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MAGAZIN DER BAHA’ I NTERNATIONAL COMMUNITY „Die Erde ist nur ein Land, und aI/e Menschen sind seine Barger." - Bahdu’lla’h 4/9 9
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Debatte: „Wer schreibt
die Zukunft?“ - Bahá'iStatement zum
Jahrtausendwechsel
- Mongolei
- Programm
zur Anpflanzung von Obst und Gemiise wendet Ernéihrung
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Haager Friedensappell: Globale Zivilgesell ’ schaft schafft neue Friedensdiplomatie
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Lokale Agenda 21: Ein neuer Weg der Politik durch Konsens mit
Wirtschaft u. Bijrgern
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Portrét: Theo Schoenaker - Im Dienst an der Menschheit
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, Rezension: Chancen fUr eine globalen sozialen Marshallplan
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DM 4,- / SH 4,- /ATS 28,- / LUF 8o,— Postvertriebsstficknummer D13365F
IMPRESSUM
014: Count" wird herausgegeben von der Bahá’í International Community,die als Nicht-Regierungs-Organisation bei den Vereinten Nationen die weIt-weite Bahá’í-Gemeinde représentiert.
0n: Couumv,0ffice of Public Information,Bahá’í International Community, Suite 120, 866 United Nations Plaza, NewYork, New York 10017,USA, E-Mail:1country@bic1org. Chefredakteur: Brad Pokorny. Chef vom Dienst: Ann Boyles. Auslandsredaktionen: Nancy Ackerman (Moskau),Christine Samandari-Hakim (Paris), Kong Siew Huar (Macau), Guilda Walker (London). Deutschsprachige Redaktion: Peter Amsler,Stefan MutschlerJensUwe Rahe. Freie Korrespondenten: Hilde Fanta (Osterreich), Silvia Fréhlich (Schweiz),Jutta Bayani (Luxemburg). Geschäftsffihrunngartmut Nowotny, Arezu Braun. Übersetzerpool: Lisa Hiemer. Beitrage aus ONE Couunv können kostenfrei nachgedruckt werden unterAngabe derQuelle. Anschrift: ONE Couu'lgv, Eppsteiner Str.89, D-65719 Hofheim-Langenhain, Germany.Te|._49-6192-99290,
Fax _49-6192-992999. Herausgeberder deutschsprachigen Ausgabe: Nationaler Geistiger Rat der Bahá’í in Deutschland e.V.
Einzelhefl: DM 4,-lSFr4,-/OS 28,-/
LUF 80,-.Jahresabonnement: DM15,-/ SFr15,—/C')S1oo,»/LUF 300,— (incl. MWSt u. Porto). Die Zeitschrift kann beim Bahá’í-Verlag, Eppsteiner Str. 89,65719 Hofheim»Langenhain, bestellt werden. Copyright 1999 by Bahá’í International Community. ISSN 0945-7062.
Gedruckt auf1oo% Recyclingpapier.
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KLEINKREDITE HABEN HOCHKONJUNKTUR:
BEREITS 12,6 M10. KLEINKREDITEMPFKNGER
FRANKFURT AM MAIN. - Zwei Jahre nach dem ersten „Microcredit-Summit“ in Washington hat sich die Zahl der in die Gruppe der Armsten gehörenden Kleinstkreditkunden in den Entwicklungsléndem um 50 Prozent auf 12,6 Millionen Méinner und Frauen erhbht. Darauf wies der Direktor der Microcredit Summit Campaign,Sam Daley Harris, gegenflber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung hin. Laut Harris kbnnte sogar das in Washington vereinbarte internationale Ziel, bis zum Jahr 2005 mindestens 100 Millionen armen Familien
den Zugang zu Kleinstkrediten zu verschaffen, bei der Beibehaltung derart explosiverWachstumsraten Übertroffen werden.
Die als Mittel zur Armutsbekémpfung eingesetzten Kleinkredite wurden mittlerweile von nahezu 1600 Organisationen vergeben. Die 34 grdssten lnstitute, darunter die Grameen Bank in Bang|adesh,versorgten eine Klientel von 7,5 Millionen Menschen. Trotz des Erfolgs bleibejedoch die Frage nach der finanziellen Eigenst'éndigkeit der Institute problematisch. Zu héufig mflssten die Kleinstkrediteorganisationen aus Mitteln der offiziellen Entwicklungshilfe subventio DAs MlLLENNIUMS-FORUM DER NGOs FINDET IM MAI 2000 IM UNO-SAAL STATT
NEW YORK. — Durch eine ungewöhnliche Vereinbarung wurde dem MilleniumForum die Benutzung des Saales der Generalversammlung der Vereinten Nationen fur seine Eréffnungs- und Abschlusssitzungen erlaubt, die flir den 22. und 26. Mai 2000 geplant sind.
Das Sekretariat derVereinten Nationen hat zugestimmt, weitere Versammlungsréiume für dasTreffen bereitzustellen, das zum Ziel hat, Bijrger aus der ganzen Welt zusammenzubringen und Über die globalen Herausforderungen zu
beraten, denen sich die Vereinten Nationen im 21. Jahrhundert stellen muß. Unterdessen hat der LensskungsausschuE des Forums seine wichtigsten Themen formuliert. Demnach werden Friede, Sicherheit und Aerstung, Abschaffung von Armut, Menschenrechte, nachhaltige Entwicklung und Umwelt, Stérkung und Demokratisierung der Vereinten Nationen und internationaler Institutionen sowie die Herausforderungen der Globalisierung auf der Agenda der Versammlung stehen.
WELTBANKBERICHT: LOKALE VERANTWORTUNG IST SCHWESTER DER GLOBALISIERUNG
WASHINGTON—In ihrem neusten Weltentwicklungsbericht prognostiziert die WeitbankffirdieJahrtausendwende, dass 1,5 Milliarden Menschen mit einem Dollar und weniger am Tag auskommen müssen. Fijr 2020 sprechen die Schétzungen der Weltbank gar von 1,9 Milliarden Menschen, die in absoluter Armut leben, ein
Gros davon in den Städten. Gleichzeitig stellt der Bericht unter dem Titel „Eintritt in das 21.]ahrhundert“fest, dass Hand in Hand mit der wachsenden Integration der Weltwirtschaft, der Ruf nach grdsserem politischen Mitspracherecht, mehr Dezentralitét und regionaler Selbstbestimmung zunimmt.
niert werden. Eine bleibende Zukunfi gebe es nur, wenn sich die institute am Markt refinanzieren und auf eigenen Beinen stehen können, 50 Harris.
Auch sei noch zu kléren, wie die érmsten Zielgruppen am besten zu identifizieren seien und wie man sie erreichen kdnne. Noch gébe es keine allgemein akzeptierten, kosteneffizienten Identifikationsmechanismen und daher auch nur ein ungenaues Bild über die Wirksamkeit der Kredite fUr die Linderung der Armut.
UNHCR AUSSERT ERNEUT BESORGNIS UBER IRANs Bahá’í
GENF. — Zum achtzehnten Mal in achtzehn Jahren éufierte die Menschenrechtskommission derVereinten Nationen (UNCHR) ihre Besorgnis Über die Menschenrechtsverletzungen gegen die Bahá’í im Iran. Sie stellte ein „sich verschlechterndes Muster derVerfolgung, einschließlich Todesurteilen,Hinrichtungen,Verhaftungen und die Schließung des Bahá’í-Instituts fUr Höhere Erziehung“fest.
Die Feststellung folgte einem Bericht von Maurice Danby Copithorne, dem Sonderbeauftragten der Kommission fUr Iran. Demnach sei der Zustand der Bahá'itrotz Président Khatamis Plénen fUr eine„tolerante,mannigfaltige und gesetzestreue Gesellschaft“ "unveréndert" geblieben oder sogar in einigen Beziehungen„sch|echter“ geworden.
BERLIN. - Entwicklungslénder und die Entwicklungspolitik werden auf der Expo 2000 im kommenden Jahr stérker vertreten sein alsje auf einer Weltausstellung zuvor, schreibt das Bundesministeriumfijrwirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) in einerPressemitteilung. Freilich ist nach Angaben der Gesellschaft fürtechnische
ENTWICKLUNGSTHEMATIK AUF EXPO 2000 STARK VERTRETEN
Zusammenarbeit (GT2) die EXPO 2000 die erste Weltausstellung,aufder Entwicklungspolitik Überhaupt ein Thema ist. Nach Angaben von Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul,die das entwicklungspolitische Konzept der Expo unléngst in Berlin vorstellte, werden sich 130 Entwicklungs- und
INTERKULTURELLER RAT SPRICHT SICH EINMUTIG FUR RELIGIONSFREIHEIT WELTWEIT AUS
FRANKFURT/M.—-Vertreter von unterschiedlichen Religionen haben im September eine gemeinsame Erklärung zur Religionsfreiheit unterzeichnet. Darin heißt es unter anderem „Jeder Mensch darf seine Religion wechseln, sie verlassen oder keine Religion haben."
Dass auch Vertreterdes Islams diesen Satz unterschrieben bezeichnete JUrgen Micksch vom Vorstand des lnterkulturellen Rates in Deutschland in Frankfurt gegenflber der dpa als wichtigen Schritt zu einer fruchtbaren religiösen Vielfalt. Die Widerstände gegen den interreligiösen Dialog in Deutschland und weltweit seien immer noch beachtlich, so Micksch.
Auch Christopher Sprung vom Nationalen Geistigen Rat
der Bahá’í in Deutschland \
wertete die gemeinsame Erklärung unter dem Motto „Re|igionsfreiheitentfalten“ als bedeutsames Zeichen. Die Anhénger der Bahá’í-Religion wurden im Iran und in den sunnitischen Teilen der arabischen Welt immer noch als Abtrünnige verfolgt. Wenn sich Muslime in Deutschland nun gegen eine Verfolgung dieserGlaubensrichtung wenden und den Bahá’í Religionsfreiheitzugestehen, sei dies eine Ermutigung fUr alle religids Verfolgten in arabischen L'éndern. Derlnterkulturelle Rat,ein Zusammenschluss von Menschen unterschiedlicher Herkunft, Religion und Nationalitét, will mit seiner Erklärung die Kontakte zwischen Angehörigen verschiedener Religionen fördern und Angste abbauen.
NEUES UNO-PARLAMENT SOLL SEINE STIMME IN DER WELTPOLITIK ERHEBEN
BERLIN/FRANKFURT/M. Zum 5. Mal war Deutschland vom 10. bis 16. Oktober in Berlin Gastgeber fUr rund 1.000 Parlamentarierausaller Welt.
Zum Konferenzauftakt forderte das World Federalist Movement (WFM) von den Abgeordneten parlamentarische Initiativen in ihren Heimatléndern zurVerwirinChung globaler Demokratie. „|nternationa|eJustizund Demokratie sind unaufldslich miteinander verbunden.
Während die Einrichtung des Internationalen Strafgerichtshofs weiter vorangetrieben wird, mUssen wir unsere Aktivitéten zur Demokratisierung derVereinten Nationen fortfljhren. Dazu gehbrt auch die Etablierung eines beratenden UNO-Parlaments“, erklärteWFM-Generalsekretér William Pace in New York. Eine parlamentarische Versammlung aufWeltebene werde eine neue Stimme in die globale Politik bringen, so Pace.
