncn hermeneutischen Prinzipien gelesen werdcn.chn cs cin Ergcbnis gibt, das „L0gos and Civilization liefert“, dalm ist cs diese Einzigartigkeit der Schriften Bahá’u‘ll;is, die der Autor anhand ciner ganzcn Bandbreite an Thcmen aufzuzeigcn vcrsucht — V011 der Theologie bis zum guten chicrungshandeln. Nimmt man zum Beispiel Bahá’u’lláhs Lehrcn zur Weltordnung und erinnert sich an seine Forderung an die Herrscher seiner Zeit, einen weltweiten und geeinten Staatenbund zu errichten, so kann Saideis Herangehen exemplarisch dargelegt werden. Denn einige Wissenschaftler weisen daraufhin, dass Bahá’u’lláh V011 curopiiischen Philosophen bceinflusst wurde, beispielsweise V011 Saint—Simon (176()—1825), der vorschlug, dass sich die europaischen Staaten zusammenschliefien sollten, um Kriege zu VCIhilldCI‘IL Saint—Simon wird deshalb auch als früher Vordenker dc‘s Weltfdderalisnms und der internacionalen Zusammenarbeit betrachtet. „W0fi'1r Saint—Simon cintrat,wz1r die Vereinigunchst europas“, so Saicdi. „S;1int—Simons Ides einer europiiischen Zusammenarbcit stiitztt sich auf die Annahmc der chrlegenheit dc‘s europiiischen VOL kes und der gcwaltsamcn Unterwerfung 111inderwertigtr Nicht~EL1roplicr.“

1m Gegensatz dazu stellt Saidci fest: „Bah;iu'll;ih 531] die Welt uls eine gcistigc organischc Einhcit, und cr crkanntc die historische Notwcndigkeit cincr globulcn Ethik 7 nicht im Sinnc einer zwcckmiifiigcn, praktischen Anwcndbnrkeit. sondern nls den Illichsten Entwicklungsschritt auf der gcmeinsamcn geistigcn Reise der Menschhcit." Bahziu‘lléh hubs den Menschen in semen Schriftcn systematisch die Grundlagcn disses organischen Wcltvcrstlindnissc‘s dargelcgt, cinschließlich der Einheit der Religionen, die Notwendigkeit einer internationalen Hilfssprache und internationalcr politischer Strukturen, sozialer Gerechtigkeit, beratender und demokratischer Regierungsformen uns so fort.

In diesem Sinne stellt Saidei noch weitere Themen nus Bahá’u’lláhs Schriften den Philosophien und religidscn Auffassungen seiner Zeit gcgenüber, so die Mystik der Sufis, Immanuel Kants Kritik der reinen Vernunft und john Stuart Mills liberals demokratische Theorie. Nicht nur diejtnigen, die besonders an Geschichte, Theologic und Weltanschauung des lehziitums interessiert sind, warden dicscs Buch für außerordentlich bedeutsam haltcn. Auch die in den vcrschicdenen Disziplincn vorgebildetcn Laser und Lcscrinncn wcrden es aufgrund seiner ausgcdchntcn Reise durch die kritische Idccnwclt. die mit der modernen Theologie, Philosophic und Politischchheorie in Verbindung stcht,a15 erhellend cmpfinden. I