Reformlénder beteiligen. 90 dieser Lénder wurden von der GTZ beraten, und 6o der érmsten Ländererhielten finanzielle UnterstUtzung. Das BMZ hatte danrMittel in Höhe von 100 Millionen Mark bereitgestellt.
MEHR ALS 1.300 AGENDA-BESCHLUSSE BUNDESWEIT
BONN. - Bis Ende Oktober hat das BUro des claeringhouse for applied futures (caf) in Bonn 1315 deutschlandweit kommunale BeschlUsse zur Lokalen Agenda 21 gezéhlt. Spitzenreiter ist Hessen mit 423% der Kommunen, gefolgt von Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Bayern. Das caf setzt sich ein fUr die Agenda 21, das Aktionsprogramm fUr das 21. Jahrhundert, Ergebnis und gleichzeitig Appell der UNKonferenz „Umwelt und Entwicklung„ 1992 in Rio de Janeiro.
DEUTSCHLAND UNTERZEICHNET ROM-STATUT
BERLIN. — Bundesministerin Déubler—Gmelin hat angekUndigt, dass Deutschland in den néchsten Monaten den Beschluss zur Errichtung des Sténdigen Internationalen Strafgerichtshofes der Vereinten Nationen ratifizieren werde. Mit dem Gesetzesentwurf werde auch die notwendige Verfassungsainderung auf den Weg gebracht werden, sagte Déubler-Gmelin aufeinerTagung des„lnstitut de Droit International“ in Berlin.„Die Schreibtischtéter und Folterknechte dieser Welt sollen sich nirgendwo mehr sicher fUhlen dijrfen“, hob die Ministerin hervor. Das„|nstitut de Droit International“, gegrflndet im Jahre 1873, ist eine Akademie des internationalen Rechts.
EUROPA-MAGAZIN
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DEBATTE
Folgender Beitrag ist einem Statement mit dem Titel„ Wer schreibt die Zukunft? - Nachdenken Über das 20. Jahrhundert“entnommen, das von der lntemationa/en BahdiGemeinde im Februar 1999 herausgegeben wurde. Das Statement untersucht die Ereignisse des zwanzigsten Jahrhunderts im Lichte der Lehren Bahdu I/ahs (1817-1892), dem Gründer der Bahá’í—Religion, und betrachtet die Herausforderungen, denen die Menschheit am Ende des Jahrhunderts gegenÜbersteht.
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ie Vereinigung aller
Bewohner der Erde
ist weder eine ferne utopische Vision, noch eine Angelegenheit, bei der wir Überhaupt die Wahl haben. Diese Vereinigung stellt die nächste unausweichliche Phase im geseIIschaftlichen Entwicklungsprozess dar, eine Phase, die nach aller Erfahrung der Vergangenheit und Gegenwart zwingend notwendig vor uns liegt. Solange diese Tatsache nicht erkannt und ernst genommen wird, können die Probleme, die unseren Planeten plagen, nicht gelfist werden, denn alle wesentlichen Herausforderungen des Zeitalters, in das wir eingetreten sind, sind globaler und universelIer Natur und nicht auf einzelne Aspekte oder Regionen beschrainkt.
Die letzten hundert Jahre waren Zeuge eines Wandels sowohl der Art und Weise, wie wir Erdbewohner unsere gemeinsame Zukunft planen, als auch der Art und Weise, wie wir einander gegemjbertreten. Das Kennzeichen beider Prozesse ist eine Entwicklung hin zur Einheit. Umwélzungen, die sich der Kontrolle existierender Institutionen entzogen, haben die politischen Fuhrer der Welt dazu gezwungen, neue Systeme globaler Organisation zu installieren, wie sie zu Beginn des Jahrhunderts noch undenkbar gewesen w'éren.
Mitte des Jahrhunderts führten diese beiden Entwicklungen zu einem Durchbruch, dessen historische Bedeutung erst kfinftige Generationen voll und ganz würdigen werden. Während der allgemeinen Léhmung, die dem Zweiten Weltkrieg folgte, eréffneten sich einigen weitblickenden politischen
WER SCHREIBI
NACHDENKEN UBER DAS zo. JAHRHUNDERT
FUhrern endlich Möglichkeiten,
durch die Organisation der Ver einten Nationen die Grundlagen einer Weltordnung zu schaffen
und zu festigen.
Wie mit der Weltordnung, so steht es auch mit den Menschenrechten in aller Welt. Die Konfrontation mit dem entsetzlichen Leid, das die Opfer menschlicher Perversion im Laufe des Krieges heimsuchte, léste eine weltweite Schockreaktion aus - und etwas, das man nur als tiefes Schamgefuhl bezeichnen kann. Aus diesem Trauma heraus entstand eine neue Art moralischen Verantwortungsbewusstseins, das formell in der Arbeit der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen und der ihr beigeordneten Organisationen institutionalisiert wurde.
Parallel dazu verlief die Entwicklung des wirtschaftlichen Lebens. In der ersten Hélfte des Jahrhunderts verabschiedeten viele Regierungen aufgrund der verheerenden Wirkung der großen Wirtschaftskrise Gesetze, die der Schaffung von Sozialhilfeprogrammen und Finanzkontrollsystemen sowie der Racklagenbildung und der Regulierung von Handelsbeziehungen dienten mit dem Ziel, die Gesellschaft vor aihnlichen Verwiistung in der Zukunft zu bewahren. Am Ende des Jahrhunderts hat ein Großteil der Menschheit erkennen können, dass - was auch immer die Absichten und wie primitiv auch immer die zur Zeit verfligbaren Instrumente sein mögen — die Nutzung des Reichtums unseres Planeten grundlegend umorganisiert werden kann. wenn sich die Vorstellungen davon éindern, welche Bedürfnisse vor allen anderen befriedigt werden sollen. Die Auswirkungen dieser Entwicklungen wurden enorm verstärkt durch die in zunehmen dem Maße breiten Schichten der Bevölkerung zur Verffigung stehenden Bildungsmöglichkeiten.
Dieser Prozess einer strukturellen Neuorganisierung auf globaler Ebene wurde von einem tiefgreifenden Bewusstseinswandel belebt und bestérkt. Zum Beispiel schien im Laufe der Menschheitsgeschichte die Erfahrung zu zeigen - und religiöse Lehren schienen dies zu bestaitigen - dass die Frauen vom Wesen her den Ménnern unterlegen wären. Plétzlich, sozusagen über Nacht, wenn man in geschichtlichen Dimensionen denkt, trat die vorherrschende Sichtweise Überall den RUckzug an.
Ein weiterer Fixpunkt im Selbstversténdnis der Menschheit war jahrtausendelang die Überragende Bedeutung ethnischer Unterschiede, die sich in den letzten Jahrhunderten zu den verschiedensten rassistischen Wahnvorstellungen verfestigte. Mit einer aus geschichtlicher Perspektive atemberaubenden Geschwindigkeit erlebte das zwanzigste Jahrhundert, wie sich die Einheit der Menschheit als Leitmotiv internationaler Beziehungen etablierte. Heute werden die ethnischen Auseinandersetzungen, die auch weiterhin in vielen Teilen der Welt mit verheerenden Folgen ausgetragen werden, nicht als natflrliche Erscheinungen in den Beziehungen zwischen unterschiedlichen Völkern betrachtet, sondern als willkijrlich verursachte Abirrungen, die unter wirkungsvolle internationale Kontrolle gebracht werden müssen.
Wfihrend der Iangen Kindheit der Menschheit nahm man des Weiteren an, dass Armut dauerhaft und unvermeidlich zu jeder Gesellschaftsordnung
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gehore. Heute wird jedoch diese Einstellung, die entscheidenden Einfluss auf die Prioritäten aller jemals bekanntgewordenen Wirtschaftssysteme der Welt ausgeiibt hat, allgemein abgeIehnt. Zumindest der Theorie nach wird allerorts die Regierung im Wesentlichen als Treuhainder verstanden, dessen Ver antwortung es ist, das Wohlergehen aller Mitglieder der Gesellschaft zu sichern.
Dass der feste Griff religiöser Vorurteile sich nach und nach lockerte, war ebenfalls von besonderer Bedeutung. Bahá’u’lláh schreibt: „Ohne Zweifel verdanken die Völker der Welt, welcher Rasse oder Religion sie auch angehören, ihre Erleuchtung derselben himmHSChen Quelle und sind einem einzigen Gott untertan.“ ’
Während dieser entscheidenden Jahrzehnte erfuhr auch das menschliche Versténdnis des materiellen Universums grundlegende Veränderungen. In der ersten Hilfte des Jahrhunderts entstanden die neuen Theorien über Relativitat und Quantenmechanik, die beide eng mit dem Wesen und der Funktionsweise des Lichtes zu tun haben. Diese Theorien revolutionierten die Physik und batten Einfluss auf die gesamte Wissenschaftsentwicklung. Die Menschheit trat in ein Zeitalter ein, in dem die Zusammenarbeit dei Naturwissenschaften - der Physik, Chemie, Biologie sowie der noch jungen Okologie - atemberaubende Möglichkeiten zur Verbesserung der Lebensbedingungen eroffnete.
Offensichtlich ist, dass die Menschheit nun über alle Mittel verfflgt, die zur Verwirklichung der visionéren Ziele benötigt werden, wie sie ein sténdig reifer werdendes Bewusstsein sich gesetzt hat.
Den Wandel zu wUrdigen, der im Laufe der jetzt endenden geschichtlichen Epoche vonstatten ging, bedeutet nicht, seine dunklen Seiten zu leugnen, die den Errungenschaften um so schérfere Konturen verleihen:
die gezielte Vernichtung von Millionen hilfloser Menschen; Erfindung und Einsatz neuer zerstorerischer Waffen, die ganze Bevolkerungen auszuloschen vermogen; der Aufstieg von Ideoiogien, die das geistige und intellektuelle Leben ganzer Nationen erstickten; Umweltzerstorung auf globaler Ebene in einem so großen AusmaE, dass es Jahrhunderte dauern kann, die Wunden zu heilen; und der unermesslich grofiere Schaden, der Generationen von Kindern angetan wurde, indem man sie lehrte, dass in Gewalt, Obszonitit und Selbstsucht der Triumph persönlicher Freiheit liege.
Dunkelheit istjedoch kein Phénomen, dem irgendeine Form der Existenz, geschweige denn eignsténdiger Existenz zukommt. Sie kann Licht weder ausloschen noch mindern. Vielmehr bezeichnet sie diejenigen Regionen, in die noch kein Licht gedrungen oder die noch nicht ausreichend erleuchtet sind.
„Unverg|eich|ich ist dieser Tag,“ betont Bahá’u’lláh, „denn er ist wie das Auge f L'Ir vergangene Zeitalter und Jahrhunderte und wie ein Licht in der Finsternis der Zeiten." Aus dieser Perspekfive stellt sich die Frage, wieviel Leid und Zerstorung die Menschheit noch ertragen muss, bis wir von ganzem Herzen die geistige Natur bejahen, die uns zu einem einzigen Volk macht, und bis wir genug Mut haben, die Planung unserer Zukunft im Lichte des so schmerzlich Erlernten in die Hand zu nehmen.
Das in den Schriften Bahá’u’lláhs gezeichnete Bild der kUnftigen Entwicklung menschlicher Kultur stellt vieles, was sich in unserer heutigen Welt als normativ und unveranderlich darstellt, in Frage. Wenn das menschliche Bewusstsein von seinem Wesen her geistig ist eine Tatsache, der sich die große Mehrheit der Menschen intuitiv immer bewusst gewesen ist -, dann kann ein Wirklichkeitsversténdnis, das dogmatisch auf dem Gegenteil beharrt, die Entwicklungsbedflrfnisse dieses
Bewusstseins weder begreifen noch ihnen dienlich sein.
Kein Teilbereich der heutigen Ziviiisation wird von Bahá’u’lláhs Bild der Zukunft unmittelbarer in Frage gestellt als der vorherrschende Kult des Individualismus, der sich beinahe Überall auf der Welt verbreitet hat. Von Kräften wie politischer Ideologie, akademischem Elitedenken und konsumorientierter Wirtschaft gefordert, hat das „Streben nach individuellem GlUck„ ein aggressives und weitgehend hemmungsloses Anspruchsdenken entstehen lassen. Die FoIgen sind eine starke Zersetzung individueller und sozialer Moralvorstellungen sowie eine verheerende Zunahme bestimmter Krankheiten, des Drogenrhissbrauchs und anderer nur allzu vertrauter Ubei unseres ausgehenden Jahrhunderts.
Die hauptsächliche Krankheit, unter der die Gesellschaft leidet and von der ihre Léhmung herrfihrt, sagt er, ist die Zwietracht einer Menschheit, die sich eigentlich durch eine besondere Ffihigkeit zur Zusammenarbeit auszeichnet und deren Fortschritt bis heute immer wieder davon abhing, welcher Grad gemeinsamen Handelns zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Gesellschaften erreicht wurde.
Eng verknüpft mit der Frage der Einheit ist die zweite moralische Herausforderung, vor die das vergangene Jahrhundert die Menschheit mit zunehmender Dringlichkeit gestellt hat. In Gottes Augen ist, wie Bahá’u’lláh betont, die Gerechtigkeit „von allem das Meistgeliebte“.
Wenn die Menschheit in ihrer Gesamtheit tatséchlich eins und unteilbar ist, dann entspricht die von ihren Fijhrungseinrichtungen ausgeübte Amtsgewalt im Wesentlichen der einer Treuhandschaft. Jede einzelne Person kommt als der ganzen Gemeinschaft anvertrautes Pfand zur Welt; und dieses Merkmal menschlichen Daseins ist die wahre Grundlage
gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und kultureller Rechte.
Die volker der Erde haben durch die Wirkung der göttlichen lmpulse ihre geistigen, intellektuellen und moralischen Fähigkeiten, deren Kombination menschliche Zivilisation eigentlich charakterisiert, fortlaufend entwickelt. Diese sich allméhIich steigernde, jahrtausende< Iange Entwicklung hat nun eine Phase erreicht, wie sie typisch ist für alle entscheidenden Wendepunkte im Prozess der Evolution, eine Phase, in der sich plötzlich ungeahnte Möglichkeiten auftun: „Dies ist der Tag", bekrfiftigt Bahá’u’lláh, „da Gottes erhabenste Segnungen den Menschen zugeströmt sind, der Tag, da alles Erschaffene mit Seiner méchtigsten Gnade erflillt wurde.“
Aus Bahá’u’llahs Perspektive gesehen hat die Geschichte der Stémme, Völker und Nationen im Wesentlichen ihren Abschluss gefunden. Was wir heute erleben, ist der Anfang der wahrhaft menschenwürdigen Geschichte, der Geschichte einer Menschheit, die sich ihrer Einheit bewusst ist.
Es bedarf keiner prophetischen Fähigkeiten mehr zu erkennen, dass in den Anfangsjahren des neuen Jahrhunderts Energie und Motivation frei werden wird, die unermesslich stérker ist als sémtliche Gewohnheiten, unerkannt gebliebenen Irrtflmer und Abhéngigkeiten, die so lange ihre freie Entfaltung verhindert haben.
Wie grofs der Aufruhr auch sein mag - die Epoche, auf die sich die Menschheit derzeit zubewegt, wird jedem Individuum, jeder Institution und jeder Ge< meinschaft dieser Erde bisher nicht dagewesene Möglichkeiten eroffnen, die Zukunft des Planeten mitzugestalten. „Ba|d", so verspricht Bahá’u’lláh voller Zuversicht, „wird die heutige Ordnung aufgerollt und eine neue an ihrer Statt entfaltet werden."
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Far die Bahá’í in Erdenbulgan wurdefrischer Sa/at zu einem rege/mafiigen Ereignis bei Zusammenkdnften.
FRUCHTBAR I
UND DIE ERDE WURDE WIEDER
Überkommene Traditionen und die einstige Abhdngigkeit von einer zentralistischen Wirtschaftftjhrten dazu, dass man in der Mongolei sehr einseitig auf eine
TITELSTORY Much—und
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Fleischwirtschaft setzte. Eine nationale Kampagne fördert nun den Anbau von pflanz/ichen Nahrungsmitteln in einem Anpf/anzungsprojekt auf drt/icher Ebene.
gemeinsghaftlichen
RDENBULGAN, EMongolei. — Bis vor etwa drci jahrcn hattc
der scchszchnjlihrigc Amartuvshin noch niemals Pflanzen wic Mais, Kiirbissc Oder Flaschenkfirbis geschen — von der chrlcgung, dnB Frischgemfisc cs wort scin kéilmtc in etwas Schmuckhafies vcrwandelt schwcigcn.
ZU \Vtldtll, ganz zu
chtejedoch strcbtAmrna. wic cr gcnannt wird, dalmch, so Vie] wic nur 1116ghch über Aufzucht, das Caren von Gemusc zu ler Zubcreitung und
wurde durch
Gem useanbau eine ernstha Nahrungsléic e
geschlossen
ncn. Er hat sogur schon ein eii genes Salatrezept entwickelt. „ CtZt mag ich ?cmiisc sehr“, sagt Amartuvshin (wic Vielc Mongolvsn hat gulch er nur einen Namcn). „Gemiise sind iibcraus wichtig für eine gutc Gesundheit, weil sie viele Vitamins und nndere Niihrstofil cnthalten. Es gibt eine großc
n der Mongolei
e
[Seite 7]Zahl von Gcmfisen und ein
jedes schmeckt anders, hat eine
andere Farbe Oder andere
Form. Wir können manches
wohlschmeckende Essen da111itzubcreiten.“
z4-Stunden-Dienst im Gemiisegarten der Dorfgemeinschaft
Im letzten Sommer hatte Amartuvshin und sein jfingerer Bruder Batuvshin - mit dem er sich dieVerantwortung teilte — zusammen mit anderen Mitgliedern des abgelegenen Dorfes in der nérdlichen Mongolei sichergestellt, dass an der Anlegung eines Gemeinde—Gemiisegartens wiihrend 24 Stunden am Tags gearbeitet wurde. Dazu mußte er des öfteren auf dem Geliinde in einer Laube fibemachten, die neben dem Garten errichtet worden war und die zur Aufbewahrung der Ger'éte dienen sollte.
In ihrem Eifer spiegelt sich die Hingabe und Tatkraft wider, mit der Mitglieder eincr kleinen Bahá’í—Gemeindc sich dem Projekt „Gemiiseanbau vor Ort“ widmen. Sic stehen damit am vorderster Linic eines Projektcs, das sich derzeit zu einer landesweiten Bewe gung entfaltet.
Mit Pilotprojekt Mangelerkrankungen durch Frischgemiise beseitigen
Das Irojekt zur FéSrderung des gcmeinsclmftlichen Gem Liseanbaus vor Ort in den Déirfem der Mongolei steht im krassen Gegensatz zur traditionellen Erniihrungsweise in dieserWeltgegend, die Gemijse bis vor kurzem nicht kannte. Gesundheitsspezialisten fanden heraus, dass zahlreiche Mangelerkrankungen in der Mongolci aufden Mangel an Vitaminen zurückzufijhren sind.
Obwohl die bisherigen Bemühungen in Erdenbulgan lcdiglich einige 100 kg Frisch gemiise für die hiesigen Familien zuwege gebracht haben, hat das Unternehmen in der Region den Charakter eines Pilotprojektes angenommen. Es bewies, dass Gemfise sehr wohl in vielen Gegenden der Mongolei miihelos wachsen kann. Zudem ist das Projekt auch ein Musterbeispiel für cine Gemeindeentwicklung, die gerade aus einem solchen, 6rtlich ins Leben gerufenen und funktionierenden Unternehmen hervorgehen kann.
„Viele Menschen, wie 2.13. die Alteren, Kinder Oder die jugend habcn bci dem Irojekt mitgearbeitet“, sagt in Erdenbulgan der Lehrer Davaadulam, ein Mitglied der dortigen Bahá’í-Gemeindc. Durch das Projekt haben die Menschen dort gelernt, miteinander zu beraten, in Eintrucht zu arbeiten und für ein Zicl vereint zu sein.“
Drei Ursachen fiil die einseitigen Emiihrung: kaltes Klima, nomadische Tradition und sozialistische Vergangenheit
In der Mongolei ist die Wachstumsperiode f Lir Anpflanzungen schr kurz, speziell hier in der nérdlichen Provinz Khovsgol, die in die Ausl‘éufer der Sayan Berge Sibiriens ganz im Norden eingebettet istl
Khovsgol liegt 50° nérdliCher Breite und zudem auf 1200 Meter Höhe. Der letzte Frost des Frühlings schiebt sich weit in den Juni und Anfang September, manchmal auch schon Mitre August treten die ersten Herbstfréste ein.
Dennoch ist das Klima nicht das größte Hindernis fijr die Entfaltung einer ausgewogenen Landwittschaft hier Oder sonstwo in der Mongolei. Die Hauptursache dafür, dass nur ein Prozent der Landfl'ziche der Mongolei lalldwirtschaftlich genutzt wird, liegt in der Tmdition begrtindet.
Die Mongolen sind seit langer Zeit ein Nomadenvolk,
das bis heute den Großteil seiner Nahrung aus den Tierherden bezieht, dic- sich von den weiten Grasfliichen der bcriihmten zentralasiatischen Steppen erndhren. Die Nahrung der Mongolen setzt sich demzufolgc hauptsiichlich aus Fleisch und Milchprodukten zusammen.
Durch die zentralistische Planwirtschaft der bis vor wenigen jahren herrschenden kommunistischen Ideologie wurde die einseitige Erniihrung weiter verschfirft. „Wihrend der sozialistischen Zeit war die Versorgungslage mit Nahrungsmitteln besser und vielfziltiger, da es mehr Unterstijtzung seitens des Staates gab“, erkliirt David Megit, ein kanadischer Spezialist fijr Landwirtschaft, der mit dem Mongolischen Zentrum Fur Entwicklung in der Hauptstadt Ulan Bator zusammenarbeitet. „Aber dieses System brach 1990 in sich zusammen, und so nahmen Verfiigbarkeit und Konsum von frischen Früchten und Gemijseartcn in den letzten neun Jahren signifikant ab.“
Zu demselben Ergcbnis kommt der Entwicklungsbericht der UNDP (United Nations Development Programme) von 1997: „Im nationalen Durchschnitt hat sich das Erniihrungsgleichgewicht, das vor zwanzigjahren durch eine sozialistische Verteilungswirtsclmft gewiihrleistet war, dramatisch verschlechtert, weil kein Übergang zu den neuen Bedingungcn stattgefunden hut.“ Der Mangel an Früchten und Gemfise führte zu einem Mangel an wichtigen Mineralien und Vitaminen und dies wiederum „zu akuten Mangelerkrankungen, die teilweise irreversivel sind“, fijhrt der Bericht an.
1993 um „Jahr der Erniihrung“ erklärt
Regierungs— wie Nichtregierungsorganisationen sich
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Als eine der ersten im Lande begann die Bahá’í-Gemeinde in Erdenbulgan im Norden der Mongolei 1997 mit einem eigenen Pro]ekt zum gemeinschafllichen Anbau van Obst and Gemiise. Dds Beisplel hat Schulz gemacht und wuchs inzwi“hen zu einer landesweiten Bewe 9""! K‘ ‘3‘ ONE COUNTRY
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Der16jdhrigeAmartuvshin, links, hilft anderen bei der Ansaat von Saatgutbeim Projekt von Erdenbulgan.
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sich in aller Scharfe der Probleme gewahr, die durch die einseitige Erndhrung hervorgerufen wurden. Die Regierung der Mongolei erkliirte das jahr 1993 zum ,Jahr der Ernéhrung“ und tcirderte eine hcihcrc Produktion von Getrcidc wie Weizcn, erlijutert Maidar, der Dircktor der Gartenbau—Gescllschaft der Mongolei, eine]: unabhiingigen Nichtrcgierungsorganisation, die ihrc eigene Kampagne zur Ermutigung dc‘s Kleinanbaus Von Gemiisc stanctc. Die Regionalvcrwaltung von Ulan Bator unterstützte diesc Kampagne finzmziell.
Nach Ansicht von Maidar ist das Erdenbulgan—Projekt cin Modell für die gzmze Mongolei aufgrund des Weges, wie in diesem Projekt die Menscheu vor Ort auf das Projekt vorbereitet und in disses einbczogtn wurdcn:
„Die gesamte Bevölkerung von Erdcnbulgan ist sehr crmutigt durch die erfolgreiche Etablierung des ijektes. Dies ist V011 größter Bedeutung, denn es ist ein Indiz für den großen psychologischen Wandel, dtr in Gang kam. Früher, whhrend der kommunistischen Zeit, war es verbotcn, überhaupt einen eigenen Garten zu haben, da es 315 private Initiative verpönt war. So setztc sich in den Kbpfen vieler Mesnchen die Ansicht fest, dass sis nicht in der Luge wdren, selbst Gemiise anzubauen Oder dass es Vie] leichter wire, Schafe aufzuziehen als Kohl anzupflanzen. Doch jetzt linden} sich die Dinge sehr schnell, nachdem Erdenbulgan es vorgemacht hat.“
Erdenbulgan ist eine kleines entlegenes Dorf mit ctwa 3.000 Einwohnern und 01.650 Kilometer von Ulan Bator entfernt. Es führen keine offiziellen Strchn nach Erdenbulgan
und Zugang findet man nur über rauhe Wege über bcwaldetes und bergiges Gelzinde. Elektrizitiit gibt es nur zu bestimmten Stunden an bestimmten Tagen, und \X/asser fijr den Haushalt muss vom Fluss geholt werden. Das Essen beschriinkt sich auf vor Ort produziertes Fleisch, Milch und Mehl.
Der Bahá’í—Glaube kam 1994 nach Erdenbulgan, als Ulzisaiken, einejunge Studentin, an der Hochschule V011 Ulan Bator Bahá’í wurde und mach ihrcm Studjum nach Hause zurückkehrte und ihrer Familie von dem neuen Clauben erzählte.Viele andere Mitbiirgcr von Erdcnbulgan schlossen die neue Lehre in ihr Hcrz, angezogen durch ihre fortschrittlichen sozialen Prinzipien, ihrc Übereinstimmung mit der buddhistischen Tradition diCSCI‘ Gegend und ihrcm Nachdruck aufEinheit. Schon 1995 wurde der erste 6rtliche Bahá’í—Rat gebildet, und heute sind cs mehr 2115 100 Bahá’í, die in der Ortschaft Erdenbulgan leben.
Bahá’í-Gemeinde von
Erdenbulgan überlegte, wie sie ihrem Ort am besten dienen kann
Ihre Entscheidung, einen Gemfisegarten für die gesamte Gemeinde zu eréffllen, trafdie Bahá’í—Gemeinde
Erdenbulgan vor dem Hinter VOl’l
grund der Primisse, dass ihre Aktivitiiten der weiteren Umgebung zugute kommen miissten. Im Mai 1995 begann die Bahá’í—Gemcinde darijber zu beraten,welches Wirtschaftliche und soziale Projekt sie bcginnen sollte. Es entstand cine Liste von Optionen vom Bau einer Brotbéckerei über die Errichtung eines Kulturzentrums und die Unterstfitlung V0r1 Englisch—Klassen bis zur Anlage eines Gemiisegartens.
Nach eincr Reihe von Beratungen entschieden sich die Bahá’í 1996, dass der Aufbau eines Gemijsegartens der leichtests erste Schritt war, den man sofort starten könne und der vielleicht auch der Wichtigste Schritt sei. Im darauffolgenden Jahr erhielten sie die Erlaubnis von der Regionalverwaltung, einen Viertel Hektar Landes neben dem Fluss Eg einzuziiunen. D21 man wusste, dass man
Hilfe briuchte, wandte man sich um Rat und Tat auch an
das nationals Bahá’í—Bfiro in Ulan Bator.
Appetit auf die neuen Früchte und auf die neue Art der Gemeindeentwicklung
Die Leiter dieses Btiros wussten, dass sich David Megit - ein kanadischer Landwirtschaftsspezialist, der ebenfalls Bahá’í ist — zu dieser Zeit in Ulan Ude im nahen Russland aufllielt. Sie luden ihn nach Erdenbulgan ein und berieten sich mit ihm im April 1996. Aufgrund dessen, was er hier sah, cntschied David Megit, noch im selben jahr in die Mongolei umzuziehen, um den Aufbau des Mongolischen Zentrums für Entwicklung eine nationale Nichtregierungsorganisation für soziale und wirtschaftliche Entwicklung, die nach Bahá’í—Prinzipien arbeitet - personell zu verstairken.
„Im erstenjahr war es mehr ein Pilotprojekt“, meint David Megit. „Die Mongolen, besondersjene auf dem Lande, hatten praktisch keinerlei Erfahrungen mit der Anpflanzung von Obst und Gemiise. So er
forderte es einen hohen Grad
an Mut und Überzeugungskraft auf Seiten der lokalen
Bahá’í—Gemeinde, ein solches
Projekt zu initiieren und mit
der erforderlichen Beharrlichkeit bis zur Erntezeit zu betreuen.“
Nichtsdestoweniger entwickelten jene, die mit dem Projekt in Beriihrung standen, sehr schnell einen besonderen Appetit — im wörtlichen wie übertragenen Sinne — auf die neuen Früchte und ebenso auf den neuen Prozess in der Gemeindeentwicklung, der mit dem Projekt wie automatisch verwoben war.
Das grBBere Projekt: Soziale Kompetenz entwickeln
„Wir betrachten den gemeinschaftlichen Obst— und Gemiiseanbau nicht als das eigentliche Projekt — auch wenn dieses mit derVerbesserung der Erniihrung und der Erhéhung der Einkommen an sich sicher schon Sinn genug machen würde“, erlaiutert David Megit. „Dieses Projekt ist nur ein wichtiger Baustein im Ent wicklungsprozess der Gemeinde. Es ist cin Weg, auf dem die Mitglieder der Gemeinde die
„ Wfihrend der kommunistischen Zeit war es verboten, überhaupt einen eigenen Garten zu hben, do as als private Initiative verpbnt war. So setzte sick in den Kapfen vielerMenschen die Ansicht fest, dds: sie nicht in der Luge wären, selbst Gemiise an zubauen. “
Maidar, Direktor der Gartenbau-Gesellschaft der Mongolei
Um immergenugend Feuchtigkeit im Anbaugebiet zu haben, muss das Wasser des Flusses E9 in Handebe/n 30 Meter hoch zur Projektanlage gebracht werden. In diesem Jahr soIl eine Windmijhle erbaut werden, die das Wasser auf das Geldnde pumpt.
W7» ONE COUNTRY
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Die Kinder von Erdenbu/gan untersuchen einen RiesenkUrbis. Solche GemUsearten waren hier bis vor kurzem gdnzlich unbekannt.
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Altt‘l] V011 Kohl und V1616 W611616 Obst— und (16111115681’1611 \VUChSCn 1161311 - 31$ Ergebnis 11511161 A1‘b6it und g101361 E111h6it. Das 1’1016kt b6ga1111 6111 13111, 136V01„ 6s Von d61 mongo11$C11t‘11 R6gi611111g g6f611161't VVLlI‘dC, und 6s 61w16s sich 111$ wichtige L6ktion und 2115 6111 13615111611111 d16 M611sch611 V01] E11161111111g1111“
Hilfe durch Saatgut aus Kanada
D16 611121116 U11t6rsttitzu11g, 1116 (116565 1’1016kt V011 111113611 61111611, war das Training und 1116 B61‘1111111g (1111611 David M6git v0111 M011golisch611 Z611trul11 1111 Entwicklung sowie d16 f1112111216116 Unterstiitzung — 6111SC1111€B11C11 Saatgut 1111 W611 V011 61111g611 11u11d611 Dollar — durch 6111611 611126111611 Bahá’í aus K211131121, (161 v011 d6111 P1016kt 111 E1d6nb111ga11 h61‘t6 und d611 \X/unsch 1111136116, (116568 211 1111161511112611.
"Dag K1111111 111 E1'11611b111gz111 ist i1'h1111611 21116116111 111 R6g111a 111 Saskatschewan — 6111 kurzer 11611361 3011111161 11111 V161 SO1111611sch61n. W11 schickt611 dah6r Saatgut, das sich 11nt61 d165611 k11111atischön Bedingungen hat“, 16111 11111 Collishaw 11111, 6111 1361:1161 f111 1:111dw11‘tschz1ftliche P1016kt6 1111s Cambridg6, Ontario, 1161
116wl1'111‘t
das Saatgut 1111551161116 und V61
sandte. „W11 V6rsuc11611, so gut
Wir k61111611, VCI‘SChiCIldenC
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Das nachste Projekt: Eine Windmiihle
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„1)i6 M611sch611 111 1161 U111g6bu11g $6h611 das 1361813161 1161 131111211“, sagt Soninbay6r, 61116 361111116 3116 Frau nus E1d611b111gan, d16 sich 1994 211111 Bahá’í—Glaubcn b6k111111[63. „V01 (16111 Aufbau 1116565 P1016kts gab CS V616111Z6lt6 B111g61, 1116 W6111g6 Obst— und GC‘HIUSC‘HTECII 811138111611, 11b61 111111 wu1d6 65 211 611161 breiten B6W6g1111g 1111 Dorfi und 111211 11b6rtrifft sich g6g61156111g 111 d61V161fi1lt C161" Anpflanzungm). Es haben also 1%111gst nicht 1116h1 11111 d16 Bahá’í d611V011611 21115 d1656111 P1016kt.“ I
[Seite 11]IN DEN HAAG
MOBILISIERT DIE GLOBALE
ZIVILGESELLSCHAFT FfiR EINE NEUE FRIEDENSDIPLOMATIE
Betrachtet man die erste Den Haager Friedenskonferenz am Ende des letzten Jahrhunderts und Konferenz in diesem Jahr, $0 ist ein Unterschied besonders auficillig: Vor einhundertjahren wurde die erste Den Haager Friedenskonferenz durch die Regierungen organisiert. Am Ende des Milleniums ist es die Zivilgesellschaft, die das tragende Engagement zeigt.
EN HAAG, NiederD lands. — Geleitet von Russland und den
Niederlanden kamen 1899 Regierungsvertreter aus 26 Lindern zusammen. Sie beschlossen die Errichtung einer permanenten Schlichtungsstelle, dem Vorlsiufer des heutigen Internationalen Gerichtshofes. Der 1999er Friedensappell von Den Haag zog 8.000 Teilnehmer von 700 Organisationen aus gut 100 Lindern an Geleitet wurde die Konferenz nicht V01] den Regierungen, sondern durch Biirgerorganisationen. Die Regierungen hatten zwar über eine große Fricdenskonfcrenz in Den
Haag gesprochen. Sic könnten
sich aber nicht über die Ziele einigcn und beschlossen darm die Durchfiihrung einer kleinen zweitfigigen Gedenkfeier anliiBlich des Ereignisses von 1899.
„Diesc Verainderung in der Initiative ist sehr bezeichnend“, stellte der Premierminister von Bangladesch Scheich Hasina in seiner Abschlussrede der Veranstaltung fest. „Wenn einmal die Initiative für den Frieden durch die Bevölkerung getragen wird, kann es bis zur Verwirklichung des Friedens nicht mehr lange dauernl“
Tatsiichlich reflektiert die Entscheidung verschiedener
Der Generalsekretdr des
Haager Friedensappells, William Pace (links), und die Nobelpreistnjgerin Jody Williams bei einer Pressekonferenz. Die Internationale Konferenz zur Beseitigung der Landminen, der Jody Williams vorsteht, wurde bei der Haager Friedenskonferenz als Beispie/fdr eine „Neue Diplomatie“zitiert.
NIEDERLANDE
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[Seite 12]Der Hanger
Friedensappell ist
ein weitzrer Schritt
im fortschreitenden Pious: der
Konstituierung der
globalen Zivilgesellschaft. In
einem Gebiet nach
dem anderen bildet
sich eine Koalition
van engagierten
Organisationen
weltweit, um
themenübergreifend zu weltweiten
Vereinbarungen zu
gelangen.
Die Bahá’í—Tanzgruppe „Awake" trug zum Rahmenprogramm des Globalen Forums beim Haager Friedensappell bei.
4/99 — SEITE12
Bevdlkerungsgruppen, eine eigene Veranstaltung auszurichten, auch den Tenor der daraus resultierenden Konferenz: (138 die Regierungen versfiumt haben, die weitreichenden Grfinde für Kriege anzuspreChen und daß die Struktur für einen dauerhaften Frieden nur geschaflen werden kann, wenn alle Biirger ihre Regierungcn zum Handeln bewcgen.
Frieden - nicht allein der Verantwortung der Regierungen iibérlassen
„Dic\X/elt tritt aus dem blutigstcn und kriegerischsten jahrhundert ihrer Geschichte heraus!“ — so steht es in der Haager Agenda für Frieden und Gerechtigkeit in) 21 .jahrhundert, dem Hauptdokument der Veranstaltung. „Am Vorabend des ncuen Jahrhunderts wird es Zeit, die Bedingungen zu schaffen, mit denen das lléchste Ziel der Vereinten Nationen, spdtere Generationen von der GeiBel des Krieges zu erlösen, erreicht werden kann. Diese geschichtlich relevante Aufgabe und Vcrantwortung kann nicht allein den Regierungen aufgebijrdet werden.“
Die 8.500 Worte umfassend6 Agenda wurde in einer Reihe V011 Vorbereitungs
veranstaltungen und mit Hilfe
der Internet—Technik von mehr
315 70 Nichtregierungsorganisationen in diversen Ausschijssen vorbereitet. Sic geht weit
darijber hinaus, die Regierungen zu verstérktem Handeln
aufzurufen.
Ein neues dipolomatisches Made"
In der Tagesordnung und während der Konferenz wurde die Notwendigkeit einer direkten und aktiven Mitwirkung der Bevölkerung herausgestellt. Insbesondere betonten die Konferenzorganisatoren ihr großes Vertrauen in sin neues diplomatisches Model}. Danach sollen „bürgerliche Vertreter, fortschrittliche Regierungen und internationale Organisationen geschlossen an gemeinsamen Zielen arbeitcn“, heißt es in der Agenda.
„Gemeinsam stellen wir das dar, was 2113 neue demokratische Diplomatic verstanden Wird. Diese stellte ihre Wirksamkeit bcreits etwa bei den Vereinbarungen zur Achtung des Landn1ineneinsatzes,bei der Errichtung eines internationalen Gerichtshofes zurVerbrechens bekampfung Oder auch beim Gutachten des Weltgerichtshofes über die Illegalitzit radioaktiver Waffen unter Beweis“,
sagt CoraWeiss, eine schon lange in Friedensbewegungen aktive Frau, die die Prisidentschaft der Veranstaltung innehatte.
Insgesamt hat dieVeranstal tung auch deutlich die stetig wachsende Organisation und Zusammenarbeit der globalen Zivilgesellschaft gezeigt. Auf mehreren Ebenen kann der Den Haager Friedensappell als ein weiterer Schritt im Prozess der übergreifenden Ausrichrung und Zusammenarbeit zwischen den Vielfiiltigen und unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen gesehen werden. Dieser Prozess begann mit den großen Foren der Nichtregierungsorganisationen, begleitet von einem Jahrzehnt der großen weltweiten Konferenzen über Erziehung— und Bildungsfragen, Umwelt und Entwicklung, Menschenrechte, Bevölkerungsentwicklung, Frauen, Armut, Stadtentwicklung und Ernéhrungsfragen.
„Viele NGOs erweiterten ihre Bündnisse und Vereinbarungen in Den Haag“, registriert jonathan Dean, Berater fiir internationale Sicherheitsangelegenheiten der Washingtoner Vereinigung betroffener Wissenschaftler. „Beispielsweise haben sich deutlicher als früher Gruppen zusammengeschlossen, die sich mit der fr Lihzeitigen \X/arnung bei Konflikten befassen.Wir haben auch ein weltweites Bündnis bezfiglich Handwaffen gegründet. Ebenso schufen wir eine Verbindung von Gruppen, die sich fiir einen totalen Abbau von radioaktiven Waffen einsetzen. Das Treffen hatte wirklich den Charakter einer UN—Organisierten Friedens- und Abrustungskonferenz.“
langfristige Vorbereitung der Konferenz
Die Veranstaltung hatte einen weit gefzicherten Teilnehmerkreis, vonVertretern allseits bekannter NgOs bis zu Friedensaktivisten, die an der Basis
[Seite 13]nrbcitcn. Einigc Führungspersbnlichkeitcn und Prominente der Welt sprachen nus
Anlnli des FriedClmnufi‘ufbs, so
bcispiclmeisc der UN—Gcnc1‘;11—Sckrctlir Kofi Annan, K6Iligin Noor vonjordanicn, dt‘l
Ircmicrministcr der Nicderlandc: Sheikh Hasina aus Bangladcsch und auch der UNICEFVorstandsvorsitzende Carol
Bellamy und einige Nobelpreistriigcr. Die Organisatorcn
rcgistricrten Abgcordnete von
rund 80 Regierungen.
„Bittc lasscn Sie sich versichtm, vielc von uns spiirten, dass der Den Hugger Friedenszlppell einen Meilenstein im Prozc B zum Wcltfi‘ieden darstcllt“, bcstiitigte Anwarul Karim Chowdhury, Bangladeschs stdndigcr Vcrtreter bei den Vereinten Nationcn, der ebenfalls an der Konferenz teilnahm. „Ich hatte das Gefühl, dass es eine durch dic Zivilgescllschaft organisiertc Veranstaltung war. Sic war nicht nur gut geplant, sie war in gleicherWeise herzlich. Man fiihlt6 sich stets \Vohl. Gewiihnlich sind Regierungstreffen stcif, aber hicr genoss man cs dabei zu sein. Über allcm Sttht jedoch. dass es cin schr gchaltvolles Trefibn war, dds cin Stichhaltigc‘s Dokument hcrvorbrachte.“
1);1$ Trc'filn war durch vicr Gruppcn angcrcgt wordcn: Die IuternntiomlcVcrcinigu11g juristcn gcgcn nuklcarc Waffen (IALANA).d;1s Internationale Fricdcnsbiim (H’B). Internationale Arztc für dichrhim derung v01) nuklcnrcn Kricgcn (II’I’NW) und die Weltf(ideralistcn—Bcwcgung (WFM). Abcr gegen Endc der K011Fc1‘cnz \Vnrcn tibcr 7U Nichtregicmmgsorgmisationcn (NGOS) an dcheranstaltungsV'OI‘IwrcitLlllg und ~k00rdination bctciligt. Und mehr als 700 trugcn sich als „registrierte Organisationen“ OdL‘I‘ “Unterzeichncr“ ein.
Laut Cora Weiss wurde die Vernnstaltung in eincm zwci Jahre dauemdcn lrozess ein gehender Berntungcn der beteiligten 7() Gruppen vorbcreitct. Ihrc Ziclc warcn dic Bildung von Netzwcrken nnzuregcn, Zusununcnschliissc zu bildcn und den Fortschritt bci vcrschicdcnstcn inturnntimnk len Aktivitiitcn zu fifirdern. chlgcordnctcs Zicl war die Bcschlcunigung der brcitgcfiichcrtcn, wcltwcitcn Bcwcgung zur Errichtung cincs alldaucmden Weltfi'icdcns.
Haager Friedensappell ein Dokument des globalen Friedenswillens
l);lS Ergcbnis, so bestätigtcn die ()rgnnisntorcn, hattc nicht dic vollc Zustimmung allcr. dic an (ic1'K()11fbrellz oder nuch dercn Vorbcreitung tcilnulnnml Der Hanger Friedensuppell stellt trotzdem ein vergleiclmvcisc umfilsscndcs Ergcbnis dcs Denkens der zukunftsoricntiertcn, an den NGO—Foren betciligten Bevdlkerungsgruppen dar. Aus dieser Sicht kann es als erste wirklich aufbreiter Ebene getrageue Wiederholung der k01lektivcn Weishcit der Zivilbe\‘(ilkcrung bezüglich der weltweitcn Friedcns— Lmd Gerechtigkeitsdcbattc gewertet warden.
Unter andercm fbrdert dic
Den Hanger Agenda für Fric dcn Lmd (krcchtigkeit im 2]. Inhrhundert die Stärkung und Aktivicrung dchcrcintcn NJtioncn. stiirkcrc Mcchnnismcn zur Errichmng und dcs Erhalts von Mcnschcmcchtcn. {116136ren Anstrcngungcn in der Frieda1sc1‘zichung, mchr Fraucn in Entschcidungscbcn011, brcitcrcn antihungcn um intornntionalc Dcmokrntic und cine wclnvcitc chicrung.
Bczogcn auf spczifixche lnitiativcn fordert dic Agenda cinc umfllsscnderc Ammhme dcs Vcrtragcs für sin Land111i11cnvc1‘botV011 1997 und der Vereinbarung zum Einsatz von biologischen Waffen. Auch m Lisstcn Fortschritte bei der Annahmc und Errichtung eines Internationalen Gerichtshofcs zurVerbrechensbckiimpfung und der erfolgrcichen Umsetzung einer ncuen Kampagne zur Einschriinkung dc‘s Gebrauchs von Handwaffcn und des Einsatzes v01) Kindcm in Kriegshandlungcn crziclt wérdcn.
Etablierung elner neuen Ad von globaler Biirgerdiplomatie
Dic Organisnmrcn der Konfi‘rcuz hoflbn, duss solchc Aktivitiitcn zukünftig nicht nur nuf dic hcrkiimmlichc
Wcisc der Lobby— und Biind
Die Bahdilntemational
Community veranstaltete
einen Workshop zur
Présentation der Initiative
„F6rderung positiver
Nachrichten durch die
Medien", ein Projekt, das
unter Einsatz von Theatertechniken die innere
Befriedung von Konflikten
in Zusammenarbeit mit den
Betrofienenfördert. Von
links nach rechts: Lorraine
Hetu aus Belgien, Beth
Bowen aus den USA und
Robert Zuber aus Kraoatien.
HAGUE APPEAL FOR PEACE 1999
_
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[Seite 14]„Die Neue Diplomatic stellt eln
Model! dar, dds auf
Partnerschaft zwischen Reglerungen
und internationalen Organisationen
beruht. Bel der
internationalen
Kampagnefiir dds
Verbot van Landminen wurde es
tadellos In den
offizlellen Prouss
eingebunden.“ William Pace Vorsitzenderder Weltférderalisten und Konferenzleiter
K ONE COUNTRY
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nisbildung in Gang kommen. Sic wiirdcn sich Vielmehr wijnschen, dass Aktivitziten auch durch Anwendung der „Neuen Diplomatic“ zustande kommen. Ein wichtiges KennzeiChen dieser Form ist die wachsende Partnerschaft zwischen den NGOs und den Regierungen in kleinen und mittelgroßen Lzindem. Dabei steht ein Abbau der feindlichen Haltung gegenfibcr speziellen Vertriigcn und Positionen mit und zu anderen Regierungen (hiiufig Grofim'échte) im Vordergrund.
Das am hiiufigsten angefiihrte Beispic‘l für die Anwendung der Neuen Diplomatic stellt der Vertrag zum Verbot V011 Landminen 1997 dar, der trotz der Vorbehalte einigcr Großmöchte abgcschlosscn wurde. Der Vertmg wurde am 31.M';irz 1999 von 135 Staaten unterzeichnct. Er strebt cin Vcrbot der Lagerung, Produktion und des Vcrkaufes von Antipersonenminen an. Man ist sich darin cinig, dass die sclmelle und erfiflgreiche Annahme der cndgültigen Fassung durch die engagiertc Mitwirkung mehrcrer „mittelmiichtiger“ Staaten zustande kanL Dabei hutte auch die cnge Zusammenarbeit mit cincm Zusammenschlufi internationaler NGOS großen Einfluß.
„Die Ncue Diplomatie stellt ein Modell dar, das auf Partnerschaft zwischen Regierungen und internationalen Organisationen beruht“, tiuBerte sich William Pace, der Vorstandsvorsitzende dechlt—Féderalisten—Bewegung, als Generalsekretdr der Den Hanger Friedenskonferenz. „Bei der internationalen Kampagne für das Verbot von Landminen wurdc cs tadellos in den offiziellen Prozess eingebunden. Die NGOS, in Zusammenarbeit mit zukunftsorientierten Regicrungen, insbesondere Kanada und Norwegen waren hier führend, hoben es aus dem UN—Prozedere heraus, leiteten Sitzungen der Regierungen
und NGOS, formulierten einenVertrag und erreichten scinc Annahme durch Viele Llinder in der gesamten Welt.“
Ein globaler Diskussionsund Informationsbasar
Ergénzend zu den Plenaransprachen und den „Überblick verschaffenden“ Podiumsdiskussionen wurden in Den Haag mehr 315 400 kleiHere Arbeitskreissitzungen und Seminars durchgefiihrt. Ebenso présentierten sich mehr 2115 180 Organisationen auf einer großen Ausstellungsebene mit Bijchern und Schauwfinden. Manchmal hatte man den Eindruck, man befinde sich auf einem wcltumspannenden Basar mit vielen zwanglosen Treffen, spontanen Vorfijhrungen in den Giingen und Foyers des niederlzindischen Veranstaltungszentrums.
Religiöse Gruppen waren ein wichtiger Bestandteil des Aufrufes. „Es bestand Einigkeit darüber, daß Religiositeit und Geistigkeit Bestandteil des Friedcnsprozesses sein mijssen und die Aufinerksamkeit auf die Bedcutung der Religionen in einer Welt Ohne Krieg gerichtct werden müsse“, sagt Kathleen Uhler, OSF, zweite Vorsitzende der Internationalen Franziskaner—Gemeinde. Sic leitete einen Arbeitskreis für Religionen und Geistigkeit. „Ich denke, Religionen waren der Ausldser für Viele Kriege, aber sie kéinnen auch eine Friedenskultur schaffen.“
Friedensinltiative der Bahá’í in Siidosteutopa
Mehr 31$ 50 Bahá’í nus 19 Lindern nahmen an der Konfercnz tei]. Unter ihnen waren auch Vertreter des Bijros fijr Oflentlichkeitsarbeit der Bahá’í International Community in Paris, die die lrfisentation „F6rderung positiver Medicuberichtcrstattung“ unterstiitzte. Diesc‘s Irojekt war eine der ersten Initiativen, die im
Royaumont—Prozess Anwendung {and Dabei handelt es sich um eine diplomatische Initiative zur Umsetzung des Daytoner Friedensabkonmlens, das das Ende des Krieges in Bosnicn herbeifijhrte.
„F6rderung positiver Berichterstattung“ setzt die Medien undTheatertechniken ein. um soziale Missstfmde zu heilen und Gesprziche auf ethischer Ebene in diesem kriegsverwijsteten Gebict Siid—OstEuropas zu fdrdcm. Bis zum heutigen Zeitpunkt haben in mehr als zehn Lsindem Trainingsseminare stattgefunden. Der Krieg in Bosnien,]ugoslawien und Mazedonien verhinderte die Pliine, auch dort im Friihjahr 1999 ein entsprechendcs Training durchzuführen. Es wurde aber bereits in neuer Zeitplan ausgearbeitet.
Die niederliindische Baha’iGemeinde und der européische Bahá’í—jugendrat hatten die Bahá’í—Priisentation wiihrend des Kongresses übernommen. Beidc Einheiten batten Stände im Bereich der globalen Foren. So F6rdertel] die niederlfindischen Bahá’í ihre
jugendtanzgruppe „Awake“,
die Vorfiihrungen zum Thema Toleranz zeigte. Derjugendrat hat sich stark an der Formulierung dds Jugendstatcments beteiligt.
Viele der Bahá’í, die den Den Haager Kongress besuchten, waren als Vertreter anderer Friedensorganisationen anwesend. „Es gab Bahá’í, die in Erziehungsgruppen, interreligiösen Gruppen,jugendorganisationen und einigen andercn mitwirkten“, registrierte Yolande Milani—van den Hoogcn, Sekretzirin der niederldndischen Bahá’í—Gemeinde. „Die Bahá’í weltweit sind sehr unterschiedlich und trotzdem arbeiten sie hart an siner Kultur des Friedens. Unsere Hoffnung ist es, gezeigt zu haben. daß es möglich ist, trotz Verschiedenheit undVielfalt an einem gemcinsamen Zicl zu arbeiten.“ I
LOKALE AGENDA 21 Em NEUER WEG DER POLITIK DURCH KONSENS MIT WIRTSCHAFT UND ZIVILGESELLSCHAFT
Im Kapite/ 28 der Agenda 21 von Rio kommt den Stcjdten und Gemeinden eine Sch/Usselrol/efur die Umsetzung einer nachha/tigen Entwicklung zu - schliejilich massen sich die Strategienfljr eine globalvertnjgliche Politik in realitcitsnahen, überschaubaren Strukturen niederschlagen. Leitbilder, Zie/e und Majinahmen sowie Umsetzung und deren Überprufung sind loka/ am konkretesten zu planen und durchzufijhren. Auch die notwendige Kommunikation zwischen den einze/nen Akteuren ist hier noch efiektiv. Man kennt sich eben und weifs, miteinander umzugehen.
AINZ. — lijnktlich Mum 1‘) Uhr erétfnet Christoph Albu schkat die Tagcsordnung. In cinem AusschuBsssaal dcs Mainzcr Rathauscs sitzen mehItrt Dutzend Biirgcr enmrtungsvoll 2m schwcren Tischen. die ansonsten den V011 ihncn gewählten Politikem vorbchalten sind.
Eingeladen wurdc über die Presse und iibcr ein Schrcibcn, das der 27jiih1'ige Student der Geographic 211$ Mitarbcitcr 1111 6rtlichen Eine—Welt—Ladcn 311 die unterschiedlichsten Vereine und Initiativcn verschickt hatte.Wie vielc der sich ohnchin ehrenamtlich engagicrtcn Mainzer sich neben ihrcr Arbcit auch noch für dicschhcmenbereich cnviirmcn \viirden. war bis zulctzt unklzni Trotzdcm noch viele lliitzc fi‘ci sind. mncht Albuschkat cin zu fi'iedenes (icsicht. Zumindcst dic wichtigstcn Nichtregicrungsorganisationcn (NCO) sind nnwcscnd.
300 „Lokale Agenten“ in Bad Salzuflen als WeIt-Retter?
Gcmdezu iibcrwliltigt V01] dcm [lltcrcsse bcim crstcn 6ffentlichen Abend zur Lokalcn Agenda 21 im nordrhcin—westflilischen Bad Salzuflcn zeigt sich dngcgcn Biirgermcister Heinz—Wilhelm Quentmeier. Statt gcspmmter Ruhc wie in Mainz bcginnt hier der Abend furios. 300 „Lokale Agenten“ ortct „H;1usmeister Heinz Flottmann“ alias Kabarettist jtirgcn Rittershaus in der Aula der (Srtlichen Gelben Schule. „Mi)glichenkeise geht alles den Bach runter. aber es gibt noch
Die Loka/e Agenda Stuttgart prdsentiert sich unter anderem auch durch Informationsstdnde auf Konferenzen mit verwandten Themen.
DEUTSCHLAND
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[Seite 16]Stadtfeste und UN—Gedenktage dienen vielen Lokalen
Agendenfar den Kontakt mit der Bevölkerung.
„Maglicherweise geht alles den Bach runter, aber es gibt noch Hofinung, denn schliejllich gibt es genut Welt Retter bier. “
Kabarettist Jflrgen Rittershaus, Lokale Agenda Bad Salzuflen
„Eine trackene Debattierrunde dad die Lokale Agenda nicht werden. Spa]! and Freude mfisen im Vor dergrund stehen. “
Bürgermeister Quentmeier, Bad Salzuflen
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Hoffnung, denn schlic BliCh gibt cs genug Wclt—Retter hicr.“ 1)1C‘St‘1] Optimismus kennzcichnet 2111C Bcitriige der Auftaktvemnstzlltung für die Lokale Agenda 21 . „Einc ,troka kcnc“ Debatticrrunde darfsie 11iimlic11 nicht wcrdcn, SpaB Vor dergrund stehcn“, meint Bfir und Frcudc müssen im
gcrmeistcr Quentmeicr, schlic‘filich sollc das „Lcitbild fiir die Zukunft unsercr Stadt“ 1cbcndig und c111 Erfb1g wcrden.
Start mit einer Zukunftswerkstatt
Neunzig Ki10metcr wcitel west1ich 1111 [liederslichsischtn Ibbenbiiren gcht cs Cher beschaulich zu.23Vc‘1‘t1‘etcri1mcn Llllthltl CtCI‘ dt S Stadtmtes, der Kirchen und nus dem U111wclt— und Einc WeIt-Bcrcich haben sich in cincr Familicnbildungsstfitte zu eincr „Zukunfiswcrksmtt“ getrofiren.
„1ch wiinsche mir mehr Ehrlichkeit und VerliiBlichkeit von Vtrwaltung, lolitik und Btirgcrgruppen." — Der (3ffbntliche Persona]nahverkchr miifitc ausgcbaut wcrden.“ „Die Laden£31111L111gszeitc11 in 1bbc‘1’1bi‘11‘en miifitcn bcsscr aufeinander abgestimmt werdc IL“ Solche Lmd andereWiinschc liuBem dieTcilnchmer im
Verhuf dcs Scminars. um deren Elfiillung danach in Kleingruppcn realistisch zu pluncn. Geleitet wird das Tagessmnimr v01) DI: Norbert R. Miillcrt, der in den siebzigerjahren zuszlmmen mit Robert jungk die Methods Zukunftswerkstatt entwickclt hat.
der
Drci versc11icdenc11 Stddtt. drei M(Sg1ic11keitcn, den Prozcss einer Lokulen Agenda 21 zu bcginncn.
Lokale Agenda 21 eine Politik des Konsens
AbC‘I' was ist eine ,.Agcnda 21 “? DRS Wort kommt nus dcm Lateinischen und heißt sovicl wic „was gctan werdcn 5011“. DicAgenda 21 wurde 1992 auf dem Erdgipfel in Rio de janciro von 17‘) Staatsv Lmd RCgierungschefg vcrnbschiedet und ist c111 7 Wcnn auch unVerbimflicher — Plan 1111' das 21 . jalnhundert. Z161 ist es. Okologie und sozinleVertriiglichkeit mit iikonomischen Intercsscn besser in Einklang zu bringen.
Von Wirtschaft über Ge! sundheit zu sozialen Fragcn, V01] Ku1tur überAusbildung bis 211111 Sport, vom U111wc‘1tschutz iibcr Landwirtschaft bis zum Bauwcscn, vom Vcrkchr über Frugal] def Sicherheit bis zur jugcndarbcit — 3116 Handhmgsfcldm konnnunaler Politik sind
dabei abgedcckt. Doch diescr
Prozcss $011 nicht v01] oben verordnct, sondern von breii ter Basis gctmgen warden. Über 501) dcutsche Kommunen und Illthlt I‘C tausend Stiidtc wcltwcit cntwickcln derzcit eine Lokale Agcnda 21. Deutschlnnd stcht dabei im Verglcich zu andercn curopiiischen Ländern erst ganz am Anfimg.
Parallelen zwischen
Prozess der Lokalen
Agenda und Baha’iBeratungskultur
Auch die deutschc Bahfi‘iGemcinde hat die Bedcutung dieses Prozcsses crkannt, bicu tct sie ihr doch die Miiglichr keit, sich gcscllschnflspolitisch zu engagiercn 011116 sich in die aktucllc Tagespohtik cinmischen zu müssen. Strikte Enthaltsnmktit in paneipolitischen, antagonistischen MachtkiimpFen ist ihncn gebotcn.
Um so vcrtrnutcr ist 1111161] die Art und Weiss, wic die L0kale Agenda 21 umgcsctzt werden 5011: Komens und Kooperation start Konflikt und Konfi‘ontation Sind dic ncueu Leitbilder, die P01itiker,Unternchmcr, Gavcrksclmftcn, Vereine undVerbiinde zu gleichbercchtigtcn Parmcrn machen.
In diescm Sinne versuchen
die 13211121 1 bereits seit 156jah
[Seite 17]ren miteinander zu kommunizieren. Ihre gelebte Gemeindepraxis, die maßgeblich durch
das Bahá’í—eigcnc „Beratungsmodell“ beeinflusst ist, kann
der Lokalen Agenda 21 alsVorbild dienen Denn die Bahá’í
„beraten“ immer dann, wenn
Entscheidungen zu f’éllen sind.
jeder hat etwas zu sagen, jede
Meinung ziihlt und ist ein Baustein im Entscheidungsfindungsprozess. Destruktive Kritik, Besserwisserei Oder Herabsetzungen werden dadurch
unnötigViele Bahá’í—Gemeinden engagieren sich in diesem
Sinne Für eine Lokale Agenda
21 in ihrer Stadt.
Denn natürlich müssen auch hier Entscheidungen getroffen, Fragen gekleirt werden. Wie auch immer der Auftakt gestaltet wurde, danach gilt es, die unterschiedlichen Fragen, Interessen und Erwartungen zu strukturieren, Prioritäten zu setzen und zu entscheiden. SChließlich 5011 am Ende eine fiir möglichst alle Betciligte zufriedenstellende Antwort gefunden werden auf die Frage: „Wie wollen Wir im Jahr 2020 in unserer Stadt lebcn?“
Grfindet man also neben dem für alle offenen Forum einen Beirat wie in M‘Lmchen, in dem bekannte Schauspieler, Sportler und andere lcrsénlichkeiten als Sympathietrfiger auftrettn? Oder beldsst man es lieber bei einen Beirut mitVer
tretern aus Wissenschaft und
Forschung, die die Bürgerinnen und Bürger fachlich unterstützen? Und welche Arbeitsgruppen sollen gebildet
werden? Wie in Hannover als
Querschnittsgruppen, zum
Beispiel eine Arbeitsgruppe
zumThema „Freizeit“, Oder an
den einzelncn Politikbereichen
orientiert wie Verkehr Oder
Wirtschaft? Und wer soll das
alles koordinicrcn? Reicht ein
Lenkungskreis als geschfiftsführender Vorstand?
Bei ein paar Dutzend Personen ist eine ehrenamtliche Kraft ausrcichend beschsiftigt, sind cs aber bis zu zweihundert Menschen wie in MiinChen, muss eine hauptamtliche Kraft, ein Agenda—Bfiro her. Ob die Stadt dies aber finanzitrt? Schließlich ist die Umsetzung der Agenda 21 mm eine Freiwillige Aufgabe der Kommune und in Zeiten defizitiirer Haushalte auf den erstcn Blick ein schwer finanzierbarer Luxus.
Die Erfahrung :eigt: Viel hingt vom Engagement des Einzelnen ab
A15 im November 1996 in Bonn die Enquete—Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ Reprfiscntantcn einzelner deutscher AgendaStiidte anhörte, wurdc dahcr deutlich, daß die Umsetzung
der Rio—Beschlijsse wenigtr von den bisherigen Entscheidungstrégern aus Politik und Verwaltung abhzingt, als Vielmehr vom Engagement einzelner Persönlichkeiten in diesel] Bereichen.
Dr. Klaus Watzlawik, sin Vorreiter der Lokalen Agenda 21 im Berliner Bezirk Képenick, schlussfolgert gar: „Wenn der Bürgermeister nicht mitzieht, kann man es sein lassen mit der Agenda. Es ist verlorcne Liebesnfiih.“
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass viel V0111 Engagement des einzelnen sowie der Unterstiitzung aus Politik undVerwaltung zum Gelingen eines konstruktiven AgendaProzesses beitriigt.
In Mainz hcrrscht daher noch ein wenig Skepsis, denn die Vcrtreter und Vertreterinnen der 6rtlichen NGOS sind bei dem erstcn (iffentlichen Abend zur Lokalen Agenda 21 untcr sich geblieben.Anders in Bad Salzuflcn. Am Ende der chnstnltung haben sich bereits vicr Arbeitsgruppen gebildet 2‘) fcstc Anmeldungen liegcn für „Bauen,W0hnen,Verkchr, Landschaft, Stadtplamung„ VOl, 1‘) für „Arbeit,Ausbildung, sozialeVerantwortung, FamilieGugend/Frauen“, sieben für „Kultur, Sport, Freizeit, Vereine“, und elf Personcn wollcn sich bei „Wirtschaft/
Stadtmarketing“ cinbringcn. I
Auch bei der Ofi‘entlichkeitsarbeit der Lokalen Agenden in einigen Stddten tragen Bahá’í Tanzworkshops dazu bei, aufvorhandene Probleme und Lösungsansatze hinzuweisen.
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[Seite 18]Beim ZIlintersbacher Model]
Iernen die Teilnehmerfrei
zu sprechen, zuzuhciren und
sich in einer Gruppe gleichwertig zufl'ihlen.
IM DIENST AN
Theo Schoenaker therapierte erfolgreich .. erwachsene
P 0 RT R AT Stotterer. Seit
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1995 bildet er zusammen mit seiner Frau Julitta individualpsychologische Berater aus. Ermutigung ist dabei das Schliisse/wort seines Wirkens. Die von ihm entwickelten Ermutigungsmethoden finden internationale Verbreitung.
INNTAL—ZUNTERS BACHrAufdem Stuhl,
der zum Gesprach bereit steht, sitzt ein Mann von kraftiger Statur. Seine Hiinde und Arme vermitteln, dass er zupakken kann. jahrzehntelang hat er in einem Unternehmen als Bauleiter Viele schwierige Situationcn gemeistcrt und 1113(3gcblich zur Entwicklung des Unternchmens beigetragen. Doch nic hat der 49jahrige die
ersehnte Bestiitigung erhalten. Als sich die Arbeit immcr mchr hiiufte und damit auch der Druck zunahm, kiindigte er kurzfristig und machte sich selbstfindig. Doch es liefnicht Wie erhofft.
V1616 Menschen erleben iihnliche Situational. Sic wisscn nicht mehr waiter und suChen Hilfe. Der Bauleitcr fand schlicBlich Rat im „AdlcrDreikurs—Institut F'Lir soziale Gleichwertigkeit“ im hessischen Sinntal—Zijntersbach, nahe der bayerischen Grenzc zu Bad Brückenau.
Am Beispiel des um Rat suchendcn Bauleiters zeigt der Grijnder des lnstituts, Theo Schoenaker, einer Cruppe von 20 Studiercnden, Wie in diesem Fall 6111 Beratungsgesprfich vor sich gehen kann.
„Was ist lhrlhema und was kann ich Für Sie tun?“
Der Angesprochene verweist auf seine schwierigc
ENSCHHEITWO
Schoenaker will das Bild vom Menschen als „Bergwerk, reich an Edelsteinen“ in seiner Arbeit umsetzen
Kindheit. Er habc das Gefühl, er sei stets zu kurz gekommen und werde ausgeniitzt, auch heutc noch.
Schoenaker liisst sich zunfichst die Kindhcit schildern. Behutsam hakt er nach, als d€r Bauleitcr ins Stocken geriit. SchlicBlich unterbricht er seinen Khenten und wendet sich an die anwesenden Studierenden. Ohne dass der Mann etwas einwenden darf, schreiben die Beobachter seine guten Eigenschaften auf eine Wandtafel.
In wenigcn Minuten crfiihrt er so vie] Gutes über sich, dass dem gestandentn Mann
die Trlincn kommen. Sichtlich gestiirkt tritt er nach Cillt‘l Stunde den Hcimwcg 2m mit einigen Ubungsautgaben und dcm Tcrmin für das nichste Gespriich,
Disses Beispiel ist typisch fiir das Werk und Wirken von Theo Schoenakcr. Scit mehr nls dreiBigjahren hat der gebiirtigs Hollinder Erthhrung mit der Beratung von Mcnschen in schwierigen Lebenssituationcn. Er begann mit der Logoplidie, zu der 61' über seine erstc Frau Antonia (1930 7 199-1) kam, die sclbst Logopiidin war. In der Stottcrtherapie für Elwachse11c, die or mit Antonia weitercntwickclt hat, gilt Schoenaker nls fiihrcnd. So fiihrt er im Aufrrag der Bundesversicherungsanstalt für Arbeit (BfA) Rchnbilitationsmaßnahmen durch. Als Therapieziel nelmt Schoenaker Selbstcrkennmis, Selbstannahme und das Trainieren sozial nfitzliChcherhaltcnswciscn.
Jeder ist gut genug wie er eben ist
Grundlagc seiner Arbcit ist die Individualpsychologie mach Alfred Adler und dessen Schüler RudolfDreikurs. Diese ist Teil der
Psychologien mit einem posi humanistischen
tiven, optimistischen Menschenbild
Eine der V011 Schoenaker fiir Gruppengesprliche entwikkeltcn Methode ist daher auch das „Zii11tersbacher Modell“ (Z'LibaMo). Dabei lernen die Teilnehmcr frci zu sprcchen, zuzuhbrcn und sich in einer Gruppe gleichwertig zu fühlen. Das Z'LibaMo kennt keinc Kritik und keinc Wexttlng.]eder ist so gut genug wie er ebcn ist. Die Gruppenmitglicder schbitzen diese Art des miteinander Sthl und Vic16 setzen ihre in Ziintersbach erlernten Ffihigkeitcn in der Partnerschaft, in der Familic Oder im Beruf um.
Mehr 315 2.500 erwachsene Stotternde gingen in den ver gangenen 27 jahren in dcm Adler—Drcikurs—Institut cin und nus. Wissenschaftliche Untersuchungcn, durchgefiihrt vom Deutschen Institut far Internationale liidagogische Forschung Frankfurt, haben die bcmcrkcnswcrtc Langzeitwirkung hervorgchobcn, nachdem die Therapic für die meisten Klienten auch Inch 15 jahren eine bedcutende Verbcsserung bewirkt habe. Dank des Erfblgcs ist c1215 Institut um cine zweitc Eimichtung im bzlyerischen F'Lirstenfcldbruck crweitcrt wordcn.
Ermutigung ist: der wirksamstc Faktor in Schocnakcrs Arbeit. 1995 entwickelte er mit seiner zweiten Ehefrau Julitta Ermutigungsmethoden, dic derzcit unter dem Namen Encouraging—Traini11ginternationaleVerbrcitung findenVon Theo und julitta Schocnakcr ausgebildctc Trainer und Traincrinnen béfinden sich in den USA und in vielen andercn europdischen Liindem, so dass seit 1995 über 5.000 Menschen dicsc‘s Modell kennenlcrnen könnten. Auch die Effektivitiit dc‘s Encouraging—Trainings wurde wissenschaftlich nachgewiesen, und zwar in cincr Studic der Universitiit Groningen imjahr 1998.
Ermutigung ist eine Haltung, die sich im Glauben an den anderen ausdrückt
Ermutigung beschreibt Theo Schoenaker als einen komplexen Vorgang, der dazu fiihrt, dass der Empfänger 111ehr
- 11) sich und an seine Möglichkeiten glaubt „111 den) Prozess
spielenWorte die kleinste R0116. Ermutigung ist eine Haltung, die char 011116 Worte sich in der Bcgegnung, in der Zusammcnarbcit, in einem fi'eundlichen Iilick, einer freundlichen Stimme ausdrückt.“ Sic kommt in Geduld, der Tcilung von Verantwortung, im Glauben an den anderen, in Enthaltung iibler Nachrede, in Begciste rung [111d HUIDOI' zum AUS
druck. Eine ermutigende H211tung gründet sich in der Maxims, jedem Menschen, dem
wir begegnen, einen guten
Dienst zu crwcisen und ihm
van Nutzen zu sein. „Wir sol]tenjedermanns Charakter vcredeln und den Gcdanken der
Menschen eine neue Richtung
geben“, zitiert Schocnaker
Abdu‘l—Bahá.
Schoenaker,Tr:iger des von
der xliederliillciischell Regierung vcrgebencn Turmaca
Licmcrs—Preises fijr sozialeVerdienste, und seine Frau Julitta
habcn das Ziel, die Individualpsychologie nach Adler und
Drcikurs und ihre von ihnen
selbst cntwickelten Methoden
durch die Ausbildung in
individualpsychologischer Beratung sowie in EncouragingTrainings weiter zu verbreiten.
Institute in Holland und
Ostcrreich und die Übersetzung seiner im eigenen RDIVcrlag erscheinenden Bijcher
in mehreren Sprachen sind die
Flfigcl, auf denen die Entwicklung getragen Wird. I
Theo Schoenaker, Trdger des von der niederldndischen Regierung vergebenen Turmac-Liemers—Preisesfar soziale Verdienste, leitet das Adler—Dreikurs-lnstitut in SinntaI-ZUntersbach.
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[Seite 20]„CHANCEN
FUR DIE BISHER
BEDEUTENuAUCH FUR
INDUSTRIELANDER NEUE
REZENSIO
ficher, die vor den GeB fahren der Globalisiei rung warnen, gibt es
bereits in großer Anzahl. BiiCher, die die Gefahren klar erkennen und benennen und fundierteVorschliige zur deren Beantwortung in die Diskussion geben, gibt es nur
Corina Angfick Peter Fem Jens tom
Fem Shim! Nancy Winner
hancen
Projekte zur nachhaitigen
Gestaitung der Globafifierung
Corina Angrick Peter Fernau Jens Loewe Peter Spiegel Nancy Wimmer CHANCE"
Projekte zur nachhaltigen Gestaltungder Globalisierung. 1999.128 Seiten. Pa perback DM1o,HorizonteVerlag
ISBN 3-89483-058—1
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wenige. Das vorliegende Buch eines fiinfl<6pfigen Autorenteams gibt in journalistischer Aufbereitung das Ergebnis einer fijnfjfihrigen Suche nach einem 6kologisch und sozial nachhaltigen globaf len Entwicklungskonzept Wieder.
Die Autoren setzen bei einer Analyse der Globalisierung ein, die nicht einseitig die westliche Sichtweise reproduziert. Sie kommen dabei zu einem überraschenden Ergebnis: Die Zukunft der Industrielzinder hat weit mehr mit der Zunahme einer gleichwertigen Entwicklungschance für die bisher zu kurz gekommenen Linder zu tun, als dies bisher von anderen Analysierenden der Weltlage je gesehen wurde. Nicht nur die Zukunftsproblems der Menschheit von der Überbevélkerung bis zu Kriegen um Wasser und anderen Ressourcen — entscheiden sich im Süden. Auch die größten Wachstumsmfirkte einer immer stärker miteinander verwachsenen Weltwirtschaft liegen in den bisherigen sogenannten Entwicklungsl'éndern.
Der wesentlichste Rat der Autoren des Chancen—Buches weist daher in eine völlig unerwartete Richtung: Ein globaler ékologischer und 5021;;ler Marshallplan Für Cine Über CHANCENLOSEN
CHANCEN
Ej_n globaler sozialer und okologischer Marshallplan setzt auf soziale Innovationen
windung der unmenschlichen Armut von mehr 315 1,5 Milliarden Menschen mit weniger als einem Dollar pro Tag Einkommen sei das erfolgreichste Wirtschaftsfdrderprogramm aller Zeiten.
Sie fijhren hierfijr unter anderem den Erfolg der Grameen Bank in Bangladesh an, die ausschliefilich an Menschen ohnejegliche Mittel und
‘ Sicherheiten Kleinkredite von
umgerechnet 200 Mark vergeben. Bei den 8 Millionen Bangladeshi, die bisher von der Grameen Bank solche Kleinkredite erhalten haben, wuchs das Einkommen im Laufe von fiinf jahren im Durchschnitt um 250 Prozent. Da die Grameen Bank nach einer Lernphase von 15 Jahren nunmehr seit fiinf Jahren selbsttragend arbeitet, also alle eingesetzten Mittel zurückfliefien, ist hier ein Beispiel fur eine absolut neuc Art von Entwicklungspolitik und Wirtschaftspolitik gegeben.
Wenn dieses System weltweit an die jeweiligen Bedingungen angepasst wird, können nach einer Rechnung der Weltbank in nur zehn jahren eine halbe Mifliarde Menschen mit einem Investitionsvolumen von insgcsamt 30 Milliarden Mark auf einen realistischen Weg aus der Armut gebracht werden und Partner und Nachfrager aufdemWeltmarkt werden. Dies ist ein verschwindender Bruchteil jener Summen, die bisher erforderlich
waren, um weit geringere Erfolge zur Belebung der Weltwirtschaft zu erzielen.
Ein weiteres von insgesamt fiinf Schlfisselbeispielen Für einen verblfifiend kostengfinstigen globalen 6ko—sozialen Marshallplan für ein Ende der Armut in der Welt 2115 bestes Wirtschaftsfdrderprogramm ist die Konzeption von Entwicklungshochschulen.
In Kolumbien entwickelte eine Gruppe von Bahá’í—Professoren der Universit'ét Valle ein ebenso simples wie wirkungsvolles neues Bildungskonzept. Sie stellten fest, dass praktisch alle Lehrbficher aller Schulen in der Welt die Erkenntnisse der modernenWissenschaften fast ausschliefihch auf staldtische Problemstellungen anwenden. Die lfindlichen Probleme und Entwicklungsbedijrfnisse erfahren keinerlei Aufmerksamkeit der modernen Forschungseinrichtungen und der Lehrbuchautoren. In einem Pilotprojekt namens Fundaec schrieben diese Professoren komplett neue Lchrbijcher. Mehrere Hundert neue Entwicklungsorganisationen gingen daraus bereits hervor. Die lzindliche Jugend wuchs plötzlich zu einheimischen Entwicklungshclfern heran — zu weitaus geringeren Kosten als westliche Entwicklungshelfer und mit einem weitaus höheren Wirkungsgrad.
Eine globale Wende mit bereits vorhandenen Konzepten ist méjglich. H. Nowomy